West-Ost-Journal 1_2012

28
1 KAPITEL/ RUBRIK THEMA TITEL WOJ 17. JG. - 1/2012 JANUAR/FEBRUAR/MäRZ 2012 ISSN 0947-5273 Wohl kein anderer König von Preußen erfreut sich heutzutage eines ähnlichen Bekanntheitsgrades in der deutschen Öffentlichkeit, auch und gerade jenseits der fachwissenschaftlichen Kreise wie Friedrich II., dessen Geburtstag sich am 24. Januar 2012 zum dreihundertsten Mal jährt. Das Porträt des »Alten Fritz« hat hohen Wiedererkennungswert, er gilt wohl noch immer Vielen als die Ver- körperung Preußens schlechthin. SEITE 03 03 VORTRAG Als Wilhelm Matull im Jahre 1973 sein umfangreiches Werk »Ostdeutschlands Arbeiteiterbewegung. Abriß ihrer Ge- schichte, Leistung und Opfer« vorlegte, steuerte der amtierende Bundeskanzler Willy Brandt ein Geleitwort bei. Darin verlieh er der Hoffnung Ausdruck, das Buch möge dazu beitragen, »dass die ostdeutsche Arbeiterbewegung die ihr zukommende historische und politi- sche Würdigung findet.« SEITE 09 09 VORTRAG Die Dönhoffs, ursprünglich aus Westfalen stammend, stiegen im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts im Dienst der polnisch-litauischen Krone zu einer bedeutenden Mag- natenfamilie auf. Ein Zweig des Hau- ses ließ sich 1640 in Preußen nieder, wo sie sich zu einer der angesehens- ten Adelsfamilien entwickelten. De Bodt, schuf mit der Schlossanlage ein eindrucksvolles Zeugnis ... SEITE 11 11 AUSSTELLUNG Zum 300. Geburtstag eines großen Königs mit neuer Veranstaltungsreihe WEST-OST-JOURNAL 1 2012 JANUAR FEBRUAR MäRZ WWW.GERHART-HAUPTMANN-HAUS.DE

description

Programmzeitschrift der Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus

Transcript of West-Ost-Journal 1_2012

Page 1: West-Ost-Journal 1_2012

1 KapitEl/ ruBriK

thema

TiTeL

Wo

J1

7.J

g.-

1/2

01

2J

an

ua

r/f

eb

ru

ar

/mä

rz

20

12

iss

n0

94

7-5

27

3

Wohl kein anderer König von Preußen erfreut sich heutzutage eines ähnlichen bekanntheitsgrades in der deutschen Öffentlichkeit, auch und gerade jenseits der fachwissenschaftlichen Kreise wie Friedrich ii., dessen Geburtstag sich am 24. Januar 2012 zum dreihundertsten Mal jährt. das Porträt des »Alten Fritz« hat hohen Wiedererkennungswert, er gilt wohl noch immer Vielen als die Ver-körperung Preußens schlechthin.

seite03

03 vortrag

Als Wilhelm Matull im Jahre 1973 sein umfangreiches Werk »Ostdeutschlands Arbeiteiterbewegung. Abriß ihrer Ge-schichte, Leistung und Opfer« vorlegte, steuerte der amtierende bundeskanzler Willy brandt ein Geleitwort bei. darin verlieh er der Hoffnung Ausdruck, das buch möge dazu beitragen, »dass die ostdeutsche Arbeiterbewegung die ihr zukommende historische und politi-sche Würdigung findet.«

seite09

09 vortrag

die dönhoffs, ursprünglich aus Westfalen stammend, stiegen im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts im dienst der polnisch-litauischen Krone zu einer bedeutenden Mag-natenfamilie auf. ein Zweig des Hau-ses ließ sich 1640 in Preußen nieder, wo sie sich zu einer der angesehens-ten Adelsfamilien entwickelten. de bodt, schuf mit der schlossanlage ein eindrucksvolles Zeugnis ... seite11

11 ausstEllung

Zum 300. Geburtstag eines großen Königs mit neuer Veranstaltungsreihe

WEst-ost-journal 1 2012 Januar FebruarmärZ

WWW.gerHart-HauPtmann-Haus.de

Page 2: West-Ost-Journal 1_2012

FRIEDRICH DER GROSSE28. APRIL – 28. OKTOBER 2012

DIE AUSSTELLUNG IM NEUEN PALAISUND PARK SANSSOUCI

POTSDAM

594x841_SPSG_Plakat_Friederisiko.indd 1 29.06.11 13:31

Liebe Leserinnenund Leser,

02 Editorial

inHALT

Preußen gibt es nicht mehr, und das seit inzwi-schen mehr als 60 Jahren. Jedenfalls gilt dies für die staatliche exis-tenz Preußens, die 1947 förmlich beendet wurde.

Gleichwohl gibt uns der verschwun-dene staat noch immer reichlich Gele-genheit über seine Geschichte und sein erbe nachzudenken und zu diskutieren. dazu bedarf es eigentlich keiner beson-deren Anlässe, zumal in einem bundes-land wie nordrhein-Westfalen, dessen Territorium einmal zum allergrößten Teil zum preußischen staatsverband gehört hat. Wenn sich aber obendrein noch außergewöhnliche erinnerungs-daten hinzugesellen, dann ist die Aus-einandersetzung mit Preußen erst recht wieder auf der Tagesordnung. beim 300. Geburtstag König Friedrichs ii. handelt es sich zweifelsohne um ein solches datum. der 24. Januar 2012 und sein historischer Gehalt beschäf-tigen schon seit längerem die Medien. Auch in unserem Programm findet die kritische Würdigung des großen Kö-nigs selbstverständlich ihren Platz. Mit Christopher Clark konnten wir dafür gemeinsam mit der Volkshochschule düsseldorf einen der renommiertesten internationalen experten überhaupt ge-winnen – und wer vor zwei Jahren Clar-ks mit souveräner sachkenntnis und klugem urteil vorgetragene bewertung Kaiser Wilhelms ii. bei uns miterlebt hat, der wird sich das keinesfalls entge-hen lassen. Alle anderen historisch inte-ressierten sollten auch nicht fehlen.darüber hinaus aber wollen wir zeigen, dass eines ganz gewiß falsch ist, nämlich ein bild der Geschichte Preußens, das nur in schwarz-weiß gehalten ist – mö-gen dies auch die Landesfarben gewe-sen sein. daher beleuchten wir in einer Vortrags- und Veranstaltungsreihe, die sich über das ganze Jahr 2012 erstre-cken wird, die Zeit Friedrichs ii. unter unterschiedlichen blickwinkeln, ferner jedoch auch das »andere Preußen«, das etwa in der Gestalt Otto brauns (140.

Geburtstag am 28. Januar 2012) beson-ders prägnant repräsentiert ist. braun ragt schon allein dadurch heraus, dass mit Ausnahme Otto von bismarcks nie-mand länger das Amt des preußischen Ministerpräsidenten innehatte als der 1872 geborene sozialdemokrat aus Kö-nigsberg. in brauns Amtszeit als regie-rungschef (1920-1932 mit zwei kurzen unterbrechungen) wurde der damalige Freistaat Preußen innerhalb der auf zu schwachen Fundamenten errichteten Weimarer republik wenigstens zeitwei-lig das »bollwerk der demokratie«.neben dem großen, um nicht zu sagen unerschöpflichen Thema Preußen fin-den sie auf den folgenden seiten wie-der ein vielfältiges Programm »mit dem blick nach Osten«. es wird, so hoffe ich, ihr interesse wecken und sie den Weg hierher ins Gerhart-Hauptmann-Haus einschlagen lassen. unser namenspat-ron, der große schlesische dichter, wird uns natürlich auch im Laufe des Jahres noch intensiv beschäftigen, denn einer-seits wurde auch er als untertan des Kö-nigs von Preußen geboren. und mit der uraufführung seines dramas »die We-ber« im Jahre 1894, von dem er auch eine Fassung in schlesischer Mundart schuf und das einen Abschnitt gerade der preußischen Geschichte zum Ge-genstand hat, erregte er entschieden das Missfallen des damaligen preußi-schen Königs und deutschen Kaisers, Wilhelms ii. nämlich. Andererseits ste-hen bezüglich Hauptmanns gleich zwei wichtige erinnerungsdaten an, bis zu deren exakter Jährung allerdings noch ein wenig Zeit ist: Am 15. november 2012 jährt sich der Geburtstag Gerhart Hauptmanns zum 150. Mal. Am 10. dezember 2012 wird die Verleihung des Literaturnobelpreises an ihn genau hundert Jahre zurückliegen. das wird uns noch beschäftigen – aber sie fin-den, so hoffe ich jedenfalls, auch zuvor schon den Weg hierher in unser Haus.Mit allen guten Wünschen für das neue Jahr 2012ihr

03 Der gröSSte PreuSSe? Zum 300. geburtStag von König FrieDrich ii. (1712-1786)

05 auch eine PreuSSin: Fanny LewaLD (1811-1889). eine emanZiPierte SchriFtSteL-Lerin auS KönigSberg

06 noch ein PreuSSe: erich LuDenDorFF, Der Strate-ge DeS erSten weLtKriegeS

07 Der anDere PreuSSe:

otto braun (1872-1955)

09 PreuSSen: SchwarZ-weiSS, aber auch rot. vergeS-Sene hochburgen Der SoZiaL-DemoKratie im oSten

09 neun PreuSSen unD ein baDener - exKurSion nach weSe

10 »ein herrLicher FLe-cKen erDe«

11 »SchLoSS FrieDrich-Stein in oStPreuSSen«

12 Lauter PreuSSen unD Drei öSterreicher

13 PreuSSen im FiLm, Zu-meiSt SchwarZ-weiSS

14 »PoLniSche geSchichte unD DeutSch-PoLniSche beZie-hungen«

14 Die DeutSch-PoLniSche grenZe im 20. JahrhunDert

15 ein rheiniScher cheFreDaKteur SchLeSiScher herKunFt

16 »wenn ich nicht SPrä-che, wäre ich nicht.«

17 am SchreibtiSch von gerhart hauPtmann

19 bacKSteingotiK Zwi-Schen LübecK unD DanZig

20 Die toten Der buDinKa-wieSe

21 DaS LiSZt-Jahr 2011

24 tag Der neuen heimat in DüSSeLDorF

24 KuLtur- unD begeg-nungSabenD Zum internationa-

Page 3: West-Ost-Journal 1_2012

FRIEDRICH DER GROSSE28. APRIL – 28. OKTOBER 2012

DIE AUSSTELLUNG IM NEUEN PALAISUND PARK SANSSOUCI

POTSDAM

594x841_SPSG_Plakat_Friederisiko.indd 1 29.06.11 13:31

03 vortrag

der größte Preuße? Zum 300. Geburtstag von König Friedrich ii. (1712-1786)

vortrag von ProF. Dr. chriStoPher cLarK, univerSität cambriDge

Mi, 25.01. 19.00 uhr

Wohl kein anderer König von Preußen erfreut sich heutzutage eines ähnlichen bekanntheitsgrades in der deutschen Öffentlichkeit, auch und gerade jenseits der fachwissenschaftlichen Kreise wie Friedrich ii., dessen Geburtstag sich am 24. Januar 2012 zum dreihundertsten Mal jährt. das Porträt des »Alten Fritz« hat hohen Wiedererkennungswert, er gilt wohl noch immer Vielen als die

Verkörperung Preußens schlechthin. der beiname »der Große« ist in unse-rem sprachgebrauch wirklich dauerhaft an lediglich zwei Persönlichkeiten der deutschen Geschichte haften geblie-ben, nämlich an Karl dem Großen, dem in weite Ferne gerückten Frankenkönig und erneuerer des Kaisertums im frü-hen Mittelalter und eben an jenem drit-ten König von Preußen. der »spiegel«,

der gerne auf Konjunkturen der deut-schen erinnerungskultur aufspringt, nannte ihn jüngst gar »Friedrich den Größten«.Tatsächlich kann kein Zweifel daran bestehen, dass Friedrich ii. eine überra-gende Gestalt in der Geschichte Preu-ßens und darüber hinaus darstellt. er hat den preußischen staatsverband in großem Maßstab territorial erweitert,

Mi, 25.01. 19.00 uhr

fortsetzungaufseite4

Page 4: West-Ost-Journal 1_2012

gefestigt, in den Kreis der damals fünf europäischen Großmächte geführt und mehr noch – er hat den erreichten rang Preußens behauptet. Außerdem saß mit Friedrich ii. ein intellektueller auf dem Thron, dessen geistiges Format wohl kein Hohenzoller vor und schon gar nicht nach ihm je erreicht hat. Feldherr, Philosoph, schriftsteller, Musiker, er füllte viele rollen aus und blieb – anders als manch anderer – eigentlich in keiner nur ein dilettant.demgegenüber sind andere Aspekte seiner Persönlichkeit und seines Lebens in den Hintergrund gerückt: etwa die Tatsache, dass der »Alte Fritz« als er noch ein Heran-wachsender war mit seinem pubertierenden eigensinn und seiner nur mühsam ka-schierten intellektuellen Überheblichkeit den eigenen, geistig einfacher veranlagten Vater an den rand des Wahnsinns trieb. Friedrich Wilhelm i. (1688-1740) war ein tief religiöser, von höchstem Verantwortungsgefühl für seine untertanen und sein Land geprägter Monarch, und er litt maßlos unter der Haltlosigkeit, die er bei seinem ältesten sohn und Kronprinzen zu erkennen glaubte. Oft wurde nur die vermeintli-che brutalität des Vaters gesehen, der den 18-jährigen sohn – nach dessen gescheitertem Fluchtversuch im sommer 1730 – zwang, die Hinrichtung des besten Freundes (und vielleicht Geliebten) Hans Hermann von Katte (1704-1730) mit anzusehen. der aus beuthen a. d. O. stammende dichter Jochen Klepper war es, der dem von sorge um den künftigen nachfolger zerrissenen Vater Gerechtigkeit widerfahren ließ (im noch immer lesenswer-ten roman » der Vater« von 1937).die »Versöhnung« mit dem Vater hatte unter anderem zur bedingung, dass aus dem inzwischen 20-jährigen Prinzen 1732 ein ehemann wurde – und was für ein schlechter! Ja, Friedrich ii. war 54 Jahre lang verheiratet, seine Frau hat ihn noch um fast elf Jahre überlebt. Aber kaum jemand weiß etwas über elisabeth Christine von braunschweig-Wolfenbüttel-bevern (1715-1797), die der »große König« so weit ins Abseits drängte (und das in ganz wörtlichem sinn), dass sich schon zu ihren Lebzeiten kaum noch jemand ihrer entsann. elisabeth Christine, literarisch und naturwissenschaft-lich durchaus interessiert und alles andere als dumm, war 17 Jahre alt, als sie mit dem Preußen-Prinzen verheiratet wurde. der wusste mit ihr wohl zu keinem Zeitpunkt und in keiner beziehung irgendetwas anzufangen. unnötig zu sa-gen, dass die ehe kinderlos blieb. Kaum selbst König, verbannte er elisabeth Christine aus seinem persönlichen umfeld. sie sah ihren ehemann nur noch bei – seltenen – öffentlichen Anlässen, bei denen die etikette den Monarchen zwang, mit seiner Frau aufzutreten. Als elisabeth Christine ihren Mann ende März 1763 nach sechs Jahren Pause zum ersten Mal wiedersah (Friedrich ii. hatte gerade den blutigsten seiner Kriege mit knapper not überstanden, die Königin hatte kriegsbedingt zeitwei-lig aus berlin fliehen müssen), hatte dieser für sie gerade einen satz übrig: »Madame sind korpulenter geworden.«und die Kriege? der einmarsch in die habsburgische Provinz schlesien im Herbst 1740 – nur wenige Monate nach seiner Thronbesteigung – war ein blanker Gewaltakt. niemand wuss-te besser als Friedrich selbst, dass die öffentlich vorgeschobenen angeblichen erbansprüche des Hauses Hohenzollern an den Haa-ren herbeigezogen waren. das gewaltsam angeeignete Land hat er dann in drei blutigen Kriegen mit Zähnen und Klauen verteidigt, freilich mit denen seiner untertanen. und wie bitter war der »sieg« von 1763 erkauft …dennoch: das Format des Herrschers Friedrich ii. war ungewöhn-lich, und das in mehrfacher beziehung. Wie stehen wir heute zu einer Persönlichkeit, von der uns mittlerweile drei Jahrhunder-te trennen? Halten wir fest am beinamen »der Große«, den die deutsche erinnerungskultur in so seltenen Fällen bewahrt hat? diesen und anderen Fragen widmet sich mit Christopher Clark einer der besten Kenner der preußischen Geschichte überhaupt.der gebürtige Australier Clark lehrt seit 2008 Moderne eu-ropäische Geschichte an der universität Cambridge und damit an einer der renommiertesten europäischen Hochschulen überhaupt. er hat in syd-ney, berlin und Cambridge studiert. im Jahr 2007 erschien sein aufsehenerregendes buch »Preußen. Aufstieg und niedergang 1660-1947«, das binnen kürzester Zeit acht weitere Auflagen erlebte. spätestens seither gilt Christopher Clark als herausra-gender experte für die Geschichte Preußens. er ist Mitglied zahlreicher wissenschaft-licher Gremien, darunter der Preußischen Historischen Kommission und der british Academy.

WinfridHalder

04 vortrag

ältesten sohn und Kronprinzen zu erkennen glaubte. Oft wurde nur die vermeintli-che brutalität des Vaters gesehen, der den 18-jährigen sohn – nach dessen gescheitertem Fluchtversuch im sommer 1730 – zwang, die Hinrichtung des besten Freundes (und vielleicht Geliebten) Hans Hermann von Katte gescheitertem Fluchtversuch im sommer 1730 – zwang, die Hinrichtung des besten Freundes (und vielleicht Geliebten) Hans Hermann von Katte gescheitertem Fluchtversuch im sommer 1730 – zwang, die Hinrichtung

(1704-1730) mit anzusehen. der aus beuthen a. d. O. stammende dichter Jochen Klepper war es, der dem von sorge um den künftigen nachfolger zerrissenen Vater Gerechtigkeit widerfahren ließ (im noch immer lesenswer-Jochen Klepper war es, der dem von sorge um den künftigen nachfolger zerrissenen Vater Gerechtigkeit widerfahren ließ (im noch immer lesenswer-Jochen Klepper war es, der dem von sorge um den künftigen nachfolger

die »Versöhnung« mit dem Vater hatte unter anderem zur bedingung, dass aus dem inzwischen 20-jährigen Prinzen 1732 ein ehemann wurde – und was für ein schlechter! Ja, Friedrich ii. war 54 Jahre lang verheiratet, seine Frau hat ihn noch um fast elf Jahre überlebt. Aber kaum jemand weiß etwas über elisabeth Christine von braunschweig-Wolfenbüttel-bevern (1715-1797), die der »große König« so weit ins Abseits drängte (und etwas über elisabeth Christine von braunschweig-Wolfenbüttel-bevern (1715-1797), die der »große König« so weit ins Abseits drängte (und etwas über elisabeth Christine von braunschweig-Wolfenbüttel-bevern

das in ganz wörtlichem sinn), dass sich schon zu ihren Lebzeiten kaum (1715-1797), die der »große König« so weit ins Abseits drängte (und das in ganz wörtlichem sinn), dass sich schon zu ihren Lebzeiten kaum (1715-1797), die der »große König« so weit ins Abseits drängte (und

noch jemand ihrer entsann. elisabeth Christine, literarisch und naturwissenschaft-lich durchaus interessiert und alles andere als dumm, war 17 Jahre alt, als sie mit dem Preußen-Prinzen verheiratet wurde. der wusste mit ihr wohl zu keinem Zeitpunkt und in keiner beziehung irgendetwas anzufangen. unnötig zu sa-gen, dass die ehe kinderlos blieb. Kaum selbst König, verbannte er elisabeth Christine aus seinem persönlichen umfeld. sie sah ihren ehemann nur noch bei – seltenen – öffentlichen Anlässen, bei denen die etikette den Monarchen zwang, mit seiner Frau aufzutreten. Als elisabeth Christine ihren Mann ende März 1763 nach sechs Jahren Pause zum ersten Mal wiedersah (Friedrich ii. hatte gerade den blutigsten seiner Kriege mit knapper not überstanden, die Königin hatte kriegsbedingt zeitwei-lig aus berlin fliehen müssen), hatte dieser für sie gerade einen satz knapper not überstanden, die Königin hatte kriegsbedingt zeitwei-lig aus berlin fliehen müssen), hatte dieser für sie gerade einen satz knapper not überstanden, die Königin hatte kriegsbedingt zeitwei-

und die Kriege? der einmarsch in die habsburgische Provinz schlesien im Herbst 1740 – nur wenige Monate nach seiner Thronbesteigung – war ein blanker Gewaltakt. niemand wuss-te besser als Friedrich selbst, dass die öffentlich vorgeschobenen angeblichen erbansprüche des Hauses Hohenzollern an den Haa-ren herbeigezogen waren. das gewaltsam angeeignete Land hat er dann in drei blutigen Kriegen mit Zähnen und Klauen verteidigt, freilich mit denen seiner untertanen. und wie bitter war der »sieg«

dennoch: das Format des Herrschers Friedrich ii. war ungewöhn-

inzusammenarbeitmitdervolksHocH-scHuledüsseldorfveranstaltungsort:

volksHocHscHuledüsseldorf,saal1

eintritt:8/6euro

Page 5: West-Ost-Journal 1_2012

05 vortrag

Auch eine Preußin: Fanny Lewald (1811-1889). eine emanzipierte schrift stellerin aus Königsberg

LiterariScher abenD mit roSwitha Schieb unD regina PreSSLerKooPeration mit Dem DeutSchen KuLturForum öStLicheS euroPa

in Kirsten boies klugem, keineswegs nur für ein junges Publikum lehrrei-chem Kinderbuch »der kleine ritter Trenk« (2006) ist die rittertochter Thekla eine der Hauptfiguren. der gutmütige, aber standesbewußte Vater möchte, dass seine Tochter drei dinge lernt: suppekochen, Harfespielen und sticken – andernfalls fürchtet er näm-lich später keinen ehemann für Thekla zu finden. diese indessen entzieht sich den vä-terlichen Vorstellungen über das, was ein Mädchen lernen sollte, mit intelligenz und Tem-perament. Vielleicht hat Kirsten boie, die ja auch Literaturwis-senschaftlerin ist, bei der erfindung Theklas eine entfernte Verwandtschaft zu Fanny Lewald im sinn gehabt – und wenn nicht, so gibt es diese ferne Analogie jedenfalls. denn wenn Fanny Lewald den zeitgenössischen Vorstel-lungen von dem, was eine Frau lernen und wofür sie leben sollte, Genüge getan hätte, wäre sie vermutlich auch über suppekochen, Harfespielen und sticken nicht weit hinausgekommen – und die deutsche Literatur wäre ein ganzes stück ärmer.Fanny Lewald wurde vor 200 Jahren, genauer am 24. März 1811 in Königs-berg geboren. sie stammte allerdings nicht aus dem Adel, sondern sie war das erste Kind des jüdischen Kaufmanns david Marcus und dessen ehefrau Zi-pora. Weitere acht Geschwister folgten, darunter mehrere brüder. der Vater än-derte den Familiennamen 1812 in Le-wald, die älteste Tochter und seine söh-ne ließen sich 1826 mit seiner billigung taufen – vor allem in dem bestreben, den Kindern antisemitische Anfein-dungen zu ersparen. erwarben sie doch – nach den Worten Heinrich Heines – mit der Taufe das »eintrittsbillett in die europäische Gesellschaft«.die älteste Tochter Fanny zeigte früh-zeitig ihre hohe intellektuelle begabung und einen enormen bildungseifer, der mit suppekochen, Harfespielen, sti-cken und dergleichen allein keinesfalls zu stillen war. der Vater kam der ener-gischen Tochter diesbezüglich entge-gen, auch wenn eine höhere bildung für Frauen damals im allgemeinen als unnötig betrachtet wurde. Allerdings musste sie die zunächst besuchte Privat-schule mit 13 Jahren wieder verlassen, da ihre eltern der Meinung waren, sie

wisse nun genug für das vorprogram-mierte künftige dasein als ehefrau und Mutter. der Weg an eine deutsche universität blieb ohnehin Fanny Le-wald im unterschied zu ihren brüdern verschlossen – denn die ehrwürdigen Hohen schulen nahmen noch bis zur Wende zum 20. Jahrhundert generell keine studentinnen auf.

den Vorstellungen ihrer eltern über ihren künftigen ehemann versagte sie sich. bei besuchs-aufenthalten bei Verwandten in breslau und berlin kam sie mit der Literatur des »Jungen deutschland« in berührung, nachdem sie zuvor schon mit

Ludwig börne persönlich bekannt ge-worden war. bald begann die leiden-schaftliche Leserin Fanny Lewald auch selbst zu schreiben. 1842 publizierte sie ihren ersten roman – anonym zu-nächst freilich, um ihrer Familie den ruch zu ersparen, ein »schreibendes Frauenzimmer« in ihren reihen zu ha-ben. bald folgten weitere Arbeiten, nun-mehr unter eigenem namen. 1845 zog sie dauerhaft nach berlin, wo sie eine eigene Wohnung nahm. Hier lernte sie später Theodor Fontane, Gottfried Keller und viele andere Kollegen kennen. Fanny Le-wald war eine der ersten deutschen schriftstellerinnen, die vom ertrag ih-rer bücher leben konnte. Längere reisen führten sie unter anderem nach rom, wo sie 1846 ihren späte-ren ehemann Adolf stahr kennenlernte. stahr war allerdings verheirateter Fami-lienvater, Lewald und er konnten erst nach der scheidung stahrs im Jahre 1855 heiraten.Zuvor hatte die Wa h l -b e r l i n e r i n , politisch interes-siert wie sie war, großen Anteil an den revolutionären ereignissen von 1848/49 genom-

men. sie war sogar zu den Tagungen der nationalversammlung in der Frank-furter Paulskirche gereist, um daran als Gast teilzunehmen. enttäuscht vom scheitern der revolution, wandelte sie sich später zu einer entschiedenen bis-marck-Anhängerin.Fanny Lewald legte bis zu ihrem Tod im Jahre 1889 ein immenses literarisches Werk vor, das sich über weite strecken mit der rolle der Frau in der zeitgenös-sischen Gesellschaft auseinandersetzt. schon 1862 veröffentlichte sie ihre Au-tobiographie, in der sie unter anderem ausführlich von ihrer Kindheit und Ju-gend im Königsberger Kneiphof-Viertel berichtet.roswitha schieb und regina Press-ler stellen das Leben Fanny Lewalds vor und lesen Texte von ihr. roswitha schieb veröffentlichte neben Theater-büchern über Peter stein kulturhisto-rische reisebücher und einen band mit erzählungen. im Verlag des deut-schen Kulturforums östliches europa erschien ihr »Literarischer reiseführer breslau«. in den vergangenen Monaten führte sie den Literaturblog www.jeder-zweite-berliner.de des deutschen Kul-turforums über schlesische spuren in

berlin. sie arbeitet als freie Autorin in borgsdorf bei berlin.regina Pressler stammt ihrerseits aus Königsberg in Ostpreußen. nach der schau-sp i e laus b i l d u ng am seminar der Hamburger Kam-merspiele hatte sie engagements am s c h a u s p i e l h a u s Hamburg (unter Gustaf Gründ-gens) und Thea-ter im Zimmer, an den Hamburger K a m m e r sp i e l e n und an Theatern in bremen, Kassel, Heidelberg und Heilbronn. seit 1980 arbeitet sie als freie spreche-rin beim ndr, Wdr und br.

WinfridHalder

do, 26.01. 19.15 uhr

Fanny LewaldEine emanzipierte Schriftstellerin aus Königsberg

Lesung mit Roswitha schieb und Regina PRessLeR

di • 24. 1. 2012 • 18 uhrweimar Kirms-Krackow-haus

do • 26. 1. 2012 • 19.15 uhrdüsseldorf gerhart-hauptmann-haus

mi • 25. 1. 2012 • 18 uhrstuttgart haus der heimat des Landes baden-württemberg

Page 6: West-Ost-Journal 1_2012

06 BuchvorstEllung

noch ein Preuße: erich Ludendorff, der stratege des ersten Weltkrieges

vortrag unD DiSKuSSion mit PD Dr. manFreD nebeLin, techniSche univerSität DreSDen

in der öffentlichen Wahrnehmung wurde sein name meist überstrahlt von dem Paul von Hindenburgs, des »siegers von Tannenberg«. in der Tat: Hindenburg, 1914 bereits 67 Jahre alt und zu beginn des ersten Weltkrieges erst wieder aus dem ruhestand reak-tiviert, stand an der spitze der 8. Ar-mee des kaiserlichen Heeres, welche als einziger deutscher Großverband an der Ostfront operierte. Alle anderen Armeen des Feldheeres, nämlich sieben an der Zahl, waren im rahmen des »schlieffenplanes« an der Westfront konzentriert – mit dem küh-nen Ziel, die französische, belgische und auch die britische Festlandsarmee binnen weniger Wochen zu vernichten. bis dahin blieb es der 8. Armee überlas-sen, die Ostprovinzen des deutschen reiches, insbesondere das weit östlich exponierte Ostpreußen, vor der erobe-rung durch die streitkräfte des mit den Westmächten verbündeten russischen Zarenreiches zu bewahren. die 8. Ar-mee verfügte nur über rund 150.000 Mann, während die zwei ihr gegenüber aufmarschierenden russischen Armeen in etwa doppelt so viele soldaten um-fassten.erwartungsgemäß sah es zunächst so aus, als ob die 8. Armee an der ihr ge-stellten gewaltigen Aufgabe scheitern und untergehen würde. nach der ersten großen schlacht in Ostpreußen, die am 19./20. August 1914 – also keine drei Wochen nach Kriegsbeginn – im raum Gumbinnen geschlagen wurde, sah sich der erste Oberbefehlshaber der 8. Armee, Generaloberst Maximilian von Prittwitz und Gaffron, gezwungen, sei-ne Truppen zurückzuziehen und damit Ostpreußen weitgehend preiszugeben. Prittwitz wurde jedoch am 22. August 1914 durch Hindenburg ersetzt und dieser führte das Kommando in der schlacht bei Tannenberg, welche nur vier Tage später begann und bis zum 30. August 1914 andauerte. dabei schlug die eben noch auf dem rückzug be-findliche 8. Armee die russische narew-Armee, die mit fast 200.000 Mann vor-gerückt war, vernichtend: die russische seite hatte rund 30.000 Tote und Ver-wundete zu beklagen, darüber hinaus gingen etwa 95.000 russische soldaten in Gefangenschaft (bei insgesamt circa 10.000 Gefallenen und Verwundeten auf deutscher seite). die restlichen

Mi, 08.02. 19.15 uhr

Paul von Hin-

denburg, kai-

ser WilHelm

ii. und ericH

ludendorff

(v.l.n.r.)

russischen Truppen zogen sich eilends zurück – Ostpreußen war gerettet und General von Hindenburg der Mann der stunde.im öffentlichen siegesrausch fand ein umstand weniger beachtung: nämlich der, dass mit der ersetzung des Ober-kommandierenden von Prittwitz auch

dessen stabschef hatte gehen müssen. neuer stabschef, der in der militärischen Hierarchie als Kopf der operativen Planung fungiert, wurde der 49-jährige damalige Generalmajor erich Ludendorff. dieser hatte bereits

durch die erfolgreiche Führung des deutschen Angriffs auf das belgische Lüttich am 6. August 1914 auf sich auf-merksam gemacht, für den er bereits den »Pour le mérite«, die höchste mili-tärische Auszeichnung Preußens, verlie-hen bekommen hatte. Hindenburg und Ludendorff spielten fortan eine immer gewichtigere rolle in der militärischen Führung des Kaiserreichs.der Aufstieg in hohe und höchste mi-litärische Kommandostellen war erich Ludendorff dabei keineswegs von vorn-herein in die Wiege gelegt worden. An-ders als Hindenburg, dessen Karriere als berufssoldat gewissermaßen durch sei-ne Herkunft aus einer adeligen preußi-schen Offiziersfamilie vorprogrammiert war, war Ludendorff zwar der sohn eines rittergutsbesitzers, aber bürgerli-cher Herkunft. die Wurzeln der Familie liegen in der pommerschen Kaufmann-schaft, wenngleich erich Ludendorff im April 1865 auf dem von seinem Vater bewirtschafteten Gut nahe schwersenz in der damaligen Provinz Posen geboren wurde. Ludendorffs Vater arbeitete nach dem Verkauf des Gutes als hochrangiger Versicherungsangestellter, er ließ seinen

sohn dennoch die militärische Lauf-bahn einschlagen – obwohl die Auf-stiegschancen für bürgerliche immer noch deutlich schlechter waren als für die söhne der Adelsfamilien.erich Ludendorff trat demnach 1877 als 12-Jähriger in die kaiserliche Armee ein und absolvierte danach die Ausbil-dung zum Offizier. dank seiner un-streitig herausragenden intellektuellen begabung wurde Ludendorff in Ge-neralstabsverwendungen gebracht, in denen es damals nur wenige Offiziere nicht adeliger Herkunft gab. seit 1908 fungierte er im range eines Obersten als Abteilungs-Chef im Großen Gene-ralstab. dort zeigte sich Ludendorff mit blick auf den von ihm als unvermeid-lich vorausgesehenen gesamteuropä-ischen Krieg und die aus seiner sicht unzulängliche deutsche Vorbereitung darauf als beständiger Mahner. Als er im Jahre 1913 zum Kommandeur des Füsilierregiments nr. 39 in düsseldorf ernannt wurde und daraufhin den Ge-neralstab verlassen musste, verstand Ludendorff selbst dies als politisch be-dingte entfernung eines unbequemen.der beginn des ersten Weltkrieges und vor allem die Versetzung zur 8. Armee eröffneten dann erst die ganz große Karriere Ludendorffs. Kaum ein deutscher General hat so großen ein-fluß auf die politischen entwicklungen im ostmitteleuropäischen raum wäh-rend des ersten Weltkrieges und darü-ber hinaus ausgeübt. und seit der be-rufung Hindenburgs und Ludendorffs an die spitze der (dritten) Obersten Heeresleitung ende August 1916 fiel Ludendorff wenigstens zeitweilig eine zentrale stellung nicht allein in der Kriegführung, sondern auch in der Politik des Kaiserreichs insgesamt zu.

Page 7: West-Ost-Journal 1_2012

Manch ein Historiker sieht in Luden-dorff zwischen 1916 und 1918 gar den deutschen »diktator« schlechthin, der nicht nur für die entlassung des reichs-kanzlers bethmann Hollweg sorgte, sondern auch dessen nachfolger Mi-chaelis und Graf Hertling an Macht weit übertraf. sogar Kaiser Wilhelm ii. galt nur noch als »schattenkaiser« ge-genüber den von ihm selbst berufenen Militärs, allen voran Ludendorff.infolgedessen trug dieser auch wesent-liche Mitverantwortung für die militäri-sche niederlage im Jahre 1918 – wozu er allerdings später nicht stehen wollte. in der Weimarer republik hat erich Ludendorff als identifikationsfigur des

rechtsextremen, »völkischen« Lagers eine unheilvolle rolle gespielt. insbe-sondere sein zeitweiliges bündnis mit Hitler half diesem zu beginn der 1920er Jahre über die rolle eines Münchner Lokalpolitikers hinaus an bedeutung zu gewinnen. nunmehr liegt erstmals eine umfassende wissenschaftliche unter-suchung der wichtigsten Lebensphase erich Ludendorffs vor. der dresdner Historiker Manfred nebelin nimmt zwar auch Ludendorffs Leben vor 1914 in den blick, legt aber den schwerpunkt auf dessen rolle als führender Militär im ersten Weltkrieg. damit nehmen in seinem jüngst erschienenen buch insbesondere auch die Vorgänge in Ostpreußen seit 1914 eine herausra-gende stellung ein – und lassen den eigentlichen »sieger von Tannenberg« klarer hervortreten. Volker ullrich lobte nebelins buch im deutschlandfunk als »sorgfältig interpretierende synthese«. Peter Graf Kielmannsegg verwies in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung auf die »eindrucksvolle Fülle« der unter-suchten Quellen und wertete das buch als »beachtliche Leistung«.Manfred nebelin, gebürtiger Leverku-sener, lehrt seit 1993 neuere und neu-este Geschichte an der Tu dresden.

WinfridHalder

07 vortrag

nur wenige Tage nach dem 300. Geburtstag des preußischen Königs Friedrichs ii. am 24. Januar 2012 folgt ein weiteres erinnerungsdatum, das allerdings wohl weniger öffentliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen wird. Zugegeben, es ist nicht so »rund« wie der königliche Geburtstag – aber beachtung verdient der 140. Geburtstag von Otto braun allemal. er fällt auf den 28. Januar 2012.nach Otto von bismarck (1862-1890, mit einer kurzen unterbrechung 1873) hat kein Politiker so lange im Amt des preußischen Ministerpräsidenten gewirkt wie Otto braun (27. März 1920-24. Mai/20. Juli 1932 mit zwei kurzen unterbrechun-gen 1921 und 1925). dies gilt jedenfalls wenn man Hermann Göring beiseite läßt, der zwar formell vom April 1933 bis zum April 1945 dieses Amt innehat- te, es aber nie legitim erhalten hat. Außerdem war es innerhalb der Machtstrukturen des ns-staates politisch schon so weit abgewertet, dass es eigentlich keine rolle mehr spielte, wer sich mit dieser Amtsbezeich-nung schmückte.Ganz anders war dies zur Zeit der Ministerpräsidentschaft Otto brauns. Mit der förmlichen Abdankung Wilhelms ii. als deutscher Kaiser am 28. november 1918 war auch dessen Thronverzicht als König von Preußen verbunden. damit war der Übergang von der Hohenzollern-Monarchie zur republik vollzogen. es dauerte al-lerdings noch bis zum 30. november 1920 bis der jetzt so genannte »Freistaat Preu-ßen« seine erste demokratische Verfassung erhielt. der zuvor im Königreich Preu-ßen auf der Grundlage der Verfassung von 1850 vom König ohne Mitwirkung des Parlamentes berufene und ggf. auch wieder entlassene Ministerpräsident wurde nun vom Landtag gewählt. ihm übergeordnet war lediglich die Autorität des Landtages, ein staatsoberhaupt als Person gab es nicht mehr. Auf der Grundlage von Artikel 46 der neuen Verfassung übte der Ministerpräsident gegenüber den Ministern die richtlinienkompetenz aus, er hatte demnach eine starke stellung.Zugleich war der preußische Ministerpräsident der regierungschef des noch immer mit Abstand größten und politisch wie ökonomisch bedeutsamsten Gliedstaates des deutschen reiches, das im november 1918 seinerseits zur republik geworden war. Otto braun, der am 27. März 1920, noch während des Verfassungsgebungsprozesses, zum ersten Mal in dieses Amt gewählt wurde, hatte mithin eine der bedeutendsten politischen Positionen in deutschland überhaupt inne.Otto brauns Weg an die spitze der preußischen regierung war lang gewesen. er wurde als sohn eines untergeordneten bahnbediensteten am 28. Januar 1872 in Kö-nigsberg geboren. der öffentliche Gründungsakt des deutschen reiches, die Pro-klamation des preußischen Königs Wilhelms i. zum deutschen Kaiser, lag nur wenig mehr als ein Jahr zurück. nach dem besuch der Volksschule erlernte braun das stein-druckerhandwerk. Allerdings wurde er schon in sehr jungen Jahren auch politisch aktiv, insbesondere als er sich als 16-Jähriger im Jahre 1888 der sozialdemokratie anschloß. die Partei war zu diesem Zeitpunkt förmlich verboten, denn noch immer galt das von reichskanzler Otto von bismarck erzwungene »sozialistengesetz« vom Oktober 1878. Otto braun erlebte also die Verfolgung der sozialdemokraten im Kaiserreich als junger Mann mit. diese endete mit dem Auslaufen des sozialis-tengesetzes im Herbst 1890 keineswegs vollständig, sie wurde vielmehr mit anderen Mitteln fortgesetzt. so wurde der 20-jährige nachwuchsfunktionär braun 1892 we-gen »Majestätsbeleidigung« zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt. dies hindert ihn keineswegs an der Fortsetzung seiner politischen Arbeit, schon bald danach gehörte er zu den Gründern der »Königsberger Volkszeitung« (zunächst unter dem namen »Volkstribüne«), die fortan bis 1933 das wichtigste sozialdemokratische Organ in Ostpreußen blieb.Ostpreußen blieb lange Zeit brauns politischer Wirkungsraum. in der überwiegend agrarisch geprägten östlichsten preußischen Provinz hatten die sozialdemokraten ei-nen vergleichsweise schweren stand: Abgesehen von der Provinzhauptstadt Königs-berg (1910: ca. 246.000 einwohner) gab es keine echte Großstadt. der industriali-sierungsgrad war im Vergleich vor allem zu den Provinzen schlesien und rheinland gering. daher fehlte den sozialdemokraten dort eine starke industriearbeiterschaft als rückhalt weitgehend. es verwundert folglich nicht, dass Otto braun früh begann, sich um eine einbeziehung der Landarbeiterschaft in die Arbeit seiner Partei zu be-

vortrag von PD Dr. winFriD haLDer

der andere Preuße: Otto braun (1872-1955)

Mi, 15.02. 19.15 uhr

fortsetzungaufseite8

Page 8: West-Ost-Journal 1_2012

nationalversammlung der Weima-rer republik und seit 1920 bis 1933 reichstagsabgeordneter. Von 1919 bis 1930 vertrat braun dabei einen düssel-dorfer Wahlkreis, seit 1930 kandidierte er wieder in seiner Heimat Ostpreu-ßen. das braun nicht nur als Landes-politiker wahrgenommen wurde, zeigt der umstand, dass er 1925 bei der reichspräsidentenwahl, die nach dem unerwarteten Tod Friedrich eberts fällig geworden war, als Kandidat der sPd antrat. im ersten Wahlgang erhielt braun mehr als 7,8 Millionen stimmen (29 % der abgegebenen stimmen) und rangierte damit an zweiter stelle hinter dem rechtskonservativen Kandidaten Jarres (10,4 Mio stimmen, 38,8%). im zweiten Wahlgang verzichtete braun auf eine erneute Kandidatur zugunsten des Zentrumspolitikers Wilhelm Marx, auf den sich Zentrum und sPd als ge-meinsamen Wahlvorschlag verständigt hatten. dieser unterlag dann knapp dem anstelle von Jarres kandidierenden Paul von Hindenburg.Otto brauns langjährige rolle – die ihm den beinamen des »roten Zaren von Preußen« bescherte – machte ihn aus der sicht seiner politischen Gegner zum bevorzugten Angriffsziel. er blieb preußischer Ministerpräsident (mit den kurzen unterbrechungen 1921 und 1925), da sich die sPd bei den Land-tagswahlen in Preußen (1919, 1921, 1924 und 1928) als stärkste politische Kraft behauptete, wenngleich sie ins-gesamt erhebliche stimmenverluste zu verzeichnen hatte (von 36,3 % 1919 auf 21,2 % 1928). erst bei der Landtags-wahl vom April 1932 verlor sie diesen rang an die inzwischen kometenhaft aufgestiegene nsdAP (die knapp 36,3 % der abgegebenen stimmen erhielt). die regierung braun blieb danach – in ermangelung der Möglichkeit zur schaffung einer tragfähigen regie-rungsmehrheit – geschäftsführend im Amt. Am 20. Juli 1932 erklärte sie der inzwischen eingesetzte reichskanzler Franz von Papen, der dank des notver-ordnungsrechtes des reichspräsiden-ten seinerseits ohne parlamentarische Mehrheit regieren konnte – für abge-setzt (»Preußenschlag«). der vielleicht größte politische irrtum in Otto brauns Leben bestand darin, dass er glaubte sich gegen diesen Verfassungsbruch ausschließlich juristisch zur Wehr set-zen zu sollen. damit ging Preußen als »bollwerk der demokratie«, zu dem es unter braun geworden war, verloren. Wenige Monate später war Franz von Papen einer denjenigen, die Hitler ins reichskanzleramt verhalfen. Man muss braun allerdings zugute halten, dass er

08 vortrag

do, 17.11. 19.15 uhr

mühen. Gerade dadurch wurde er, auch wenn er überzeugter sozialist blieb, ein durch und durch pragmatisch denken-der Politiker – er gelangte rasch zu der Überzeugung, dass es der sPd nur ge-lingen würde die Landarbeiterschaft an sich zu binden, wenn sie eine auf deren Gegenwartsbedürfnisse zugeschnittene Politik betrieb. infolgedessen schloß sich braun in der großen innerpartei-

lichen debatte um den Kurs der Partei später auch dem eine konkrete reform-politik anstrebenden rechten Parteiflü-gel an. den theoretisierenden linken »Parteiintellektuellen« stand er dis-tanziert gegenüber. rosa Luxemburg, der bedeutendsten Protagonistin des linken Parteiflügels, attestierte braun eine »unausstehlich schulmeisterliche Manier«.schon 1897 – als 25-Jähriger! – über-nahm Otto braun die Führung der Königsberger sPd. im Jahr darauf trat er auch an die spitze des gesamten Par-teibezirks Ostpreußen. Auch bei der Gründung und Führung des deutscher Landarbeiterverbandes spielte er eine wichtige rolle. Als er 1902 in die Kö-nigsberger stadtverordnetenversamm-lung gewählt wurde, erhielt braun sein erstes politisches Mandat. seit 1913 ge-hörte er dem Preußischen Abgeordne-tenhaus an. im Jahre 1911 erfolgte seine Wahl in den Parteivorstand der sPd, nachdem er zuvor bereits der Kontroll-

kommission der Partei angehört hatte. dort traf braun erneut mit dem 1863 in Allenstein geborenen Hugo Haase zusammen, mit dem er zuvor bereits in Königsberg eng kooperiert hatte. Au-ßerdem wurde er auch mit Friedrich ebert bekannt, der mit Haase zusam-men nach dem Tod August bebels im sommer 1913 die Führung der Ge-samtpartei übernahm.Otto braun wirkte inzwischen in ber-

lin; in der Führung der sPd unterstützte er seit dem beginn des ersten Weltkriegs 1914 die befürworter der innerparteilich höchst umstrittenen »burgfriedenspolitik« um Friedrich ebert. d e m e n t s p r e c h e n d verblieb er auch nach der spaltung der Partei 1916 bei der Me h r h e i t s s oz i a l d e -mokratie. in die erste demokratische regie-rung Preußens trat er im november 1918 als Landwirtschafts-minister ein.die Ministerpräsi-dentschaft Otto braun begann damit, dass die Koalitionspartner der sPd in Preußen, nämlich das Zentrum, die linksliberale ddP und zeitweilig auch die rechtsliberale dVP, glaubten, den unbe-

quemen Agrarminister dadurch kalt-stellen zu können, dass sie ihn im März 1920 zum vermeintlich hauptsächlich auf repräsentative Aufgaben beschränk-ten Ministerpräsidenten wählten. die neue Verfassung vom november 1920 freilich verlieh dem regierungschef eine weitaus bedeutsamere Position. Zwar war Otto braun niemals frei von den Fesseln, die ihm die unverzichtba-re Konsensbildung innerhalb mehrerer von ihm geleiteter Koalitionsregie-rungen auferlegte, dennoch wirkte er richtungweisend für die preußische Gesamtpolitik. insbesondere zusam-men mit den beiden ebenfalls sozial-demokratischen innenministern Carl severing und Albert Grzesinski leistete braun viel für die demokratisierung von Verwaltung und Polizei Preußens. Auch die reform des schulwesens ver-dankte ihm viel.neben seiner regierungstätigkeit in Preußen war Otto braun 1919/20 Ab-geordneter in der Verfassunggebenden

fortsetzungvonseite7

ottobraun,Porträtvonmaxliebermann1932

Page 9: West-Ost-Journal 1_2012

Franz Josef strauss und edmund stoiber hätten es ja eigentlich wissen können: sta-tistisch betrachtet sind die Aussichten eines bayern, die deutsche Kanzlerschaft zu erlangen, ziemlich schlecht. nimmt man alle inhaber (und die inhaberin) dieses Am-tes – ungeachtet der wechselnden politischen systeme – zusammen, so hat der erste, 1871 berufene (reichs-)Kanzler Otto von bismarck seit 1890 27 nachfolger und eine nach- folgerin in diesem Amt gehabt. davon war nur einer ein bayer, sofern man den Franken Ludwig erhard so nennen darf. und selbst wenn man den in Kurhes-sen geborenen Chlodwig Fürst zu Hohenlohe-schillingsfürst, der immerhin einmal bayerischer Ministerpräsident war, als bay-ern hinzurechnet, verbessert dies die statistik nicht entscheidend.unter den zwölf Kanzlern der Weimarer republik war überhaupt kein bayer. Acht von ihnen waren vielmehr in Preußen geboren – und wenn man Philipp scheide-mann hinzurechnet, dessen kurhessische Heimatstadt Kassel schon im Jahr nach seiner Geburt an Preußen fiel (1866), so sind es neun Preußen. die geographische spannbreite Preußens wird durch die genauen Geburtsorte der reichskanzler klar – sie reichte von darkehmen, weit östlich in der damaligen preußischen Provinz Ostpreußen gelegen (Geburtsort Gustav bauers) bis weit in den Westen nach Köln, damals zur preußischen rheinprovinz gehörend (Geburtsort von Wilhelm Marx). die biographien der Kanzler der ersten deutschen republik bilden vieles zur deut-schen Geschichte im allgemeinen und zur preußischen Geschichte im besonderen ab. so bietet die derzeit im Preußen-Museum in Wesel gezeigte sonderausstellung „die reichskanzler der Weimarer republik – Zwölf Lebensläufe in bildern“ einen spannenden rundblick. Anmeldung bitte schnellstmöglich!unkostenbeitrag: 10 euro/5 euro für studierende (+ jeweils 3,50 euro eintritt) WH

Als Wilhelm Matull im Jahre 1973 sein umfangreiches Werk »Ostdeutschlands Ar-beiteiterbewegung. Abriß ihrer Geschichte, Leistung und Opfer« vorlegte, steuerte der amtierende bundeskanzler Willy brandt ein Geleitwort bei. darin verlieh er der Hoffnung Ausdruck, das buch möge dazu beitragen, »dass die ostdeutsche Arbeiter-bewegung die ihr zukommende historische und politische Würdigung findet.«Wilhelm Matull, 1903 in Königsberg geboren, kannte sein Thema bestens – auch aus eigener Anschauung. 1923 war er, damals student der Geschichte, Germanistik und Pädagogik an der ehrwürdigen Königsberger universität Albertina, in die sPd ein-getreten, eine Partei, die damals nicht zuletzt von Matulls ost-preußischem Landsmann Otto braun mitgeprägt wurde. nach seinem studium wurde Matull Mitarbeiter der »Königsberger Volkszeitung«, die von Otto braun mitgegründet worden war. 1933 wurde er kurzzeitig inhaftiert und mußte sich dann bis 1945 mit verschiedenen be- schäftigungen durchschlagen. seit 1946 war er als nach wie vor überzeugter sozialdemokrat in der erwachsenenbildung tätig – zuletzt als langjähriger Leiter der nordrhein-westfä-lischen Landeszentrale für politische bildung (1957-1968). daneben legte er bis zu seinem Tod 1985 zahlreiche bücher zur Geschichte Ostpreußens und der ehemals deutschen Ostgebiete vor, darunter das eingangs genannte.Willy brandts Wunsch ist indessen allenfalls teilweise in erfüllung gegangen. denn die ehemaligen preußischen Ostprovinzen werden in der Gegenwart wohl nur noch selten als ebenfalls zur Geschichte der Arbeiterbewegung beziehungsweise der sozi-aldemokratie gehörig gesehen. sicherlich, gerade im ländlich geprägten Ostpreußen hatten es die sozialdemokraten besonders schwer, jedenfalls außerhalb von dessen einziger Großstadt Königsberg. Auch Teile schlesiens – ausgenommen vor allem

schon zum Zeitpunkt seiner letzten regierungsbildung physisch und psy-chisch so erschöpft war, dass er bereits über einen Amtsverzicht nachdachte.Otto braun, der zu recht davon aus-ging unter nationalsozialistischer Herrschaft persönlich akut gefährdet zu sein, ging bereits wenige Wochen nach der »Machtergreifung« Hitlers ins schweizerische exil. in den sozial-demokratischen exilzirkeln hat er keine bedeutende rolle gespielt, wenngleich er bemüht war, ein politisches Konzept für ein deutschland nach Hitler zu ent-wickeln. im Jahre 1945 übernahm dann mit dem gebürtigen Westpreußen Kurt schumacher ein Politiker die Führung der sPd, der eine ganze Generation jünger war als Otto braun. dieser, in-zwischen deutlich über 70 Jahre alt, be-suchte zwar verschiedentlich noch Par-teitage der sozialdemokraten, konnte aber politisch nicht mehr wirklich Fuß fassen. er blieb in der schweiz, wo er im dezember 1955 starb.der Vortrag zeichnet Otto brauns Le-bensweg, unterstützt durch zahlrei-che Abbildung, nach. er ist Teil einer Veranstaltungsreihe zum »anderen Preußen« (siehe 28. 02., Vortrag von Frau Prof. Grebing). im Laufe des Jah-res wird die stiftung eine eigene Otto braun-Ausstellung präsentieren (vor-aussichtlich im Juli).

WinfridHalder

09 vortrag

Preußen: schwarz-weiß, aber auch rot. Vergessene Hochburgen der sozialdemo-kratie im Osten

vortrag von Frau ProF. Dr. heLga grebing (berLin)

Mi, 28.02. 19.15 uhr

fortsetzungauf

seite10

neun Preußen und drei badener

Oberschlesien – wurden ökonomisch und sozial eher von der Landwirtschaft

bestimmt und waren daher für eine Arbeiterpartei schwieriges Terrain. dennoch – zum beispiel im nieder-schlesischen Wahlkreis Liegnitz (Ge-biet des damaligen regierungsbezirks Liegnitz) stimmten noch bei der letzten freien reichstagswahl im november

exKurSion Zur auSSteLLung „Die reichSKanZLer Der weimarer rePubLiK

do, 12.01. 10.00 uhr

Page 10: West-Ost-Journal 1_2012

10 vortrag/lEsung

radka denemarkovás buch erzählt von einer Heimkehr, die misslingt. die 16-jährige Gita Lauschmannová kommt im sommer 1945 zurück in ihr böhmisches Heimatdorf. Anders als ihre eltern hat sie die deportation nach Auschwitz überlebt. doch ihr Zuhause ist nun im besitz frem-der Menschen, da ihr ermordeter deutsch-jüdischer Vater als angeblicher »Kolla-borateur« enteignet wurde. Angesichts der ihr entgegen schlagenden Feindse-ligkeit flieht Gita aus dem dorf – und kehrt 60 Jahre später abermals zurück. die Vergangenheit läßt weder sie noch die dorfbewohner los …radka denemarková ist ein höchst eindringliches buch über die Verstri-ckung eines tragischen persönlichen schicksals mit den schlimmsten Ver-werfungen der deutsch-tschechischen Geschichte gelungen. Peter demetz, der den band für die Frankfurter All-gemeine Zeitung besprochen hat, hat festgestellt, die Autorin begebe sich da-rin »unerschrocken auf die suche nach

Helgagrebing

fortsetzungvonseite9

LeSung mit raDKa DenemarKová

Mi, 22.02. 19.15 uhr

»ein herrlicher Flecken erde«der Wahrheit über Gerechtigkeit und ungerechtigkeit«. Alena Wagnerová erklärte als rezensentin für die neue Zürcher Zeitung ihren respekt davor, »mit welcher Kraft und Passion sich die tschechische Autorin eines Tabuthe-mas angenommen hat.«radka denemarková wurde 1968 in Kutná Hora (Kuttenberg) in Mittel-böhmen geboren. sie studierte Ger-manistik und bohemistik an der Prager Karls-universität, wo sie 1997 promo-viert wurde. sie war tätig am institut für Tschechische Literatur der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen republik. sie arbeitet jetzt als Über-setzerin deutscher Literatur ins Tsche-chische. darüber hinaus ist radka de-nemarková als Medienberaterin und Autorin für Literaturzeitschriften tätig. bei »ein herrlicher Flecken erde« han-delt es sich um ihren zweiten roman, der 2006 zunächst in tschechischer sprache erschienen ist. dafür erhielt sie 2007 den renommierten Literaturpreis Magnesia Litera.die Moderation des Abends über-nimmt in bewährter Form Michael serrer (Literaturbüro nrW). wh

inzusammenarbeitmitdemtscHecHiscHenzent-rumdüsseldorfunddem

literaturbüronrW

1932 – bei der die nsdAP reichsweit stärkste Partei wurde – 26,4 % der Wäh-lerinnen und Wähler für die sPd und machten sie damit hinter den natio-nalsozialisten zur zweitstärksten Kraft. Auf reichsebene erreichte die sPd in der gleichen Wahl nur mehr 20,4 % der abgegebenen stimmen. deutlich über dem reichsdurchschnitt lag das sPd-ergebnis mit 23,1 % bei der novem-berwahl von 1932 auch im Wahlkreis breslau (Gebiet des damaligen regie-rungsbezirks breslau). im Wahlkreis Ostpreußen lag die sPd mit 19,9 % nur knapp unter dem reichsdurchschnitt – während sie etwa in den beiden düsseldorfer Wahlkreisen (Gebiet des regierungsbezirks düsseldorf ) weit darunter lag (was allerdings auch mit der anhaltenden stärke des Zentrums dort zu tun hatte). neben diesen für sich sprechenden Wahlergebnissen sei daran erinnert, dass aus den östlichen Parteibezirken für die sPd neben Otto braun noch eine ganze reihe anderer führender Persönlichkeiten hervorging. das gilt natürlich nicht zuletzt für den schlesier Paul Löbe, den Westpreußen

Kurt schumacher, den Ostpreußen Hans-Jürgen Wischnewski sowie viele, viele andere. nicht vergessen sei insbe-

sondere der 1903 im westpreußischen elbing geborene, später führend in der danziger sPd tätige erich brost. dieser hat – nach seiner rückkehr aus dem exil – als Mitgründer der Westdeut-

schen Allgemeinen Zeitung in essen die Presselandschaft des jungen Landes nordrhein-Westfalen wesentlich mitge-prägt.Wilhelm Matull würde sich zweifellos freuen, dass sich nunmehr mit Frau Prof. dr. Helga Grebing eine der profi-liertesten Kennerinnen der Geschich-te der Arbeiterbewegung des Themas angenommen hat. die gebürtige ber-linerin war, nach der Promotion an der Freien universität berlin bei Hans Herzfeld, in verschiedenen Positionen in der erwachsenenbildung tätig. im Jahre 1971 wurde sie als Professorin für politische Wissenschaft an die Johann-Wolfgang-von-Goethe-universität in Frankfurt am Main berufen. bald dar-auf wechselte sie nach Göttingen; 1988 schließlich erhielt sie einen Lehrstuhl für vergleichende Geschichte der in-ternationalen Arbeiterbewegung an der ruhr-universität bochum, wo sie 1995 emeritiert wurde. Helga Grebing hat zahlreiche standardwerke zur Ge-schichte der Arbeiterbewegung und zur sozialgeschichte verfasst. 1996 erhielt sie den staatspreis des Landes nord-rhein-Westfalen. WinfridHalder

Page 11: West-Ost-Journal 1_2012

11 ausstEllung

drei Türen als supraporten die von Friedrich dem Großen geschenk-ten Gemälde seiner Hunde hingen. rechts und links zwei riesige danzi-ger schränke. die mittlere Tür führ-te in einen hellen, stuckdekorierten

Gartensaal. Wenn hoher besuch kam, wurden alle Tü-ren geöffnet: die schwere Hallentür, dann die zum saal und schließlich die hohe Flügeltür, die

vom saal auf einen säulengefaßten balkon führte, der den blick auf ei-nen großen, von Hecken umsäum-ten rasenplatz freigab. Am ende des rasens begannen zwei parallel ver-laufende Alleen, die bis in die grüne unendlichkeit der Pregel-Wiesen reichten. die reaktion der besucher angesichts dieses Anblicks war stets staunende Verblüffung: »schöner als Versailles«, sagte einmal einer. in der Tat war der effekt, durch das schloß hindurch auf eine prachtvoll gepflegte Landschaft zu blicken, ein ungewöhnliches Vergnügen…unten, in den repräsentativen räumen, war es arg feierlich, auch musste man sich wegen des herum-stehenden Porzellans und der Terra-kotten immer sehr gesittet bewegen. Anders war es nur in der sogenann-ten Kleinen Halle, die sich seitlich an die große eingangshalle anschloss und von der aus eine breite, ziemlich steile Treppe im bogen nach oben zu den Königsstuben führte. diese Treppe – das hatten die großen Ge-schwister erfunden – konnte man

auSteLLungSeröFFnung

auf einem Tablett wie auf einem rodelschlitten mit Karacho hinun-tersausen.«im Januar 1945 wurde das schloss von der sowjetischen Armee in brand gesetzt, die ruine in den 1980er Jahren abgetragen.die Ausstellung des »deutschen Kulturforums östliches europa«, Potsdam, gibt einen einblick in die Geschichte der Grafen von dönhoff und stellt schloss Friedrichstein, den Park und die sammlungen der Familie an Hand von historischen und neueren Fotografien vor. Wäh-rend der imposante bau auf zahlrei-chen Fotos bis in die 1930er Jahre gut dokumentiert ist, vermitteln Aufnahmen, die um 1910 entstan-den, auch einen eindruck von der Gestaltung der innenräume mit den einrichtungsgegenständen und den zahlreichen Kunstwerken, die August Graf dönhoff, der Vater von Marion Gräfin dönhoff, gesammelt hatte.

dirkurland

die Ausstellung ist bis zum 23.03. geöffnet.

eröffnung: Di, 17.01.2012 19.15 Uhr

es sprechen:PD Dr. Winfrid Halderdirektor des Gerhart-Hauptmann-Hauses

Dr. Claudia Tutschdeutsches Kulturforum östliches europa, Potsdam

»schloss Friedrichstein in Ostpreußen und die Grafen von dönhoff«schloss Friedrichstein, 20 Kilometer östlich von Königsberg im Pregeltal gelegen, zählte zu den größten und bedeutendsten barockschlössern in Ostpreußen. der bau wurde in den Jahren 1709 – 1714 für Otto–Magnus Graf dönhoff nach Plänen des Architekten Jean de bodt als stammsitz der Familie errichtet.die dönhoffs, ursprünglich aus Westfalen stammend, stiegen im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts im dienst der polnisch-litauischen Krone zu einer bedeutenden Mag-natenfamilie auf. ein Zweig des Hau-ses ließ sich 1640 in Preußen nieder, wo sie sich zu einer der angesehens-ten Adelsfamilien entwickelten. de bodt, der bereits an der Planung des berliner Zeughauses und des Pots-damer stadtschlosses beteiligt war, schuf mit der schlossanlage und den sie umgebenden Landschaftsgärten ein eindrucksvolles Zeugnis vom selbstverständnis des ostpreußi-schen Adels.die Publizistin Marion Gräfin dönhoff, die hier 1909 geboren wurde, hat ihre erinnerungen an Friedrichstein in ihrem buch » Kindheit in Ostpreußen« festge-halten: »der erbauer des Hauses, Otto-Magnus dönhoff – sechs Ge-nerationen vor mir -, hatte damals, Anfang des 18. Jahrhunderts, einen herrlichen Platz ausgewählt: Vor der Auffahrt, also der Vorderseite, zog sich ein rasenplatz hin und dann ein langgestreckter see, von bewal-deten Hügeln eingefasst. Wenn man die schwere Haustür öffnete, sah man in eine große Halle, über deren

di, 17.01. 19.15 uhr

Page 12: West-Ost-Journal 1_2012

wahr, dem man auch heute noch, da der Film jüngst 80 Jahre alt wurde, gerne und mit Vergnügen zuschaut.und Joseph Goebbels? der hat allzu bald nachdem »der Kongreß tanzt« in die deutschen Kinos kam, als Propagan-daminister dafür gesorgt, das niveau des deutschen unterhaltungsfilms zu senken und ihn zu einem politischen instrument zu degradieren. Werner richard Heymann, robert Gilbert, erich Pommer und eric Charell muss-ten aufgrund ihrer jüdischen Herkunft emigrieren, Lilian Harvey und Conrad Veidt, die sich dem rassistischen Anpas-sungsdruck des ns-regimes nicht un-terwerfen wollten, folgten. Otto Wall-burg und robert Liebmann konnten nicht rechtzeitig aus deutschland flie-hen und wurden Opfer des Holocaust. Willy Fritsch, Carl-Heinz schroth und Paul Hörbiger versuchten nach 1933 mit mehr oder weniger erfolg sich den Vorgaben der Goebbels’schen Propa-gandamaschinerie zu entziehen. Hörbi-ger, mit Goebbels durch eine gegensei-tige tiefe Abneigung verbunden, wurde im Januar 1945 unter dem Vorwurf des »Hochverrats« verhaftet und überlebte wohl nur dank des Zusammenbruchs der ns-Herrschaft.

Heinz rühmann spielten darin Lilian Harvey und Willy Fritsch die Hauptrol-len, sie waren also bereits ein »Traum-paar« des Films, als sie für »der Kon-greß tanzt« wieder gemeinsam vor die Kamera traten. Lilian Harvey, damals erst 25 Jahre alt, wurde in London ge-boren, ihr Vater stammte allerdings aus zu Preußen gehörenden Magdeburg. ihr Filmpartner Willy Fritsch war ge-

bürtiger Oberschlesier, 1901 in Kattowitz (Preußische Pro-vinz schlesien) geboren. Mit seinen 1,91 im wörtlichen sinne herausragend unter den Hauptdarstellern von »der Kongreß tanzt« war der 1893

in berlin geborene Conrad Veidt (als Fürst Metterich). Auch Otto Wallburg, Jahrgang 1889, war gebürtiger berliner und hatte von der Kabarett-bühne ins Filmgeschäft gewechselt. in der rolle der Gräfin ist die 1881 im schlesischen Freystadt geborene Margarete Kupfer zu sehen. schlesier war auch der 1894 in breslau geborene regisseur eric Charell. Hinter der Kamera stand mit Carl Hofmann wiederum ein Ober-schlesier (1885 in neiße geboren). das drehbuch schrieb der berliner robert Liebmann ( Jahrgang 1890). neben all diesen Preußen waren auch drei Österreicher an »der Kongreß tanzt« beteiligt: nämlich der 1872 in Mährisch Weiß-kirchen, unweit von Ol-mütz, geborene norbert Falk, der am drehbuch mitarbeitete, sowie als schauspieler Carl-Heinz schroth und Paul Hörbi-ger (1902 in innsbruck bzw. 1894 in budapest geboren).diese gediegene preu-ß i s c h - ö s te r re i c h i s c h e Mischung kam natür-lich auch der Filmhand-lung zugute, die sich ja vor dem Hintergrund des Wiener Kongresses 1814 abspielt, auf dem die Großmächte Preußen und Österreich-ungarn tragende rollen hatten (auch wenn Willy Fritsch den russischen Zaren Alexander i. spielt). ein grandioses ensemble für-

Lauter Preußen und drei Österreicher

FiLmvorFührung »Der KongreSS tanZt« (DeutSchLanD 1931) mit einer einFührung von PD Dr. winFriD haLDer

12 KinEMathEK

Fr, 11.11. 18.00 uhr

nein, Joseph Goebbels war nicht der erfinder der aufwendigen Musikfilme der uFA, auch wenn manch einer das heute noch glauben mag. diese waren vielmehr eine Frucht des unterhal-tungskinos der späten Weimarer re-publik. dies zeigt ganz deutlich »der Kongreß tanzt« – ein Film, der in die deutschen Kinos kam, als Goebbels noch längst nicht der allmächtig er-scheinende reichspropaganda-minister war.»der Kongreß tanzt«, urauf-geführt am 23. Oktober 1931, war ein riesenerfolg, trug zur durchsetzung der damals noch sehr jungen Tonfilmtechnik bei und etablierte das Genre des an den re-vuen der berliner unterhaltungstheater orientierten Musikfilms. dies obwohl – oder vielleicht gerade – weil er zu einem Zeitpunkt herauskam, als auch deutschland massiv unter der Welt-wirtschaftskrise litt. Millionen waren arbeitslos, und viele waren bereit, ihre letzten Groschen für einen Kinobesuch auszugeben, der ihnen zwei stunden in einer Welt jenseits der trübsinnigen Ge-genwart bescherte.»das gibt’s nur einmal, das kommt nicht wieder«, das war der, ja damals sagte man noch der schlager des Films, ein »Hit« selbst heute noch. Aber wer weiß schon, dass der Komponist des Liedes der 1896 in Königsberg gebo-rene Werner richard Heymann war? schon 1929 zeichnete Heymann ver-antwortlich für die Musik des ersten deutschen Tonfilms (»Melodie des Herzens«). er arbeitete bereits mit erich Pommer zusammen, der auch bei »der Kongreß tanzt« als Produ-zent fungierte. Pommer wurde 1889 in Hildesheim geboren, damals zur preu-ßischen Provinz Hannover gehörend. 1930 hat er »der blaue engel« produ-ziert (mit Marlene dietrich und emil Jannings) und damit Filmgeschichte geschrieben. Auch bei »Metropolis« (1925), dem wohl berühmtesten deut-schen stummfilm überhaupt, hatte er als Produzent gewirkt.der Text von Heymanns Lied »das gibt’s nur einmal« stammt von robert Gilbert, der 1899 in berlin geboren wurde. Heymann und Gilbert hatten schon bei »die drei von Tankstelle« (1930) Musik und Liedtexte beigesteu-ert, ein Film, der ebenfalls von erich Pommer produziert wurde. neben

do, 19.01. 18.00 uhr

WinfridHalder

Page 13: West-Ost-Journal 1_2012

13 KinEMathEK

Kein anderer König von Preußen hat es posthum zu einer derartig langle-bigen Leinwandexistenz gebracht wie Friedrich ii. die Celluloid-Karriere des berühmtesten aller Hohenzollern-Herrscher begann schon 1920, als der erste der sogenannten Fridericus-rex-Filme gedreht wurde. der Film war noch ein relativ junges Medium, Ton gab es noch nicht. der Publikums-erfolg der ersten beiden streifen führte dazu, dass bis 1928 vier weitere stummfilme folgten. Als die damals ganz neue Tonfilmtechnik auch in die deutschen Kinos einzug hielt, folgte schon 1930 der erste Friedrich-Film, in dem die schauspielerinnen und schau-spieler auch zu hören waren (»das Flötenkonzert von sanssouci«). Otto Gebühr, der schon seit 1920 auf die rolle des Königs abonniert war, schaffte auch diesen sprung, der durchaus nicht allen stumm-filmstars gelang. Gebührs stimme indessen soll das Ki-nopublikum, als sie erstmals zu vernehmen war, zu stehenden Ovationen hingerissen haben. dement-sprechend blieb er der königliche Chef-darsteller par excellence.Keineswegs zufällig begann der große König unmittelbar nach dem ersten Weltkrieg über die Leinwand zu flim-mern. stand er doch für viele Zeitge-nossen für die Größe und den ruhm Preußens, für den hart erkämpften, am ende aber doch errungenen sieg von 1763 im Machtkampf mit den europä-ischen nachbarn – während die deut-schen der 1920er Jahre mit den Konse-quenzen der Kriegsniederlage von 1918 zu leben hatten.dem »Flötenkonzert von sanssouci« folgten bis 1933 vier weitere Fridericus-Tonfilme. »der Choral von Leuthen« markiert den Übergang der Fri-dericus-Filme in das rä-derwerk der ns-Propa-gandamaschinerie. der Film hatte am 3. Febru-ar 1933 Premiere, in der Woche nach Hitlers berufung zum reichskanzler also. er firmiert mithin gewissermaßen als letzte Frucht der republikanischen Filmkunst. das Genre hatte sich aber auch aus der sicht von Propaganda-minister Joseph Goebbels so bewährt, dass daran festgehalten wurde. 1935

Preußen im Film, zumeist schwarz-weiß

FiLmreihe anLäSSLich DeS 300. geburtStageS König FrieDrichS ii.

inzusammenarbeitmitdemoberscHle-

siscHenlandes-museuminratingen

und 1936 gelangten sogar je zwei neue Fridericus-Filme in die deutschen Kinos, im April 1937 kam mit »das schöne Fräulein schragg«

ein weiterer streifen hinzu.Kann man diese mit einigem Wohlwollen noch als unterhal-tungsfilme im his-torischen Gewand

interpretieren, so wurde mit »der große König« (ur-aufführung 3. März 1942) eine bislang noch nicht er-reichte stufe der propagan-distischen instrumentalisie-rung des Friedrich-stoffes erreicht. Zugleich sollte er der letzte Fridericus-Film

werden.der ns-staat be-fand sich im Krieg, und die deutsche niederlage in der Winterschlacht vor Moskau ließ ins-

geheim bereits bei vielen Zeitgenossen untergangsängste auf-kommen. nicht allein der Krieg gegen stalins sowjetunion war offenkundig nicht so leicht zu gewinnen wie es noch im sommer 1941 den Anschein gehabt hatte. darüber hinaus befand sich das deutsche reich seit dem 10. dezember 1941 auch mit den Vereinigten staaten von Amerika im Kriegszustand. die re-gierung Hitler hatte den usA den Krieg erklärt, nachdem das verbündete Japan mit dem Angriff auf den amerikani-schen Flottenstützpunkt Pearl Harbour auf Hawaii den Krieg am 7. dezember auch auf dem pazifischen schauplatz eröffnet hatte. Manch einem schwante,

dass das gewaltige mili-tärische und ökonomi-sche Potential der us-Amerikaner über kurz oder lang nicht nur den japanischen expansi-onsbestrebungen, son-

dern auch der deutschen Aggression den Garaus machen würde. nicht allein Militärs hatten nicht vergessen, dass mit dem – ebenfalls von deutscher seite provozierten – eintritt der usA in den ersten Weltkrieg im April 1917 dieser für das deutsche reich endgültig verlo-ren gegangen war.

»der große König« zeigt dementspre-chend wie Friedrich ii. in hoffnungslos erscheinender situation während des siebenjährigen Krieges dennoch be-steht und appelliert zugleich an die Op-ferbereitschaft der soldaten. die eine männliche Hauptfigur – der preußische Feldwebel Treskow (Paul Fröhlich) darf zwar seine große Liebe Luise (Kristina söderbaum) noch heiraten, fällt dann aber, gewissermaßen direkt vom Trau-altar in die schlacht eilend, für seinen König. Hätte Propagandaminister Goe-bbels gewusst, dass der reale General-major Henning von Tresckow längst eine Hauptrolle bei den Planungen des militärischen Widerstandes zum sturz der ns-diktatur spielte, hätte die Filmrolle gewiß einen anderen namen erhalten …Wir zeigen im Verlauf des Jahres eine ganze reihe der Fridericus-Filme. Jede Vorführung wird mit einer kurzen his-torischen beziehungsweise filmhistori-schen einführung begonnen.

14. Februar 2012, 18 uhr: Fridericus. der alte Fritz (deutschland 1936)13. März 2012, 18 uhr: der alte und der junge König (deutschland 1935)

WinfridHalder

di, 13.03. 18.00 uhr

di, 14.02. 18.00 uhr

Page 14: West-Ost-Journal 1_2012

14 ausstEllung/sYMposion

»Polnische Geschichte und deutsch-polnische beziehungen«auSSteLLungSeröFFnung

die Geschichten deutschlands und Polens sind seit Jahrhunderten auf das engste miteinander verwoben. die beziehungen zwischen beiden Ländern waren aber nicht, wie oft dargestellt, vor allem von Kriegen und Konflikten geprägt. so ist die über tausendjährige deutsch-polnische nachbarschaft – neben tragischen ereignissen – auch durch lange Perioden des friedli-chen Mit- und nebeneinanders gekennzeichnet. Vielmehr führten Migrationen, eheschließungen und Arbeitsaufenthalte im Verlauf der

Jahrhunderte zu in-tensiven deutsch-polnischen Ver-wandtschafts- und Freundschaftsbe-ziehungen, von denen allein die Vielzahl deutscher

nachnamen in Polen und polni-scher nachnamen in deutschland zeugen. Manche der heute in beiden Ländern vorherrschenden stereoty-pen sind vor allem ein ergebnis der in der zweiten Hälfte des 19. Jahr-hunderts entstandenen nationalis-men. Allerdings sind diese Vorur-teile oft nur schwer zu überwinden und beruhen häufig auf unwissen. Polen bleibt für viele deutsche auch derzeit ein weitgehend unbekanntes Land.informationen und Kenntnisse über unseren direkten nachbarn den deutschen näher zu bringen, ist die Aufgabe des deutschen Polen–in-stituts in darmstadt, das 1980 von dem Übersetzer Karl dedecius und der Publizistin Marion Gräfin dönhoff mitbegründet wurde und sich heute als Forschungs-, informa-tions- und Veranstaltungszentrum der polnischen Kultur, Geschich-te, Politik, Gesellschaft und den deutsch-polnischen beziehungen im europäischen Kontext widmet. ein neuer Arbeitsschwerpunkt ist dabei die entwicklung von unter-richtsmaterialien.so legten 2007 die Mitarbeiter, dr. Matthias Kneip und Manfred Mack, das Lehrwerk »Polnische Geschich-te und deutsch-polnische beziehun-gen« vor, auf dessen basis die Auto-

ren diese dokumentarausstellung konzipierten.Auf 18 schautafeln werden aus-gewählte historische ereignisse präsentiert, die für Polen und das deutsch-polnische Verhältnis in den letzten 1000 Jahren von be-

deutung waren und für das Ver-ständnis der ak-tuellen beziehun-gen wichtig sind.

so informiert die Ausstellung u. a. über die mittelalterliche deutsche Ostsiedlung und die Herrschaft des deutschen Ordens; Themen, die unzählige Kontroversen und Polemiken hervorgebracht ha-ben. behandelt wird das »golde-ne Zeitalter« der polnischen Adelsrepublik und ihr niedergang, der Verlust der staatlichkeit bis zum ende des ersten Weltkrieges, das deutsch-polnische Verhältnis nach dem Versailler Vertrag. Auch werden das schicksal Polens im Zweiten Weltkrieg sowie die Aspekte von Flucht, Vertreibung und Zwangs-umsiedlung dokumentiert.einzelne etappen der neueren deutsch-polnischen beziehungen, beginnend mit der Ostpolitik Willy brandts bis in die Gegenwart, runden die dokumen-tation ab.die zweisprachige Ausstellung wurde bereits erfolgreich in zahlreichen schu-len und institutionen in deutschland und Polen gezeigt. dirkurland

die Ausstellung ist bis zum 13.04. geöffnet.

eröffnung:Freitag, 17.02.2012 - 19.15 Uhr

es sprechen:PD Dr. Winfrid Halder Manfred Mackdirektor des Gerhart-Hauptmann-Hauses deutsches Polen-institut darmstadt

Fr,17.02.19.15 uhr.

inkooPerationmitdemPolniscHeninstitut,

düsseldorf

heLmut KohL unD taDeuSZ maZowiecKi bei Der verSöh-nungSmeSSe in KreiSau 1989

Page 15: West-Ost-Journal 1_2012

15 KolloquiuM

ein rheinischer Chefredakteur schlesischer HerkunftDr. Joachim Sobotta Zum 80. geburtStag

es ist schon bemerkenswert, wie stark Persönlichkeiten aus dem his-torischen deutschen Osten die Me-dienlandschaft des jungen Landes nordrhein-Westfalen mitgeprägt haben. da war etwa erich brost, der 1903 im westpreußischen elbing geboren wurde und im nahe gelege-nen danzig aufgewachsen ist. seine ersten journalistischen erfahrungen sammelte brost schon seit 1924 bei der »danziger Volksstimme«. das sozialdemokratische blatt konnte aufgrund des beson-deren völkerrechtlichen sta-tus danzigs auch über das Jahr 1933 hinaus erscheinen, zu einer Zeit also da die sPd innerhalb des reichsgebiets durch das ns-regime längst ver-boten war und ihre Anhänger und Funktionäre verfolgt wurden. Ver-folgung und emigration blieben frei-lich auch erich brost nicht erspart. 1936 verließ er danzig und ging zu-nächst für einige Jahre ins exil nach Warschau. Angesichts der kriege-rischen expansionspolitik des ns-staates war er bald gezwungen nach schweden, Finnland und schließlich nach Großbritannien zu fliehen. in schweden lernte er nicht zuletzt Willy brandt und bruno Kreisky kennen. die Aufnahme in Großbri-tannien ende 1942 erfolgte mit Hil-fe des im Londoner exilvorstandes der sPd tätigen erich Ollenhauer. unter anderem beim deutschen dienst der bbC – dem wichtigs-ten Auslandssender, der trotz eines strikten Verbotes und drakonischer strafen in deutschland vielfach ge-hört wurde – war brost wieder als Journalist tätig. im Juni 1945 war er einer der ersten emigranten, die nach deutschland zurückkehrten. Zunächst im Auftrag der britischen besatzungsmacht, setzte er seine journalistische Tätigkeit fort. An-fang 1948 gründete brost in essen gemeinsam mit Jakob Funke die Westdeutsche Allgemeine Zeitung. diese stand seither unter brosts Lei-tung als Chefredakteur, Herausge-ber und Verleger. bereits 1953 war sie die größte regionalzeitung der bundesrepublik. bis zu seinem Tod 1995 blieb erich brost ein nicht al-lein in nordrhein-Westfalen hoch-angesehener Mitgestalter der Presse.Fast eine Generation jünger als

Mo, 26.03. 18.00 uhr

erich brost war Klaus von bismarck – 1912 in Jarchlin in Hinterpom-mern geboren, stammte er jedoch aus einem völlig anderen sozialen und politischen Kontext. Klaus von bismarck war ein urgroßneffe des ersten reichskanzlers Otto von bismarck und wuchs auf als »ein ziemlich typischer Junker«. Menta-lität und Lebensart des alten preußi-schen Adels prägten seine Kindheit und Jugend. sein Vater war Mitglied

der rechtsnationalen dnVP. eigentlich hatte Klaus von bismarck vor, Landwirtschaft zu studieren, um später – sein Vater war früh verstorben – den Gutsbetrieb selbst leiten zu können. dennoch wurde

er 1934 zunächst soldat und durch-lief die Ausbildung zum reserveof-fizier. Anfang 1939 wurde er regulär aus der Wehrmacht entlassen, weni-ge Monate später jedoch angesichts des bevorstehenden Krieges wieder einberufen. Klaus von bismarck hat den ganzen Zweiten Weltkrieg als soldat erlebt, zuletzt aufgestiegen in den rang eines Oberstleutnants und mit hohen Orden ausgezeich-net. nach einer Verwundung wurde er im Frühjahr 1945 aus Kurland evakuiert und ging bald darauf in schleswig-Holstein in britische Kriegsgefangenschaft. nachdem er wieder in Freiheit war, begann Klaus von bismarck sich verstärkt in der evangelischen Kirche und in der Ju-gendarbeit zu engagieren. Zeitwei-lig wirkte er als Jugenddezernent in Herford und war führend tätig bei der Organisation und durchfüh-rung der evangelischen Kirchentage. 1960 wurde der parteilose von bis-marck zum intendanten des West-deutschen rundfunks gewählt. seit-her führte er für mehr als anderthalb Jahrzehnte die größte Ard-sende-anstalt im bevölkerungsreichsten bundesland. Während der Amtszeit von bismarcks wurde das Fernsehen erst eigentlich zum Massenmedium; er legte besonderen Wert auf die Wahrung von Qualitätsstandards und parteipolitische unabhängig-keit. nach seinem Ausscheiden beim Wdr wirkte Klaus von bis-marck noch bis 1989 als Präsident des Goethe-instituts in München. er starb 1997.der 1932 im niederschlesischen

Glatz geborene Joachim sobotta schließlich gehört der Generation an, die zwar noch im historischen deutschen Osten die Kindheit und einen Teil ihrer Jugend verbracht hat, die aber ansonsten bereits durch das Heranwachsen in der jungen bundesrepublik mitgeprägt wurde. Joachim sobotta gelangte Anfang 1946 in einem Vertreibungstrans-port mit seiner Mutter und seinen schwestern nach niedersachsen, das unter der Kontrolle der bri-tischen besatzungsmacht stand. diese setzte in den kleinen Land-gemeinden resolut die Aufnahme der vielen einheimischen durchaus unerwünschten Zwangszuwande-rer durch. sobotta erhielt die Mög-lichkeit in Quakenbrück wieder das Gymnasium zu besuchen und 1951 das Abitur abzulegen. bald darauf ging er nach nordrhein-Westfalen, genauer nach essen zur Westdeut-schen Allgemeinen Zeitung, bei der eine Volontärstelle die Möglichkeit zum einstieg in den Wunschberuf des Journalisten bot. so kreuzten sich die Wege von erich brost und Joachim sobotta. sein weiterer be-rufsweg führte sobotta 1960 zur »deutschen Zeitung« in der dama-ligen bundeshauptstadt bonn. 1963 übernahm er dort die Leitung der örtlichen redaktion der »rheini-schen Post«. nur sechs Jahre später wurde sobotta zum Chefredakteur der »rheinischen Post« berufen und trat damit an die spitze der re-daktion einer der größten regional-zeitungen der bundesrepublik. er hat die Zeitung im Anschluss daran

fortsetzungaufseite16

dr.JoacHimsobotta

Page 16: West-Ost-Journal 1_2012

»Wenn ich nicht spräche, wäre ich nicht.«

LeSung auS Dem werK tuvia rübnerS mit FranK SchabLewSKi

16 KolloquiuM/lEsung

fast drei Jahrzehnte lang maßgeblich geprägt. Als er 1997 in den ruhe-stand trat, war er der dienstälteste Chefredakteur einer deutschen Ta-geszeitung.neben seinem journalistischen Werdegang hat Joachim sobotta in berlin, München und bonn Jura stu-diert und wurde 1972 promoviert. 1990 erhielt er den Theodor-Wolff-Preis, eine der renommiertesten Auszeichnungen, die an Journalisten vergeben wird. darüber hinaus hat er sich intensiv um die Förderung des journalistischen nachwuchses bemüht.

erich brost, Klaus von bismarck und Joachim sobotta sind nicht nur durch ihre Herkunft aus dem histo-rischen Osten miteinander verbun-den, sondern auch dadurch, dass sie sich gerade vor dem Hintergrund ihrer Herkunft um die deutsch-pol-nische Aussöhnung besonders be-müht und verdient gemacht haben.Anläßlich des 80. Geburtstages von Joachim sobotta veranstaltet die stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus – der er seit vielen Jahren eng ver-bunden ist – ein Kolloquium, das unterschiedliche Aspekte seines journalistischen Lebenswerkes und deren umfeld beleuchten soll. es sprechen u. a. dr. Guido Hitze (Lan-deszentrale für politische bildung nrW) und dr. detlef Hüwel (rhei-nische Post).

im Anschluss an das Kolloquium findet ein empfang statt. ein detail-liertes Programm und gesonderte einladungen folgen. eine persönli-che Anmeldung bis spätestens 19. 03. 2012 ist unbedingt erforderlich!

WinfridHalder

der heute in israel lebende dichter Tuvia rübner ist einmal gefragt worden, ob man nach Auschwitz noch Gedichte schreiben könne. seine Antwort lau-tete: »Man kann es nicht mehr, aber man muss es trotzdem tun.«dieser satz ist kennzeichnend für die dichterische Haltung Tuvia rübners, der unter dem namen Kurt rübner 1924 im slowaki-schen bratislava (Pressburg) geboren wurde. in seinem jüdischen elternhaus wurde deutsch gesprochen, er besuchte deutsche schu- len und seine ersten eigen lyrischen schreibversuche unternahm er ganz selbst-verständlich in deutscher sprache. Als die slowakei seit 1939 immer stärker in den sog ns-deutschlands geriet, wurde auch dort der Antisemitismus zur staatsdoktrin. Tuvia rüb- ner gelang es zusammen mit einigen anderen Jugendlichen mit einem der letzten Transporte 1941 das Land zu verlassen und nach Palästina auszuwandern. Von seinen eltern, seiner schwester und der restlichen Familie erfuhr er nur noch, dass diese im som-mer 1942 ins »Generalgouvernement« deportiert wurden. Vermutlich sind sie in Auschwitz ermordet worden.Tuvia rübner lebt seit seiner Ankunft in Palästina im Kibbuz Merchavia, un-weit von Haifa. Trotz der schweren körperlichen Arbeit dort setzte er sein dichterisches schaffen fort. da er nach einem schweren unfall nicht mehr in der Landwirtschaft arbeiten konnte, war er als bibliothe- kar und Lehrer für Literatur tätig. spä- ter wurde rübner – der nie eine akade- mische Ausbildung absolvieren konnte – auf eine Professur für Vergleichende Literaturwissenschaft an der universität Haifa berufen. ne-ben seinem eigenen lyrischen und Prosaschaffen hat er zahlreiche Werke der deutschen Literatur ins Hebräische und umgekehrt übersetzt. ulrike Kolb hat in der Frankfurter rundschau die »untröstlichen und zugleich lebenssüchti-gen bilder« sowie den »ruhelosen Klang« von Tuvia rübners sprache ge-priesen.Tuvia rübner hat für sein schaffen zahlreiche Preise und Auszeichnungen er-halten, darunter den israel-Preis für Literatur (2008). er ist Korrespondieren-des Mitglied der deutschen Akademie für sprache und dichtung sowie der Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur.Frank schablewski ist in unserem Haus als Autor und Vortragender bestens bekannt. Zuletzt wirkte er 2011 bei Veranstaltungen über Paul Celan und ila-na shmueli sowie Alfred Kittner mit. seit 1998 ist er mit eigenen Gedichten hervorgetreten; inzwischen liegen mehrere Gedichtbände vor. darüber hin-aus ist er als Übersetzer tätig. sein schaffen wurde bereits durch eine beträcht-liche Zahl von stipendien und Preisen gefördert.

inzusammenarbeitmitderdeutscH-israeli-scHengesellscHaft

do, 29.03. 19.15 uhr

fortsetzungvonseite15

WinfridHalder

Page 17: West-Ost-Journal 1_2012

nachhaltige eindrücke hinterlassen. in der stiftung Kreisau für europäische Verständigung, dem früheren Gut der Familie von Moltke wandelten die Ju-gendlichen auf den spuren des Wider-

standskämpfers in nazideutschland, Helmuth James Graf von Moltke und seiner Frau Freya.besser und näher lässt sich geschicht-liches erleben für schülerinnen nicht fassbar machen. Fiona braun, Klasse 10 berichtet, wie interessant es für sie war, einen historischen Ort zu besuchen und dort auch zwei Tage zu verweilen. und schüler Christoph Kirschbaum schreibt, wie sehr er vom »berghaus«, dem Wohnsitz der Familie von Moltke auf dem Gut, fasziniert war. er konn-te sich genau vorstellen, wie sich der »Kreisauer Kreis«, die Widerstands-gruppe um Graf von Moltke, dort im

Am schreibtisch von Gerhart Hauptmann

biLDungSreiSe im rahmen DeS SchuLProJeKtS: »SPuren in Der DeutSch-PoLniSchen geSchichte – gemeinSame erinnerungSorte«

17 schulprojEKtE

unter Leitung der Koordinatorin für schulzusammenarbeit der stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus und der Leiterin der bibliothek begaben sich die Geschichtsleherin, Frau Jones, sowie 21

Jungen und Mädchen der 10. Klasse der Käthe-Kollwitz-realschule ratingen vom 02. bis 06. dezember auf spuren-suche zu gemeinsamen deutsch-polni-schen erinnerungsorten nach Kreisau, breslau, Agnetendorf und Moritzburg bei dresden. beginn der bildungsreise, die durch die stiftung Gerhart-Haupt-mann Haus und über das Kulturreferat für schlesien am schlesischen Museum zu Görlitz mitfinanziert wurde, war ein zweitägiger Aufenthalt in der stiftung Kreisau für europäische Verständigung. bekannt wurde Kreisau vor allem durch die Familie von Moltke. der preußische Generalfeldmarschall Helmuth Karl bernhard Graf von Moltke, erwarb das Gut als Alterssitz. sein urgroßneffe, Helmuth James von Moltke, war einer der führenden Köpfe der Widerstands-gruppe Kreisauer Kreis und wurde am 23. Januar 1945 in berlin-Plötzensee er-mordet. Wenige Monate später musste seine Familie im Zuge der Vertreibung der deutschen das landwirtschaftliche Gut verlassen. im Folgenden lesen sie den ersten bericht der Geschichtslehre-rin Frau Jones:Für die schülerinnen der 10. Klasse der Käthe-Kollwitz-realschule in ratin-gen und ihre Geschichtslehrerin ilse-Angelika Jones hat eine bildungsreise

Wohnzimmer versammelte und auf schleichwegen zum Haus gelangte. durch das dorf wollte man sich nicht wagen, weil man kein Aufsehen erregen durfte. indem die schülerinnen diese Wege selbst gehen konnten, war das historische Geschehen hautnah. An-dererseits fand schüler Andreas Thier-bach es erstaunlich, dass zwei nach-barländer wie Polen und deutschland doch so verschieden sein können, denn viele Gebäude erweckten den eindruck als sei die Zeit stehen geblieben.ein Höhepunkt der reise war die Frie-denskirche in swidnica (dt. schweid-nitz), die seit 2001 als Weltkulturerbe aufgelistet ist. ein Kleinod in einem un-scheinbaren Ort, nicht weit von Krei-sau. eine Fachwerkkonstruktion, die einmalig in europa ist und durch ihre reich geschmückte Malerei auf Holz aus dem rahmen fällt. ungefähr eine stunde busfahrt entfernt liegt das Ger-hart-Hauptmann-Haus in Agnetendorf. dort hat der schriftsteller über 40 Jahre gelebt, und man konnte die untere eta-ge mit dem Arbeits- und Musikzimmer besichtigen. Während schüler Matthias Maraun sich an Gerhart Hauptmanns schreibtisch zu Höherem berufen fühlte, ließ sich schülerin Katharina Podlich am Flügel in der weitläufigen eingangshalle nieder und spielte eigene Fantasien. in breslau regnete es zwar, aber die vie-len kleinen Zwergenskulpturen überall lenkten vom ungemütlichen Wetter ab, auch das pompöse rathaus und die ba-rocke Aula der universität machten die stadt zu einem erlebnis.die Weiterreise nach dresden mit dem Zug gestaltete sich allerdings abenteu-erlich, weil der breslauer bahnhof eine

diescHülerinnenundscHülerderkätHe-kollWitz-scHuleinkreisau

diefriedenskircHeinscHWeidnitz

fortsetzungaufseite18

Page 18: West-Ost-Journal 1_2012

das netz in die stadt, woraufhin es zu einem massiven bevölkerungsanstieg kam. diese Menschen wollten mobil bleiben, so dass innerhalb der stadt ein Ausbau des nahverkehrnetzes notwen-dig wurde. dr. Peter Henkel arbeitet für die Ver-wirklichung des Projekts mit Fachleu-ten der bereiche Architektur, städte-planung, Archäologie, eisenbahn und Pädagogik zusammen.

dr.katJascHlenker

einzige baustelle ist und die Züge nur in polnischer sprache angesagt wurden. Wie gut, dass eine begleiterin polnisch verstand. Alles ging trotzdem gut und das dresdner Hotel lag nicht weit vom bahnhof entfernt.Am nächsten Morgen besichtigten die schülerinnen den rüdenhof in Moritz-burg, wo Käthe Kollwitz, die namenge-berin der schule und gebürtige Königs-bergerin, ihre letzten Tage verbrachte und 1945 starb. in der Gedenkstätte konnten die Jugendlichen selbst radie-rungen und Linolschnitte herstellen und der Künstlerin Kollwitz auf ihre Weise mit begeisterung nacheifern. die schülerin rebeka beganaj fühlte sich

18 schulprojEKtE

durch die bilder der Kollwitz und ihre Geschichte zum nachdenken gebracht. Auch Melis saitsali war sehr beein-druckt von der Gedenkstätte. nicole Kiefer haben die Originale der Künst-lerin zu einer eigenen grafischen Arbeit inspiriert. die schülerinnen waren sich einig, dass sie viel über die Künstlerin Käthe Kollwitz erfahren haben und ihr Lebenswerk nun besser verstehen kön-nen.die stadt dresden breitete sich vor den Jungen und Mädchen in adventlicher stimmung aus. der schriftsteller erich Kästner wurde wieder im Geiste leben-dig, das Hygiene Museum konnte be-sichtigt werden, der dresdner Zwinger, die Frauenkirche und die semper Oper

natürlich auch. und nicht zu vergessen das Albertinum. schüler sven Grüb-meyer staunte als er die berühmten bil-der sah: »Jetzt habe ich zum ersten Mal einen Picasso im Original gesehen!« einen schöneren schlusskommentar am ende einer reise lässt sich für eine Geschichtslehrerin kaum vorstellen. die schülerinnen äußerten sich posi-tiv über die reise, haben neues gelernt und unzählige überraschende entde-ckungen und erlebnisse mitgenom-men. ein gelungenes Projekt, das sich zur nachahmung und Weiterempfeh-lung anbietet.

katJascHlenker

fortsetzungvonseite17

in einem der ältesten bahnhöfe düs-seldorfs, dem bahnhof Gerresheim, wird eine Ausstellung zur „Mobilitäts-geschichte düsseldorfs“ entstehen. der Historiker dr. Peter Henkel, Vorsitzender des Fachbeirates Förderkreis industriepfad düs-seldorf-Gerresheim e.V., stellt das Konzept vor.der bahnhof Gerresheim ist eine von zwanzig stationen auf dem sog. industriepfad düssel-dorf-Gerresheim. Mit diesem Pfad wer-den auf vier Kilometern die wichtigsten stationen düsseldorfer industriege-schichte miteinander in bezug gesetzt. der Förderkreis industriepfad düssel-

dorf-Gerresheim e.V. will die Frühzeit der Gerresheimer und düsseldorfer in-dustriegeschichte wieder lebendig ma-chen und tritt für den erhalt ihrer noch

sichtbaren architektonischen Zeugen ein.Ziel der Ausstellung zur Mobi-litätsgeschichte düsseldorfs, die zukünftig bestandteil der kulturellen nutzung des al-ten Gerresheimer bahnhofs sein wird ist es zu verdeutli-

chen, wie sich düsseldorf nach dem Anschluss an das eisenbahnnetz zu der großen Wirtschaftsmetropole entwi-ckelt hat, die sie auch heute noch ist. unternehmen zogen nach Anschluss an

do, 12.01. 19.00 uhr

vortrag von Dr. Peter henKeL.

gerreSheim mit Den SchornStei-nen Der erSten FabriKen, um 1850, StahLStich von anton rottmann nach einer Zeichnung von LuDwig rohbocK (1824-1893), originaL im StaDtmuSeum DüSSeLDorF. (StaDtar-chiv DüSSeLDorF)

ein „Mobilitätsmuseum“ für düsseldorf

Page 19: West-Ost-Journal 1_2012

wehrhaften domes, eines imposanten backsteinhallenbaus, mit Orgelkonzert und des Kopernikusmuseums. Zurück nach danzig und Treffen mit der deut-schen Minderheit. Übernachtung in danzig.

6.tag:samstag,28.aPril2012

Auf direktem Wege geht es nach Mari-enburg. die Marienburg, die ehemalige residenz der Hochmeister des deut-schen Ordens, liegt herrlich über den ufern der nogat. diese Kreuzritterfes-tung aus dem Mittelalter ist die größte backsteinburganlage europas. (be-sichtigung schlossgelände und einiger innenräume). dann geht es durch die weite pommersche Landschaft zurück richtung Westen. in stargard erinnern noch zahlreiche baudenkmäler der backsteingotik an die Architektur der alten Hansestadt. Übernachtung in stettin.

7.tag:sonntag,29.aPril2012Möglichkeit zum Gottesdienst. Heim-reise nach düsseldorf.

der Preis für die Reise beträgt 729,00 € pro Person mit Halb-pension und Unterbringung im Doppelzimmer. Einzelzimmerzu-schlag 175,00 €.

Informationen und Anmeldung im Gerhart-Hauptmann-Haus unter Tel.: 0211 - 1699118.

tene Grundstruktur der backsteinge-prägten historischen Altstadt, welche aus der blütezeit der Hanse im 14. Jahrhundert rührt, hat stralsund den schutz der unesCO-Welterbeliste eingebracht. sodann geht es nach Greifswald. Auf der stadtführung sehen sie schmuckreiche bürgerhäuser, den st. nicolai-dom, die Marienkirche und die st. Jacobi-Kirche - alles wunderba-re beispiele der backsteingotik. ein Abstecher führt noch zum ehemaligen Kloster eldena, heute nur noch eine ru-ine; eines der Lieblingsmotive Caspar david Friedrichs. sodann fahren sie nach Misdroy auf die insel Wolin. Übernachtung in Misdroy.

4.tag:donnerstag,26.aPril2012

Weiter geht es von Misdroy entlang der pommerschen Ostseeküste nach Cammin. besichtigung des herrlichen spätromanischen st. Johannis-doms. Fahrt nach Kolberg. stadtrundgang. Auf dem weiteren Wege nach danzig stopp in stolp und kurzer besuch des sehenswerten rathauses. rundgang durch die alte Hansestadt. besichtigung der danziger rechtstadt, in deren be-reich die wichtigsten sehenswürdigkei-ten liegen.Übernachtung in danzig.

5.tag:freitag,27.aPril2012

sie fahren ans Frische Haff. erste stati-on ist elbing, das frühere »Tor zu Ost-preußen«. Weiter nach Frauenburg, in die Kopernikusstadt. besichtigung des

19 studiEnFahrt

backsteingotik zwischen Lübeck und danzigauF Den SPuren Der KunStgeSchichte

die stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus veranstaltet eine studienreise, bei der bedeutende bauwerke der Gotik im Ostseeraum besichtigt werden. Auf der exkursion werden historische entwick-lungen ein zentrales Thema sein.

1.tag:montag,23.aPril2012

Abfahrt des busses am Morgen in düs-seldorf. Fahrt nach Lübeck. erleben sie die Mutter der Hansestädte, die mit ihren sieben Türmen dem besucher schon aus der Ferne den Weg in schles-wig-Holsteins geschichtsträchtige stadt weist.Übernachtung in Lübeck.

2.tag:dienstag,24.aPril2012

sie fahren von Lübeck nach Wismar, unesCO-Welterbe und Hansestadt. Geführter stadtrundgang. nächste stadt ist rostock. ein rathaus mit sie-ben Türmen, die berühmte astronomi-sche uhr oder ein Museum auf dem Hochseefrachter. Weiter geht es nach ribnitz-damgarten. sehenswert in

bezug auf die back-steingotik sind hier vor allem die Ma-rienkirche und das rostocker Tor.Übernachtung in stralsund.

3.tag:mittWocH,25.aPril2012entdecken sie am Morgen stralsund auf einer stadtführung. die gut erhal-

23.04. bis29.04.

marienburgindanzig

Page 20: West-Ost-Journal 1_2012

20 BEricht

die Toten der budinka-WieseDie geSchichte eineS maSSaKerS

Am 19. Mai 1945 wurden gegen Mitternacht mehr als ein dutzend deutscher Män-ner in dobrenz/dobronín, Landkreis iglau/Jihlava auf der böhmisch-Mährischen Höhe, von betrunkenen Tschechen zu einer Wiese unweit des dorfes getrieben. dort mussten sie ihre Gräber ausheben, wurden sie mit schaufeln, spitzhacken und spa-ten erschlagen, in die Gruben geworfen und mit erde bedeckt. im dorf wusste man bescheid, schwieg aber darüber, jahrzehntelang. in meinem buch »bergersdorf« (Vitalis-Verlag Prag, 2003) habe ich über diese Mordnacht geschrieben, nachdem ich von nachkommen der Opfer und nach recherchen tschechischer Freunde vor Ort näheres erfahren hatte. der iglauer Journalist Miroslav Mareš nahm 2009 Kontakt mit mir auf und erstattete Anzeige bei der Polizei. Kriminalkommissar Michal Laška führte engagiert die ermittlungen im »Fall budinka«. im August 2010 kam es zur exhumierung der Toten. Archäologen bargen die Gebeine von dreizehn Opfern, die an der Masaryk-universität in brünn/brno von Anthropologen untersucht wurden. die entnommenen Proben sollten später mit den dnA-Analysen der nachkommen verglichen werden. An der exhumierungsstelle hatte ein dobrenzer Kunsthand-werker ein drei Meter hohes Holzkreuz errichtet. der »Fall budinka« hatte in den Medien weltweit Aufsehen erregt. soweit die Vorgeschichte (s. »West-Ost-Journal« 4/2010, s. 19 f.). im Herbst 2010 übernahm Johann niebler aus Mertingen bei Augsburg, ein gebürti-ger dobrenzer, dessen Onkel zu den Opfern zählt, die rolle des sprechers der Ange-hörigen. er schlug die bestattung der Toten auf dem dobrenzer Friedhof vor und ließ sich das schriftliche einverständnis der Angehörigen, von denen einige aus dobrenz stammten, geben. Mit schreiben vom 4. november 2010 wandte er sich an den bür-germeister und die Gemeinderäte von dobrenz und bat um wohlwollende Prüfung seiner bitte »einen geeigneten Platz für ein Grab auf dem Friedhof zur Verfügung zu stellen, an dem auch ein Gedenkstein stehen sollte«. er fügte die skizze eines Ge-denkkreuzes, das er zusammen mit einem steinmetz entworfen hatte, bei. Auf dem grau-geschliffenen Granitkreuz sollten die namen von insgesamt 17 Opfern, auch von jenen, die an anderen stellen ermordet worden waren, eingemeißelt werden. Am 14. Februar 2011 fand die Gemeinderatssitzung dobrenz statt. nach heftigen diskussionen wurde beschlossen, dass nur jene skelettüberreste auf dem Friedhof bestattet werden dürften, deren dnA-Analysen Angehörigen zugeordnet werden könnten. das Granitkreuz könne laut Friedhofsordnung wegen seiner Höhe nicht aufgestellt werden, auch sei ein Kreuz nicht gestattet. Mit datum vom 1. März ent-warf Johann niebler zusammen mit dem steinmetz einen niedrigen Grabstein aus schwarz-poliertem stein und sandte die skizze an den bürgermeister, Mitglied der KP. Am 24. März fand eine weitere Gemeinderatssitzung in dobrenz statt, bei der in einer kontroversen diskussion über eine mögliche bestattung der Opfer gestritten und festgelegt wurde, dass erst nach den dnA-Vergleichen weiter verhandelt wer-den solle. Zur sitzung war auch der Fernsehregisseur david Vondráček, der mit sei-nem dokumentarfilm »Töten auf Tschechisch« im Mai 2010 Aufsehen erregt hatte, gekommen. seine dokumentation über die »Causa budinka« wurde am 28. März 2011 vom Tschechischen staatlichen Fernsehen zur besten sendezeit gesendet. in einem Kommentar des Tschechischen rundfunks hieß es: »Man will die deutschen auf dem dobrenzer Friedhof nicht einmal nach deren Tod haben.« Tschechische, österreichische und deutsche Printmedien berichteten in ähnlich kritischer Weise. der bürgermeister von dobrenz äußerte sich in einem interview mit dem kom-munistischen »Haló noviny« zum Medienrummel, der seiner Gemeinde schade. »Alles«, so sagte er, »hat damit angefangen, dass eine deutsche aus der Gemeinde bergersdorf eine erzählung schrieb, in der sie die erzählung ihres Onkels und ihrer Tante verarbeitete. dort wurde geschrieben, dass es hier unweit zu einem Massaker an deutschen kam. Herr Mareš hat es als literarische Fakten aufgegriffen und erstat-tete strafanzeige bei der Polizei, damit diese das angebliche historische Verbrechen untersucht. (…) die ereignisse in dobrenz sind eine gelenkte Provokation. nach der Version, die im Ort die runde macht, sollen die deutschen auf der Wiese budin-ka untereinander abgerechnet haben. (…)« Mitte März 2011 waren deutschfeindliche Parolen an das Holzkreuz geschmiert wor-den, kurze Zeit später wurde während der nacht das Kreuz abgesägt. nahezu alle tschechischen Medien berichteten darüber. Wer die Täter waren, ist nicht bekannt. der dobrenzer Kunsthandwerker, der das Kreuz errichtet hatte, erklärte in einem

interview, er werde ein neues Kreuz er-richten. Am 18. April wurde bekanntgegeben, dass die ersten beiden dnA-Proben, darunter die von Johann niebler, nicht mit den gefundenen Knochenresten übereinstimmten. Wegen der aggressi-ven und säurehaltigen bodenbeschaf-fenheit der budinka seien die Knochen in einem sehr schlechten Zustand, auch das für einen dnA-Vergleich wichtige Knochenmark sei nicht mehr vorhan-den. dennoch werde man die untersu-chungen fortführen. in sichtweite der budinka, am bahn-damm dobrenz, existierte ein weiteres Grab mit drei Toten. die tschechischen Freunde, die einst für mich recherchier-ten, hatten mir damals darüber berich-tet und Fotos vom Ort der Grabstelle gegeben. Mit diesen Fotos, die ich Jo-hann niebler zum Weiterleiten sandte, beantragte Kommissar Laška die ex-humierung. ein enkel der Opfer reiste nach iglau und wies den Weg zum Tat-ort. Am 23. Mai 2011 wurde unter Auf-sicht von Kommissar Laška das Grab mit drei gut erhaltenen skeletten geöff-net: die Männer waren von hinten mit einem 9 mm Kaliber erschossen wor-den, wie die einschüsse an den schä-deln zeigten. Zurzeit werden die Funde am Kriminalistischen institut in Prag untersucht und später mit den dnA-Proben der Angehörigen verglichen. ende Juli errichtete Milan Litavský, der dobrenzer Kunsthandwerker, ein neu-es Kreuz aus stahl an der stelle des zer-störten Holzkreuzes. der bürgermeister von dobrenz teilte ihm mit, er müsse aus sicherheitsgründen eine baugenehmi-gung vorlegen. Falls er diese innerhalb eines Monats nicht erbringe, werde das Kreuz entfernt. Milan Litavský ist nicht bereit, eine baugenehmigung zu bean-tragen. sollte auch dieses Kreuz ent-fernt werden, werde er ein neues Kreuz aufstellen. im sommer war Miroslav Mareš mit dem renommierten Karel-Havliček-borovský-Journalistenpreis ausgezeichnet worden. die Jury hatte ihre entscheidung damit begründet, dass der Journalist ein besonders sen-sibles Thema mutig angepackt habe. Miroslav Mareš dankte mit den Wor-ten, die Preisverleihung zeige, dass der tschechischen Gesellschaft die Gräu-eltaten nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gleichgültig seien.

Hermakennel

Page 21: West-Ost-Journal 1_2012

21 nachlEsE

das Liszt-Jahr 2011nachlese und bleibendes -

einem beDeutenDen KomPoniSten Zu ehren

»Franz Liszt. ein europäer in Thü-ringen« - so lautete das kulturelle Themenjahr des Freistaates Thürin-gen für 2011!in Konzerten, der Landesausstel-lung in Weimar, Lesungen und Wettbewerben wurde des 200. Ge-burtstages und des 125. Todestages dieses großen europäischen Musi-kers gedacht. er war genialer Pianist, dirigent, Komponist, Lehrer und Musikorganisator und vieles mehr.die ururenkelin Franz Liszts, die Vorsitzende des ehrenkomitees, nike Wagner, formulierte es so: »Am Komponisten Franz Liszt aber hat die nachwelt etwas gut zu machen, den Komponisten gilt es wiederzuentdecken – in seiner po-etischen Klangsprache, den farbigen Orchester-, Klavier- und Chorwer-ken, seinen späten, kühnen experi-menten…so geht es nicht um die Wiederbelebung eines vernachläs-sigten Komponisten, es geht um viel mehr: um Franz Liszt als ,Zeitgenos-sen’, es geht um uns heute.«und wir Heutige konnten ihn in Konzerten kennen lernen und be-wusst erleben! es erscheint dem Verfasser aber eine wichtige ergän-zung, seinen Lebensweg – von der Geburt über die zehnjährige reise-zeit als umjubelter starvirtuose in ganz europa bis hin nach Weimar – zu verfolgen.Franz Liszt wird am 22.10.1811 in raiding, im ungarischen Teil des österreichischen Kaiserreichs, ge-boren. er erhält 1818 den ersten Klavierunterricht bei seinem Vater Adam Liszt und schon mit neun Jahren, 1820, gibt er seine ersten Konzerte als Pianist in Ödenburg und Pressburg! der Vater möchte seinen sohn zu einem »Wunder-kind« – wie Mozart – entwickeln, will ihn zum unterricht nach Wei-mar zu Johann nepomuk Hummel geben, entscheidet sich aber aus Kostengründen für Carl Czerny und Antonio salieri in Wien. die Familie zieht 1821 nach Wien, 1823 nach Paris. in den folgenden Jahren gibt er Konzerte in Frankreich, england und der schweiz, hat begegnungen mit Hector berlioz, Fréderic Chopin und niccolo Paganini. 1834 lernt er die Gräfin Marie d’Agoult kennen, mit ihr lebt er in der schweiz und

italien, es werden drei Kinder geboren.in den Jahren 1839 – 1848 unternimmt er Konzertreisen durch viele Län-der europas und erlebt dabei triumphale erfolge: 1841 hat er die für ihn be-sonders nachhaltige erste begegnung mit richard Wagner. 1842 erfolgt die ernennung zum »Kapellmeister in außerordentlichen diensten« in Weimar; im Vorfeld war er als »Tourist« in der stadt, trug sich in das Gästebuch des Goethehauses ein und gastierte als konzertierender Musiker auf einladung des Hofes.Fünf Jahre später, 1847, lernt er die russische Fürstin Carolyne von sayn-Wittgenstein kennen, die sich von ihrem Mann getrennt hatte. Mit ihr begann das gemeinsame Leben in Weimar auf der »Altenburg«, einem dreistöckigen Haus an der alten Jenaer Poststraße (heute b7); 1811 von Friedrich von see-bach, dem Oberstallmeister des Herzogs Carl August, errichtet. die Fürstin hatte den ehrgeiz, das Haus in dem Liszt seine Wirkungsstätte gefunden hat-te, zu einem gesellschaftlichen Mittelpunkt Weimars zu machen! und das ist ihr gelungen! die »Altenburg« wurde weltbekannt; Liszt verlebte hier von 1848 – 1861 seine fruchtbarsten Jahre, es entstanden in der stille des »blau-en Zimmers« ein drittel seiner Kompositionen, darunter 12 seiner 13 sin-fonischen dichtungen, u. a. »Tasso«, »Orpheus«, »die ideale«, »Hamlet«, beide sinfonien, beide Klavierkonzerte. Hier trafen sich kunstausübende und kunstliebende Menschen von überall, Musiker von Liszts »Zukunftsmusik« begeistert, wie Hans von bülow, richard Wagner, Johannes brahms, Clara schumann, Hector berlioz und bedřich smetana, dichter und schriftstel-ler, wie Friedrich Hebbel, Gustav Freytag, Paul Heyse, Hans Christian Ander-sen und Hoffmann von Fallersleben oder Künstler, wie Moritz von schwind, Friedrich Preller und ernst rietschel und die schauspieler emil de-vrient und eduard Genast. Höhepunkte der Treffen, zu denen alle beiträge

fortsetzungaufseite22

franzliszt1869inseiner»zWeiten«Weimarerzeit,gemäldevonbern-

HardPlockHorst

Page 22: West-Ost-Journal 1_2012

22 nachlEsE

lieferten, war, wenn sich Liszt an den Flügel setzte und improvisierte!Trotzdem verlässt er 1861 Weimar als »Gescheiterter« – u. a. nach einem inszenierten skandal um Peter Cornelius’ Oper »der barbier von bagdad«, die durch eine klei-ne Clique um den Theaterdirektor dingelstedt ausgezischt wurde! Auch die problematische situati-on in der stadt und manche ihrer »ehrenwerten« bürger, die kein Verständnis für seine nichtehelichen beziehungen zur Fürstin Carolyne hatten, führten zu häufigen Verärge-rungen.in den Jahren bis 1869 wohnt er in rom und kehrt auf betreiben von Großherzog Carl Alexanders Gattin sophie im Januar 1869 nach Wei-mar zurück. Hier bezieht er die erste etage der alten »Hofgärtnerei« vor den Toren der stadt, direkt an der belvederer Allee und dem Park an der ilm gelegen. in einem brief an seine langjährige Lebensgefährtin Fürstin Carolyne von sayn-Wittgen-stein schreibt er:»Man hat mir erzählt, dass die Frau Großherzogin und die Prinzessin-nen sich umständlich mit der Aus-wahl der Teppiche, der Vorhänge usw. beschäftigt hatten. Tatsächlich ist die Wohnung von ‚wagneri-schem‘ Luxus, an den man in dieser guten stadt Weimar nicht gewöhnt ist.«in dieser Wohnung verlebt Liszt die letzten fünfzehn Jahre seines Lebens überwiegend in den sommermo-naten, die andere Zeit in rom oder budapest.das »Liszt-Haus« ist heute eine be-sondere begegnungsstätte für alle

Liszt-Verehrer, blieb es doch nach seinem Tod am 31. Juli 1886 in bayreuth (beisetzung dort auf dem städtischen Friedhof ) auf Wunsch des Großherzogs in seinem histori-schen Zustand belassen. bereits am 22. Mai 1887 wurde in der »Hof-gärtnerei« die Gründung des Liszt-Museums gefeiert; einen Monat später das Haus eröffnet. Wer heute die historischen räume, das große Wohn- und Arbeitszimmer mit dem schwarzpolierten bechstein-Flügel und dem Original-Mobiliar oder das speisezimmer mit vielen per-sönlichen erinnerungsstücken aus Liszts nachlass betritt, erlebt den Zauber, die ganz persönliche Atmo-sphäre dieses Hauses.im Jahr 2006 wurde auch das erd-

geschoss, früher als Wirtschafts-raum, später als Kastellanwohnung genutzt, durch die Klassik-stiftung Weimar, die Hochschule für Musik Franz Liszt und die bauhaus-univer-sität Weimar zu einer kontrastieren-den, ergänzenden dauerausstellung ausgebaut. Hier wird der besucher mit der außerordentlichen Vielsei-tigkeit Liszts vertraut gemacht – sei es als Komponist, Pianist, dirigent, Pädagoge oder Organisator.die wichtigsten Lebensstationen lassen sich auf einer europakarte nachvollziehen, sein beitrag zur Wiederbelebung der Weimarer Kunst wird sichtbar gemacht und seine Kompositionen können an Hörstationen – mit interpreten der letzten 100 Jahre – wahrgenommen werden.unweit seines sommerdomizils, der alten Hofgärtnerei, befindet sich im ilm-Park das Liszt-denkmal. unter dem ehrenvorsitz von Großher-zog Carl Alexander und mehrerer Preisrichter wurde 1899 der ent-wurf des erst 31jährigen Münchner bildhauers Hermann Hahn aus 68 entwürfen ausgewählt und mit ei-nem Festakt am 31. Mai 1902 vor 47 deutschen und vielen ausländischen delegationen, in Anwesendheit des Großherzogs Wilhelm ernst, ent-hüllt. die »neue Musikzeitung« würdigte das denkmal aus weißem Marmor, diesen Liszt, bereits im Vorfeld als »eine bleibende Zierde der stadt, als einen geistig tätigen von der umgebenden natur inspi-rierten heimkehrenden Wanderer«.der Festakt im deutschen nati-

fortsetzungvonseite21

feierlicHe einWeiHung des liszt-denkmals am 31. mai 1902, im bild festgeHalten

durcHden»HofPHotograPHen«louisHeld

franzlisztamscHreibtiscH

Page 23: West-Ost-Journal 1_2012

23 nachlEsE

onaltheater am 22. Oktober, dem 200. Geburtstag des Komponisten, war ein besonderer Höhepunkt der Liszt-ehrung 2011. Hier wurden nicht nur würdigende reden gehal-ten, sondern die staatskapelle Wei-mar, als legitimes Liszt-Orchester, brachte ihn auch musikalisch zu Gehör. nike Wagner erinnerte dar-an, wie Liszt durch sein denken und seine Geisteshaltung immer wieder Grenzen überwunden hat: »Fremd war und blieb ihm nur alles borniert nationale.« bundespräsident Chris-tian Wulff griff diesen Gedanken auf, indem er formulierte: »die Kul-tur ist es, die europa letztlich verbin-det« und »Weimar ist die Haupt-stadt des Geistes, was auch Liszt zu verdanken ist.«und was erwartet die Liszt-Verehrer, die Gäste der stadt Weimar heute?der besucher kann die gesamte, im Original erhaltene Wohnung des Komponisten im Liszt-Haus, ergänzt durch eine umfangreiche dauerausstellung im erdgeschoss, besichtigen.Man kann dann in nur wenigen Minuten zum Liszt-denkmal ge-hen und von hier aus lohnt sich ein spaziergang durch den historischen Park zur »Altenburg«. Auf dem rückweg bildet im rathaus das Gemälde »ein sonntagskonzert im Haus Liszts 1882 vor dem Großher-zog Carl Alexander und Großher-zogin sophie« von Prof. Hans W. schmidt den guten Abschluss eines Weimar-besuchs »auf den spuren von Franz Liszt.«

konradHütHer

musiksalonundarbeitszimmer

die altenburg, domizil von

franz liszt und der fürstin

carolyne von sayn-Witt-

genstein1848-1861

zeicHnung von friedricH

Prellerd.ä.

sPeisezimmer

Page 24: West-Ost-Journal 1_2012

24 aussiEdlEr

Tag der neuen Heimat in düsseldorf

StaatSSeKretärin KayKin:auSSieDLer Können StoLZ auF integrationSerFoLge Sein

der internationale Frauentag galt in den Ländern der ehemali-gen sowjetunion als Feiertag. um spätaussiedlern Anknüpfungs-punkte an diese Tradition zu ermöglichen und einheimischen einblick in die östliche Kultur und die Tradition zu vermitteln, findet im Gerhart-Hauptmann-Haus ein unterhaltsamer Abend mit Musik und Tanz statt. Kulinarische spezialitäten und Geträn-ke aus den Herkunftsländern der spätaussiedler bereichern die Veranstaltung.Musikalisch-künstlerische umrahmung: Chor »echo« eintritt frei. um Anmeldung wird gebeten unter 0211 - 1699118.

Kultur- und begegnungsabend zum internationalen Frauentag

in festlichem rahmen beging die für integration zuständige staatssek retärin und Vorsitzende des Landesbeirats für Vertriebenen-, Flücht lings- und spätaussiedlerfragen Zülfiye Kaykın, den sechsten »Tag der neuen Hei-mat« in düsseldorf. in ihrer begrü-ßungsrede hieß Zülfiye Kaykın die Aussiedlerinnen und Aussiedler vor allem aus den staaten der ehemaligen sowjetunion, die nach nordrhein-Westfalen gekommen sind, in ihrer neuen Heimat herzlich willkommen. »die integrationsleis tungen der rund 700.000 spätaussiedlerinnen und spät-aussiedler in nrW sind beachtlich«, sagte die staatsekretärin.staatssekretärin Kaykın hob die gute integration von Aussiedlerinnen und Aussiedlern in den Arbeitsmarkt her-vor: »unser integrationsmonito ring in nordrhein-Westfalen zeigt: Aussied-ler sind sogar häufiger er werbstätig als der durchschnitt der bevölkerung: bei den Aussiedlern sind es 71,6 Prozent, bei der bevölkerung insgesamt 67,7 Prozent.« Auch bei erwerbslosigkeit schneiden Aussiedler gut ab: 8,7 Pro-zent sind erwerbslos. das ist nur knapp über dem durchschnitt für nrW von 7,5 Prozent. staatssekretärin Kaykın führte dies auch auf die gute berufli-che Ausbildung der Aussiedler zurück. »55,1 Prozent der Aussiedlerinnen und Aussiedler haben eine abgeschlossene berufsausbildung. das ist unter den einwanderern ein spitzenwert«, sagte Kaykın.staatssekretärin Kaykın hob auch das ehrenamtliche engagement der Aus-siedler in vielen Vereine und Organisati-onen hervor. dabei hilft das Programm JuMPin.nrW. Hier erhalten junge Menschen mit Migrations hintergrund begleitend zu Ausbildung oder studi-um einen einblick in politische und gesellschaftliche strukturen. »Ziel des Programms ist es«, unterstreicht Frau staatssekretärin, »dass die jungen Menschen zu ei genverantwortlichem Handeln befähigt und zum aktiven Mitwirken in demokratischen struktu-ren motiviert werden.« sie überreichte zum heu tigen Auftakt des Projektes den 15 Teilnehmerinnen und Teilnehmern ihre Aufnahmeurkunden. das Projekt wird von der Otto benecke stif tung im Auftrag des Ministeriums für Arbeit, integration und soziales durchgeführt und steht unter der schirmherrschaft

der staatssekretärin.die Festrednerin des Abends, Mar-garete Ziegler-raschdorf, Landesbe-auftragte der Hessischen Landesre-gierung für Heimatvertriebene und spätaussiedler, lobte die integrations-leistungen der russlanddeutschen in Hessen. »die guten beziehungen des hessischen Landebeirats und dem Landesbeirat aus nrW möchten wir im kommenden Jahr weiter ausbauen. dabei denke ich an gemeinsame Ak-tivitäten, passend zum Anlass des 250. Jahrestages des Manifestes Katharina

der Großen, mit dem sie die deutschen nach russland einlud«.An der Festveranstaltung nahmen spät-aussiedlerinnen und spätaus siedler, Vertreter von Aussiedlerverbänden und -vereinen, ehrenamtli che Aussiedlerbe-treuer aus ganz nordrhein-Westfalen sowie Mitglieder des Landtags, Ver-treter der Landesregierung und die Mitglieder des Landesbeirats für Ver-triebenen-, Flüchtlings- und spätaus-siedlerfragen des Landes nordrhein-Westfalen teil.

internationaLer Frauentag

nacHdem»tagderneuenHeimat«deslandesnordrHein-Westfaleninderdüssel-

dorferstaatskanzleivonlinks:HerrJosefneumann,mdl,fraustaatssekretärin

zülfiyekaykin,fraulandesbeauftragtemargareteziegler-rascHdorf,Herrbodo

löttgen,mdlundHerrdr.lotHartHeodorlemPer,vorsitzenderderotto

beneckestiftunge.v.

do, 08.03. 18. 00 uhr

Page 25: West-Ost-Journal 1_2012

25 BiBliothEK

Forschungen zur geschichte der deutschen ostflüchtlinge und ostvertriebenen in westfalen und Lippe nach 1945 waren nach vielfältigen amtlichen und privaten veröffentlichungen der ersten nachkriegszeit in den vergangenen Jahrzehnten ein vielfach empfundenes Desiderat, auch gegenüber anderen regionen und Ländern in Deutschland. hier setzt das vorliegende buch an. es führt den untersuchungsraum, der anfangs in der britischen besatzungszone ein eigener verwaltungsraum war, 1946/47 aber mit dem bezirk nordrhein zum Land nordrhein-westfalen zusammen geschlossen wurde, wieder an den Stand der wissenschaftlichen Forschung in der Flüchtlings- und vertriebenenfrage an und verbindet diese zugleich mit dem bemühen um eine deutsch-polnische verständigung über das thema.in über 20 beiträgen werden zunächst grundaspekte von Flucht und vertreibung von der ausweisung aus der ostdeutschen heimat über den transport bis zur ankunft und aufnahme in den zugewiesenen aufnahmeorten behandelt und dabei insbesondere die Durchgangslager auf Landes- und Kreisebene bezeichnet. ein zweites Kapitel stellt angesichts des allgemeinen mangels und der unzulänglichkeit kommunaler und staatlicher Stellen in der ersten nachkriegszeit die arbeit und bedeutung der Kirchen und Freiwilligenverbände für die Lösung der vertriebenenprobleme dar. ein drittes Kapitel ist Fragen der sozialen integration, der wirksamkeit der Flüchtlingsbeiräte, der arbeits- und wohnfürsorge sowie der besonderen Situation von Frauen und Kin-dern gewidmet, ein viertes Kapitel aspekten einer kulturellen integration, bei der die übernahme von Patenschaften über ostdeutsche Städte, gemeinden und Kreise, die Pflege ostdeutschen Kulturguts und brauchtums, aber auch vertriebenenwallfahrten eine wesentliche rolle spielten und sich auch Kontakte zur alten heimat ergaben, die zur überwindung von gegensätzen und vielfach auch zu Partnerschaften zwischen Polen und Deutschland auf verschiedenen ebenen führten. in einem letzten Kapitel werden Flucht und vertreibung im ausstellungswesen und im kollektiven gedächtnis der betroffenen nationen sowie das recht auf heimat im internationalen Zusammen-hang untersucht und abschließend die eingliederung der vertriebenen am beispiel des heutigen Kreises warendorf vorgestellt.

Die veröffentlichung ihres ersten gedichtbandes »wer nicht das Dunkel kennt« vor hundert Jahren in riga machte die damals 19-jährige Dichterin gertrud von den brin-cken schlagartig über ihre baltische heimat hinaus bekannt. ihre fünfzehn gedicht-sammlungen und vierzehn romane, novellen und Schauspiele sind inzwischen seit Jahrzehnten vergriffen. Der verlag winfried Jenior nimmt den bevorstehenden hun-dertzwanzigsten geburtstag von gertrud von den brincken am 18. april 2012 zum anlass, mit einer vierbändigen gesamtauswahl ihrer Lyrik aus sieben Jahrzehnten an ihre Dichtung zu erinnern.

vertriebene in weStFaLen unD LiPPe

gertruD von Den brincKen – LyriK auS Sieben JahrZehnten

als im Jahr 2007 auf einem Dachboden in Kronstadt in truhen der bildnerische nach-lass der malerin margarete Depner gefunden wurde, glich die wiederentdeckung dieser meisterin der Porträtkunst einer kleinen Sensation. margarete Depner wurde 1885 als österreicherin geboren und starb 1970 als rumänische Staatsbürgerin. in budapest, münchen, berlin und Paris ausgebildet, wagte sie in und gegen die histo-rischen umbrüche den mutigen Schritt zum bildnerischen gestalten. im mittelpunkt ihres Schaffens als malerin, grafikerin und bildhauerin stand der mensch. als sen-sible chronistin entwickelte margarete Depner einen einzigartigen Stil, der ihr werk erfolgreich vor der vereinnahmung nationalsozialistischer oder kommunistischer ge-staltungsdoktrin bewahrte.

margarete DePner - meiSterin DeS PorträtS Der SiebenbürgiSchen KLaSSiSchen moDerne

fiscHer, lisa: Wiederentdeckt. marga-

rete dePner (1885-1970). meisterin des

Porträts der siebenbürgiscHen klas-

siscHenmoderne.Wien,böHlau,2011.

deutscHe ostflücHtlinge und ost-

vertriebene in Westfalen und liPPe

nacH 1945. beiträge zu iHrer ge-

scHicHte und zur deutscH-Polni-

scHenverständigung.Paulleidinger

(Hg.).münster,ascHendorff,2011.

brincken, gertrud von den: gedicHt-

ausWaHl in vier bänden. kassel, Jeni-

or,2011.

Page 26: West-Ost-Journal 1_2012

26 chronologiE

mi JeweiLS 18.00 biS 20.30 uhrProbe der Düsseldorfer chorgemeinschaft ostpreußen-westpreußen-SudetenlandLeitung: radostina hristova

mi 18.01., 08.02., 07.03. | JeweiLS 15 uhrostdeutsche Stickereimit helga Lehmann und christel Knackstädtraum 311

Do 12.01., 02.02., 22.03. | JeweiLS 19.30 uhroffenes Singenmit barbara Schochraum 312, 412

Do 12.01. | 10.00 uhrexkursion zur ausstellung „Die reichskanzler der weimarer re-publik – Zwölf Lebensläufe in bildern“ im Preußen-museum in wesel (Siehe S. 9)

Do 12.01. | 13.00 uhr»ein mobilitätsmuseum für Düs-seldorf«vortrag von Dr. Peter henkelKonferenzraum (Siehe S. 18)

Di 17.01. | 19.15 uhrausstellungseröffnung»Schloss Friedrichstein in ost-preußen und die grafen von Dönhoff««ausstellungsraum (Siehe S. 11)

Do 19.01. | 18.00 uhrKinemathek»Der Kongress tanzt«Konferenzraum (Siehe S. 12)

mi 25.01. | 19.00 uhr» Der größte Preuße? Zum 300. geburtstag von König Friedrich ii. (1712 – 1786)«vortrag von Prof. Dr. christopher clarkKonferenzraum (Siehe S. 3)

D0 26.01. | 19.15 uhr»Fanny Lewald (1811 – 1889). eine emanzipierte Schriftstellerin aus Königsberg «Literarischer abend mit roswitha Schieb und regina PresslerKonferenzraum (Siehe S. 5)

mi 08.02. | 19.15 uhr»erich Ludendorff, der Stratege

des ersten weltkrieges«vortrag von PD Dr. manfred nebelinKonferenzraum (Siehe S. 6)

Di 14.02. | 18.00 uhrKinemathek»Fridericus – Der alte Fritz«Konferenzraum (Siehe S.13)

mi 15.02 | 19.15 uhr»Der andere Preuße. otto braun (1872 – 1955)«vortrag von PD Dr. winfrid halder, Direktor des gerhart-hauptmann-hauses Konferenzraum (Siehe S. 7)

Fr 17.02. | 19.15 uhrausstellungseröffnung»Polnische geschichte und deutsch-polnische beziehun-gen«Konferenzraum (Siehe S.14)

mi 22.02. | 19.15 uhr»ein herrlicher Flecken erde«autorenlesung mit radka DenemarkováKonferenzraum (Siehe S. 10)

Di 28.02. | 19.15 uhr»Preußen: Schwarz-weiß, aber auch rot. Sozialdemokratie im osten «vortrag von Prof. Dr. helga grebingKonferenzraum (Siehe S. 9)

Do 08.03. | 18.00 uhrKultur- und begegnungsabend zum internationalen Frauentageichendorff-Saal (Siehe S. 24)

Di 13.03. | 18 uhrKinemathek»Der alte und der junge König«Konferenzraum (Siehe S. 13)

mo 26.03. | 18.00 uhrKolloquium»ein rheinischer chefredakteur schlesischer herkunft – Dr. Joachim Sobotta zum 80. geburtstag«eichendorff-Saal (Siehe S. 15)

Do 29.03. | 19.15 uhr »wenn ich nicht spräche, wäre ich nicht«Lesung mit Frank SchablewskiKonferenzraum (Siehe S. 16)

ii. quartal 2012

nächster Film über Friedrich ii.:

Di 10.04. | 18.00 uhr»Das Flötenkonzert von Sanssouci« (Deutschland 1930)

Page 27: West-Ost-Journal 1_2012

27

wir möchten Sie hiermit freundlichst bit-ten, ihren Jahresbeitrag für das west-ost-Journal von 6,50 euro auf das Konto der Stiftung – Stadtsparkasse Düsseldorf Kto.-nr. 36 005 007, bLZ 300 501 10 - zu überweisen.

Sie erhalten damit auch weiterhin die aktuelle Programmzeitschrift unseres hauses zum versandkostenpreis.

ihr team vomgerhart-hauptmann-haus

Herausgeber:

Stiftung »gerhart-hauptmann-haus.Deutsch-osteurpäisches Forum«

vorsitzenderdeskuratoriums:

reinhard grätz

vorsitzenderdesvorstandes:

helmut harbichbismarckstr. 9040210 Düsseldorf

PostanscHrift:

Postfach 10 48 6140039 Düseldorftelefon: (02 11) 16 99 10telefax: (02 11) 35 31 18mail: [email protected]:www.g-h-h.de

redaktion:

PD Dr. winfrid halder

cHefredakteur:

Dirk urland m.a.

satzundlayout:

markus Patzke

Herstellung:

waZ-DrucK gmbh & co. Kgvorm. carl Lange verlag,theodor-heuss-Straße 77,47167 Duisburg

servicezeitenderverWaltung

mo-Do 8 - 12.30 ª 13 - 17 uhrFr 8 - 14 uhr

servicezeitenderbibliotHek

mo-mi 10 - 12.30 i 13.30 - 17 uhrDo 10 - 12.30 i 13.30 - 18.30 uhr

öffnungszeitenderausstellungen

mo - Fr 8 - 17 uhrSa auf anfrageSonn- und feiertags geschlossen

viele weitere informationen über das gerhart-hauptmann-haus und zu den im heft behandelten themen finden Sie -rund um die uhr - auch im internet unter:

www.g-h-h.de.

weSt-oSt-JournaLDas »west-ost-Journal« er-scheint vierteljährlich. abo-be-zugsmöglichkeit durch die ne-benstehende bestellkarte zum Jahresbezugspreis (versandkos-tenpreis) von 6,50 euro

also-scHonentscHlossen?

dann:bestellkarteausfüllen

undnocHHeuteeinsenden

anzeigenannahme:»gerhart-hauptmann-haus«

abSenDer:

StiFtung

gerhart-hauPtmann-hauS

DeutSch-oSteuroPäiScheS Forum

Postfach 10 48 6140039 Düsseldorf

bitte

ausreichend

Frankieren

Sehr geehrte abonnomenten,

inFo imPreSSum

1 KAPITEL/ RUBRIK

THEMA

TITEL

WO

J 1

6. J

g. -

4/2

01

1 O

ktO

be

r/N

Ov

em

be

r/D

ez

em

be

r 2

01

1 IS

SN

09

47

-52

73

Es steht außer Frage, dass der berühmte Arzt, Mathematiker und Astronom Ni-kolaus Kopernikus (1473-1543) unser heutiges Weltbild stark beeinflusst hat. Er hat in seiner Schrift »De revolutioni-bus orbium coelestium« (1543 unmit-telbar vor seinem Tod veröffentlicht) als erster Gelehrter mit nachhaltiger Wirkung Sonne, Erde und Sterne ge-wissermaßen ...

SeIte 04

05 VoRTRAg

»Wir erfinden nicht, was schon da ist – wir übersehen es nur nicht.« Mit diesem Grundgedanken starteten wir 2001 die Künstlerwerkstatt im Gerhart-Hauptmann-Haus in der Düsseldor-fer Bismarckstraße. Es war nicht eine Gründungsaktion, die sich damit ver-bunden hätte, vielmehr ging es darum, eine bereits vorhandene Gemeinschaft ostdeutscher oder mit dem europäi-schen Osten und Südosten verbunde-ner Künstler beizubehalten.

SeIte 13

13 KünsTLERwERKsTATT

Ein außergewöhnlicher Ort – so scheint es – für die Präsentation der an unserer Stiftung erarbeiteten Wan-derausstellung »Eduard von Simson – Schlüsselfigur des deutschen Parlamen-tarismus« ist derzeit Stauchitz.

SeIte 14

14 schULPRojEKT

Die Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus mit runderneuerter Aussendarstellung

wEsT-osT-joURnAL 4 2011 OkTObEr NOvEMbErDEzEMbEr

Page 28: West-Ost-Journal 1_2012

titeLbLatt

mit dem »Flötenkonzert Fried-richs des großen in Sanssouci«, einem ölgemälde, das adolph von menzel zwischen 1850 und 1852 schuf, starten wir in das Friedrich-Jahr 2012. Das origi-nalbild befindet sich in der alten nationalgalerie in berlin. adolph Friedrich erdmann von menzel, geadelt 1898, wurde am 8. Dezember 1815 in breslau geboren. er gilt als der bedeu-tendste deutsche realist des 19. Jahrhunderts. Sein werk ist au-ßerordentlich vielfältig; bekannt und zu Lebzeiten hoch geehrt wurde er vor allem durch seine historisierenden Darstellungen aus dem Leben Friedrichs des großen.

beSteLLScheinich abonniere das »west-ost-Journal« zum Preis von 6,50 jährlich. (4 ausgaben inkl. Porto und versand). Kündigungsfrist: 3 monate vor Jahresende.

ich überweise den Jahresbeitrag auf ihr Konto bei StadtsparkasseDüsseldorf (bLZ 300 501 10) Konto-nr. 36 005 007

vorname nachname

Straße nummer

PLZ wohnort

Datum und unterschrift

abSenDerStiftung »gerhart-hauptmann-haus«Postfach 10 48 61, 40039 Düsseldorf

Postvertriebsstück, entgelt bezahltg 9353 F

Stiftung »gerhart-hauptmann-haus«, Postfach 10 48 61, 40039 Düsseldorf, Postvertriebsstück, entgelt bezahlt, g 9353 F

texte und musik von ostdeut-

scHen dicHtern und komPonis-

ten standen im mittelPunkt eines

vorWeiHnacHtlicHen Programms

im gerHart-HauPtmann-Haus. das

malinconia-ensemble lud zu ei-

ner musikaliscHen reise durcH

fünf JaHrHunderte von den böH-

miscHen ländern über scHlesien

und ostPreussen zu den balti-

scHenlandenein.einfüHlsamrezi-

tiertedr.HaJobucHu.a.textevon

Werner bergengruen, JocHen

klePPerundangelussilesius.