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Dr. Hüseyin Arak 1

Sprachgeschichte des Deutschen-II

Einleitung

Sprachwandel

Quellenproblematik

Deutsche Sprachgeschichte in Epochen

Deutsche Sprachgeschichte in systematischen Längsschnitten

Gegenwartsrelevanz

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Der problematische Epochenbegriff Schwierigkeiten bei der

Periodisierung keine einheitliche Theorie zur Abgrenzung vorhanden keine einheitlichen Abgrenzungskriterien große Übergangs- und Ausnahmephasen zwischen den

einzelnen Stufen

Hypothetische Arbeitsgrundlage Abgrenzung nach bestimmten kombinierten Kriterien

sprachliche Kriterien: Lautsystem, Wortschatz, Grammatik außersprachliche Kriterien: kulturhistorische und

mediengeschichtliche Phänomene

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k1. Gegenstände der Sprachgeschichte 1. Ein Beispiel zum Einstieg

„Mein schönes Fräulein, darf ich wagen,

meinen Arm und Geleit Ihr anzutragen?“ -

„Bin weder Fräulein, weder schön,

kann ungeleitet nach Hause gehn.“

Faust und Gretchen vor dem Dom, von Gustav Heinrich Naeke.

Goethe, Faust (2605 – 2608)

Was bedeutete Fräulein früher?

a) junge, unverheiratete Frau bis ca. 60er Jahre des 20. Jhd.

b) junge, adlige Dame bis ins 18. Jhd.

c) Goethe, Faust (2605- - 2608)

d) Frouwe im mhd. Epos: ‚Herrin‘, ‚Königin‘

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k1. Gegenstände der Sprachgeschichte 1. Theorien zum Ursprung der Sprache nach Otto Jespersen

Lautmalerei "Wau-Wau"-Theorie

Gefühlsausdruck"Aua"-Theorie

Lautsymbolik/mündliche Gesten "Kling-Klang"-Theorie

Rhythmische Laute„Arbeitsgesang"-

Theorie Liebe / Spiel / Lyrik / Gesang"La-La"-Theorie

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k1. Gegenstände der Sprachgeschichte 1. Historisch-vergleichende Sprachwissenschaft

* pətēr

Klassisches

Griechisch

pat¾r

(pater)

Sanskrit

piter

Latein

pater

Gotisch

fadar

Altirisch

athir

Eskimo

ataataq

Italienisch

padre

Spanisch

padre

Französisch

père

Portugiesisch

pai

Katalanisch

pare

Komparative Methode

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k1. Gegenstände der Sprachgeschichte 1. Hist.-vergl. Sprachwissenschaft – Komparative Methode

Ab

b. a

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5): D

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k1. Gegenstände der Sprachgeschichte 2. Sprachwandel

• Was wandelt sich in der Sprache?

• Geschwindigkeit des Sprachwandels?

• Grenzen des Sprachwandels?

• Warum wandeln sich Sprachen?

• Wie wird Sprachwandel von den Sprachnutzern wahrgenommen?

• Sprachursprung?

• Sprachtod?

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k1. Gegenstände der Sprachgeschichte 2. Faktoren des Sprachwandels

1. Ökonomie

- systembezogen vs. informationsbezogen- Sprachökonomie heißt nicht: Immer kürzer und knapper!

- Sondern: Je nach kommunikativen Erfordernissen werden die sprachlichen Mittel gewählt und entsprechend angepasst. Reduktion aber auch Expansion

2. Innovation

3. Variation- regional, sozial, funktional, stilistisch etc.

4. Evolution- z.B. als nichtintendierte Folgen intentionaler Handlungen (unsichtbare Hand, vgl. Trampelpfad)

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k1. Gegenstände der Sprachgeschichte 3. Quellenproblematik: Quellentypen

a) Früheste Quellen: Erwähnungen germanischer Wörter bei antiken Autoren (z.B. Tacitus Germania)

b) Inschriften: z.B. das Idorih-Schwert, oder Runeninschriften des Goldhorns von Gallehus (Jütland, um 420 n.Chr.)

c) Handschriften aus Klöstern (v.a. geistliche Textsorten) - z.B. Abrogans (2. Hälfte 8. Jhd.) - hoher Stellenwert der Übersetzungsliteratur

d) Drucke: seit der Erfindung des Buchdrucks (15. Jhd.)

e) „Textsortenexplosion“ seit dem 17. Jhd.

f) Ausdifferenzierung der kommunikativen Bezugswelten und des Textsortenspektrums im 18. und 19. Jhd.

g) Neue Medien (20. Jhd. bis heute)

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k1. Gegenstände der Sprachgeschichte 4. Sprachgeschichte in Epochen

• Alle Periodisierungen sind künstlich

• Sprachwandel ist ein Kontinuum

• Alle Periodisierungen orientieren sich nicht nur an sprachlichen Merkmalen, sondern immer auch an außersprachlichen Gliederungskriterien

• Es gibt unzählige Periodisierungsvorschläge (vgl. Thorsten Roelcke (1995): Periodisierung der deutschen Sprachgeschichte.

Analysen und Tabellen. Berlin/ New York.)

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k1. Gegenstände der Sprachgeschichte 4. Sprachepochen – Einstieg - Stichpunkte

• Vorgeschichte - Indoeuropäisch (ca. 3000 – 1000 v.Chr.) - Germanisch (ca. 1000 v. – 500 n.Chr.)

• Althochdeutsch (ca. 750 – 1050 n.Chr.)

• Mittelhochdeutsch (1050 – 1350 n.Chr.)

• Frühneuhochdeutsch (1350 – 1650 n.Chr.)

• Neuhochdeutsch (1650 -1900)

• Gegenwartssprache (1900- heute)

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Das Untersuchungsraster

ALTHOCH-DEUTSCH

MITTELHOCH-DEUTSCH

FRÜH-NEUHOCH-DEUTSCH

NEUHOCH-DEUTSCH

Sozialer und politischer

Hintergrund

Sozialer und politischer

Hintergrund

Kennzeichen der

Sprache

Kennzeichen der

Sprache

Schreiber und

Schreiborte

Schreiber und

Schreiborte

TextsortenTextsorten

Un

tersu

chu

ng

sraste

r

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k1. Gegenstände der Sprachgeschichte 4. Sprachepochen – Einstieg - Stichpunkte

Indogermanisch / Indoeuropäisch (ca. 3000 – 1000 v.Chr.)

• Entdeckung des Sanskrit durch Sir William Jones (1786)

• Alte indische Literatursprache

• Indoeuropäische gemeinsame Sprache ist lediglich rekonstruiert, es gibt keine ide. Quelle!

• Kennzeichen der ide. Sprachen: flektierender undsynthetischer Sprachbau

• Ide. Gemeinkultur lässt sich nicht nachweisen, fraglich,ob es sie gab.

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k1. Gegenstände der Sprachgeschichte 4. Sprachepochen – Einstieg - Stichpunkte

Germanisch (ca. 1000 v. – 500 n.Chr.)

• Ausgrenzung der germanischen Dialekte aus dem Ide. durch die 1., die germ. Lautverschiebung (Trennungskriterium also ein phonologischer Wandel) Stark vereinfacht: ide. p,t,k > germ. f, þ , / (später h), ide: b,d,g > germ. p,t,k ide: bh, dh, gh > germ. ƀđǥb, d, g

• Diese Lautverschiebung war verm. im 3. oder 2. Jh. v. Chr. Abgeschlossen.

• Akzentwandel, vormals freier Wortakzent wandert auf die Wurzelsilbe. Das wirkte sichzunächst als Initialakzent aus, nicht immer als semantische Stammsilbenbetonung.

• Akzentwandel zog eine ganze Reihe weiterer phonologischer und morphologischerVeränderungen nach sich (Abschwächung unbetonter Nebensilben, Umlaut, Brechung, Verlust im Flexionssystem etc.)

• Starke Einflüsse auf den Wortschatz durch das Lateinische (z.B. Wochentagsnamen)

• Gliederung des Germanischen in Dialekte aufgrund der Völkerwanderung (3.-5. Jh.) 1. Ostgermanen (v.a. Goten - Wulfila-Bibel) 2. Nordgermanen (nordische Sprachen, Schwedisch, Dänisch, Norwegisch etc.) 3. Nordseegermanen (Angeln, Sachsen, Jüten – Altfries., Altsächsisch, Altenglisch) 4. Südgermanen aufgeteilt in Weser-Rhein-Germanen und Elbgermanen (zentrale Gruppe für die dt. Sprache - ahd. Dialekte)

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k1. Gegenstände der Sprachgeschichte 4. Sprachepochen – Einstieg - Stichpunkte

Althochdeutsch (Ende der Völkerwanderungszeit bis 1050)

• 2. Lautverschiebung (phonologisches Kriterium)Stark vereinfacht: germ. p,t,k > ahd. pf, ts, kx (nach Kons. Und Gemination) germ. p, t, k > ahd. ff, ss, xx (zwischen Vokalen u. im Ausl. n. Vok.) germ. b, d, g > p, t, k

• Abgrenzung des Hoch- vom Niederdeutschen Gebietes, das die 2. LV nicht mitmachte.

• Auch bestimmte vokalische Veränderungen waren relevant:Diphthongierung von lang ō und ē zu uo und ia (altsächsisch:brōar, ahd.: bruoder; alts.: hēt, ahd: hiaz `hieß’)

• Entstehung eines deutschen Sprachbewusstseins unter der politschen Herrschaft derFranken (Stichwort: Karolingische Reform)

• Ausweitung des Wortschatzes durch christlichen Einfluss(„Chrisitanisierung des Wortschatzes“ v. Polenz)

• Ende des Ahd. wird meist mit dem Tod von Notker dem Deutschenangesetzt (erweiterte den deutschen Wortschatz entscheidend im sakralen Bereich)

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Das Althochdeutsche700 - 1050

Sozialer und politischer Hintergrund• Kulturelles Selbstbewusstsein im Frankenreich

• Karl der Große wird zum Kaiser gekrönt

• Förderung von Bildung, Christentum und VolksspracheKennzeichen der Sprache

•Älteste schriftlich überlieferte Sprachform des Deutschen

•Beginnende Verbindung einzelner germanischer Dialekte

• theodisca lingua

Schreiborte und Schreiber

Mönche und Geistliche der christlichen Mission schrieben

Schreiborte waren die Klöster

Beginn eines überregionalen kulturellen Austauschs zwischen den KlösternTextsorten

•Übersetzung v. Einzelwörtern und Wortgruppen in lat. Texten (Glossen)

•Religiöse Texe (z.B. Evangelienharmonien)

• Zaubersprüche

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k1. Gegenstände der Sprachgeschichte 4. Sprachepochen – Einstieg - Stichpunkte

Mittelhochdeutsch (1050 – 1350 n.Chr.)

• Abgrenzungskriterien: hauptsächlich Phonologie!

- i-Umlaut: ahd. gasti > mhd: geste ahd.: skôni > mhd. schne (zeitlich unsicheres Trennkriterium, Primärumlaut, Sekundärumlaut) - Abschwächung unbetonter Vokale in den Nebensilben: ahd. gibirgi > mhd.: gebirge, dadurch

• Vereinfachung, Reduzierung der Substantivflexion

• Blütezeit um 1200, mhd. Literatursprache, alle großen Epen sind in dieserZeit entstanden

• Wichtig auch: Sprachliche Leistung der Mystiker (Mechthild von Magdeburg,Meister Eckart, Tauler) im Spätmittelalter. Erhebliche Ausweitung/Erschließung des abstrakten Wortschatzes.

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Das Mittelhochdeutsche1050-1350

Sozialer und politischer Hintergrund• Ostkolonisation

• Das höfische Rittertum entsteht

• Beginnender kultureller Aufstieg des StadtbürgertumsKennzeichen der Sprache

•Höfische Sprache wird überregional verbreitet

•Entlehnungen aus dem Französischen

• keine Monophthongierung/ Diphthongierung

Schreiborte und Schreiber

• Höfische Ritter und Minnesänger

• Geistliche und Gelehrte

• Schreiborte waren die Höfe und Klöster

Textsorten

• Religiöse Texte

• Höfische Lyrik/ Minnesang

• Höfische Epen

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k1. Gegenstände der Sprachgeschichte 4. Sprachepochen – Einstieg - Stichpunkte

Frühneuhochdeutsch (1350 – 1650 n.Chr.)

• Übergangsepoche, Periodisierung: sprachexterne Kriterien!

• Abgrenzungskriterien: Phonologie und Morphologie – fnhd. Monophthongierung: lieben gueten brüeder > lieben guten Brüder – fnhd. Diphthongierung: mîn niuwez hûs > mein neues Haus – weitere Vereinfachung der Flexionsparadigmen

• Ausbildung der periphrastischen Verbalformen (Grammatikalisierungvon Futur, Passiv)

• Normierungsprozesse im Bereich der Syntax (bis 1750)

• Übergangsepoche, Periodisierung mit Hilfe sprachexterner Kriterien(1347-1352 Pest, 1648 Ende des 30jährigen Krieges)

• Ältere Gliederung: Trennung 1500 zwischen Mhd. und Nhd.

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Das Frühneuhochdeutsche1350-1650

Sozialer und politischer Hintergrund

• Kulturelles Selbstbewusstsein des Stadtbürgertums

• Erfindung des Buchdrucks

• ReformationKennzeichen der Sprache

• Diphthongierung ist durchgeführt

• Monophthongierung ist durchgeführt

• Vokaldehnung

Schreiborte und Schreiber

• Schreiber im bürgerlichen, religiösen, wissenschaftlichen und politischen Milieu

• Geschäftskorrespondenzen

• Schreiborte: Kanzleien, Klöster, Druckereien

Textsorten

• Bibelübersetzungen und andere religiöse Schriften

• Sprichwörter, Schwänke, Volksbücher

• Wissenschaftliche, rechtliche und geschäftliche Schriften und Briefe

• Flugblätter

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k1. Gegenstände der Sprachgeschichte 4. Sprachepochen – Einstieg - Stichpunkte

Neuhochdeutsch (1650-1900)

• Kaum mehr Veränderungen in den Flexionsparadigmen

• Ausbau der deutschen Literatursprache im 18. Jhd.

• Etablierung einer nhd. Standardsprache im 19. Jhd.

• Normierung der Orthographie um 1900 (Orthographiekonferenzen)

• Textsorten“explosion“ (18. dann bes. 19. Jhd.)

• Ausdifferenzierung der kommunikativen Bezugswelten, dadurchAusbildung verschiedener Varietäten der deutschen Sprache

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Sozialer und politischer Hintergrund

• allmähliche und schrittweise nationale Einigung Deutschlands

• Geistesepochen: Aufklärung, Klassik, Romantik …

• differenzierte Entwicklung im 20. Jahrhundert

Das Neuhochdeutsche1650-1900

Kennzeichen der Sprache

• Programmatische Sprachpflege und Normierungsbestrebungen

• Einfluss verschiedener Fremdsprachen

• weitere epochale und regionale Tendenzen

Schreiborte und Schreiber

• Allmähliche Ausbreitung der Schreibkompetenz auf alle Volksschichten

• Schreiber sind nun auch Privatleute

• daneben: Schriftsteller, Wissenschaftler, Politiker …

Textsorten

• Literatur, Wissenschaft

• Private und geschäftliche Korrespondenzen

• Verschiedene Medien

• …

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k1. Gegenstände der Sprachgeschichte 5. Dt. Sprachgeschichte in systematischen Längsschnitten

• Historische Graphematik Schriftsysteme

• Historische Phonologie Lautsysteme

• Historische Morphologie Flexion und Wortbildung

• Historische Syntax Syntax

• Historische Semantik Semantische Systeme

• Historische Pragmatik Kommunikative Handlungskompetenzen

• Historische Graphematik Schriftsysteme

• Historische Phonologie Lautsysteme

• Historische Morphologie Flexion und Wortbildung

• Historische Syntax Syntax

• Historische Semantik Semantische Systeme

• Historische Pragmatik Kommunikative Handlungskompetenzen

Diachrone Entwicklung der Sprachsystemebenen

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k1. Gegenstände der Sprachgeschichte 5. Dt. Sprachgeschichte in systematischen Längsschnitten

Historische Graphematik

Reduktion der Schreibvarianten vom Fnhd. zum Nhd. Beispiel: die Dentalaffrikate /ts/

Fnhd. < z, zz, zc, zcz, zt, ztc, zts, zh, zch, c, cc, cz czc, ccz czh, czt, czz, ctz, czcz, ch,

t, tc, ts, tz, tcz tzc, ttz, tzz, tzt, tztz, ...>

insgesamt mehr als 30 Varianten

Nhd. < z, c, t, tz, ts >

z.B. in: zart, Celsius, Nation, Hitze, Ratskeller

fünf Schreibvarianten

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k1. Gegenstände der Sprachgeschichte 5. Dt. Sprachgeschichte in systematischen Längsschnitten

Historische Phonologie• Generelle Entwicklung des phonologischen Systems: Verglichen werden dabei jeweils die einzelnen Epochen miteinander.

• Beispiele: Erweiterung des phonologischen Systems vom Ahd. zum Mhd.: - Phonemhinzufügung: / ŋ / (velarer Nasal) im Fnhd.

- Phonemverbindung Einzelphonem: ahd. /sk/ > mhd. / / (skôni vs. schne)

• Bei solchen Systemveränderungen wirken allgemeine phonologische Prozesse, wie z.B. Assimilation und Dissimilation

AssimilationRegressiv: [fynf] ugs. [fymf]Progressiv: mhd. zimber > nhd. Zimmer

mdh. kumber > nhd. KummerDissimilation

mhd. mörter > nhd. Mörteloder Nhd. palatal vs. alveolar

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k1. Gegenstände der Sprachgeschichte 5. Dt. Sprachgeschichte in systematischen Längsschnitten

Historische Morphologie• Entstehen und Verschwinden von Morphemen in einzelnen Sprachstufen.

• Generell kann von sog. Grammatikalisierungsprozessen ausgegangen werden, nach denen aus bestimmten zunächst freien lexikalischen Morphemen allmählich gebundene grammatische Morpheme entstehen.

• Beispiele: - Schwach gebildetes Präteritum leg-t-e aus * sagi dedum freies lexikalisches Morphem gebundenes grammatisches Morphem

- Entstehung der Konjunktionen aus Subst. Und Adv. weil Substantiv Adverb Konjunktion Konstruiertes Beispiel, das den Übergang verdeutlicht:

1. Nominalphr.+ Konj.: Die wile daz er das Buch las, war er ruhig.

‚In der Zeit, in der er das Buch las, war er ruhig. = temp. Adverbial

2. Adverb: Dieweil er das Buch las, war er ruhig.Adverb in der synt. Funktion eines temporalen Adverbials

3. Konjunktion: Weil er das Buch las, war er ruhig. Konj. zur Subordination des Nebensatzes

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k1. Gegenstände der Sprachgeschichte 5. Dt. Sprachgeschichte in systematischen Längsschnitten

Historische SyntaxBeispiele:

1. Entstehung der dass-Sätze

"Auch die Entstehung der daß-Sätze reicht in vorliterarische Zeit zurück. Daß begegnet schon in den ältesten althochdeutschen Texten als Subjunktion. Sie ist ebenfalls aus dem Demonstrativpronomen entstanden, und zwar aus dem Nom./Akk. Sg. Neutrum; die Unterscheidung der Schreibweisen (das/ daß) bürgerte sich erst nach dem 16. Jh. ein. Die Entwicklung zur Subjunktion wird mit der Fähigkeit des Neutrums erklärt, sich auf einen Vorstellungkomplex zu beziehen. (Betten, A. (1987): Grundzüge der Prosasyntax… Tübingen. S. 84.)

2. Verschiebung der Satzgrenze (Reanalyse)

Ich weiß, daß er kommt. aus: Ich weiß das: Er kommt.

Durch Verschiebung der Satzgrenze ist der hypotaktische Typ des Dass-Satzes entstanden.

3. Periphrastische Verbalformen: Perfekt, Passiv, Futur: Er hat einen Baum gepflanzt. Das Buch wird/ ist gelesen.

Sie wird das Buch lesen.

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k1. Gegenstände der Sprachgeschichte 5. Dt. Sprachgeschichte in systematischen Längsschnitten

Historische Semantik• Semantischer Wandel: Bedeutungserweiterung, -verengung, -verschiebung, -verschlechterung, -verbesserung etc.• Beispiele:

1. Aufwertung von Bube (Bedeutungsverbesserung)

13. Jh.: buobe = halbwüchsiger Diener im königlichen Gefolge, nichtadlig, in niederen Diensten (Gegensatz zu knappe)

13. Jh.: buobe = auch `rechtlose, ehrlose Person', dann auch als Schimpfwort.

15./16. Jh.: buobe = grobes Schimpfwort für einen Mann, unabhängig vom Alter

15./16. Jh.: buobe = gleichzeitige Parallelentwicklung: 'Lehrling, männl. Kinder allgemein, ohne moralische Implikaturen'

ab 1600 in Süddtl. (Bsp. Basel) buob männliches Kind vs. knabe `Bursch, heiratsfäh. jg. Mann' (knabe als Bez. für das männl. Kind nur schriftsprachl.)

2. Abwertung von Weib und Dirne

ahd.: frô `Mann, Herr’, frouwa ‘Frau, Herrin’ (s. Fron, Fronleichnam), wîb (verh. Frau) mhd. vrouwe `Herrin’, juncvrouwe 'soz. hochstehend, unverh.' vs. wîp ‘Frau’ , vs. dierne ‘Mädchen’, maget ‘unverh., jung‚

nhd.: Frau ‘Frau, neutral’,

Nachfolgende Grafik aus: König, Werner (2005): dtv-Atlas Deutsche Sprache. München. S. 112.

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k1. Gegenstände der SprachgeschichteHistorische Semantik: Beispiel weib / Frau

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k1. Gegenstände der Sprachgeschichte

Historische Pragmatik

5. Dt. Sprachgeschichte in systematischen Längsschnitten

• Wandel der kommunikativen Handlungskompetenz

Beispiel:

• Veränderung der pronominalen Anrede vom Ahd. bis zur Gegenwart in fünf Schritten

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k1. Gegenstände der Sprachgeschichte

Historische Pragmatik: Wandel der pronominalen Anrede

5. Dt. Sprachgeschichte in systematischen Längsschnitten

1. Althochdeutsch, 9. Jahrhundert:

• zunächst eingliedriges System: Du

• ab dem 9. Jh.: Hinzutreten der Höflichkeitsform: Ihr (Otfrid von Weißenburg), Übernahme aus dem Lat. vos / vester.

2. Ab Ende des 16. Jahrhundert:

• dritte Form: Er / Sie (3.Ps.Sg.) als Steigerung der Höflichkeit.

• Vermeidung der direkten Anrede mit Du / Ihr.

Hat er gut geschlafen, der Herr?

Wird sie mich morgen empfangen, die gnädige Frau?

Bezug auf Anredetitel: Der Herr er, die gn. Frau sie

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k1. Gegenstände der Sprachgeschichte

Historische Pragmatik: Wandel der pronominalen Anrede

5. Dt. Sprachgeschichte in systematischen Längsschnitten

3. Ende des 17. Jahrhundert:

• Hinzutreten des (heutigen) Sie (3.Ps.Pl.) als weitere Steigerung der er/sie-Anrede. Verbflexion!

Haben Sie gut geschlafen?

4. 18. Jahrhundert:

• nochmalige Erweiterung: Gottsched (1762) unterscheidet ein fünfgliedriges System: hinzu kommt: Dieselben

Gottsched: natürlich Du

althöflich Ihr

mittelhöflich Er / Sie

neuhöflich Sie

überhöflich Dieselben

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k1. Gegenstände der Sprachgeschichte

Historische Pragmatik: Wandel der pronominalen Anrede

5. Dt. Sprachgeschichte in systematischen Längsschnitten

Fortsetzung 18. Jahrhundert:

• Beispiel nach J. Christoph Adelung (2. Hälfte 18. Jhd.):

„Du wird nur noch 1. gegen Gott, 2. in der Dichtkunst und dichterischen Schreibart, 3. in der Sprache der engen Vertraulichkeit, und 4. in dem Tone der hochgebie- thenden Herrschaft und tiefen Verachtung gebraucht. Außer diesen Fällen redet man sehr geringe Perso nen mit ihr, etwas bessere mit er und sie, noch bessere mit dem Plural sie, und noch vornehmere wohl mit dem Demonstrativo Dieselben oder auch mit abstracten Würdenamen, Ew. Majestät, Ew. Durchlaucht, Ew. Excellenz u.s.f. an.“ (J.Chr. Adelung 1982: Umständliches Lehrgebäude der deutschen Sprache. Bd. 1. S. 684)

5. 19. und 20. Jahrhundert:

• Du / Sie schält sich als neues Zweiersystem heraus.

• Er / sie und Dieselben werden aufgegeben

• Ihr ist regional / dialektal eingeschränkt.

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k1. Gegenstände der Sprachgeschichte 6. Gegenwartsrelevanz

• Wirkliches Verständnis der eigenen Sprache ist ohne Sprachgeschichte nicht möglich!

• Sprachgeschichte als historische Hilfswissenschaft

• Sprachgeschichte als notwendiges Mittel, um das kulturelle Erbe einer Sprachgemeinschaft zu bewahren, kritisch zu hinterfragen und weiterzugeben.

• Erst mit dem sprachhistorischen Horizont können sprachliche Konventionen und Normierungen der Gegenwart vollständig verstanden werden

Hermann Paul (1880/1920): Prinzipien der Sprachgeschichte. 5. Aufl. Tübingen. §10.

„Ich habe es noch kurz zu rechtfertigen, dass ich den Titel Prinzipien der Sprachgeschichte gewählt habe. Es ist eingewendet, dass es noch eine andere wissenschaftliche Betrachtung der Sprache gäbe als die geschichtliche. Ich muss das in Abrede stellen. Was man für eine nichtgeschichtliche und doch wissenschaftliche Betrachtung der Sprache erklärt, ist im Grunde nichts als eine unvollkommen geschichtliche, unvollkommen teils durch Schuld des Betrachters, teils durch Schuld des Beobachtungsmaterials. Sobald man über das blosse Konstatieren von Einzelheiten hinausgeht, sobald man versucht den Zusammenhang zu erfassen, die Erscheinungen zu begreifen, so betritt man auch den geschichtlichen Boden, wenn auch vielleicht ohne sich klar darüber zu sein.“

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