vorwärts Juni 2012

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vorwärts DIE ZEITUNG DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATIE n GEGRÜNDET 1876 Juni 2012 VORWÄRTS.DE: WEITERLESEN IM INTERNET! 4 1 9 7 4 0 7 5 0 2 5 0 6 0 6 € 2.50 – A 07665 SPORT MACHT POLITIK EINE BEZIEHUNG BESONDERER ART NACH DEN WAHLSIEGEN IM MAI DIE SPD-KAMPAGNE 2013 BEGINNT SÖREN LINK NEUE HOFFNUNG FÜR DUISBURG ILLUSTRATION: DOROTHEE MAHNKOPF

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Die Zeitung der deutschen Sozialdemokratie. Gegründet 1876. Titel: Sport Macht Politik: Eine Beziehung besonderer Art. Nach den Wahlsiegen im Mai: Die SPD-Kampagne 2013 beginnt. Sören Link: Neue Hoffnung für Duisburg

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06/2012 vorwärts Inhalt 3

tItel

sport macht politik

4 kloppoismus! – Über Stärke und Zusammenhalt

5 offen reden – Die EM und die Ukraine

6 lasst uns turnen – Geschichte des Arbeitersports

7 wem tore nutzen – Interview mit Daniel Koerfer

8 stark im team – Über Integration und Inklusion

9 im Visier – Interview mit Gerald Asamoah

Kolumnen

10 global gedacht – Rafael Seligmann

11 berliner tagebuch – Uwe Knüpfer

18 zwischenruf – Ulla Burchardt

27 das allerletzte – Martin Kaysh

der oV leonberg zeichnet Jugendliche aus Seite 14

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marne levine ist die Vize-präsidentin von facebook. als einzigem medium in deutschland gab sie dem „vorwärts“ ein interview. zu lesen auf seite 22 und als langfassung in der vorwärts-app.

aus der redaKtIon

themen in diesem heft

parteI leben!

13 ideen Von unten – Der Juso-Bundeskongress

14 eine ausgezeichnete idee Porträt des Ortsvereins Leonberg

15 porträt Sören Link: Klar entschieden

16 arbeitsgemeinschaften in der spd Die ASF: Der Partei immer ein Stück weit voraus

WIrtschaft

20 selbstständig – Im Gemeinschaftsbüro

21 gut gemacht – Krankenpflege und

Elternzeit

Kultur

22 1500 freunde? – Interview mit Marne Levine

22 sportler im sucher – Die neue Fotoausstellung im Willy-Brandt-Haus

23 galerie – Arno Auer

24 rezensionen – Ein Leben: Der Fotoband über Helmut und Hannelore Schmidt

hIstorIe

25 Vor 120 Jahren – Die bayerische SPD entsteht

26 wer war’s? – Lothar Pollähne

10 news

17 parlament

18 leserbriefe

23 impressum

26 rätselseite

27 seitwärts

Redaktionsschluss 29. Mai 2012

ein leben: der neue fotoband über die schmidts Seite 24

gerald asamoah über rassismus im fußball Seite 9

liebe leserin,lieber leser!

erinnern sie sich an cesar luis menotti? hager, stets elegant gekleidet, führte menotti die argentinische fußball-nationalmannschaft 1978 zum sieg im eigenen, von militärs unterdrückten land. und: er verweigerte diktator Videla demonstrativ den händedruck.

dass seine „linke“ mannschaft Welt-meister wurde, nannte menotti mehr-deutig einen sieg über die „diktatur der taktik und den terror der systeme“.menotti bewies haltung. seine Geste machte unterdrückten mut. argen-tinien entwand sich schließlich dem Würgegriff der Generäle.

sport sei unpolitisch, darauf bestehen sportfunktionäre gern – im Interesse glänzender Geschäfte mit potentaten jeder couleur. menotti wusste es besser. aber kann sport, kann fußball, „links“ sein? falsch gefragt. Was kann er anderes sein als links? Jedenfalls dann, wenn links bedeutet, für fair-ness, für Gerechtigkeit, für Gleichheit der chancen, für emanzipation durch anstrengung einzutreten?

Wer sport treibt, unterwirft sich regeln. regeln, die für alle gelten. sportsgeist verträgt sich nicht mit privilegien. es war kein Zufall, dass sozial- und andere demokraten sich im 19. Jahrhundert nicht nur zum lernen und zum diskutieren trafen, sondern auch zum turnen. sie übten sich in aufrechter haltung.

mehr haltung und mehr sportsgeist täten der politik gut. dann würden fouls geahndet und blender schon nach den ersten schritten entlarvt. Verant-wortung würde nicht wegdelegiert. und die gegenwärtige cheftrainerin der bundesrepublik deutschland bliebe nicht um jeden preis an der macht. n

mit herzlichen Grüßen,

uwe KnüpferChefredakteur

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4 TiTel vorwärts 06/2012

Mehr kloppoisMus braucht das landsport und politik In Dortmund wie in Paris siegte die Idee von Stärke durch Zusammenhalt

Jubel in dortmund: die stadt feiert die Meisterschaft und den pokalsieg der borussia. Fans sitzen auf einem Wahl-plakat der nrW-Wahlsiege-rin hannelore kraft.

P aris und Dortmund: zwei Städte der Freude. Hunderttausende fei-erten auf den Straßen, schwenk-

ten Fahnen, sangen lieder. Francois Hol-lande hatte Nicolas Sarkozy geschlagen, Borussia Dortmund hatte die Vorherr-schaft von Bayern München gebrochen. Die Bilder glichen sich sehr. Zufall?

Was im Sport Fans und Athleten, das sind in der Politik Wähler und Gewählte. in beiden Sphären gibt es Vereine/Par-teien, finden Wahlen statt, geht es um Auf- und Abstieg, um Sieg und Niederla-ge, nicht zuletzt: um Treue, um loyalität.

Die Parallelen sind verführerisch. Und die Medien? Sie haben sich verführen las-sen. Nicht nur die bildbetonten Medien suchen in der Politik die gleichen Abläufe wie im Sport, verwenden dieselben Flos-keln. Wenn ein Redner einem Gegner ein willkommenes Stichwort liefert, hören wir: elfmetervorlage. Manövriert sich je-mand selber aus, hat er sich verdribbelt. Wird es einsam um ihn, steht er bald wie Norbert Röttgen im Abseits.

Doch dabei bleibt es nicht. längst kon-zentriert sich Politikberichterstattung auf die Frage, ob A sich gehen B durchset-zen kann. Stars werden hoch- und herun-tergeschrieben. Dabei zählt nicht, ob sie politische ideale haben, sondern wie sie wirken und wie sie aussehen.

Das mag in der Sportberichterstat-tung sinnvoll sein. Doch in demokrati-scher Politik sind Siege rar, Kompromis-se die Regel. Hier hat kein Spiel nur 90 Minuten, selten sind Anfang und ende klar definiert. Hier werden keine Hel-den gebraucht, sondern Handwerker mit Überzeugungskraft und Geduld.

Wer von der Politik fortwährend Tri-umphe erwartet und Vertagungen erlebt, ist enttäuscht. Forderungen werden laut, die demokratische Politik verhöhnen: nach starker Führung, nach „Machern“ und weniger „Geschwätz“. Zugespitzt: Sportlich gefärbte Politikberichterstat-tung untergräbt die Demokratie.

Gäbe es umgekehrt eine politisch geschulte Sportberichterstattung, ließe sich vom Sport einiges lernen: über integ-ration, inklusion und emanzipation zum Beispiel. Und über den Wert von Heimat und loyalität.

Die Spieler des BVB haben nach ihrem Pokalsieg, so wird berichtet, in der Kabi-ne Vereinslieder gesungen. Profis, hieß es bis neulich, tun so etwas nicht. Sie fol-gen dem Ruf des Geldes, eilen wie legio-näre von Verein zu Verein. Doch Jürgen Klopp, der Dortmunder Trainer, hat aus Profis „elf Freunde“ geformt.

Auf Dortmunds Straßen wurde, ganz ähnlich wie in Paris, neben Toren und Schützen der Triumph einer idee gefei-ert: der idee von Stärke durch Gemein-schaft und Zusammenhalt.

Mehr Kloppoismus braucht das land! n UK

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Jubel in paris: anhänger der sozialisten jubeln über den sieg Francois hollandes bei den präsidentschaftswahlen.

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06/2012 vorwärts TiTel 5

Nackter Protest gegen Janukowitsch: Eine Frauenrechtlerin von „Femen“ demonstriert in Kiew bei der Vorstellung des EM-Pokals.

R inat Achmetow gehört zu den Menschen, die durch die Fußball-eM in der Ukraine immer reicher

werden. Seit 2010 hat sich sein Vermögen fast verdreifacht. Das US-Wirtschaftsma-gazin „Forbes“ schätzt es auf 16 Milliar-den Dollar. Wie kam es zu dieser Geldver-mehrung?

2010 wurde Wiktor Janukowitsch Präsident – ein enger Vertrauter von Rinat Achmetow. Seitdem wird die ukrainische infrastruktur für die eM massiv ausgebaut. Von Oligarchen wie Achmetow. Sie bauen Straßen, Stadien und Flughäfen. Aus der Staatskasse – und das zu völlig überzogenen Preisen.

etwa das eM-Stadion in lemberg, wo die deutsche elf startet. Dessen Preis liegt mit 220 Millionen euro beim Dreifachen eines vergleichbaren Stadions in Westeu-ropa. Das Stadion in Kiew wurde mit 600 Millionen euro zu einem der teuersten Stadien der Welt. Gleichzeitig wurden die Sozialausgaben gekürzt. Die Regie-rung setzt um, was den Oligarchen nutzt. Der Staat ist die Privatangelegenheit der Mächtigen, so auch die kommende Fuß-ball-eM.

Dabei war die „Orange Revolution“ im Winter 2004/2005 der Versuch, die Olig-archie abzuschaffen. Nie wieder war die Ukraine näher an die europäische Union und ihre demokratischen Werte heran-

gerückt als in diesen Tagen. Heute weist der Korruptionsindex von „Transparency international“ die Ukraine als korruptes-ten Staat in europa aus. „Die Korrupti-on ist das Schlimmste! Wo Korruption herrscht, hat Demokratie keine Chance“, sagt ein junger Soziologe aus Kiew, der die einstellungen seiner landsleute er-forscht. er möchte ungenannt bleiben. Aus Angst.

Dass die inhaftierte Julia Timoschen-ko im Westen als Symbol von Freiheit und Demokratie verstanden wird, ist vor allem mit ihrer medialen Wirkung zu erklären. Denn die einstige Ministerprä-sidentin und Oligarchin hatte es selbst versäumt, in ihrer Regierungszeit die uk-rainischen Verhältnisse zu ändern. Der Fall Timoschenko, die Haftbedingungen, unter denen sie lebt, und die gelenkte Jus-tiz, die über sie urteilt, ist in den Augen vieler Ukrainer kein tauglicher Grund für einen möglichen Boykott des Turniers. Schließlich ist Timoschenko in der Be-völkerung inzwischen selbst umstritten. Viele Ukrainer würden es nicht verste-hen, wenn westliche Politiker der eM ih-retwegen fernblieben.

Diese Haltung teilen auch dieje-nigen, die in Opposition zu Präsident Janukowitsch stehen, der den Prozess gegen Timoschenko initiiert hat. etwa der Box-Weltmeister und Chef der Oppo-

sitionspartei UDAR (Partei demokratische ukrainische Allianz), Witali Klitschko. Zwar fordert auch er ihre Freilassung. Aber einen politischen Boykott des Tur-niers lehnt Klitschko ab: „Solche Reaktio-nen würden vor allem das Volk treffen“, sagte er jüngst in einem interview.

UDAR setzt sich für eine soziale Marktwirtschaft ein, für Menschen-rechte und für eine Mitgliedschaft in der eU. Mehrheitsfähig sind diese Ziele in der Ukraine längst nicht. Aber Klitschko hofft, dass auswärtige Politiker das Tur-nier nutzen, um hier mit den Verantwort-lichen über die ukrainischen Zustände zu reden: über die lage der Menschenrechte und über die Korruption. Vor allem hofft er deshalb auch auf einen Besuch der deutschen Kanzlerin, auch wenn sie sich nicht neben ukrainische Regierungsver-treter auf die Tribüne eines Stadions setzt.

Schon vor dem Turnier hatte die Be-richterstattung ausländischer Journalis-ten über die Verhältnisse in der Ukraine eine Diskussion in den ukrainischen Me-dien angestoßen. Die Regierung Januk-owitsch kann diese Debatte nicht ersti-cken. Sie versucht, die politische Kritik von außen als einmischung in innere An-gelegenheiten zurückzuweisen. Präsident Janukowitsch selbst sprach in diesem Zu-sammenhang schon von „Methoden des kalten Krieges“.

innerhalb der Ukraine wird die Diskus-sion über die Korruption bislang vor allem von intellektuellen geführt, aber auch im editorial des wichtigsten Fußballmaga-zins „Futbol“. es gehört selbst einem Oli-garchen. Deshalb kann Chefredakteur Artem Frankow seine Kritik nicht direkt äußern. er schreibt also nicht: Tut doch endlich etwas gegen die Korruption un-serer Zöllner, Grenzer und Verkehrspoli-zisten. Sondern er schreibt es so: „Neulich habe ich mich mit befreundeten Journa-listen aus Deutschland getroffen. Sie ha-ben mir einige interessante Dinge erzählt. Zum Beispiel, dass sie sieben Stunden lang bei der einreise an der Grenze aufgehalten wurden. Sie hatten das Gefühl, dass eine Bargeldzahlung ihr Problem hätte lösen können, aber aus Prinzip haben sie es nicht getan. ihr Vorhaben, die Ukraine auf ihre Fähigkeit zur Ausrichtung der eURO 2012 hin zu überprüfen, wurde damit plötzlich sehr real.“

Vor diesem Hintergrund ist die Hoff-nung der 34 Prozent der Ukrainer zu se-hen, die sich laut einer repräsentativen Studie von der eM eine Modernisierung versprechen, eine Verbesserung der eige-nen lebensumstände. „Denn eigentlich haben die leute hier andere Sorgen als ein Fußballturnier, den meisten geht es schlicht ums Brot“, sagt Chefredakteur Artem Frankow. n

FuSSball gucKEN uNd oFFEN rEdEN!uKraiNE Im EM-Gastgeberland stützt der Fußball die Herrschaft der Oligarchen. Wenn aber auswärtige Politiker, Journalisten und Fans dort über diese Zustände reden, hilft es denen, die das selbst nicht dürfenVon Olaf Sundermeyer

Kriminelle Machenschaf-ten hat der Sportjournalist Thomas Kistner beim Fußballverband FiFa aus-gemacht. in seinem buch fasst er die Ergebnisse seiner jahrelangen recherchen zusammen. Thomas KistnerFIFa-MaFIa. DIe schMut-zIgen geschäFte MIt DeM WeltFussball. Droemer Verlag, München 2012, 426 Seiten, 19,99 Euro ISBN 978-3-426-27586-3

Es geht um drei unge-wöhnliche brüder aus berlin: Jérôme ist deutscher Fußball-Nationalspieler. Kevin spielt für ghana. und george ist nach der Schule auf die schiefe bahn geraten. Michael HoreniDIe brüDer boateng. DreI Deutsche KarrIe-ren. Klett-Cotta, Stuttgart 2012, 272 Seiten, 18,95 Euro ISBN 978-3-608-50308-1

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Olaf Sundermeyer ist freier Journalist. Seine Spezialthemen sind Osteuropa und Sportpolitik.

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6 TiTel vorwärts 06/2012

F ür die deutsche Arbeiterbewe-gung spielte der Sport schon früh eine wichtige Rolle.

Als Reichskanzler Otto von Bismarck 1878 das Sozialistengesetz durchsetzte, wurden den Sozialdemokraten alle Par-teiorganisationen verboten. Sie wurden verfolgt und geächtet. Doch sie hielten zusammen und organisierten sich im Privaten. So entstand ein zunächst ver-decktes, sozialdemokratisches Vereins-milieu, das noch weiter aufblühte, als das Sozialistengesetz 1890 aufgehoben wurde. Sportclubs spielten dabei eine wichtige Rolle. Sie halfen den Sozialde-mokraten, sich ihre eigene lebenswelt zu schaffen, streng abgeschottet von allem Bürgerlichen. Das machte die Kai-serzeit für sie erträglich – und die Sozi-aldemokratie stärker.

1893 schlossen sich 42 Arbeitersport-vereine zum „freien Arbeiter-Turner-bund Deutschland“ (ATB) zusammen. Auch das hatte einen politischen Hin-tergrund: Die Deutsche Turnerschaft, der Dachverband der bürgerlichen Turn-vereine, war zunehmend nach rechts gerückt. Abgesehen davon konnten Ar-beiter den bürgerlichen Vereinen oft gar nicht beitreten, weil es ihnen untersagt war – oder schlicht zu teuer.

Der Wettbewerbsgedanke spielte in den Arbeitersportvereinen übrigens lange Zeit kaum eine Rolle. im Vor-dergrund sollten Zusammenhalt und körperliche ertüchtigung stehen. Die Sportler in Sieger und Verlierer aufzu-teilen, widersprach der ideologie der Arbeiterbewegung und galt als kapita-

listisch. Doch als Sportarten wie Fuß-ball und leichtathletik immer populä-rer wurden, musste der ATB reagieren. 1919 erkannte er den Fußball als voll-berechtigte Sportart an und nannte sich in „Arbeiter-Turn- und Sportbund“ (ATSB) um.

»Krieg mit sportlichen Mitteln«Nationalgefühle blieben im Arbeiter-sport allerdings verpönt. Als im Juli 1925 Sportler aus zwölf ländern in Frankfurt am Main zu einer spektakulären Arbei-ter-Olympiade zusammenkamen, wa-ren weder Nationaltrikots noch -fahnen zu sehen. Die Spiele waren zugleich eine politische Demonstration: Gegen natio-nale Großmannssucht und für eine an-dere Gesellschaftsordnung. Den bürger-lichen Olympioniken dagegen warfen die Arbeiter vor, „Krieg mit sportlichen Mitteln“ zu führen.

in dieser Zeit verstanden sich die meisten Arbeitersportvereine als poli-tische Bildungs- und erziehungsanstal-ten. Viele von ihnen unterhielten sogar eigene Bibliotheken mit sozialistischer literatur. Da überrascht es nicht, dass sie den Nationalsozialisten ein Dorn im Auge waren. Die Nazis zerschlugen den ATSB 1933, kaum dass sie an die Macht gekommen waren – und setzten der Ar-beitersportbewegung ein ende. Denn nach 1945 verzichteten die Sozialdemo-kraten auf eine Neugründung des ATSB. Bürgerliche und sozialdemokratische Sportler kamen nun unter dem Dach des 1950 gegründeten Deutschen Sportbun-des (DSB) zusammen. n

A ls Fußballer hat Manfred Schaub es bis in die Oberliga gebracht. Seit 2005 ist er Bürger-

meister von Baunatal in Hessen und leitet als sportpolitischer Sprecher das Forum Sport der SPD. Darin arbeiten Sportpo-litiker, interessierte Genossen, Aktive und Sportfunktionäre zusammen. Sport ist, so Schaub, einer der wichtigsten Or-te gesellschaftlichen Zusammenhalts, fördert integration und identitätsbil-dung. Für ihn steht fest: „Sportförderung gehört ins Grundgesetz“.

Welche internationale Bedeutung Sportpolitik bekommen kann, zeigt das Thema Menschenrechte. Dagmar Freitag, seit 2009 Sportausschussvor-sitzende, erzählt von einem Antrag, in dem SPD und Bündnis 90/Die Grünen fordern, wegen der Menschenrechtsver-letzungen die eishockey-WM 2014 nicht in Weissrussland auszutragen. Union und FDP haben ihn abgelehnt.

Anti-Doping-Gesetze Auch im Kampf gegen Doping muss die Politik helfen – mit härteren Gesetzen. Martin Gerster, seit 2009 sportpoliti-scher Sprecher der SPD-Bundestags-fraktion, kritisiert, der Besitz von Do-pingmitteln könne nur strafrechtlich verfolgt werden, wenn es sich um „nicht geringe Mengen“ handele. Das erschwe-re die Strafverfolgung und lade zu Miss-brauch ein. Der Passus müsse gestrichen werden.

Schützenhilfe kommt aus Baden-Württemberg. Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) hat in seinem Bun-desland eine Schwerpunktstaatsanwalt-schaft zur Dopingbekämpfung gegrün-det. er plant eine Bundesratsinitiative, um die rechtlichen Grundlagen der Do-pingbekämpfung zu verbessern. n

Am Ball: Martin Gerster im FC Bundestag

Nicht der Sieg, der Zusammenhalt ist wichtig: Arbeiter-Turn-Verein Hannover-List um 1922

LASST uNS TurNeNArBeiTerSporT Sozialdemokratie und Sport gehörten lange Zeit fest zusammen. Ein Rückblick Von Carl-Friedrich Höck

SporT uNd poLiTik die AkTiVeN Wer auf Seiten der SPD kämpft Von Susanne Dohrn

Porträts von Manfred Schaub, Dagmar Freitag und Martin Gerster sowie ein Interview mit Rainer Stickel-berger lesen Sie in unserer App und auf vorwärts.de

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Zahl der ehrenamtlich Tätigen in Ämtern und Funk-tionen der Sportvereine:

1,85 Mio.

Jährliche Ausgaben der Bundesbürger für Sport:

103 Mrd. Das sind 6 bis 7 Prozent des Gesamtkonsums in Deutsch-land.

QuEllEn: Bmi, GESEllSchAFt FüR konSumFoRSchunG 2010, JohAnnES GutEnBERG-univERSität mAinZ 2012, DoSB-SPoRtEntWicklunGSBERicht 2009/2010

Turn- und Sportvereine in Deutschland:

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27%

Anteil der Deutschen, die einmal pro Woche Fußball spielen:

2%

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06/2012 vorwärts TiTel 7

ANZeiGe

Wem Tore nuTzen VereinnahmT Wertfrei war Sport nie, sagt der Historiker Daniel Koerfer Interview Yvonne Holl

Professor Daniel Koerfer, historiker und Buchautor, lehrt als honorarprofessor Geschichte an der Freien universität Berlin

Herr Koerfer, die bevorstehende Fußball-EM in der Ukraine lenkt den Blick darauf, wie verwoben Sport und Politik sind. Ist das Phänomen neu?Nein, diese Vermischung ist der Aus-gangspunkt des modernen Sports.Wie das?es fängt mit Turnvater Jahn an. er grün-det die berühmte deutsche Turnerbe-wegung, um sein Volk körperlich fit zu machen für Schlachten gegen Napoleon.Später kam er in Haft, weil er Schriften reaktionärer Monarchisten verbrannte. Zeitgleich mit seiner Rehabilitierung 1840 wurde Sport auch ein Schulfach.Da hat sich Sport in die Politik einge-mischt, wurde von der Politik gemaß-regelt und am Schluss wieder in die Ge-sellschaft hineingeholt.es gibt keinen wertfreien Sport seither. Im Nationalsozialismus wurde die In-strumentalisierung von Sport auf die Spitze getrieben. Die Olympischen Spiele von 1936 waren die erfolgreichste Propagandaveran-staltung des Dritten Reichs, weil sie der Welt ein Bild Deutschlands als weltläu-figer, moderner Staat präsentierten. Für Olympia wurde die Judenverfolgung ausgeblendet, eine Tarnwelt aufgebaut, die signalisieren sollte: Deutschland ist nicht bedrohlich, nicht expansiv. Den Versuch, für die Weltöffentlich-keit ein schöneres Bild als das reale zu zeichnen, haben andere Staaten später auch unternommen.Mit unterschiedlichem ergebnis: Neh-men Sie die Olympischen Spiele 1980 in Moskau und 2008 in Peking. in Russland gab es einen Boykott durch westliche länder, in China nicht. Beide Male hat-ten die Propaganda-Apparate versucht, einen Boykott zu verhindern. Warum ist das in China gelungen?Die Olympischen Spiele in Moskau wa-ren nur ein Jahr nach dem einmarsch sowjetischer Truppen in Afghanistan. Das Massaker auf dem Platz des Himm-lischen Friedens in Peking hingegen lag 2008 schon rund 20 Jahre zurück. Das kollektive Gedächtnis spielt eine Rolle dabei, ob Ablenkung funktioniert.Wo verläuft bei Sportveranstaltungen die Grenze zur Propaganda?Propaganda ist immer dabei. egal ob es einen Wettbewerb der staatlichen Sys-teme gibt oder nur ein land, das in der

Welt einen guten eindruck machen will.in der DDR hieß es: ein Sieg im Fußball oder ein gewonnener Wettlauf ist mehr wert als ein Jahr Planerfüllung in der Traktorenproduktion.

Sportfunktionäre argumentieren, sie könnten politische Beeinflussung abwehren. Das ist eine Milchmädchenrechnung. es werden immer Bilder in die Welt trans-portiert, heute medial zigfach verstärkt. Grundsätzlich wird Sport immer be-nutzt, von jeder Seite.Wenn die deutsche Kanzlerin im Stadion sitzt, ist das politisch oder einfach eine Frau, die Fußball guckt?Natürlich ist das immer politisch, ebenso wenn Sigmar Gabriel drei Reihen weiter sitzt. n

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8 TiTel vorwärts 06/2012

Sport ohne FinanzBarriere

Sport verbindet, hält gesund und stärkt das Selbstbe-wusstsein. Darüber sind sich die Experten einig. Doch was, wenn der Geldbeutel der Eltern keine Vereinsmitglied-schaft erlaubt? Sportklei-dung ist teuer. Von Trainings-camps ganz zu schweigen. Hier helfen Stiftungen wie die Kindersportstiftung Berlin-Brandenburg. Unter der Schirmherrschaft von Ralf Wieland (SPD), Präsident des Berliner Abgeordne-tenhauses, unterstützt der Förderverein sozial schwache Familien in Form von Paten-schaften. Über das Programm „Active Kids“ der Kinder-sportstiftung können die Kinder zudem verschiedene Sportarten gratis ausprobie-ren. So wird den Kindern der Einstieg in den Vereinssport erleichtert. n MS

kindersportstiftung-bb.de

I mmer wieder wirft er seinen Partner auf den Boden. Arm greifen, sich vor den anderen drehen und ihn über die

Schulter hieven – Wumms. Ralf Brandt ist 27 Jahre alt und Judoka. Und er ist geistig behindert. Zusammen mit Jan Gabriel übt er an diesem Freitagabend Wurftech-niken. Seit 2008 trainiert Ralf im „Judo Club Wiesbaden 1922“, zunächst in der Behindertengruppe, dann in der Breiten-

sportgruppe für erwachsene, in der auch Jan trainiert. Ralf war der erste Judoka aus der Behindertengruppe, der sich den Wechsel zutraute. inzwischen, zwei Jahre später, ist es ganz normal, dass hier Judoka mit und ohne Handicap zusammen trai-nieren. „Natürlich muss man auf den ein oder anderen mehr Rücksicht nehmen. Aber mit den älteren Judoka kann man ja auch nicht alles machen“, erzählt Jan.

Zu den Trainingsteilnehmern mit Han-dicap zählt auch Normann Niewiesk. er ist epileptiker. Obwohl seit Jahren an-fallsfrei, darf er keine Würge- und Hebel-griffe ausführen. Die Gefahr ernsthafter Verletzungen ist zu groß, sollte während einer Übung ein Anfall auftreten. Vom Training profitiert er trotzdem: „ich bin viel sicherer geworden“, berichtet Nor-mann. „Wenn ich jetzt angepöbelt wer-de, dann traue ich mich auch mal, einen Spruch zu machen.“

Seit 2006 trainiert er in der Behinder-tengruppe. Den Schritt in die Breiten-sportgruppe hat Normann erst vor ein paar Wochen gewagt. Denn die Anfor-derungen sind hier höher, der Unterricht ernster. Aber Normann will weiterkom-men: „Man lernt ja nie aus“, lacht er. Die Umstellung fiel dem 36-Jährigen am ende leichter als angenommen. „Die an-deren nehmen viel Rücksicht. Und wenn es doch mal zu heftig wird, gibt man ein Signal“, sagt Normann.

„Judo eignet sich bestens für Men-schen mit Handicap, weil hier Körper und Geist gemeinsam geschult wer-den“, ist lothar Herborn überzeugt. Der Prä sident des Judo-Clubs ist gleichzei-tig auch Wiesbadens Behindertensport-beauftragter. er weiß: „Judo stärkt die Selbstwahrnehmung, die Selbstbehaup-tung und den partnerschaftlichen Um-gang miteinander.“

Selbstbewusster ist Ralf seit er trai-niert allemal. Die Prüfung für den blau-en Gürtel hat er nach der regulären Prüfungsordnung abgelegt, obwohl es für Behinderte auch eine spezielle gibt. Darauf ist er besonders stolz. Sein nächs-tes Ziel: Die erste eigene Wohnung. Und irgendwann ein Führerschein. n

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Interview: Die blinde Ex-Skiläuferin Verena Bentele kämpft für die SPD

Bildergalerie: Boy-kotte und Protest-aktionen im Sport

Ausstellung: Sport-fotografie im Willy-Brandt-Haus

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trainingspartner normann niewiesk, ralf Brandt und die Brüder Jan und und nils Gabriel (v.l.)

GeStärkt iM teaM BehindertenSport Im Wiesbadener Judo-Club kann jeder mittrainieren, egal ob mit oder ohne Handicap Von Marisa Strobel

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erMädchen an den BallMultikulti Bei türkiyemspor Berlin kicken alle mit

lara Wagner: „es geht nicht um herkunft.“

W ir sind ein ganz besonderer Verein“, sagt lara Wagner. „Weil wir so viele Nationa-

litäten haben und weil die Stimmung im Team immer gut ist.“ ihr Stammbaum ist typisch für die Vereinsmitglieder von „Türkiyemspor Berlin“: Die Mutter Deut-sche, der Vater türkischer Abstammung, der Großvater aus Aserbaidschan.

Seit sechs Jahren trainiert die 16-Jäh-rige in dem Berliner Fußballverein mit dem türkischen Namen Türkiyem, zu Deutsch „Meine Türkei“. Während laras eltern das Hobby ihrer Tochter immer unterstützt haben, muss Trainer Nico Borsetzky sonst viel Überzeugungsar-beit leisten. Über die vielen Vorurteile ärgert er sich. Fußball mache hässlich, dicke Beine und sei nichts für Mädchen, davon seien vor allem eltern mit Mig-rationshintergrund überzeugt, erzählt er. Deutschen dagegen müsse er meist erklären, dass Türkiyemspor eben kein türkischer Verein ist und beim Training

natürlich deutsch gesprochen wird. Seit Jahren ist der Fußballverein vor allem in der Jugendarbeit aktiv, holt Kinder von Bolzplätzen in den Sportverein und bietet in Grundschulen Fußball-AGs für Mädchen an. Um den Mädchen mehr Selbstvertrauen zu schenken, aber auch, um Verantwortungsbewusstsein für andere zu vermitteln. „Das fängt schon bei der Pünktlichkeit an“, erklärt Trainer Borsetzky. „Wer zu spät kommt oder gar nicht, lässt sein Team hängen. Das ma-chen wir den Mädels von Anfang an klar.“

Auch lara trainiert seit Kurzem eine Mädchenfußball-AG an der Heinrich-Zille-Grundschule im Berliner Multi-kulti-Stadtteil Kreuzberg. Fast alle in der AG haben einen Migrationshintergrund. Für lara nebensächlich: „Mir geht es um den Sport und den Spaß am Spielen, und nicht um die Herkunft“, sagt sie. im Juni lässt sie sich zur Trainerassistentin aus-bilden. Um zu lernen, wie sie noch mehr Mädchen an den Ball bringt. n MS

Infos über Integrations- und Inklusionsvereine:fussball-ohne-abseits.deintegration-durch-sport.deinklusionslandkarte.de

Mitglieder in Sportvereinen:

27Mio.Davon 9 Prozent mit Migrationshintergrund

Quellen: BMI/DosB-sportentWICk-lungsBerICHt 2009/2010

Page 9: vorwärts Juni 2012

06/2012 vorwärts TiTel 9

Sie sind mit 12 Jahren aus Ghana nach Deutschland gekommen und in Hannover aufgewachsen. Sind Sie vor Ihrer Fußballkarriere schon mit Rassismus in Berührung gekommen?Ja, aber in den 90er Jahren war das alles noch nicht so extrem. Natürlich sind da auf der Straße schon einmal Bemerkun-gen gefallen oder man wurde in der Schu-le als „Neger“ beschimpft.Ihre Profilaufbahn haben Sie bei Han-nover 96 begonnen. Ende der 1990er Jahre wurden Sie und Ihr Teamkollege Otto Addo rassistisch angefeindet. Was genau ist damals passiert?Das war bei einem Spiel in Cottbus, bei dem es um den Aufstieg in die erste liga ging. West-Mannschaft gegen Ost-Mann-schaft. Otto und ich waren damals die he-rausragenden Spieler bei Hannover und es war klar, dass wir da im Mittelpunkt stehen würden. Wir wurden beim Spiel dann mit Bananen beworfen. Was ist in dieser Zeit in Ihnen vorgegangen?ich war damals 18 Jahre alt und habe das überhaupt nicht verstanden, denn auch bei Cottbus saß damals ein farbiger Spie-ler auf der Bank. Was da passiert war, hat sehr weh getan, so etwas wollte ich nie wieder erleben, und es war mir klar, dass ich über diese ereignisse immer wieder reden musste, damit sich das nicht mehr wiederholt.Wodurch kommt es, dass Fremden-hass gerade im Stadion oft so offen ausgelebt wird?Sehr viele leute arbeiten die ganze Wo-che über hart und für sie ist der Stadion-besuch am Wochenende dann der Hö-hepunkt. Wenn dann der eigene Verein schlecht spielt, machen sie ihrem Ärger luft. Das kann aber auch nur der Ärger über die eigenen Probleme sein. Viele be-reuen danach, was sie gemacht haben. letztendlich ist es für manche wohl im-mer einfacher, einen farbigen Spieler aus-zupfeifen, als einen weißen.2001 debütierten Sie als erster aus Afrika stammender Spieler in der deutschen Nationalmannschaft. Wie wurden Sie damals von den Fans des DFB-Teams aufgenommen?ich wurde sehr gut von den Fans aufge-nommen. Die Tatsache, dass ich bei mei-nem ersten Spiel in Bremen dann gleich ein Tor geschossen habe, hat das wahr-scheinlich auch noch erleichtert. ich ha-be bei diesem Spiel die Anerkennung der Fans gespürt. Damals wie heute gab es si-cherlich leute, die meinen einsatz für die Nationalmannschaft nicht gut geheißen haben, aber die Mehrheit hat mich an die-sem Tag positiv überrascht. Mittlerweile scheinen rassistische Schmähungen wie z.B. Affenrufe auf den Tribünen seltener geworden zu sein. Hat sich die Situation im Fußball gebessert?

Ja, denn die leute kapieren, dass man als „Ausländer“ trotzdem beispielsweise für die deutsche Nationalmannschaft spie-len kann. Wir alle sind Menschen und tun etwas für das land. Die Bereitschaft, Ausländer zu integrieren, ist in Deutsch-land größer geworden, aber alle erreicht man immer noch nicht.Gibt es Rezepte gegen Diskriminierung im Sport? es ist wichtig, zu alarmieren und viel da-rüber zu sprechen. leute wie ich müssen Vorbild sein. Wenn ich als Fußballer sage, dass etwas nicht gut ist, hören die leute vielleicht mehr zu, als wenn irgendje-mand das sagen würde. Wir können als Sportler auf dem Platz zeigen, dass wir mit leuten unterschiedlichster Herkunft zusammen arbeiten können, also kann das jeder andere auch.Was müssen Vereine und Verbände gegen Diskriminierung tun?es gibt mittlerweile sehr viele Fanklubs, die sich offen gegen Diskriminierung und Rassismus aussprechen. Wichtig ist, dass die Fans genau das auch auf den Tribünen „vorleben“. Und dann sollte man im Not-fall auch von Vereinsseite aussortieren. n

Im VIsIerGerald asamoah spricht über Rassismus im Stadion und die Vorbildrolle der Profifußballer Interview: Carl-Friedrich Höck

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1996 bis 1999Hannover 96

1999 bis 2010FC Schalke 04

1910 bis 2011FC St. Pauli

seit 2011SpVgg Greuther Fürth

Länderspiele43 – als erster gebürtiger Afrikaner für Deutschland

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»Leute wie ich müssen Vorbild sein.«Gerald Asamoah

Abteilungsleitung für zentrAle AufgAben (w/m)Die SozialDemokratiSche Partei DeutSchlanDS (SPD-ParteivorStanD) in Berlin Sucht aB Sofort einen

leiter (w/m) für zentrAle AufgAben

Wenn Sie eine neue berufliche Herausforderung suchen und Interesse daran haben, sowohl im leitenden als auch im operativen Bereich einer politischen Partei tätig zu sein, dann haben Sie bei uns jetzt die Chance dazu, denn im Zuge einer Neustrukturierung im Willy-Brandt-Haus richten wir die Abteilung für zentrale Aufgaben neu ein.

Um diese verantwortungsvolle Aufgabe übernehmen zu können, sollten Sie über ein abgeschlossenes Hochschulstudium oder eine vergleichbare Qualifikation verfügen sowie mehrjährige Erfahrungen in der Personalwirtschaft mitbringen. Zudem sollte es Ihnen Freude bereiten, für eine politische Partei zu arbeiten, die stark auf kooperatives Miteinander und Teamwork setzt.

Sie überzeugen durch einen praxiserprobten und teamorientierten Führungsstil und arbeiten eigenver-antwortlich und ergebnisorientiert. Ihre Persönlichkeit überzeugt durch Aufgeschlossenheit und Kom-munikationsstärke. Darüber hinaus bringen Sie eigene Ideen und Impulse für Personalentwicklung und -qualifizierung ein, haben Verständnis für das Aufgabengebiet EDV-Entwicklung und -betreuung, Innere Dienste, Organisation und Vertragsmanagement.

ihr VerAntwortungsbereich umfAsst folgende schwerpunkte:

n Verantwortung für das gesamte Personalmanagement unserer 200 Mitarbeiter (w/m) mit allen dazugehörigen Teilaufgaben, wie Personalgewinnung, -entwicklung, -qualifizierung,n Leitende Anwendung von allgemeinem und speziellem Arbeitsrecht, n Leitung der EDV-Anschaffung, -entwicklung und -betreuung,n Verantwortung für das gesamte Vertragsmanagement.

wir bieten ihnen:

n ein interessantes und verantwortungsvolles Aufgabenfeld, das Ihnen im Zuge der strukturellen Neuorganisation von Beginn an zentrale Mitwirkungsmöglichkeiten bietet,n die Zusammenarbeit mit einem kooperativen, erfahrenen und hochmotivierten Team,n eine der wichtigen Aufgaben entsprechende leistungsgerechte Vergütung.

Wenn Sie sich in dieser Tätigkeitsbeschreibung wiederfinden, senden Sie bitte Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen bis spätestens 29. Juni 2012 per Post oder E-Mail an:

SPD-Parteivorstand, Frau Generalsekretärin Andrea Nahles, Persönlich, Wilhelmstraße 141, 10963 Berlin (E-Mail: [email protected]).

Ihre Bewerbung wird selbstverständlich vertraulich behandelt.

Für erste Informationen steht Ihnen die Rufnummer 030 / 25991-231 zur Verfügung.

Page 10: vorwärts Juni 2012

Das Wörterbuch der PolitikverdrossenheitDie »Schwatzbude«

Der Bürgerkrieg findet im Sitzen statt. Nur wer gerade spricht, steht. Mal applaudieren die einen, mal klatschen die anderen. Scharf zischen Zwischenrufe dem Redner um die Ohren. Die Oberbefehlshaberin der Schwarzen Truppe schickt unablässig SMS in die Welt. Hat sie Angst? Die Roten wissen, dass ihre Stunde kommen wird. Und kein Schuss fällt.Parlamentarismus ist Machtkampf in der friedlichsten Form, die unsere Zivilisation bisher gefunden hat: Rede und Gegenrede vor aller Öffentlichkeit, damit im Wettbewerb der Parteien sich Mehrheiten im Volke bilden und ändern können – durch Wahl, regelmäßig, allgemein, frei und geheim.Nichts davon ist selbstverständlich. Für all das wurde in Deutsch-land blutig gekämpft und gestorben. So ein parlamentarisches Regierungssystem hätten viele Menschen in Afrika oder Asien auch gern. Das Parlament als Quassel- oder Schwatzbude zu verhöhnen, wie es die Nazis taten, hat die Idee des gewaltlosen Konfliktaustragens nicht töten können. Sie ist weltweit attrakti-ver denn je. n H-P.B.

Der Autor Hans-Peter Bartels ist seit 1998 Mitglied des Bundestags. Weitere Stichworte und Buchstaben: vorwärts.de/politik

10 NeWs vorwärts 06/2012

Gabriel zwitschert 6600 „Follower“ und 600 „Tweets“ nach nur drei Wochen. Das ist die Bilanz von Sigmar Gabriel. seit Anfang Mai nutzt der sPD-Chef den Kurznachrichtendienst „Twitter“ (dt. „zwitschern“) – und schreibt in 140-Zeichen-Texten über NRW-Wahl, Fachkräftemangel oder Vorratsdaten-speicherung. Twitter-Vizechefin Katie stanton soll Gabriel beim Mittagessen überzeugt haben, sich einen Zugang einzurichten. er twittere „authentisch und ohne Blatt vorm Mund“, meint der Onlinebranchendienst „Meedia“. n KD

Mehr zeit für die Familie: astrid Klug

abschied von burGerDer Trauerzug führte vom Rathaus zum Dom. Tausende säumten die straßen. Am 25. Mai hat Köln Abschied von seinem langjährigen Oberbürgermeis-ter Norbert Burger genommen. er war am 16. Mai im Alter von 79 Jahren verstorben. „Ohne ihn wäre Köln nicht das geworden, was es heute ausmacht“, würdigte Oberbürgermeister Jürgen Roters die Verdienste seines „väterli-chen Freundes“. Burger hatte Köln in seinen 19 Amtsjahren zum Medien-standort gemacht. n KD

KluG Geht, schweitzer KoMMtDer Abschied wird ihr nicht leicht gefallen sein. „Aus persönlichen und familiären Gründen“ hat sPD-Bundes-geschäftsführerin Astrid Klug am 1. Juni ihren Posten aufgegeben. „Manchmal muss man im Leben Prioritäten neu setzen. Meine Familie hat schon so viel für mich getan. Jetzt ist sie mal dran“, sagte die 44-jährige saarländerin zum Abschied. Für die sPD möchte sie sich in Zukunft ehrenamtlich engagieren. Klugs Posten bleibt zunächst unbesetzt.Dafür gibt es nun einen „technischen Wahlkampfleiter“. Hierzu wurde der langjährige Geschäftsführer der saar-sPD Stephan Schweitzer berufen. Die Gesamt-Leitung des Bundestagswahlkampfes wird bei Andrea Nahles liegen. n KD

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Global Gedachtvon Rafael Seligmann

sie verhandeln wieder einmal. Die sechs ständigen Mitglieder des UN-sicher-heitsrates, inklusive Deutschland, mit Iran. Der Gegenstand der Gespräche ist über die Jahre gleich geblieben: Der Ver-such des Mullahregimes, Uran immer weiter anzureichern, bis es zum Bau von Kernwaffen taugt. Teheran begründet das mit seinem Recht auf die friedliche erforschung von Kernenergie. Doch Irans Führung ist keineswegs friedlich. staatspräsident Achmadined-schad ist kein „Maulheld“, wie Günter Grass mit „letzter Tinte“ glauben ma-chen möchte. Das staatsoberhaupt ver-kündet unverblümt sein Ziel, „Israel von der Landkarte auszulöschen“. Und das religiöse Oberhaupt Khamenei be-zeichnet den jüdischen staat als eine Krebsgeschwulst, die man entfernen müsse.Da die westlichen Demokratien, China und Russland aufgrund ihrer geheim-dienstlichen erkenntnisse, aber auch neben Israel die Golfmonarchien auf ein robustes Vorgehen gegen Teheran drängen, könnte Irans Führung aus tak-tischen Gründen vermeintlich nachge-ben und sich zu begrenzten Kontrollen ihrer Nuklearanlagen bereit finden. Das würde von den beteiligten Regierungen als Triumph westlicher, bzw. östlicher standhaftigkeit und als Durchbruch zum Frieden „verkauft“ werden.Diese sicht ist bestenfalls naiv, denn sie beruht auf einem technisch-statischen Verständnis von Politik. Denn die Ursa-che der Bedrohung Israels – und einer Reihe anderer regionaler Mächte – wäre durch den formalen Akt einer Vertrags-unterzeichnung nicht beseitigt: Der Ur-sprung ist der religiös motivierte Hass der Teheraner Führung gegen Israel. Wer den Holocaust öffentlich leugnet und dazu aufruft, den jüdischen staat zu vernichten, ist als Vertragspartner nicht glaubwürdig. Man mag Israel kritisieren, dessen siedlungspolitik in Palästina ablehnen, doch die offen erklärte Absicht, die bislang einzige Demokratie in der Region zerstören zu wollen, darf nicht hingenommen werden. Das iranische Regiment muss mit diplo-matischen Mitteln und, wenn es nicht anders geht, auch mit sanktionen dazu gebracht werden, seine Hasspolitik ge-genüber Israel sowie die Unterstützung des Terrors in Libanon und anderswo einzustellen. solange dies nicht gelingt, bleiben alle Verträge Makulatur. n

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Klare KanteDie politische Biografi e eines Mannes, von dem

Helmut Schmidt und Gerhard Schröder meinen, »er kann Bundeskanzler«, was andere wiederum bezweifeln.

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06/2012 vorwärts News 11

Berliner TageBuchNotiert von Uwe Knüpfer

Am 22. Mai, einem Dienstag, schwirrt die Berliner Luft vor Hitze. es ist ein Tag, an dessen ende Angela Merkel von „Zeiten der immer schwieriger zu ge-winnenden Übersichtlichkeit“ sprechen wird – während der CDU-MediaNight im Konrad-Adenauer-Haus.Am Vormittag hatte Norbert Röttgen seine Abschiedsurkunde als Umwelt-minister erhalten. er schaute ganz verwundert drein, als ihm Bundesprä-sident Joachim Gauck warme, ja aner-kennende worte widmete. Die Kanz-lerin, vom Protokoll zum schweigen verurteilt, schien innerlich zu brodeln. Vielleicht ging ihr durch den Kopf, was Gauck wohl vortragen mag, wenn er dereinst Merkel verabschieden wird.Früh am Morgen hatte die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik zu einem Gespräch über die ergebnisse des NATO-Gipfels geladen. Hier saßen kluge Menschen beisammen, die nicht in schlagzeilen denken und nicht zu parteiischen Urteilen neigen. „Hilflos“, so hörte man, agiere Merkels Regierung im Umgang mit der Finanzmarktkrise. Konzeptlos lasse sie die Zeiten auf sich zukommen, in denen die UsA kaum noch Geld für die Bündnispflege haben werden. Und in der europapolitik sei die Zeit der „Viertelschraubendrehungen“ vorbei. europa brauche einen großen Ruck nach vorn.es sind krause Zeiten, in denen es Prag-matiker nach Visionen verlangt. Und Deutschland von einer Koalition regiert wird, der, höflich formuliert, nur noch wenige irgend etwas zutrauen.Am Nachmittag vor der Bundespres-sekonferenz: Auftritt der spitze der Linken. sie schmückt sich mit Alexis Tsipras, dem griechischen Allesverspre-cher. Immerhin hat sein Linksbündnis syriza soeben fast eine wahl gewonnen. Linken-Parteichef Ernst scheint vor stolz fast zu platzen, dem erfolg ganz nahe zu sein, jedenfalls sitztechnisch.Dummerweise meldet sich kurz danach Oskar Lafontaine aus dem saarlän-dischen Off zu wort, seinen erneuten Rückzug verkündend – und einen tie-fen medialen schatten über ernst und Tsipras werfend. Tja.Am Abend, bei einem empfang der Deutschen Post, sieht man den FDP-Frak tionsvorsitzenden Rainer Brüderle lange ins Gespräch mit Joachim Poss vertieft, dem Fraktions-Vizechef der sPD. Vielleicht haben sie über die Hitze geplaudert – oder über die „im-mer schwieriger zu gewinnende Übersichtlichkeit“.n

sparen und wachsensparen allein reicht nicht. Das ist die Botschaft der so genannten Troika. Am 15. Mai haben der sPD-Vorsitzende sigmar Gabriel, Bundestagsfraktions-chef Frank-walter steinmeier und ex-Bundesfinanzminister Peer steinbrück ihre Forderungen nach einem europäi-schen wachstumspakt in Berlin vorge-stellt. europas weg aus der Krise sei nur über eine „weichenstellung in Richtung Realwirtschaft“ zu erreichen, schreiben sie in dem sechsseitigen Positionspapier. Der Fiskalpakt müsste um ein starkes wachstums- und Investitionspro-gramm ergänzt, die Finanzmärkte entschlossen reguliert werden. Zudem sollen Investment- und Anlagebanken strikt getrennt und spekulationen mit Lebensmitteln verboten werden. „wer in der Krise auf wachtsumsimpulse verzichtet, treibt europa in die Rezessi-on“, warnte sigmar Gabriel. n KD

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drei Fragen anleszek MillerSie sind seit April zum zweiten Mal Vorsitzender der SLD. Was ist diesmal anders als bei Ihrer ersten Wahl 1999? Meine zweite wahl zum Vorsitzenden ist ein ergebnis der Krise, in die die sLD gerutscht ist. Bei der Parlamentswahl im vergangenen Jahr hat die Partei mit nur acht Prozent das schlechteste ergebnis ihrer Geschichte eingefahren. Deshalb wurde ich gebeten, erneut den Parteivorsitz zu übernehmen. Der Unterschied ist daher in erster Linie die Position der sLD. Sie haben einen großen Vertrauens-vorschuss erhalten: 13 000 Mitglieder haben sich vor dem Parteitag im Inter-net für Sie ausgesprochen.Das war eine neue erfahrung. wir haben den Parteivorsitzenden zum ersten Mal per Urwahl bestimmt. Das war sowohl über das Internet als auch per Brief mög-lich. Im Internet haben 13 000 Mitglieder abgestimmt und per Brief auch nochmal 8000. Davon sind 93 Prozent der stim-men auf mich entfallen. Allerdings war ich auch der einzige Kandidat.Abgesehen von dem Ergebnis: Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Ver-fahren der Urwahl gemacht?Die Urwahl war ein interessantes experiment. Ich war sehr überrascht über die hohe wahlbeteiligung im Internet. Jedes Mitglied hat eine Karte mit einem Zugangscode erhalten, den es freirubbeln und auf einer speziellen Internet-seite eingeben musste. erst dann konnte es mit Ja oder Nein stim-men. Gleichzeitig haben wir unseren Mitgliedern Fragen gestellt, die sie bei ihrer stimmabgabe mit beantworten konnten. wir wollten zum Beispiel wissen, ob wir die Forderung nach der einführung eines spitzensteuersatzes von 50 Prozent in unser Programm aufnehmen sollen. wir haben auch gefragt, wie in Polen der Präsident gewählt werden soll – wie bisher per Direktwahl oder vom Parlament. Das ist so gut angekommen, dass wir uns entschieden haben, diese Art von Mitglieder-Befragung über das Internet nun öfter zu machen. n KD

Leszek Miller, 65, war von 2001 bis 2004 Ministerpräsident Polens. Er ist Vorsitzender der polnischen sozialdemokratischen Partei SLD.

Heinz SchmidtLindhorstzum 65. Parteijubiläum

Fritz FischerDortmundHans UrbaniakDortmundzum 60. Parteijubiläum

Karl RavensBundesbauminister a.D.Herbert Schnoorehem. Innenminister in NRWzum 85. Geburtstag

Hans-Ulrich KloseMdBErnst Löcheltehem. OB in Bottropzum 75. Geburtstag

Michael Bürschehem. MdBHeinz Kindermannehem. MdEPLothar Fischerehem. MdBGötz-Peter Lohmannehem. MdBzum 70. Geburtstag

ein Ohr Für den FilM

Ob Digitalisierung oder Urheberrecht – Die Filmbranche steht vor großen Herausforderungen. seit Mai berät daher der „Gesprächskreis Film“ die sPD. „wir stehen an der seite der Filmbranche“, sagt seine Vorsitzende, die Bundestagsabgeordnete Angelika Krüger-Leißner. Im Interview nennt sie die Ziele des Gesprächskreises. n KDvorwärts.de/Kultur

www.vorwärts.de

BedingT prOvOkaTiv

Nach den Migranten nun die gemein-same währung. wenn ex-Bundes-banker Thilo sarrazin mit seinem neuen Buch „europa braucht den euro nicht“ erneut einen skandal provozie-ren wollte, ist ihm dies nicht gelungen. vorwärts-Volontär Carl-Friedrich Höck war bei der Buchvorstellung dabei und ist überzeugt: „wirklich Neues hat sarrazin nicht zu sagen.“ n KDvorwärts.de/Politik/Europa

plan gegen die krise: peer steinbrück, sigmar gabriel, Frank-walter steinmeier (v.l.)

herzlichen glückwunsch

»Der Wandel beginnt jetzt!«François Hollandenach seinem Sieg bei der französischen Präsident-schaftswahl am 6. Mai

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12 News vorwärts 06/2012

E in Hinterhof in Kreuzberg. eine rostrote stahltür. Ausgetretene stufen führen nach oben – und

zum erhofften wahlsieg 2013. so unge-wohnt die Adresse der werbeagentur – so neuartig verspricht der sPD-Bundes-tagswahlkampf zu werden.

super j+k: so heißt die Agentur mit der kiezigen Berliner Adresse, die wirkt wie ein Ziegelstein gewordener Ausdruck der Aufforderung sigmar Gabriels, dahin zu gehen, „wo es brodelt, riecht und stinkt“.

seit dem Herbst 2010 hat die sPD keine Landtagswahl mehr verloren. Be-sonders eindrucksvoll gewonnen hat sie, wenn sie, wie zuletzt in NRw und in Kurt Becks worten, „nah bei den Menschen“ war: ein erfolgsrezept, das sigmar Gabriel und Andrea Nahles auf die Bundes-sPD übertragen wollen. weil dies nicht in wenigen wahlkampfwo-chen erreichbar ist, hat die Kampagne für 2013 schon 2011 begonnen. „wir haben ein Jahr im Dunkeln gearbeitet,“ sagt Karsten Göbel von super j+k.

Aus dem Dunkel bereits hervorge-stochen ist die neue Hintergrundfarbe für werbemittel und Parteitage: Purpur. Verschreckte Genossen argwöhnten, das Purpur solle Rot ersetzen. Völlig falsch, beruhigt Heiko Kretschmer – er ist das „k“ in super j+k: „wir haben eine Farbe gesucht, die das Rot nicht verdrängt, sondern betont.“ Die ein „Hinseher“ sei, mit „hohem wiedererkennungswert“.

Kretschmer und seine Kollegen brin-gen erfahrungen aus zahlreichen wahl-kämpfen mit. sie wissen, was sie tun, wenn sie davon reden, diesmal vieles anders machen zu wollen als gewohnt. statt um „Inszenierungsarbeit“ gehe es um „Kärrnerarbeit“. Auch haben sie sich genau angesehen, womit Barack Obama 2008 erfolgreich war, die Labour Party in Kommunen wie Oxford, GenossInnen in Frankreich und den Niederlanden.

ein Tag im April. Im 6. stock des wil-ly-Brandt-Hauses (wBH) sitzt sigmar Gabriel zwischen Andrea Nahles und Barbara Hendricks, der Generalsekre-tärin und der schatzmeisterin. Kretsch-mer und Co. stellen das Konzept einer breit angelegten Diskussion vor. sie soll auf straßen und Plätzen, in wohnzim-mern, Büros, in Gemeinde sälen und im Internet stattfinden, im Herbst 2012 be-ginnen und zu einem wahlprogramm „neuen Typs“ führen.

Die sPD will mit möglichst vielen Bür-gern ins Gespräch kommen und fragen: „was soll die sPD für dich tun?“ Alle Antworten werden gesichtet und einem „Programmcheck“ unterworfen: was verträgt sich mit sozialdemokratischen werten, was nicht? Alle Parteimit-glieder sind aufgerufen mitzumachen, Nachbarn anzusprechen, Kollegen und Freunde. Der „einsammelphase“ folgen „Bürgerkonferenzen“ und schließlich, im Juni 2013, ein „Bürgerkonvent“. Das letzte wort wird dann, jetzt wieder wie gewohnt, ein Parteitag haben.

Ziel ist ein Programm mit Vorhaben, die in einer Legislaturperiode verwirklicht sein können. Gemäß der Vorgabe des Vorsitzenden, nur zu versprechen, was gehalten werden kann – und genau das nach dem wahlsieg auch zu tun.

Frühere sPD-wahlkämpfe wurden oft aus einem Büro neben der Partei-zentrale organisiert, Kampa genannt. Diesmal, kündigt Andrea Nahles an, werde das wBH selbst die Kampa sein, mit „war room“ zur Gegnerbeobachtung und einer effizienten Datenbank nach amerikanischem Vorbild.

400 „Campaigner“ (so heißen sie in den UsA) sollen wie lokale Nervenenden der Zentrale übermitteln, worüber vor Ort geredet wird. Gesucht werden enga-gierte Freiwillige, die das Vertrauen ihres örtlichen Kandidaten haben, die kontakt-freudig sind, interneterfahren und die einen exklusiven Draht zur Zentrale in Berlin bekommen. In den UsA sind Cam-paigner oft jung und sehr oft Frauen.

„Der wahlkampf“, heißt es in einem internen Konzeptpapier, „führt die er-fahrungen aus der „guten, alten Zeit der willy-wahlkämpfe“ mit Methoden mo-derner, internetgestützter Kampagnen-führung zusammen.“ Im Vordergrund stehe dabei der persönliche Kontakt zu wählerinnen und wählern.

„sehr gut“ befindet sigmar Gabriel das Konzept an jenem Tag im April. Drei wo-chen später stimmt der Parteivorstand zu. Im wBH finden im Mai erste Personal-umstellungen statt. Andrea Nahles: „Ab heute sind wir kampagnenfähig.“ n UK

Willy onlineKampagne 2013 Nach den Erfolgen im Norden und im Westen lädt die SPD überall zum Gespräch und sucht »Campaigner«

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Enttäuscht, aber selbstbewusst – so präsentierte sich Torsten Albig am Abend der schleswig-holsteinischen Landtagswahl am 6. Mai. „Das Ergebnis ist nicht das, was ich Euch versprochen habe“, sagte der Spitzenkandidat vor seinen Genossen in Kiel. Und es spiegele auch nicht das wider, „was wir alle in den letzten Wochen im Land erlebt haben“. Den versprochenen Politikwechsel möchte Albig nun mit einer „Schleswig-Holstein-Ampel“ aus SPD, Grünen und der Partei der dänischen Minderheit, dem SSW, einleiten. Gemeinsam verfügen sie über einen Sitz im Kieler Landtag mehr als CDU, FDP und Piraten. „Wir werden eine starke Ein-Stimmen-Mehrheit organisie-ren“, versprach Albig. Und so wich die erste Enttäuschung des Wahlabends schnell dem optimistischen Tatendrang der Koalitionsverhandlungen. n KD

Ziemlich beste Freundinnen

So sieht echte Freude aus. Es ist zwanzig vor acht, als sich Hannelore Kraft und Sylvia Löhrmann am 13. Mai nach Bekanntgabe der Hochrechnungen in Nordrhein-Westfalen zum ersten Mal sehen. Sie stoßen einen Jubelschrei aus, rennen aufeinander zu und fallen sich in die Arme. Die SPD-Ministerpräsidentin und ihre Stellvertreterin von den Grünen verstehen sich gut. Zwei Jahre Minderheitsregierung haben sie auch persönlich zusammengeschweißt. Künftig dürfte es im Düsseldorfer Landtag entspannnter zugehen: SPD und Grüne verfügen gemeinsam über eine satte Mehrheit von 19 Sitzen. Am 18. Juni soll der Koalitionsvertrag für die kommenden fünf Jahre unterzeichnet werden. Hannelore Kraft stellt sich am 20. Juni zur Wiederwahl als Ministerpräsidentin. n KD

SchleSwig-holStein landtagSwahl am 6. mai 2012

CDU 30,8%

SPD 30,4%

Grüne 13,2%

FDP 8,2%

PirATen 8,2%

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Die LinKe 2,3%

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Die LinKe 2,5%

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nordrhein-weStfalen landtagSwahl am 13. mai 2012

Der „vorwärts“ wird den Bürgerdialog aktiv begleiten. Näheres im Juli-August-Heft.

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Partei Leben!

A lles Geld verprassen und dann abtreten – das wäre Julia Fried-richs Plan, wäre sie Königin von

Deutschland. „Ich würde Erzieher und Lehrer extrem gut bezahlen und extrem viel Geld in öffentliche Orte stecken“, so die Journalistin. Anlass des Gedanken-spiels war die Auftaktveranstaltung des Juso-Kongresses „Gerecht für alle“ am 18. Mai in Berlin. Zwei Tage lang disku-tierten Jusos über Themen für das Wahl-programm von 2013. Kernfragen des Kon-gresses im Mai: Welche Wirtschaft wollen wir? Was heißt Demokratie wagen? Und was sind die Sorgen junger Menschen?

Piratin Julia Schramm, ebenfalls zur Auftaktveranstaltung eingeladen, wür-de stattdessen ein neues Bildungssys-tem einführen. Eines ohne Klassenver-band und so „flüssig“, wie alles, was die Piraten angehen: Liquid Feedback, Liquid Democracy und jetzt eben auch Liquid Education. Und Wirtschaftspro-fessor Sebastian Dullien, der würde alle entlassen, die dem Fiskalpakt in seiner jetzigen Form zustimmen. Er kri-tisiert vor allem die begrenzten Inves-titionsmöglichkeiten. „Jeder Manager, der sich für 1,5 Prozent Zinsen Geld lei-hen könnte, um es für zehn Prozent Ren-dite anzulegen und das nicht tut, gehört

entlassen. Und das gilt auch für alle, die den Fiskalpakt unterstützen“, so Dullien.

Wie umgehen mit dem Fiskalpakt, das wird auch in der SPD kontrovers dis-kutiert. „Das ist ein Bereich, in dem es noch gilt, dicke Bretter zu bohren“, sagt auch Juso-Vorsitzender Sascha Vogt und macht seinem Ärger Luft: „Ja, wir in der SPD sind alle gegen den Fiskalpakt, aber ohne deutlich zu sagen: ‚Wir finden das ganze Ding Scheiße‘. Man muss grund-sätzlich neu verhandeln“, fordert Vogt und grenzt sich damit von der SPD-Bun-destagsfraktion ab, die eine Ergänzung des Fiskalpakts anstrebt. Im Zentrum der Diskussion sieht Vogt aber vor allem die Frage danach, wieviel sich eine Ge-sellschaft an Investitionen leisten will. „Es ist eine Frage der Umverteilung, ob nun über Schulden oder über höhere Steuereinnahmen“, sagt Vogt.

Mit welchen Maßnahmen die Jusos auf eine Umverteilung zwischen Arm und Reich hinwirken wollen, entschei-det sich erst im November auf dem Juso-Bundeskongress. Dann nämlich wollen die Jusos ihre zentralen Forderungen für das Wahlprogramm zur Bundes-tagswahl 2013 beschließen. Denn dieses Mal wollen sich die Jusos das Programm nicht „von oben“ diktieren lassen. n

Wie wollen wir leben? antworten suchten Julia Friedrich, Julia Schramm und Sebastian Dullien (v.l.) beim Kongress der Jusos im berliner Willy-brandt-Haus.

Eigene Frage stellen: vorwärts.de/parteileben

CHeFSaCHe

anDrea DireKt!Hat der Wahlsieg von Francois Hollande Einfluss auf die Strategie der SPD in der Finanzkrise?Nein, denn wir tauschen uns schon seit Monaten mit der Parti Socialiste sehr intensiv aus. Wir haben gemeinsam beschlossen, dass der Fiskalpakt um ein Wachstums- und Wirtschaftsauf-bauprogramm ergänzt werden muss. Wir sind uns auch einig, dass Europa eine Finanztransaktionssteuer braucht. Diese Punkte werden wir weiter ge-meinsam vorantreiben – nach der Wahl allerdings sicher mit Rückenwind.Welche Konsequenzen zieht die Parteiführung aus dem Wahlausgang in NRW?Unser Wahlergebnis in Nordrhein-Westfalen war auch das Resultat eines besonderen Teamgeistes innerhalb der SPD. Hannelore Kraft steht für eine Politik, niemanden zurückzulassen. Sie richtet ihre Politik am Menschen aus. Das muss auch für die SPD bundesweit gelten. Wir müssen die Partei sein, die den Kontakt zu den Menschen hat, sie ernst nimmt und sich kümmert. Des-halb wird es z.B. einen offenen Bürger-dialog geben, um das Programm für die Bundestagswahl zu erstellen.Steht das rot-grüne Projekt der 90er Jahre vor einer Neuauflage?Ich sehe schon eine Renaissance von Rot-Grün. Wir können gemeinsam Mehrheiten bilden und sind die klare Alternative zu Schwarz-Gelb. Ob man von einem rot-grünen Projekt sprechen muss, weiß ich nicht. Aber es tut uns und den Grünen auf jeden Fall gut, wenn wir zusammen an gemeinsamer Politik und gemeinsamen Zielen arbei-ten. Ein gutes Miteinander ist dafür, bei aller politischen Konkurrenz, eine wichtige Grundlage. n

Warum seid Ihr gerade jetzt SPD-Mitglied geworden?Schreibt uns [email protected]

»Darum bin iCH in Der SPD…«

LuDWig SCHmiDt

20, studiert Politik-wissenschaft und Öffent- liches recht an der ernst-moritz-arndt-universität. Seit Januar ist er SPD-gast-mitglied im OV greifswald.

Ich bin in die SPD eingetre-ten, weil ich politisch aktiv werden möchte und bei der SPD viele Schnittmengen zu meinen eigenen An-sichten sehe. Nachhaltiger Fortschritt und qualitatives Wachstum sind für mich wichtige Punkte. Die ersten Treffen haben mir gefallen. Deshalb kann ich mir vorstellen, dauerhaft Mit-glied der SPD zu werden. n

iDeen VOn untenJuSO-KOngreSS in berlin diskutierten 600 Jusos über themen für das Wahlprogramm 2013. entschieden wird erst im November

Von Marisa Strobel

inHaLt

OV LeOnberg

Die Genossen im Südwesten vergeben einen Jugendpreis

SÖren LinK

Der 35-Jährige möchte OB in Duisburg werden

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Die SPD-Frauen machen den Männern Beine

Page 14: vorwärts Juni 2012

14 vorwärts 05/2012

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P reisverleihungen können eine öde Angelegenheit sein. Doch Elviera Schüller-Tietze weiß, was

das mehrheitlich junge Publikum vor der Bühne der Leonberger Steinturnhal-le hören will. „Wir wollen wenig reden,

dafür umso mehr feiern“, sagt die Vor-sitzende des SPD-Ortsvereins. Kurz da-rauf überreicht sie die Urkunden an die Sieger des Jugendsozialpreises der SPD. Der erste Platz geht an die Beatbaracke, ein von Jugendlichen selbstbetriebenes Jugendhaus. Dann wird die Bühne ge-räumt für eine Rockband. Den Rest des Abends verbringen die Gäste mit Tan-zen und Reden bei Cola, Bier und Käse-brötchen.

Nicht immer hat sich die Jugend in der kleinen Stadt nahe Stuttgart so ver-standen gefühlt. Es war 2009, als in den Zeitungen eine Schreckensmeldung der anderen folgte. Von Münchner U-Bahn-schlägern war die Rede, von jugendli-chen Komasäufern, Drogenabhängigen und Kriminellen. Damals beschlossen die Mitglieder des SPD-Ortsvereins, sich der Jugendschelte nicht anzuschlie-ßen. „In den Medien wurde immer nur draufgehauen“, sagt Karin Schuster, die selbst Mutter von zwei Kindern ist. Über die vielen Jugendlichen, die sich für die Gesellschaft engagieren, sei dagegen nie geredet worden. Um ein Zeichen zu setzen, stifteten die Genossen den Jugendsozialpreis. Er sollte eine Aner-kennung sein für junge Menschen, die ihre Freizeit für soziale Projekte opfern.

Der SPD-Parteitag entschied2010 vergab die SPD Leonberg den Preis zum ersten Mal. Eine Jury entschied sich dafür, zwei junge Frauen von der Lebenshilfe auszuzeichnen. 2011 hat-ten die Ortsvereinsmitglieder eine neue Idee: Sie bewarben sich für den Wil-helm-Dröscher-Preis, der zum Rahmen-programm der SPD-Bundesparteitage gehört. In den Hallen des SPD-Parteitags in Berlin errichteten sie einen Stand und ließen die Besucher des Parteitages entscheiden, wer den Jugendpreis be-

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14 Pa r t e i L e b e n ! 06/2012 vorwärts

Die Sieger des Jugendsozial-preises 2011 und die Mit-glieder des SPD-Ortsvereins Leonberg. in der Mitte (mit Mikrofon): OV-Vorsitzende elviera Schüller-tietze. Ganz rechts: Peter Dröscher.

eine auSGezeichnete iDeeOV LeOnberG alles Schläger und Säufer? Über Jugendliche wird viel gelästert. die Leonberger Genossen finden das ungerecht. Sie haben deshalb einen Jugendpreis gestiftet Von Carl-Friedrich Höck

Mit der dritten Bahn auf Erfolgskurs

Rund 38 Millionen Fluggäste sorgten 2011 für einen fulminanten Passagierrekord am Münchner Airport. Die Anzahl der Starts und Landungen stieg im gleichen Zeitraum auf 410.000. Damit hat sich das Flugbewegungsaufkommen am Münchner Airport seit der Eröffnung im Jahr 1992 verdoppelt und die Passagiernachfrage sogar mehr als verdreifacht. Voraussetzung für die Fortsetzung dieser Erfolgsgeschichte ist jetzt die zü-gige Realisierung der dritten Start- und Landebahn, die ab 2015 / 2016 zur Verfügung stehen soll. Mit diesem wichtigen Ausbauvorhaben sichert der Flughafen München im Interesse aller Reisenden Mobilität und Standortqualität für die Zukunft.

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kommen soll. „Wir wollten unser Kon-zept öffentlich präsentieren und andere zum Nachahmen animieren“, sagt Karin Schuster. Die Jury des Dröscher-Preises war so beeindruckt, dass sie den Leon-bergern einen Sonderpreis überreichte, dotiert mit 1000 Euro. „Die Präsentati-on hat uns überzeugt, und gerade auf Jugendliche muss unsere Partei noch mehr zugehen“, begründet es Jury-Mit-glied Peter Dröscher, der Sohn von Wil-helm Dröscher.

Ein VersöhnungsaktDas Preisgeld gibt der Ortsverein nun an die Beatbaracke weiter. Es ist auch ein Akt der Versöhnung, denn die Stimmung zwischen dem Jugendhaus und der örtlichen SPD war lange ange-spannt. Die Beatbaracke ist marode, der Trägerverein sammelt deshalb Spenden für ein neues Gebäude. Die Stadt bat er um eine Bürgschaft für das Bauprojekt. Die SPD-Fraktion stimmte im Stadtrat als einzige dagegen. „Die Jugendlichen machen eine tolle Arbeit. Aber das Fi-nanzierungskonzept für den Neubau war einfach nicht ausgereift“, erklärt die OV-Vorsitzende Schüller-Tietze. Das mag vernünftig sein. Trotzdem kam es bei den Jugendlichen nicht gut an.

Die Genossen in Leonberg sind es gewohnt, nicht immer mit offenen Armen empfangen zu werden. „Wenn man im Lebenslauf angibt, in der SPD aktiv zu sein, wird das nicht gerade po-sitiv bewertet“, hört man hier immer wieder. Lange galten Sozialdemokraten im tiefschwarzen Baden-Württemberg als Sonderlinge. Jetzt, da Grün-Rot re-giert, hoffen sie auf einen Stimmungs-umschwung. Vielleicht hilft der Ju-gendsozialpreis am Ende nicht nur den Jugendlichen, das eigene Image aufzu-bessern. n

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vorwärts 06/2012 Pa r t e i L e b e n ! 15

F ür Sören Link, OB-Kandidat der Duisburger SPD, geht es am 17. Juni um alles oder nichts. Denn

sollte er die Wahl verlieren, liegt seine Karriere als Berufspolitiker erst einmal auf Eis. Zur NRW-Landtagswahl am 13. Mai hat der vormals schulpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion näm-lich auf eine erneute Kandidatur ver-zichtet. „Mir war wichtig zu zeigen: Ich mache das. Ich will ganz für Duisburg da sein“, erklärt der Sozialdemokrat.

Mit dem Ergebnis der Landtagswahl im Rücken fällt Sören Link der Wahl-kampf zwar sicher leichter: 52 Prozent der Duisburger stimmten bei der Wahl Mitte Mai für die SPD, ein sattes Plus von 7 Pro-zentpunkten gegenüber 2010. Die CDU dagegen sank auf unter 17 Prozent. Doch damit ist die Oberbürgermeisterwahl in Duisburg noch lange nicht entschieden.

Zumal diese eine Personenwahl ist. Im Falle einer Niederlage müsste der Dip-lom-Verwaltungswirt deshalb wieder zurück in die Bezirksverwaltung. Aber daran will er jetzt nicht denken.

Der Stadt stets treu gebliebenWie Landesmutter Hannelore Kraft in Mülheim an der Ruhr, hat auch Sören Link stets in seiner Heimatstadt Duis-burg gelebt. Auch während der sieben Jahre, die er als Abgeordneter im Düs-seldorfer Landtag gearbeitet hat. „Poli-tiker müssen dort wohnen, wo sie die Menschen vertreten“, so sein Anspruch.

Abgesehen von ein paar Jahren im Zentrum der Stadt hat Sören Link deshalb immer im Norden Duisburgs gewohnt. Zweimal wurde er für Duis-burg-Nord in den Landtag gewählt. Mit seiner kumpelhaften, ehrlichen Art

kommt der 35-Jährige hier gut an. Sein Problem aber: Im Rest der Stadt ist Link noch nicht sonderlich gut bekannt. Dass insgesamt 13 Kandidaten zur Auswahl stehen, erschwert die Sache zusätzlich.

Der SPD-Kandidat setzt deshalb im Wahlkampf vor allem auf persönlichen Kontakt. Zum Beispiel an Infoständen, vor Schichtbeginn beim ortsansässigen Stahlunternehmen und morgens vorm Bäcker. So auch an diesem Samstagmor-gen Mitte Mai. Um sieben Uhr steht er auch heute wieder vor einer Bäckerei im Ortsteil Walsum und wartet – ver-geblich. Der Ortsverein, der ihn bei der Aktion unterstützen wollte, versetzt ihn. „Damit muss man leben. Schließ-lich machen die das alles ehrenamtlich“, entschuldigt sich Link. Er fährt noch einmal nach Hause, frühstückt mit sei-ner Freundin. Seit seine Kandidatur fest-

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Will für frischen Wind sorgen: Sören Link setzt auf mehr bürgerbeteiligung und bürgernähe. „Politiker müssen dort wohnen, wo sie die Menschen vertreten“, fordert er.

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KLar entSchiedenSören LinK Der SPD-kandidat hat für die oberbürgermeisterwahl auf den landtag von NrW verzichtet. er will »ganz für Duisburg da sein« Von Marisa Strobel

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im Internet

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16 vorwärts 05/201216 Pa r t e i L e b e n ! 06/2012 vorwärts

steht, ist die Zeit zu zweit noch knapper geworden. „Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, sie hätte laut Hurra ge-schrien, als mich der Duisburger Par-teitag einstimmig zum OB-Kandidaten nominiert hat. Aber unterstützen tut sie mich natürlich trotzdem“, sagt Link.

Sollte er die Wahl gewinnen, ist eine Pause erst einmal nicht in Sicht. Denn der künftige Oberbürgermeister steht

vor Mammutaufgaben. Die Stadt ist hoch verschuldet, die Arbeitslosigkeit die zweithöchste von NRW.

Für einen Neuanfang Und dann ist da noch die Sache mit der Loveparade 2010, bei der 21 Menschen starben. Weil sich der damalige Ober-bürgermeister Adolf Sauerland (CDU) weigerte, persönliche Konsequenzen aus dem Unglück zu ziehen, sind die Grä-ben zwischen Bürgern und Politik nun tief. Doch die Sehnsucht nach einem Neuanfang ist groß, ein erster Schritt Richtung Versöhnung nach Sauerlands Abwahl im Februar 2012 gemacht.

Die Seiten wieder ganz zusammen-führen, das ist eines der Ziele Sören Links. Wie viele in der Stadt hat auch ihn das Verhalten des OBs nach der Katast-rophe beschämt. Die Pressekonferenz einen Tag nach der Loveparade verfolg-te er mit Entsetzen: „Danach war ich fassungslos. Sauerlands Auftreten war einfach unwürdig“, erinnert sich Link. Er findet, Sauerland hätte sich entschul-digen müssen. „So ist Duisburg einfach nicht“, kritisiert er.

Als Oberbürgermeister will Sören Link der Stadt deshalb wieder zu neu-em Selbstbewusstsein verhelfen. Dazu

Sören Link packt an: er will der Stadt zu neuem Selbstbewusstsein verhelfen.

gehört, so Link, „den Leuten die eigenen Stärken vor Augen zu führen“. Und er will zwischen den Hinterbliebenen des Unglücks und dem Investor des Grund-stücks vermitteln, damit endlich ein an-gemessenes Mahnmal entstehen kann. „Die Tragödie wird immer zu Duisburg gehören, aber wir müssen dahin kom-men, dass wieder alle zusammenarbei-ten“, sagt Link.

Zu seinem Neuanfang gehört auch sein „neuer Stil“, mit dem Sören Link wirbt. Er setzt auf Bürgerdialog, will die Duisburger an wichtigen Entschei-dungen teilhaben lassen. Den Haus-haltsentwurf beispielsweise plant er öffentlich zur Diskussion zu stellen. Und er setzt auf verbindliche Zusagen: „6 Jahre, 6 Versprechen“, so steht es auf seiner Internetseite. Und die Aufforde-rung, „mich und meine Arbeit an diesen Punkten in der Zukunft zu messen“.

Link ist jung, dynamisch und vor al-lem ehrgeizig: „Wenn jemand nicht 100 Prozent gibt, finde ich das inakzeptabel“, sagt er. Und er ist sich für kein Problem zu schade. Auch wenn andere sagen, er könne da nichts tun. Aber Link will sich kümmern um die Belange der Bürger: „Das ist mehr als ein Beruf für mich“, sagt er. „Ich gehe da wirklich drin auf.“ n

»Sauerlands Auftreten war einfach unwürdig.«Sören Link,entsetzt über die Reaktion des Ex-OBs nach der Loveparade

E iner der größten Erfolge der Ar-beitsgemeinschaft Sozialdemo-kratischer Frauen (ASF) liegt ge-

rade einmal sechs Monate zurück. Auf dem Bundesparteitag der SPD im vergan-genen Dezember forderte sie, Wahllisten künftig abwechselnd mit Männern und Frauen zu besetzen. Der Parteivorstand reagierte zunächst skeptisch. Doch die ASF setzte sich durch: Das „Reißver-schlussverfahren“ wurde eingeführt.

Noch heute reagiert Elke Ferner euphorisch, wenn man sie darauf an-spricht. Dank der neuen Regelung liege der Frauenanteil der neu gewählten SPD-Landtagsfraktionen im Saarland und in Schleswig-Holstein nun bei über 40 Prozent, sagt die Bundesvorsitzende der ASF. Eine Quote, von der die Frauen in der SPD nur träumen konnten, als sie 1972 die ASF gründeten. Seitdem arbei-ten sie daran, die Gleichstellung von Frauen und Männern voranzubringen – in und außerhalb der Partei. Dabei muss-ten sie manchmal einen langen Atem beweisen. Etwa, als es darum ging, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu einem zentralen Thema der SPD zu ma-chen. Erst in den letzten zehn Jahren sei diese Forderung auf allen Parteiebenen umgesetzt worden, sagt Ferner. Sie sieht es so: „Die ASF ist der Gesamtpartei im-mer ein Stück weit voraus.“

Der ASF gehören automatisch alle Frauen in der SPD an. Ihr Anteil liegt bei

immer sonntagmorgens stattfinden. Trotz aller Kritik an der eigenen Par-tei hält Ferner aber eines fest: „Unsere Männer sind ja auch nicht rückwärtsge-wandt.“ Manchmal brauchen sie eben nur etwas Anschub. n CFH

»der Partei immer ein Stück weit vorauS«aSF Die SPD-Frauen kämpfen für Gleichberechtigung

arbeitSgemeinSchaFten in der SPd Folge 4

rund 30 Prozent der Mitglieder. Leider werde die SPD immer noch als männlich dominierte Partei wahrgenommen, be-klagt Ferner. Abgeschreckt würden viele Frauen auch durch die Bedingungen in den Ortsvereinen, etwa wenn Sitzungen

auf der aSF-bundeskonferenz im mai gewählt: die vorsitzende elke Ferner (2.v.r.) und ihre Stell-vertreterinnen (v.l.n.r.) barbara hackenschmidt, evelyne gebhardt und agnes allroggen-bedel. Fo

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arbeitsgemeinschaftseit 1972

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bundesvorstandElke Ferner (Vorsitzende) Agnes Allroggen-BedelEvelyne GebhardtBarbara Hackenschmidt (stellvertretende Vorsitzende)

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Nicht nur der Musiker und Autor Sven Regener meint: Kreative müssen gestärkt werden.

SPD will Urheber stärkenDie Bundestagsfraktion hat zwölf Thesen zu einem

modernen Urheberrecht vorgelegt

Um eine ehrliche Debatte über die Zukunft des Urheberrechts im Internetzeitalter an-zustoßen, hat die SPD-Bundestagsfraktion Ende Mai zwölf Thesen vorgelegt. Über eine Reform des Urheberrechts wird seit Monaten in der Öffentlichkeit erbittert gestritten. Doch bisher hat keine Partei überzeugende Antworten geliefert, wie die Interessen von Urhebern, Verwertern und Konsumenten in Einklang gebracht werden können. Die SPD will die Debat-te nun auf eine sachliche Ebene bringen

EntwUrf für glEichEn lohn

Die SPD-Fraktion hat im Mai einen Gesetzentwurf in den Bundestag einge-bracht, mit dem Lohngleich-heit zwischen Männern und Frauen hergestellt werden soll. Unter anderem sollen alle Betriebe mit mehr als 15 Beschäftigten künftig überprüfen, ob es Anhaltspunkte für Lohn-diskriminierung gibt. Dazu sollen Betriebsräte und Einzelpersonen mehr Infor-mationsrechte bekommen. „Frauen in Deutschland be-kommen für die gleiche Ar-beit fast ein Viertel weniger als Männer“, begründen die arbeitspolitische Sprecherin Anette Kramme und die Sprecherin der AG Gleich-stellungspolitik Christel Humme die Initative der SPD. Freiwillige Vereinba-rungen mit der Wirtschaft hätten nichts gebracht. Der Entwurf ist im Internet unter spdfraktion.de zu finden. n CFH

und betont: Nur im Dialog zwischen allen Betroffenen kann ein modernes Urheber-recht geschaffen werden.

„Die Bundesregierung hat entgegen ihren Ankündigungen bislang nichts un-ternommen, um das Urheberrecht zu no-vellieren“, kritisierte der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion Burkhard Lisch-ka während der Präsentation der SPD-The-sen. Dabei sei die Kreativwirtschaft mit ihren knapp eine Million Jobs ein wichtiger Wirtschaftszweig. Die SPD-Fraktion hat

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bereits vor zwei Jahren einen Arbeitskreis Urheberrecht gegründet, um Vorschläge für ein modernes Urheberrecht zu erar-beiten. Der Arbeitskreis hat auch das jetzt vorgelegte Thesenpapier entworfen.

Die SPD will Urheber und Kreative stärken und sicherstellen, dass sie auch in Zukunft angemessen vergütet werden. Gleichzeitig will sie Internetnutzer, die geringfügig gegen Urheberrechte versto-ßen, nicht unverhältnismäßig kriminali-sieren. Rechteinhabern soll es erleichtert werden, urheberrechtsverletzende Inhalte aus dem Internet entfernen zu lassen. Zu-dem schlagen die SPD-Abgeordneten vor, einfache Geschäftsmodelle zu unterstüt-zen, die eine legale Nutzung geschützter Inhalte ermöglichen und gleichzeitig eine angemessene Vergütung der Urheber ge-währleisten.

Eine sogenannte Kulturflatrate lehnt die SPD ab. Bei diesem Modell würde je-der Internetnutzer eine Pauschale zahlen, die dann anteilig auf die Urheber von Mu-sik, Filmen und Texten verteilt würde. Im Gegenzug dürften die Nutzer alle digital verfügbaren Werke unbegrenzt nutzen. Durch eine solche Zwangsabgabe würden auch diejenigen zur Kasse gebeten wer-den, die das Internet nur wenig nutzen, begründet die SPD ihre Ablehnung. Außer-dem hätten Urheber dann überhaupt kei-ne Möglichkeit mehr, selbst zu entschei-den, wer ihre Werke wie nutzen darf.

Das Thesenpapier will die SPD-Bundes-tagsfraktion nun gemeinsam mit der digi-talen Gesellschaft diskutieren. Eingesehen werden kann es auf spdfraktion.de. n CFH

Impressum

Verlags-Sonder-veröffentlichung

Herausgeber:SPD-Bundestagsfraktion Petra Ernstberger, MdBParl. Geschäftsführerin V.i.S.d.P.

Anschrift: SPD-BundestagsfraktionPlatz der Republik 111011 Berlin

Planspiel-Fraktionschef Miro Kneipp neben den „echten“ SPD-Politikern.

Sie machen es vor: SPD-Abgeordnete zeigen ihre Organspendeausweise.

17 VERLAGS-SoNDERVERÖFFENTLIcHUNG-06-2012

»Ein neuer Minister macht noch keine Energie-wende.«Matthias Miersch,umweltpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, zur Entlas-sung von Umweltminister Norbert Röttgen.

Mit gutem Beispiel voran

Der Bundestag hat im Mai mit den Stimmen aller Fraktionen das neue organspende-Gesetz verabschiedet. Dass den SPD-Abgeord-neten das Thema auch persönlich am Herzen liegt, bewiesen sie schon vor der offiziellen Abstimmung, indem sie ihre organspen-deausweise in die Kamera hielten.Mit dem neuen Gesetz wird künftig jeder Bürger regelmäßig von seiner Krankenkasse befragt, ob er nach seinem Tod organe spen-den will. Zur Spende gezwungen wird aber niemand. Das Gesetz soll die Bürger lediglich dazu anregen, sich über diese Frage Ge-danken zu machen. Jährlich sterben in Deutschland etwa 1000 Menschen, weil für sie kein Spenderorgan zur Verfügung steht. Rund 12 000 Menschen warten noch auf ein Spenderorgan. n CFH

Premiere im Bundestag

140 Jugendliche aus ganz Deutschland haben im Mai beim „Plan-spiel Zukunftsdialog“ der SPD-Fraktion erfahren: Politik kann spannend, aber auch mühselig sein. Drei Tage lang simulierten die 15- bis 20-Jährigen die Arbeit einer Bundestagsfraktion. Zum ers-ten Mal organisierte damit eine Bundestagsfraktion ein solches Methodenspiel. Die Jugendlichen wählten einen Fraktionsvorsitz, teilten sich in Arbeitsgruppen auf und erarbeiteten Anträge. Dabei befassten sie sich mit Themen, mit denen sich auch die „echte“ SPD-Fraktion beschäftigt, wie z.B. Bildungs- oder Sozialpolitik. Ihre Vorschläge durften sie schließlich sogar mit den „richtigen“ SPD-Abgeordneten diskutieren. n CFH

Page 18: vorwärts Juni 2012

18 Meinung vorwärts 06/2012

LeserbriefeeditoriaL: Grass-debatte05/2012

nein, Herr Chefredakteur, israel ist nicht ein „Teil von uns“. ... israel leistet sich einen Dauer-Konflikt mit dem Völkerrecht. Die Kanzlerin unterstützt diese Politik, erklärt sie gar vor der Knesset zur Staatsräson unseres Lan-des. Der „vorwärts“ und die SPD dürfen die Merkelsche Maxime nicht zu ihrer eigenen machen. Franz-Friedrich Rohmer, per E-Mail

Achmadinedschad ist sicherlich nicht nur ein „Maulheld“. Wäre er das, dann müssten wir um den Frieden im nahen Osten keine Sorgen haben. Ob er wirk-lich mit einem präemptiven Atom-schlag gegen israel die ganze Region und sein eigenes Land zerstören würde, ist dennoch wenig wahrscheinlich. Eckart Kuhlwein, Ammersbeck

„Dass israel in seiner existenz bedroht ist“, rechtfertigt nicht seine Verstöße gegen das Völkerrecht. Seine Siedlungs-politik war von Anfang an aggressiv und lief auf die Vertreibung der paläs-tinensischen grundstückseigentümer hinaus. So entstanden die Flüchtlings-ströme in die nachbarländer. Damit hat israel sich und ihnen unlösbare politi-sche und soziale Probleme bereitet. Georg Breyer, Riesalingen

PLakat: Currywurst ist sPd 05/2012

ist der Wahlslogan „Currywurst ist SPD“ nicht schon Volksverdummung? Wenn ja, warum sollen wir überhaupt wählen gehen? ich bin doch nicht blöd! Roland Klose, Bad Fredeburg

Das Thema Fleisch und Massentierhal-tung ist zu sensibel für Wahlplakate. Besser wäre gewesen „Pommes rot ist SPD“. Dennis Klingenberg, Bremen

Nrw: LaNd mit GesChiChte 05/2012

Zur Reichspräsidentenwahl 1925 hätte man hinzufügen sollen, dass die Wahl Hindenburgs verhindert werden hätte können, wenn die Bayerische Volks-partei, die Vorgängerin der CSu, für den Kandidaten der Demokraten und nicht für den der undemokratischen Rechten gestimmt hätte. Mit die-ser Abstimmung hat die Bayerische Volkspartei mitgewirkt, die Weimarer Republik zu zerstören. Reiner Wagner, Nürnberg

best ofbLoGs

vorwärts.de/blogs

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MajestätsbeleidigungKurt nicKelEs mochte seine eigene Selbstüberschätzung gewesen sein, die ihn derart hochmütig erscheinen ließ, dass das Amt des Minister-präsidenten von NRW für ihn wie Majestätsbeleidigung wirkte. Insofern bekannte sich Norbert Röttgen auch nur halbherzig zu seiner Kandidatur, was der Wähler geradezu merken musste. Völlig anders hingegen die FDP. In seiner Schlitzohrigkeit hatte sich Christian Lindner rechtzeitig von seinem Bun-desvorstand abgegrenzt und sein eigenes Ding gemacht. Es ist zu erwarten, dass die FDP zukünftig um die Gunst der SPD buhlen wird. An der Seite der Union hat sie keine Chance, das dürfte ihr jetzt bewusst geworden sein. Insofern wird man sich an so-zialliberale Zeiten entsinnen. Man darf auf die Entwick-lung gespannt sein...vorwärts.de/blogs

Furcht vor deM Wählerheinrich KeuperDie Entscheidungen der Wähler werden wesent-lich beeinflusst von den Angeboten der Parteien im Hinblick auf Wohlstands-mehrung. Diese politischen Versprechungen kosten fast immer mehr Geld. Wenn Politiker aber aus notwen-digen Gegebenheiten den Wählern Einschränkungen des materiellen Wohlstandes abverlangen, ist der Entzug der Sympathie zu erwarten. Da aber in Deutschland ständig irgendwo im Lande „entscheidende“ Wahlen anstehen, erfolgen keine oder nur sehr schwach ausgebildete wachstums- oder wohlstandskritische Korrekturen. Die Regieren-den reagieren nur auf Teil- aspekte der anstehen-den Probleme, indem sie „Reförmchen“ beschließen. Dies ist seit Jahrzehnten die Prämisse des Handelns in unserer Republik, aus Furcht vor dem Wähler.vorwärts.de/blogs

»ZwisCheNruf«

beeNdet die kLeiNstaaterei! uLLa burChardt Deutschland braucht eine einheitliche Bildungsstrategie. Die kann nur ein Nationaler Bildungsrat umsetzen. Die Kultus- ministerkonferenz ist dazu nicht in der Lage

Ulla Burchardt ist Mitglied des Bundestages und Vorsitzende des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung.

Mitreden & bloggen:

vorwärts.de/politik/zwischenruf

E rfolgreiche Bildungspolitik ist nur auf der grundlage einer konstruktiven Zusammenar-

beit zwischen Bund, Ländern und Kommunen möglich. Die ist auch nö-tig, angesichts von Bildungsarmut, Fachkräftemangel, der alarmierenden Zahl von Analphabeten und von jun-gen Menschen ohne Schulabschluss und Berufsausbildung.

Kleinstaaterei bei der Bildung kön-nen wir uns nicht länger leisten. Die SPD hat im Bundestag und Bundes-rat einen Vorschlag zur Aufhebung des Kooperationsverbotes eingebracht. Damit werden gemeinsam finanzierte investitionen möglich, z.B. der flächen-deckende Ausbau von ganztagsschu-len. Mit unserem „Pakt für Bildung und entschuldung“ haben wir einen Plan, wie jedes Jahr 20 Mrd. mehr für das Bildungssystem mobilisiert werden.

So weit, so gut. Doch wie kommt man zu einem bundesweiten Konsens über Reformschritte, die das Bildungs-system leistungsfähiger machen und Aufstieg durch Bildung für alle ge-währleisten?

eine nationale Bildungsstrategie für eine systemische Politik ist über-fällig. Aber wo ist das kluge Steue-rungsgremium, um sie zu entwerfen? Die Kultusministerkonferenz ist eine reine Länderveranstaltung, die sich bestenfalls auf den kleinsten gemein-samen nenner einigt. Die gemeinsa-me Wissenschaftskonferenz und der Wissenschaftsrat sind nur für Wis-senschaft zuständig. Für die gesam-te Bildungskette – von der Kita über Schule, Hochschule, Berufsbildung bis zur Weiterbildung, gar für das Schnitt-stellenmanagement – gibt es keine konzertierte Verantwortung.

Deshalb brauchen wir einen na-tionalen Bildungsrat. ein gremium, in dem Politiker und experten aus den verschiedenen Bereichen des Bildungswesens zusammenarbeiten und auf der Basis wissenschaftlicher

expertise Handlungsempfehlungen entwickeln.

Der Bildungsrat sollte regelmäßig die Probleme transparent machen, wie auch das erreichen der gesetzten Ziele. Dazu sollte er den seit Jahren erschei-nenden nationalen Bildungsbericht nutzen. Analog zum seit Jahrzehnten erfolgreich wirkenden Wissenschafts-rat, könnte auch der Bildungsrat aus zwei Kammern bestehen: einer Ver-waltungskommission mit Vertretern von Bund und Ländern und einer expertenkommission. Hier sollten Wissenschaftler mitwirken und Per-sönlichkeiten, die im Bildungsleben stehen, wie z.B. elternvertreter, Schul-leiter, gewerkschafter und Arbeit-geber, aber auch Migranten und Bil-dungsexperten aus Kommunen.

ein solcher Bildungsrat greift nicht in die Bildungshoheit der Länder ein. im gegenteil: entscheidungen bekom-men mehr Legitimation. natürlich ist ein Bildungsrat kein Allheilmittel für mehr und bessere Bildung, da mache ich mir keine illusionen. Doch er wä-re der Ort, wo Streit in der Sache zu produktivem Konsens gebracht wer-den kann. und den sind wir den Bür-gerinnen und Bürgern, vor allem den jungen, schuldig. n

Page 19: vorwärts Juni 2012

06/2012 vorwärts Meinung 19

oben. Vorerst ist dieser Kelch an uns vorübergegangen. Bleibt nur zu hoffen, dass dies so bleibt. Hans Stadler, Rosenheim

Nachruf GrüNdler05/2012

Als langjähriger Leser des „vorwärts“ sehe ich den nachruf von Lutterbeck über gründler auch als (versteckte?) Kritik an den Herausgebern, dass auch heute noch eine kritische Berichterstat-tung im „vorwärts“ sehr, sehr selten ist. Woran liegt das? ... es sollten auch kritische Meinungen im „vorwärts“ zu lesen sein. Aber leider Fehlanzeige. Volker Schläfer, Mutterstadt

historie: Neue sozis 05/2012

geradezu legendär wurde Heinemann mit seiner Antwort auf die Frage, ob er Deutschland liebe: „ich liebe meine Frau.“ eine solche gesunde Distanz zur Politik stünde manchen Berufs-politikern oder solchen, die sich dafür halten, gut an. Martin-Rudolf Roski, Berlin

1920 habe das demokratische Preussen den gewalttätigen extremismus der Roten Ruhrarmee abgewehrt. So lesen wir, erfahren aber nicht, dass dies mit Hilfe berüchtigter Freikorps geschah. Klaus Brandt, Gelsenkirchen

aNdrea direkt05/2012

Sie bringen unter „Andrea direkt“ die Frage: „ist das nein der SPD zur

einschränkung des Rederechts...“ – so als hätte die SPD nie gemeinsame Sache mit der CDu gemacht, um genau dieses Rederecht einzuschrän-ken. Für wie dumm halten Sie die SPD-Mitglieder? Renate Mengen, per E-Mail

Was die Parteioberen ausgeklüngelt haben, hat Meinung aller zu sein. Das darf und kann nicht sein, das wäre Meinungsdiktatur von ganz K

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Nummer 17 lebtSie waren zu zehnt, als sie sich am 23. April in Moskau zusammenfanden, um in der russischen Hauptstadt den SPD-Auslandsfreundeskreis Nummer 17 zu gründen. Der Parteivorstand erkannte ihn bei seiner Sitzung am 14. Mai offiziell an. Der Initiator des Auslandsfreundeskreises Moskau ist kein Unbekann-ter: Joachim Fitza hat bereits den Anstoß für SPD-Gruppen in Peking und Südafrika gegeben. n KD

Unsere Pressesprecherin hat erfolgreich den Wahlkampf als Bürgermeiste-rin bestritten, deshalb suchen wir zum nächstmöglichen Zeitpunkt

eine/n Pressesprecher/in

Der/die Pressesprecher/in ist inhaltlich und organisatorisch für die ge-samte Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Fraktion verantwortlich.

Zu den Aufgaben gehören unter anderem:• Koordinierung und Betreuung der Fraktion im Bereich

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit;• Vorbereitung und Durchführung von Pressekonferenzen,

Journalistengesprächen, Interviews und öffentlich wirksamen Teilen von Veranstaltungen;

• Abfassen von Pressemitteilungen.

Anforderungsprofil:• abgeschlossenes Hochschulstudium;• gute Kenntnisse des Presse- und Medienbereiches;• gründliche Kenntnisse der parlamentarischen und

ministeriellen Organisationsstrukturen;• TeamfähigkeitbeigleichzeitighohemMaßanKonfliktfähigkeit

und Belastbarkeit;• gute Kontakte zu den Medien und journalistisches Gespür für

politische Themen der SPD und deren Darstellung.

Die Vergütung erfolgt in Anlehnung an den TVL-Ost. Die Stelle ist bis Ende der6.Wahlperiodebefristet.DieIdentifikationmitdenZielenderSPDsetzen wir voraus.

Schwerbehinderte Bewerber/innen werden bei gleicher Eignung bevor-zugt. Bewerbungskosten können nicht erstattet werden.

Bewerbungen richten Sie bis 18. Juni 2012 bitte an:SPD-Landtagsfraktion M-V,z. H. Parlamentarischer Geschäftsführer,Herrn Heinz Müller, Lennéstr. 1, 19053 Schwerin.

Stellenausschreibung

www.spd-fraktion-mv.de

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vorwärts.de

im Internet

AnZeigen

ANZE IG ENMARKTBerliner vorwärts Verlagsgesellschaft mbH, Stresemannstraße 30, 10963 BerlinTel.: 030/255 94-166 ■ Fax: 030/255 94-190 ■ E-Mail: [email protected] ■ Geben Sie bitte immer Rubrik, Erscheinungsmonat sowie Ihre Bankverbindung an. ■ Preis: Pro Wort berechnen wir 3,50 Euro inkl. MwSt., für gewerbliche Anzeigen 4,00 Euro zzgl. MwSt. ■ Anzeigenschluss ist jeweils der 10. Tag des Monats.

■ URLAUB

Berlin/PotsdamWEINBERG-PENSIONTel.: (03 32 09) 7 04 89

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Sylt/List – Erholung pur! Neubau-Komfort-Fewos, 2–4 Per sonen, 31–45 qm, 70–98 Euro pro Tag. Alle Appartements mit eigener Terrasse und Strandkorb. Tel.: (0 46 51) 95 75-25, Fax: -05, mobil: 0171/4 86 37 91, Internet: www.syltpur.de

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Kommunalpolitik besser machenNeue Herausforderungen erfordern moderne Kommunalpolitik.Lesen Sie mehr in der DEMO 5-6/2012

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Ausgabe 5-6/2012

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20 Wirtschaft vorwärts 06/2012

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H ochkonzentriert sitzt Martin herrndorf vor dem Laptop und schreibt seine Doktorarbeit.

Es herrscht ruhe. Was überraschend ist. Der BWL-student aus dem schwei-zerischen st. Gallen arbeitet im Beta-haus Köln, einem 500 Quadratmeter großen „coworking space“, zu deutsch etwa gemeinschaftlicher arbeitsraum, in der innen stadt. Es ist eine art Groß-raumbüro mit Kaffeehaus-atmosphäre. telefoniert wird hier leise. Dauert das Gespräch länger, stellt man sich ans fenster, mit Blick ins Grüne. Oder nutzt die extra dafür vorgesehene schalldich-te „skype-Box“. Vor allem selbstständige wie informatiker, Grafiker und Web-Designer mieten ihren schreibtisch im Betahaus: für einen Monat, eine Woche oder nur einen tag. inzwischen gibt es die Gemeinschaftsbüros von Betahaus in Berlin, hamburg und Köln. Das „Büro der Zukunft“ nennen es trendforscher.

Martin herrndorf arbeitet seit Ok-tober im Betahaus, teilt sich internet, Drucker, Kopierer und Büro mit bis zu 70 frauen und Männern. Die elegan-ten schreibtische sind aus schlichten weißen holzplatten. Dazwischen ste-hen zum austoben sportgeräte wie ein springbock oder lederbezogene Kästen.

Dein, Mein, unser Büro selBststänDige der eigene Firmensitz mit sekretärin und technischer Vollausstattung war gestern. der trend geht zum Gemeinschaftsbüro: dort teilt man sich drucker, kopierer, internet und senkt so die kosten Von Maicke Mackerodt

„Zwischendurch brauche ich die kreative Atmosphäre hier“: Martin Herrndorf schreibt seine Doktorarbeit am Mietschreibtisch im großraumbüro.

groß, hell, ein bisschen improvisiert: 45 Arbeitsplätze, die tageweise gemietet werden können, bietet das Hamburger Betahaus.

Zum Entspannen gibt es ein gemütli-ches café mit frisch zubereitetem Es-sen. „ich reise viel, arbeite auch gerne zu hause. aber zwischendurch brauche ich die kreative atmosphäre hier. selbst wenn es richtig voll ist, finde ich das eher inspirierend. ich kann mit anderen reden, muss aber nicht.“

Das Ziel: Räume auf ZeitDer Zuwachs solcher coworking spaces ist in den Großstädten weltweit enorm. Die Berliner Macher von club-office.com haben sich beispielsweise darauf spe-zialisiert, möblierte Einzelbüros, Konfe-renz- oder tagungsräume auf Zeit, aber auch eine voll ausgestattete Küche an wechselnde Nutzer zu vermieten. in Zeiten, in denen Währungen wackeln und Einkommen stagnieren, scheint das tauschen, teilen und Leihen eine reizvolle alternative geworden zu sein. Etwa die Büromiete nur zahlen zu müs-sen, so lange der auftrag währt.

hinzu kommt eine insgesamt geän-derte haltung zu Besitz. Nach einer stu-die des Bundesumweltministeriums ist ein Drittel der Verbraucher aufge-schlossen gegenüber eigentumslosem Konsum. für den Wuppertaler Konsum-forscher Michael Kuhndt geht es defini-

tiv „weg vom hyperkonsum des letzten Jahrhunderts: teilen wird zum Massen-markt. Wir Konsumenten haben immer mehr Güter in immer kürzerer Zeit ver-braucht, das ändert sich jetzt.“

Das Phänomen an sich ist nicht neu, zuletzt gab es Wohngemeinschaften, Mitfahrzentralen und Waschsalons. ausschlaggebend dafür, dass sich die-ses neue ökonomische Modell so rasant entwickeln kann, ist das internet. Platt-formen machen das teilen und tauschen überhaupt erst möglich. 3,5 Millionen couchsurfer bieten ihr sofa in der gan-zen Welt zum Übernachten an. Über sei-ten wie airbnb.de und 9flats.com werden leer stehende Zimmer oder Wohnungen angeboten. in den Offenen Werkstätten (offene-werkstaetten.org) können ein-fache akku-schrauber ausgeliehen wer-den, aber auch hochwertige high-tech-Maschinen zum schweißen, reparieren oder Drechseln genutzt werden, teilwei-se sogar kostenlos.

Die Devise: Nutzen statt BesitzenUnd längst ist der Gedanke des teilens auch in die arbeitswelt vorgedrungen: Die internet-Plattform Milkrun.info bringt firmen zusammen, die ähnliche transportstrecken nutzen, aber nichts voneinander wissen. sie organisiert ge-gen Gebühr den stückgutversand von Waren in nicht ausgelasteten LKW. Denn fahrten zu teilen spart Geld.

Die trendforscherin rachel Botsman prophezeit gar den Beginn einer neuen Ära: Nutzen statt Besitzen lautet die Devise. „Dank der sozialen Netzwerke erlebt dieses uralte menschliche Verhal-ten ein comeback in einem nie da gewe-senen ausmaß“, so Botsman. Und steht mit dieser Prognose nicht allein da: Das time Magazine kürte gemeinschaftli-chen Konsum 2011 zu einer der „zehn ideen, die die Welt verändern werden“.

Der Motor: Die Wirtschaftskrise angetrieben wird der neue gesellschaft-liche trend von der wirtschaftlichen Krise. Der gemeinschaftliche Konsum schont nicht nur den Geldbeutel, son-dern auch die Umwelt. Über Netcycler.de können kostenlos gebrauchte Gegen-stände verschenkt oder getauscht wer-den: Mixer gegen hobel. Wanderschuhe gegen Kostüm. Mehr als acht Millionen Mitglieder hat das tauschnetzwerk weltweit.

Oder: anstatt von freunden borgt man sich über frents.com die Beton-bohrmaschine oder den hochdruck-reiniger. Eine virtuelle Karte zeigt in der Nähe die nutzbaren Dinge: Vom audi a4 über den roller bis zu Büchern, alles ist gegen eine Gebühr, manchmal auch umsonst ausleihbar. Die Gründer nennen ihr Geschäftsmodell „Netzwerk für freunde und sachen“. n

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06/2012 vorwärts Wirtschaft 21

HandwerkMädcHen, ran an die werkbank

W ir zeigen frauen, wo der hammer hängt.“ Mit die-sem slogan lockt das hand-

werkerinnenhaus in Köln weiblichen Nachwuchs in „typisch männliche“ Berufe. Ein denkmalgeschützter ehe-maliger Bahnhof ist seit 1991 ein guter Ort zum sägen, schleifen und schwei-ßen. Dort sind handwerklich-technisch begabte junge frauen unter sich und lernen, wie man fußböden verlegt, die Wohnung renoviert oder etwas repariert.

Das handwerkerinnenhaus (hWh) vermittelt Praktika und ausbildungs-plätze für junge frauen. Was viele mit-bringen, lobt Vorstandsfrau christiane Lehmann: „Mädchen sind freundlicher, verbindlicher im Umgang mit Kunden, räumen ihren arbeitsplatz auf.“ immer mehr Betriebe sähen die besonderen talente von Mädchen und würden sie – auch vor dem hintergrund des fach-kräftemangels – gezielt ausbilden.

Das handwerkerinnenhaus ist bun-desweit einzigartig und bietet zahlreiche Projekte an: an „holly Wood – Berufs-orientierung für Mädchen“ nehmen jährlich 1500 Mädchen aus über 50 schu-len teil. sie können ab der 5. Klasse in schnupperkursen oder an Projekttagen ausprobieren, was es bedeutet, Malerin, tischlerin oder Elektronikerin zu sein.

Um Orientierung geht es auch im „Mädchenprojekt Zukunft“, das aus zwei Projektteilen besteht: „Pfiffigun-de“ soll schulbegleitend und präventiv schulmüdigkeit vorbeugen, indem kon-zentriert Werkstücke selbst gefertigt werden.

Die „Kneifzange“ ist ein außerschu-lisches Projekt für ältere Mädchen, die unregelmäßig oder gar nicht mehr zur schule gehen. sie sollen in einer täg-lichen Mischung aus Unterricht und Werkstattarbeit wieder spaß am Lernen finden und berufliche Perspektiven ent-wickeln. n MM www.handwerkerinnenhaus.org

A ls Gleichstellungsbeauftragte hört Bärbel Miemietz viele sorgen und Wünsche. an der

Medizinischen hochschule hannover (Mhh) ist sie ansprechpartnerin für mehr als 7000 Beschäftigte. Die Mhh ist Universität, ausbildungsstätte und Großklinikum in einem. allein in der Pflege sind rund 2300 Menschen be-schäftigt, darunter viele frauen. Von einem Problem hörte Bärbel Miemietz immer wieder: Die sorge von Pflegerin-nen und Krankenschwestern, wie sie sich nach der Elternzeit wieder einglie-dern sollten, ob eine rückkehr in den alten Job überhaupt machbar sei. „Mir wurde klar: „Wir brauchen eigentlich ein rückkehr-Management.“

10 Jahre Auszeit von der PflegeEin bis drei Jahre dauert die arbeits-auszeit von frauen an der Mhh im Durchschnitt. „in der Pflege ist es aber gar nicht so selten, dass Kolleginnen zehn Jahre zu hause sind“, weiß Mie-mietz. „Viele sind dann unsicher, ob sie mit den Veränderungen auf der station klarkommen.“ Denn zwar ändere sich an der Pflege selbst wenig, wohl aber an den strukturen und der Dokumentation der arbeit, außerdem bei der verwende-ten soft- und hardware.

rund 70 frauen kehren jährlich nach der Elternzeit wieder an die Klinik zu-rück – von rund 200. „Die anderen Kol-leginnen scheiden entweder ganz aus dem Betrieb aus oder verlängern ihre auszeit“, so Miemietz.

im sommer 2010 nahmen die ersten 16 frauen an dem Projekt „Wiederein-stieg für die Pflege nach der Elternzeit“ teil. Dazu gehörten fachliche fortbil-dungen, etwa EDV-Kurse, auffrischun-gen in Pflegewissen, reanimation und Kinästhetik, ein sehr beliebter Kurs, der

die frauen befähigt, körperliche Verrich-tungen wie das heben schwerer Perso-nen leichter zu bewerkstelligen.

Das Ziel: die Frauen stärken Ein wichtiger Baustein des Projekts sind aber auch Kurse, die den frauen helfen sollen, arbeit und familie unter einen hut zu bekommen: schulungen im Zeit- und selbstmanagement, Gesprächs- und Kon-flikthilfen. Und Gespräche in der Gruppe. „Unser Ziel ist es, die frauen zu stärken“, sagt Miemietz. sie hat beobachtet: „sehr viele von ihnen fühlen sich unsicher, trau-en sich wenig zu.“ Paradox, denn: „Das sind hochkompetente fachkräfte“.

200 stunden umfasste das Projekt, inklusive der Möglichkeit, den neuen al-ten arbeitsplatz per hospitation erstmal wieder zu „beschnuppern". für Kleinkin-der organisierte die Mhh eine Betreu-ung, während die Mütter sich wieder fit für ihren Job machten.

Die rückmeldungen der teilneh-merinnen waren sehr positiv, eine zwei-te Gruppe durchlief 2011 das Projekt. „Wer mitgemacht hat, war begeistert, aber es war nicht einfach, teilnehmerin-nen zu finden“, so Miemietz. in jedem Kurs waren noch ein paar Plätze frei. sie hofft, dass sich die Vorteile der Kurse herumsprechen und weitere potenzielle rückkehrerinnen motivieren.

Die Projektförderung ist inzwischen ausgelaufen, doch Miemietz möchte weitermachen und das „rückkehrma-nagement“ fest in den Klinikablauf ein-binden. „ich bin überzeugt, dass das eine gute sache für die frauen ist.“ andere Großkliniken haben bereits interesse angemeldet und lassen sich das förder-konzept vorstellen. angesichts des Per-sonalmangels in der Pflege haben auch immer mehr arbeitgeber ein interesse daran, rückkehr-hilfe zu leisten. n

Meisterstück: Hauptschülerin Jana hat das cd-regal im Handwerkerinnenhaus gebaut.

koMMt zurück!krankenpflege Die Medizinische Hochschule Hannover hilft Krankenschwestern und Pflegerinnen beim Wiedereinstieg nach der Elternzeit Von Yvonne Holl

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gut versorgt: patient und pflegerinnen in der MHH-klinik in Hannover

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MediziniscHe HocHscHule Hannover (MHH)

Geschäftsfeld Forschung, Lehre, Krankenversorgung

firmensitz Hannover

GeGründet 1965

BeschäftiGte 7319 Vollzeit-Stellen insge-samt, davon 1480 Stellen im PflegedienstAußerdem 596 Ausbildungs-plätze und rund 2900 einge-schriebene Studierende

krankenversorGunG 1442 Betten370 373 ambulante Behand-lungen54 875 stationäre Behand-lungen (alles in 2011)

Weitere Porträts der Serie:vorwärts.de/wirtschaft/gut_gemacht

gutgeMacHt

pflegekraft und Mutter: die MHH will frauen zurück ins krankenhaus holen

Page 22: vorwärts Juni 2012

22 Kultur vorwärts 06/2012

1500 Freunde?exklusiv Marne Levine, Vizepräsidentin von Facebook, über ihr Netzwerk und die Politik Interview Uwe Knüpfer

Gestatten Sie eine persönliche Frage: Wie viele Freunde haben Sie?Das kommt darauf an, wie man Freunde definiert. Auf Facebook 1500, 1800 oder so; ich weiß es gar nicht genau. Viel mehr als ich. Bei mir sind es nur fünf oder sechs. Aber ich bin ich auch nicht bei Facebook. Warum sollte ich mich dort anmelden?Wir geben Menschen die Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen, zu pflegen und Wissen zu teilen. Mehr als 900 Millionen Menschen nutzen Facebook weltweit. Das schafft großartige Möglichkeiten.Zum Beispiel?Geschäftsleute können sich neue Märk-te erschließen, neue Kunden erreichen. Medienunternehmen finden neue leser oder Zuschauer, engagiertere leser. Pri-vatleute können Bekanntschaften her-stellen oder erneuern, sie können Ande-re an ihrem leben teilhaben lassen. Ist Facebook eine politische Macht? Wir haben keine politische Agenda. Wir befähigen Menschen, Firmen und Orga-nisationen, mehr aus ihren Möglichkei-ten zu machen und Probleme zu lösen, auch global. Geheimdienste in China und anders-wo freuen sich über die zahlreichen Infos, die sie auf Facebook finden. Macht Ihnen das keine Sorge? Es ist unser Anliegen, die Welt durch unseren Dienst offener und verbunde-ner zu machen. Wir glauben daran, dass es in allen ländern ein Vorteil ist, wenn Menschen untereinander Kontakte her-stellen und einander helfen können. unsere Philosophie ist: Wir lehnen An-onymität ab. Wer Facebook nutzt, muss

sich zu erkennen geben, mit seinem richtigen Namen. Das schafft Sicherheit: Wenn Dich jemand hereinlegen will, kannst Du herausfinden, wer es ist. Aber andere wissen auch, wer Du bist und mit wem Du Dich abgibst: Geheimdienste, Vorgesetzte. Wer seinen Klarnamen benutzt, weiß, dass er zur rechenschaft gezogen wer-den kann. Die Menschen handeln ver-antwortlicher, wenn der eigene Name darunter steht.. „vorwärts“ ist die Zeitung der SPD.

„vorwärts“ ist auf Facebook, die SPD nutzt Facebook. Dennoch: haben Sie Ratschläge, Facebook im politischen Geschäft besser zu nutzen?Wir bieten Politikern ein training an, Facebook optimal einzusetzen.Ohne das Training: Wenn ich für ein Bürgermeisteramt kandidieren wür-de, was sollte ich tun?Sofort eine Seite auf Facebook einrich-ten. Kreieren Sie ihre Chronik, erzählen Sie Ihre Geschichte, stellen Sie sich vor! Sie können Fotos, Videos, Zeitungsarti-kel einstellen: Dinge, die Interesse we-cken, Aufmerksamkeit erzeugen.Welcher Politiker, welche Partei nutzt Facebook am effektivsten? Die Obama-Kampagne, der Premiermi-nister von Neuseeland, auch die romney-Kampagne nutzen Facebook sehr effizi-ent. In den uSA gibt es auf Facebook die Applikation „Citizen Co-Sponsor“. Dabei werden Gesetzentwürfe von Bürgern kommentiert und weiterempfohlen. Das verändert den umgang von Politikern mit Wählern. Es verändert die Art zu re-gieren. In Island wurde auf diese Weise 2010 eine neue Verfassung geschrieben. Wer online aktiv ist, nimmt Einfluss. Wer nicht mitmacht, wird übergangen: Wird so nicht das demokratische Prin-zip – one man one vote – ausgehöhlt? Wählen bleibt Wählen. Hier geht es um Beteiligung und Partizipation. Norma-lerweise nehmen nur gut organisierte lobbyverbände Einfluss auf den Ge-setzgebungsprozess. Jetzt nehmen auch Menschen Einfluss, die zuvor unsichtbar waren. Das unterhöhlt nicht die Demo-kratie, sondern stärkt sie. n

Marne levine: „Jetzt nehmen Menschen einfluss, die zuvor unsichtbar waren.“

»Facebook verändert den Umgang von Politikern mit Wählern.«Marne Levine

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Lesen Sie das vollständige Interview in unserer App und auf vorwärts.de/Politik

E s ist nicht der Zieleinlauf, der Harald Schmitt am 100-Meter-lauf besonders interessiert. Der

stern-Fotograf möchte wissen, warum jemand so schnell laufen kann und will. Seine Bilder zeigen die Vorbereitungen der Sportler auf Wettkämpfe. Sie zeigen Körper, die diszipliniert und nicht selten ausgebeutet werden, Menschen, die alles geben, um zu gewinnen. „Diese Bilder ha-ben mehr zu erzählen, als man auf ihnen sieht“, sagt robert Ide, der Sportchef des tagesspiegel bei der Eröffnung der Schau.

Eines dieser Fotos zeigt Jan ullrich. Der ehemalige rad-Profi sitzt auf der rückbank eines Autos, sein Gesicht ist gerötet, mit einem Handtuch wischt er den Schweiß ab. Er trägt zum ersten Mal das Gelbe trikot des Führenden der tour de France, sein Betreuer bringt ihn ins Hotel. Mit im Auto ist Harald Schmitt. Er kannte Jan ullrich, bevor er zum Star wurde und bevor er zugeben musste, dass er gedopt hat. Schmitt nimmt sich Zeit für seine Bilder. Er lernt die Men-schen hinter den Sport-Idolen kennen.

So zeigen seine Bilder viel mehr als das Ergebnis eines Wettkampfs.

usain Bolt ist der schnellste läufer der Welt. Der Jamaikaner ist dreifacher Olympiasieger und hält den Weltrekord im 100-Meter-lauf. Wie viel Schweiß in einem trainingsprogramm fließt, das zu diesen Spitzenleistungen führt, zei-gen Harald Schmitts Bilder.

Für Wettkämpfe wie die anstehende EM in der ukraine hätten Sportler jahre-lang trainiert, sagt Harald Schmitt. Des-halb dürfe sie nicht abgesagt werden. Es sei die Schuld der Funktionäre, nicht die der Sportler, wenn Spiele in länder mit zweifelhaftem ruf vergeben würden.

Der 1948 geborene Schmitt ist nicht ausschließlich Sportfotograf. Er hat Politiker fotografiert, Wirtschaftsthe-men, Schauspieler und Dreharbeiten. Vielleicht blickt er deshalb gerne hinter die Kulissen. Sechsmal wurde Schmitt mit dem World Press Photo Award aus-gezeichnet. Bis zum 30. Juni sind seine Sportfotos „Von Siegern und Verlierern“ im Willy-Brandt-Haus zu sehen. n BG

ein lockerer Typ – usain Bolt, der schnellste läufer der Welt, feiert seine siege mit der legendären Bogen-schützenpose.

Jan ullrich – völlig erschöpft nach seinem ersten etappen-sieg bei der Tour de France 1997.

sporTler iM sucherAussTellung Fotografien von Harald schmitt im Berliner Willy-Brandt-Haus

Page 23: vorwärts Juni 2012

06/2012 vorwärts Kultur 23

D ie Fotografie ist teil einer Instal-lation, mit dem titel ubi bene, ibi patria (Wo es mir gut geht, ist

mein Vaterland) 2011, die sich mit Kons-truktionen von Heimat beschäftigt. Die

aus mehreren teilen bestehende Arbeit wurde für den Ausstellungsraum Self Service in Stuttgart entwickelt und wid-met sich der komplizierten Geschichte der Donauschwaben und ihrer wech-selnden Vorstellungen von kultureller Zugehörigkeit und Identität.

Arno Auers Großeltern, Donauschwa-ben aus Karawukowo, wurden 1946 nach der Vertreibung aus der damaligen Volksrepublik Jugoslawien in Stuttgart ansässig. Ihr Versuch, ein Stück der ver-lorenen Heimat in die neue/alte Heimat Deutschland zu retten, spiegelte sich auch in der Einrichtung des Wohnhau-ses wider. Die Efeutapete im Flur und das Paprikagewürz aus der Vojvodina sind prägende Kindheitserinnerungen. Sie sind Elemente einer in die Fremde transportierten Heimat der Großeltern, Bilder von alltäglichen relikten einer verschwindenden Geschichte. n

Ein Stück HEimatJungE zEitgEnöSSiScHE kunSt exklusiv für die vorwärts-Leser empfohlen von Björn Engholm

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arno auEr

Jahrgang 1977, studierte an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig von 2005 bis 2011 bei Nicola Torke, John M Armleder, Johannes Brus und Thomas Rentmeister, ab 2010 im Meisterstudiengang bei Pro-fessor Thomas Rentmeister.

Der in Stuttgart aufgewach-sene Künstler arbeitet mit Fotografie, Skulptur und Installation. Seine Arbeiten zeigte er in einer Reihe von Einzelausstellungen und zahlreichen Gruppenausstel-lungen.

Arno Auer lebt und arbeitet in Berlin, Braunschweig und Hannover. www.arnoauer.com

E gon Bahr ist am 18. März 90 ge-worden. Jörg Hafkemeyer hat des-halb im vorwärts-Verlag ein Port-

rät von ihm veröffentlicht. „Der Patriot“ lautet der treffende titel. Keiner hat so viel dazu beigetragen, dass die Deutsch-landpolitik in den 60ern und 70ern so er-folgreich aus der Sackgasse der letztlich unpolitischen Kreuzzugsideologie der Adenauerzeit herausgeführt wurde wie der Sozialdemokrat Bahr.

Die Stärke des Buchs sind die Original-zitate der Gesprächspartner des Autors. Keiner versagt dem Strategen im Hinter-grund Egon Bahr seine reverenz. Auch wenn mancher zum anderen politischen lager gehört, wie richard von Weizsäcker. Der bescheinigt Bahr noch heute, ent-scheidend zur Überwindung des Kalten Krieges beigetragen zu haben. Egon Bahr ist ein seltenes talent mit seiner Fähig-keit, alle Schritte immer vom Ende her zu bedenken. Nur so konnte er, gemeinsam mit Willy Brandt, einen gordischen Kno-ten durchschlagen. Das Ziel hieß: Deut-sche Einheit in Freiheit, eingebunden in einen gesamteuropäischen Werte- und Verantwortungszusammenhang. Dabei fehlen die notwendigen kritischen töne nicht, über die sozialdemokratische Ost-politik, die in den 80ern Gefahr lief, den Anschluss an die demokratische Opposi-tion im sowjetischen lager zu verpassen.

Dennoch. Die paradoxe Formel „Wan-del durch Annäherung“ bleibt eine der Meisterleistungen europäischer Diplo-matie. leicht ist es nicht, Gesinnungs- und Verantwortungsethik in Balance zu bringen. Denn dieser Weg erfordert die Fähigkeit zu konkretem, realistischem und zugleich unkonventionellem wie einfühlsamem Querdenken. Dass er dennoch gangbar ist, zeigen Hafkemey-ers Buch und der, um den es dabei geht: Egon Bahr, der große kleine Mann aus der zweiten reihe. n

Jörg HafkemeyerDer PatriotDer lange Weg des Egon Bahr vorwärts|buch 2012, 160 Seiten, 20 Euro ISBN 978-3-86602-315-4

DEr groSSE mann auS rEiHE zwEiVon Rolf Hosfeld, Autor und Produzent

Page 24: vorwärts Juni 2012

24 Kultur vorwärts 06/2012

Rezensionen

Die Favoriten Der Leser im internet

Jürgen RothGazprom – Das unheimliche imperium Westend Verlag, Frankfurt 2012, 317 Seiten, 19,99 Euro, ISBN 978-3-86489-000-0

Walter Kempowskihaben sie hitler Gesehen? – haben sie Davon Gewusst? Deutsche antworten Knaus Verlag, München 2012, 349 Seiten, 19,99 Euro, ISBN 978-3-8135-0481-1

Rudolf HickelzerschlaGt Die banken. zivilisiert Die Finanz-märkte Econ Verlag, Berlin 2012, 224 Seiten, 14,99 Euro, ISBN 9783430201414

Ozan Ceyhunman wirD nie DeutscherRowohlt Verlag , Reinbek 2012, 190 Seiten, 12,99 Euro, ISBN 978-3-499-62819-1

Kathrin Hartmannwir müssen leiDer Draussen bleiben – Die neue armut in Der konsumGesellschaFt Karl Blessing Verlag, München 2012, 416 Seiten, 18,95 Euro, ISBN 978-3-89667-457-9

Hans-Christian Jaschstaatssekretär wilhelm stuckart unD Die JuDenpolitik. Der mythos von Der sauberen verwaltunG Oldenbourg Verlag, München 2012, 534 Seiten, 74,80 Euro, ISBN 978-3-486-70313-9

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morD! morD! morD! Er wird mit zwei deutschen Fuß-ball-Vereinen Meister. Er spielt im deutschen Nationalteam und nimmt an der Olympiade teil. Ju-lius Hirsch, geboren 1892, ist ein Fußball-Star. Dass er außerdem Jude ist, kostet ihn das leben. 1943 ermorden die Nationalsozi-alisten ihn im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Sein talent, sein Name, sein ruhm – nichts schützt ihn und seine Familie vor den repressalien der Nazis, nichts rettet ihn vor seinen Mördern. Werner Skrentny leistet mit

seiner akribisch recherchierten Biografie „Julius Hirsch. Nationalspieler. Ermordet.“ einen Beitrag zur Aufarbeitung deutscher Geschichte. Er beleuchtet das leben Hirschs und thematisiert, wie lange Nachkriegsdeutschland zum Schick-sal ermordeter Sportler schwieg. Erst 2005 hat der Deutsche Fußball-Bund (DFB) den Julius-Hirsch-Preis gestiftet. Geehrt werden Personen und Organisationen, die sich gegen rassis-mus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus engagieren. „Spätestens jetzt kann deutsche Fußballgeschichte nicht mehr ohne die Erwähnung des Namens Julius Hirsch und die rolle der deutschen Juden im Fußballsport geschrieben werden“, heißt es im Buch. n BG

Werner SkrentnyJulius hirsch. nationalspieler. ermorDet.Biografie eines jüdischen FußballersVerlag Die Werkstatt, 352 Seiten, 24,90 Euro, ISBN 978-3-89533-858-8

trotz aLLeDemHannes Wader und Konstan-tin Wecker gehen gemeinsam auf tour. Zwei alte Haudegen des politischen Protestsongs, zwei aufrechte linke. regis-seur rudi Gaul begleitet sie. Der 1982 Geborene zeigt, wie die beiden unterschiedlichen Persönlichkeiten sich annä-hern. Man sieht sie nicht nur auf der Bühne – früher und heute. Gaul kommt ihnen nahe, erfährt von ihren leben mit allen Brüchen. Wader, der unwissentlich an Gudrun

Ensslin vermietet hatte, stand unter rAF-terrorismusverdacht. Bei der DKP findet er eine politische Heimat – bis er schwer enttäuscht austritt. Wecker, der Strahlemann, stürzt öffentlich ab, seine Kokainsucht führt in den Knast, die Presse schaut zu. Gaul wertet nicht, lässt nicht den einen auf Kosten des anderen glänzen. Deshalb kommt er den Künstlern nahe. Er zeigt den Genießer hinter dem Asketen Wader. Weinkeller und Küche sind sein revier. und Wecker, die rampensau, gewährt Einblick in ein kleinbürgerliches Familienleben. „Wader Wecker Vater-land“ ist ein einfühlsames Doppelporträt zweier politischer Menschen, die stets für ihre Anschauung eintraten, sich aber nie vereinnahmen ließen. n BG

Rudi Gaul (Regie)waDer wecker vaterlanDEine Konzertreise durch zwei politische LebensgeschichtenDVD, Zorro Medien GmbH, 15,90 Euro

S o ist Helmut Schmidt berühmt: als zupackender Macher, als bis-siger redner („Schmidt-Schnau-

ze“), als brillanter Autor, als Staatsmann von Weltformat. Doch Privates blieb privat.

Dass dem nicht mehr ganz so ist, ver-danken wir dem Hamburger Abendblatt und Jens Meyer-Odewald. Der Fotoband „Ein leben“ führt den leser auf den Spu-ren von Hannelore – loki – und Helmut Schmidt durch Hamburg und an den Brahmsee. Es ist eine reise durch fast

ein Jahrhundert deutscher Geschichte, tief hinein ins Herz der Sozialdemokra-tie – und in die Welt eines wahrhaft au-ßergewöhnlichen Paares.

Wem ist schon geläufig, dass Helmut Schmidt als Junge „Schmiddel“ gerufen wurde und Hannelore, die zur selben reform-Schule ging, „Schmeling“? Auch dürfte manchen Parteifreund über-raschen, dass Weggefährten Helmut Schmidts „weiche Seele“ preisen.

Während der Kanzlerjahre und da-nach sind die Schmidts in Hamburg

immer verwurzelt geblieben. „Mein leben“ öffnet die türen zu ihren refu-gien in langenhorn und am Brahmsee. Selbst die Schmidt‘sche Kellerbar – samt theken-Butler, der auf Knopfdruck plau-dert – war nicht tabu.

Hier sind sich zwei Menschen treu geblieben; sich und ihren Idealen. leser lernen, vielleicht zu ihrer Verblüffung, dass Politiker Nachbarn sein können wie Du und ich – nur ein Stück begabter, viel fleißiger und sehr viel ausdauern-der als, wenn nicht Du, dann jedenfalls der Autor dieser Zeilen.

Wir sehen: Helmut Schmidt als „Die-ner seiner Partei“, als innovativer Wahl-kämpfer, der schon 1953 filmische Mit-tel einsetzte, als Ehemann und Vater. Wir sehen loki – die sechs Fehlgebur-ten hatte, und ein Kind starb früh – als lehrerin, als höchst moderne Pädago-gin. und wir sehen die beiden als Paar, das über Schicksalsschläge und Krisen hinweg zusammengewachsen ist: ein Vorbild auch im Privaten. n UK

Jens Meyer-Odewaldein lebenHelmut und Hannelore SchmidtHamburger Abendblatt edition 223 Seiten, 34,95 Euro ISBN 978-3-939716-98-3

macher mit seeLeLoki und helmut schmidt: ein doppeltes Leben

Bürgernähe 1982 in hamburg: helmut und Loki schmidt suchen das Gespräch in der U-Bahn

weiteRlesen

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Page 25: vorwärts Juni 2012

06/2012 vorwärts Historie 25

S ozialdemokraten gibt es in Bay-ern schon seit den 1860er Jahren, doch eine landesweite organisa-

tion entsteht erst 1892, genauer am 26. Juni 1892. An diesem tag treffen sich 70 Delegierte aus ganz Bayern in reinhau-sen bei regensburg. es ist die Geburts-stunde der bayerischen sPD.

Wie überall in Deutschland hatten sich den 1860er Jahren in den städten Arbeitervereine gebildet. im bäuerli-chen, katholisch-konservativen Bayern war es jedoch schwierig, eine Lehre zu verbreiten, die mit Preußen und Pro-testantismus verbunden wurde und im ruch des Umsturzes stand. Bis 1878 war die sozialdemokratie dennoch so stark in Bayern verwurzelt, dass sie sich auch durch Bismarcks „Gesetz wider die gemeingefährlichen Bestrebungen der sozialdemokratie“ nicht mehr verhin-dern ließ.

Das erste ReichstagsmandatDie sozialistische Arbeiterpartei (sAP), Vorläufer der sPD, war nun zwar offizi-ell im Deutschen reich verboten, doch die sozialdemokratischen reichstags-abgeordneten behielten ihre Manda-te und konnten auch weiter gewählt werden. Der Grund: Beim Persönlich-keitswahlrecht spielt die Partei keine rolle. so errang in Nürnberg Karl Gril-lenberger 1881 als erster bayerischer sozialdemokrat ein reichstagsmandat. Bei den reichstagswahlen im Februar 1890 schaffen dies sogar drei Genos-sen: Georg Birk und Georg von Vollmar für München und erneut Grillenberger für Nürnberg. im reich ist die sAP nun mit 19,7 Prozent die an stimmen stärks-te Partei, in Bayern kommt sie auf 13,9 Prozent der stimmen – trotz eines Wahl-rechts, dass die meisten Menschen aus-schließt, wie zum Beispiel Frauen und alle unter 25-Jährigen.

so ist die Ausgangsposition für den Aufbau einer Parteiorganisation ziem-lich gut, als im oktober 1890 das sozia-listengesetz fällt. es kristallisieren sich zwei inoffizielle „Bezirke“ heraus mit Zentren in Nürnberg (Nordbayern) und München (südbayern). inoffiziell des-

bayerns sozisVor 120 Jahren In Reinhausen bei Regensburg gründen die Delegierten den Landesverband der bayerischen SPD Von Thomas Horsmann

almfest nach dem Landesparteitag in München 1902: Gruppenbild mit august bebel (2.reihe, 5. von rechts) und Georg von Vollmar (links neben ihm)

halb, weil das Vereinsgesetz von 1850 noch immer gilt, dass lokale politische Vereine gestattet, landesweite orga-nisationen aber verbietet. Allerdings wird es nun nicht mehr konsequent umgesetzt. Mit schikanen versuchen die Behörden jedoch weiter, politische Versammlungen der Genossen zu ver-hindern oder zu stören.

Schikanen der Behördenim september 1891 regt eine Delegier-tenkonferenz in Nordbayern einen Lan-desparteitag an. im oktober 1891 am rande des erfurter reichsparteitags be-schließen die bayerischen Delegierten die einberufung eines ersten gesamt-bayerischen Parteitags. Als ort wird regensburg ausgewählt. Die Nürnber-ger Genossen übernehmen die organi-sation.

Doch die stellt sich alles andere als leicht dar. Denn die Behörden verhin-dern, dass in regensburg ein passender saal gemietet werden kann. Wirten, die sozialdemokraten einen saal vermieten könnten, wird mit entzug der Konzessi-on gedroht. erst in reinhausen, einem Vorort, findet sich der saal der Brauerei schrödl. Die einladung zum „1. Bairi-schen Parteitag“ erfolgt am 24. April 1892. Auf der tagesordnung stehen „Die tätigkeit des Bayerischen Landtages und die Wahlen zu demselben im Jahre 1893“ sowie „Agitation und organisati-on“.

Aus ganz Bayern finden sich 70 Delegierte in reinhausen ein. sie be-schließen die teilnahme der sPD an den Landtagswahlen und verabschieden ein umfangreiches Wahlprogramm, das sich vornehmlich mit Landespolitik beschäf-tigt. ein Vorstand wird nicht gewählt – das gestattet das Vereinsgesetz nicht. Unausgesprochen steht jedoch von Voll-mar an der spitze der bayerischen sPD. Nach der erfolgreichen Landtagswahl, in der fünf Genossen der einzug ins Par-lament gelingt, gilt die Landtagsfrak-tion als Landesvorstand. es sind neben Georg von Vollmar und Karl Grillenber-ger, Gabriel Löwenstein, Franz Joseph ehrhart und Johann scherm. nFo

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Georg von Vollmar, der erste Landesvorsitzende der bayerischen sPD.

vorwärts-Impressum Die zeitung der deutschen sozialdemokratie gegründet 1876 von W. Hasenclever und W. Liebknechtherausgeberin: Andrea Nahles redaktionsadresse: Berliner vorwärts Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 610322, 10925 Berlin; Tel. 030/25594-520, Fax 030/25594-390, E-Mail: [email protected] Chefredakteur: Uwe Knüpfer (V.i.S.d.P.) redaktion: Lars Haferkamp (Textchef); Dagmar Günther (CvD); Hendrik Rauch (Bildred.); Kai Doering (Redaktion), Yvonne Holl (App); Vera Rosigkeit (Online); Dr. Susanne Dohrn, Birgit Güll und Werner Loewe (redaktionelle Mitarbeit); Carl-Friedrich Höck und Marisa Strobel (Volontäre) Fotografie: Dirk Bleicker Layout: Jana Schulze Korrespondenten: Jörg Hafkemeyer (Berlin), Renate Faerber-Husemann (Bonn), Lutz Hermann (Paris) Geschäftsführung: Guido Schmitz anzeigen: Nicole Stelzner (Leitung strategische Unternehmensentwicklung und Verkauf); Nele Herrmann Valente, Manfred Köhn, Simone Roch, Carlo Schöll, Franck Wichmann und Ralph Zachrau (Verkauf) Gültige Anzeigenpreisliste: Nr. 35 vom 1.1.2012 Verlags-sonderseiten: verantw. Guido Schmitz Vertrieb: Stefanie Martin, Tel. 030/25594-130, Fax 030/25594-199 herstellung: metagate Berlin GmbH Druck: Frankenpost Verlag GmbH, Poststraße 9/11, 95028 Hof abonnement: IPS Datenservice GmbH, Postfach 1331, 53335 Meckenheim; Tel. 02225/7085-366, Fax -399; bei Bestellung Inland: Jahresabopreis 22,– Euro; für Schüler/Studenten 18,– Euro; alle Preise inkl. Versandkosten und 7 Prozent MwSt.; Ausland: Jahresabopreis 22,– Euro zzgl. Versandkosten. Das Abo verlängert sich um ein Jahr, wenn nicht spätestens drei Monate vor Ablauf schriftlich gekündigt wird. Für SPD-Mitglieder ist der Bezugspreis im Mitgliedsbeitrag enthalten (bei Änderungen bitte an den SPD-UB wenden). bankverbindung: SEB Berlin, BLZ 100 101 11, Konto-Nummer 174 813 69 00Bei Nichterscheinen der Zeitung oder Nichtlieferung ohne Verschulden des Verlages im Falle höherer Gewalt besteht kein Anspruch auf Leistung, Schadensersatz oder Minderung des Bezugspreises. Für unverlangt eingesandte Manuskripte, Fotos und Zeichnungen wird keine Haftung übernommen.

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26 Rätsel vorwärts 06/2012

kreuzworträtselDie Fragen und das Kreuzworträtsel darunter ergeben die Lösung.

Die richtige Lösung schicken Sie bitte bis zum 15. Juni 2012 per Post an vorwärts, Postfach 322, 10925 Berlin oder per E-Mail an [email protected]. Bitte Absender nicht vergessen und ausreichend frankieren! Unter den richtigen Einsendungen verlosen wir zehn Bücher.

WAAGERECHT 1 �bestimmter�Artikel

3 �Rücknahme�gegen�etwas�anderes

8 �Fluss�zur�Donau

9 �Abkürzung�für��Antiblockiersystem

10 �fertig�gekocht

12 �Titelheld�bei�Molière

15 �Flachland

17 �ägypt.�Hafenstadt

18 �orientalischer�Branntwein�aus��Reis�oder�Melasse

20 �Viehzuchtbetrieb��in�Nordamerika

22 �meist�ungiftige�Schlange

24 �wissenschaftliche�Gesellschaft

26 �Umriss 27 �Handelsplatz 29 �Prophet 30 �Ansammlung�klei-

ner�runder�Steine 33 �Hauptstadt�von�

Marokko 36 �dekorative�Ver-�

zierung 38 �amerik.�Boxlegende�

(Muhammad) 39 �schottischer�

Namensteil 40 �flüssiges�Fett 41 �Erinnerung;��

Souvenir 42 �Zugmaschine�(Kzw.)

SENKRECHT 1 �früherer�Titel�in�

Genua�und�Venedig

2 �französische��Herrscheranrede

3 �zweite�Kammer��des�britischen��Parlaments

4 �Fischerfahrzeug�im�Mittelmeer

5 �Klostervorsteher

6 �Brauch,�Sitte�(lat.)

7 �Gaststätte

11 �frühere�schwedische�Popgruppe

13 �Tiernahrung

14 �Geist,�Witz��(französisch)

16 �unbekleidet

19 �Klang�zum�Stimmen�der�Instrumente

20 �Kunststil

21 �norwegischer�Polar-forscher�(Fridtjof)

23 �Papstkrone

25 �geometrische�Figur

28 �Runddorf�afrika-nischer�Stämme

31 �eine�Europäerin

32 �Keimträger;�Lappe

34 �rundes�Spiel-,��Sportgerät

35 �wunderliche��Eigenart

37 �britische�Insel

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Gute laune im Februar 1990: Der Gesuchte im Bonner erich-ollenhauer-Haus mit der Führung der ost-sPD und willy Brandt, sowie (ganz links) Johannes rau.

A ls er am 27. März 1960 im Alter von 34 Jahren zum Oberbür-germeister gewählt wird, kann

er nicht ahnen, dass er an der seite von Beppo Brehm und Joachim Fuchsberger als „Fernsehstar“ bekannt wird. Dies er-eignet sich ein Jahr, bevor er – nach 4444 tagen im Amte – an der spitze der baye-rischen landesliste der sPD in den Bun-destag einzieht. Dem wird er mit einer Unterbrechung von zwei Jahren bis 1994 angehören.

Geboren wird er in Göttingen, dort lehrte sein Vater an der Universität. Nach dem Abitur in Gießen beginnt er 1943 zunächst mit dem studium der Rechts-wissenschaft in München, meldet sich aber nach dem sommersemester freiwil-lig zur Wehrmacht. 1950 wird er zum Dr. jur. promoviert mit einer Arbeit über den „Irrtum des täters über die Rechtmäßig-keit der Amtsausübung“. Im selben Jahr wird er Mitglied der sPD. 1955 holt Minis-terpräsident Wilhelm Hoegner den Amts-gerichtsrat als Referatsleiter in die Bayeri-sche staatskanzlei. Der Versuch, einer von Hoegners Nachfolgern zu werden, schei-tert 1974 gegen Alfons Goppel. Obwohl er bei der Bundestagswahl 1983 als Kanz-lerkandidat der sPD scheitert, wählt ihn die Bundestagsfraktion auf empfehlung Herbert Wehners zu ihrem Vorsitzenden.

Am 14. Juni 1987 wird er in jenes Amt gewählt, von dem einer seiner Nachfol-ger behaupten wird, es sei „das schönste neben dem Papst“. Bis 1991 hat er dieses Amt ebenso inne wie das des Vorsitzen-den der sPD-Bundestagsfraktion. Rückbli-ckend beschreibt er 2006 die Doppelbela-stung mit den Worten: „Das ist, als ob du einen expander ziehst. lässt du eine seite los, fliegt dir das Ding um die Ohren“. n

Unter allen Einsendern verlosen wir eine vorwärts-Tasche. Bitte schicken Sie das Lösungswort mit dem Stichwort „Wer war’s“ bis 15. Juni 2012 per Post oder per E-Mail an: [email protected]

HistoriscHes BilDer-rätsel

Die Lösung des Bilder-Rätsels aus der vergangenen Ausgabe lautet: wilHelm kaisenDie vorwärts-Tasche hat gewonnen:

Uwe Becker,31558 Hagenburg

Die Lösung des jüngsten Preisrätsels lautet: euro Gesucht wurden außerdem: karolinGer und aQuisGranaJeweils ein Buch gewannen:

Karin Ziebell,23554 Lübeck

Irit Sowada,49080 Osnabrück

Helmuth Baumann,97204 Höchberg

Holger Rebehn,14163 Berlin

Brigitte Hauck,67273 Herxheim am Berg

Inge Heide Seidel-Niemeyer,32351 Stemwede

Kurt Wiegand,56072 Koblenz

Richard Gerth,60316 Frankfurt/M.

Ursel Rudolph,22145 Hamburg

Alfred Heinrich,45525 Hattingen

wer war’s?Zusätzlich zur Oppositionsführung übernimmt er vor 25 Jahren »das schönste Amt neben dem Papst«

Von Lothar Pollähne

Gewinner

Der kontroverse Ausnahmesportler... Weltmeister und Schauspieler zeichnete sich durch viele sportliche Erfolge aus und bot sich 1972 als Wahlkämpfer an, was durchaus seinen politischen Überzeugungen entsprach. Er ist Gründungsmitglied der Kindersportstiftung. Sein Nachname?

Die kleine Stadt... in Oberbayern, aus der auch Bastian Schweinsteiger stammt, wurde erst im 19. Jahrhundert als Industriestandort gegründet und war nach dem 1. Weltkrieg eine Bastion der Räterepublik, die erst im Mai 1919 nach schweren Gefechten kapitulierte.

ES gibt zwEi wEgE, DAS PrEiSrätSEl zu löSEn: Ratefüchse beantworten zuerst die beiden Fragen. Der vierte und fünfte Buchstabe des ersten Lösungswortes sowie der vierte, fünfte und sechste Buchstabe des zweiten Lösungswortes er-geben in der richtigen Reihenfolge die Lösung. Es geht aber auch einfacher: Die grauen Felder im Kreuzwort rätsel ergeben in der richtigen reihenfolge das lösungswort. Der Gesuchte hat den Spitznamen „Der Terrier“, sein Rufname?

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Page 27: vorwärts Juni 2012

06/2012 vorwärts Das allerletzte 27

Natürlich hat so ein sportverband Macht. auch wenn leonardo DiCaprio den titel für sich beansprucht, Fuß-ball ist der König der Welt, und die FIFa sein statthalter auf allen Konti-nenten. sie kann staaten in die Knie zwingen, auch demokratische, das verlangt allein schon das höfische Pro-tokoll. so hat sich 2006 auch Deutsch-land gebeugt. Da wurde nicht nur jeder Bäckermeister juristisch verfolgt, der es wagte, ohne lizenzgebühren Welt-meisterbrötchen zu backen. Der staat verzichtete auch allzu gerne auf riesige steuereinnahmen.

Jetzt verzichten viele Politiker auf einen Besuch der europameisterschaft in der Ukraine. Da merke ich erst mal, wer sich sonst so alles offiziell in Fuß-ballstadien rumtreibt. Unsere Politiker sollen aber nicht darben. Wer von ihnen unbedingt Millionären bei der arbeit zuschauen möchte, könnte doch auch mal in die Vorstandssitzung eines gro-ßen Konzerns gehen. Da lohnt sich das genaue Hinsehen bestimmt, und das Ca-tering dürfte auch nicht schlecht sein. n

F ußball ist unser leben, denn Kö-nig Fußball regiert die Welt“, sang die deutsche Nationalmann-

schaft 1974 und wurde gleich Weltmeis-ter. Dass man in dem turnier gleich ge-gen mehrere Unrechtsstaaten antrat, störte damals niemanden. Gut, die Niederlage der Bundesrepublik ge-gen die DDr ärgerte schon. also, sie störte den Westen, die Guten. Wohlgemerkt, man spielte in solchen Fällen nicht nur gegen elf Freunde oder elf Genossen, sondern immer gleich gegen fiese staa-ten, gegen ein feindliches system.

aber das lied sagte damals schon, was heute gilt. Die internationalen sportverbände, die sich mal IOC, mal FIFa oder UeFa nennen, sind poli-tisch neutral und steuergünstig in der

schweiz angesiedelt. sie können nicht jede lokale Besonderheit irgendwo in ihrem Imperium bestrafen, großzügi-ge Interpretationen des Wortes „Men-schenrechte“ etwa. sie sind politisch so hyperkorrekt, dass sie jedes mahnende

räuspern, auch hinter vorgehaltener Hand, unterlassen. es könnte ja

als Übergriff gewertet werden. Die FIFa ist schließlich nicht irgendeine schrauberbude in

Gelsenkirchen-Ückendorf, sondern ein smart geführter Weltladen. er hat ein ethisches leitbild, setzt auf Diversi-ty Management, ein ganz heißes Ding, bei dem es grob gesagt um die achtung sozialer und kultureller Vielfalt geht. Der russe oder Ukrainer ist halt anders. „Der Chinese auch“, fügt das IOC schnell hinzu.

seitwärts Teamgeist(erstunde) von David Füleki

Hier, Frau Kermel! Hier!

Hier!

Wir spielen gleich gar nicht mehr mit euch!!

Jetzt reicht's aber!!

Apropos »Kapi- tänin«! Da hätt ich aber

Wer weiß, ob ihr beim

nächsten Mal überhaupt noch auf-gestellt

werdet …

Bitte sagen Sie doch auch mal was,

Frau Kapitänin!

Ich halt mich da

lieber raus.

La la la! Ich hör

euch nicht von hier oben!!

Die zerlegen sich ja schon ge- genseitig, bevor das Spiel ange-

pfiffen wird…

Ich steh frei! Spielen

Sie ab!

Hm ... Na gut.

Hoppla!

Ja, kannst du denn

gar nichts alleine?!

Ähm ... Wir können uns grad nicht ent-

scheiden, auf wel-cher Position wir

spielen wollen.

Jetzt die auch noch ...!

13_teamgeisterstunde.indd 1 22.05.2012 12:21:38 Uhr

König Fussball, gutes geld und böse staatensPOrtFunKtiOnäre Mit harten Bandagen kämpft die UEFA für ihre Lizenzrechte. Das schlaucht. Da kann man sich nicht auch noch um die Menschenrechte kümmern

Von Martin Kaysh

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Martin Kaysh ist Kabarettist, Alternativkarnevalist („Geierabend“) und Blogger. Er lebt im Ruhrgebiet, freiwillig.

»Der Ukrainer ist halt anders. ,Der Chinese auch‘, fügt das IOC schnell hinzu.«Martin Kaysh

Page 28: vorwärts Juni 2012

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