speakUP Ausgabe 5

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STUDIERENDENZEITSCHRIFT DER UNIVERSITÄT POTSDAM. JAHRGANG 3. AUSGABE 5. KOSTENLOS. FÜNFZIG-FÜNFZIG Diesmal bei "Wo kommst du eigentlich her": Linda aus Syrien WILLKOMMEN IN DER HÖLLE Denis Newiak über einen wenig amüsanten Aufenthalt in Texas KAMPF GEGEN WINDMÜHLEN Die Iniave Intelligenzija zieht Bilanz

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Fünfte Ausgabe der Studierendenzeitschrift „speakUP“ (Nr. 5), erschienen am 20.04.2011, erstellt von Studierenden der Universität Potsdam

Transcript of speakUP Ausgabe 5

STUDIERENDENZEITSCHRIFT DER UNIVERSITÄT POTSDAM. JAHRGANG 3. AUSGABE 5. KOSTENLOS.

FÜNFZIG-FÜNFZIGDiesmal bei "Wo kommst du eigentlich her": Linda aus Syrien

WILLKOMMEN IN DER HÖLLEDenis Newiak über einen

wenig amüsanten Aufenthalt in Texas

KAMPF GEGEN WINDMÜHLENDie Initiative Intelligenzija zieht Bilanz

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ist die unabhängige Studieren-denzeitschrift der Universität Potsdam. Sie erscheint quartalsweise und kostenlos.

Herausgegeben von der Redaktion der : Lisa Büntemeyer, Christoph

Freytag, Mandy Joachim, Denis Newiak.

Verantwortlich für dieses Ausgabe ist die Chefredaktion: Denis Newiak (V.i.S.d.P.), Mandy Joachim (C.v.D.), Lisa Büntemeyer.

Bilder: Seite 5: privat; Seiten 6 und 8: Chris-toph Freytag; Seite 9: Lisa Büntemeyer, pri-

vat; Seite 10: Denis Newiak; Seite 15: fotolia; Seiten 9 und 18: vecto2000.

Kontakt: , Postfach 800150, 14427 Potsdam. [email protected]

Auflage: 3.000 Exemplare (1. Auflage) Druck: AVZ der Uni Potsdam

Redaktionsschluss dieser Ausgabe:15. April 2011

Diese Ausgabe wurde freundlicher Weise unterstützt von der AG Studiumplus der Universität Potsdam. Vielen Dank! :)

IMPRESSUM

SONNENSCHEIN, GUTE LAUNE UND LEICHTIG-KEIT ÜBERALL!?

NICHT ÜBERALL! DIE SPINNEN KRABBELN WIEDER. ABER IM GEGENSATZ ZU DEN ZUSTÄNDEN IN VIELEN LEHRVER-ANSTALTUNGEN AN UNSERER UNI SIND DIE NOCH ER-TRÄGLICH. GESTREIKT WIRD NICHT MEHR, ABER DIE ZU-STÄNDE WERDEN IMMER PREKÄRER. MITTLERWEILE GEBEN SOGAR JUNGE, ENGAGIERTE DOZIERENDE IHREN LEHRAUFTRAG ZURÜCK, WEIL DIE ARBEITSBEDINGUNGEN FÜR SIE UNERTRÄGLICH WERDEN. DIE VORSTELLUNG VOM KOMMENDEN WINTERSEMESTER MIT DOPPELTEM ABI-JAHRGANG UND ABITURIENTEN, DIE NICHT MEHR ZUM BUND MÜSSEN MACHT DIE LAUNE NICHT BESSER. BLEIBT DIE HOFFNUNG AUF EIN WUNDER UND EINE UNTERHALT-SAME NUMMER 5!

FRÜHLING.

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MEHR PLATZ ZUM SPACHTELNSeit Anfang April ist die Mensa am

Neuen Palais auf zwei Etagen ausge-

baut. Die „obere Mensa” erweitert das

Platzangebot um 168 Plätze. Außer-

dem wird das Angebot durch zwei

weitere gesunde Optionen ergänzt.

Das Studentenwerk berichtet auf der

Website, dass der zusätzliche Raum

auch für kulturelle Veranstaltungen

genutzt werden soll.

20-JÄHRIGESDie Uni Potsdam feiert dieses Jahr im Juli ihr 20-jähriges Bestehen. Höhepunkt des Jahres ist das Sommerfest im Kastanienhain am Neuen Palais am 14. Juli 2011. Gefeiert wird eine ganze Festwo-che lang vom 11. bis zum 15. Juli.

www.uni-potsdam.de

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Nach dem plötzlichen Rücktritt der AStA-Kulturreferentin Daria

Wabnitz am 14. April ist noch keine Nachfolge in Sicht. Wabnitz

leitete u.A. die Vorbereitungen zum Sommerfest am 4. Juni, an dem

auch die FH und die HFF beteiligt sind. Das steht nun auf der Kip-

pe. Mitglieder des Studierendenparlaments möchten auf der Sitzung

am Dienstag, dem 26. April, eine aktuelle Stunde beantragen.

HOCHSCHULSOMMERFEST IN GEFAHR?

IRGENDWANN IST EINFACH SCHLUSS!

Nach zwei Jahren engagierter Arbeit der Initiative Intelligenzija hat sich immer noch nichts maßgebliches an den Arbeitsumständen für die Lehr-beauftragten gebessert. Sabine Volk, Lehrbeaufragte im Fach Germanistik und Initiatorin der Intelligenzija, hat daraus jetzt für sich die Konsequen-zen gezogen. Sie hat ihren Lehrauf-trag bereits zum laufenden Sommer-semester zurück gegeben.

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FÜNFZIG-FÜNFZIGLinda, wo kommst du eigentlich her? Ein weiterer Teil unserer Reihe über weitgereiste Studierende in Potsdam. Von Denis Newiak

Linda ist in Hama geboren, eine der fünf größten und eine der ältesten Städte Syri-ens. Ihre Mutter deutscher Herkunft hatte zuvor ihren Vater, einen Syrer, in Deutsch-land kennengelernt. Später kommt dort Lindas Bruder zur Welt. Sie selbst erlebt ihre ersten Lebensjahre in Syrien, geht dann in Deutschland in den Kindergarten und in die erste Klasse. Seitdem pendelte sie zwischen den beiden viertausend Kilo-meter entfernten Ländern hin und her: In Syrien wiederholte sie die erste Klassen-stufe, übersprang darauf in Deutschland die Zweite. Erst 1999 zog sie zusammen mit ihrer Mutter fest nach Deutschland, wo sie dann die Schule beendete – und nun in Potsdam an der Universität „Eu-ropäische Medienwissenschaft“ im vierten Semester studiert.

Für das Studium ist sie vom Land in Potsdam-Mittelmarkt in die Stadt gezo-gen. Wenn sie nicht in Vorlesungen oder Projektseminaren sitzt, verdient sie sich beim RBB im Büro von „Brandenburg ak-tuell“ etwas dazu. „Ich bin sehr froh, dass ich schon so frühzeitig in dem Bereich ar-beiten kann, in dem ich auch später tätig sein möchte.“ Ein positiver Nebeneffekt sei es, dass die Arbeit entlohnt wird. Ab und zu besucht sie einen Kurs beim Hoch-schulsport, doch die größte Aufmerksam-keit schenkt sie ihrem Studium. Wer in einem Seminar neben ihr sitzt, wünscht sich vielleicht, sich eine Scheibe Ehrgeiz, Akribie oder Zielstrebigkeit abschneiden

zu können. Wer gerne lila trägt, dürfte sich mit ihr recht schnell anfreunden können.

Im Sommer und zu den Festtagen be-sucht sie die Familie väterlicherseits in Syrien. „Die Menschen dort geben einem viel mehr Wärme, viel mehr Herzlichkeit – egal, ob sie dich kennen oder nicht.“ Da-für würden sie es nicht so genau nehmen, wenn man sich zu einem bestimmten Zeit-punkt an einem bestimmten Ort verabre-det. „Inzwischen weiß ich: möchte jemand um elf Uhr da sein, kann ich ihn zwischen elf und halb eins erwarten.“

„Ich würde auf jeden Fall sagen, dass ich immer ‚fünfzig-fünfzig’ bin – halb deutsch halb syrisch.“ Manchmal, sagt die 20-Jährige, sei das schwer zu vereinbaren, schließlich wolle man sich irgendwo zuge-hörig fühlen. Doch sie braucht beides, sie kann nicht ohne das eine oder das ande-re. „Beides ist in mir drin und beides wird auch immer ein Teil von mir sein.“

In Deutschland liebt sie es, Fahrrad- zufahren, doch in Syrien mache das nie-mand. Dafür sei der Respekt gegenüber Anderen, vor allem gegenüber Älteren, viel höher.“ Manche, die das so nicht ken-nengelernt haben, würden es mit Unter-würfigkeit verwechseln, wenn eine junge Frau ihrem Vater einen Tee bringt, wenn er abends von der Arbeit heimkommt. Dabei ist es in Wirklichkeit etwas, was Respekt verdient, etwas Unersetzbares. Es gebe Missverständnisse, doch in Deutschland

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werde tolerant mit Menschen anderen Glaubens umgegangen. „Wenn der Innen-minister der Auffassung ist, dass Deutsch-land christlich geprägt ist und der Islam nicht zu Deutschland gehört – warum nicht? Das ist ja nur seine Meinung.“

Mehr als drei von vier Menschen in Syrien gehören dem Islam an. Sie selbst steht auch hier ein bisschen dazwischen. „Für mich hat Religion mit Glauben zu tun und ist nicht zwingend gebunden an Rituale.“ – Und woran glaubt sie? – „An einen Gott“ – Und woran noch? – „An be-stimmte Werte“ – Aber an welche? – Linda wird ein bisschen rot und hält inne. Nicht jeder würde das verstehen und es sei jedem selbst überlassen. „Wenn man älter wird, hinterfragt man das. Aber der Glauben ist auch eine Stütze.“

Während Linda von ihrem Glauben erzählt, brennt in Syrien die Luft. Aus welchem konkreten Grund die Leute auf die Straßen gehen, könne sie nicht ge-nau sagen, „schließlich sind die Proble-me nicht auf einmal aufgetaucht, sondern haben sich lange angestaut.“ Erst sollten vollverschleierte Frauen nicht mehr in

Erziehungsberufen arbeiten, jetzt dürften sie es plötzlich wieder doch; die Men-schen fühlten sich ungerecht entlohnt, für die jungen Menschen unter 24 Jahren, die vierzig Prozent der Bevölkerung aus-machen, gebe es wenig Perspektiven. Wer nichts hat, worauf er zusteuern kann, hat nicht viel zu verlieren.

„Auf der einen Seite stehen die traditio-nellen Religionsverfechter, auf der anderen die Liberaleren, hier die Assad-Befürwor-ter, dort seine Gegner.“ Nur um Religion geht es hier offensichtlich nicht, sondern auch um die großen Gegenwartsproble-me – Arbeitslosigkeit, Zukunftsangst. Das sind auch in Deutschland keine Fremdwor-te, im Gegenteil. „Es ist ein Mischmasch von vielem“ Genau kann sie es also nicht sagen. Wie es weitergeht, weiß niemand.

Ob sie auf dem Fahrrad unterwegs ist, arbeiten geht oder für ihr Studium lernt – das Ziel ist immer klar vor den Augen. Was heimliche Leidenschaften und Laster betrifft, hält sie sich bedeckt. Ein Aus-landssemester schwebt ihr noch vor. Und nach dem Abschluss? „Das entscheide ich, wenn ich ihn in der Tasche hab.“

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MÄRCHENWELT GRIEBNITZSEEZum Beginn der Wintersemesterferien kam am Campus Griebnitzsee märchenhafte Stimmung auf, denn drei überlebensgroße Rotkäppchen stehen verteilt auf dem Gelände. Erklärung für das Mädchen in rot sucht der Interessierte vergebens. hat nachgefragt, was es mit den Märchenfiguren auf sich hat. Von Lisa Büntemeyer

„Es war einmal ein kleines süßes Mäd-chen, das hatte jedermann lieb, der sie nur ansah.“ So beginnt das Märchen von Rot-käppchen, die bekanntlich im Wald auf den bösen Wolf trifft, von ihm verspeist und anschließend gerettet wird. Dieses Kinder-märchen kennen wir alle. Was aber macht Rotkäppchen fernab von der Märchenwelt an der Uni Potsdam? Und nicht nur das, Rotkäppchen ist 2,30m groß und gleich dreimal am Campus vertreten. Des Rätsels Lösung ist recht simpel: Die Skulpturen wurden von der Berliner Künstlergruppe ‚Inges Idee’ entworfen und im Rahmen des Hörsaalneubaus vom Bund als Kunst-projekt finanziell unterstützt.

Wer nach dem Wolf sucht, wird übrigens enttäuscht. Es gibt ihn nicht. Rotkäpp-chen steht mutterseelenallein vor dem Neu- und Altbau, sowie im Gehölz. Es wirkt tatsächlich ein bisschen so, als hätte sie sich verlaufen. Der Wolf, so die Künst-lergruppe, stehe für das Böse schlechthin. Weil er nicht da ist, fehlt dem Bösen eine konkrete Gestalt, die sehr viele Formen an-nehmen könne. Die verschiedenen Stand-orte sollen eine unterschiedliche Wirkung entfalten. So kann Rotkäppchen vor dem Altbau im ‚heroischen Stil’, der an die Zeit

des Faschismus erinnert, „symbolhaft für die Bedrohung des Individuums durch to-talitäre Kräfte gesehen werden“, meint die Künstlergruppe.

So schnell wie sie gekommen sind, wer-den die Skulpturen sicher nicht gehen, denn sie wurden in monatelanger Arbeit in Bronze gegossen und sind fest im Bo-den verankert. Einfach mitgehen lassen in einer Nacht- und Nebelaktion ist also nicht drin, schließlich wiegt das Mädchen gut und gerne 400kg.

Und wenn sie nicht geschmolzen sind, dann stehen sie noch heute an der Uni …

mit den Märchenfiguren auf sich hat. Von Lisa Büntemeyer

-chen, das hatte jedermann lieb, der sie nur

-käppchen, die bekanntlich im Wald auf den bösen Wolf trifft, von ihm verspeist und

-märchen kennen wir alle. Was aber macht Rotkäppchen fernab von der Märchenwelt an der Uni Potsdam? Und nicht nur das, Rotkäppchen ist 2,30m groß und gleich dreimal am Campus vertreten. Des Rätsels Lösung ist recht simpel: Die Skulpturen wurden von der Berliner Künstlergruppe ‚Inges Idee’ entworfen und im Rahmen

-des Faschismus erinnert, „symbolhaft für

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SOZIALE VISIONENVon Christoph Freytag

Die Sonne scheint, nur wenige Stu-dent_Innen sind am Campus Griebnitzsee zu sehen. Doch was ist das? Der größte Hörsaal 03/04 ist komplett mit Menschen gefüllt, und auch auf den Gängen drängen sich Menschenmassen. Während viele von uns noch die vorlesungsfreie Zeit genos-sen, fand am Uni-Campus Griebnitzsee vom 7. bis zum 9. April der Vision Sum-mit 2011 statt.

Der diesjährige Vision Summit ist eine Leitkonferenz für Social Entrepre-neurship, Social Innovation & Social Impact Business. Oder laut Veranstal-ter „der größte Innovationsworksop weltweit“. Den Vision Summit gibt es seit 2007, Gründer ist Peter Spiegel. Veranstaltet wurde das Ganze vom GE-NESIS Institute for Social Business and Impact Strategies gGmbH. Ein langer Be-griff, doch der Kreis schließt sich – unsere Uni war einer der Co-Veranstalter. Einmal als Veranstaltungsort und auf dem Vision Summit vertreten in Form des Centers for Entrepeneurship & Innovation (BIEM CEIP). Ein weiterer, neben einigen an-deren, wichtiger Co-Veranstalter war das Hasso Plattner Institut mit seiner School of Design Thinking.

Doch was ist Social Entrepeneurship? Entrepeneurship heißt zu Deutsch Un-ternehmertum. Es geht bei diesem Thema vereinfacht ausgedrückt um die Unterneh-mensgründung und alles was damit zu-sammenhängt, Social Entrepeneurship als Teil des diesjährigen Leitthemas der Visi-on Summit 2011, beschreibt nach Initiator

Bill Drayton eine sozialunternehmerische Tätigkeit, die sich innovativ und langfris-tig für einen wesentlichen, positiven Wan-del einer Gesellschaft einsetzen will.

Und was wollte dieses Event nun er-reichen? Unter dem Motto „Don´t wait. Innovate!“ fanden an drei Tagen zahlrei-che Workshops und Vorträge statt. Alle mit dem Ziel, soziale Innovationen zu fördern und zu erleichtern insbesondere durch Anwendung der Methode „Design Thinking“. Sehr viel Wert wurde auch auf das Netzwerken und den Austausch der rund 1000 Teilnehmer_innen mit den 150 Praktiker_innen untereinander gelegt. Die Kaffeepausen wurden wohl auch dafür sehr großzügig ausgelegt.

Das „Design Thinking“ der School of Design des Hasso Plattner Institut (HPI) prägte den Tagesablauf des 7. April mit rund 250 Workshopteilnehmer_innen in 33 Workshops. Die sah sich das genauer an.

Ein Gewusel von Menschen im Ober-geschoss des HPI. Es gibt Stehtische an denen kleine Grüppchen stehen und dis-kutieren, auf Zetteln Schlagwörter auf-schreiben. An Betonsäulen sind Fragestel-lungen zu lesen: „Wie kann man während des gesamten Bildungsweges gleiche so-ziale Bedingungen für Schüler schaffen?“ oder „Wie können wir Menschen, die bisher globalen ökologischen Herausfor-derungen gleichgültig gegenüber stehen, dafür gewinnen, nachhaltig ökologisch zu handeln?“. Professor Ulrich Weinberg, Chef der School of Design Thinking klärt

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uns auf. „Die Teilnehmer_innen lernen hier an einem Tag im Schnelldurchlauf die Methode des Design Thinking ken-nen. Normalerweise dauert das je nach Semester 12 oder 6 Wochen.“ Im Nor-malfall kann man Design Thinking nach einem vorangegangen Auswahlverfahren an der Design School des HPI studieren. Es ist ein Zusatzstudium, wofür sich jede_r Student_in, egal welcher Disziplin, bewer-ben kann. Im Studium wird an „Design Challenges“ gearbeitet, die im Vorfeld mit Projektpartnern entwickelt werden. Als Abschluss gibt es ein Zertifikat.

Die Workshopteilnehmer_innen waren unterschiedlichster Coleur: Lehrer_innen, Unternehmer_innen und Student_innen. Wie auch im Studium, sollten die Teilneh-mer_innen in multidisziplinären Teams Ideen entwickeln. Das ist auch eine der grundlegenden Ideen hinter Design Thin-king „die teamorientierte Ideenfindung zur Lösung von Problemen“, so HPI-Pressesprecher Hans-Joachim Allgaier. Im Rahmen der Vision Summit 2011 wurden dafür soziale Fragestellungen genutzt.

Die sechs Schritte des Design Thin-king sind schnell aufgezählt: Understand, Observe, Point of View, Ideate Prototype und Test. Die Teams hatten zusammen-gefasst die Aufgabe, innovative Ideen zu sammeln, eine Idee in einer Diskussion und mit Hilfe z.B. einer Mindmap aus-zuwählen und daraus am Ende einen Pro-totypen zu bauen. Einige der Schritte des Ideenfindungsprozesses wurden dabei von manchen Gruppen mehrmals durchlaufen. „Fail often and early – früh scheitern und von vorne anfangen ist besser, als später, wenn alles fertig ist, zu scheitern. Dann können Sie gar nicht mehr reagieren,“ er-gänzt HPI-Chef Weinberg „und das im

Ideen-Findungsprozess öfter Schritte er-neut durchlaufen werden, ist ein norma-ler Vorgang beim Design Thinking.“ Laut Workshop-Coach Simon Blake „hofft der Veranstalter, dass einige der Ideen später praktisch angewandt werden.“

Szenenwechsel, es ist Samstag 9. April und sechs Workshop-Gruppen präsen-tieren Ihre Ideen. Eine Gruppe hatte die Aufgabe, dem Neuköllner Sebastian zu helfen, sein Kiezbier „Quartiermeister“ an den Mann und die Frau zu bringen. Unter anderem wurde die Idee entwickelt, einen Coach für ihn über die Aktion „Beratung gesucht, Bier geboten“ zu finden. Um das Produkt weiterzuentwickeln wurde ein „DrinkTank“ unter dem Motto „Saufen für den Guten Zweck“ entwickelt. An-hand der Lacher des Publikums war eine Zustimmung des Publikums zu spüren.

-Fazit: Uns wurden die Au-gen geöffnet, dass man auch unternehme-risch soziale Probleme lösen kann, und der Studiengang „Design Thinking“ hat neue Möglichkeiten auf dem Weg dahin aufge-zeigt.

Mehr Infos: www.visionsummit.org und www.hpi.uni-potsdam.de/d-school

uns auf. „Die Teilnehmer_innen lernen hier an einem Tag im Schnelldurchlauf

-nen. Normalerweise dauert das je nach

-malfall kann man Design Thinking nach einem vorangegangen Auswahlverfahren an der Design School des HPI studieren. Es ist ein Zusatzstudium, wofür sich jede_r

-ben kann. Im Studium wird an „Design Challenges“ gearbeitet, die im Vorfeld mit Projektpartnern entwickelt werden. Als

Workshop-Auswertung unter kritischen Bli-

cken von Professor Ulrich Weinberg (rechts)

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JESUS UND DIE OSTEREIER von Lisa Büntemeyer

Es war einst ein Freitag vor gut und gerne 2000 Jahren, da wurde ein bärtiger Mann ans Kreuz genagelt und starb einen schmerzhaften, qualvollen Tod, um sein Volk zu retten. Der gute Herr blieb al-lerdings keine zwei Tage unter der Erde, sondern war schon am darauffolgenden Sonntag wieder putzmunter.

Was haben wir aus diesem doch sehr außergewöhnlichen Ereignis der Aufer-stehung gemacht? Wir nennen es Ostern, suchen bunte Eier im Garten, die ein aber-witziger Hase dort versteckt haben soll und schlagen uns den Magen voll. Wo bitte liegt da der Zusammenhang?

Und warum findet die Osterfeier jedes Jahr an einem anderen Wochenende statt, dieses Jahr sogar erst Ende April? Die Antwort ist Ergebnis jahrhunder-telanger Berechnungen und Streitereien der Kir-che: Ostern fällt immer auf den Sonntag nach dem ersten Frühjahrsvollmond, demnach frühestens auf den 22. März und spätes-tens auf den 25. April. So ist es ja auch viel unkomplizierter, als einfach das Datum von Jesu Auferstehung festzuhalten und ein für alle mal als unbeweglichen Feiertag in den Kalender einzuschreiben...

Um nun von Jesu Auferstehung zu Os-terhasen und bunten Eiern zu kommen, müssen wir noch ein paar weitere Tage in die Zeit zurückreisen, bis zum Ascher-mittwoch. Mit dem Ende des Karnevals beginnt nämlich die siebenwöchige Fas-tenzeit, die bis zum Ostersamstag andau-

ert. Früher musste der gutgläubige Christ während der Fastenzeit auf Fleisch- Milchprodukte und Eier verzichten. Die Hühner, die die Fastenzeit natürlich herz-lich wenig interessiert, legten indessen fleißig weiter Eier. Da der Mensch kein verschwenderisches Wesen ist und den enormen Überschuss an Eier verwerten musste, kochte er sie einfach, um sie so-mit länger haltbar zu machen. Die alten Eier wurden rot angemalt, damit sie sich von den frischen abhoben. Nach und nach wurde rot dann durch verschiedene Far-ben ersetzt – dieses Kulturgut ist in diesen Tagen in jedem Supermarkt zu Spottprei-sen erhätlich.

Wollen wir den Osterhasen nicht ver-gessen. Der tauchte erst im 17.Jahrhundert als öster-licher Eierbringer auf und etablierte sich 200 Jahre später, als die Spielzeug- und Schokoladenindustrie enorme Profitchancen in dem kuscheligen Hoppler

entdeckte. Eindeutige Erklärungen für die Herkunft des Hasens gibt es nicht, Ver-mutlich ist der Eierlegende Hase einfach Produkt von Eiersuchenden Kindern, die auf ihrer Suche im Feld Hasen sahen.

Soviel zur Entstehung Osterns. Wenn wir am Ostersonntag also genüsslich Schokolade oder andere Dinge verspeisen, sollten wir auch einen Moment an den berühmtesten Untoten der christlichen Geschichte denken. Noch ein kleiner Tipp zum Abschluss: Besonders gut schmeckt an Ostern der Hasenbraten.

WILLKOMMEN IN DER HÖLLEEin berechtigter Verriss des vielleicht widerlichsten Bundesstaates der USA. Von Denis Newiak

Kurz bevor ich meine Schwester nach Houston in Texas zu einem Kongress be-gleiten wollte, hatte ich mich erkältet. Es war fast so, als wollte mich die folgende Schwäche von meiner Reise abhalten. Doch ich fuhr trotzdem.

Auf die drei Tage in Texas größter Stadt hatte ich mich gefreut, an gutgelaunte Cowboys mit Lassos und Hüten gedacht, den Sound eines Countrysongs im Ohr, während ich über einen Highway der Son-ne entgegen fahren und nur kurz für ein paar Stunden Schlaf im gemütlichen Motel unterkommen würde. Das alles hat sich als lächerliche Romantik herausgestellt, der ich mich nie wieder hingeben werde.

Houston, wir haben ein Problem. Die Stadt ist bekannt für das NASA-Kont-rollzentrum. Laut Wikipedia gibt es dort auch „hervorragende biomedizinische Forschung“. Dafür mangelt es dem Ort an Menschenwürde. Gewagte Aussage? Abwarten.

Als wir in die Stadt einfahren, verschlin-gen uns die Hochhäuser. Es sind keine Hochhäuser wie in New York, die einem das Gefühl geben, dass sie leben, sondern solche, die einen erdrücken mit ihrer Kälte. Die Stadt ist wie ausgestorben, kaum ein Mensch ist auf der Straße, dabei befinden wir uns abends im Zentrum. Alle Geschäf-te sind geschlossen, selbst der McDonald’s hat schon um sieben zugemacht. Auf unse-

rer Suche nach einer Einkaufsmöglichkeit begegnen uns zwei Leute: Einer fragt nach „Change“ (ein paar Dollar), der andere sagt uns, dass es in der Nähe keinen Su-permarkt gibt – mitten in der Innenstadt? Er schickt uns zu einer Touristenfalle, wo es fast nichts gibt. Wir geben uns mit einer Packung Tee zufrieden, mit dem ich die wachsenden Halsschmerzen bekämpfen möchte. Honig gibt es keinen. Ich schlafe schlecht, wache schweißgebadet auf und huste mir die Seele aus dem Leib.

Am nächsten Morgen hoffe ich, dass sich der Tag der Ankunft als reines Pech entpuppt, dass sich der Ort einfach nicht gut präsentiert hat oder wir zu müde wa-ren, um seine Schönheit zu erkennen. Doch die ganze Pracht der Hässlichkeit präsentiert sich uns erst im Tageslicht. Die Friteusen laufen auf Hochtouren und nebeln die staubigen Straßen mit widerli-chen Fettgestank und stickiger Hitze ein.

Ein berechtigter Verriss des vielleicht widerlichsten Bundesstaates

Kurz bevor ich meine Schwester nach -

gleiten wollte, hatte ich mich erkältet. Es war fast so, als wollte mich die folgende Schwäche von meiner Reise abhalten.

Auf die drei Tage in Texas größter Stadt hatte ich mich gefreut, an gutgelaunte Cowboys mit Lassos und Hüten gedacht, den Sound eines Countrysongs im Ohr,

-ne entgegen fahren und nur kurz für ein

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Gut, dass ich sowieso nur noch durch den Mund atmen kann. In einem Einkaufs-zentrum treffe ich meine Schwester, um mit ihr in den Supermarkt zu gehen, doch außer einer heruntergekommenen Droge-rie mit ein paar Oreo-Keksen finden wir nichts. Nur die überteuerten Bananen bei Starbucks wirken vertrauenswürdig. Aus Verzweiflung setzen wir uns an einen Plastiktisch und nehmen einen Snack zu uns: versalzener Salat mit Presshühnchen und Fischteilen, was alles nach Panade schmeckt. Zu zweit haben wir mit einer Mahlzeit ein viertel Kilo Müll fabriziert, die nicht essbaren „Speise“-Reste nicht eingerechnet. Die aufdringliche 70er-Jah-re-Musik, die wie im schlechten Film die Kaufwütigen zum Konsum anheizen soll, schlägt uns in die Flucht. Natürlich hätten wir auch im Hotel oder einem edlen Res-taurant essen können, doch das muss man sich leisten können.

Wir suchen den Ort auf, der als der ein-zig würdige wirkt: Eine Buchhandlung. Doch außer Biografien von Landesstolz Bush, Büchern mit Titeln wie „Art of War“ und einer ganzen Etage mit Bibeln in verschiedensten Ausführungen und ent-

sprechendem Zubehör (ja, zu Bibeln gibt es hier Zubehör...) finden wir hier nichts – noch nicht einmal einen Fremdenführer zu Texas oder Houston! Zur Erinnerung: Das ist der Ort, in dem wir uns gerade gedanklich befinden. Doch wovon sollte man auch in so einem Reiseführer sch-reiben, wo es doch hier nicht einmal ei-nen Supermarkt gibt? Bei dem Gedanken kommt uns die Panade hoch.

Die Halsschmerzen haben mir inzwi-schen die Stimme geklaut. Dieser Ort macht sprachlos. Und machtlos.

Der letzte Tag: Wir haben nicht aufge-geben. Unsere Suche nach einem Super-markt führt uns in eine Kaufhalle, die erst vielversprechend aussieht. Doch die Kli-schees bestätigen sich: Jeweils ein Regal mit Keksen, mit Chips und mit Cola. Die Kosmetikabteilung nimmt zwei Drittel der Ladenfläche ein. Abgefülltes Wasser kostet das doppelte wie Limonade. Vor Hunger und Hoffnungslosigkeit werden wir wütend und gereizt. Als wir zufällig ei-nen „Food Store“ entdecken, schöpfen wir zum letzten Mal Hoffnung – vergebens. Kekse, Chips, Cola. Auf dem Rückweg gehen wir an einem Fastfood-Laden vor-bei: „Cooper’s Express“ – Ein Huhn mit menschlichem Gesicht guckt vor einem Berg von grauen frittierten Hähnchen-Leichenteilen hervor. Während ich das hier schreibe, glaube ich selbst kaum.

Am Tag der Rückfahrt denken wir nur an eines: Die Rückfahrt. Und an die Angst, den Flug zu verpassen. Als sich eine Stunde lang kein Bus zum Flughafen blicken lässt, steigen wir ins Taxi. Am Ende der Tour sagt der Fahrer: „Ich bin Demokrat. Die Repu-blikaner wollen unsere Kinder verhungern lassen.“ Wir applaudieren ihm – und schöp-fen Kraft. Ich fühle mich besser.

FAKTEN ZU TEXAS:In Texas und 19 anderen US-Bundes-staaten ist das „Paddling“ an Schulen erlaubt. Dabei werden Kinder durch Schläge auf das Gesäß gezüchtigt. Te-xas ist unter den Top-5-Staaten mit den meisten Paddlings.Ein Drittel aller Vollstreckungen der Todesstrafe in den USA findet in Texas statt.In Texas leben so viele Kinder ohne Krankenversicherung (14 Prozent) wie in keinem anderen US-Bundesstaat.

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KAMPF GEGEN WINDMÜHLENMit einem spontanen Auftritt beim Bildungsstreik im November 2009 begann das öffentliche Engagement der IntelligenzijaPotsdam. Hier wurde der Grundstein für die weitere Zusammenarbeit mit den Studie-renden gelegt und das Problem der Arbeitsbedingungen von Lehrbeauf-tragten erstmals in der Öffentlichkeit präsent gemacht.

Von Sabine Volk & Michael Bahn für die IntelligenzijaPotsdam

Es folgten zahlreiche Beiträge in ver-schiedensten Medien. Daraufhin erhielten wir Unmengen an Zuschriften aus ganz Deutschland. Die Lern- und Lehrzustän-de, so wurde schnell deutlich, sind un-haltbar in der gesamten Bildungsrepublik. Unsere zentralen Forderungen wurden von allen Betroffenen begrüßt. Durch das zunehmende Medieninteresse alarmiert, reagierte das Präsidium der Universität Potsdam, namentlich Herr Dr. Grünewald, mit einer Gesprächseinladung im März 2010. Doch schon die unangekündigte Erweiterung der Runde durch den Vize-präsidenten für Forschung und wissen-schaftlichen Nachwuchs, Prof. Dr. Walz sowie die Pressesprecherin, Frau Mangels-dorf, ließ nichts Gutes erahnen. So wurde uns nicht nur nahegelegt, die Universität Potsdam zu verlassen, sondern wir erhiel-ten auch einen Einblick in die nicht gerade schmeichelhafte Sichtweise der präsidialen Herren auf vor allem bereits promovierte Lehrbeauftragte und Privatdozent_innen - die haben es eben nicht geschafft. Fer-ner, erfuhren wir, würde definitiv kein Geld in den „Topf für Lehrbeauftragte“ fließen und als Mitglieder der Universität sei diese Gruppe auch nicht aufnehmbar, bekomme sie ja dann ein Stimmrecht in etwaigen Gremien. Schon durch diese

letzte Aussage zeigte sich, dass das Prä-sidium die Realität nicht nur nicht wahr-nahm, sondern auch verkannte. Die Rolle der Lehrbeauftragten bei der Absicherung des Lehrangebots wurde marginalisiert. Es handle sich nur um einen verschwindend geringen Teil, hieß es. Unsere Recher-chen ergaben etwas anderes: Allein an der philosophischen Fakultät trugen Lehrbe-auftragte im Wintersemester 2010/ 2011 zwischen 18 und 25 Prozent der Lehre. Auch ein zweites Gespräch brachte keine Veränderung der Haltung. Das Präsidi-um der Universität Potsdam sieht weder kurz- noch langfristig Handlungsbedarf. Ebenso scheint es auch das nun unter der Leitung von Dr. Sabine Kunst stehende Wissenschaftsministerium zu sehen. Auf unsere von 1285 Unterzeichner_innen un-terstützte Petition erhielten wir bis heute keinerlei Reaktion.

Wie sieht nun die Bilanz der Intelli-genzijaPotsdam nach bald zwei Jahren aus? Konnten wir die Situation für Leh-rende und Studierende an der Universi-tät Potsdam verbessern? Die ehrliche wie deprimierende Antwort muss leider ganz klar lauten: Nein. Weder haben sich die Umstände, unter denen Lehrbeauftragte arbeiten müssen, in irgendeiner Weise ver-bessert, noch kam es in den zuständigen

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Stellen zu wenigstens dem Anzeichen ei-nes Umdenkens. Zwar wurde durch unser Engagement eine Menge Staub aufgewir-belt, doch zeigte sich schnell, dass die Di-agnose Erich Fromms über die westliche Gesellschaft auch auf die universitären Strukturen zutrifft: „Versucht man, nur einen isolierten Teil des Systems zu verän-dern, wird dies nicht zu einer Veränderung des Systems selbst führen. Das System wird im Gegenteil weiterhin auf seine ihm eigene Art und Weise funktionieren und versuchen, eine Veränderung an einem Teil so zu absorbieren, dass sehr bald die Wirkungen der Veränderung ungeschehen gemacht sind.“1

Sind wir also gescheitert, weil unser An-satz zu kleinteilig gedacht war? – Auch hier muss die Antwort lauten: Nein. Wir haben eine große Öffentlichkeit für das Thema sensibilisiert, waren mutig, haben gekämpft und sind dabei besonders auch dort an Grenzen gestoßen, wo wir keine vermutet hätten. So wurden Informati-onen oftmals zurückgehalten oder auch falsch oder zu spät weitergegeben. Inner-halb des Systems Universität existierten

keine Anlaufstellen. Niemand wusste, an wen sich zu wenden sei. Moralische Un-terstützung erhielten wir in großen Men-gen. Tatkräftige hingegen nur sehr wenig. Mehrheitlich legte man uns Steine in den Weg - auch Betroffene selbst taten dies nicht selten. Sabine Volk hat zu Beginn des Sommersemesters Konsequenzen aus den geschilderten Begebenheiten und Er-fahrungen gezogen. Sie hat ihren Lehrauf-trag aufgrund „unverändert widriger Ar-beitsbedingungen“ zurückgegeben. Auch Michael Bahn wird unter den gegebenen Umständen nach dem Ende des aktuellen Semesters keinen weiteren Lehrauftrag annehmen. Doch es gibt keinen Grund zur Beunruhigung: Es wird schnell und einfach Ersatz für uns gefunden werden. Und alles bleibt so, wie es war.

1: Fromm, Erich (1969): Die Überlebens-chancen der westlichen Gesellschaft (Vor-trag aus dem Jahr 1969). In: Fromm, Erich (1992): Humanismus als reale Utopie: Der Glaube an den Menschen. Schriften aus dem Nachlass. Bd. 8. herausgegeben von Rainer Funk. Weinheim u. Basel: Beltz, S.49.

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EIN SONNIGER TAGEin Bericht vom „Tschernobylkongress“ 2011 in Berlin. Von Denis Newiak

Es ist ein Samstag, während sich die ukrainische Stadt Prypiat auf den „Tag der Arbeit“ am 1. Mai vorbereitet: Junge Frauen duschen nach der Arbeit und freu-en sich auf den verdienten Feierabend, ein Pärchen bejubelt am Abend seine Hoch-zeit und die Menschen singen und tanzen. Es ist ein Samstag, der 26. April. Während die Einwohner der 50.000-Seelen-Stadt ausgelassen feiern, wissen viele von ihnen noch nicht, dass sich mit jeder weiteren Sekunde, die sie an diesem Ort verbrin-gen, ihre Chance, ihr Leben weiterführen zu können, drastisch reduziert und schon nach wenigen Stunden gegen Null strebt. Diejenigen, die es wissen, wollen es nicht wahrhaben und lieber ihren letzten Tag in Frieden verbringen. Prypiat liegt nur vier Kilometer vom Atomkraftwerk in Tscher-nobyl entfernt, wo sich am Morgen des 26. April die bisher schwerste Katastrophe der zivilen Nutzung der Atomenergie ereigne-te – verursacht durch Konstruktionsmän-gel und grobfahrlässigen Größenwahnsinn des Bedienpersonals. Doch die Bevölke-rung wird nicht gewarnt, erst viel zu spät in Sicherheit gebracht. Die Menschen in Prypiat und den vielen anderen von der Katastrophe betroffenen Dörfern und Städten wiegen sich in Sicherheit – oder haben keine Chance, etwas zu unterneh-men, um sich zu retten.

„V Subbotu“ („An einem Samstag“), der im Februar als Weltpremiere auf der Berli-nale gezeigt wurde, erzählt die Geschich-te des Tages der Reaktorkatastrophe von

Tschernobyl. Das Drama zeigt die Gesich-ter der Menschen ganz nah, und der Zu-schauer weiß, dass sie alle Opfer einer Ka-tastrophe schrecklichen Ausmaßes sind, ohne dass die Gefahr, die hohe radioaktive Strahlung, spür- oder sichtbar ist. Ein un-sichtbarer Feind, gegen den jeder Kampf chancenlos ist, vor dem es keine Rettung gibt, keine Heilung. Wie viele Menschen in Folge der Katastrophe und der freige-setzten Strahlung starben, hat sich bisher keine Behörde getraut zu sagen. Die atom-industrienahe IAEA spricht von 4.000 To-ten, Wissenschaftler wie Bertell von bis zu 1,7 Millionen. Erst allmählich, 25 Jahre nach der Katastrophe, zeigt sich, welches Ausmaß dieses Unglück tatsächlich hatte.

Um die Öffentlichkeit über die Auswir-kungen zu informieren und über eine Welt frei von Atomkraftwerken und Atom-bomben zu diskutieren, luden vom 8. bis 10. April die friedensnobelpreisprämier-ten „Internationalen Ärzte für die Verhü-tung des Atomkrieges“ (IPPNW) in die Urania Berlin zum dritten „Tschernobyl-kongress“ unter dem Motto „Zeitbombe Atomenergie: 25 Jahre Tschernobylkon-gress – Atomausstieg jetzt!“.

Seit 40 Jahren kämpft die Australierin Helen Caldicott, Jahrgang 1938, gegen den Atomwahnsinn. Dafür wurde sie in diesem Jahr mit dem „Nuclear-Free Fu-ture Award“ ausgezeichnet. Sie spricht zu Beginn des Kongresses – und die Be-sucher_innen im Humboldt-Saal wissen, wen sie vor sich haben. „That’s a very sad

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time in the history of the world“, sagt sie, schließlich spielen sich an diesem Tage in Fukushima ähnliche Schreckensereignisse wie einst in Tschernobyl ab. Die Stimme der zierlichen Frau durchdringt den gan-zen Saal, während sie sich über das Pult dem Publikum entgegen neigt. Sie klagt an: Die Atomindustrie lüge ständig, die Folgen Tschernobyls würden noch heute heruntergespielt werden und die Regie-rungen und Konzerne, die heute noch auf Atomenergie setzen, würden das Leben unzähliger Menschen aufs Spiel setzen. Tatsächlich: dass unter den Folgen der Strahlenbelastung hunderttausende Men-schen leiden, machtlos Mutationen und Deformationen, Kinderlosigkeit und ver-erblichen Gendefekten, Armut und Per-spektivlosigkeit gegenüber stehen, wird systematisch verschwiegen. Die Zahl der Todesopfer ist nicht abschätzbar, zu groß ist die Zahl derjenigen, die noch in den nachfolgenden Generationen unter den sich exponentiell vervielfältigenden Erb-krankheiten leiden werden. Eine offizielle Untersuchung gab es nicht, stattdessen werden Zahlen schöngeredet, Verantwor-tungen abgeschoben.

Obwohl das alles bekannt ist, stehen z.B. in der russischen Atomanlage in Mayak tausende Fässer mit spaltbarem Material schutzlos auf einem lediglich umzäunten betonierten Vor-platz. Es gibt auch keine Reakti-on auf immer wieder neue For-schungsergebnisse, die auch der dauerhaften Niedrigstrahlung, z.B. in der 5-Kilometer-Zone um Atomkraftwerke ein erheb-liches Gesundheitsrisiko bei-messen (die KiKK-Studie z.B. zeigte, dass Kinder in diesem Bereich ein vielfach höheres Ri-

siko haben, an Lungenkrebs zu erkranken; zudem ist bekannt, dass sich das zahlen-mäßige Verhältnis von Frauen und Män-nern in diesen Gegenden verändert– genau wie in Tschernobyl – ein Zeichen für eine höhere Strahlenbelastung). Und nicht nur in den ehemaligen Sowjetländern (selbst in der Ukraine!) werden wieder neue Atom-kraftwerke gebaut, sondern z.B. auch (mit Unterstützung des deutschen Steuerzah-lers) in einem brasilianischen Erdbebenge-biet und vor allem in großem Stile in den reichen Industrieländern. Angesichts der Ereignisse in Japan wirkt diese Sammlung an Beispielen wie ein widerliches Abbild von Dummheit und Wahn. „Die Mensch-heit hat nichts gelernt.“, schallt es durch die Urania – und die Besucher_innen wis-sen, dass sie zur Tat schreiten müssen.

Rechtzeitig zur Mittagspause zeigt sich beeindruckend die Kraft der Sonne, die auf der Haut und im Gesicht kitzelt. Bei Juli-Temperaturen treten die Teilnehmer_innen ihren Demonstrationszug an. Ge-nau um 14 Uhr fallen tausende Menschen vor der Berliner CDU-Parteizentrale und der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskir-werden Zahlen schöngeredet, Verantwor

Obwohl das alles bekannt ist, stehen z.B. in der russischen Atomanlage in Mayak tausende Fässer mit spaltbarem Material schutzlos auf einem lediglich

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schungsergebnisse, die auch der dauerhaften Niedrigstrahlung, z.B. in der 5-Kilometer-Zone

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messen (die KiKK-Studie z.B. zeigte, dass Kinder in diesem

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und der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskir-

In diesem Krankenhaus haben einst Neugeborene ihre ersten Lebenstage verbracht.

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che symbolisch „tot“ um. Der Tod kann plötzlich kommen und ohne, dass wir ihn sehen, spüren oder schmecken. Werden nicht endlich alle Atomkraftwerke stillge-legt, kann es jeden treffen: Dann legt sich der kalte Schleier über uns. Es gibt kein „Restrisiko“, sondern die Störung und das Unglück sind der Normalfall, das hat die Vergangenheit mit ihren tausenden Stör-fällen bewiesen. Dieser Gefahr möchte sich niemand der Demonstrierenden mehr aussetzen lassen. Von der konservativen Partei gab es keine Reaktion, dabei hatte sie doch erst letztes Jahr entgegen einer Vier-Fünftel-Stimmung in der Bevölke-rung den Atomkonsens vernichtet – zu-gunsten der Atomlobby.

Doch inzwischen sind selbst die größten Atomfreunde zu „Ökos“ geworden. Jo-chen Stay von der Anti-Atom-Organisati-on „.ausgestrahlt“ zitiert sein neues „Idol“ Horst Seehofer: Der CSU-Chef frage seit der Fukushima-Unfälle nicht mehr nach der Wahrscheinlichkeit eines Unfalls, son-dern nach der Möglichkeit. Damit, meint Jochen Stay, hat auch der Konservativste endlich eingesehen, dass alle Atomreak-toren auf die Atommüllkippe gehören – schließlich ist bei keinem Atomkraftwerk ein Super-GAU ausschließbar. „Diese Zeit ist eine riesige Chance“, sagt der Atom-gegner, dessen Protestaktionen selbst vom Verfassungsschutz schon „gewürdigt“ wurden (er sei eine „zentrale Person des Anti-AKW-Widerstandes, der eine koor-dinierende Funktion wahrnimmt“). In Deutschland gäbe es jetzt die Möglichkeit, das Ende des Atomzeitalters zu besiegeln. Schließlich hat selbst die „BRAVO“ die „Atomkraft? Nein Danke!“-Sonne auf Postern abgedruckt und einen Artikel zum richtigen Demonstrieren gebracht. Und Jamba animiert seine Nutzer_innen, „eine SMS mit ‚NEIN’“ zu schicken, um

ein durchgestrichenes Strahlenwarnsym-bol als Bild aufs Handy zu bekommen. Am 28. Mai, zum Ende des sogenannten „Moratoriums“, soll es eine bundesweite Großdemo in Städten und an Atomkraft-werken geben.

„Wenn du morgens in den Spiegel guckst, musst du dich fragen: ‚Was kann ich heute tun, um den Planeten zu ret-ten?’“, ruft Helen Caldicott am Ende ih-rer Rede auf. Es klingt pathetisch, aber sie meint es ernst. Schließlich geht es nicht nur um die Atomkraftwerke, sondern auch um die undichten „Endlager“ und tausende von Atombomben (die auch ohne viel Aufwand mit spaltbarem Mate-rial aus Atomkraftwerken gebaut werden können), über deren Zündung und somit den tatsächlichen Weltuntergang nur ein paar mächtige Einzelpersonen entschei-den könnten. Henrik Paulitz, der für die IPPNW für die Stilllegung des Störfalls-meilers Biblis B kämpft, wirbt für einen konsequenten Übergang zu Erneuerba-ren Energien: „Während Solaranlagen inzwischen in Spitzenzeiten bis zu zehn Prozent des deutschen Bedarfs decken könnten, wird durch ‚Stromautobahnen’ weiter die Marktmacht der Großkonzer-ne zementiert.“ Jetzt sei der Zeitpunkt in moderne Stromnetze und leistungsfähige regenerative Kraftwerke zu investierten – Technologie und Geld wären ausreichend da, würden endlich die offenen und ver-steckten Subventionen an die Atomkon-zerne abgeschafft werden.

An einem Samstag, als sie feiern und glücklich sind, werden hunderttausende aus dem gewohnten Leben gerissen. 25 Jahre später passiert es wieder. Dass es schon in Kürze wieder passiert, vielleicht ganz in unserer Nähe, kann niemand mehr ausschließen.

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23. APRIL 22.00 Uhr: Semsesteranfangsparty, vom Pub á la Pub in den Lindenpark, mit Buss-huttle, Studis zahlen 3 EUR

27. APRIL 21.00 Uhr: KuZe-Konzert, Band Hooker, Eintritt frei www.kuze-potsdam.de

30. APRIL20.00 Uhr: Pub á la Pub, Singer/ Songwriterin Julia Kotowskiwww.pub-a-la-pub.de

21.00 Uhr: KuZe-Konzert(e), Jagoda & Future Fluxus, Eintritt 3-5 EURwww.kuze-potsdam.de

02. MAI 20.00 Uhr: AStA-Montagskultur, Philosophisches Café www.kuze-potsdam.de

02. — 06. MAI 2011Vegetarische Woche an den Mensen Golm und Neues Palaiswww.asta.uni-potsdam.de/2011/04/vegetarische-woche

5. MAI16.00 Uhr: Info- und Diskussionsveran-staltung "Gerechte Ernährung?", Campus Neues Palais, Raum 1.09.2.04.www.asta.uni-potsdam.de

ENTTÄUSCHEND! :(Seitdem Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs September 2010 seine zwei-te Amtszeit angetreten hat, versucht die

für Euch, einen Inter-viewtermin zu bekommen. Doch an-scheinend hat er kein Interesse daran, Euch zu berichten, was er für die Potsdamer Studis plant. Schade!

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13. MAI20.00 Uhr: Archiv Potsdam, Freitag der 13. Punkrockwww.archiv-potsdam.de

20. MAI 23:59 Uhr: Waschhaus, Boogie 3000 mit Fritz Kalkbrennerwww.waschhaus.de

20:45 Uhr: Nil StudentInnenkeller, Texte im Untergrund, die Lesebühne im Keller, Eintritt 3 EURwww.planet-nil.de

21. MAI 20:00 Uhr: ARCHIV Potsdam, B-Day Partywww.archiv-potsdam.de

28. MAI UND 4. JUNI Zweites Internationales Fußballturnier "Fußball trifft Vielfalt". Gewinn mit deinem Team den diesjährigen Pokal, der am 4. Juni beim Hochschulsommerfest verliehen wird! Teamanmeldung unter:[email protected]

4. JUNI 14:00 bis 24:00 Uhr: Sommerfest der Potsdamer Hochschulen, und im Anschluss Aftershowwww.hochschulensommerfest.de

11. — 15. JULIFestwoche zum 20. Jahrestag der Universität Potsdam www.uni-potsdam.de

Die Redaktion der wünscht Euch

und Euren Freund_innen und Familien frohe Ostern !

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