Wallis: Sterne als Gütesiegel - Boucherville · Schweizerische Weinzeitung — 46 47...

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Aus Liebe zum Wein. Seit 124 Jahren. Ausgabe 10 Oktober 2017 chf 13.50 Wallis: Sterne als Gütesiegel WAS TRINKEN WIR? Immer mehr Schaumwein SAAR Aufschwung mit Günther Jauch MONDAVI Mit Continuum geht die Geschichte weiter

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  • Aus Liebe zum Wein. Seit 124 Jahren.Aus g a be 10 — O k t obe r 2017

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    Wallis: Sterne als Gütesiegel

    Was trinken Wir?Immer mehr Schaumwein

    saarAufschwung mit Günther Jauch

    MondaviMit Continuum geht die Geschichte weiter

  • Aufschwung mit

    Günther JauchDie Wandlung vom Fernsehstar zum Winzer schien für Günther Jauch ein Leichtes. Zur Renaissance des finessenreichen Saar-Rieslings leistet der Moderator von «Wer wird Millionär?» seit sieben Jahren seinen Beitrag – mit erstaunlichen Ergebnissen.

    Te x t : Wo l f g a n g F a s s b e n d e r F o t o s : G i a n M a r c o C a s t e l b e r g

    S a a r

    S c h w e i z e r i s c h e We i n z e i t u n g — 4 4 45 — S c h w e i z e r i s c h e We i n z e i t u n g

  • Günther Jauch ist entspannt wie einer, der sich wohlfühlt in einer Rolle. Der weiss, dass man vor schwierigen Wetterbedingungen keine Angst haben muss. Von ein paar Regentropfen im Herbst lässt sich der 61Jährige, in diesem Punkt längst ein alter Hase im Weingeschäft, ganz gewiss nicht aus der Ruhe bringen. Schwierig werde es lediglich, wenn zum Niederschlag noch die Wärme komme, sagt der Winzer von der Saar, der in den vergangenen sieben Jahren seinem Geschäftsführer und Kellermeister Andreas Barth über die Schultern schauen konnte. Der Gutsbesitzer nicht nur an hohen Feiertagen und für die Kameras spielt, sondern auch im Alltag einer ist. Mit sichtbarer Freude schenkt Jauch, der TVModerator, in Zürich seine Rieslinge des Jahrgangs 2016 aus, beantwortet geduldig Fragen, ist immer für ein Erinnerungsfoto zu haben. Nur das Doppelporträt zusammen mit seiner Frau Thea fällt aus. Ein hundertprozentig normaler Winzer ist Jauch eben, man merkt es in diesem Moment, doch nicht, denn anders als bei Gerhard Grans, dem gleich nebenan präsentierenden Inhaber des MoselWeinguts GransFassian, werden über Jauch und seine Frau gern mal fantasievolle Geschichten gestrickt und entsprechend bebildert, die nichts mit der Realität zu tun haben und immer wieder die Anwälte beschäftigen.

    Was Jauchs Rieslinge angeht, sind dagegen alle Fantasien berechtigt. Seit der gebürtige Münsteraner das Weingut 2010 übernahm, hat die Präzision der erzeugten Kabinette, Spät und Auslesen, aber auch die Finesse der Grossen Gewächse nochmals zugenommen. Die Entscheidung, sich nicht nur dem TVJob zu widmen, fiel auch aus familiären Gründen: Jauch ist schliesslich Enkel Elsa von Othegravens, verbrachte als Kind manchen Sommer

    «Im schönsten Sonnenschein auf der Terrasse zu sitzen

    und den Vögeln im Park zu lauschen, ist eine Sache.

    Ein Spitzenweingut zu besitzen und es zukunftsfähig aufzustellen,

    eine ganz andere, natürlich ungleich schwerere Aufgabe»

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    tag auf dem Weingut, spürte die Verpflichtung, das Gewachsene zu bewahren, einer denkbaren Zerschlagung des Weinguts vorzubeugen. Und hat sich eingearbei tet in die Materie: Mit vergorenem Traubensaft beschäftigt sich der Journalist nämlich erst seit eineinhalb Jahrzehnten. Inzwischen aber hat er einiges gelernt, weiss um den besonderen Charakter der Saarweine. «Es ist am Rande der Political Correctness, wenn man sagt, dass die Saar ein Profiteur des Klimawandels ist.» Während es nämlich in manchen Weinbergen der Mittelmosel wärmer wird, als man lange Zeit gedacht hatte, vor allem in Jahren wie 2003 oder 2015 und womöglich in naher Zukunft öfter, geht es weiter südlich noch immer merklich kühler zu, weshalb ein Hauch mehr Durchschnittswärme nicht schadet. So frisch war es nämlich früher, dass in den vergangenen Jahrzehnten so mancher Weinberg brachfiel zwischen Konz und Serrig. In den Achtzigern war die Leidenschaft für die Saar auf ein Minimum geschrumpft, in den Neunzigern konnte man wieder Hoffnungsschimmer beobachten, dann kam Roman Niewodniczanski, kaufte Van Volxem. «Er hat Berge versetzt», würdigt Jauch die Leistungen des Kollegen für die Region. «Im Moment des Aufschwungs haben wir das Weingut übernommen.» Wir, das betont er gern. Ohne seine Frau Dorothea Sihler, allgemein nur als Thea bekannt, wäre an ein Abenteuer wie dieses nicht zu denken gewesen. Und ohne die Mitarbeiter auch nicht. Alle sechs, sagt Jauch, seien immer noch dabei. Investiert wurde statt in Flying Winemaker in die Sanierung und den Ausbau des Bestehenden.

    Die allgemeine Renaissance ist an allen Enden zu spüren. Riesling von der Saar, immer schon spritzig und duftig, hat in den letzten Jahren nochmals an Substanz zulegen können. Die 2015er sind für Ewigkeiten gemacht, die 2016er fallen straffer und würziger aus, dürften aber ebenfalls sehr lange reifen. Verwilderte Weinberge werden gerodet, Neupflanzungen sorgen dafür, dass die Re gion im Ausland immer mehr wahrgenommen, dass der Ruf der Saarweine wieder an jenen anknüpft, den er Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts hatte. Und sah es ein paar Jahre lang danach aus, als wären alle Geniesser ausschliesslich auf der Suche nach dem trockenen Riesling, als wäre der restsüsse ein Auslaufmodell, hat der Wind gedreht. Fast überall an der Saar, aber auch bei Othegraven selbst. «Die Nachfrage nach süssem Wein hat zugenommen», freut sich Jauch und hebt eine Kategorie heraus. «Bei den Kabinetten haben wir hohe Steigerungsraten.» Der Trend gehe eben weg von den schweren Geschossen, den alkoholreichen Weinen, nicht nur im Export, auch in Deutschland selbst, wo das Gros der Produktion abgesetzt wird. Wenig Alkohol, dennoch viel Geschmack. Wer sonst schafft das, wenn nicht die Mosel und, ganz besonders, die Saar? Bei Jauch lässt sich in dieser Hinsicht sogar aus einem beachtlichen Sortiment wählen. Der 2015er Kabinett aus dem Ockfener Bockstein wirkt offen, mit klarer Steinobstfrucht, saftig und frisch, jener aus der Wiltinger Kupp, ein 2016er, ist eher verschlossen mit einer fast rauchig zu nennenden Würze. Der Versteigerungskabinett aus dem Kanzemer Altenberg schliesslich ist nochmals deutlich komplexer, ein wunderbar straffer Wein,

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    Steile Südhänge, rauer Schieferboden, perfektes Klima – ein idealer Ort für Riesling. Der Kanzemer Altenberg ist die Hauptlage von Günther Jauchs Weingut von Othegraven.

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    Seit 2010 führen Günther Jauch, dessen Grossmutter eine ge borene von Othegraven war, und seine Frau Thea das Weingut in siebter Generation. Seit 1805 befindet sich das Gut mit Park und altem Baum bestand in Familienbesitz.

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  • merklich von der spontanen Gärung geprägt, süss und vielschichtig, aber eindeutig keine Spätlese. Die gäbe es natürlich auch, sie hat mehr Schmelz, während die Auslesen schon reife Steinobst und exotische Noten mitbringen, ohne breit zu wirken. Doch die Balance aus Süsse und Säure fände sich eben in den nicht ganz so reif geernteten Trauben am allerbesten, schwärmen die KabinettLiebhaber.

    Mit 10 Hektaren hat Jauch das Weingut übernommen, inzwischen wurde es auf 16 ausgebaut. An weitere Schritte ist nicht zu denken, der Keller ist begrenzt, einen Neubau plant Günther Jauch nicht, dem Vorbild des drastisch gewachsenen Weingutes Van Volxem will er auf keinen Fall nacheifern. «Wir wissen, was die ideale Betriebsgrösse ist.» Viel lieber möchte der Winzer einen Teil der Ernte zurücklegen, später auf den Markt bringen als bisher, die Käufer auf noch perfektere Reife vertrösten. Wenn es doch so einfach wäre. Auch 2017 werde mengenmässig nicht riesig ausfallen, prognostiziert Jauch, schon 2016 war die Menge vergleichsweise klein. Und da sind ja auch noch Kunden, die manchmal gar nicht genug bekommen können – weil die Rieslinge so gut sind, weil das Weingut so zuverlässig, der Winzer so berühmt ist. Einer, erzählt Jauch, trank eines Tages vor nicht allzu

    langer Zeit zwei, drei Schlucke und fragte dann, wie viel es insgesamt gebe von diesem Wein, er nehme alles. Bekam er nicht, 300 Flaschen und dann noch einmal 300. Keine mehr. Seine Stammkunden will Jauch schliesslich nicht verlieren, die in vielen Jahrzehnten aufgebauten Geschäftsbeziehungen nicht kappen, schon gar nicht der kurzfristigen Einnahmen wegen. Von der langen Geschichte hat Günther Jauch schliesslich einiges mit be kommen, erzählt gern von Emmerich Grach, der das Weingut in der Umbruchzeit der Säkularisation Anfang des 19. Jahrhunderts einem Reichsgrafen abkaufte, den Grundstein für seine heutige Bedeutung legte. Ganz so weit zurück reichen die Archivbestände leider nicht. «Als wir übernahmen, war der älteste Wein ein 1958er», er in nert sich Jauch. Immerhin der legendäre 1959er war zu verkosten, auch vom berühmten 1971 war noch einiges da. Später durfte Jauch dann sogar den 1921er aus dem Hause von Othegraven kennenlernen. Als dieser gekeltert wurde, war noch der alte, weltweit existierende Ruhm der Saarweine zu spüren, als man für erstklassige Bordeaux weniger zahlen musste als für die besten Kanzemer, Ayler oder Wiltinger. Dank einem TVModerator und ein paar anderen Engagierten ist die Saar nun auf bestem Wege, an alte Glanzzeiten anzuknüpfen.

    2016 Riesling Max tRockenWeingut von Othegraven, Dorothea Sihler und Günther Jauch, Kanzem Fr. 17.80 Duftige, offene Frucht, Hefe, etwas Birne und Kräuter. Kompakter, fester Riesling, straff, volle Würze, mit Nachhall. 16 / 20 trinken –2024

    2016 kanzeMeR Riesling tRockenWeingut von Othegraven, Dorothea Sihler und Günther Jauch, Kanzem Fr. 21.50 Vergleichsweise ruhige Nase mit Noten von gehackten Kräutern und Kernobst, aber kaum Noten von der spontanen Vergärung. Im Mund straff, fest, gut integrierte Säure. 17 / 20 2018–2025

    2016 Riesling kanzeMeR altenbeRg gRosses gewächs tRockenWeingut von Othegraven, Dorothea Sihler und Günther Jauch, Kanzem Fr. 38.– Präsente, recht offene Nase, mineralische Noten, frische Kernobstfrucht, Kräuterwürze, geriebener Stein.

    Fester, rassiger, fein gliedriger Wein, eher verspielt als massiv, bei der ersten Verkostung unterschätzt, nachhaltig, mit Potenzial. 18 / 20 2019–2028

    2016 Riesling kabinett wiltingeR kuppWeingut von Othegraven, Dorothea Sihler und Günther Jauch, Kanzem Fr. 18.80 Eher verschlossene Nase, Noten von Hefe, Kräuter, etwas Mirabelle, würzige, fast rauchig zu nennende Note. Im Mund klar und rassig, kühle Frucht, verhaltene Süsse, sehr animierend. 17 / 20 2018–2025

    2016 Riesling kabinett ockfeneR bocksteinWeingut von Othegraven, Dorothea Sihler und Günther Jauch, Kanzem Kühle Frucht, deutliche Noten von der Spontangärung, hefig, gehackte Kräuter, Limette, Stachelbeeren, ein Hauch frische Kiwi. Saftiger, recht dichter Wein, beachtliche Struktur, Würze, merkliche Süsse, Länge. 17 / 20 trinken –2026

    2015 Riesling kabinett ockfeneR bocksteinWeingut von Othegraven,

    Dorothea Sihler und Günther Jauch, Kanzem Fein, klar, deutlich reifes Steinobst, Pfirsich, daneben aber auch Kräuter und eine Spur frische Kiwi. Saftiger Wein aus erkennbar reifem Jahr, gute Struktur und Würze, passende Säure, nachhaltig. 17 / 20 trinken –2027

    2016 Riesling kabinett kanzeMeR altenbeRg(Versteigerungswein)Weingut von Othegraven, Dorothea Sihler und Günther Jauch, Kanzem Klar, duftig, noch hefig, Noten von gehackten Kräutern. Straffer, fester, nicht zu süsser Wein, präzise, rassig, noch als Kabinett erkennbar, mit mineralischem Nachhall, lang. 18 / 20 2019–2032

    2016 Riesling spätlese alte Reben kanzeMeR altenbeRgWeingut von Othegraven, Dorothea Sihler und Günther Jauch, Kanzem Fr. 32.50 Offensive Frucht, bereits eine deutliche Reife mit Noten von cremigem Steinobst zeigend, Birne, Quitte, Kräuter und ein ganz leicht exotischer Touch. Im Mund rassig, saftig, straff, deutliche Süsse, minera lische Länge. 18 / 20 2020–2035

    www.vonothegraven.de

    Erhältlich bei:

    Boucherville Kinkelstrasse 40 8006 Zürich Fon 044 299 40 30 www.boucherville.ch

    shoRt factsweingut Von othegRaVen DoRothea sihleR unD gÜntheR Jauch

    aDResse Weinstrasse 1, D54441 Kanzemfon +49 6501 150042inteRnet

    www.vonothegraven.deinhabeR Günther Jauch geschäftsfÜhReR &

    kelleRMeisteR Andreas BarthgRÜnDung unbekannt, bis ins 15. Jahrhundert nach weisbar, seit 1805 im FamilienbesitzReblanD 16 HektareneRtRag 45 bis 50 Hektoliter pro HektarepRoDuktion etwa 100 000 Flaschen (eigene Traubenproduktion)RebsoRten RieslingMeistVeRkaufteR wein Riesling Maxlagen Kanzemer Altenberg, Wiltinger Kupp, Ockfener Bockstein, Wawerner Herrenberger

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    ven Mit sichtbarer Freude

    schenkt Günther Jauch, der TVModerator, im «Bistro» des Zürcher Landesmuseums seine Rieslinge des Jahrgangs 2016 aus, beantwortet geduldig Fragen, ist immer für ein Erinnerungsfoto zu haben.

    «In den Achtzigern war die Leidenschaft für

    die Saar auf ein Minimum geschrumpft,

    in den Neunzigern konnte man wieder Hoffnungs-schimmer beobachten.

    Dann kam Roman Niewodniczanski, kaufte

    Van Volxem. Er hat Berge versetzt.

    Im Moment des Aufschwungs haben wir das Gut übernommen»

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