LaKo 2008- Finanzen : Arbeit : Wirtschaft : Soziales

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Beschlussbuch 7. ordentliche Landeskonferenz des Juso-Landesverbandes NRW www.nrwjusos.de Bonn 31.5.2008 bis 01.06.2008 Für ein solidarisches NRW! Modern geht auch sozial!

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Beschlussbuch7. ordentliche Landeskonferenz des Juso-Landesverbandes NRW

www.nrwjusos.de

Bonn31.5.2008 bis 01.06.2008

Für ein solidarisches

NRW!

M o d e r n geht auch s o z i a l !

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Beschlüsse Juso-Landeskonferenz 2008

Beschlüsse FINANZEN/ ARBEIT / WIRTSCHAFT

/ SOZIALES

1 Finanzmärkte regulieren!

2 ArbeitstattArbeitslosigkeitfinanzieren-ÖffentlicheBeschäftigungausbau-en

4 WahrnehmungderAusbildungsverantwortungdurchLandundKommunen

5 WiedereinführungeinesTariftreuegesetzesinNRW!

6 MitbestimmungsgesetzeauchaufAuslandsgesellschaftenerstrecken!

7 DieNRWJusossprechensichfürdieEinführungeinesgesetzlichenMindest-lohnesinNRWundbundesweitaus

8 LernenausdemSteuerskandal

9 Leiharbeiteindämmen!

11 GehältervonTopmanagern

12 FreistellungderstaatlichgefördertenAltersvorsorgeProduktedererstenundzweiten Schicht bei der Ermittlung des Anspruchs auf sozialeGrundsiche-rung

13WiedereinführungderaltenLadenschluss-Regelungen

14GleicheFahrtfüralle!FüreinelandesweiteEinführungvonSozialtickets

16Hartz4-RegelsätzedenRealitätenanpassen

17 SteuerlicheGleichstellungfürHomosexuellevollenden

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Beschlüsse Juso-Landeskonferenz 2008

BeschlussF1

Finanzmärkte regulieren! Nachhaltiges Wachstum fördern, Kurzfristorientierung verhindern!

1. Einleitung

Seit Januar 2008 erleben wir eine der heftigsten Finanzkrisen in der neueren Geschichte. Kommen-tatoren wie der ehemalige Präsident der Federal Reserve Bank, Alan Greenspan, sprechen von der schwersten Finanzkrise seit 1945. Ausgelöst durch eine Immobilienkrise in den USA infiziert sie Banken und Börsen rund um den Globus.

Die Konsequenz: Derzeit müssen die Steuerzahler und Zentralbanken mehrere Banken mit Milliarden-beträgen vor dem Zusammenbruch bewahren. Im Frühjahr 2008 stufen Wirtschaftsforschungsinsti-tute, die Deutsche Bundesbank, Internationaler Währungsfonds und EU-Kommission die positiven Wachstumsprognosen von ursprünglich mehr als 2 % auf ca. 1,5% zurück. Die globale Finanzmarktkrise hat die deutsche Realwirtschaft erreicht. Weitere schwere Konsequenzen sind absehbar.

In dieser Situation werden zwei Kernelemente des finanzgetriebenen Kapitalismus deutlich, wie er in den westlichen Industriestaaten in den vergangenen zwei Jahrzehnten durchgesetzt wurde: grenzen-lose Kapitalströme, die häufig selbst die wenigen verbliebenen Regeln missachten, und die Krisenan-fälligkeit dieser Form des Kapitalismus.

Die NRW Jusos wollen die aktuelle Krise zum Anlass nehmen, die Entwicklungen zu analysieren und den Handlungsbedarf sozialdemokratischer Politik aufzuzeigen. Dabei geht es uns nicht um einen mo-ralischen Fingerzeig, wie ihn Franz Müntefering einst in seiner Heuschreckendebatte bedeutete. Nötig ist eine nüchterne Analyse. Politische Weichenstellungen haben die Ursachen dieser Krise ermöglicht. Nun brauchen wir politische Antworten.

2. SpekulationstattInvestition–diefehlgeleiteteDynamikdesfinanzgetriebenenKapitalismus

Die jüngere Wirtschaftsgeschichte ist geprägt von wechselnden Phasen der Deregulierung und Rere-gulierung des Finanzsystems. Die letzte große Phase der Deregulierung ist Anfang der 1930er Jahre mit der Großen Depression bzw. dem Untergang der Demokratie in vielen Ländern beendet worden. Heute weisen bedeutende Politiker und Wirtschaftswissenschaftler, insbesondere in den USA, auf die besorgniserregenden Parallelen zwischen den 1920er Jahren und der aktuellen Entwicklung hin. Hie-raus lassen sich wichtige Lehren ziehen, wobei die theoretisch-wissenschaftliche Dimension von der politökonomischen unterschieden werden muss.

DiefragwürdigetheoretischeBegründungderFinanzmarktderegulierung

Auf theoretischer Ebene entspringt die Forderung nach Deregulierung der neoklassischen Annahme, freie Finanzmärkte neigten aus sich heraus zu Effizienz, d.h. zu einer „richtigen“ Bewertung von Finanz-titeln. Diese Annahme galt bis zur „Keynesianischen Revolution“ Mitte der 1930er Jahre als gesicherte Erkenntnis. Danach wurde sie für mehrere Jahrzehnte allgemein als widerlegt betrachtet. Erst die „mo-netaristische Gegenrevolution“ der 1970er Jahre hat der neoklassischen Effizienzmarkthypothese wie-der Auftrieb verliehen. Sie lässt sich sowohl auf den Unternehmenssektor wie auf den privaten Haus-haltssektor anwenden, d.h. nach dieser Sichtweise werden sowohl unternehmerische Produktions- und Investitionsentscheidungen als auch private Konsum- und Sparentscheidungen durch deregulierte Fi-nanzmärkte am besten befördert.

• Unternehmen erzeugen nach dieser Sichtweise genau dann den größten gesamtgesellschaftlichen Nutzen, wenn sie sich möglichst stark am Shareholder Value orientieren. Aktienkurse spiegeln dem-nach die Gewinnerwartungen von Unternehmen realistisch wieder. Gutes Management wird durch hohe Aktienkurse belohnt, schlechtes durch niedrige bestraft. Nur freie Aktienmärkte, in denen es keine re gulatorischen Hürden für feindliche Übernahmen und kurzfristige Aktienumsätze gibt, wer-den das Management zu einer möglichst effizienten Mittelverwendung mit entsprechend positiven gesamtwirtschaftlichen Wachstumseffekten disziplinieren. Weitere Anreize erhalten Manager durch die Koppelung ihrer Vergütung an Aktienkurse (z.B. durch Aktienoptionen). Hohe Aktienkurse wer-den Investitionen stimulieren, niedrige Aktienkurse weisen darauf hin, dass „zu viele“ (ineffiziente)

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Beschlüsse Juso-Landeskonferenz 2008

Investitionen vorgenommen werden. Abweichung der Aktienkurse von den „Fundamentalwerten“ ist auf Dauer nicht möglich, da die Marktteilnehmer effizient mit den vorhandenen Informationen umgehen.

• Ähnliches gilt für die Kreditvergabe (Konsumentenkredite, Hypothekenkredite) an die privaten Haus-halte. In effizienten Kreditmärkten werden Individuen nur dann Kredit erhalten, wenn die Kreditge-ber ihre Fähigkeit zu künftigem Schuldendienst für ausreichend halten. Auf freien Märkten wird es längerfristig nicht zu einer unangemessenen Kreditexpansion bzw. zu einer allgemeinen Kreditklem-me kommen können. Vielmehr bedeutet etwa ein Rückgang der Sparquote in Verbindung mit einer verstärkten Verschuldung der privaten Haushalte, dass von den rationalen Marktteilnehmern eine positive künftige Produktivitäts- und Einkommensentwicklung erwartet wird, die die Bedienung der aufgenommenen Schulden ermöglichen wird.

Diese Hypothesen sind theoretisch umstritten und empirisch kaum belegt. Insbesondere weisen mittlerweile selbst prominente frühe Vertreter des Shareholder Value-Konzepts darauf hin, dass die Fixierung auf kurzfristige Finanzmarktkennzahlen (Aktienkurs, Gewinn pro Aktie) zu einer obsessiven Kurzfristorientierung des Managements führt. Empirische Untersuchungen zeigen, dass Manager in großem Umfang langfristig rentable Investitionen zu Gunsten kurzfristiger Finanzmarktergebnisse un-terlassen. Außerdem führt die mit der Finanzmarktorientierung verbundene zunehmende Ausschüt-tung von Gewinnen (Dividenden, Aktienrückkäufe) dazu, dass den Unternehmen liquide Mittel zur Investitionsfinanzierung fehlen.

Auch im Bereich der Kreditvergabe an private Haushalte kann eine exzessive Kurzfristorientierung zu negativen gesamtwirtschaftlichen Effekten führen. Wenn Banker einen gewichtigen Teil ihrer Vergü-tung über leistungsbezogene Bonuszahlungen beziehen, können sie einen Anreiz haben, sehr riskante Kreditvergaben zu veranlassen. Dieses Problem wird durch die im Zuge der Deregulierung zunehmende Unübersichtlichkeit im Bereich innovativer Finanzprodukte verstärkt. Außerdem können viele Banken davon ausgehen, im Ernstfall von der Zentralbank oder der Regierung im Interesse der Finanzsystem-stabilität gerettet zu werden. Die erwartete Vergesellschaftung von Verlusten verführt aber dazu, im Kampf um private Gewinne übertriebene Risiken einzugehen.

Diese im Kern keynesianischen Ergebnisse sind mittlerweile wieder selbstverständlicher Teil eines neu-en wirtschaftswissenschaftlichen Mainstreams. Da jedoch die Finanzmarktderegulierung bis jüngst fortschreitet – weitgehend unabhängig von parteipolitischen Konstellationen –, scheint es notwendig, auch außerwissenschaftliche Erklärungen im politischen Prozess selbst zu suchen.

FinanzmarktderegulierungalsErgebnisvonLobbyismus?

Auf politischer Ebene ist Finanzmarktderegulierung in der Geschichte typischerweise mit einer wach-senden Einflussnahme entsprechender Lobbygruppen einhergegangen. In den USA waren die zustän-digen Regierungsvertreter sowohl in den 1920er Jahren als auch in der jüngeren Vergangenheit eng mit dem Bankenwesen verbunden. Beispielsweise war der wirtschaftspolitische Berater und Finanzmini-ster unter Bill Clinton, Robert Rubin, vor seiner Tätigkeit in der Regierung stellvertretender Vorstands-vorsitzender der großen Investmentbank Goldman Sachs. Später wurde er Vorsitzender der Banken-gruppe Citigroup. Deren Gründung war erst möglich geworden, nachdem 1999 eine der wichtigsten Regulierungsmaßnahmen aus Roosevelts „New Deal“, der Glass-Steagall Act von 1933, abgeschafft worden war. Dieses Gesetz hatte verhindert, dass Banken sich am Investmentgeschäft beteiligen. Die Deregulierung in diesem Bereich hat maßgeblich zur Kreditexpansion im Zuge des Booms minderwer-tiger Hypothekenkredite in den letzten Jahren beigetragen. Auch der aktuelle US-Finanzminister, Hen-ry Paulson, war früher Investmentbanker und Vorstandsvorsitzender bei Goldman Sachs.

Auch in Deutschland ist der Einfluss der Finanzbranche auf die Politik unübersehbar. Ehemalige Mi-nister und Kanzler, gerade auch der rot-grünen Bundesregierung, stehen heute auf den Gehaltslisten großer Finanzdienstleister wie Hedge Fonds oder Versicherungen.

Zu diesen Prozessen gab es in der Geschichte und gibt es auch heute Gegenbewegungen. Franklin D. Roosevelt richtete sich mit seinem „New Deal“ ausdrücklich gegen die Lobbyinteressen der Finanzbran-che. Der aktuelle Präsidentschaftswahlkampf in den USA dreht sich ansatzweise um ähnliche Themen. In Deutschland ist die Gegenbewegung bislang noch schwach.

DiejüngsteWellederFinanzmarktderegulierunginDeutschlandIn Deutschland waren die Maßnahmen der jüngsten Deregulierungsphase im Finanzsystem besonders weitgehend. Hierzu gehören im weiteren Sinne u.a.:

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Beschlüsse Juso-Landeskonferenz 2008

• 1991: Abschaffung der Börsenumsatzsteuer • 1997: Abschaffung der Vermögensteuer • 1998: Legalisierung von Aktienrückkäufen, Managementvergütung über Aktienoptionen • 2000 und 2008: Senkung der Körperschaftsteuer (von 40 % auf 25 % und dann 15 %) und der Kapital-

einkommensteuern• 2001: Subventionierung privater Finanzdienstleister im Zuge der „Riester-Rente“• 2002: Senkung der Steuer auf Veräußerungsgewinne bei Kapitalanlagen (von 40 % bzw. auf 0 % bei

Kapitalgesellschaften, durch Halbeinkünfteverfahren bei Privatpersonen)• 2004: Legalisierung von Hedge Fonds, Aufweichung der Grenzen zwischen Investmentfonds und

Hedge Fonds • 2007: Zulassung und steuerliche Förderung von REITs (börsennotierte Immobilienfonds)• 2008: steuerliche Förderung von Private Equity Fonds

Es kann keine Rede davon sein, dass Deutschland durch die Globalisierung zu diesen Deregulierungs- bzw. Subventionsmaßnahmen gleichsam gezwungen worden wäre. Im Gegenteil: Maßnahmen wie die Abschaffung der Börsenumsatzsteuer oder der Steuer auf Veräußerungsgewinne sind im internati-onalen Vergleich eher ungewöhnlich. Auch die Steuerleichterungen für Kapitalgesellschaften und Pri-vate Equity Fonds erscheinen im internationalen Vergleich als unnötig und teilweise extrem.

DieGefahrenderFinanzmarktderegulierungunddieNotwendigkeitderReregulierung

Generell zeigt die Geschichte, dass die Finanzmarktderegulierung ihren Anspruch der gesamtwirt-schaftlichen Wohlfahrtsförderung nicht zu erfüllen im Stande ist. In den USA hat Finanzmarktdere-gulierung sowohl in den 1920er Jahren als auch in der jüngeren Vergangenheit zu einer nicht nach-haltigen kreditfinanzierten Finanzspekulation sowie zu einer starken Zunahme des kreditfinanzierten privaten Konsums geführt. Unternehmen neigen dazu, ihr Interesse von der realen Investitionstätig-keit auf Finanzinvestitionen (feindliche Übernahmen, Aktien(rück)käufe, Konsumentenkredite, etc.) zu verlagern.

Typisch für Phasen der Finanzmarktorientierung sind auch die Deregulierung der Arbeitsmärkte und eine schwache Einkommensentwicklung bei der großen Masse der Bevölkerung. Allerdings können die privaten Haushalte die Deregulierung des Kreditvergabegeschäfts sowie den tendenziellen Anstieg von Finanz- und Immobilienvermögen dazu nutzen, ihren Konsum verstärkt über Kredit zu finanzieren. Allein dies erklärt, warum in den USA sowohl in den 1920er Jahren als auch in der jüngeren Vergan-genheit der private Konsum zur beherrschenden Stütze der wirtschaftlichen Dynamik werden konnte, obwohl die realen Einkommen der breiten Masse der Bevölkerung jeweils stagnierten. Nach der offizi-ellen Statistik ist die private Sparquote in den USA seit einigen Jahren sogar negativ.

Eine solche Abhängigkeit der gesamtwirtschaftlichen Dynamik von kreditfinanziertem Konsum ist aber nicht nachhaltig und beschwört Finanzkrisen herauf. In den 1930er Jahren folgte somit auf die Große Depression die Einsicht, dass die Masseneinkommen (Reallöhne) stärker steigen müssen, damit die Güternachfrage den Angebotskapazitäten folgen kann, ohne dass sich die privaten Haushalte über-mäßig verschulden müssen.

In Deutschland ist es im Bereich der Finanz- und Arbeitsmärkte in der jüngeren Vergangenheit zu einer weitgehenden Annäherung an das finanzmarktdominierte US-amerikanische System gekommen. Un-ternehmen müssen sich immer stärker am Shareholder Value-Konzept orientieren und führen verstär-kt Finanzinvestitionen durch, während die reale Investitionstätigkeit schwach ist. Insbesondere durch die radikale Abschaffung der Steuer auf Veräußerungsgewinne bei Kapitalgesellschaften ist die Gefahr feindlicher Übernahmen besonders groß geworden. Die Unternehmen nutzen zunehmend die neuen gesetzlichen Möglichkeiten wie Aktienrückkäufe oder Managementvergütung über Aktienoptionen. Durch die gezielte gesetzgeberische Förderung von Hedge Fonds und Private Equity Fonds werden auch nicht börsennotierte Unternehmen auf eine permanente Fixierung auf die kurzfristige Rentabilität festgelegt, da sonst Unternehmensübernahmen drohen.

Anders als in den USA gleichen die privaten Haushalte in Deutschland ihre stagnierenden bzw. rück-läufigen Realeinkommen aber nicht durch eine verstärkte Kreditfinanzierung des Konsums aus. Im Ergebnis ist die private Binnennachfrage insgesamt (Investitionen und Konsum) seit Jahren überaus schwach. Zugleich ist das deutsche Finanzsystem Krisen im Ausland in besonderem Maße ausgesetzt: Da inländischer Privatsektor und Staat kaum Finanzierungsmittel nachfragen, sind deutsche Banken sehr stark im Ausland engagiert und waren somit beispielsweise durch die jüngste Hypothekenkrise in den USA in besonderer Weise betroffen.

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Der 2005 nach langer Stagnationsphase einsetzende Aufschwung ist nun durch die Finanzmarktkrise bedroht. Die Exportdynamik scheint nicht nachhaltig den privaten Konsum anzuregen. Die Reallöhne sind sogar während des Aufschwungs weiter gesunken – ein Novum in der deutschen Nachkriegsge-schichte. Damit längerfristig die binnenwirtschaftlichen Nachfragekomponenten (v.a. private Investiti-onen und Konsum) wieder einen regelmäßigen und kräftigen Wachstumsbeitrag leisten können, sind sowohl eine Reregulierung des Finanzsystems als auch eine kräftigere Entwicklung der Masseneinkom-men sowie eine stärker wachstumsorientierte makroökonomische Politik notwendig.

3. Finanzmärktepolitischregulieren–inDeutschland,Europaundglobal

VordereigenenHaustürbeginnen:DasdeutscheFinanzsystemistfaktischunterreguliert!

Die Regulierung des deutschen Finanzmarktes ist im letzten Jahrzehnt von zwei Entwicklungen getrie-ben worden. Erstens wurde es den Banken durch die Liberalisierung auf europäischer und internationa-ler Ebene ermöglicht, nationale Regulierungen zu umgehen. Dies wurde von der deutschen Regierung massiv mit voran getrieben. Zweitens ist der nationale Regulierungsrahmen hauptsächlich auf Basis von Selbstverpflichtungen, „Best Practices“ oder den allseits beliebten (weil wirkungslosen) „Codes of Conduct“ entwickelt worden. Wir brauchen auf nationaler Ebene eine klare und durchsetzungsfähige Regulierung. Diese muss die Umgehung von nationalen Regelungen verhindern und gleichzeitig auf europäischer und internationaler Ebene eine Reregulierung vorantreiben. Ziel muss es sein, dass das Banken- und Finanzwesen wieder der realen Wirtschaft und der Vermögensmehrung der Normalver-diener dient.

Spekulation begrenzen, eine Börsenumsatzsteuer wieder einführen. Hierdurch würden kurzfristige Vermögensverschiebungen relativ zu langfristigen Anlagen teurer werden. Dies könnte zur Verringe-rung spekulativer Kursmanipulation durch Großanleger beitragen. Bis 1991 gab es in Deutschland eine Börsenumsatzsteuer von 1-2,5 Promille des Kurswertes je nach Wertpapierart. Zwar würde durch die Wiedereinführung einer Börsenumsatzsteuer allein das Problem der übermäßigen Spekulation längst nicht vollständig beseitigt. Jedoch würde eine solche Umsatzsteuer gewährleisten, dass Finanzmarkt-akteure stärker an der Finanzierung öffentlicher Aufgaben beteiligt würden. Bei einer Wiedereinfüh-rung mit einem Satz von 0,5 Prozent wie in Großbritannien würden zusätzlich bis zu 14 Milliarden Euro Steuereinnahmen generiert werden.

Langfristorientierung fördern, Aktienstimmrecht ändern. Das Aktienstimmrecht sollte in Abhängigkeit von der Haltedauer ausgeübt werden müssen. Investoren sollten Anreize haben, langfristig in Aktien zu investieren und im Sinne einer langfristigen Strategie in das Unternehmen zu wirken. Entsprechend setzen wir uns für ein zeitlich gestaffeltes Aktienstimmrecht gemäß der Haltedauer der Aktien ein. Dies würde die kurzfristige Einflussnahme erschweren und es somit Aufsichtsräten und Vorständen ermöglichen, in längeren Zeithorizonten zu handeln.

Öffentlichen Bankensektor stärken. Durch seine regionale Verankerung sollte es die vorrangige Aufga-be des öffentlichen Bankensektors sein, für Kredite und Finanzdienstleistungen für kleine und mittlere Unternehmen sowie ArbeitnehmerInnen zu sorgen. Der öffentliche Bankensektor ist im vergangenen Jahrzehnt unter erheblichen Liberalisierungs- und Privatisierungsdruck geraten mit dem Ziel, die Spar-kassen als dritte Säule des deutschen Bankensystems zu schwächen. Dieser Trend ist umzukehren. Öffentliche Banken haben in spekulativen internationalen Finanzgeschäften nichts zu suchen. Wir brauchen öffentliche Banken, die einen noch stärkeren Fokus auf lokale und regionale Investitionsfi-nanzierung legen, anstatt in hoch riskanten internationalen Spekulationsgeschäften aktiv zu sein. Ge-rade in Zeiten von Finanzmarktturbulenzen und drohender Kreditklemme durch die Privatbanken muss der öffentliche Bankensektor die Funktion eines Puffers erfüllen und dazu beitragen, den Kreditfluss an gesunde Unternehmen zu verstetigen.

Transparenz steigern. Banken können zurzeit über die Konstruktion von Zweckgesellschaften, teilweise in Steueroasen wie Luxemburg oder Liechtenstein, riskante Kreditgeschäfte außerhalb der Bilanzen vollziehen. Die Einrichtung und das Risiko aus solchen Zweckgesellschaften müssen in den Bilanzen klar ersichtlich sein. Banken mit öffentlichem Anteil sollten diese verboten werden.

Veräußerungsgewinne besteuern. Die selbst für die Finanzmarktlobby überraschende Aufhebung der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen durch Rot-Grün ist rückgängig zu machen. Gerade für insti-tutionelle Anleger kommt es bei Unternehmenskäufen und -veräußerungen nicht auf das langfristige Engagement im Zielunternehmen an, sondern der kurzfristige Umschlag von Eigentumstiteln und die damit verbundenen Konsequenzen für die Unternehmen (s.o.) gehören schlicht zu ihrer Geschäftsstra-tegie. Und die Gewinne daraus sind, ebenso wie bei anderen Unternehmen, zu besteuern. Aktienrück-

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käufe und kreditfinanzierte Sonderdividenden beschränken. Unternehmen finanzieren einen Großteil ihrer Investitionen über interne Finanzierungsmittel. Aktienrückkäufe und Dividendenzahlungen kom-men kurzfristig den Aktionären (und ggf. Managern über an Finanzmarktkennzahlen ausgerichteten Bonuszahlungen) zugute, aber sie verschlechtern die Investitionsmöglichkeiten der Unternehmen. Pri-vate Equity Fonds streben in einigen Fällen eine höhere Rendite durch kreditfinanzierte Sonderdividen-den an. Diese Praktiken müssen stärker begrenzt oder verboten werden.

Keine steuerliche Förderung von Hedge Fonds und Private Equity Fonds. Die Aktivitäten dieser Finan-zinvestoren sollten vielmehr stärker kontrolliert und beschränkt werden. Indiskutabel ist es, wenn das Geschäftsmodell dieser Fonds auf staatlicher Förderung durch Steuererleichterungen basiert. Die Überschuldung von Zielunternehmen muss verhindert werden, z.B. durch eine effektive Zinsschranke.

Mindestreserven auf alle Finanz- und Sachaktiva. Hierbei müssten Banken abgestuft nach jeweiliger Wert- und Risikoentwicklung Mindestreserven bei der zuständigen Zentralbank hinterlegen. Die Zen-tralbanken könnten bei einer Zuspitzung der Marktlage diese Reserveanforderungen antizyklisch vari-ieren und so Anreize zu Spekulation bzw. Panikreaktionen dämpfen.

EuropäischeRegelnfüreinenintegriertenFinanzplatzEuropaschaffen!

In Europa besteht seit dem Inkrafttreten der Einheitlichen Europäischen Akte 1987 ein Markt ohne Binnengrenzen, der u.a. die Kapitalverkehrsfreiheit umfasst. Mit zahlreichen Initiativen hat die EU-Kommission die Durchsetzung dieser Kapitalverkehrsfreiheit durch einheitliche Marktbedingungen vorangetrieben, seit 1995 insbesondere durch den Financial Services and Action Plan. Mit der Einfüh-rung des EURO 2001 und der Umsetzung der Finanzdienstleistungsrichtlinie (MifID) 2004 ist ein stark integrierter europäischer Kapitalmarkt entstanden. Diesem weitgehend liberalisierten Markt steht je-doch eine undurchsichtige Vielfalt von nationalen Aufsichtsbehörden und Befugnissen gegenüber. Di-ese Aufsichtsbehörden werden in einem aufwendigen Ausschusssystem koordiniert. Ihre unterschied-liche Funktionswiese wird jedoch auch angesichts der aktuellen Krise deutlich: Während in Spanien die zuständige Zentralbank den Handel mit verbrieften Immobilienkrediten einschränkte, verzocken sich vor allem deutsche und britische Bankhäuser auf dem amerikanischen Markt – ohne Einspruch der je-weiligen Aufsichtsbehörden. Hier ist eine einheitliche europäische Finanzmarktaufsicht gefordert. Sie muss anhand einheitlicher Regeln (z.B. über Transparenz- und Eigenkapitalvorschriften) Akteure wie Ratingagenturen sowie in Europa angebotene Finanzprodukte genehmigen und kontrollieren.

Neben der institutionellen Schwäche einer zersplitterten Finanzmarktaufsicht bei immer enger eu-ropäisch agierenden Banken und Anlegern sind auch regulative Maßnahmen zur Begrenzung der Ex-zesse auf den Kapitalmärkten nötig. Die Verflechtung der deutschen Wirtschaft mit dem europäischen Binnenmarkt sowie die Rückwirkungen des Finanzsektors auf die Realwirtschaft auf eben diesen sind die wichtigsten Gründe für eine stärkere Regulierung auf europäischer Ebene. So wäre ein System von Mindestreserven, die Finanzinstitute bei der Europäischen Zentralbank hinterlegen müssen, wenn sie bestimmte Finanzgeschäfte tätigen, ein wirksames und variables Instrument, um deren Spekulations-sucht zu bremsen. Auch eine Einschränkung des Weiterverkaufs von Kreditrisiken ist möglich, wenn etwa durch europäische Bilanzierungsvorschriften mindestens 20% des weiterveräußerten Forde-rungsvolumens im emittierenden Institut noch bilanzwirksam (und damit haftungsrelevant) erfasst werden müssen.

GlobaleKooperationbeginnen!

Globalisierte Finanzmärkte brauchen gerechte und globale Regeln. Die Zeiten von freiwilligen Selbst-verpflichtungen und internationalem Regulierungsvakuum müssen vorbei sein. Die internationalen Finanzmärkte müssen wieder dem Menschen und seinem Wirtschaften dienen und nicht der kurzfri-stigen milliardenfachen Profitmaximierung einiger weniger. Das was die Steuerzahler zurzeit in die Stabilisierung der Finanzmärkte geben müssen, ist vorher von den Bankern in die eigene Tasche gewirt-schaftet worden. Gewinne werden privatisiert, Verluste vergesellschaftet.

Steueroasen aktiv bekämpfen. Die zahlreichen Offshore-Finanzzentren geben Finanzmarktinvestoren die Möglichkeit, jedwede Regulierung und Transparenz zu unterlaufen. So werden Risiken versteckt, Steuern hinterzogen und kriminelle Gelder gewaschen. Der Postkasten hierfür steht zwar juristisch auf irgendeiner Karibikinsel, in Monaco oder Liechtenstein, Investmentbanken und Anwaltskanzleien steuern diese Geschäfte jedoch von Frankfurt oder London. Diese Doppelbödigkeit muss beendet, die direkte oder indirekte Beteiligung an solchen Geschäften international verboten werden. Steueroasen müssen diplomatisch wie wirtschaftlich sanktioniert werden. Staaten mit eigenen Off-Shore-Zentren auf dem Territorium, wie Großbritannien, die USA oder Frankreich, müssen diese abschaffen. Wir brau-chen eine Staatengruppe, die sich klar von solchen Praktiken distanziert und Kapitalverkehrskontrollen

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für Staaten einführt, die keine anspruchsvolle Regulierung und Offenlegung vorweisen können oder die solche Offshore-Zentren weiterhin unterstützen. Unternehmen und Finanzdienstleister, die weiter-hin mit solchen Finanzzentren handeln wollen, müssten höheres Eigenkapital hinterlegen bzw. Son-derabgaben leisten.

Die zunehmend multipolare Weltordnung mit den aufstrebenden Schwellenländern China, Indien und Brasilien macht eine neue internationale Koordination der Geldpolitiken notwendig. Die einseitig ma-nipulierten Wechselkurse zur Förderung nationaler Exportstrategien, wie etwa durch China, führen zu gefährlichen Verzerrungen im internationalen Handelssystem. Im Krisenfall sind einzelne Zentralban-ken zudem überfordert. In der aktuellen Krise hat die Koordination der Zentralbanken zwischen Europa und den USA gezeigt, dass gemeinsames Vorgehen zumindest kurzfristig Stabilisierungserfolge bringt. Ein international ausgewogenes Währungssystem sollte über den IWF vereinbarte Wechselkurskorri-dore und Regeln zur koordinierten Intervention auf den Geldmärkten beinhalten. So können nationale Alleingänge, die in einer globalisierten Wirtschaft oft negative Folgen haben, vermieden werden.

4. NeuorientierungdermakroökonomischenPolitik

Die Reregulierung des Finanzsystems muss mit einer angemessenen Makropolitik flankiert werden. Deutschland bzw. die Europäische Währungsunion liegen hier im wirtschaftswissenschaftlichen wie –politischen Bereich weit hinter den internationalen Standards zurück. In so unterschiedlichen Län-dern wie den USA, Großbritannien oder Schweden gilt es als Selbstverständlichkeit, dass die Geld- und Fiskalpolitik einen wichtigen Beitrag zur konjunkturellen Stabilisierung und damit letztlich zum lang-fristigen Wachstum leisten müssen. In Europa setzt das Maastricht-Regime der staatlichen Fiskalpolitik enge Grenzen. Deutschland bleibt zudem bei den öffentlichen Investitionen systematisch hinter dem Durchschnitt der entwickelten Industrieländer zurück. Die Europäische Zentralbank verfolgt eine ein-seitige Inflationsbekämpfungspolitik, während andere Zentralbanken ausdrücklich auch Wachstums-ziele verfolgen.

Verfehlt ist der Vorwurf, eine expansive Geldpolitik – wie in den letzten Jahren in den USA – sei ver-antwortlich für die Entwicklung von Finanzkrisen. In der Vergangenheit war eine expansive Geldpolitik problemlos mit Finanzsystemstabilität vereinbar, da entsprechende Regulierungsvorkehrungen ver-hinderten, dass niedrige Zinsen zur Ausweitung der Spekulation auf Grundlage hoher Schuldenhebel führten. Erst die Deregulierung des Finanzsystems hat dazu geführt, dass die Zinspolitik nicht mehr zielgenau auf den realwirtschaftlichen Prozess durchgreifen kann, sondern perverse Nebeneffekte im Finanzsystem entwickelt (etwa Liquiditäts- und Solvabilitätskrisen bei privaten Haushalten und Ban-ken im Zuge der Kreditverbriefung).

Eine Reregulierung des Finanzsystems schafft zwar die Voraussetzung dafür, dass Unternehmen ihren Fokus wieder stärker auf die realwirtschaftliche Investitionstätigkeit richten und eine Überschuldung der privaten Haushalte vermieden wird. Letztlich wird die Investitions- und Kreditnachfrage der Un-ternehmen sich jedoch nur dann angemessen entwickeln können, wenn die Unternehmen eine ent-sprechende Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage und insbesondere der inländischen Konsumnachfrage erwarten. Daher gilt es, neben einer pragmatischen Geld- und Fiskalpolitik auch wieder zu einer stabilitätsorientierten Lohnpolitik zu kommen, d.h. der Verteilungsspielraum aus län-gerfristigem Produktivitätsfortschritt und Inflation sollte jeweils ausgeschöpft werden, damit die re-alen Masseneinkommen im Einklang mit den volkswirtschaftlichen Angebotskapazitäten wachsen. Deutschland nimmt mit der drastischen Lohnzurückhaltung der letzten Jahre eine internationale Au-ßenseiterposition ein. Dies erklärt die seit langem stagnierende Konsumnachfrage.

Wachstum ist kein Selbstzweck. Vielmehr ist es ein Mittel, um gesellschaftliche Verteilungskonflikte zu entschärfen. Auch würde ein kräftigeres Wachstum über einige Jahre dazu führen, dass sich das po-litische Klima in Deutschland normalisiert. Viele renommierte Wirtschaftswissenschaftler und Nobel-preisträger aus dem Ausland sind erschrocken darüber, wie sehr die wirtschafts- und sozialpolitische Debatte in Deutschland auf Strukturreformen und Kürzungen von sozialen Leistungen fixiert ist.

5. HerausforderungenfürunsJusos:einseitigeWirtschafts-undFinanzpolitikaufbrechen

In der aktuellen Finanzmarktkrise möchten wir Jusos aufzeigen, wie ungerecht und wenig nachhaltig der finanzmarktgetriebe Kapitalismus ist. Längst rufen auch diejenigen nach staatlichen Eingriffen, die sonst politisches Handeln zur Gestaltung von Wirtschaftsprozessen ideologisch ablehnen. Die Arbeit-nehmerinnen und Arbeitnehmer erleben Stellenstreichungen trotz Rekordgewinnen. Die Mittelschicht

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erodiert, immer mehr Menschen sind trotz wachsenden gesamtwirtschaftlichen Reichtums vom Ab-stieg bedroht.

Die Einseitigkeit der Wirtschafts- und Finanzpolitik in Deutschland gefährdet den sozialen Zusammen-halt in Deutschland. Die Deregulierung des Finanzsystems spielt hierbei eine herausragende Rolle. Die Beeinflussung der Regierungsarbeit durch den Lobbyismus der Finanzbranche ist makroökonomisch schädlich und belastet die Demokratie.

Hier gilt es, in den kommenden Wahlauseinandersetzungen 2009 und 2010 eine gründliche Analyse und Alternativen aufzuzeigen, die deutlich über eine moralische Geißelung einzelner Akteure hinaus-gehen. Mit dieser Positionsbestimmung wollen wir NRW Jusos hierzu einen Beitrag leisten und die Diskussion innerhalb der SPD vorantreiben.

Für uns ist klar: Die Ungerechtigkeit und die Instabilität sind nicht dem Fehlverhalten einzelner Anleger oder Banken geschuldet, sondern gehören zwingend notwendig in die Logik des aktuellen Kapitalis-musmodells. Daher bedarf es politischer Regulation, um ungerechte und ineffiziente Auswüchse zu überwinden und Entwicklungen hin zu einem sozial gerechten und nachhaltigen Wirtschaftsmodell in die Wege zu leiten. Die Richtung der SPD in den vergangenen Jahren ist hier dem Diktat der Kapi-talmarktlobby und des neoliberalen Mainstreams gefolgt. Dieser Kurs ist zu korrigieren! Wir brauchen eine funktionale und linke Antwort auf die Krise des finanzgetriebenen Kapitalismus!

Dabei ist uns bewusst, dass dies nur mit gesellschaftlichen Mehrheiten gelingen kann. Mit einfachen Parolen und blinder Umverteilung ohne Rücksichtnahme auf die komplexen wirtschaftlichen Impli-kationen auf den Finanzmärkten lassen sich weder Mehrheiten noch funktionale Lösungen für eine solche Politik finden. Diese differenzierte Haltung müssen wir in der Auseinandersetzung mit zivilge-sellschaftlichen Organisationen, wie z.B. aus der globalisierungskritischen Bewegung, oder anderen linken Parteien konstruktiv in die Debatte einbringen.

Nicht zuletzt ist für uns Jusos wichtig, dass die Diskussion sachlogisch auch europäisch und internatio-nal in der sozialistischen Bewegung geführt werden muss. Wir begrüßen daher die Anstrengungen der SPE, auf europäischer Ebene eine stärkere Regulierung der Finanzmärkte voranzubringen. Auch wollen wir als NRW Jusos innerhalb von ECOSY die Diskussion im Sinne unserer oben beschriebenen Positi-onen vorantreiben.

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BeschlussF2

Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren–

Öffentliche Beschäftigung ausbauen

Zur Zeit überbietet sich die Bundesagentur für Arbeit jeden Monat auf ein Neues mit scheinbaren Er-folgszahlen. Richtig ist, dass die Beschäftigungszahl mit 40,18 Mio. im November 2007 den höchsten Stand seit Bestehen der Bundesrepublik hat. Richtig ist aber auch, dass die Quote von Personen mit Teilzeitjob auf 33,6% gestiegen ist. Für viele dieser 13,5 Mio. Teilzeitbeschäftigte ist dieses Arbeitsver-hältnis nur eine Notlösung, da eine existenzsichernde Vollbeschäftigung nicht zu erhalten ist. Dies ist ebenfalls Lebensrealität für die 3,5 Mio. „offiziellen“ Arbeitslosen.

In der Koalition finden, gut versteckt vor der Öffentlichkeit, Gespräche zur Lösung des Problems statt, wobei es in der Fragestellung bemerkenswerterweise darum geht, wie die Einnahmesituation der Sozi-alversicherungen auch bei gesenkten Beitragssätzen zu verbessern ist. Mehr sozialversicherungspflich-tige Arbeitsverhältnisse zu höheren Löhnen müssen geschaffen werden. Eine Möglichkeit wird dabei jedoch vernachlässigt: der Aufbau eines öffentlichen Beschäftigungssektors.

Öffentliche Beschäftigung geht über die reine Erhöhung der Stellenanzahl in Verwaltungen oder Staats-betrieben hinaus. Dies kann zum Beispiel im Bereich von Kinder- und Seniorenbetreuung geschehen, aber auch im Gesundheitssystem. Gerade Arbeitsplätze in den sozialen Branchen sind einzurichten. Denn wir wissen: Uns geht die Arbeit nicht aus! Es ist eine Tatsache, dass soziale und unproduktive Arbeit in der Regel für die Wirtschaft, im kapitali-stischen System, nicht profitabel ist und aufgrund der derzeitigen Finanzierungsstrukturen auch von der öffentlichen Hand kaum noch zu finanzieren sind. Das wollen wir ändern! Der öffentliche Beschäf-tigungssektor muss zu einer weiteren Säule auf dem Arbeitsmarkt aufgebaut werden.Die öffentliche Beschäftigung darf jedoch nicht zu einem Arbeitsmarkt dritter Klasse werden. Es sol-len keine Beschäftigungsmaßnahmen stattfinden, um Erwerbslosen die Zeit zu vertreiben. Wir wollen dass gleichwertige Arbeitsplätze geschaffen werden, die wichtige und notwendige Arbeit erledigen, die jedoch in den kapitalistischen Unternehmensstrukturen nicht rentabel sind. Eine Förderung über einen Kombilohn, der nur einzelne Beschäftigungsverhältnisse bezuschusst, ist falsch und setzt durch eine Vielzahl von Mitnahmeeffekten falsche Signale. Vielmehr muss eine grundlegende Finanzierung der jeweiligen Tätigkeit erreicht werden. Es kann und darf nicht sein, dass Unternehmen der Privat-wirtschaft eine weitere Möglichkeit zur Erlangung billigster Arbeitskräfte zu Lasten der Gesellschaft erhalten um eigene Renditen zu erhöhen. Die Verantwortung der Unternehmen für die Gesellschaft darf auch zukünftig nicht von den Konzernen an den Staat abgegeben werden. Wir erhalten weiterhin die Forderung des Grundgesetzes aufrecht: Eigentum verpflichtet!

Bei dem Ausbau des öffentlichen Beschäftigungssektors dürfen ausschließlich sozialversicherungs-pflichtige Beschäftigungen geschaffen werden. Ein sozial gerechter und überlebensnotweniger Min-destlohn von min. 7,50 € sind bei der Einrichtung der Jobs ebenso wichtig wie umfangreiche Arbeit-nehmeInnenrrechte. Wir lehnen jede Beschäftigung, der die Arbeiterinnen und Arbeiter ausbeutet, ab. Nur eine gerechte Entlohnung und der Erwerb des Anrechts auf Rente und Sozialversicherung werden dem Ziel der Existenzsicherung aller und der Erhöhung des allgemeinen Lebensstandards gerecht und entsprechen unserem Leitbild der guten Arbeit.

Natürlich ist die Finanzierbarkeit der öffentlichen Beschäftigung in sozialen, aber auch gerade in inno-vativen Bereichen eine wichtige Frage. Die aktuellen Überschüsse der Arbeitslosenversicherung wä-ren eine Möglichkeit um diesen Sektor zu finanzieren und neue Berufsfelder zu erschließen. Statt die Arbeitslosenversicherung zu senken, sollte ein zukunftsträchtiger öffentlicher Beschäftigungssektor finanziert werden. Das schafft Arbeitsplätze und stärkt die Binnenkonjunktur. Somit würde ein neuer öffentlicher Beschäftigungssektor zur Stütze des konjunkturellen Aufschwungs werden.

Denkbar sind aber auch Umstrukturierungen der Verwendung von Steuermitteln, die von Unterneh-men gezahlt werden, um einen Teil dieser Einnahmen in die Volkswirtschaft zu re-investieren. Wenn Unternehmen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nicht nachkommen wollen, müssen sie zahlen. Die Wirtschaft nutzt die von der Gesellschaft finanzierten externen Effekte und ist als Trittbrettfahrer nicht bereit ihren Beitrag zu leisten. Auf dieses Marktversagen muss der Staat mit einem neuen öffent-lich geförderten Beschäftigungssektor reagieren.

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Beschlüsse Juso-Landeskonferenz 2008

Der Aufbau und die Entscheidung über den Einsatz von öffentlicher Beschäftigung kann nur durch den Staat erfolgen, wozu flächendeckende Arbeitsplätze entstehen sollen. Diese werden sowohl in öffent-lichen Einrichtungen, Non-Profit und Not-for-Profit Unternehmen/Organisationen und in innovativen Branchen, die ohne diese Unterstützung nicht überlebensfähig wären, entstehen. Bereits bestehende Strukturen dürfen hierbei jedoch nicht vernachlässigt oder übergangen werden. Vielmehr sind diese sinnvoll zu integrieren und auszubauen.

Langfristig ist es durchaus vorstellbar, dass diese Not-for-Profit- Unternehmen in ihren Bereichen auch Profite erwirtschaften. Gerade in Innovationsbereichen, z.B. Umwelttechnologie, ist es sogar wahr-scheinlich und wünschenswert. Not-for-Profit-Unternehmen, die in Zukunft hohe Gewinne erwirt-schaften und ohne die vom Staat finanzierten ÖBS-Stellen auskommen, werden nicht weiter finanziell gefördert. Die in der Unternehmung tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden, nach der Been-digung der staatlichen Förderung, von der Unternehmung selbst entlohnt. Mitnahmeeffekte werden durch langfristige Arbeitsverträge verhindert.

Der Staat muss neben der Lenkungsfunktion jedoch auch eine überwachende Funktion einnehmen. Ein funktionierender ÖBS darf nicht dazu führen, dass Arbeitsplätze der Privatwirtschaft in öffentliche Beschäftigungsverhältnisse ausgelagert werden und so den Staat unnötig belasten oder gar reguläre Arbeitsplätze vernichten. Hierfür muss die Gesetzgebung strenge Regelungen finden. Für Gesellschaft und Staat ergäbe sich bei der Einrichtung eines ÖBS eine win-win-Situation. Die Ar-beitslosenzahlen würden weiter sinken, die Einnahmesituation vieler Menschen würde sich verbes-sern, ebenso die Einnahmen der Sozialversicherungen. Mehr Geld würde in den Konsum fließen, dass sich wiederum auf dem Arbeitsmarkt und in höheren Steuereinnahmen bemerkbar macht. Der ÖBS kann sich langfristig auf diese Weise selbst tragen und sogar für volkswirtschaftliche Gewinne sorgen.

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Beschlüsse Juso-Landeskonferenz 2008

BeschlussF4

Wahrnehmung der

Ausbildungsverantwortung durch Land und

Kommunen

Auch und gerade in Zeiten von Haushaltkonsolidierung und knappen Kassen stehen das Land Nordrhein-Westfalen und die nordrhein-westfälischen Kommunen in der Pflicht, ihren Anteil zur beruflichen Ausbil-dung junger Menschen zu leisten. Insbesondere muss der Vernachlässigung der beruflichen Ausbildung durch die Privatwirtschaft begegnet werden. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Verantwortung von Unternehmen für Ausbildung durch den Staat übernommen werden muss. Wir fordern auch weiterhin die Privatwirt-schaft auf, ihrer Ausbildungsverantwortung nachzukommen.

Die kommunale und staatliche Aufgabenwahrnehmung ist von qualifiziertem und motiviertem Personal abhhängig. Die öffentliche Verwaltung muss die besondere Verantwortung, die sie für junge Menschen hat die Verwaltungsberufsbilder erlernen, annehmen.

In ihren Bemühungen zur Nachwuchsgewinnung und –auswahl muss die öffentliche Verwaltung in er-höhtem Maß der Bildungschancengleichheit Rechnung tragen.

Die Landeskonferenz beauftragt den Landesvorstand vor diesem Hintergrund eine Positionierung der NRW-Jusos zu diesem Thema zu erarbeiten. Insbesondere die folgende Punkte sollen berücksichtigt werden:

Um die Vernachlässigung der beruflichen Ausbildung durch die Privatwirtschaft zumindest im Ansatz auszu-gleichen, sollte die Einführung einer verbindlichen Ausbildungsquote von mindestens 8% der Beschäftigen für alle Landesbehörden, die Kommunalverwaltungen und die den Kommunen eigenen Betriebe geprüft werden. Das Angebot an Ausbildungs plätzen sollte sich neben den Bedarfen der öffentlichen Verwaltung und der Betriebe in öffentlichem Eigentum an den Anforderungen des Arbeitsmarkts orientieren und quali-tativ hochwertige und zukunftsfähige Ausbildungen umfassen. Dort wo Betriebe und Behörden selbst nicht über die Kapazitäten zur Einrichtung von Ausbildungsplätzen oder bestimmter Berufsbilder verfügen, muss die Ausbildungsverantwortung im Rahmen von Verbund-ausbildungen mit der Privatwirtschaft gemein-sam wahrgenommen werden.2. Dagegen besteht im Bereich der reinen Verwaltungslaufbahnen das erhöhte Risiko, dass keine Ar-

beitsplätze für diese Berufsbilder außerhalb der öffentlichen Verwaltung vor handen sind. Um zu vermeiden, dass hier aufgrund mangelnder Marktfähigkeit in die Arbeitslosigkeit ausgebildet wird, sind Maßnahmen zu ergreifen. Denkbar wäre eine Be schränkung der Ausbildungsbemühungen in den reinen Verwaltungsberufen auf einen personalbedarfsdeckenden Umfang in Verbindung mit der Aussprache von Übernahmegarantien oder die verbindliche Verpflichtung zur Weiterqualifizierung / Um-qualifizierung in ein marktfähiges Berufsbild der Privatwirtschaft, wenn nach Beendigung der Ausbildung nicht übernommen wird.

3. Menschen mit Migrationshintergrund sind überproportional mit Defiziten der deutschen Sprachbe-herrschung, insbesondere der deutschen Schriftsprache belastet. Die Landesbehörden, Kommunen und die den Kommunen eigenen Betriebe sollten die besondere Spracherwerbsgeschichte von Men-schen mit Migrationshintergrund in der Form berücksichtigen, dass bei Einstellungstests die Wertung ihrer aktuellen Sprachfertigkeiten zu Gunsten ihres Sprachpotentials und ihrer Lernfähigkeit verringert wird. Diesen Auszu bildenden ist dann durch gezielte Förderung die Möglichkeit und Verpflichtung ihre Sprachfertigkeiten auszubauen, im Rahmen der Ausbildung zu gewähren.

4. Um der vorherrschenden, schleichenden Entwertung von Schulabschlüssen unter halb der allgemeinen Hochschulreife zu begegnen, sollte die öffentliche Verwaltung die Be setzung von Ausbildungsstellen mit Bewerberinnen und Bewerbern mit besseren Schulab schlüssen als den für die Ausbildungsstellen mindestens geforderten zurückfahren und die Besetzung der Ausbildungsstellen mit Bewerberinnen und Bewerbern mit geeigneteren nicht aber überqualifizierten Schul abschlüssen priorisieren.

5. Daneben sollte geprüfte werden, inwieweit bei der vorherrschenden Knappheit von Ausbildungs-plätzen Abstand davon genommen werden sollte, Ausbildungsplätze an Bewerberinnen und Bewerber zu vergeben, die bereits über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen oder inwieweit Bewerberinnen und Bewerber ohne abgeschlos sene Berufsausbildung bevorzugt einzustellen wären. Solange Ausbildungs-plätze fehlen, sollten Zweitausbildungen zweite Priorität haben.

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Beschlüsse Juso-Landeskonferenz 2008

BeschlussF5

Wiedereinführung eines Tariftreuegesetzes in

NRW!

Die NRW Jusos fordern alle Parteigliederungen der SPD (und die SPD-Landtagsfraktion in NRW) auf, auf die Wiedereinführung eines -mit der europäischen Rechtsprechung vereinbares - Tariftreuegesetzes hinzuwirken und so den Gemeinden und Gemeindeverbände die Möglichkeit zu geben, bei der Vergabe öffentlicher Aufträge von Bietern eine Tariftreueerklärung zu verlangen, sowie ihre Vergabeentschei-dung von dieser abhängig zu machen.

Die am 31.Oktober 2006 – durch die CDU/ FDP Mehrheit in NRW - erfolgte Aufhebung des Tariftreuege-setzes, soll so wieder rückgängig gemacht werden.

Ferner sind bei einem neuen Tariftreuegesetz die Erfahrungen, die mit dem letzen Tariftreuegesetz ge-macht wurden, zu berücksichtigen. Insbesondere muss sichergestellt werden, dass die Tariftreueerklä-rungen der Unternehmen kontrolliert werden und der Verwaltungsaufwand vertretbar bleibt.Bei der Neuregelung eines solchen Gesetzes muss die neuste Rechtsprechung des europäischen Ge-richtshof beachtet und gestalltet werden.

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Beschlüsse Juso-Landeskonferenz 2008

BeschlussF6

Mitbestimmungsgesetze auch auf

Auslandsgesellschaften erstrecken!

Die Globalisierung stellt auch für die deutsche Mitbestimmung eine Herausforderung da. Kostendruck, Wettbewerb und ungebremste Kapitalströme nehmen Einfluss auf die Arbeitswelt. Die Aufgabe von Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten muss es sein, diese Globalisierung sozial zu gestalten.

Aufgrund der Rechtsprechung des EuGH können ausländische Kapitalgesellschaften in ihrer ursprüng-lichen Rechtsform in Deutschland unter Anwendung des ausländischen Gesellschaftsstatuts tätig wer-den. Die Anwendbarkeit des Mitbestimmungsgesetzes auf solche Gesellschaften ist umstritten. In der Praxis findet in diesen Gesellschaften jedoch keine Unternehmensmitbestimmung statt.

Auch führt die Einführung der Europäischen Aktiengesellschaft (SE) zu einem zunehmenden Druck auf das deutsche Mitbestimmungssystem.

Auf längere Sicht kann das erfolgreiche deutsche Mitbestimmungssystem nur durch europäische Re-gelungen erhalten und gestärkt werden. Daneben bedarf es aber auch einer umgehenden ausdrück-lichen nationalen Regelung, damit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in ausländischen Gesell-schaften in Deutschland arbeiten, unter die Mitbestimmungsgesetze fallen.

Die NRW Jusos fordern, dass die Unternehmensmitbestimmung (Mitbestimmung im Aufsichtsrat) nach deutschem Vorbild in der EU verankert wird.

In vielen EU-Mitgliedsstaaten besteht eine gesetzlich geregelte Unternehmensmitbestimmung. Jedoch haben nur Deutschland und Slowenien eine gesetzliche Regelung für die paritätische Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat.

Die Praxis zeigt jedoch, dass viele ausländische Firmen sich mit der deutschen Unternehmensmitbe-stimmung arrangieren. Die deutsche Unternehmensmitbestimmung ist augenscheinlich kein Stand-ortnachteil, wie sie mancher Arbeitgeberverband verteufelt.

Die deutsche Mitbestimmung funktioniert erfolgreich nach dem Prinzip, „Staat und Wirtschaft sind für die Menschen und ihre Rechte da, nicht umgekehrt.“ (Berliner Programm 1998, S. 11)

Die Gewerkschaften forderten bereits 2006 in der Regierungskommission zur Modernisierung der deutschen Unternehmensmitbestimmung eine gesetzliche Erstreckung des Mitbestimmungsgesetzes auch auf Unternehmen ausländischer Rechtsform. Diese Forderung wurde allerdings nicht umgesetzt.

Leider lässt sich feststellen, dass immer mehr Auslandsgesellschaften (z. B. Ltd.) mit Verwaltungssitz in Deutschland und deutsche Personengesellschaften, in denen eine ausländische Kapitalgesellschaft persönlich haftende Gesellschafterin ist, ihren Verwaltungssitz ins Ausland verlegen und so die deut-sche Unternehmensmitbestimmung umgehen.

Diese Entwicklung zeigt die Notwendigkeit auf durch gesetzlich sicherzustellen, dass sich die Mitbe-stimmungsgesetze auch auf Auslandsgesellschaften beziehen.

Neben dem Schutz der deutschen Mitbestimmung wird so auch Rechtssicherheit für die Unternehmen geschaffen.

Die NRW Jusos fordern deshalb, dass die deutschen Mitbestimmungsgesetze so zu ändern, dass diese auch auf Auslandsgesellschaften mit Verwaltungssitz in Deutschland miteinschließen.

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Beschlüsse Juso-Landeskonferenz 2008

BeschlussF7

Die NRW Jusos sprechen sich für die

Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes

in NRW und bundesweit aus.

I.Der Landeskonferenz der NRW Jusos stellt fest:

1. Die NRW Jusos halten einen flächendeckenden Mindestlohn, der allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein Lohnniveau garantiert, das nicht unterschritten werden darf, für unverzicht-bar.

2. Für die NRW Jusos ist die Autonomie der Tarifparteien bei der Lohnfindung ein hohes gesellschaft-liches Gut. Die Tarifautonomie ist auch in Zukunft zu schützen.

3. Auch in NRW haben sich in den letzten Jahren zum einen Arbeitsmarktsegmente herausgebil-det, in denen es keine Tarifbindung gibt. Zum anderen umgehen immer mehr Unternehmen aus tarifgebundenen Branchen geltende Tarifverträge, z.B. in dem sie aus dem Arbeitgeberverband austreten. Beides hat zur Herausbildung eines Niedriglohnsektors geführt.

4. In Deutschland arbeiten zur Zeit ca. 5-7 Millionen Beschäftigte zu Niedriglöhnen. Darunter viele, die sogar mit einem Armutslohn (weniger als die Hälfte des durchschnittlichen Bruttoeinkom-mens) auskommen müssen. Frauen sind davon noch weit stärker betroffen als Männer (!).

5. Diese Entwicklung schwächt die Position der Beschäftigten und ihrer Gewerkschaften bei Tarif-verhandlungen und erhöht den Druck auf das Lohngefüge in Deutschland. Eine Fortsetzung die-se Abwärtsbewegung nach unten muss aus gesamtwirtschaftlichen und (aus) sozialen Gründen dringend gestoppt werden.

II.Die NRW Jusos fordern daher alle Parteigliederungen auf:

Auf ein Gesetz hinzuarbeiten, das sicherstellt, dass alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in NRW und Deutschland arbeiten, einen rechtlichen Anspruch auf einen (Lohn) Mindestlohn haben. Die-ser Mindestlohn soll nicht unter 7,50 Euro liegen. Um der zukünftigen Lohnentwicklungen zu berücksichtigen, soll der Mindestlohn nach seiner Einfüh-rung durch ein unabhängiges Gremium aus Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter sowie Vertretern der Wissenschaft alle zwei Jahre neu festgelegt werden.Für den Fall, dass nach zwei Jahren keine Anpassung des Mindestlohns durch das Gremium erfolgt, erhöht (verringert) sich der Mindestlohn um die Inflationsrate zuzüglich einer eventuellen Steigerung der Reallöhne (Auffanglösung).

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Beschlüsse Juso-Landeskonferenz 2008

BeschlussF8

Lernen aus dem Steuerskandal

Der Juso-Landesverband NRW setzt sich für folgende Maßnahmen zur Erhöhung der Steuergerechtig-keit und Verschärfung der Sanktionen bei Steuervergehen ein:1) Verlagerung der Steuerfahndungen von Länder- auf Bundesebene2) Einstellung von zusätzlichen Steuerfahndern und Betriebsprüfern3) Erhöhung des Mindeststrafmaßes für schwere Steuerhinterziehung4) Erhöhung der Quellensteuer bei der Unternehmensbesteuerung5) Verbesserung der Amtshilfeverfahren mit den Ordnungsorganen in sog. „Steueroasen“, auch un-

ter Zuhilfenahme verstärkten diplomatischen Drucks

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Beschlüsse Juso-Landeskonferenz 2008

BeschlussF9

Leiharbeit eindämmen!

Die NRW Jusos sprechen sich für eine weitgehende Regulierung der Zeit- und Leiharbeit aus und unter-stützen die Gewerkschaften in ihren Forderungen nach guter Arbeit auch für diese Beschäftigten.

In den vergangenen Jahren hat sich der Bereich der Zeit- und Leiharbeit massiv ausgeweitet: Waren 1997 erst 200.000 ArbeitnehmerInnen LeiharbeiterInnen, sind es heute fast eine Million. Ein Grund hierfür sind die im Zuge der Hartz-Gesetzgebung verschärften Zumutbarkeitsregelungen auch und gerade für ältere Arbeitslose, die sie in diesen prekären Beschäftigungsbereich drängen. Dabei hat sich die mit dieser Maßnahme verbundene Hoffnung, über Leiharbeit Brücken in reguläre Beschäftigung zu bauen bislang nicht bewahrheitet. Nach einer Studie des IAB werden nur 15 Prozent der LeiharbeiterInnen von den ausleihenden Betrieben übernommen. Richtig ist vielmehr, dass Leiharbeit für Unternehmen gerade dadurch attraktiv wird, dass sie einerseits geringer entlohnt wird als reguläre Beschäftigung und andererseits mögliche Einstellungshemmnisse wie Kündigungsschutz, Krankenversicherung und Rentenbeiträge nicht greifen. Dabei verkennen wir nicht, dass Leiharbeit ein sinnvolles Instrument sein kann, um Produktionsspitzen abzufedern. Dieser Grund rechtfertigt aber nicht die Tatsache, dass jede zweite der im Jahr 2007 geschaffenen Stellen ein Leiharbeitsverhältnis war und damit ein großer Be-reich prekärer Beschäftigungsverhältnisse geschaffen wurde. So erhalten LeiharbeiterInnen rund 45 Prozent weniger Lohn als ihre KollegInnen, viele von ihnen müssen ihren Lohn durch das Arbeitslosen-geld II aufstocken, um ihren Lebensunterhalt finanzieren zu können. Zusätzlich verdienen Frauen auch in Zeitarbeitsverhältnissen deutlich weniger als ihre männlichen Kollegen und spüren bei so geringem Lohn die Benachteiligungen des Ehegattensplittings umso stärker. Gleichzeitig sind Leiharbeitsverhält-nisse unsichere Beschäftigung, eine Lebens- und Zukunftsplanung ist so nicht möglich. Ebenso haben LeiharbeiterInnen oftmals nicht die Chance, an betrieblicher Mitbestimmung mitzuwirken und an Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen zu können, womit auch langfristige Entwicklungsperspekti-ven verbaut werden. Auch beklagen viele ArbeitnehmerInnen deutlich schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt je länger sie für eine Leiharbeitsfirma gearbeitet haben.

Leiharbeit ist aber nicht nur ein individuelles Problem der Betroffenen, sondern wird von den Unter-nehmen gezielt zur Deregulierung des gesamten Arbeitsmarkts genutzt. Oftmals werden reguläre Ar-beitsplätze durch Leiharbeitsverhältnisse ersetzt, wodurch auch die bestehenden Flächentarifverträge ausgehebelt werden sollen. Dadurch ist auch eine fortschreitende Entsolidarisierung der Beschäftigten zu beobachten, da die tariflichen und sozialen Standards auch der Stammbelegschaft unter Druck ge-raten. Misstrauen zwischen regulär Beschäftigten und LeiharbeiterInnen ist die Folge. Es darf keine ArbeitnehmerInnen erster und zweiter Klasse geben.

Die NRW Jusos unterstützen deshalb die Kampagne der IG Metall ‚Leiharbeit fair gestalten‘ und fordern die Bundesregierung auf, folgende Maßnahmen zur Re-Regulierung der Zeit- und Leiharbeitsbranche unverzüglich einzuleiten:

• Mittelfristig kann eine verbindliche Absicherung der Zeitarbeit nur durch die Durchsetzung der „Equal Pay“-Richtlinie erfolgen, die eine Gleichbezahlung von Zeitarbeitern und Festangestellten vorsieht. Die in der Richtlinie enthaltene Klausel, wonach diese Bestimmung durch Tarifvertrag ausgehebelt werden kann, muss mittelfristig abgeschafft werden.

• Vor der Durchsetzung der Equal-Pay-Richtlinie ist es notwendig, nationale Instrumente zur Absiche-rung der Leiharbeit hinzu zu ziehen. Auch und gerade in dieser Branche zeigt sich deutlich, dass ein allgemeiner Mindestlohn von mindestens 7,50 Euro eine Notwendigkeit ist. Solange die Union diesen blockiert, muss zumindest die Zeit- und Leiharbeitsbranche mit einem branchenspezifischen Min-destlohn erfasst werden.

• Die Überlassung von ArbeitnehmerInnen muss wieder befristet werden. Heute ist es möglich, re-guläre Arbeitsplätze unbefristet durch Leiharbeit zu ersetzen. Dies wird dem eigentlichen Sinn von Leiharbeit, der Abfederung von Produktionsspitzen, aber nicht gerecht. In diesem Zusammenhang muss ebenso die Möglichkeit geschaffen werden, dass LeiharbeiterInnen bei einer Überschreitung der Fristen das Recht auf eine Festanstellung haben.

• Tarifrechtlich muss sichergestellt werden, dass LeiharbeiterInnen den gleichen Lohn wie die im sel-ben

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Beschlüsse Juso-Landeskonferenz 2008

Betrieb regulär Beschäftigten erhalten. Das macht es für Unternehmen unattraktiv, reguläre Beschäfti-gung durch günstigere Leiharbeit zu ersetzen.

• Zur betriebsverfassungsrechtlichen Absicherung der Leiharbeitnehmer und deren Gleich-stellung gegenüber Festangestellten müssen Leiharbeiter in die Berechnung der Betriebsratsgröße im Ent-leihbetrieb mit einbezogen werden. Bei hoher Fluktuation könnte dies über die Zugrundelegung des jährlichen Durchschnitts geschehen Leiharbeitsfirmen sollen über eine Lohnsummenumlage zur Finanzierung eines Weiterbildungsfonds für Leiharbeiter herangezogen werden. Vorbilder sind die Niederlande, Italien, Spanien, Portugal und Frankreich.

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Beschlüsse Juso-Landeskonferenz 2008

BeschlussF11

Gehälter von TopmanagernDie Landeskonferenz beschließt, eine Kopplung der Gehaltssteigerungen von Managern an die Lohn-steigerung ihrer Arbeitnehmer vorzuschreiben. Hier müssen auch Zahlungen berücksichtigt werden, die nicht unmittelbar an die Gehaltszahlung gebunden sind - z.B. Boni und Abfindungen.

BeschlussF12

Freistellung der staatlich geförderten Alters-

vorsorge-Produkte der ersten und zweiten

Schicht bei der Ermittlung des Anspruchs auf

soziale Grundsicherung

Die Bundestagsfraktion wird aufgefordert einen Antrag mit folgendem Inhalt in den Bundestag einbrin-gen:

Bei der Berechnung des Anspruchs auf soziale Grundsicherung sollen die staatlich geförderten Altersvor-sorge-Produkte der ersten und zweiten Schicht (Rürup-Rente, Riester-Rente, betriebliche Altersvorsorge) anteilig freigestellt werden. Die Höhe der Freistellung ist durch eine Experten-Kommission festzulegen. Durch die Freistellung soll das Vertrauen in die Politik und die Bekämpfung von Altersarmut unterstützt werden. Darüber hinaus gilt es, das System der Gesetzlichen Rentenversicherung etwa durch die Einbe-ziehung weiterer gesellschaftlicher Gruppen und damit BeitragszahlerInnen zu stärken.

BeschlussF13

Wiedereinführung der alten Ladenschluss-

Regelungen

Die NRW Jusos fordern die Landtagsfraktion der NRW-SPD auf, darauf hinzuwirken, dass in Nordrhein-Westfalen die Regelung des alten, bundesweiten „Ladenschlussgesetzes“ wieder eingeführt wird, wo-nach Einzelhandelsgeschäfte im Regelfall „nur“ von Montags bis Samstags zwischen sechs und 20 Uhr geöffnet sein dürfen.

Das von der schwarz-gelben Landesregierung eingebrachte und seit dem 21.11.2006 gültige „Laden-öffnungsgesetz“, dass eine generelle Öffnung der Einzelhandelsgeschäfte von Montags bis Samstags „rund um die Uhr“ erlaubt, soll aufgehoben werden.

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Beschlüsse Juso-Landeskonferenz 2008

BeschlussF14

Gleiche Fahrt für alle!Für eine landesweite Einführung von Sozialtickets!

Mobilität spielt eine große Rolle auf dem Arbeitsmarkt, im kulturellen und im sozialen Leben. Berufs- und Ausbildungs bedingt pendeln in NRW mehrere tausend ArbeitnehmerInnen. Die Verkehrsverbün-de haben hier viele alters und zielgruppenspezifische Angebote geschaffen. Z. B. der Verkehrsverbund Rhein Ruhr: Das anteilig vom Arbeitgeber übernommene Firmenticket ermöglicht Berufspendlern eine kostengünstige und umweltfreundliche Alternative zum Auto, Schoko- und Bärenticket haben Erfolgs-geschichten geschrieben und Studierende werden dank dem neuen NRW-Semesterticket bald sogar im ganzen Bundesland mobil sein. Fakt ist: Wer in Ballungszentren lebt, kann gut auf ein Auto verzichten. Aber auch im ländlichen Raum darf Mobilität nicht vom Besitzt eines PKWs abhängig sein! Dank der (auch staatlich subventionierten) Angebote in den Verkehrsverbünden sind immer mehr Menschen in NRW günstig und umweltfreundliche unterwegs!

Rund 750.000 Menschen beziehen in NRW Sozialleistungen. Von den bisher eingeführten Ermäßi-gungen in den Verkehrsverbünden profitieren dieses nur zu geringen teilen. Für den Rest sind Tickets im ÖPNV schlichtweg zu teuer. Hier muss dringend Abhilfe geschaffen werden! Einzelne Kommunen haben hier den Weg der Sozialtickets eingeschlagen, und bieten nun Monatstickets für unter 20 Euro an. Dieses Weg ist zu befürworten, jedoch lässt sich eine Stadt- oder Kreisbezogene Einführung nur in wenigen Gemeinden realisieren. Wo möglich, soll dieses Weg weiter verfolgt werden, letztendlich brau-chen wir aber eine Lösung für ganz NRW, damit bezahlbare Tickets nicht vom Wohnort abhängen!

Werfindensoll,musssuchendürfen!Wer einen Arbeitsplatz finden soll, muss ihn auch finden dürfen. Hierfür muss er vor allem mobil sein. Gerade in der jungen Altersgruppe ist es heute schon längst Realität in zwei oder gar drei unterschied-lichen Städten zu studieren, zu arbeiten und zu leben. Wer jung und flexibel ist kann hieraus etliche Vorteile schlagen. Aber durch die angespannte Lage auf dem Arbeitsmarkt ist die städteübergreifen-de Stellensuche nicht mehr nur in Lebensentwürfen der Studierenden oder im höheren Einkommens-bereich Alltag. Mobilität ist zentrales Einstellungskriterium! Sie ist das, was der Arbeitsmarkt seinen Kräften heute abverlangt. Dauerhaft hilft es hier wenig, wenn die ARGE Kosten der Arbeitsplatzsuche anteilig übernimmt.

Mittendrin,dochnichtdabeiSoziale und kulturelle Vernetzungen zwischen den Städten gehören zum Wesen NRWs. Daher steckt hinter der Tatsache ein Ticket bezahlen zu können dauerhaft, auch weitaus mehr als das etwa das reine Vergnügen am Wochenende mit auf die Party in der Nachbarstadt fahren zu können. Mitten in NRW zu leben und nicht mobil zu sein, bedeutet mehr als nur Nachteile auf Arbeitsmarkt: Es bedeutet eine Einschränkung in der sozialen und kulturellen Teilhabe. Kurz: Wer nicht mobil ist, bleibt außen vor, bleibt bei seiner Arbeitssuche beschränkt auf die eigene Stadt, kann nicht teilhaben an kulturellen Angeboten und läuft Gefahr den sozialen Anschluss zu verlieren. Dies hat nicht nur städteübergreifend sondern schon innerhalb der Kommunen und Kreise eine große Bedeutung.

ZumFahrenzuwenig!Der im Hartz IV Satz vorgegebene Satz für fremde Verkehrsleistungen kann diese Mobilität bei Weitem nicht gerecht werden! Selbst beim Kauf von Mehrfachtickets kommt man damit nicht weit, und erst recht nicht durch den Monat. Darum fordern die NRW Jusos den die Stadträte und Kreistage auf, Sozi-altickets einzuführen! Köln und Dortmund sind mit gutem Beispiel voran gegangen. Jetzt gilt es dem zu folgen!

Wir sind uns jedoch auch der Realität bewusst, dass viele Kommunen in NRW in der Haushaltssicherung stecken, bzw. dass vielerorts andere Strukturen im öffentlichen Nahverkehr als in Köln oder Dortmund existieren, die eine Einführung schwieriger gestalten. Aus diesen Gründen haben bereits einige Ruhr-gebietskommunen die Einführung abgelehnt. Die NRWJusos sprechen sich daher für die landesweite Einführung von Sozialtickets aus und fordern die schwarz-gelbe Landesregierung dazu auf, finanzielle und strukturelle Unterstützung zur Einführung von Sozialtickets zu gewährleisten.

Die Einführung eines Sozialtickets darf nicht durch die kommunale Haushaltslage oder die spezifische Struktur einer Verkehrsgesellschaft verhindert werden. Der Ausmaß sozialer Begünstigen darf nicht vom Wohnort abhängen!

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Beschlüsse Juso-Landeskonferenz 2008

Nichtentwertenbitte!Wir sind jedoch davon überzeugt, dass dieses Ticket nicht komplett kosten frei sein darf. Zunächst da ein Sozialticket zum Nulltarif schlicht weg nicht mit der Forderung nach allgemein günstigeren Tarifen im Nahverkehr zu vereinen ist.

Dauerhaft „Schwarz fahren“ zu müssen, kann dem Selbstwert des Menschen nicht gerecht werden. Genauso wenig, wie auf Grund seiner (derzeitigen) Einkommenssituation mit denjenigen Menschen gleichgestellt zu werden, die grundsätzlich (aufgrund körperlicher oder psychischer Einschränkungen) nicht mehr dazu in der Lage sind ihr Ticketgeld „zu verdienen“. Ein kostenpflichtiges Sozialticket setzt jedoch voraus, dass sich der Preis an der im Hartz IV-Regelsatz für den ÖPNV orientiert und diesen nicht überschreitet.

MehralseinTropfenaufdenheißenStein!Die Einführung eines Sozialtickets steht im direkten Zusammenhang mit zu niedrigen Sozialleistun-gen in der Bundesrepublik. Die Ausgestaltung der Regelsätze im Hartz IV Bezug verdeutlichen dieses schmerzhaft. Vielfach werden Leistungen zu niedrig klassifiziert, so dass Teilhabe nicht mehr in ausrei-chender Form gewährleistet ist. Langfristig kann also auch eine generelle Anhebung der Bezüge Ab-hilfe schaffen.. Nicht nur die Bezieher von Transferleistungen sind finanziell von Teilhabe abgekoppelt. Auch Menschen in Vollzeiterwerb haben - bei gerade Existenz sichernden Einkommen -vergleichbare Probleme, die Kosten für Mobilität aus eigener Kraft zu bestreiten. Ähnlich wie die angesprochene Anhebung des Hartz IV Regelsatzes besteht hier ebenfalls auf übergeordneter Ebene Handlungsbedarf. Durch die Einführung eines flächendeckenden branchenübergreifenden Mindestlohns wird Teilhabe voll Erwerbstätiger aus eigener Kraft möglich sein. Die Berechtigung zum Anspruch auf ein Sozial-ticket ist eine kurzfristige Lösung aktueller Teilhabeproblematik. Langfristig aber verfolgen die NRW Jusos mit der Anhebung des Hartz IV Regelsatzes und dem Mindestlohn weiter gehende Forderungen, die die Einführung von Sozialtarifen überflüssig machen.

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Beschlüsse Juso-Landeskonferenz 2008

BeschlussF16

Hartz4-Regelsätze den Realitäten anpassen

Die SPD-Bundestagsfraktion wird aufgefordert, sich für eine regelmäßige Überprüfung und gegebe-nenfalls entsprechender Anpassung (z.B. jährlich, 2 mal pro Legislaturperiode) der Hartz4-Regelsätze, entsprechend der Preissteigerungen bei den Lebenshaltungskosten der Bürgerinnen und Bürgern, so-wie der Inflation, einzusetzen und dementsprechend auf das Bundesministerium für Arbeit und Sozi-ales (BMAS) und den zuständigen Bundesminister Olaf Scholz einzuwirken. Grundsätzlich streben die NRW Jusos die Einführung des Modells einer Arbeitsversicherung mit einer Grundsicherung, die die Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben ohne Existenzängste sichert, an. Wir fordern die SPD auf, die Ergebnisse der eingesetzten Arbeitsgruppe des Parteivorstands in das Wahlprogramm der Bundestagswahl 2009 aufzunehmen.

BeschlussF17

Steuerliche Gleichstellung für Homosexuelle

vollenden

„Die SPD setzt sich dafür ein, dass….1. die steuerliche besserstellung der Ehe zugunsten einer Besserstellung der Familie, unabhängig

vom zugrunde liegenden Rechtsverhältnis, abgeschafft wird.2. die eingetragene Lebenspartnerschaft der Ehe steuerlich gleichgestellt wird.3. eingetragene Lebenspartnerschaften auch gemeinsame Freistellungsaufträge erteilen können.