Leseprobe - Sanela Eegli - Rebecca

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http://romanverlag.com/Rebecca-ebook Wie klärt man einen Mord - mit den Kindern auf dem Arm? Sie ist taff. Sie ist verplant. Sie will Gerechtigkeit. Eine Mutter im Kampf gegen Verbrecher - und gegen den ganz normalen Wahnsinn des Alltags. Ein Roman, der auf jeder Seite zum Schmunzeln einlädt. In der linken Hand der Schnuller, in der Rechten die Pistole! Rebecca, eine Weinfelder Polizistin und total chaotische Mutter einer Tochter, muss den Mord an einer schwangeren Frau aufklären. Schnell findet sie heraus, dass für diese Tat mehrere Männer infrage kommen. Rundherum gibt es potenzielle Väter des ungeborenen Kindes, und jeder von ihnen könnte der Mörder sein. Während sie im Berufsleben alles gibt, wachsen Rebecca das Muttersein und der Haushalt über den Kopf. Die dreckige Wäsche quillt über den Wäschekorb auf den verstaubten Badezimmerboden, die WC-Schüssel verfärbt sich vom Perlweiß in ein hässliches Uringelb, und sie fragt sich, was das undefinierbare Eingebrannte auf dem Herd wohl sein könnte. Am Mädelabend mit ihren Freundinnen wird ihr klar, dass jede Mutter mal am Ende ihrer Kräfte ist – und sie heckt einen ungewöhnlichen Plan aus...

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--- LESEPROBE ---

Rebecca

Eine fast normale Frau

Sanela Egli

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"Kuriose Alltagsgeschichten wie sie jeder kennt, aber doch etwas ganz besonderes... Ich konnte die Finger nicht von

diesem Buch lassen."

Brigitte Zensner

"Ist das meine Autobiografie ? Selten habe ich mich so gut in die Figur eines Buches hineinversetzen können wie bei diesem.

Genial!"

Sarah P. per Email

"Nicht nur ein Buch für Frauen. Auch ich als Mann habe Tränen gelacht."

Wolfgang K.

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Über das Buch

Rebecca, eine Weinfelder Polizistin und total chaotische Mutter einer Tochter, muss den Mord an einer schwangeren Frau aufklären. Schnell findet sie heraus, dass für diese Tat mehrere Männer infrage kommen. Rundherum gibt es potenzielle Väter des ungeborenen Kindes, und jeder von ihnen könnte der Mörder sein. Während Rebecca im Berufsleben alles gibt, wachsen ihr das Muttersein und der Haushalt über den Kopf. Die dreckige Wäsche quillt über den Wäschekorb auf den verstaubten Badezimmerboden, die WC-Schüssel verfärbt sich vom PERLWEISS-Weiß in ein hässliches Uringelb, und sie fragt sich, was das undefinierbare Eingebrannte auf dem Herd wohl sein könnte. Am Mädelsabend mit ihren Freundinnen wird ihr klar, dass jede Mutter mal am Ende ihrer Kräfte ist, und sie muss über die Geschichten ihrer Freundinnen lachen.

Über die Autorin Sanela Egli kam 1981 in der Ostschweiz zur Welt. Während ihrer Ausbildung zur Parfüm-Verkäuferin hat sie die Leidenschaft des Schreibens für sich entdeckt. Die aktive Menschenrechtlerin lebt mit ihrem Partner und den drei Kindern im schweizerischen Weinfelden. Nach mehreren Kinderbüchern ist dies ihr erster Roman.

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Roman Verlag

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Thurbrücke

GABRIELA Vorname: Gabriela Nachname: Escobar Alter: 34 Kinder: bin schwanger Ich bin: schwanger Ich will: jetzt einen Joint rauchen Hätte ich bloß: nicht mit jedem Dahergelaufenen Sex

gehabt. Ich lache über: gar nichts! Meine Chefin ist: keiner Beschreibung würdig.

„Sie sind gefeuert.“ Die Worte ihrer Chefin trafen Gabriela wie eine Faust ins Gesicht, und auch die Art, wie ihre Chefin ihr das entgegenschleuderte, traf sie bis ins Mark. Völlig mechanisch, ohne Gefühl … Ein Jahr lang harte Arbeit, dachte Gabriela. Ein Jahr für diese Person geopfert, die nun nicht einmal ein, es tut mir leid, Frau Escobar, über ihre spröden Lippen brachte. Ein Jahr nur für die Arbeit gelebt. Zwölf Monate zu arbeiten war für die arbeitsscheue Gabriela wie für manch anderer fünfzig Jahre. Und nun?

Arbeitslos! Gabriela wandte den Blick von ihrer Chefin weg zum Fenster und verlor sich in ihren Gedanken, wobei sie hinaus auf Weinfelden schaute. Die evangelische Kirchenglocke schlug sechzehn Uhr. Geistesabwesend fuhr sie sich mit der Hand durch ihr schwarzes, lockiges Haar. „Frau Escobar?“, riss sie ihr Gegenüber aus ihren Gedanken. Ruckartig drehte Gabriela den Kopf wieder an den Ort des Geschehens zurück.

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„Ja?“

Sie war darauf gefasst, dass nun die ‚Geht’s?-Frage kommen würde. Wie sollte es ihr denn schon gehen? Die gebürtige Kolumbianerin sah sich bereits dem Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum Rede und Antwort stehen. Warum sind Sie arbeitslos? Warum wurden Sie gerade jetzt gefeuert? Warum wurden Sie überhaupt gefeuert? Nein, wenn die Chefin sie jetzt fragen würde, wie es ihr geht, dann würde sie sagen, was ihr das ganze letzte Jahr schon auf der Zunge brannte.

Klar, sie war ein Ex-Knacki auf Bewährung, Nichtschweizerin noch dazu, nicht mal Europäerin … Nichts als eine einfache Reinigungsfrau, aber auch sie hatte ein Recht darauf, gut behandelt zu werden. Gabriela überlegte, ob sie ihren ganzen Mut zusammenbringen sollte und ihrer Chefin sagen, dass sie unzählige Überstunden ohne zu maunzen geleistet hatte. Sie wollte ihr sagen, was für eine arrogante Chefin sie war. Und sie wollte ihr sagen, dass sie mal was mit ihrem Mann hatte.

Ja, genau. Alles wollte sie ihr erzählen. Alles, was sie zwölf Monate für sich ertragen musste. Um ihren Job musste sie sich jetzt auch keine Gedanken mehr machen. Also, warum nicht einfach mit der Wahrheit rausrücken? Doch das konnte die Kolumbianerin nicht, auch wenn sie es noch so wollte. Sie war trotz allem ein guter Mensch und wollte ihrer ehemaligen Chefin nicht einfach in den Rücken fallen. Obwohl sie zugeben musste, dass Marihuana rauchen am Arbeitsplatz, Kokain dealen, in Tankstellen Bier mitgehen lassen und eine Affäre mit dem Ehemann der Chefin zu haben, nichts mit Güte zu tun hatte.

Nun, das Marihuana rauchte sie wegen ihren Kopfschmerzen, das Kokain in ihrem Auto hüpfte ohne ihr Wissen hinein und das Bier sprang aus freien Stücken in ihre Jackentasche. Was die Affäre anging …

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Damals konnte sie einfach nicht anders. Daniel, der Mann ihrer Ex-Chefin, war einfach zu attraktiv, als dass sie ihn hätte abblitzen lassen können. Es war während der letzten Weihnachtsfeier. Eine der Weihnachtsfeiern, die nichts mit Weihnachten zu tun hatte. Es war kein Fest der Liebe, es war ein Fest der Begierde. Der körperlichen Lust. Nach einigen Gläsern Wein (ja, Gabriela hatte sich angepasst und verzichtete auf ihr abendliches Bier) kam, was kommen musste. Ihre Chefin war schon nach Hause gegangen. Am Ende waren nur noch sie und Daniel am Tisch. Den ganzen Abend hatte er mit ihr geflirtet und nur darauf gewartet, dass sich seine Frau endlich verabschiedete. Nach kurzer Konversation kam es in der Damentoilette ganz schnell zum Höhepunkt des Abends.

Gabriela war es mittlerweile egal. Sie konnte die Situation mit ihren Enthüllungen nur noch schlimmer machen. Aber besser bestimmt nicht. „Was? Sie feuern mich? Dass ich nicht lache“, sie schnaufte tief ein, „wissen Sie was? Sie können mich gar nicht feuern. Ich kündige!“, schrie die feurige Kolumbianerin und stampfte aus dem Büro.

Draußen steckte sie sich eine Zigarette an und überlegte, wie es weitergehen sollte. Die Vormundschaftsbehörde würde nicht lange auf sich warten lassen, so viel war klar. Warum nur in Herrgotts Namen hatte sie sich auf der Toilette eine Tüte gedreht? Wie konnte sie nur so dumm sein. Und schwanger war sie auch noch. Ihr Handy klingelte, es war eine SMS von Frau Keller, ihrer Ex-Chefin: Ich habe soeben die Vormundschaftsbehörde über Ihre Schwangerschaft und Ihren Drogenkonsum informiert. Na super, das hat mir gerade noch gefehlt, dachte Gabriela.

Versunken in ihren Gedanken watschte Gabriela bis zum anderen Ende von Weinfelden. Vor der Thurbrücke bog sie rechts in eine Seitenstraße, die in den Wald hinein verlief. Sie schlenderte gemütlich am Kynologischen Verein, der von allen nur ‚Hundespielplatz‘ genannt wurde, vorbei.

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Die abendliche Sommerfrische legte sich auf ihrer, durch jahrelangen Drogenkonsum mit Einstichen übersäter Haut nieder, und sie wühlte ihr Jäckchen aus der Handtasche hervor. Wütend über ihr infantiles Leben und Handeln, zündete sie sich ihre letzte Zigarette an. Ich muss nachher noch dringend zum Kiosk, dachte sie. Vorher wollte sie aber noch ihre Was-für-ein-scheiß-Tag-Zigarette friedlich zu Ende genießen. Sie spazierte zur kleinen Brücke hinter dem Kiesplatz und setzte sich. Ihre Beine ließ sie hinunter hängen und beobachtete dabei das Treiben der Thur.

Der Wind wurde kälter und stärker, und die Thur bewegte sich schneller vorwärts. Die schwangere Kolumbianerin lehnte sich nach vorne an das Geländer und nahm einen letzten Zug ihrer Zigarette, bevor sie diese mit dem Zeigefinger in die Thur schnippte. Intensiv grübelte sie über ihr Leben nach, über das, was sie besser machen musste und wollte. Für sich, für ihr ungeborenes Kind. So konnte es nicht mehr weitergehen. Nach kurzem Grübeln war es Zeit, nach Hause zu gehen, ohne vorher am Kiosk Zigaretten zu kaufen.

Das war er. Der magische Moment. Der Moment, der Gabrielas Leben verändern sollte. Ab sofort wollte sie ein verantwortungsvoller Mensch sein. Und vor allem eine Mutter die nicht raucht, nicht trinkt und nicht ständig kifft. Sie schaute hinab auf ihre Finger. Vielleicht musste sie gefeuert werden, um zu verstehen, dass sie so nicht weiterleben konnte. Ja, das war bestimmt so. Alles, davon war Gabriela überzeugt, geschah aus einem bestimmten Grund. Sie schloss die Augen und genoss die Ruhe. Nur das leise Plätschern von spielenden Kindern an der Thur war etwas weiter weg zu hören. Kein Auto, kein Motorrad, nichts. Gar nichts. Gabriela streichelte zärtlich ihren Bauch und hauchte:

„Ab jetzt wird alles besser.“ Just in dem Moment spürte sie plötzlich einen dumpfen Schmerz zwischen ihren Schulterblättern. Sie hatte solch wahnsinnige Schmerzen, dass sie nur einen stummen Schrei raus brachte. Gabriela spürte

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intensiv, wie jemand das Ding, das sich in ihren Rücken bohrte, wieder mit voller Gewalt rausnahm.

Es war grauenvoll. Vor ihrem geistigen Auge sah sie ihr Leben in Bildern an sich vorbeifliegen. Sie konnte sich in ihrer Not etwas drehen, aber zu wenig, um den Täter zu sehen. Eine weiße Hand konnte sie nur erkennen, die ein großes Messer hielt. Es sah aus wie das aus der Abenteuerserie, die sie immer schaute. Der Mann, der im Dschungel wohnt. Sie versuchte verzweifelt, sich noch etwas mehr zu drehen, aber es gelang ihr nicht. Prompt spürte sie einen zweiten und einen dritten Stich. Letzterer war der schmerzvollste.

Der dritte Stich traf die Schwangere im Nacken. Unglaubliche und unvorstellbare Schmerzen durchflossen ihren Körper. Prompt hörte das Martyrium auf und Gabriela sah, wie der Täter verschwand. Das war’s. Er war weg. Alleine lag Gabriela nun auf dieser kleinen Brücke, die immer kälter wurde, je später es war. Muskelzuckungen beherrschten ihren Körper, dann wurde ihr kalt. Aber es war nicht die Kälte, die sie im Winter oft verspürte.

Es war eine entsetzliche Kälte. Eine Kälte, wie sie Gabriela noch nie gespürt hatte. Sie wusste, dass sie diesen Messerangriff nicht überleben würde, und in ihr wurden Schuldgefühle geweckt. „Es tut mir leid, hörst du? Verzeih mir, oh bitte, verzeih mir“, flehte sie ihr ungeborenes Baby an und streichelte dabei ihren Bauch.

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Mädelsabend

Zu Hause sprang Rebecca schnell unter die Dusche. Sie konnte es noch gar nicht richtig glauben. Endlich kam der lang ersehnte Abend. Ihr Abend. Nur sie und ihre zwei Mädels. Seit fünfzehn Jahren waren die drei Freundinnen, nur hatten sie sich die letzten drei Jahre kaum gesehen. Rebecca, Maria und Sandra, die unglaublichen Drei. Oder, wie es Paul (Rebeccas zweiter Ehemann) zu sagen pflegte: „Die drei Fragezeichen. Weil Mann bei keiner von euch durchblickt.“

REBECCA

Vorname: Rebecca

Nachname: Reisner

Alter: 30

Kinder: Anna

Ich bin: total überfordert

Ich will: dass mein Kind endlich keine „Phasen“ mehr hat.

Hätte ich bloß: Roman nie mit meinen unüberlegten Worten verletzt und so zur Flucht bewegt. Dann hätte ich heute noch übermenschlichen Sex und müsste mich nicht täglich selbst befriedigen! Ich hätte nie Johannes geheiratet. Und ich hätte nie den Fehler ein zweites Mal gemacht. Ach, Roman … Meine erste Liebe.

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Ich lache über: das verkorkste Leben meines Chefs. Und seine Glatze. Und sein Übergewicht.

Sandra ist: zu jung Mutter geworden. Dafür sind ihre Plagen mittlerweile aus dem Haus. Aber sie ist einsam. Ganz sicher. Sie geht nur jedes Wochenende aus, damit sie nicht allein zu Hause sein muss. (Falls das jetzt schwer nach Eifersucht klingt: NEIN! Ist nur Zufall.)

Maria ist: die Mutter, die ich gerne wäre. Sie ist für mich die geborene Mutter. Ich bewundere ihre Geduld.

MARIA

Vorname: Maria

Nachname: Warrer

Alter: 38

Kinder: Valeria

Ich bin: keine gute Mutter

Ich will: dass Valeria aufhört zu kiffen!

Hätte ich bloß: nie die Pille abgesetzt.

Ich lache über: Rebeccas Wortwahl. Manchmal muss ich mir die Ohren zuhalten.

Sandra ist: ein sehr liebevoller Mensch. Sie kann sich glücklich schätzen, nicht verheiratet zu sein.

Rebecca ist: ein Grund, eifersüchtig zu sein. Sie hat sich und ihre Familie voll im Griff.

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Einen gutaussehenden, treuen Ehemann und eine wundervolle Tochter.

SANDRA

Vorname: Sandra

Nachname: Herzog

Alter: 40

Kinder: Lena und Martin

Ich bin: einsam

Ich will: einen Mann finden. Einen guten, meine ich.

Hätte ich bloß: Nie geheiratet. In meinem Leben mehr mit dem Kopf als mit dem Herzen gedacht.

Ich lache über: Frauen, die heiraten wollen.

Rebecca ist: Eine traumhafte Mutter. Ihr Kind kann sich glücklich schätzen. Sie ist mit einem Mann verheiratet, der alles für sie macht. (Ja, ich hätte gerne ihr Leben!)

Maria ist: die geduldigste Mutter, die ich kenne. Hat ihre pubertierende Tochter schwer im Griff.

Rebecca hatte fest vor, den Abend zu einem besonderen

Ereignis werden zu lassen. Sie war furchtbar aufgeregt. Fast so, als wäre sie ein Teenager, der zum ersten Mal verliebt war.

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In ihrem alten Stammrestaurant wartete sie auf ihre Freundinnen.

Nun saß sie dort. Im Restaurant, in dem sich in den letzten Jahren nichts geändert hatte. Am großen Tisch am Fenster saß ein Pärchen. Aller Wahrscheinlichkeit nach waren sie frisch verliebt. Er wusste nicht recht, wie er sich hinsetzen musste, um cool rüber zu kommen, und sie zupfte die ganze Zeit an ihren langen, braunen Haaren herum. Sie unterhielten sich kaum, kicherten nur zwischendurch mal verlegen. Als nach mehrmaligem Nippen an ihrem mit Cola gefüllten Glas sich der Lippenstift verdünnisiert hatte, dafür aber das Glas einen roten Abdruck in Unterlippenform hatte, watschte sie mit ihrem Chanel-Imitat-Täschchen zur Toilette.

Geschlagene drei Minuten später stolzierte die junge Frau wieder zu ihrem Freund an den Tisch. Die Lippen leuchteten wieder rot und dank dem Mascara strahlten ihre smokey Eyes. Aber das Rouge war definitiv zu viel. Man hätte ihr ein Schild umhängen müssen: „Bitte nicht berühren! Frisch gestrichen.“ Als ihr Freund sie sah, nahm er sofort wieder seine Cool-Haltung ein. Während sich Rebecca fragte, wie lange ihre Beziehung wohl halten würde und wie er reagieren würde, wenn sie ihm jetzt beichten würde, dass sie schwanger sei, kam ein Mann, schätzungsweise fünfundzwanzig Jahre alt, sportlich, dunkelhaarig, zu ihnen an den Tisch.

Schlagartig verging dem anderen jungen Mann seine Cool-Stellung und er nahm die „Das kackt mich jetzt voll an, dass du da bist“-Haltung ein. Die Frau stand auf und küsste den Mann. Dann setzte er sich zu ihnen. Ach, so läuft das, dachte Rebecca. Die beiden hatten augenscheinlich eine heiße Affäre. Ein Schmunzeln konnte sich Rebecca daraufhin nicht verkneifen. Am Tisch nebenan hatte eine Mutter sichtlich mit ihren Nerven zu kämpfen. Ihre drei Kinder hatten von Anstand wohl noch nie etwas gehört.

Ihnen war offensichtlich langweilig, da ihre Mutter, deren Hintern kaum auf dem Stuhl Platz hatte, sich lieber mit ihrer Sahnetorte beschäftigte. Aber bitte mit Sahne, ihr

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Lebensmotto war evident. (Notiz an Rebecca: Wer keine Modelfigur hat, sollte dies auch nicht von anderen erwarten.)

Sie war froh, ihr Kind nicht dabei zu haben. Ansonsten wäre wahrscheinlich sie die Mutter gewesen, an der sich die anderen Gäste aufregten. So konnte sie sich zurücklehnen und die Leute beobachten. Rebecca sah zum Affären-Pärchen hinüber. Es herrschte eine abgekühlte Stimmung. Maria traf als Zweite ein. Sie hatte abgenommen. Und zwar so viel, dass ihr eindrucksvolles Gesicht mit den wunderschönen, runden kastanienbraunen Augen beinahe noch hübscher aussah als früher.

Die achtunddreißigjährige Blondine war Mutter einer sechzehnjährigen Tochter. Sie war eine hervorragende Mutter, aber eine totale Chaotin. Ihre Wohnung war schon wenige Tage nach dem Einzug ein totales Durcheinander. Für ihre Tochter gab sie alles. Valeria konnte sich glücklich schätzen, so eine Mutter zu haben. Mit ihr konnte der Teenager über alles reden. Von Streitereien mit Freundinnen, über die Menstruation bis hin zum Sex. Ihre Mutter hatte für sie immer ein offenes Ohr. An ihrem vergangenen Mädelsabend erzählte Maria von dem Tag, als Valeria weinend von der Schule nach Hause kam.

Eines Tages kam Maria gerade aus der Dusche, als Valeria in die Wohnung stürmte. „Ich geh nie wieder in die Schule!“, schrie sie weinend.

Nur ein Handtuch um ihren Körper gewickelt, setzte sich Maria mit ihrer Tochter auf das Sofa. Tröstend nahm sie Valeria in den Arm und gab ihr einen Kuss auf den Kopf. „Hey, Mäuschen. Was ist denn los?“, fragte sie mit leiser Stimme, wobei sie Valeria die Haare vorsichtig aus dem Gesicht strich.

„Ach“, begann Valeria schluchzend, „mir ist etwas so Peinliches passiert. Ich kann nie wieder in die Schule. Nie wieder.“ Erneut brach der Teenager in Tränen aus. Maria tat es sehr weh, ihre Tochter so leiden zu sehen.

„Sag mir doch, was los ist. Vielleicht kann ich ja helfen.“

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Valeria sah ihre Mutter an. „Mir kann niemand mehr helfen.“ Weinend begann sie zu erzählen. „Während der Matheprüfung. Da … da … Oh Mann. Alles war ruhig“, sie schnäuzte, „und dann, dann hab ich einfach gefurzt.“ Valeria weinte, als ob jemand gestorben wäre.

Ihre Mutter musste sich das Lachen verkneifen. „Oh nein, das tut mir ja so leid. Hör mal, Schätzchen“, fing sie an, „ich muss mich beeilen. Gabriela und Sandra warten schon auf mich. Hier“, sie übergab ihrer Tochter zwanzig Franken, „leih eine DVD aus und kaufe dir Popcorn. Lass es dir gut gehen heute Abend und vergiss das, was in der Schule war.“ Valeria umarmte ihre Mutter und watschte schluchzend ins Zimmer.

Nun kam Sandras großer Auftritt. Ihre schönen, frisch rasierten und sonnengebräunten langen Beine steckten in der extra für den Mädelsabend gekauften, schwarzen Latexhose. Bestimmt brauchte sie neunzig Minuten, um die „sie waren gerade im Angebot“-Hose über ihren hart trainierten Hintern zu stülpen. Für Sandra bedeutete gutes Aussehen einfach alles.

Und trotzdem war sie mit ihren vierzig Jahren noch Single. Schon seit Längerem war sie auf der Suche nach Mister Right.

Aber zur schönen Sandra gehörte auch ein schöner Mann. Natürlich musste er auch intelligent sein, einfühlsam, treu, er musste einen guten Job haben, eine liebe Mutter haben, selbstständig sein und kinderlieb. Obwohl sie einsam war, genoss sie oft das Singleleben. Sie lebte frei nach dem Motto: Appetit holen kann man sich woanders, gegessen wird auch woanders.

Die drei bestellten ihre erste Flasche Sekt, und los ging das Geplapper. Jede erzählte etwas aus ihrem Arbeitsleben. Am Tisch nebenan setzte sich eine junge Familie. Die Frau, man hätte sie eher als sportlicher Single als eine Mutter und Hausfrau gesehen, nahm ihr weinendes Baby zu sich und stillte es.

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„Hat die ein Glück. Hat ihre Milch immer und überall dabei“, fing Rebecca an, da fiel ihr Sandra ins Wort: „Und gratis ist sie auch. Kannst du dich noch an deine Stillzeit erinnern?“

Rebecca verdrehte ihre Augen und winkte ab. „Na, das war eine Geschichte, ich sag’s euch. Ich will nie wieder stillen …

Damals war ich noch mit Johannes verheiratet. Er hatte in der Apotheke um die Ecke eine Milchpumpe gekauft. Er wusste wohl nicht, dass man diese auch nur leihen konnte. Jedenfalls: Mit dem Stillen hatte ich arge Probleme. Ich hatte das Gefühl, zu wenig Milch zu produzieren. So überwand ich mich eines Tages dazu, bei der örtlichen Mütterberatungsstelle um Hilfe zu bitten. Dort wurde mir empfohlen, mehr zu stillen.

,Je mehr Sie stillen, desto mehr Milch wird Ihr Körper produzieren.‘ Ich fragte mich, wie ich es schaffen sollte, alle sechzig Minuten, zwanzig Minuten lang zu stillen. Aber für meine Anna versuchte ich das Akkordstillen. Es dauerte nicht eine Woche, bis sich meine Nippel entzündeten.“ Sandra und Maria schmunzelten und gönnten sich einen großen Schluck Sekt.

„Na toll, dachte ich. Das hatte mir gerade noch gefehlt.

Am sonntäglichen Beisammensein wandte ich mich Johannes zu. ,Johannes, ich denke, es wäre wirklich besser, wenn ich Anna zusätzlich mit Babynahrung füttern würde. Das mit dem mehr Stillen bringt außer meiner entzündeten Brustwarzen gar nichts. Anna ist nur am Schreien.‘

,Muttermilch ist aber das Beste fürs Baby‘, wandte er ein.

Ich konterte sogleich. ,Es kommt nichts raus. Und die verdammte Milchpumpe tut höllisch weh. Ich fühle mich wie eine menschliche Kuh. Ich bin aber keine Kuh! Wenn’s mit dem Stillen nicht klappt, dann klappt es eben nicht.‘

Johannes wusste, dass er am kürzeren Hebel saß. ,Tu, was für dich am besten ist‘, willigte er ein. Er bemerkte, dass mich

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dieses Thema in Aufruhr brachte. Schnell griff er zum Fläschchen, welches mit abgepumpter Muttermilch gefüllt war, und fütterte Anna. Dafür setzte er sich gemütlich vor den Kamin und genoss den Augenkontakt mit seinem kleinen Sonnenschein. Aber es war nicht nur das Füttern von Anna, was Johannes mir abnahm.

Er wechselte Annas Windeln, badete sie, ließ sie Bäuerchen machen und beruhigte sein Töchterchen, wenn sie schrie. In Johannes’ Armen war Anna immer viel ruhiger als in den meinen. Ich war mit ihr ungeschickt und nervös. Zudem war ich oft in schlechter Stimmung. Ich wollte so gelassen sein wie Johannes, aber es gelang mir nie. Er war der Ruhepol in unserer Familie. Später hab ich dann gewusst, warum er immer so ausgeglichen war.

Er tobte sich immer an seiner Assistentin aus, bevor er nach Hause kam.“ Alle drei schlürften einen Schluck Sekt. „Ich hingegen hatte schwer an so etwas wie postnatale Depression zu leiden. Johannes versuchte, nach der Arbeit auf seinem Lieblingsplatz auf dem Sofa abzuschalten. Da ich zu sehr seine Hilfe brauchte, gelang ihm das immer seltener. Das war übrigens nicht meine Schuld, ich hatte ein anstrengendes Baby! Fast den ganzen Tag lag ich im Bett.

Gegen Abend konnte ich mich dann meist aufrappeln, um noch kurz mit Anna an die frische Luft zu gehen. Johannes hingegen versuchte alles, um mir mein Leben so angenehm wie nur irgend möglich zu gestalten. Nun, heute weiß ich, dass das nur sein schlechtes Gewissen beruhigen sollte.“

„Ja, ja …“, stöhnte Sandra, „die verfluchten Männer.“ Rebecca hob ihr Glas, Sandra und Maria machten es ihr gleich.

„Auf uns Frauen“, prostete sie. Sandra und Maria wiederholten lautstark:

„Auf uns Frauen.“ Wild mit ihren Händen gestikulierend fuhr Rebecca mit ihrer Familiengeschichte fort: „Als sein bester Freund seinen Junggesellenabschied feierte, war er natürlich auch eingeladen. ,Ich bin um zehn wieder zu Hause,

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versprochen‘, beruhigte er mich, als ich ihn bat, am nächsten Morgen nicht bei Jörg zu frühstücken, sondern so früh wie möglich nach Hause zu kommen.

Johannes watschte um dreiundzwanzig Uhr durch unsere Eingangstür. Eine Stunde später als versprochen. Eine Stunde später als meine Nerven aushalten konnten. Er fand mich auf dem mit Babymilch verspritzten Fußboden in der Küche, während Anna in ihrem Bett hysterisch schrie. ,Um Gottes willen‘, rief er und rannte schnell in Annas Zimmer. ,Rebecca, was ist los?‘, fragte er, wobei er der Kleinen ihr Fläschchen gab.

,Ich weiß nicht mehr, was ich machen soll. Dieses Geschrei! Heilige Muttergottes‘, brüllte ich, „was haben wir nur für ein Monster bekommen!‘ Johannes, die Ruhe in Person, kniete sich zu mir auf den Fußboden und küsste meine Stirn. ,Leg dich hin, ich wisch das sauber.‘ Das musste er mir nicht zweimal sagen. Total erschöpft legte ich mich aufs Bett und schlief sofort ein. In der Nacht bekochte er mich noch mit einem Gemüseteller.

,Du brauchst Vitamine.‘ Verzweifelt hatte er versucht, alles genau so zu machen, wie es in den diversen Babybüchern stand, die er gelesen hatte. Ich weiß, diese Babybücher sind auch etwas für Mütter.“

Maria und Sandra sahen ihre Freundin einige Sekunden lang stumm an. Dann ergriff Maria das Wort. „Weißt du, so ging es mir auch oft. Und nicht nur mir. Ganz ehrlich? Jede Mutter ist mal am Ende ihrer Kräfte“, sagte sie und krallte sich eine Handvoll Erdnüsse, die in einer schwarzen Schüssel in der Mitte des Tisches ihren Platz hatten. Es dauerte nicht lange, dann war sie leer.

Zur richtigen Zeit kam der Kellner auf den Frauentisch zu, um die Bestellungen der unglaublichen Drei aufzunehmen. Ein smarter Typ, der mit seiner sympathischen Art sicherlich viel Trinkgeld verdiente. „Wo waren wir stehen geblieben?“, begann Maria. „Ach ja, Rebecca, du machst dir zu viele

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Gedanken. Glaube mir, jede Mutter verliert mal ihre Geduld. Ich auch.“ Rebecca und Sandra lauschten gespannt Marias Erzählung. Nach der zweiten Sektbestellung.

„Nie wieder vergesse ich den Tag, als ich von Valerias ‚Nebentätigkeit‘ erfuhr.“ Rebecca und Sandra schauten sich mit erhobenen Augenbrauen an. Das Fragezeichen in ihren Gesichtern kristallisierte sich heraus. „Der Tag hatte so gut angefangen. Es war an der Geburtstagsfeier von Valerias Schule: Ich ließ den Blick über die essende Menschenmenge schweifen. Einige hatten sich nicht zurückgehalten, im Gegenteil. Sie hatten ihre Teller mit Bergen von Essen überladen, als wäre es das letzte Abendmahl. Andere, vorsichtiger, kalorienbewusst, hatten eher symbolische Häppchen auf ihren Tellern.

Manche stocherten gelangweilt in ihrem Essen herum. Es war heiß. Sehr heiß. Tom und ich kühlten uns mit alkoholfreiem Bier ab. Ja, alkoholfrei. Schließlich waren wir an der Geburtstagsfeier von Valerias Schule. Und ich fragte mich, warum man uns dazu zwingen musste, den Geburtstag einer Schule zu feiern.“ Sie nippte am Sektglas, räusperte sich und fuhr dann fort. „Klar, Tom und ich hätten zu Hause bleiben können. Aber damit wären wir die einzigen Eltern gewesen, die mit Abwesenheit glänzten.

Das wollten wir unserer Valeria nicht antun. So erfreuten wir uns an alkoholfreiem Bier und billigen Würsten vom selbsternannten Grillchef, der den Rost wegen seinem Bierbauch gar nicht sehen konnte. Tom beichtete mir kurz nach dem Essen, dass er noch zu tun hatte. Bevor ich sagen konnte ,du bleibst schön hier. Ich sag’s dir, wenn du mich hier alleine lässt, dann schläfst du eine Woche auf dem Sofa‘, war er bereits verschwunden.

Als ich dachte, es könne nicht mehr schlimmer kommen, stolzierte Frau Lorenz auf mich zu. Valerias Klassenlehrerin. ,Hätten Sie kurz Zeit für mich?‘ Nein, hab ich nicht, wollte ich eigentlich sagen. ,Natürlich, Frau Lorenz.‘ Ich setzte mein künstliches Lächeln auf und watschte ihr hinterher. Im

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Klassenzimmer angekommen, fing sie gleich an. ,Valeria ist eine sehr nette und hilfsbereite Person‘, schwärmte sie. Ich ahnte, dass das nur die Ruhe vor dem Sturm war.

Die Ebbe vor der großen Sintflut. Und so war es auch. Der Sturm tobte und die Flut brach über mich hinein. ,Valeria mobbt andere Kinder. Sie schikaniert die Kinder aus der ersten Reihe.‘ Meine Hände fingen an zu schwitzen und ich spürte, wie mir ganz flau im Magen wurde. ,Sie weidet sich an der Hilflosigkeit der anderen Kinder.‘

So, das war’s. Nun war es amtlich – ich hatte als Mutter versagt. Warum musste ausgerechnet mein Kind so böswillig sein? So ein Kind hätte ich meiner Nachbarin gewünscht.

Ich saß auf dem hässlichen, braunen Stuhl und musste überlegen, was ich sagen sollte. Mir war richtig schlecht geworden und die Hände schwitzten, als würden sie einen Marathon laufen. ,Ich‘, fing ich schüchtern an.

,Wir müssen jetzt handeln. Das geht so nicht mehr weiter‘, fiel mir Frau Lorenz ins Wort. Ich wollte sie gerade fragen, ob sie sich dabei etwas Konkretes vorstellte, als sie mit ihrem Dialog weiterfuhr. ,Diese Situation ist absolut inakzeptabel für unsere Schule. Wir billigen hier keine Gewalt, egal ob physisch oder psychisch.

Wenn noch einmal etwas vorfällt, dann werde ich gezwungen sein, Konsequenzen daraus zu ziehen. Guten Tag.“ Sie zeigte mit ihrem Arm zur Tür. Das war’s. Mehr kam ihrerseits nicht. Nach diesem ernüchternden Gespräch hatte ich nur noch Lust, nach Hause zu gehen und ein schönes, warmes, wohltuendes, Nerven entspannendes Bad zu nehmen.“

„Ach“, schnaubte Sandra laut aus. „Das klingt ja, als würdest du von meiner Familie sprechen. Ich kann euch auch ein paar Geschichten erzählen aus der Zeit, in der ich noch mit Stefan verheiratet war. Du wirst seh’n“, sie wandte sich Rebecca zu, „alle Mütter müssen das Gleiche durchmachen“, sagte sie, wobei sie schmunzelte und mit ihrem linken Auge

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zwinkerte. „Je älter die Kinder wurden, desto mehr Probleme hatten Stefan und ich. Die letzte Konversation lag lange zurück, an den letzten Sex konnte ich mich gar nicht mehr erinnern.

Unsere Kinder waren zu trotzigen Teenagern herangewachsen und die Sorgen, was wohl aus ihnen werden würde, wurden immer größer. Martin und Lena waren den Sommer über zwei Wochen im Jugendcamp. Ich hätte sie lieber im Bootcamp angemeldet, das fand Stefan aber dann zu hart. Zwei Wochen lang nur mein Mann und ich. Endlich konnten wir unser Eheleben wieder etwas aufblühen lassen. Endlich mal wieder, nach langer, langer Zeit, die Zweisamkeit genießen.

Wir hatten wieder Zeit, miteinander zu baden und für das lang ersehnte Candle-Light-Dinner. Wir genossen unsere zwei Wochen. Dann kam der letzte Abend. An diesem Abend lag etwas ganz Besonderes in der Luft. Als wir uns am feurigen Kamin trafen, um vor dem Essen ein Glas Champagner zu genießen, strahlten wir beide Glück, Liebe und Zufriedenheit aus. Wir machten es uns auf dem Zweisitzer bequem und flüsterten kichernd miteinander wie zwei Teenager.

Er legte den Arm über meine Schultern und gab mir einen zärtlichen Kuss auf den Hinterkopf. Ich, vom Alkohol schon etwas angeheitert, hatte nun das sichere Gefühl, dass das, was ich in meinem Leben immer wollte, schließlich in Reichweite lag. Wir waren so entspannt und vergnügt, dass wir schon vor dem Essen die ganze Flasche Champagner leerten.

Als ich mich dann zu dem von Stefan sehr schön dekorierten Tisch setzte, war ich schon ziemlich beschwipst. Wir unterhielten uns so ausführlich wie schon lange nicht mehr. Besonders über Lena, unser Sorgenkind. Die Jungs bevölkerten Lenas Körper wie einst Raver die Love Parade. Wir mussten Lenas letzte Eroberung – einen Kerl, der seinem Zungenpiercing mehr Aufmerksamkeit schenkte als seiner Körperhygiene, unsere Osterferien ertragen, nur mit dem Ergebnis, dass sich die beiden an Pfingsten schon wieder

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trennten. Dafür hatte er einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Ein Tattoo auf Lenas rechtem Oberarm. In einem kitschigen roten Herzen stand Vincent geschrieben.“

„Siehst du, Rebecca? Alle haben so ihre Sorgen mit den Kindern“, sagte Sandra. Rebecca wusste das mit der Tätowierung noch gar nicht. Und überhaupt war sie sehr überrascht. Sie hätte nie gedacht, ihre zwei Freundinnen mal mit sich vergleichen zu können. Die Drei hatten sich immer nur zu ihren Sauftouren verabredet. Heute war es das erste Mal, dass sie so offen über ihre Familien sprachen. Und es tat gut. Sandra fuhr nach einer Runde Gläserbefüllen fort:

„Ich hatte das Gefühl, Stefan an diesem Abend wieder etwas näher gekommen zu sein. Wir sprachen noch eine Weile über die vergangenen Jahre. ,Weißt du noch, als wir zusammen im Kino waren?‘, fragte Stefan. Wie konnte ich das vergessen. Das waren wir nur einmal. Einmal und nie wieder. Danach schaute er sich die Filme mit den Kindern immer ohne mich an. Es waren Herbstferien. Vierzehn Tage.

Nach zehn verregneten und mit Streit überfüllten Tagen, machte ich den Kindern den Vorschlag, zusammen ins Kino zu gehen. Natürlich war die schlechte Stimmung abrupt weg und wir freuten uns alle vier aufs Kino. Ich mich weniger auf den Film, vielmehr auf die Ruhe. Es war ein herrlich angenehmer Abend mit Martin und Lena. Beide waren sehr nett zueinander. Und zu mir. Stefan kaufte ihnen alles, was man fürs große Kinoerlebnis so brauchte: Popcorn, Cola, M & M’s.

Da ich wusste, dass Stefan später noch weggehen musste, hatte ich beiden Kindern auf dem Nachhauseweg eine DVD gekauft. Für Lena Prinzessin Lilli Fee und für Martin Cars. Ich war mir sicher, zu Hause von den Kindern einige Zeit in Ruhe gelassen zu werden. In Gedanken sah ich mich schon auf dem Bett liegen und in aller Stille ein Buch lesen. Als wir zur Haustür hereinkamen, sagte Lena zu Martin:

,Meinen Film schauen wir zuerst.‘ Ein ‚Scheiße, bitte nicht schon wieder‘-Gefühl überkam mich. ,Nein!‘, brüllte Martin.

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,Cars schauen wir zuerst.‘ Ich verstaute die Schuhe der Kinder, als Lena schrie: ,MAAAAMAAA!!! Martin hat mich gehauen!‘ Ich atmete tief durch, genauso, wie ich es von Erziehungsratgebern gelernt hatte, bevor ich dann mit ruhiger Stimme antwortete. ,Wenn ihr euch nicht einigen könnt, welchen Film ihr zuerst sehen wollt, dann werdet ihr heute gar nicht mehr fernsehen.‘ Wow. Ich war ja so stolz auf mich, nicht ausgeflippt zu sein.“

***

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