Angehörigenarbeit mit Migrantenfamilien – was gilt es zu beachten?

16
Dr.phil. Matthias Vogt Angehörigenarbeit mit Migrantenfamilien Adoleszenz Angehörigenarbeit mit Migrantenfamilien – was gilt es zu beachten? 1. VSKJ - Fachtagung Zusammenarbeit mit Angehörigen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie 14. März 2014 Universitäre Psychiatrische Dienste UPD Bern Dr.phil. Matthias Vogt Fachpsychologe für Psychotherapie FSP Gotthardstr. 17, 8800 Thalwil Tel. 044 722 22 66, [email protected]

description

Angehörigenarbeit mit Migrantenfamilien – was gilt es zu beachten?. 1. VSKJ - Fachtagung Zusammenarbeit mit Angehörigen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie 14. März 2014 Universitäre Psychiatrische Dienste UPD Bern Dr.phil. Matthias Vogt Fachpsychologe für Psychotherapie FSP - PowerPoint PPT Presentation

Transcript of Angehörigenarbeit mit Migrantenfamilien – was gilt es zu beachten?

Page 1: Angehörigenarbeit mit Migrantenfamilien – was gilt es zu beachten?

Dr.phil. Matthias Vogt

Angehörigenarbeit mit Migrantenfamilien

Adoleszenz

Angehörigenarbeit mit Migrantenfamilien –was gilt es zu beachten?

1. VSKJ - Fachtagung

Zusammenarbeit mit Angehörigenin der Kinder- und Jugendpsychiatrie

14. März 2014Universitäre Psychiatrische Dienste UPD Bern

Dr.phil. Matthias VogtFachpsychologe für Psychotherapie FSPGotthardstr. 17, 8800 ThalwilTel. 044 722 22 66, [email protected]

Page 2: Angehörigenarbeit mit Migrantenfamilien – was gilt es zu beachten?

Dr.phil. Matthias Vogt

Angehörigenarbeit mit Migrantenfamilien

Adoleszenz

Jugendberatung - Herkunft der Jugendlichen 2013

69.60%

4.80%

5.40%

4.50%

0.90%2.40%

12.30%CH

Südeuropa

Süd-/Mittelamerika

SüdostasienAfrika

anderes Europa

anderes

N=350 / k.A.=18

Page 3: Angehörigenarbeit mit Migrantenfamilien – was gilt es zu beachten?

Dr.phil. Matthias Vogt

Angehörigenarbeit mit Migrantenfamilien

Adoleszenz

Jugendberatung- Herkunft der Eltern 2013

N=350 / k.A.=10

Page 4: Angehörigenarbeit mit Migrantenfamilien – was gilt es zu beachten?

Dr.phil. Matthias Vogt

Angehörigenarbeit mit Migrantenfamilien

Adoleszenz

Das Kulturspezifische der Adoleszenz

– Dauer und Ende der Adoleszenz stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Kulturwandel

– Gesellschaftliche Veränderungsprozesse– in Migrantenfamilien (v.a. aus ländlichen Gebieten)

häufig innerhalb einer Generation– in schweizerischen Familien innerhalb von zwei bis

drei Generationen

– Für Kinder und Jugendliche entscheidend: Verbindungen von Heimatkultur und Kultur der Aufnahmegesellschaft (kulturelle Adaption der Familie)

Page 5: Angehörigenarbeit mit Migrantenfamilien – was gilt es zu beachten?

Dr.phil. Matthias Vogt

Angehörigenarbeit mit Migrantenfamilien

Adoleszenz

Individualistische Gesellschaften

– Identität ist im Individuum begründet

– Individuum ist v.a. sich selber und nahen Bezugspersonen gegenüber verantwortlich

– Erziehung legt Wert auf Selbstvertrauen, Unabhängigkeit Selbstfindung, Selbstverwirklichung

– Kinder lernen in „Ich“-Begriffen zu denken

– Unabhängiges Selbst (independent self)

Page 6: Angehörigenarbeit mit Migrantenfamilien – was gilt es zu beachten?

Dr.phil. Matthias Vogt

Angehörigenarbeit mit Migrantenfamilien

Adoleszenz

Kollektivistische Gesellschaften

– Identität ist im sozialen Netz begründet

– Individuum versteht sich als Mitglied einer grösseren Gruppe

– Erziehung legt Wert auf Respekt, Gehorsam, Wohlverhalten, Solidarität

– Kinder lernen in „Wir-Begriffen“ zu denken

– Bezogenes Selbst (interdependent self)

Page 7: Angehörigenarbeit mit Migrantenfamilien – was gilt es zu beachten?

Dr.phil. Matthias Vogt

Angehörigenarbeit mit Migrantenfamilien

Adoleszenz

Grundmuster kultureller Adaption

1) Beibehaltung der Werte und Normen der Herkunftskultur

– Demonstrative Betonung tradierter kultureller Identität (Traditionalismus)

– Bewusster Abstand zur Aufnahmegesellschaft

– Integrationsverweigerung

– Kinder geraten u.U. in Loyalitätskonflikte

Page 8: Angehörigenarbeit mit Migrantenfamilien – was gilt es zu beachten?

Dr.phil. Matthias Vogt

Angehörigenarbeit mit Migrantenfamilien

Adoleszenz

Grundmuster kultureller Adaption

2) Überanpassung an die hiesige Kultur

– Überanpassung an Werte und Normen der Aufnahmekultur

– Wunsch, möglichst perfekte Schweizer zu werden

– U.U. Selbstverleugnung

– Für die Kinder z.T. schwierig, sich mit ihren Eltern zu identifizieren

Page 9: Angehörigenarbeit mit Migrantenfamilien – was gilt es zu beachten?

Dr.phil. Matthias Vogt

Angehörigenarbeit mit Migrantenfamilien

Adoleszenz

Grundmuster kultureller Adaption

3) Differenzierte Integration

– Positive und negative Aspekte beider Kulturen werden differenziert wahrgenommen.

– Individuum/Familie lässt sich auf Kultur der Aufnahmegesellschaft ein.

– Die Kultur des Heimatlandes wird gepflegt.

– Die Eltern begleiten ihre Kinder in ihrer Entwicklung in unserer Gesellschaft.

Page 10: Angehörigenarbeit mit Migrantenfamilien – was gilt es zu beachten?

Dr.phil. Matthias Vogt

Angehörigenarbeit mit Migrantenfamilien

Adoleszenz

Spez. Belastungen für Kinder / Jugendliche mit Migrationshintergrund

– Unbewältigte Trauer der Eltern rund um die Migration

– Starke Loyalitätskonflikte: Kinder und Jugendliche sind im Dilemma, ob sie zur schweiz. Gesellschaft gehören dürfen

– Rollenverschiebungen in der Familie: Kinder und Jugendliche in Elternfunktionen (Parentifizierung)

– Familienaufträge: z.B. der (un)ausgesprochene Auftrag, auf der sozialen Leiter aufzusteigen

Page 11: Angehörigenarbeit mit Migrantenfamilien – was gilt es zu beachten?

Dr.phil. Matthias Vogt

Angehörigenarbeit mit Migrantenfamilien

Adoleszenz

Spez. Ressourcen von Kindern / Jugendlichenmit Migrationshintergrund

– Identitätsfindung im Zwischenraum

– Die zweite Generation MigrantInnen bewegt sich im Sowohl-als-auch

– Der Einfluss sowohl der Herkunfts- wie auch der Einwanderungsgesellschaft führt zu etwas Neuem

– Zweisprachigkeit und Bikulturalität als Ressource

– Wo Verbindungen zwischen den unterschiedlichen Welten möglich sind, wird „seelisches Grenzgängertum“ von der Belastung zur Chance

Page 12: Angehörigenarbeit mit Migrantenfamilien – was gilt es zu beachten?

Dr.phil. Matthias Vogt

Angehörigenarbeit mit Migrantenfamilien

Adoleszenz

Spez. Ressourcen von Kindern / Jugendlichenmit Migrationshintergrund

Die Resilienzforschung* zeigt:

– Kinder aus Migrationsfamilien fallen häufig durch Eigenschaften wie Durchhaltevermögen, Selbstständigkeit, Belastbarkeit und ein breites Feld von sozialen Kompetenzen u. Reaktionsmöglichkeiten auf.

– Sie verfügen sehr häufig über hervorrage Kommunikationsfähigkeiten und über eine kämpferische Grundhaltung.

(*Untersucht das gute Gedeihen unter schwierigen

Umständen)

Page 13: Angehörigenarbeit mit Migrantenfamilien – was gilt es zu beachten?

Dr.phil. Matthias Vogt

Angehörigenarbeit mit Migrantenfamilien

Adoleszenz

In der Angehörigenarbeit mit Migrantenfamilien besonders zu berücksichtigen

– Kränkung (u.a. durch „Veröffentlichung“ d. Problems)

– Ängste der Eltern ernst nehmen

– Wie kann der Radius erweitert werden?

– Nicht in Konkurrenz zu den Eltern treten

– Den Gesichtsverlust bedenken

Page 14: Angehörigenarbeit mit Migrantenfamilien – was gilt es zu beachten?

Dr.phil. Matthias Vogt

Angehörigenarbeit mit Migrantenfamilien

Adoleszenz

In der Angehörigenarbeit mit Migrantenfamilien besonders zu berücksichtigen

– Respekt vor anderskulturellen Werten und Erziehungsnormen

– Grenzen der Toleranz (Kindswohl)

– In eskalierter Konfliktsituationen überprüfen: wer eignet sich für die Vermittlungsrolle?

– Umgang mit Geheimnissen; z.T. Arbeit in Teilsettings

– Bei Bedarf KulturvermittlerInnen einsetzen

Page 15: Angehörigenarbeit mit Migrantenfamilien – was gilt es zu beachten?

Dr.phil. Matthias Vogt

Angehörigenarbeit mit Migrantenfamilien

Adoleszenz

In der Beratung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund besonders zu berücksichtigen

– Die in der Adoleszenz zugespitzten Konfliktsituationen sind häufig durch das kulturelle Spannungsfeld zusätzlich verschärft.

– Die allgemeinen Grundsätze der Krisenintervention beachten (Vertrauensverhältnis, Entlastungsmöglichkeiten, gewohnte Bewältigungsstrategien, Suche nach neuen Lösungen).

– Loyalitätskonflikte und Schuldgefühle (auch im Zusammenhang mit dem Aufsuchen einer Beratung) ernst nehmen.

– Bedeutung der Gedanken Gefühle und des Handelns auf dem familiär-kulturellen Hintergrund verstehen.

– Auseinandersetzung mit Tabus und Tabubrüchen; Antizipieren möglicher Konsequenzen.

Page 16: Angehörigenarbeit mit Migrantenfamilien – was gilt es zu beachten?

Dr.phil. Matthias Vogt

Angehörigenarbeit mit Migrantenfamilien

Adoleszenz

In der Beratung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund besonders zu berücksichtigen

– Lösungen erproben, Handlungsspielraum erweitern (wo sind Autonomieschritte möglich, wo Verzichtsleistungen notwenig?).

– Auseinandersetzung mit unterschiedlichen kulturellen Werten und Normen (Reflektieren als Ablösungsschritt).

– Den Wunsch des Ausbrechens verstehen, nie „pushen“; Ambivalenzen (z.B. gegenüber Herkunftskultur) aufnehmen.

– Bei Jugendlichen Neugier wecken für die eigene Herkunft.

– Frage für die Fallreflexion: Was sind allgemeine Themen/Konflikte, was steht im Zusammenhang mit der Migration?

– Ziel: Verbindungen zwischen den unterschiedlichen Welten herstellen („seelisches Grenzgängertum“ als Chance).