FNF International News 2-2013

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FNF International News Das Magazin der FNF-Auslandsarbeit Ausgabe 2-2013 Themen: Der Syrien-Krieg und die arabischen Nachbarstaaten Medien(un)freiheit in Osteuropa Zurück nach Südeuropa! SIM-Democracy in Thailand Terrorismus in Ostafrika India: Citizens Evaluating Elected Representatives Jubiläum „50 Jahre Auslandsarbeit“ u.a.

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Der zunächst mit großen Hoffnungen begleitete „Arabische Frühling“ ist längst Ernüchterung und Gewalt gewichen. In Syrien zerreißt ein Bürgerkrieg zwischen unversöhnlichen Kontrahenten das Land, stürzt die Bewohner ins Elend und treibt sie in die Flucht, nicht nur in die Nachbarländer, sondern auch zu uns in Europa. Der Krieg wirkt zusätzlich destabilisierend auf eine bereits geschwächte Region. Unsere Kolleginnen und Kollegen in der Region haben durch ihre Projektarbeit vor Ort unmittelbare Einblicke in die Entwicklung, ab S. 3 finden Sie ihren kritischen Bericht. Gleichfalls Unerfreuliches gibt es über die Medien(un) freiheit in den ehemaligen Ostblockländern zu berichten, wo kritische Stimmen in der Öffentlichkeit immer mehr zum versiegen kommen (S. 11). Positives gibt es aus der Stiftungsarbeit aus anderen Ländern zu berichten: In Indien werden junge Menschen durch unsere Partner für die Demokratie (zurück)gewonnen, und in Südeuropa unterstützt die Stiftung liberale Kräfte, um die Region demokratisch zu stärken. Vor 50 Jahren begann die internationale Tätigkeit der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit mit einem Medienprojekt in Tunesien. Grund genug, die letzten 50 Jahre Revue passieren zu lassen, aber auch den Blick in die Zukunft zu wagen. Einen Eindruck von unserem weltweit gewürdigtem Jubiläum erhalten Sie ab S. 34.

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FNF International News Das Magazin der FNF-Auslandsarbeit

Ausgabe 2-2013

Themen:

Der Syrien-Krieg und die arabischen Nachbarstaaten

Medien(un)freiheit in Osteuropa

Zurück nach Südeuropa!

SIM-Democracy in Thailand

Terrorismus in Ostafrika

India: Citizens Evaluating Elected Representatives

Jubiläum „50 Jahre Auslandsarbeit“

u.a.

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Editorial

Inhalt

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www.freiheit.org

Liebe Leserin, lieber Leser,

der zunächst mit großen Hoffnungen begleitete „Arabische

Frühling“ ist längst Ernüchterung und Gewalt gewichen. In

Syrien zerreißt ein Bürgerkrieg zwischen unversöhnlichen

Kontrahenten das Land, stürzt die Bewohner ins Elend und

treibt sie in die Flucht, nicht nur in die Nachbarländer,

sondern auch zu uns in Europa. Der Krieg wirkt zusätzlich

destabilisierend auf eine bereits geschwächte Region. Un-

sere Kolleginnen und Kollegen in der Region haben durch

ihre Projektarbeit vor Ort unmittelbare Einblicke in die Ent-

wicklung, ab S. 3 finden Sie ihren kritischen Bericht.

Gleichfalls Unerfreuliches gibt es über die Medien(un)

freiheit in den ehemaligen Ostblockländern zu berichten,

wo kritische Stimmen in der Öffentlichkeit immer mehr

zum versiegen kommen (S. 11).

Positives gibt es aus der Stiftungsarbeit aus anderen Län-

dern zu berichten: In Indien werden junge Menschen durch

unsere Partner für die Demokratie (zurück)gewonnen, und

in Südeuropa unterstützt die Stiftung liberale Kräfte, um

die Region demokratisch zu stärken.

Vor 50 Jahren begann die internationale Tätigkeit der

Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit mit einem

Medienprojekt in Tunesien. Grund genug, die letzten 50

Jahre Revue passieren zu lassen, aber auch den Blick in die

Zukunft zu wagen. Einen Eindruck von unserem weltweit

gewürdigtem Jubiläum erhalten Sie ab S. 34.

Ich danke Ihnen für Ihr Interesse an unserer Arbeit und

wünsche Ihnen eine anregende Lektüre!

Ulrich Niemann

Bereichsleiter Internationale Politik

Rubriken

Titelthema

Der Syrien-Krieg und die

arabischen Nachbarstaaten

Medien

Meinungsfreiheit als Bedrohung?

Der Kampf um freie und unabhän-

gige Medien in den ehemaligen

Ostblockländern

Europa

Zurück nach Südeuropa!

Freiheit und Partizipation

Citizens Evaluating the Perfor-

mances of their Elected Represen-

tatives in India

SIM-Democracy – Demokratieerzie-

hung für junge Thais

Freiheit und Fortschritt

Freedom Barometer Asia 2013:

Freiheit in Südost- und Ostasien

Afrika zwischen Fragilität und de-

mokratischem Aufbruch

Jubiläum 50 Jahre Auslandsarbeit

S. 3

S. 11

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Nach zweieinhalb Jahren des Blutvergießens und im-mer neuen militärischen Eskalationen mehren sich die Hinweise, dass der Krieg in Syrien seinen Höhepunkt erreicht hat. Häufig müssen die Kriegsparteien er-schöpft und ausgebrannt sein, ehe die politischen Ver-mittler eine Chance haben. Das wäre ein Zeichen der Hoffnung für die abermalige Mission des Syrien-Sondergesandten der Vereinten Nationen und der Ara-bischen Liga, Lakhdar Brahimi, der in diesen Tagen durch die Region pendelt mit dem Ziel, diplomati-schen Beistand für die Einberufung der internationalen Friedenskonferenz in Genf zu mobilisieren. Hier geht es längst nicht mehr nur um Syrien. Der Krieg hat sich zu einem regionalen Konflikt mit internationalen Ra-mifikationen ausgeweitet. Von einem Flächenbrand ist oft die Rede. Die International Crisis Group verwen-det zur Schilderung der gefährlichen Auswucherungen einen Fachbegriff aus der Onkologie: „Der Krieg me-tastasiert“ und die externen Eskalationsgefahren seien größer als die internen. Wie das geographische Umfeld mit dem Syrien-Krieg umgeht, ist das Thema des vorliegenden Berichtes. Die Projektleiter der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit behandeln die Politiken der unterschiedlichen Regierungen, die Stimmung in den Bevölkerungen und den Umgang mit den syrischen Flüchtlingsströmen. Dieser Bericht ist gewissermaßen eine Fortschreibung des Hintergrundpapiers „Syrien und seine Nachbarn: Vom Volksaufstand zum regionalen Flächenbrand?“1, das in diesem Frühjahr erschienen ist. Anders als da-mals liegt der Schwerpunkt heute auf den arabischen Ländern. Für die arabische Welt hat die syrische Tra-

gödie nicht nur sicherheitspolitische Implikationen. Das anhaltende Blutvergießen steht zusammen mit dem Fiasko der demokratischen Transformation in Ägypten längst auch für das Ende des viel besungenen Arabischen Frühlings. Ägyptens Syrien-Politik: Mursis Volte und Kairos neue Ohnmacht Die dramatischen Vorgänge in Ägypten verdrängten zeitweilig den Krieg in Syrien aus den internationalen Schlagzeilen. Als im Zuge anhaltender Massenproteste das Militär eingriff, den ein Jahr zuvor demokratisch gewählten Präsidenten festsetzte und seine schützende Hand über eine zivile Übergangsregierung legte, schau-te die Welt nach Ägypten. Die dann folgende blutige Räumung der Protestcamps und die Verhaftungswelle gegen die einst mächtige Muslimbruderschaft haben nicht nur das innenpolitische Klima nachhaltig vergif-tet. Auch außenpolitisch ist Ägypten angeschlagen: Die Zeiten, da Kairo eine Schlüsselrolle in der Syrien-Diplomatie beanspruchte und diese auch bekam, sind vorbei. Unter dem islamistischen Präsidenten Mo-hamed Mursi hatten Kairos Unterhändler noch einmal mit einem originellen Plan ihre Phantasie aufblitzen lassen und schmiedeten an einer syrienpolitischen Ini-tiative, an der auch die Erzfeinde Saudi-Arabien und Iran mitwirken sollten. Zu diesem Zweck reiste Präsi-dent Mursi gar zu einer historischen Mission nach Te-heran. Die Innenpolitik machte den regionalen Mittlerträu-men bald einen Strich durch die Rechnung. In einem Klima wachsender Anfeindung durch das säkulare La-

Titelthema: Der Syrien-Krieg und die arabischen Nachbarstaaten

1 Vgl. FNF-Hintergrundpapier No. 5/2013 „Syrien und seine Nachbarn“, http://baaa.freiheit.org

Titelthema Syrien

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ger und die Kräfte des alten Regimes schlug der bela-gerte Präsident auch in der Syrien-Politik militante Tö-ne an, um seine islamistische Klientel bei der Stange zu halten. Mitte Juni, wenige Wochen vor dem Sturz, ord-nete Mursi die Schließung der syrischen Botschaft an und plädierte für eine Flugverbotszone über dem Bür-gerkriegsland. Das ägyptische Volk, die Nation, das Militär werden niemals das syrische Volk im Stich las-sen, sagte der Präsident mit Pathos. Der Schulter-schluss bezog sich auf die gegen Assad kämpfende Opposition. Gleichzeitig lancierten die Medien Hin-weise, islamistischen Kämpfern auf der Reise in den syrischen Heiligen Krieg würden keine Hindernisse in den Weg gelegt. Es gibt Berichte, dass Mursis Volte in der Syrien-Politik der viel zitierte Tropfen war, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Für das ägyptische Militär und die nach wie vor starken Kräfte des ancien regime war Mursis – offenbar nicht mit den Streitkräften ab-gestimmter – Alleingang eine „rote Linie“. Wenige Ta-ge später wurde der Präsident gestürzt. Bei der bald folgenden Räumung der islamistischen Protestlager fielen neben Palästinensern auch einige Syrer ins Fang-netz der Sicherheitskräfte. Den Propagandisten der neuen Ordnung reichte diese Entdeckung, um die zahlreichen syrischen Flüchtlinge in Ägypten pauschal als „Söldner der Muslimbrüder“ zu diffamieren. Schät-zungen zufolge leben bis zu 300.000 Syrer in Ägypten, davon sind knapp die Hälfte beim UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR gemeldet. “Wenn Ihr in 48 Stunden noch mit den Muslimbrü-dern zusammen seid, werden die Menschen Eure Häu-ser zerstören“, hetzte der einflussreiche TV-Moderator Tawfiq Okasha. Es blieb nicht bei den verbalen Dro-

hungen: In einem aktuellen Bericht dokumentiert Am-nesty International, wie syrische Flüchtlinge in Ägyp-ten festgenommen werden, dort wochenlang inhaftiert sind und zum Teil gar abgeschoben werden. „Die ägyptischen Behörden verstoßen damit gegen interna-tionales Recht“, klagt die Menschenrechtsorganisation und fordert den sofortigen Stopp der Maßnahmen. Libanons Überlebenskampf Kein anderes Land ist stärker von den Auswirkungen des Krieges in Syrien betroffen, nirgendwo sonst sind Gesellschaft und Politik in ihrer Beurteilung des syri-schen Bürgerkriegs derart tief gespalten wie im Liba-non. Etwa eine Million Syrer – darunter 800.000 re-gistrierte Flüchtlinge – kamen bereits über die offene Grenze in den Libanon und stellen dort inzwischen ca. ein Viertel der Gesamtbevölkerung. Mitten in diesem Chaos: Eine institutionell schwache, hoffnungslos zerstrittene und folglich kaum hand-lungsfähige libanesische Übergangsregierung, deren einziges Bestreben gleichsam zur Ehrenrettung die Einhaltung der „Erklärung von Baabda“ aus dem Jahre 2012 zu sein scheint, gemäß derer sich alle relevanten politischen Kräfte auf eine offizielle Neutralitätspolitik des Libanon verpflichten. Der geschäftsführende Premierminister Mikati wird mit den Worten zitiert: “Unsere feste Position lautet, dass es notwendig ist, die Einheit und Sicherheit Syri-ens zu bewahren und dem Blutvergießen ein Ende zu setzen, bei gleichzeitiger libanesischer Nichteinmi-schung in interne syrische Angelegenheiten […] Wir haben versucht, Abstand zu den Geschehnissen in Sy-rien zu halten. Aber die Krise in Syrien wahrt keinen Abstand: Der Libanon trägt heute den größten Anteil

Workshop mit syrischen Flüchtlingen in Alexandria

Beirut, die Hauptstadt des Libanon, platzt aus allen Nähten

Titelthema Syrien

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an der Flüchtlingslast.“2 Die Neutralitätspolitik des libanesischen Staates ist ein Minimalkonsens, der pragmatische Versuch, durch Nichteinmischung in Syrien den libanesischen Staat vor einer weiteren Erosion seiner Autorität zu bewah-ren. Unterdessen ist nach anfänglichem Zögern bei Extremisten auf beiden Seiten die Scham verflogen: Die schiitische Hisbollah hat ihren Kriegseintritt auf Seiten des syrischen Regimes öffentlich bekannt gege-ben, während radikale sunnitische Gruppierungen hunderte junger Männer rekrutieren, um ihrerseits die (fast ausschließlich sunnitischen) Rebellen im Kampf zu unterstützen. Die innerlibanesischen Gräben verlaufen im Wesentli-chen entlang konfessioneller Linien. Hier Sunniten, drüben Schiiten, und auf beide Seiten verteilt Christen, die bemüht sind, diesmal aufs richtige Pferd zu setzen. Moralische Argumente, Recht und Unrecht, werden hierbei kaum noch bemüht. Der Krieg in Syrien ist in der Wahrnehmung der Fanatiker auf allen Seiten zum regionalen Überlebenskampf geworden, einem Stell-vertreterkrieg, dessen Ausgang die Machtverhältnisse im Nahen Osten für Generationen bestimmen wird, und damit – so die Annahme – auch das Verhältnis der diversen Volksgruppen im Libanon untereinander. Derart gelähmt, ist pro-aktive Politik zur Bewältigung der politischen, wirtschaftlichen und humanitären Aus-wirkungen der Syrienkrise auf den Libanon unmöglich. Eine Folge hiervon ist: Anders als in Jordanien oder der Türkei sind im Libanon nicht mal ansatzweise staatliche Strukturen zur Bewältigung der Flüchtlings-katastrophe geschaffen worden. Die Ressentiments gegenüber den syrischen Flüchtlingen wachsen, was sich in den Ergebnissen einer vom Fafo Institut durch-geführten Umfrage3 zur Perzeption von Syrern im Li-banon widerspiegelt: Demnach befürwortet eine über-wältigende Mehrheit der befragten Libanesen eine rest-riktivere Flüchtlingspolitik und sieht in den syrischen Flüchtlingen eine Bedrohung der nationalen Sicherheit und Stabilität. Eine Mehrheit fürchtet gar, dass der Sy-rienkonflikt im Libanon einen erneuten Bürgerkrieg auslösen könnte und ist darüber hinaus der Auffas-sung, dass die Flüchtlinge den Libanesen wirtschaftli-chen Schaden zufügen und Arbeitsplätze wegnehmen.

Jordanien zwischen „Pest und Cholera“ Jordanien hat ein Dilemma, man könnte auch von ei-nem Zielkonflikt sprechen: Existenziell abhängig von der wirtschaftlichen, militärischen und politischen Un-terstützung der USA und den ölreichen Monarchien am Golf, allen voran Saudi-Arabien, ist Jordaniens Au-ßenpolitik erheblich durch die Interessen dieser Staa-ten geprägt. Der auf Jordanien ausgeübte Druck, einen Beitrag zur Isolierung des Regimes in Damaskus zu leisten und die Rebellen im Kampf zu unterstützen, gilt als enorm. Auf der anderen Seite hat Jordanien im Verhältnis zu seinem großen Nachbarn im Norden ureigene Interessen, die sich aus der Geografie und der gemeinsamen Geschichte mit all ihren gesellschaftli-chen, sozioökonomischen und politischen Dimensio-nen speisen und die ein eigenständigeres Vorgehen nahelegen.

In dieser Zwickmühle steckend, vertritt das traditionell risikoscheue Jordanien einen diplomatischen Schlin-gerkurs, und unternimmt damit den Versuch, es seinen Verbündeten recht zu machen, ohne den Zorn und die Rache des syrischen Regimes auf sich zu ziehen. Eine Gemengelage, die sich abstrakt anhören mag, in der Realität Jordanien aber vor ganz konkrete Schwierig-

Syrische Flüchtingskinder in Jordanien

2Siehe Daily Star Online vom 25.10.2013: http://www.dailystar.com.lb/News/Lebanon-News/2013/Oct-25/235712-mikati-considering-participation-at-geneva-ii-conference-on-syria.ashx#ixzz2iwz81VxO 3http://www.fafo.no/ais/middeast/lebanon/91369-poll-finding-English.pdf

Titelthema Syrien

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keiten stellt. Während Jordanien Anfang September im Zusammenhang mit dem damals akut erwarteten west-lichen Militärschlag gegen Syrien offiziell erklärte, es werde die Nutzung seines Territoriums nicht gestatten, intensivierte es gleichzeitig seine Zusammenarbeit mit dem US-Militär, welches seine Präsenz in Jordanien ausbaute. Unterdessen sind auch die jordanische Bevölkerung und Zivilgesellschaft in ihrer Haltung gegenüber den Geschehnissen in Syrien gespalten. Anhänger des lin-ken und arabisch-nationalen Lagers tendieren dazu, mit dem syrischen Regime zu sympathisieren, während die jordanischen Muslimbrüder und die breiten Massen der konservativen Bevölkerung die Aufständischen unterstützen. Auf die Medienlandschaft übertragen: Erstere beziehen ihre Nachrichten von Al Mayadeen, letztere schauen Al-Jazeera. Die liberalen Kräfte stehen hier häufig zwischen den Fronten und sehen die Alter-native zwischen dem syrischen Regime und den Rebel-len allzu oft als eine zwischen Pest und Cholera.

Die politische Wahrnehmung des Konflikts wird im Königreich der Haschemiten ohnehin überschattet von seiner humanitären Dimension: Über 600.000 Sy-rer haben bereits in Jordanien Zuflucht gesucht, da-runter die 120.000 Bewohner von Zaatari, dem giganti-schen Flüchtlingslager an der jordanisch-syrischen Grenze, das weltweit zum Symbol geworden ist. 600.000 Flüchtlinge, die Nahrung, Wasser, Wohnraum, sanitäre Einrichtungen, Strom und medizinische Ver-sorgung benötigen und damit das ohnehin fragile Ge-meinwesen in Jordanien zusätzlich belasten. „Es han-delt sich in Zaatari um die komplexeste humanitäre Flüchtlingsmission der Welt“, sagte Kilian Klein-schmidt, der für das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen die Leitung in Zaatari übernommen hat, im

Gespräch mit der Stiftung. Auch die Sicherheitsbedenken der Jordanier sind akut: Direkt vor der eigenen Haustür ist in Syrien ein Macht-vakuum entstanden, welches islamistisch-jihadistischen Gruppierungen ermöglicht hat, ihre Präsenz auszubau-en. In der Vergangenheit hatten Syrien und Jordanien bei der Kontrolle ihrer gemeinsamen Grenze und der Bekämpfung militanter Islamisten kooperiert. Durch den Kontrollverlust des syrischen Regimes ist die Grenze durchlässig geworden, und Jordanien fürchtet das Einsickern von Extremisten und den Waffen-schmuggel. Während es dem starken jordanischen Sicherheitsap-parat bislang gelungen ist, ein Überschwappen der Ge-walt zu unterbinden, hat der Krieg im Nachbarland auch in Jordanien bereits ein prominentes Opfer ge-fordert: Der vorsichtig optimistische politische Re-formprozess der letzten Jahre ist komplett zum Erlie-gen gekommen. Alle Blicke sind auf den Krieg in Syri-en gerichtet, der die lokalen Ressourcen zum Umgang mit dieser Katastrophe bündelt. Irak: Schlingerkurs und Terrorismus Offiziell ist die Haltung des Irak hinsichtlich des syri-schen Bürgerkriegs neutral, wie Außenminister Zebari zuletzt im Sommer erklärte4. Bagdad hat allen Grund, sich nicht explizit an der Seite einer der syrischen Kon-fliktparteien zu positionieren. Zu nah steht der Irak selbst erneut am Rande eines ethnisch-religiös moti-vierten Bürgerkriegs. Das Ergebnis ist ein außenpoliti-scher Schlingerkurs: Noch im Mai 2011 empfing der irakische Premierminister Maliki eine syrische Regie-rungsdelegation. Dabei nahm der irakische Regierungs-chef das Assad-Regime explizit gegen internationale Kritik in Schutz. Im August 2012 stimmte der Irak hingegen für eine UN-Resolution, die die Gewalt von Assads Truppen an der syrischen Zivilbevölkerung verurteilte. Die Entscheidung der Arabischen Liga vom März 2013, den Sitz Syriens in der panarabischen Organisation an die syrische Opposition zu vergeben, verurteilte Bagdad wiederum. Inoffiziell unterstützt die schiitisch-dominierte Regie-rung Malikis das Assad-Regime allerdings zunehmend

Zaatari - Eine neue Stadt für Flüchtlinge in Jordanien

4 http://www.bbc.co.uk/news/world-middle-east-23431705

(abgerufen am 27.10.13)

Titelthema Syrien

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– finanziell und logistisch. Diese Hilfe kommt teilweise auf den Druck des großen Nachbarn Iran zustande. Gleichwohl hat Maliki aber auch ein eigenes Interesse an einem Erhalt des Assad Regimes in Damaskus: des-sen Fall dürfte die sunnitischen Proteste im Irak weiter befeuern, Malikis schiitische Anhängerschaft radikali-sieren, die politische Konkurrenz stärken und – in der Summe – seine eigene Macht gefährden. Die irakische Bevölkerung ist entlang ethnisch-religiöser Linien tief gespalten. Die sunnitische Min-derheit fühlt sich von der schiitisch-dominierten Regie-rung Iraks marginalisiert und – außenpolitisch – von der „schiitischen Achse“ Teheran-Bagdad-Damaskus bedroht. Diese Wahrnehmung sowie die tatsächliche politische Ausgrenzung bieten den Nährboden für ra-dikal-sunnitische Elemente vom Schlage Al Qaidas, die in jüngster Zeit fast täglich tödliche Anschläge im Irak verüben. Manche dieser Terroristen sind inzwischen auch auf syrischem Boden aktiv und unterstützen dort den Kampf gegen die Truppen Assads. Dabei erhalten sie Unterstützung von sunnitischen Stämmen auf beiden Seiten der gemeinsamen Grenze, die im Schulter-schluss mit Jabhat al-Nusra und Al Qaida den schiiti-schen Einfluss in der Region zurückdrängen wollen. Derweilen bleiben die Schiiten des Irak nicht tatenlos. Nach Medienberichten steigt die Zahl der schiitischen Iraker, die auf Seiten Assads in Syrien kämpfen. Be-sonders effektiv für diese Mobilisierung war kürzlich ein Aufruf, den „Sayyida Zainab“-Schrein im Süden von Damaskus vor sunnitischen Angriffen zu schüt-zen. Dieser Schrein ist ein wichtiges Heiligtum im schi-itischen Islam. Die irakische Zentralregierung und die Regierung der Autonomen Region Kurdistan-Irak verfolgen gegen-sätzliche Strategien: Bagdad hält Iraks Grenzen für Flüchtlinge weitgehend geschlossen, während Kurdis-tan in großem Umfang Syrer aufgenommen und sie im Domiz Camp oder in umliegenden Städten unterge-bracht hat. Während Bagdad die Sorge umtreibt, sun-nitisch-extremistische Milizen könnten aus Syrien ein-sickern, strebt Erbil vor allem danach, Einfluss auf die Entwicklung der Kurden in Syrien zu nehmen.5 Die überwältigende Mehrheit der rund 200.000 syrischen

Flüchtlinge im Irak, gute 95 Prozent, befindet sich dementsprechend in der Autonomen Region Kurdis-tan – und ist kurdische Provenienz. Sie kann – eine Aufenthaltsgenehmigung vorausgesetzt – in Kurdistan-Irak legal arbeiten und sich frei bewegen. Im Rest des Irak dürfen Flüchtlinge nicht legal arbeiten.

Palästina und Syrien: Gewinner Fatah und Verlie-rer Hamas? Alle politischen Strömungen Palästinas verbindet die erklärte Absicht, die auf syrischem Territorium leben-den palästinensischen Flüchtlinge vor Übergriffen der Konfliktparteien zu schützen. Nach offiziellen Anga-ben der United Nations Relief and Works Agency for Palestinian Refugees (UNRWA) beläuft sich deren Zahl auf über eine halbe Million. Gleichwohl sind un-terschiedliche Interessen und damit einhergehend un-terschiedliche Positionierungen hinsichtlich des Syrien-konflikts in den politischen Lagern der palästinensi-schen Gebiete sichtbar. Die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) und die palästinensische Führung verfolgen seit jeher das Ziel, sich grundsätzlich aus innerarabischen Kon-flikten herauszuhalten. Dies gilt insbesondere für die Fatah und die Mehrheit der PLO-Fraktionen. Den-noch hielten sich jene Fraktionen der PLO, die seit Jahrzehnten in Syrien Domizil gefunden hatten, nicht an diesen Grundsatz. So stellten sich vor allem das ter-roristische Generalkommando der Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP-GK) und der palästinensi-sche Zweig der regierenden Baath Partei, Al- Sayika, in Syrien auf die Seite Assads. Auch die im Gaza-Streifen de facto regierende Hamas-Bewegung bemühte sich zunächst, sich aus dem Kon-flikt herauszuhalten, um erstens ihre Präsenz in Da-maskus nicht zu gefährden und zweitens die militäri-sche und finanzielle Unterstützung Irans nicht aufs Spiel zu setzen. Schließlich wollte Hamas den Haupt-akteur auf Seiten der Opposition, die syrische Muslim-Bruderschaft, nicht düpieren. Dieser Spagat konnte auf Dauer nicht gelingen. Nachdem die Ereignisse vor Ort die Hamas zwangen, ihr Hauptquartier in die Haupt-stadt Katars Doha zu verlegen, brach der erste Mann in Gaza, Ismail Haniyeh, Ende Februar 2012 in einer Rede in Kairo öffentlich mit dem Assad-Regime und lobte – so wörtlich – das „heroische syrische Volk, das nach Freiheit und Demokratie“ strebe. Die sunnitische

5 Vgl. hierzu ausführlich: „Syriens Kurden - zwischen Bürgerkrieg und historischer Chance“, http://www.freiheit.org/webcom/show_article.php?wc_c=617&wc_id=24887&wc_p=1

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Hamas sah sich – auch wegen der desolaten wirtschaft-lichen Lage in Gaza – gezwungen, ihren Kurs gegen-

über Syrien zu überdenken und sich wieder dem sy-risch-schiitischen Lager in der Region anzunähern. Diese Entscheidung hing mit dem Verlust der Macht der Muslimbrüder in Ägypten zusammen und mit dem harten Vorgehen der neuen Führung in Kairo gegen die Islamisten, das begleitet wurde von einer unnach-giebigen Unterbindung der Tunnelwirtschaft nach Ga-za (der Haupteinnahmequelle der Hamas). Die Fehl-einschätzung der äußeren Entwicklungen sowie der strategischen Allianzen in der Region, vor allem die vollkommene Hinwendung zu den an die Macht ge-langten Islamisten in Ägypten, Tunesien und Libyen führten zur Isolation und Machteinbuße von Hamas insgesamt. Wieder einmal stand Hamas vor dem Di-lemma der Unvereinbarkeit zwischen verantwortlicher Regierungspartei und Widerstandsorganisation. So sah der stellvertretende Vorsitzende des Politbüros der Hamas, Moussa Abu Marzouk, sich berufen zu kritisie-ren, dass Hamas „die Flagge der syrischen Opposition

UNHCR - Das internationale Hilfswerk für Flüchtlinge hat alle Hände voll zu tun

Die Stiftung und Syrien Bereits vor dem Beginn des Volksaufstandes konnte von „normaler“ Stiftungsarbeit im autoritären Syrien nicht die Rede sein, zu misstrauisch war der allgegenwärtige Sicherheitsapparat gegenüber zivilgesellschaftlichen Initiati-ven, allemal denen mit "westlicher" Unterstützung. Scheinbar willkürlich, so mussten auch wir erfahren, wurden Maßnahmen von den Behörden mal genehmigt, meistens aber unterbunden. Heute, nach mehr als zwei Jahren Bürgerkrieg, sind selbst diese kleinen Freiräume aufgrund der Gewalt im Land nicht mehr vorhanden, die Stiftung in Syrien nicht mehr aktiv. Auf diese Entwicklung hat die Stiftung mit dem Ausbau der Kooperation mit syrischen Zielgruppen in den Nach-barländern reagiert – vor allem im Libanon und in Ägypten. In beiden Ländern arbeitet die Stiftung mit Sonder-mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Im Libanon, der zu den am stärksten vom syrischen Bürgerkrieg betroffenen Ländern gehört, intensivierte die Stiftung die Beziehungen zu politisch, ökonomisch, akademisch und zivilgesellschaftlich engagierten Syrern. Die gemeinsamen Maßnahmen setzen auf drei Problemebenen an: Ein Schwerpunkt ist die sozio-ökonomische Analy-se des Syrienkonflikts. Hierzu organisierten die Stiftung und ihre Partnerorganisation „Lebanese Economic Association“ (LEA) Konferenzen mit führenden Akademikern und Experten aus der Region. Ein weiterer Fokus des Projekts sind Seminare mit Syrern und Libanesen zur Konfliktprävention. Drittes und letztes Standbein der Stiftungsbemühungen sind politische Weiterbildungsseminare für syrische Flüchtlinge zu den Themen Rechts-staatlichkeit, Demokratie und Wirtschaftsordnung. Politische Bildung zu Demokratie und Liberalismus für Flüchtlinge aus Syrien in Ägypten. So kann man das aus BMZ-Sondermitteln geförderte Teilprojekt des Regionalbüros in Kairo bezeichnen. Anders als im Libanon arbei-tet die Stiftung in Ägypten mit einem festen syrischen Partner zusammen. Zielgruppe des Projektes, das auf ein Jahr angelegt ist und im April 2013 die Arbeit aufnahm, sind politisch engagierte, liberal orientierte Flüchtlinge, die am Nil sesshaft geworden sind und sich in der Gruppe „Mustaqbal fi Eindina“ – zu Deutsch: die Zukunft ist in un-serer Hand – zusammengefunden haben. Es sind vor allem Journalisten, Hochschullehrer und Juristen aller Al-tersgruppen, die sich bei den Seminaren zusammenfinden. Die Expertise in den Seminaren zu Themen wie De-mokratie und Liberalismus oder Menschenrechten liefern etablierte Partner der Stiftung in Ägypten aus dem Men-schenrechtsbereich und von Universitäten.

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zu früh gehisst“ habe. Ismail Haniyeh stellte hingegen fest, dass kein Anlass bestehe, sich für die Syrienpolitik seiner Organisation zu entschuldigen. Die Ereignisse in Syrien werden nicht ohne Auswir-kungen auf das innerpalästinensische Verhältnis zwi-schen Hamas und Fatah bleiben. Der palästinensische Präsident und Vorsitzende der PLO, Mahmoud Ab-bas, kann sich in seinem Kurs der weitgehenden Neut-ralität bestätigt sehen. Seine Vermittlerrolle bei der Be-endigung der Entführungen in Syrien und Libanon, an deren Ende neun schiitische Libanesen aus der syrisch-oppositionellen Geiselnahme und im Gegenzug 62 syrische Frauen aus den Gefängnissen Assads freika-men, ist ein deutliches Indiz für seine politische Stär-kung auf regionaler und nationaler Ebene. Hinweise, dass diese veränderte Konstellation der Kräfte eine zaghafte Annäherung zwischen Hamas und Fatah be-günstigen könnte, sind nicht zu übersehen. Die Äuße-rung des zweiten Mannes von Hamas, Moussa Abu Marzouk, Abbas möge das Angebot Haniyehs am Tag des Opferfestes annehmen, die Versöhnungsgespräche wieder aufzunehmen und eine Einheitsregierung zu bilden, sind umso bemerkenswerter als diese Aufforde-rung in der Vergangenheit eher von Fatah ausging. Marokko: Keine Sympathien für das Assad-Regime Marokko liegt über 4.000 Kilometer von Syrien ent-fernt und unter König Mohammed VI. hat sich das nordafrikanische Königreich aus den Konflikten im östlichen Mittelmeerraum herausgehalten. Im Syrien-Krieg ist das anders: Erstaunlich kompromisslos und lautstark hat sich das marokkanische Regime von An-fang an für den Sturz von Präsident Baschar al-Assad ausgesprochen. Im Juli 2012 wies Marokko den syri-schen Botschafter aus. Anschließend lud es die „Freunde Syriens“ – eine Gruppe arabischer und west-licher Staaten, welche auf den Sturz des Regimes hinar-beiten – zu einem Treffen nach Marrakesch ein. Dies bedeutet eine deutliche Abkehr von der bisheri-gen Außenpolitik Mohammeds VI., der sich bislang damit begnügt hatte, sein Engagement in Nahost auf die mehr symbolische Funktion des Vorsitzenden des Jerusalem-Komitees der Organisation Islamischer Staaten (OIC) zu beschränken. Dieser Schwenk erfolg-te im Rahmen des Arabischen Frühlings, als sich Ma-rokko zur Stabilisierung politischen und finanziellen

Rückhalt von den Königreichen in der Golfregion er-hoffte – der Golf-Kooperationsrat bot Marokko sogar die Mitgliedschaft an. Seither vertritt Marokko im Syri-en-Konflikt die Position Saudi-Arabiens und anderer Golfstaaten, welche die Opposition in Syrien unter-stützen und bewaffnen. Zunächst hatte Marokko eine militärische Intervention in Syrien abgelehnt – hier wurde das Argument steigender Ölpreise genannt, wel-che das rohstoffarme Königreich zusätzlich belasten würden; doch als der Einsatz von chemischen Waffen in Syrien bekannt wurde, weilte Außenminister Saade-ddine El Othmani gerade in Saudi-Arabien und schwenkte dort auf die Linie des reichen Bruders ein, der eine eventuelle Militärintervention Washingtons begrüßte und damit zusammenhängende wirtschaftli-che Einbußen Marokkos wohl auffangen würde. In der marokkanischen Bevölkerung ist diese Haltung wenig umstritten. Auch treibt dieser Konflikt – anders als die Entwicklungen in Ägypten – keinen Keil zwi-schen den Königspalast und die regierende Islamisten-partei Parti de la Justice et du Développment (PJD): Die Islamisten in Marokko interpretieren den Syrien-Konflikt als einen Kampf zwischen einem alawitischen und damit schiitischem Regime, dem eine oppositio-nelle sunnitische Bevölkerungsmehrheit gegenüber steht. Da Marokko einheitlich dem sunnitischen Islam anhängt, gibt es keine Sympathien für das Regime von Baschar al-Assad. Bisher ist nur eine geringe Zahl von syrischen Flücht-lingen in Marokko angekommen. Schätzungsweise sind es 1.000 bis 2.000 Personen. Offiziell registrierte das UN-Flüchtlingskommissariat (UNHCR) 843 Flüchtlinge bis zum Sommer 2013. Dann wies die ma-rokkanische Regierung die UN-Organisation an, keine weiteren Flüchtlinge zu registrieren und ihnen damit keine Aufenthaltsrechte zu gewähren. Diese harsche Reaktion ist ein Indikator für die Angst des marokkanischen Regimes, dass der Syrien-Konflikt in das eigene Land getragen werden könnte. Insbeson-dere die Rekrutierung von marokkanischen Kämpfern – bis zu 1.000 Marokkaner sollen bisher zum Jihad nach Syrien aufgebrochen sein – speist diese Sorge. Im August 2013 gründete der marokkanische Salafist Bra-him Benchekroun in der Region von Latakia in Syrien die Harakat al-Islam, eine marokkanische Kampftruppe gegen das Regime Assads. Marokko fürchtet, dass die-se Kämpfer eines Tages in ihre Heimat zurückkehren werden, um ihren bewaffneten Kampf dort fortzuset-

Titelthema Syrien

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zen. Diese Angst hat direkte Auswirkungen auf die politi-sche Entwicklung in Marokko, die sich insbesondere in der starken Einschränkung der Meinungs- und Pres-sefreiheit zeigt. Als der renommierte unabhängige Journalist Ali Anouzla im September 2013 auf der Webseite Lakome über ein Al-Qaida-Video berichtete, in dem die Korruption und Ungerechtigkeit im König-reich Marokko angeprangert und erstmals die Person von König Mohammed VI. ins Visier genommen wur-de, wurde er wegen angeblicher Unterstützung des Terrorismus in Haft genommen und angeklagt. Der Fall hat bis ins Weiße Haus Aufsehen erregt. Damit geben der Syrien-Krieg und die neue politische Allianz mit den konservativen Golfstaaten dem Sicherheits-denken in Marokko wieder die Oberhand, die vorsich-tige Demokratisierung und Liberalisierung geraten ins Stocken.

Redaktionsschluss: 30.10.2013

Ralf Erbel (Libanon, Jordanien), Falko Walde (Irak), Walter Klitz (Palästina), Andrea Nüsse (Marokko) und Dr. Ronald Meinardus (Ägypten und Redaktion)

Karte: NordNordWest/Wikipedia

Titelthema Syrien

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Medienfreiheit in der Region im Überblick

Freie und unabhängige Medien stehen in einer engen, wechselseitigen Beziehung mit der demokratischen Qualität einer Gesellschaft. Sie machen das Regie-rungshandeln sichtbar und transparent und sind inso-fern Bedingung für die gesellschaftliche Meinungs- und Willensbildung sowie für die Mitbestimmung von Bürgern. Sie fungieren aber auch als Informations- bzw. Rückkoppelungsquelle für die Regierenden, denn erst unabhängige Medien ermöglichen einen echten öffentlichen Diskurs. Insofern sind sie ein zentraler Gradmesser für den Schutz von bürgerlichen Grund-rechten, für freies, auch unternehmerisches Denken, für Wettbewerb und Innovation – kurz, für den Ent-wicklungsstand einer freiheitlichen und demokrati-schen Ordnung. Trotz internationaler Konventionen und der Anerken-nung von Medien-, Meinungs- und Informationsfrei-heit als grundlegende Menschen- und Bürgerrechte existiert allerdings bis heute keine für alle Staaten ver-bindliche und auf völkerrechtlichem Konsens beste-hende Definition der Medienfreiheit. Sie ist in erster Linie ein Wert, der eng mit der demokratischen Ent-wicklung in Westeuropa und Nordamerika verknüpft ist. In diesem Sinne wird Medienfreiheit als politische und ökonomische Unabhängigkeit der Massenmedien

von Zwang und Repression seitens des Staates, gesell-schaftlicher Institutionen oder der Wirtschaft verstan-den. Sie fügt sich somit in die urliberalen Abwehrrech-te des Individuums gegenüber dem Staat oder anderer Institutionen ein und ist zugleich ein zentrales Recht für die Beteiligung der Bürger am Staat – sie verbürgt dessen Freiheit, „Äußerungen in Wort, Schrift und Bild frei von Behinderungen abzugeben, zu verbreiten und zu empfangen.“1

Wenn man dem vom Freedom House erstellten Free-dom of the Press Index folgt, rangieren die Staaten in Mit-tel-, Südost- und Osteuropa, Südkaukasus und Zent-ralasien2 weltweit sowohl unter den besten wie auch unter den schlimmsten Beispielen für Medienfreiheit bzw. Medienunfreiheit. Die heterogene Region MSOE lässt sich in drei Ländergruppen aufteilen: 1. Freie Medienlandschaft (grün): Estland und die

Tschechische Republik, mit geringen Abständen die Slowakei, Litauen, Slowenien sowie Polen und Lettland führen die Liste der Erfolgsbeispie-le für Medienfreiheit an.

Meinungsfreiheit als Bedrohung? Der Kampf um freie und unabhängige Medien in den ehemaligen Ostblockländern

Seit Beginn der 1990er Jahre befinden sich die Transformationsländer des ehemaligen Ostblocks in einem schwierigen Umwälzungs-prozess hin zu mehr Demokratie, Rechtsstaat, Marktwirtschaft – und eben auch Medienfreiheit. Auf diesem steinigen Weg mussten freie und unabhängige Medien von Grund auf neu aufgebaut werden, da es sie zuvor faktisch nicht gegeben hatte. Nach anfänglichen Erfolgen machen sich inzwischen Frustration und auch Zynismus breit. Einstige Freiheitsgewinne werden von wieder erstarkten auto-ritären Machthabern zurückgestutzt oder gar ganz beseitigt. Obwohl es die einst berüchtigten Zensurbehörden der kommunistischen Einparteienherrschaft nicht mehr gibt, hat sich in vielen Transformationsländern eine tiefe Kluft zwischen dem formal verbrieften Recht auf Presse- und Medienfreiheit und der tatsächlichen Medienwirklichkeit aufgetan.

1 Vgl. Christian Breunig, „Medienfreiheit auf dem Rückzug: ver-fassungsrechtliche Grundlagen und praktische Verwirklichung im weltweiten Vergleich“, in: Freiheit und Medien, hrsg. von Wolfgang Wunden, LIT Verlag 2005, S. 34. 2 Im Folgenden kurz MSOE.

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2. Teilweise freie Medienlandschaft (gelb): Zu der Gruppe von Ländern, in denen die Medienfrei-heit nur teilweise verwirklicht ist, gehören Un-garn, Serbien und Montenegro, mit geringen Ab-ständen gefolgt von Bulgarien, Kroatien und Rumänien. Die Schlusslichter dieser Gruppe bil-den Bosnien-Herzegowina, Albanien und Geor-gien sowie in größerem Abstand Moldau, Maze-donien und schließlich die Ukraine.

3. Unfreie Medienlandschaft (blau): In der dritten und letzten Gruppe befinden sich Turkmenistan, Usbekistan und Belarus, die laut Freedom House politisch wie medial zu den unfreiesten Staaten auf dieser Welt gehören. Als geringfügig weniger unfrei eingestuft werden die Staaten Kasachstan, Aserbaidschan, Russland und Tadschikistan so-wie, als ‚freieste unter den unfreien‘ Staaten, Kir-gisistan und Armenien.

Damit ist die Medienfreiheit in MSOE nur in knapp einem Viertel (24%) der Staaten verwirklicht. Bei einer Gesamtbevölkerung von ca. 408 Millionen Menschen haben lediglich 15% der Bevölkerung Zugang zu freien und unabhängigen Medien. Die folgenden exemplari-schen Fallstudien werfen ein Schlaglicht auf die Situati-on der Medienfreiheit in Bulgarien und Ungarn, dem Westbalkan, Russland, Ukraine und Aserbaidschan. Schwerer Stand der Medienfreiheit auch in Mit-gliedsstaaten der EU Selbst die Mitgliedschaft in der EU ist kein Garant für

eine kontinuierlich freiheitliche Medienentwicklung, wie die Situation etwa in Bulgarien, Ungarn und auch Rumänien belegt. In den vergangenen Jahren hat sich die Situation der Medienfreiheit in diesen Ländern zum Teil erheblich verschlechtert, wie verschiedene Rankings belegen. So stürzte Bulgarien in der Rangliste von Reporter ohne Grenzen innerhalb von sieben Jah-ren von Platz 35 auf 87, Ungarn im gleichen Zeitraum von Platz 10 auf 56.3 In Bulgarien tragen Zentralisierungstendenzen und unklare Eigentümerstrukturen sowie Verquickungen mit der Politik zu einem Klima bei, in dem kritischer Journalismus zunehmend zurückgedrängt wird. Die Ergebnisse eines von der FNF unterstützten For-schungsprojekts zu „Tabuthemen in den bulgarischen Onlinemedien“4 belegen, dass gerade diese problemati-schen und intransparenten Aspekte nicht behandelt werden. Die direkte oder verdeckte Finanzierung von Medien durch die Regierung oder einzelne Parteien, die Verbindungen zwischen Politik und organisierter Kriminalität (insbesondere als Begleiterscheinung des Aufstiegs von Politikern wie etwa des ehemaligen Pre-mierministers Borissov), Wahlfälschungen, das Agieren bestimmter Großkonzerne und Wirtschaftsimperien – dies alles sind nur einige Beispiele für Tabuthemen in der bulgarischen Medienlandschaft. Presse und elekt-ronische Medien tragen auf diese Weise nicht zu einem

Pressefreiheit in MSOE, Zentralasien und Südkaukasus (grün: frei; gelb: teilweise frei; blau: unfrei) (Quelle: Freedom of the Press Index: Central and Eastern Europe and Eurasia, www.freedomhouse.org)

3 Vgl. http://en.rsf.org/. Rumänien bewegt sich zwischen den Plätzen 42 und 58. 4 Indzhov, Ivo (Hrsg.): Temite Tabu v Mediite (dt.: Die Tabuthemen in den Medien), Institute for Modern Politics/FNF, Sofia 2013.

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demokratischen öffentlichen Diskurs bei, sondern er-weisen sich als Erfüllungsgehilfen für politische und wirtschaftliche Interessengruppen. In Ungarn existierte bis vor wenigen Jahren eine plu-ralistische Medienlandschaft, in der Nachrichtenagen-turen, Zeitungen, Fernseh- und Radiosender und vor allem der öffentlich-rechtliche Rundfunk die gesell-schaftliche Vielfalt widerspiegelten. Diese Situation hat sich mit dem Wahlsieg von Viktor Orban und seiner Partei Fidesz 2010, die im Parlament über eine verfas-sungsändernde Mehrheit verfügt, radikal gewandelt. Die vormals unabhängigen Medien sind in ihren Ana-lysen und Kommentaren wesentlich vorsichtiger ge-worden, manche sind aus Opportunitätsgründen in das nationalistische und europafeindliche Lager gewech-selt. Aus Angst vor möglichen Sanktionen sind die ver-bliebenen liberal orientierten Medien, die zunächst in Opposition zu der neuen Regierung standen, zur Selbstzensur übergegangen. Die nationale Medienaufsichtsbehörde, deren Mitglie-der vom Staatspräsidenten ernannt werden, besteht überwiegend aus Mitgliedern oder Sympathisanten der regierenden Fidesz-Partei. Dies ermöglicht der Regie-rung, mittelbar auch Einfluss auf private Medien zu nehmen. Im Anschluss an die Gleichschaltung der Me-dienaufsicht wurden insbesondere private Radio- und TV-Sender unter Druck gesetzt und einigen unter ad-ministrativen Vorwänden sogar die Lizenz entzogen. Diese Entwicklung zwang die Europäische Union schließlich zum Handeln. Nach Androhung eines offi-ziellen Prüfverfahrens seitens der Europäischen Kom-mission sah sich die Regierung Orban gezwungen, be-reits erlassene Sanktionsmaßnahmen gegen Privatsen-der sowie Teile der neuen Mediengesetzgebung zu-rückzunehmen. Es ist aber nicht nur die Gefahr von Sanktionen sei-tens der Medienaufsicht, die viele Journalisten in Län-dern wie Ungarn oder Bulgarien einschüchtert. Die Sorge um den eigenen Arbeitsplatz treibt viele Journa-listen in die Selbstzensur. In einer 2012 durchgeführ-ten Umfrage unter ungarischen Journalisten wurde das wachsende Defizit an Pressefreiheit mit negativen Fol-gen für die gesamte Gesellschaft beklagt. Viele Journa-listen kritisieren wachsenden Druck und Einflussnah-me auf ihre Arbeit. Auch Verleger und Medienunter-nehmer beobachten die Tendenz der Regierung, Ein-fluss auf die Meinungsfreiheit zu nehmen und mittels wirtschaftlicher und administrativer Hebel eine regie-

rungsfreundliche Berichterstattung zu forcieren, mit wachsender Sorge. Der Abbau von Medienpluralität in Ungarn ist beson-ders gravierend im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. So wurde der wichtigste öffentlich-rechtliche TV-Kanal M1 de facto zum Sprachrohr von Ministerpräsi-dent Orban umfunktioniert. Offizielle Verlautbarun-gen dominieren, und über die Arbeit der Regierung wird bis ins kleinste Detail berichtet – eine Situation, die sich in Bulgarien ähnlich gestaltet. Die Positionen der parlamentarischen und außerparlamentarischen Opposition hingegen kommen in den öffentlich-rechtlichen Medien kaum mehr vor. Zusätzlich wird das Volk mit einer Boulevardisierung der Medienbe-richterstattung ruhig gestellt, in denen spektakulären Kriminalfällen oder unpolitischen Ereignissen mehr Platz eingeräumt wird als kritischem Journalismus oder Stellungnahmen der Opposition. Pessimistische Erkenntnisse aus dem FNF Free-dom Barometer für den Westbalkan Auch im Westbalkan ist es um die Pressefreiheit nicht gut bestellt. Die fünf Länder der Subregion, Kroatien, Serbien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro und Ko-sovo, unterscheiden sich beträchtlich hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Entwicklung. Vergleichbar ist hingegen in allen ge-nannten Ländern der Stellenwert der Freiheit der Me-dien. Wie das FNF Freedom Barometer Western Balkans5 konstatiert, bewerten alle wesentlichen Indizes auf die-sem Gebiet die Situation in den Ländern nur als „teilweise frei“. An den bestehenden Gesetzen liegt diese Bewertung nicht. Diese entsprechen bereits den Standards der EU, ist doch Kroatien bereits Mitglied, während die übrigen Staaten sich in verschiedenen Sta-dien der Aufnahme bzw. Assoziierung befinden.

5 Vgl. http://www.westbalkan.fnst.org/Freedom-Barometar-Zapadni-Balkan-2013/1267c27851i/index.html sowie S. 29.

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Hauptgrund ist die Verflechtung von Wirtschaft und Politik, die auf politischer Ebene eine Gewaltenteilung verhindert und die Medien zum Sprachrohr der jeweils herrschenden Partei macht. Der Anspruch eines inves-tigativen Journalismus ist unter diesen Bedingungen nicht zu erfüllen. Zeitungen beispielsweise finanzieren sich über Anzeigen, deren überwiegender Teil Be-kanntgaben oder Ausschreibungen von staatlicher Sei-te sind. Kommt es zu einem Machtwechsel, hat die neue Regierung sofort ein Instrument in der Hand, um eine kritische Presse einzuschüchtern, indem sie ihr droht, weniger oder keine Anzeigen zu schalten – mit allen negativen Konsequenzen für die wirtschaftliche Basis eines unabhängigen Journalismus. Journalisten, die sich trotz dieser Umstände zur kritischen Bericht-erstattung entschließen, laufen Gefahr, entlassen zu werden. Nationalistische Medien hetzen zudem im In-ternet mit Hassreden und Aufrufen zur Gewalt gegen Randgruppen der Gesellschaft (häufig Roma, auch Homosexuelle) – der Staat zeigt sich macht- oder wil-lenlos, darauf entschieden zu reagieren, obwohl Hass-rede ein Straftatbestand ist. Physische Angriffe gegen-über Journalisten sind zwar selten, die juristische Auf-klärung ist jedoch gering. Journalisten ziehen daraus in der Regel die Konsequenz, sich selbst zu zensieren, schon um ihre wirtschaftliche Existenz nicht zu ge-fährden. Diesen Sachverhalt belegen für alle genannten Länder auch die Fortschrittsberichte der EU-Kommission vom Oktober dieses Jahres. Ein weiterer Kritikpunkt sind die Medienräte, die es in allen genannten Ländern des Westbalkans gibt. Ge-dacht als ein unabhängiges Gremium, das die Ausge-wogenheit und die Qualität der Berichterstattung ge-währleisten soll, sind diese Räte häufig zum Spielball politischer Interessen geworden. Tabuthemen für in-vestigative Journalisten sind u.a. die Rolle des Militärs während der Kriege im ehemaligen Jugoslawien, die Rolle der Kirche und die Verbindungen von organi-sierter Kriminalität und Politik. Da investigativer Jour-nalismus rar ist, weichen Print-Journalisten gerne auf „satirische“ Berichterstattung aus. Diese Form der Be-richterstattung bedient sich der Chiffren und Bilder (häufig Karikaturen), die noch aus jugoslawischer Zeit bekannt sind. Nur zwischen den Zeilen erfährt der Le-ser so die wahren Ansichten des Journalisten.

Das sowjetische Erbe des Meinungs- und Infor-mationsmonopols in Osteuropa, Südkaukasus und Zentralasien Die Nachfolgestaaten der Sowjetunion bieten mit Aus-nahme der baltischen Länder ein katastrophales Bild der Informations- und Pressefreiheit. Verhältnisse wie in Ungarn oder Serbien wären im Vergleich fast vor-bildlich zu nennen. Die zentralasiatischen Republiken (Kirgisistan ausgenommen), Belarus sowie zunehmend auch Aserbaidschan und Russland gehören weltweit zu den Schlusslichtern in punkto Pressefreiheit. Die Hälf-te der insgesamt zwölf Staatsoberhäupter, darunter Alexander Lukaschenko, Ilham Aliyev und Wladimir Putin, wurden von der Medienorganisation Reporter ohne Grenzen wiederholt als „Predators of Press Free-dom“ gebrandmarkt.6

In Russland steht das Fernsehen weitgehend unter staatlicher Kontrolle. Hörfunk, Internetmedien und Zeitungen berichten zwar teilweise sehr unabhängig und kritisch, erreichen aber auch nur einen Bruchteil der Öffentlichkeit – Online-Angebote wie das von TV Doschd oder der kritischen Internetzeitungen lenta.ru und gazeta.ru sogar nur „weniger als ein Prozent der Bevölkerung“.7 Doch auch diese relative Freiheit wird oft durch die schwer messbare Selbstzensur bei Jour-nalisten eingeschränkt. „Einige Journalisten haben Angst, gute Beziehungen zu den Behörden aufs Spiel zu setzen. Deshalb vermeiden sie sensible Themen. Andere identifizieren sich sogar mit den Behörden –

6 Siehe dazu http://en.rsf.org/. 7 Siehe dazu „Der Kreml auf allen Kanälen: Wie der russische Staat das Fernsehen lenkt“, ROG Sonderbericht vom Oktober 2013, https://www.reporter-ohne-grenzen.de/fileadmin/images/Kampagnen/Sotschi/ROG-Russland-Bericht-2013_web.pdf.

Russische Tageszeitungen (Foto: FNF Moskau)

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Kritik wird von ihnen gar nicht ausgesprochen.“8

Schließlich wirken sich seit 2012 eine Reihe von neu verabschiedeten Gesetzen negativ auf die Medienfrei-heit aus, wobei auch das Internet als Raum der freien Meinungsäußerung zunehmend bedroht ist. Die drei wichtigsten Fernsehkanäle, die landesweit übertragen werden (Perwyj Kanal, Rossija und NTV), befinden sich über verschiedene Holdings mehrheit-lich im Staatsbesitz. Das aus sowjetischer Zeit stam-mende Übertragungssystem, das fast alle Haushalte des Landes erreicht, verhindert Wettbewerb mit unabhän-gigen Fernsehkanälen. Auch eine Initiative des ehema-ligen Präsidenten Dimitry Medwedew, durch den Auf-bau eines öffentlich-rechtlichen Rundfunksenders mehr Pluralität im Fernsehen zu schaffen, scheiterte. Der einzige nennenswerte unabhängige Nachrichten-sender „TV Doschd“ hatte sich im Dezember 2012 vergeblich um einen Lizenz bemüht und kann nur über das Internet und einzelne Kabelnetze und Satelli-ten empfangen werden. Gewalttaten gegen kritische Journalisten verschärfen Tendenzen der Selbstzensur. Hinzu kommen die 2012 wieder eingeführten Straftatbestände von Verleum-dung und Hochverrat. Seit 2013 ist es zudem verbo-ten, in den Medien Schimpfwörter zu benutzen, religi-öse Werte zu beleidigen, den ethnischen Hintergrund von Straftätern öffentlich zu machen oder für „nichttraditionelle sexuelle Beziehungen“ zu werben. Unklare Definitionen billigen dabei staatlichen Institu-tionen einen breiten Spielraum an Interpretationen und Sanktionsmöglichkeiten zu. Auch in der der Ukraine dominieren Medienoligopole und Meinungsmonopole den Alltag. Der Publizist Juri Durkot fasst die Situation der Medien in einem FNF-Hintergrundbericht als "Mixtur aus Einschüchterung und Behördenwillkür" zusammen.9 Präsident Viktor Janukowytsch, der 2010 in freier und fairer Wahl, aber mit knappem Vorsprung, an die Macht kam, hat die als Haupterrungenschaft der Orangenen Revolution gel-tenden freien Medien inzwischen wieder fest unter Kontrolle. Anstelle der klassischen Zensur treten in der Ukraine Inhaltsvorgaben und gezielte Einflussnah-

me in die redaktionelle Politik. Zwar werden ukrai-nische Medien mittlerweile vornehmlich als Business betrachtet, sie werden dabei aber dennoch vor allem als Mittel der politischen Einflussnahme genutzt. Den Markt teilen sich vier große Privatholdings, die ukrai-nischen Oligarchen gehören. So kam es im Juni 2013 zum Verkauf der großen Verlagsgruppe „Ukrainskyi Media Holding“ (UMH) an einen 27-jährigen „Neu-Oligarchen“ Serhiy Kurchenko, dem nachgesagt wird, dass er die Interessen des ältesten Präsidentensohns Alexander Janukowytsch vertrete. Kurz zuvor war bereits der größte private Fernsehsender „Inter“, ur-sprünglich in den Händen des früheren Stv. Minister-präsidenten V. Choroschkowskiy und noch einiger-maßen unabhängig, vom Leiter der Präsidialverwaltung und einem ihm nahe stehenden Großindustriellen übernommen worden. Auch auf „Inter“ dominiert nun die Präsenz der Präsidentenpartei.

Das Staatsfernsehen „Perschyj Nationalnyj“ mit seinen Ablegern in den Regionen ist für seine unausgewogene Berichterstattung zugunsten der Regierung bekannt, spielt aber wegen niedriger Einschaltquoten insgesamt nur eine untergeordnete Rolle. Aber auch die Gleich-schaltung der Privatsender nahm 2012 an Fahrt auf, als sich der letzte als unabhängig eingeschätzte Sender „TVi“ mit hohen Steuernachforderungen, Hausdurch-suchungen und Strafverfahren sowie einer wesentlich eingeschränkten Reichweite konfrontiert sah, weil Ka-belbetreiber massenhaft Verträge kündigten. Schließ-lich kam es 2013 zu einer komplizierten und undurch-sichtigen Eigentumsübernahme, in deren Folge fast alle Journalisten den Sender verließen. Von den natio-nalen Tageszeitungen berichten nur wenige kritisch

8 So M. Putintsev, Chefredakteur „Echo Moskvy“ DW Interview vom 15.02.2012, http://www.dw.de/russland-zensur-und-selbstzensur/a-15742227.

9 Siehe dazu „Gefährlicher Rückgang der Pressefreiheit in der Ukraine“, FNF Hintergrundbericht vom 24.06.2013, http://www.freiheit.org/Hintergrundpapiere/414c26627i2p271/index.html.

Besitzverhältnisse der ukrainischen Medien (Grafik: © bigmir.net)

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und objektiv, außer vereinzelt in den Regionen. Bei Wochenzeitungen und Magazinen gilt dies nicht in gleichem Maße, aber diese haben keinen entscheiden-den Einfluss auf die breite Meinungsbildung. Auch das Internet ist kein Hort der Freiheit. Gegenwärtig sieht sich die vor allem mit investigativem Journalismus be-kannt gewordene Internetzeitung „Ukrainska Prawda“ (Ukrainische Wahrheit) Attacken und Verun-glimpfungen ausgesetzt, in der Ukraine „Politiktechnologie“ genannt. Vorgeblich gehackte, falsche E-Mails der Journalisten, veröffentlicht im In-ternet, sollen nahe legen, dass die renommierten Jour-nalisten ihre Artikel gegen Geld schreiben und lancie-ren und in Wirklichkeit nur Spielbälle russischer Auf-traggeber sind. Folgerichtig attestieren internationale Organisationen der Ukraine seit 2010 deutliche Rückschritte bei der Pressefreiheit. Die im Mai 2013 von Reporter ohne Grenzen veröffentlichte Rangliste stuft das Land zwi-schen Algerien und Honduras auf dem 126. Rang ein, zehn Plätze schlechter als im Vorjahr. Gegenüber 2009 rutschte das Land um 37 Plätze ab. Im Ranking von Freedom House schneidet das Land ähnlich schlecht ab und teilt sich mit Sambia und dem Süd-Sudan Platz 131. In der Gesamtbewertung trennt das Land nur noch ein einziger Punkt von der Herabstufung zum Status „nicht frei“.

Medienfreiheit und der Zugang zu Information sind auch ein ernsthaftes Problem in allen drei Staaten des Südkaukasus. Die größten Hindernisse für die Ent-wicklung einer freien und unabhängigen Medienland-schaft sind die ungenügende Umsetzung bestehender rechtlicher Rahmenbedingungen, eine teilweise extrem weitreichende Gesetzgebung zum Schutz „von Staats-geheimnissen“ sowie rigorose Bestimmungen mit Blick auf Straftatbestände „Diffamierung“ und „Beleidigung“ sowie entsprechende drakonische Stra-fen im Falle einer Verurteilung, mangelnde Kenntnisse in der Öffentlichkeit mit Blick auf das Recht auf Infor-mation und Medienfreiheit und teilweise auch man-gelnder Professionalismus bei Journalisten. Besonders in Aserbaidschan sind Journalisten der allgegenwärtigen Überwachung und Versuchen der Einflussnahme ausgesetzt. Die Palette der Repressi-onsinstrumente ist vielfältig und reicht von organisier-tem Mobbing, Erpressungen, Hausdurchsuchungen, Beschlagnahme von Arbeitsgeräten und gespeicherten Daten bis hin zu physischer Gewalt und – wie die Bei-spiele von Elmar Huseynov und Rafiq Tagi zeigen – auch Mord. Daneben kommen zunehmend subtilere Verfahrens-weisen zum Einsatz. Zu diesen gehören die Kontrolle von Papierzuteilungen an Verlage und Druckereien, unzumutbare Erhöhung von Mietzinsen für Büroräu-me, erratische Steuerprüfungen, Blockierung von Fi-nanzströmen sowie eine rigorose Kontrolle finanzieller Ressourcen, insbesondere im Anzeigenbereich. Ein weiteres Instrument des Repressionsapparats sind Ge-setze zur Terrorismusbekämpfung sowie das so ge-nannte Anti-Diffamierungsgesetz, die es ermöglichen, investigativen Journalismus und kritische Recherche grundsätzlich als Geheimnisverrat oder Verleumdung einer Amtsperson einzustufen und mit drakonischen Haft- und Geldstrafen zu belegen. All diese Formen der Kontrolle und Restriktion von Medienfreiheit die-nen dem Ziel, unabhängige Medien einzuschüchtern, unliebsame Informationen zu unterdrücken und Kon-trolle über die öffentliche Meinung zu gewinnen. Seit zwei Jahren richtet sich die Aufmerksamkeit nun auch verstärkt auf das Internet, das sich zu einer Quel-le staatlich nicht-gelenkter Informationen entwickelt hat. 2012 war Aserbaidschan Gastgeber des siebten internationalen Internet Governance Forums (IGF). Im Anschluss an das Forum setzte eine restriktive Ge-setzgebung ungeahnten Ausmaßes ein, die auch die Azeri Fernsehturm in Baku, Aserbaidschan

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letzten Nischen frei zugänglicher Information und Meinungsäußerungen bedroht. Unter anderem führte die aserbaidschanische Regierung auch ein Anti-Diffamierungsgesetz für das Internet ein. Schlussfolgerungen Wie unsere Schlaglichter auf die Situation der Medien in den Transformationsländern in MSOE zeigen, kann Medienfreiheit nur bestehen, wenn Presse, Rundfunk und andere Massenmedien autonom sind gegenüber Staat, Wirtschaft und Gesellschaft und ihre institutio-nelle Eigenständigkeit rechtlich abgesichert ist. Sie be-nötigt daneben aber auch stabile Rahmenbedingungen für unternehmerisch-wirtschaftliche Selbstständigkeit. Denn Medienunfreiheit wächst auch dort, wo zwar formalrechtliche Rahmenbedingungen gegeben, unter-nehmerische Selbstständigkeit und wirtschaftliche Un-abhängigkeit aber aufgrund von Oligopolen in Wirt-schaft und Politik begrenzt oder gar nicht gewährleis-tet sind. Medienfreiheit ist schließlich vor allem dort bedroht, wo sachliche Berichterstattung und kritische Kommentare nichts mehr gelten und Meinungsvielfalt und Kontroversen zunehmend von Agitation und Pro-paganda verdrängt werden. Unter diesen Bedingungen kann nur ein höriger Jubel-journalismus überleben, der sich an der im wörtlichen Sinn „herrschenden Meinung“ orientiert. Oder aber Medien begeben sich aus Angst vor politischen und wirtschaftlichen Repressalien in die innere Emigration und unterwerfen sich der Selbstzensur. In einem russi-schen Sprichwort heißt es: „Ein unabhängiger Journa-list ist ein arbeitsloser Journalist.“10 Leider gilt in vielen der hier beschriebenen Fälle auch der Satz: Ein unab-hängiger Journalist ist oft seines Lebens nicht mehr sicher. Redaktion: Dr. René Klaff, Regionalbüroleiter MSOE, So-fia, und Yasemin Pamuk, Projektleiterin Südkaukasus, Tiflis. Beiträge: Dr. Borek Severa (Prag); Daniel Kaddik (Sofia); Charles du Vinage (Belgrad); Julius von Freytag-Loringhoven (Moskau); Miriam Kosmehl (Kiew); Yasemin Pamuk (Tiflis).

10 Vgl. hierzu Michael Roick, „Ein unabhängiger Journalist ist ein arbeitsloser Journalist: Junge Journalisten diskutieren über Medi-en(un)freiheit in Osteuropa“, FNF Veranstaltungsbericht vom 13.11.2009, http://www.freiheit.org/webcom/

show_article_bb.php?wc_c=616&wc_id=13321.

The Roma Minority in Central and Southeast Europe

Roma integration has been an issue on the agenda of international organizations, state governments and non-governmental organizations for many years, but for a variety of reasons all initiatives and measures have essentially failed to generate suitable and sustain-able success. As a consequence, in 2011 the EU launched a new, comprehensive and multi-targeted initiative under the designation “Framework for Na-tional Roma Integration Strategies up to 2020”. This initiative asks the Member States to find sustainable answers for the solution of the problems of Roma poverty and exclusion on the basis of the protection and promotion of fundamental human and civil rights, in order to “make a tangible difference to Ro-ma people’s lives” within this time frame. Hence, the Friedrich Naumann Foundation for Free-dom (FNF) together with its partners, have initiated a project in 2012 which aims to formulate liberal posi-tions for Roma integration based on the liberal core values of freedom and responsibility and within the context of the EU Framework. Our focus in this en-deavour is on the situation in Central and Southeast Europe where the threats and challenges to social co-hesion are the most pressing.

Find out more at

www.msoe.fnst.org

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Zurück nach Südeuropa!

Im Herbst 2013 diskutierten die Finanzminister der Eurozone erneut den Reformkurs und die Konsolidie-rungsmaßnahmen der Krisenländer in der Eurozone. Der Teufelskreis aus sinkender Wettbewerbsfähigkeit, steigender Arbeitslosigkeit und explodierenden Staats-schulden scheint sich zumindest in Spanien, Italien und Portugal teilweise umzukehren. Die Reforman-strengungen in Spanien werden von der Troika aus Europäischer Zentralbank, Europäischer Kommission und Internationalem Währungsfonds positiv bewertet, so dass das Hilfsprogramm für den spanischen Ban-kensektor im Dezember 2013 eingestellt werden soll. Auch in Portugal und Italien ist ein relativer Auf-schwung der Wirtschaftslage zu erkennen. Politische Krise in Südeuropa – Chance für den Liberalismus? Die strukturellen Probleme der Mittelmeeranrainer der EU sind jedoch nicht zu unterschätzen. Sie beschrän-ken sich bei Weitem nicht nur auf den Finanzsektor und die Wirtschaft. Tief verwurzelte Probleme wirt-schaftlicher, politischer und sozialer Natur rufen nach tiefgreifendem Überdenken und einer Reform der etablierten politischen Systeme. Schuldenbremsen und Sparmaßnahmen allein werden nicht ausreichen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Schwache demokratische Institutionen und die Politi-sierung der Wirtschaft durch Staat und Parteien sind hauptsächlich auf unvollendete demokratische Über-gangsentwicklungen in den siebziger Jahren zurückzu-führen. Spanien, Portugal, Italien und Griechenland stecken in einer tiefgreifenden Krise der repräsentati-

ven Demokratie und des traditionellen Parteiensys-tems, das bürgerlichen und sozialdemokratischen Par-teien alternierend die Macht gab. Das Versprechen, dass mit der Integration in die EU alle Probleme gelöst würden, hat sich offensichtlich nicht bewahrheitet. Können die schwachen, aber durchaus vorhandenen liberalen Kräfte vom Mangel an demokratischer Legiti-mität der repräsentativen Demokratie in Spanien, Por-tugal, Italien und Griechenland profitieren und die le-gitimen Ansprüche der Bürgerinnen und Bürger kana-lisieren? Die gegenwärtige politische Krise in Südeuro-pa, insbesondere der dort traditionell etablierten Zwei-Parteien-Systeme aus Konservativen und Sozialisten, könnte die Hoffnung wecken, dass alternative politi-sche Strömungen einen Resonanzboden finden. Libe-rale Parteien scheinen sich während der Krisenjahre jedoch nicht als alternative Kräfte etabliert zu haben. Viel eher wurde das Vakuum an politischer Legitimität von extremistischen und populistischen Parteien an beiden Enden des politischen Spektrums gefüllt. Um in diesen Krisenjahren liberale Kräfte zu stärken und so den Aufbau offener und reformorientierter Ge-sellschaften zu unterstützen, nahm die Friedrich Naumann Stiftung für die Freiheit (FNF) im Jahr 2012 die Mittelmeeranrainerstaaten und Portugal wieder in ihre Arbeit auf. Mit dem im Regionalbüro „Europäische Institutionen und Nordamerika“ in Brüssel angesiedelten „Dialogprogramm Europäische Integration“ möchte die Stiftung liberale Kräfte durch Bildungsaktivitäten, Politikdialog und Beratung stär-ken. Die Situation liberaler Parteien in Südeuropa ist bri-

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sant: Selbst in Italien, wo der organisierte Liberalismus bisher im Parlament und häufig auch in der Regierung vertreten war, scheinen liberale Parteien nach der Wahl im Februar 2013 ganz und gar auseinanderzubrechen. Die Partei Italia dei Valori beging den Fehler, mit der Liste Rivoluzione Civile ein Bündnis mit den Linksradi-kalen einzugehen und verpasste mit knapp zwei Pro-zent der Stimmen den Einzug ins Parlament. Auch die radikal-liberale Partei Radicali Italiani konnte nicht die notwendigen Stimmen gewinnen, um sich Sitze im Parlament zu sichern. Zudem mussten die Radikalen, jedenfalls zeitweise, aus finanziellen Gründen aus der paneuropäischen ALDE Party austreten. Die Partei-vorsitzende Emma Bonnino wurde dank ihres hohen persönlichen Ansehens zumindest Außenministerin des Kabinetts Letta. Die große Herausforderung für den politischen Liberalismus in Italien wird darin lie-gen, sich wieder neu aufzustellen und inhaltlich sich zu definieren. „Ein-Mann-Parteien“, wie es Italia dei Valori mit Antonio di Pietro und teilweise auch Radicali Italia-ni mit Marco Pannella und Emma Bonnino gewesen sind, müssen klar definierten und breiter aufgestellten liberalen Parteien Platz machen. In Portugal, Spanien und Griechenland stehen liberale Parteien vor noch größeren Hürden. Das Grundprob-lem liberaler Parteien in diesen krisengeplagten Län-dern ist zweifellos eine fehlende liberale Tradition. Dies ist vor allem das Resultat der Bürgerkriege sowie der teils faschistischen Diktaturen, gegen die sich in kommunistischen und sozialistischen Kreisen eine pro-demokratische Opposition gegen die rechtsextremen Regime entwickelte. Hier liegt auch der Hauptunter-schied zu Ländern Zentral- und Osteuropas, wo sich zunächst gerade liberale Kräfte als Oppositionsbewe-gungen zum kommunistischen Totalitarismus entfalten konnten. In Südeuropa ist der Kampf für Bürgerrechte

vermeintliches Vorrecht der Linken. So existieren in Spanien lediglich kleine liberale Gruppen und Parteien, wie die Centro Democrático Liberal (CDL) und die Partido por la Libertad Individual (P-Lib), denen es bisher nicht gelungen ist, in regionale oder gar nationale Parlamen-te einzuziehen. In Portugal steht die Gründung einer liberalen Partei weiterhin aus. Zudem wird der Liberalismus in Mittelmeerländern oft als politische Ideologie wahrgenommen, die den herr-schenden Eliten zugutekommt. Der Kapitalismus wird von vielen Bürgerinnen und Bürgern Spaniens und Griechenlands als Verursacher der Finanz- und Wirt-schaftskrise verstanden. Damit wird der Liberalismus eher als eine Verschärfung der Probleme denn als Lö-sung gesehen. Anstelle von effizienter Regulierung und mehr Gewaltenteilung fordern spanische und griechi-sche Bürger mehr Kontrolle durch den Staat. Dabei kritisieren ebendiese Bürgerinnen und Bürger gleich-zeitig die staatlichen Institutionen und etablierten poli-tischen Kräften. Die missbräuchliche Verwendung des Begriffs des Liberalismus durch Vertreter konservati-ver Parteien, um damit ihre Politik und Regierungsfüh-rung zu bezeichnen, verschärft die negative Wahrneh-mung des Liberalismus zusätzlich. Für offenere Gesellschaften in Südeuropa – die Arbeit der FNF Um Reformen für die Modernisierung des Staatswe-sens und der Wirtschaft in Griechenland zu unterstüt-zen und zivilgesellschaftliches Engagement vor Ort zu fördern, ermöglicht der Deutsche Bundestag mithilfe von Sondermitteln seit 2012 den politischen Stiftungen Aktivitäten in Griechenland. Seit der Schließung des ersten FNF-Büros in Athen im Jahre 1993 ist die FNF somit nach fast zwanzigjähriger Pause wieder in der Hellenischen Republik aktiv. Die dortigen liberalen und zivilgesellschaftlichen Akteure können diese Un-terstützung von außen gut gebrauchen: In dem viel-leicht sozialistischsten, sicherlich aber staatsgläubigsten Land Westeuropas – wobei die Verankerung Grie-chenlands in „West“-Europa in den Kafenía derzeit heiß diskutiert wird – findet Liberalismus quasi nicht statt. Es dominiert die Auseinandersetzung zwischen konservativen und sozialistischen Kräften, zuletzt an-gereichert durch populistische und offen faschistische Gruppierungen. Eines haben jedoch alle im Parlament vertretenen Parteien gemein: staatlicher Einfluss wird als Allheilmittel gegen jegliches Übel gesehen, Lippen-

Konferenz des FNF-Dialogprogramms Europäische Integration in Griechenland

Europa

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bekenntnisse zu einer wirklichen Staatsreform nimmt den Parteien kaum jemand ab, wenn sie denn über-haupt von einer Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger gewünscht ist. In diesem Klima operiert die FNF seit rund anderthalb Jahren und findet als liberale Stiftung sicherlich das schwierigste Arbeitsumfeld aller politischen Stiftungen vor. Nicht weniger als fünf liberale Klein- und Kleinst-parteien buhlen um die Gunst der Wähler, die diese Fragmentierung in der Vergangenheit konsequent mit Wahlergebnissen unterhalb der Dreiprozenthürde ab-straften. Das Hauptaugenmerk der parteipolitischen Arbeit der Stiftung liegt daher auf der Förderung eines stärkeren Austauschs der Parteien untereinander. So richtet die FNF Konferenzen aus, auf denen sich erst-mals seit Jahren wieder Mitglieder und Sympathisanten aller liberalen Parteien treffen und miteinander, statt übereinander, diskutieren. Außerdem wurde mit „Seminaren zu partizipativer Führung“ der Grundstein für basisdemokratische Mitsprache innerhalb der Par-teien gelegt. Da diese Seminare Mitgliedern sämtlicher liberaler Parteien offenstehen, dienen sie ebenfalls ei-ner parteiübergreifenden Annäherung innerhalb des liberalen Lagers.

In einem kleineren Ausmaß fördert die Stiftung auch liberale Bewegungen und Parteien in Spanien und Por-tugal. Sie unterstützt daher seit zwei Jahren das Iberian Liberal Forum (ILF). Dabei handelt es sich um ein jähr-liches Treffen liberaler Organisationen aus Ländern und Regionen der iberischen Halbinsel mit dem Ziel, die Kommunikation, den Austausch und mittelfristig die Kooperation zwischen liberalen Think Tanks, Stif-tungen und Parteien zu fördern. Langfristig ist das Ziel des Forums, in Portugal die Entstehung einer liberalen

Partei zu unterstützen, und in Spanien eine engere Zu-sammenarbeit zwischen den bestehenden Kleinpartei-en zu fördern. Mit derselben Logik unterstützt die Stif-tung auch in Brüssel liberale Parteien und Individuen aus Spanien und Griechenland. So begrüßt die Stiftung regelmäßig in ihrem Brüsseler Büro Mitglieder der spa-nischen Partei Centro Democrático Liberal (CDL) und des griechischen Forums European Demos. Durch die Ver-mittlung liberalen Gedankenguts und Vernetzung för-dert die Stiftung die Debatte zwischen Liberalen in Südeuropa und bringt frischen Wind aus Brüssel.

Institutionen fördern, Zivilgesellschaft stärken Die FNF ist bestrebt, liberale Kräfte in Südeuropa durch politische Bildungsaktivitäten, Politikdialog und Politikberatung zu fördern und zu stärken. Dies könn-te längerfristig auch zu einer schrittweisen Annäherung zwischen liberalen Gruppen hin zu einem Zusammen-schluss existierender Parteien oder einer Einigung über gemeinsame Listen führen – in Griechenland wie auf der iberischen Halbinsel. Flankierend sind jedoch die Stärkung der Zivilgesellschaft und das Werben für mo-derne, demokratische Institutionen erforderlich. So unterstützte die Stiftung den Prozess der Wahl-rechtsreform in Katalonien, indem sie ein Seminar zum Thema Wahlrecht mit dem „Michelangelo des Wahlrechts“, Prof. Dr. Dieter Nohlen, Professor Eme-ritus an der Universität Heidelberg, organisierte. Das neue Wahlgesetz – basierend auf dem deutschen Sys-tem der personalisierten Verhältniswahl – wird zurzeit von einer parteiübergreifenden Kommission des kata-lanischen Parlaments bearbeitet. Dabei wirkt die Re-form des katalanischen Wahlrechts auch als Impuls für

FNF-Seminar zu partizipativer Führung „on air“

Treffen des Iberian Liberal Forum (ILF)

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andere Regionen Spaniens. Dr. Nohlen wird bald nach Madrid reisen, um das madrilenische Regionalparla-ment in der Debatte zur Wahlrechtsreform zu beraten.

Das gesellschaftliche Spannungsfeld zwischen pro-europäischen und reaktionären Kräften, in dem Grie-chenland gegenwärtig gefangen ist, verlangt auch dort nach zivilgesellschaftlichen Maßnahmen. In Griechen-land ist zivilgesellschaftliches Engagement nach Jahr-zehnten der „Zweiparteienherrschaft“ von Nea Dimokratia und PASOK, die eine bipolare Konflikt-struktur auch im öffentlichen Raum entstehen ließ, nur noch rudimentär vorhanden. Problemstellungen wer-den weiterhin konfliktiv zu lösen versucht. Der unfrei-willige Rückzug des Staates aus vielen Lebensbereichen aufgrund von Sparmaßnahmen vollzieht sich daher ohne Kompensation durch gesellschaftliche Selbstre-gulierung. Daher werden insbesondere Jugendliche zur aktiven Teilnahme am öffentlichen Leben bewegt und freiwilli-ges Engagement politisch interessierter Bürgerinnen und Bürger angeregt. So bietet die Stiftung „Liberale Jugendseminare“ an, in denen junge Menschen die De-fizite des wirtschaftlichen und politischen Systems er-kennen und an den Reformen aktiv mitarbeiten, so-wohl im öffentlichen als auch im zivilgesellschaftlichen Bereich. Dabei kommt Eigeninitiative und der Fähig-keit, selbstständig zu handeln, eine große Rolle zu. Auch die Stärkung von Good Governance wurde mit ver-schiedenen Informationsveranstaltungen zum Subsidi-aritätsprinzip in der griechischen Peripherie bereits angegangen. Viele weitere Aktivitäten werden in den kommenden Jahren folgen.

Das Licht am Ende des Tunnels Durch ihre Programme und den Austausch mit deut-schen und europäischen Experten bietet die FNF eine Dialogplattform für Journalisten, Politiker und Vertre-ter der Zivilgesellschaft in Ländern Südeuropas. Sie unterstützt damit lokale Akteure in den Mittelmeerlän-dern und fördert mit ihren Aktivitäten indirekt den Aufbau demokratischer Institutionen.

Die Finanzminister der Eurozone blicken mittlerweile optimistischer auf die südeuropäischen Länder. Libera-len Kräften bleibt allerdings noch ein weiter Weg, um offenere Gesellschaften und eine etablierte liberale Parteitradition im Süden Europas aufzubauen. Julie Cantalou, Markus Kaiser (FNF Brüssel)

www.fnf-europe.org

Prof. Dr. Dieter Nohlen

FNF-Informationsveranstaltung zum Subsidiaritätsprinzip in Griechenland

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“We must hold to a rigid accountability those public servants who show unfaithfulness to the interests of the nation or inability to rise to the high level of the new demands upon our strength and our resources.” ― Theodore Roosevelt, Strenuous Life A standard scale for mapping the performance of elected representatives based on constitutional param-eters has been conspicuously absent in India. Perfor-mance appraisal based on objective criteria is now be-ing applied to evaluate elected representatives by Praja foundation—a partner of the Friedrich Naumann Foundation for Freedom. The People of India have had Elected Representatives representing them in various bodies from the parlia-ment, State Assemblies, Corporations to the panchayat (village government) for decades now. These repre-sentatives have deliberated, debated, questioned, pro-posed new laws, passed new laws and governed the nation at all levels using the mechanisms given to them by the Constitution of India. The 1950 constitution which the Indians gave to themselves laid out the way in which they would govern themselves. In the last three decades the country has seen a steady decline in the quality of governance due to various reasons, prime amongst them being commercialisation of poli-tics (eg increasingly the main aim of becoming a politi-cian is to make money not to do politics) and criminal-isation of politics (eg more and more politicians have a criminal record), this has created a huge governance deficit in the country.1 An analysis by Association of Democratic Reforms reveals that 30% of the total of 4.807 sitting MLAs and MPs declared that criminal cases exist against them in self sworn affidavits submit-

ted to the Election Commission of India prior to con-testing elections.2 The Electorate has remained a silent witness for most part of this and is feeling let down and frustrated by the Government and the elected representatives. The time when the citizen has a ‘real’ say, is during elec-tions which happens once in five years. The elections are the only time when the elected representatives are appraised for their performance in the corresponding term by the electorate.3 “Looking at the growing problems of governance and the ever increasing needs of the citizens there is a need of a continuous dialogue and appraisal of the working of the elected representatives. It is this need of contin-uous dialogue and appraisal that made us develop Re-port Cards for elected representatives in the city of Mumbai” states Nitai Mehta, Managing Trustee, Praja Foundation. Praja is a non-partisan organization. It was started in Mumbai in 1997 by a group of eight in-dividuals whose vision was to re-establish accountabil-ity and transparency in governance. People had be-come apathetic towards local government agencies. They thought that these agencies were "corrupt", "inefficient" and "not amenable to change". At the same time, there was barely any interaction between the citizens and the local government. Praja aims to: develop innovative methods of communication that will enable citizens to interact with the administration and their elected representatives; create tools that will perpetuate transparency in the governance system and elicit participation from the people in the govern-ment’s decision-making processes so that accountabil-ity can be established in the system.

Citizens Evaluating the Performances of their Elected Representatives in India

Freiheit und Partizipation

1 Praja: Mumbai Report Card – Municipal Councilors 2013, Page 11

2http://www.rediff.com/news/report/survey-shows-1460-criminal-mps-and-mlas-in-the-country/20130710.htm 3Praja: Mumbai Report Card – Municipal Councilors 2013, Page 11

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Praja appraises the performance for the Councillors and the Members of Legislative Assembly (MLAs) through two individual report cards every year. Mumbai Report Card - MLAs The appraisal is undertaken keeping in mind the con-stitutional role and responsibility of the elected repre-sentatives and the opinion of their electorate. The rat-ings of the MLA's are based on data accessed through two methods: Right to Information4 on attendance of Assembly sessions, number and type of questions raised, use of discretionary funds, criminal records etc. and personal interviews with roughly 25.000 citizens of Mumbai to investigate the views of citizens on their elected representatives. The MLA report card, 2013 revealed that 15 MLAs out of 32 had criminal cases registered against them even before they were elected and 10 out of 32 have had new criminal cases regis-tered against them since they were elected. The average score for a MLA from the year 2011 to 2013 on parameters of attendance, quality of ques-tions, perceived accessibility etc. has been given below.

While 60% weightage has been given to the perfor-mance of the MLAs as defined by the Constitution of India, garnered primarily through RTI, 40% weightage is on the perception of an MLA among the citizen of his/her constituency. The differential weightage be-tween performance and perception aimed to make the ranking more credible and balanced. The scale has been designed by Praja with inputs from reputed peo-ple with sectoral knowledge in governance, political science, social science, market research and media.

“The Praja Report Card seeks to accomplish an assess-ment that is objective and unbiased through a system-atic and transparent study,” stated K.M.S. Ahluwalia, formerly Chairman & CEO of A.C. Nielsen ORG-MARG, a global market research firm. “This Report Card is an important step forward in promoting ac-countability and transparency in the political govern-ance of the country,” he added. Mumbai Report Card – Municipal Councillors The Urban Local Bodies (ULBs) are the final point of service delivery to the citizens (registration of birth/death, sanitation, infrastructure development/maintenance, public health services, etc.) under the Municipal legislations in India and the Councillors are the custodians of such services. There has been an enormous decay of ULBs across the country. The Mumbai Municipal Corporation has a uniquely daunt-ing challenge of providing services in a city with an ever increasing migrant population. Praja developed the second Mumbai Report Card eval-uating the performance of Municipal Councillors dur-ing the period between April 2012 and March 2013. The Report card highlights that only 20.8% of ‘civic’ questions asked during the entire year were related to the complaints filed by the citizens. Clearly, there is systemic failure of the Wards Committees5 that ad-dress issues which are visibly not linked to the citizen grievances. See graph below.

Figure 1: Average score for MLAs (2011-2013)

Figure 2: Proportion of questions asked by Councillors. Only 20.8% of civic questions asked during the entire year were

related to citizen grievances

4 Right to Information Act, 2005 enables the citizen to seek in-formation about the various performance indicators of their elected representatives such as attendance, usage of funds, etc. from the Public Information Officer of the legislative bodies.

5 Wards Committee is smallest decentralized unit of administrati-on in an urban set up.

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Women Councillors outshined their male counterparts with seven of the top 10 Councillors being women as revealed in the report card. Incidentally, the top Coun-cillor, Hemangi Worlikar is a first time Councillor who once worked as a clerk within the Municipal Corpora-tion. However, gender wise, male councillors have per-formed marginally better than women with an average score of 59.66%.

Some of the bleak findings from this year’s report card are that 38.3% of the 227 Councillors have criminal records with 18 of them being named in registered complaints filed by the police) after being elected in February 2012. Only 20.8% of total questions raised by the Councillors in meetings were consistent with the complaints filed by the citizens. “Performance or non-performance of elected representatives in the Mu-nicipal Corporation has a direct impact on the life of its citizens as a gamut of all the basic services are to be provided by the body” said Nitai Mehta, managing trustee of the Praja Foundation. Newly elected councillors failed to live up to the citi-zens’ hopes of better performance from them because on an average all of them asked just under ten ques-tions during the entire evaluation period. DM Su-khtankar, former Municipal Commissioner who re-leased the report said, “Elected Representatives act as a channel to convey the aspirations and problems faced by citizens, and hence this kind of assessment of their performance by the people is necessary. It can be taken as a mirror for them and should be taken as an opportunity by them to improve”.

Way forward The report card prepared by Praja is an effective tool for an objective evaluation of the elected representa-tives in Mumbai. The report cards assist the Mumbai media to persistently report in an unbiased manner the performances of the elected representatives. It encour-ages informed dialogue between the citizens and the ones who they choose to power. Lack of deliberations on part of the legislators has for the first time been quantified on an objective scale. The report card has become a standard tool for evaluation and enables competition amongst the councillors to perform bet-ter. The role of the Municipal Councillors is to provide visionary direction for development and effective de-livery of services for better standards of living for an ordinary citizen. Councillors are expected to fulfill the expectations of the citizens within the legal framework provided. There is a need for the Councillors to in-crease their existing capacities and knowledge for a new public management. Sadly, most elected repre-sentatives in India are unaware of the basic functioning and the various tools available to them to become a better administrator. To bridge this gap, Praja now conducts primary train-ing workshops to build capacity amongst the Council-lors across party lines on corporation procedure rules. 12 such workshops have already been conducted in 2013. Praja brings out white papers on the state of ed-ucation, health, crime and civic issues in Mumbai an-nually. The data brought out through these white pa-pers are linked to the workshops conducted for the councillors. It also conducts applied workshops on municipal budgeting, health, etc. Praja currently is carrying out a feasibility study to rep-licate the report card model for the Municipal Council-lors and Members of Legislative Assembly in Delhi. Since Delhi is the political epicenter of the country, the objective is to gradually push for better governance in the capital by reminding the elected representatives of their constitutional responsibilities; help bring elected representatives closer to their constituency grievances and also arm the citizen with a valid scale to evaluate the performances of elected representatives.

Figure 3: Gender wise analysis of 226 Councillors

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The report cards can be accessed here: http://www.praja.org/praja_downloads/Mumbai%20Councillors%20Report%20Card_2013.pdf http://www.praja.org/praja_downloads/Mumbai%20MLA%20Report%20Card%202013.pdf

Dona John, Maria Schneider (Delhi)

www.southasia.fnst.org

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Demokratie benötigt Demokraten. Die jüngsten politi-sche Unruhen zeigen, dass demokratische Werte noch längst keine Selbstverständlichkeit in Thailand sind. Wie auch in anderen Demokratien in Südostasien ist die Teilnahme der jungen Generation am politischen Leben nur gering. Junge Thais interessieren sich nur wenig für den politischen Prozess, denn sie nehmen den politischen Einfluss auf ihr tägliches Leben kaum wahr und verfügen über kein Grundverständnis zu demokratischen Werten und Institutionen. Zum Bei-spiel ist kein Wissen über die Funktionsweise eines Parlaments und politischer Entscheidungsprozesse vorhanden und wird im Zuge der schulischen Lauf-bahn kaum vermittelt. Diese Lücken soll SIM-Democracy schließen. Es han-delt sich um ein traditionelles Brettspiel, welches von der Stiftung in Zusammenarbeit mit Spieledesignern als interaktives Medium für junge Erwachsene und Erstwähler konzipiert wurde. Diese sollen so einen spielerischen Zugang zu einer demokratischen Gesell-schaft und den in ihr ablaufenden Entscheidungspro-zesse erhalten. Wichtig ist festzuhalten, dass das Spiel nicht nur in einfacher Weise die Aspekte einer Demo-kratie erklären soll. Das Spiel schafft Situationen, die die Spieler fordern, sich aktiv mit der Thematik ausei-nanderzusetzen. Es soll ihr Interesse an Politik und Demokratie wecken. Das Spiel kombiniert vier verschiedene Grundelemen-te einer demokratischen Regierungsform - Sicherheits-, Umwelt-, Erziehungs- und Gesundheitspolitik - wel-che jeweils einem Spieler (oder Team) als Verantwor-tungsbereich zugeteilt werden. Der Spieler muss nun dafür Sorge tragen, dass die Regierung seinem Ressort

genügend finanzielle Mittel zukommen lässt. Zu Beginn des Spiels bzw. jeder Legislaturperiode fin-det ein Wahlkampf um den Regierungssitz statt. Die Spieler entwerfen jeweils ein Regierungsprogramm und ein Budget, um aktuelle Probleme in den vier Spielbe-reichen anzugehen. Bei diesen Problemen kann es sich zum Beispiel um mangelnde Infrastruktur im Gesund-heitsbereich handeln, oder um hohe Kriminalitätsra-ten. Die Regierung wird dann demokratisch gewählt und hat nun die Kontrolle über das Land und dessen Finanzen. Letztere müssen sorgfältig in die vier Bereiche und in Infrastruktur investiert werden, um schon zu Beginn einer Legislaturperiode bestehende oder später auf-kommende Probleme lösen und Steuergelder generie-ren zu können. Eine plötzlich auftretende Katastrophe kann jedoch das Land und vor allem die Regierung schnell vor eine schier unmögliche Aufgabe stellen.

SIM-Democracy – Demokratieerziehung für junge Thais

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Um den Kontrast zu anderen Staatsformen sehen zu können, kann die Regierung von einer demokratischen in eine populistische oder autokratische umgewandelt werden, welche möglicherweise nicht immer das Beste für das Land im Sinne hat. Schon kurz nach dem Beginn des SIM-Democracy Projekts konnte die thailändische Wahlkommission als Partner gewonnen werden. Zu ihrem Verantwortlich-keitsbereich in Thailand gehört unter anderem auch das Thema Demokratieerziehung, und die Kommissi-on entschloss sich, das Spiel offiziell in ihr Bildungs-programm zu integrieren. Um einen landesweiten Ein-satz von SIM-Democracy ermöglichen zu können, wurden zunächst Trainingsseminare mit Personal der Wahlkommission durchgeführt. Zusammen mit diesen wurden dann sogenannte „Play Coaches“, das sind Lehrer und Schüler, aber auch freiwillige Helfer, ausge-bildet. Zusammen mit der Kommission wurde SIM-Democracy dann landesweit vorgestellt. Bis dato wurden mehr als 350 Play Coaches von Stiftung

und Wahlkommission ausgebildet; wurden rund 1.000 Spiele durch öffentliche Bil-

dungseinrichtungen und Institutionen, sowie Wahl-kommission und Bildungsministerium verteilt;

spielten ungefähr 2.000 Schüler und Studenten in rund 120 Schulen und Universitäten landesweit SIM-Democracy;

und fanden SIM-Democracy-Ausstellungen in 12 Provinzen Thailands statt.

Im Juni dieses Jahres veranstalteten die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und die Wahlkom-mission zusammen einen nationalen SIM-Democracy-Wettbewerb. Schulen aus fünf Provinzen nahmen teil um regionale SIM-Democracy-Meister zu ermitteln. Diese wurden dann nach Bangkok eingeladen, um den Landesmeister zu küren. Über den Wettbewerb und die offizielle Preisverleihung durch die Wahlkommissi-on wurde im nationalen Fernsehen berichtet. Der Erfolg von SIM-Democracy in Thailand hat der Stiftung den Anlass gegeben, eine englische Version des Spiels zu entwickeln. Diese soll anderen Ländern der FNF-Projektregionen Süd- bzw. Südost- und Ost-asien (den Anfangen machen hier Bhutan und Malay-sia) eingeführt werden und Maßnahmen zur Demokra-tieerziehung und –förderung komplementieren.

Anfang November 2013 gelangte SIM-Democracy auch nach Deutschland. Dr. Rainer Adam, Leiter des Stiftungsbüros für Südost- und Ostasien in Bangkok, überreichte Bernd Hübinger, Leiter der Fachabteilung der Bundeszentrale für politische Bildung in Bonn, sein persönliches Exemplar. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es noch nicht sicher, ob es eine deutsche Version von SIM-Democracy geben wird. Eine englische App für Tabletts und Smartphones ist jedoch bereits in Entwicklung und wird im Frühjahr 2014 für Spieler weltweit zum Download bereitstehen. Dr. Rainer Adam (Bangkok)

www.fnfasia.org

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Zum nunmehr fünften Mal hat das Regionalbüro der Stiftung für Südost- und Ostasien das Freiheitsbaro-meter Asien veröffentlicht. Um ein möglichst umfassendes Bild vom Stand der Freiheit in Asien zu zeichnen, untersucht und ver-gleicht das Freiheitsbarometer politische und wirt-schaftliche Freiheit, sowie Rechtsstaatlichkeit in 17 Ländern in Südost- und Ostasien. Zehn Indikatoren werden auf einer Skala von 0 (schlechteste Bewertung) bis 10 (beste Bewertung) eingestuft. Das Gesamtergeb-nis in diesen zehn Indikatoren ergibt das Ranking eines Landes auf einer Skala von 0 bis 100. Das Freiheitsba-rometer ist jedoch keine gänzlich eigenständige Publi-kation, vielmehr kombiniert es die Daten renommier-ter Institutionen (z.B. wirtschaftliche Daten des Eco-nomic Freedom of the World Reports, oder Informati-onen zum Stand der Pressefreiheit von Freedom House) in einer Weise, die unser liberales Verständnis von Freiheit als Ganzes reflektiert. Dabei stützt sich das Freiheitsbarometer immer auf die neuesten, in den Quellen zur Verfügung stehenden Daten, selbst wenn diese asynchron (sprich sich auf unterschiedliche Jahre beziehen) sind. Es soll vermieden werden, dass dem Leser veraltete Informationen zur Verfügung gestellt werden. Um sicher zu stellen, dass dies nicht zu einer Verzerrung des Rankings im Barometer führt, wurde versuchsweise ein Freiheitsbarometer erstellt, das sich auf die letzten synchronen Daten bezieht. Das Resultat verifizierte unsere Vermutung: Es ergab sich keine Verzerrung im Gesamtranking der asiatischen Staaten, die Abweichungen in der Punktwertung in den einzel-nen Indikatoren waren nur geringfügig. Dieses Jahr standen uns die vollständigen Datensätze

für 14 Länder Südost- und Ostasiens (Brunei, Kam-bodscha, China, Hong Kong, Indonesien, Japan, Ma-laysia, Mongolei, Philippinen, Singapur, Südkorea, Tai-wan, Thailand, und Vietnam) zur Verfügung. Die rest-lichen drei Staaten (Myanmar, Laos, und Nordkorea) wurden in das Barometer inkludiert, obgleich nur un-vollständige Datensätze zur Verfügung standen. Dies geschah um zumindest in einzelnen Indikatoren eine Möglichkeit zu Vergleichen zu bieten, sowie aus der Überzeugung, dass das Nichtvorhandensein von rele-vanten Informationen selbst Rückschlüsse auf Freiheit bzw. Unfreiheit in den betreffenden Staaten erlaubt. Wie in den Jahren zuvor wird das Ranking der freies-ten Länder Asiens von Japan angeführt, gefolgt von Hong Kong und Taiwan. Singapur und Südkorea fol-gen auf den Plätzen vier und fünf. Brunei sprang vom 15. Platz im letzten Jahr auf den 11. Platz 2013 – je-doch hauptsächlich deshalb, weil im Gegensatz zum letzten Jahr nun ein vollständiger Datensatz zur Verfü-gung stand. Nordkorea, das am schlechtesten bewerte-te Land erzielte insgesamt 1,85 Punkte auf der Skala von 0 bis 100. Dies mag zwar daran liegen, dass nur ein unvollständiger Datensatz zur Verfügung stand. Es ist jedoch zu bezweifeln, dass vollständige Daten am Gesamtergebnis viel ändern würden. Seit seinem Beginn ist das Projekt Freiheitsbarometer stetig gewachsen. Letztes Jahr wurden „Special Re-ports“ vorgestellt. Diese Berichte setzen sich detailliert mit einem bestimmten Thema auseinander. Den An-fang machte hier ein Bericht über Hong Kong, 15 Jah-re nach der Übergabe der britischen Kolonie an China. Der Special Report beleuchtete den Stand der Freiheit in Hong Kong und ging der Frage nach wie sich 15

Freedom Barometer Asia 2013: Freiheit in Südost- und Ostasien

Freiheit und Fortschritt

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Jahre „Ein Land, Zwei Systeme“ auf die ehemalige Kolonie ausgewirkten. Weitere Special Reports be-schäftigten sich mit der indonesischen Wirtschaft und dem Programm zum unlimitierten Ankauf von Reis durch die thailändische Regierung. Seit diesem Jahr erweitern „Freedom Barometer Quarterly Reviews“ das Angebot. Diese untersuchen auf vierteljährlicher Basis die zehn Indikatoren des Freiheitsbarometers in ausgesuchten Ländern. Den Anfang machte wiederum Hong Kong, zum Ende des Jahres soll aber das Angebot der Quarterly Reviews um weitere Länder expandiert werden.

Der Höhepunkt des Jahres war jedoch die Expansion des Freiheitsbarometers nach Europa. Das Freiheitsba-rometer Westbalkan untersucht den Stand der Freiheit in Albanien, Bosnien & Herzegowina, Kroatien, Mon-tenegro, und Serbien. Die beiden Teile des Freiheitsba-rometers können unter www.freedombarometer.org abgerufen werden. Dr. Rainer Adam (Bangkok)

Freedom Barometer – die neue Messlatte der Freiheit in der Subregion Westbalkan

Auf drei Veranstaltungen in Sarajevo, Zagreb und Bel-

grad präsentierten die Mitarbeiter und Experten der

Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit die erste

Ausgabe des Freedom Barometers Western Balkans

(http://www.westbalkan.fnst.org/Freedom-

Barometer/2009c27902i2715/index.html).

Das Freedom Barometer misst den Grad von Freiheit

in den Bereichen Rechtsstaat, Wirtschaft und Politik.

Entwickelt wurde es vor fünf Jahren vom FNF-Büro

in Bangkok, die Experten nutzen dabei Indices wie

Economic Freedom of the world (Frazer), Freedom in

the World (Freedomhouse), Corruption Perception

Index (Transparency International) und den Human

Rights Risk Atlas (Maplecroft). Die einzigartige Zu-

sammenstellung der Fakten, angereichert durch weitere

Sekundärquellen, ermöglicht dem Nutzer einen schnel-

len Überblick über Fort- und Rückschritte ausgewähl-

ter Länder der Region: Kroatien, Serbien, Bosnien-

Herzegowina, Montenegro und Albanien. Dieses Pilot-

projekt für die Region MSOE setzt dabei neben öf-

fentlichen Veranstaltungen auf die sozialen Medien. In

weniger als zwei Wochen kann das Projekt bereits auf

über 1.000 Follower bei Facebook (Freedom Barome-

ter) verweisen. Auf der gemeinsam mit dem FNF-Büro

Bangkok betriebenen Internetseite findet der Leser

kurze Kommentare zu den drei genannten Bereichen

und kann sich in der News-Rubrik ausführlich zu The-

men wie Menschenrechten oder dem Handel zwischen

den Staaten des westlichen Balkans in vergleichender

Perspektive informieren. Abgerundet wird das Bild

durch Infographiken, die einen vergleichenden Über-

blick bieten und ständig ergänzt werden. Das Projekt

ist zunächst auf drei Jahre angelegt.

www.freedombarometer.org

Freiheit und Fortschritt

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Islamistischer Terrorismus in Ostafrika Am 21. September 2013 stürmten Anhänger der is-lamistischen al-Shabaab die Westgate Mall in Nairobi. Der Anschlag ist nur der letzte in einer Reihe terroris-tischer Anschläge, die in Ostafrika in den letzten Jahr-zehnten von bekennenden Islamisten verübt wurden. Bei westlichen Regierungen war der gewalttätige isla-mische Fundamentalismus in Sub-Sahara-Afrika je-doch bislang kaum ein Thema oder galt als „kontrollierbares Problem“. Dies änderte sich erst mit der Malikrise 2012. Organisierte islamische Fundamen-talisten finden sich mittlerweile jedoch nicht nur quer über den Kontinent, von Mauretanien am Atlantik durch den Sahel und Sudan bis nach Mogadischu am Indischen Ozean, sondern auch weiter südlich entlang der Küste Kenias und Tansanias. In Ostafrika hat die swahilisch dominierte Küstenregi-on vom heutigen südlichen Somalia über Kenia und Tansania bis Mosambik eine eigene Identität. Nach den Unabhängigkeitsbewegungen der 1960er verstärk-te sich die Islamisierung der ostafrikanischen Bevölke-rung in den 1970ern nicht zuletzt durch den Einfluss arabischer Länder. Das saudische Königshaus al Saud investierte Milliarden in „Entwicklungshilfe” in Ostaf-rika, die sich in erster Linie auf die Verbreitung des Wahhabismus konzentrierte. Auch Teheran versucht seit 1979 die iranische Revolution nach Ostafrika zu exportieren. Genau wie Saudi-Arabien hat auch der Iran durch Gelder für die Bereitstellung staatlicher Aufgaben den eigenen Einfluss erweitern und radikales Gedankengut in Ostafrika verbreiten können.1

Tansania ist ein multiethnischer Staat, in dem knapp 130 verschiedene Sprachen und Dialekte gesprochen werden. Genaue Angaben zur Religionszugehörigkeit existieren nicht, da die entsprechende Frage in Volks-zählungen aus politischen Gründen gemieden wird. Laut CIA Factbook leben auf dem Festland ca. 30% Christen, 35% Muslime und 35% gehören traditionel-len Religionen an. Auf Sansibar hingegen ist laut CIA Factbook fast die gesamte Bevölkerung, also über 99%, muslimisch. Auf dem Festland und auf Sansibar ist es in den letzten Jahren vermehrt zu gewalttätigen Aus-schreitungen und Protesten durch Muslime gegen die Regierung gekommen. Vor allem Sansibar zeigt wie explosiv die Mischung aus ökonomischer Misere und religiöser Gruppenidentität sein kann. Die offizielle Arbeitslosenrate auf Sansibar liegt bei 35%, wobei inoffizielle Schätzungen weit darüber lie-gen. Die Zahl der Jugendlichen, die nicht- oder unter-beschäftigt sind, wird von einigen Organisationen so-gar auf 85% geschätzt. In den letzten Jahren gewinnt hier die islamistische Organisation Uamsho („das Erwa-chen“), die zunehmend militant für die Unabhängig-keit Sansibars kämpft, an Einfluss, indem sie den Men-schen einredet, die Union mit dem Festland sei Schuld an ihrer Armut. Das ist eine Gruppe, um die sich der politische Partner der FNF und langjähriges Mitglied von Liberal International, die islamisch geprägte Civic United Front (CUF), bemüht. Die Partei steht hier vor

Afrika zwischen Fragilität und demokratischem Aufbruch

1Siehe Dustin Dehéz, “Islamismus und Terrorismus in Afrika – Gefahr für die transatlantischen Interessen?”, 2010 http://www.dias-online.org/fileadmin/templates/downloads/DIAS_Kommentare/Kommentar87.pdf

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großen Herausforderungen, denn als Juniorpartner in der sansibarischen Regierung der nationalen Einheit steht sie in einer Vermittlerrolle, die auch bei den radi-kalisierten jungen Menschen Glaubwürdigkeit genießt. Die Gefahr besteht natürlich, dass man der Partei vor-wirft, sie sei durch den Regierungsbeitritt kompromit-tiert. Es ist also für den Partner eine außerordentlich schwierige Gradwanderung, bei der er durch die FNF mit Politikberatung und politischen Bildungsmaßnah-men für Mandats- und Funktionsträger unterstützt wird. Politische Gewalt ist nichts Neues auf Sansibar, noch der Unmut konservativer Gläubiger über das Verhal-ten westliche Urlauber. Und doch ist Uamsho etwas Neues und Schlagkräftiges gelungen, nämlich kulturelle und politische Spannungen in Unterstützung für den radikalen Islam umzuwandeln. Besonders wichtig im Kampf gegen diese muslimische Radikalisierung in Tansania ist die CUF, denn als hauptsächlich ‚christlich‘ verstandene Parteien genießen weder die tansanische Regierungspartei CCM noch andere Op-positionsparteien große Glaubwürdigkeit. Auch auf dem Festland kam es in den letzten Jahren wiederholt zu Ausschreitungen und es kann davon ausgegangen werden, dass z.B. Uamsho bei anderen separatistischen und militanten islamistischen Organisationen in der Region, wie al-Shabaab oder al-Qaida, internationale Unterstützung findet. Ähnlich wie in Westafrika ist auch an der ostafrikanischen Küste der terroristische Islamismus auf dem Vormarsch. Als strukturelle Ursa-chen des Terrorismus gelten wirtschaftliche Perspek-tivlosigkeit, soziale Verelendung, kultureller Identitäts-verlusts, politische Repression und staatliche Dysfunk-tionalität. Alle diese Faktoren sind in Tansania gege-ben. Hinzu kommen die in alle Lebensbereiche rei-chende Korruption, extrem ungleiche Einkommens-verhältnisse und historische Spannungen in der mul-tiethnischen und multireligiösen Gesellschaft des Lan-des. Die soziale Entwicklung der muslimischen Min-derheiten blieb bisher hinter dem ohnehin niedrigen Durchschnitt der ostafrikanischen Region zurück. Fer-ner erleichtert die Ineffektivität, Korruption und Kri-minalisierung staatlicher Sicherheitsorgane terroristi-sche Anschläge. Nationale und internationale militante islamistische Bewegungen wie Uamsho auf Sansibar und al-Shabaab in Kenia machen sich diese Faktoren zu nutzen. Ferner reagieren Regierungen in Ostafrika oft mit autokratischen und repressiven Maßnahmen gegen ihre islamische Bevölkerung, wodurch auch moderate Muslime radikalisiert werden. Auch hier kommt im

tansanischen Kontext dem Partner CUF eine wichtige Rolle zu. Der islamistische Terrorismus floriert afrikaweit. Schwache oder gar kollabierte afrikanische Staaten mit großen, zum Teil bereits radikalisierten muslimischen Gemeinschaften und einfachem Waffenzugang bieten islamistischen Terroristen Rückzugsräume und ideale Bedingungen für finanzielle (z.B. durch Geldwäsche oder den illegalen Abbau von Rohstoffen) und perso-nelle Regeneration. Die islamistischen Terroristen in Somalia, Mali, der Sahelregion, Nigeria, und zuletzt in Ostafrika agieren hierbei zunehmend transnational. Der Anschlag auf die Westgate Mall wiederlegt den Mythos, die Ableger von al-Qaida in Afrika seien zer-splittert und isoliert. Es gibt zahlreiche Hinweise auf Kontakte zwischen Terroristen im Sahel, der radikalen Sekte Boko Haram in Nigeria und der al-Shabaab-Miliz in Somalia; von Ausbildungszentren in Mali und Niger ist die Rede.2 Während die islamistischen Gruppierun-gen in Afrika bisher national und regional agieren, ist z.B. al-Shabaab als Partner von al-Qaida auch dem inter-nationalen Dschihad verpflichtet. Obwohl al-Qaida selbst geschwächt sein mag, hatte das salafistische dschiadistische Weltbild, für das sie kämpft, zumindest in Afrika nie mehr Zugkraft.3 Dieser Entwicklung gilt es wo und wie immer möglich entgegen zu wirken.

2Siehe Thomas Scheen, „Al Quaida in Afrika: Die neue Internati-onale des Terrors“, http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/al-qaida-in-afrika-die-neue-internationale-des-terrors-11862443.html 3Siehe auch The Economist, „The state of al-Qaeda: the un-quenchable fire“ http://www.economist.com/news/briefing/21586834-adaptable-and-resilient-al-qaeda-and-its-allies-keep-bouncing-back-unquenchable-fire

FNF-Seminar in Tansania

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Mali nach den Präsidentschaftswahlen Nach der zufriedenstellend verlaufenen Präsidenten-wahl in Mali richten sich die Bemühungen der neuen Regierung und der internationalen Gemeinschaft auf eine Stabilisierung und Normalisierung der Situation in dem westafrikanischen Flächenland. Befürchtungen, dass wegen der Defizite der Wahl die Legitimität und Handlungsfähigkeit von Präsident und Regierung lei-den würden, haben sich nicht bestätigt. Ibrahim Boubacar Keita, kurz IBK genannt, gewann die Wahl mit 77,6 % der abgegebenen Stimmen vor seinem engsten Mitbewerber Soumaila Cisse. IBK ist Malinke aus dem Südwesten des Landes, seine politi-sche Basis liegt in der Hauptstadt. Er ist im Norden nicht so stark, doch dort wird eine seiner größten Bau-stellen liegen.

Die schwierigen und komplexen Aufgaben werden sich nicht in wenigen Jahren erledigen lassen. Eine Sicherheitssektor-Reform ist unabdingbar, um die Re-gierungsautorität im Norden wiederherzustellen. Doch kann dies nicht fruchten, wenn die Versöhnung der Bevölkerung ausbleibt. Bleibt die Tuaregsituation im Norden ungelöst, kann der Konflikt wieder aufflam-men. Ökonomisch bedarf es Investitionen und Wirt-schaftswachstum, Entwicklung der Infrastruktur, und der Gesundheitsversorgung. Die FNF engagiert sich in Mali im Menschenrechtsbe-reich durch eine Bestandsaufnahme der mangelhaften Menschenrechtslage und einen Katalog von Hand-lungsempfehlungen. Alle Präsidentschaftskandidaten, darunter der Gewinner IBK, unterzeichneten eine von der FNF vorbereitete Verpflichtungserklärung, die

Handlungsempfehlungen umzusetzen, falls sie gewählt werden. Den Menschenrechten dient auch die Unter-stützung zivilgesellschaftlicher Organisationen durch die FNF. Im Rahmen des Examen Périodique Universel der Vereinten Nationen werden auf Initiative der FNF der Bericht der malischen Regierung sowie der parallel und unabhängig verfertigte Bericht der Zivilgesell-schaft an den Menschenrechtsrat der Vereinten Natio-nen in Genf überstellt. Zur Versöhnung der Bevölkerung ist es unumgänglich, die Ereignisse seit dem Putsch im März 2012 und nachfolgenden Eroberung des Nordens zu untersu-chen und aufzuarbeiten. Zum ersten Mal werden mali-sche Richter, Staatsanwälte und Advokaten mit der Anwendung des Strafrechts der internationalen Men-schenrechte konfrontiert. Die FNF richtet deshalb mit dem Institut International des Droits de l’Homme in Straß-burg eine Akademie dazu für den Strafrechtssektor in Justiz und Verwaltung aus. Schlüsselthema für die gedeihliche Entwicklung des Landes ist die Reform des Sicherheitssektors. Um Le-gitimität, demokratische Orientierung und Qualifikati-on des Sektors wiederherzustellen, ist dies unumgäng-lich. Die FNF unterstützt dies durch Anhörung der beteiligten Institutionen und der Erarbeitung von Handlungsempfehlungen. Dies muss im Kontext der Stärkung der zivilgesell-schaftlichen Kontrollinstitutionen erfolgen. Die FNF kooperiert mit der Deutsche-Welle-Akademie bei der konfliktsensitiven Berichterstattung über die jüngsten Geschehnisse im Land. Die Arbeit richtet sich vor al-lem an die zahlreichen Lokalradios. Malis neue Regierung muss sich noch beweisen. Die Solidarität der internationalen Gemeinschaft ist ihr je-doch gewiss. Im Mai sagten die Geber 3,25 Milliarden Euro für das Land zu. Das ist zwar viel Geld, aber man muss fragen, ob dies genügt angesichts der enor-men Herausforderungen für das Land. Da ist vor allem das Bevölkerungswachstum zu nennen. Mali mit zur Zeit 14,5 Millionen Einwohnern soll im Jahr 2050 41 Millionen Bürger haben - Menschen, für die man heute bereits vorsorgen muss, denn sie werden wohnen und essen müssen, sie werden eine Ausbildung und Ar-

Siehe auch The Economist, „The state of al-Qaeda: the un-quenchable fire“ http://www.economist.com/news/briefing/21586834-adaptable-and-resilient-al-qaeda-and-its-allies-keep-bouncing-back-unquenchable-fire

Unterstützer für die Wahlkampagne des UBG-Kandidaten „IBK“ in Mali

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beitsplätze benötigen, sie werden Familien haben und minimalen Wohlstand genießen wollen. Dieses Bild gilt für ganz Westafrika. Für die Subregion wird im Jahr 2050 eine halbe Milliarde Menschen er-wartet. Europa muss sich auf diese Entwicklungen ein-stellen und dafür aktiv Lösungen finden, bevor es zu spät ist.

Hubertus von Welck (Johannesburg); Barbara Gro-eblinghoff (Johannesburg), Werner Nowak (Dakar).

www.africa.fnst-freiheit.org

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„Wandel verstehen – Rechte schützen – Zukunft gestalten“ – die Stiftung feiert den 50. Jahrestag ihrer Auslandsarbeit

Es war eine denkwürdige Entscheidung: 1963 beschlossen Kuratorium und Vorstand der Friedrich-Naumann-Stiftung, mit der Errichtung eines Zentrums der Erwachsenenbildung in Tu-nis/Tunesien das erste Projekt außerhalb Deutschlands zu starten. Mittlerweile arbeitet die Stif-tung weltweit mit sieben Regionalbüros und mit Projekten in über 70 Ländern. Grund genug, 2013 auf 50 erfolgreiche Jahre internationaler Zusammenarbeit zurückzuschauen und mit einem spannenden Rahmenprogramm im In– und Ausland Wegbegleiter und Mitarbeiter der Stiftung für ihren weltweiten Einsatz würdigen, dabei aber auch den Blick nach vorne zu wagen.

Auf den folgenden Seiten zeigen wir Ihnen in einer kleinen Rückschau, wie die Stiftung für die Freiheit das Jubiläum in den Projektregionen und in Deutschland beging.

Jubiläum 50 Jahre Auslandsarbeit

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Ein Höhepunkt im Jubiläumsjahr war der Festakt im Schlüterhof des Deutschen Historischen Museums in Berlin. Über 600 geladene Gäste, darunter zahlreiche Vertreter des diplomatischen Corps, Abgeordnete des Deutschen Bundestags sowie Politiker aus Europa, Asien und Afrika würdigten mit ihrer Anwesenheit nicht nur die spezielle Leistung der Stiftung für die Freiheit, sondern auch die Bedeutung der Politischen Stiftungen insgesamt für die Entwicklungszusammen-arbeit. „Die deutschen Politischen Stiftungen sind ein Juwel der internationalen Zusammenarbeit“, unter-strich Bundesaußenminister Dr. Guido Westerwelle in seiner Festrede. Im Gespräch mit Auslandspartnern der Stiftung aus Russland, Malaysia und Südafrika wur-de darüber hinaus deutlich, dass das langfristige Enga-gement der Stiftung für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte auch in den Partnerländern außeror-dentlich geschätzt wird.

„Partnerschaft auf Augenhöhe und ein enges Vertrau-ensverhältnis waren von Beginn an zentrale Bausteine der Projektarbeit“, erinnerte der Stiftungsvorsitzende Dr. Wolfgang Gerhardt in seiner Ansprache. Diese Bausteine sind inzwischen zu tragenden Elementen der internationalen Netzwerksarbeit der Stiftung gewor-den. 300 engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im In- und Ausland des Bereichs Internationale Politik stellen sich gemeinsam mit ihren liberalen Partnern in über 70 Ländern den aktuellen politischen Herausfor-derungen, um den Menschen ein Leben in Selbstbe-stimmung, Wohlstand und Eigenverantwortung zu ermöglichen.

So war auch das anlässlich des Jubiläums durchgeführ-

te Treffen der Auslandsmitarbeiter der Stiftung ein ideales Forum, nach Antworten auf die Herausforde-rungen ihrer Arbeit zu suchen. Im Mittelpunkt standen Themen wie der Dialog mit den Schwellenländern, der Einsatz für Menschenrechte, die Arbeit in religiös ge-prägten Gesellschaften sowie Fragen des Klimawan-dels. Dabei erwies sich der innovative Ansatz, auch Ortskräfte aus den unterschiedlichen Projektregionen sowie ehemalige Auslandsmitarbeiter in die Diskussion einzubinden, als sehr gewinnbringend.

Höhepunkte und einzelne Etappen der 50-jährigen Geschichte der Auslandsarbeit wurden in einer Aus-stellung von Archivmaterialien, Dokumenten und Fo-tos, lebendig, die zunächst in der Geschäftsstelle der Stiftung in Potsdam, dann in der Theodor-Heuss-Akademie in Gummersbach und schließlich im Bun-desministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in Bonn der Öffentlichkeit vorge-stellt wurde.

Insbesondere den inhaltlichen Schwerpunktthemen Menschenrechte sowie Freiheit und Religion waren im Laufe des Jubiläumsjahres weitere herausragende Ver-anstaltungen gewidmet. In Diskussionsveranstaltungen und Konferenzen mit prominenten, liberalen Experten aus dem In- und Ausland wurde an die Wiener Men-schenrechtskonferenz von 1993 und die anhaltende Bedeutung des Schutzes der Menschenrechte für die internationale Politik erinnert, die Menschenrechtssi-tuation im südlichen Afrika erörtert, das Verhältnis von Individuum, Staat und Religion am Beispiel ver-schiedener Gesellschaftsmodelle weltweit verglichen und Leitlinien liberaler Politik für diese Themenkom-plexe herausgearbeitet.

Deutschland

Außenminister Dr. Guido Westerwelle

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Wie gelingt der europäische Integrationsprozess? Was ist Europas Rolle in der Welt? Wie kann die transatlan-tische Partnerschaft gestärkt werden? Diese Fragen stehen im Fokus der Projektarbeit des Regionalbüros. Diskussionsveranstaltungen – von der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik im transatlantischen Bündnis, über die Klima- und Energiepolitik der Zu-kunft, das transatlantische Freihandels- und Investiti-onsabkommen bis zur Sicherung der Privatsphäre durch Datenschutz - tragen zur Entwicklung liberaler, innovativer Lösungsansätze bei. Der kontinuierliche Meinungsaustausch zwischen libe-ralen Stiftungspartnern weltweit und europäischen und transatlantischen Entscheidungsträgern fördert institu-tionelle Rahmenbedingungen. Sie sind die Basis für wirtschaftliche Entwicklung, Wohlstand und Rechts-staatlichkeit. Zudem unterstützen wir zivilgesellschaft-liche Organisationen und engagierte „Freiheitsdenker“, die am Aufbau starker, demokratischer und freiheitli-cher Institutionen arbeiten, gerade auch in den von der Staatsschulden- und Wirtschaftskrise betroffenen Staa-ten Südeuropas. Europa im Vorfeld der Europawahlen einmal neu zu betrachten, war auch das Ziel eines in-ternationalen Wettbewerbs für Comic-Zeichner unter dem Motto „Animate Europe“. Hochkarätige und langjährige Partner der Stiftung wür-digten im Juli 2013 in Brüssel die Auslandsarbeit der Stiftung und skizzierten künftige Herausforderungen: „Während der letzten 50 Jahre hat die Stiftung mit Projekten und Programmen mit über 800 Partnerorga-nisationen in mehr als 100 Ländern wesentliche Beiträ-ge zur Demokratisierung und Transformation autoritä-rer Regime geleistet“, sagte Dr. Werner Hoyer, Präsi-

dent der Europäischen Investitionsbank (EIB) und früherer Staatsminister im Auswärtigen Amt. Auch in den kommenden Jahrzehnten sei es notwendig, sich für starke, marktwirtschaftlich ausgerichtete Institutio-nen einzusetzen, die Wachstum, Beschäftigung, wirt-schaftlichen und sozialen Zusammenhalt und ökologi-sche Nachhaltigkeit förderten. Rechtsstaatlichkeit ist der Grundpfeiler jeder Entwicklung und wirtschaftli-che Freiheit und Bürgerrechte „sind zwei Seiten dersel-ben Medaille“, betonte Markus Löning, Menschen-rechtsbeauftrager der Bundesregierung. Für die Euro-päische Union müsse bei internationalen Verhandlun-gen beides gleichwertig sein. Zugleich müsse die EU auch Menschenrechtsverletzungen innerhalb der Uni-on bekämpfen, schon um international glaubwürdig zu bleiben. Als Freund und Partner der Stiftung mahnte der niederländische Europaabgeordnete und Präsident von Liberal International, Hans van Baalen, dass der

Einsatz für die Freiheit eine tagtägliche Herausforde-rung sei. Denn es stehe fest: Wichtig ist ein „langer Atem“, Demokratie und Freiheit werden nicht allein mit Revolutionen und Wahlen gewonnen. Nur eine langfristige Präsenz und die Stärkung demokratischer Akteure, wie die Stiftung sie seit über 50 Jahren auf ihre Fahnen geschrieben hat, förderten Pluralismus und demokratische Institutionen.

Brüssel

Markus Löning, Hans van Baalen, Dr. Irmgard Schwaetzer, Hans H. Stein, Dr. Werner Hoyer (v.l.n.r.)

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„Deutschland und Mexiko – Reflexionen über die Freiheit“. Unter diesem Titel stand die Jubiläumsver-anstaltung des Büros Mexiko der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Mexiko-Stadt. Sowohl der deutsche Botschafter in Mexiko, S.E. Dr. Edmund Duckwitz, als auch Vorstandsmitglied Dr. Peter Röh-linger stellten die besondere Rolle der FNF bei der Gestaltung des wirtschaftlichen und politischen Dia-logs zwischen den beiden Ländern heraus. Zentraler Gedanke der Redner war es: „Jeder Einzelne muss sich für das Fortdauern der Freiheit einsetzen.“ Die Vertre-ter mexikanischer Partnerorganisationen waren sich einig, dass ihre Gesellschaft einen tiefgreifenden Ver-änderungsprozess durchläuft, in dem die Menschen lernen müssen, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen. Gleichzeitig ist das 50-jährige Wirken der FNF im Ausland und die kontinuierliche Zusammen-arbeit mit einem weltweiten Netzwerk liberaler Partner der Beweis dafür, dass die Freiheitsidee präsenter ist denn je. Das Projekt Argentinien feierte mit Stiftungspartnern und Ehrengästen, unter ihnen Abgeordnete des Kon-gresses und eine Delegation des paraguayischen Parla-mentes, gleich zwei Jubiläen: 50 Jahre FNF-Auslandsarbeit und 30 Jahre FNF in Argentinien. Das Veranstaltungsdatum war bewusst gewählt. Genau vor 30 Jahren, am 30. Oktober 1983, fanden in Argentini-en die ersten freien Präsidentschaftswahlen statt, die den Anfang des Demokratisierungsprozesses bildeten.

Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Axel Hoff-mann erläuterte in seiner Ansprache „Demokratie und Freiheit“, „Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit“ sowie „Marktwirtschaft und Globalisierung“ als unver-zichtbare Kernelemente des Liberalismus, die die FNF in Argentinien fördert. Der Präsident des liberalen Netzwerkes Lateinamerikas RELIAL, Lopez Murphy, hob die Rolle der Projektarbeit in Argentinien auf regi-onaler Ebene hervor. Den Abschluss bildete die bewe-gende Rede einer IAF-Alumni, die die Bedeutung der Zusammenarbeit mit der FNF für ihr politisches und gesellschaftliches Engagement schilderte. In Honduras nahm die Stiftung für die Freiheit ihre 50-Jahr-Feier zum Anlass, auf die verheerende Men-schenrechtslage in dem Land mit der höchsten Mord-rate der Welt aufmerksam zu machen. Denn 50 Jahre Auslandsarbeit heißt auch 50 Jahre Einsatz für Men-schenrechte. Für den Liberalismus, der als einzige poli-tische Strömung konsequent das Individuum in den Mittelpunkt der Erwägungen stellt, ist Menschen-rechtspolitik die Basis von allem. Darin waren sich alle Festredner, darunter Liberal International Generalsek-retär Emil Kirjas, sehr einig.

Aus vielen Städten waren auch in Brasilien die Partner nach Rio de Janeiro gekommen, um an dem umfang-reichen Festprogramm der FNF teilzunehmen. Dieses umfasste ein Abendessen mit Vortrag, ein Alumni- und ein Think-Tank-Treffen, eine Vortragsveranstal-tung an der privaten Wirtschaftshochschule IBMEC und ein Seminar für den nationalen Jugendverband Juventude Democrats. Ausgiebig gefeiert wurde dann beim Jubiläumsempfang in der Residenz des deutschen Generalkonsuls von Rio de Janeiro.

Lateinamerika

Langjährige Stiftungspartner der FNF in Mexiko: Dr. Silvia Nuñez, Direktorin des Zentrums für Nordamerikastudien der

Universität UNAM, Dr. Gabriel Quadri, Ex-Präsidentschaftskandidat und Umweltexperte, Laura Elena

Herrejón, Gründerin des Think-Tank "Movimiento Pro-Vecino"

V.l.n.r.: Indio da Costa (Sportminister rio; LKandidat für Vize-Präsident bei den Wahlen 2010), Onyx Lornezoni

(Bundesabgeordneter), Gabriele Reitmeier (Projetkleiterin Brasilien), Ephraim Filho (Bundesabgeordneter), Henrique

Sartori (Ex-Präsident Juventude Democras)

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Nach der Euphorie des sog. „Arabischen Frühlings“ ist die Lage umgeschlagen – und mit ihr die Stimmung. Das zeigt auch die geänderte Begrifflichkeit. Heute beherrschen Bilder von Krieg und Gewalt die Bericht-erstattung aus unserer südlichen Nachbarregion. Unge-achtet der zum Teil erschwerten Rahmenbedingungen setzt die Stiftung ihre Arbeit in den Kernbereichen fort: Förderung und Vernetzung der liberalen politi-schen Parteien in der arabischen Welt, Stärkung der Zivilgesellschaft und der Idee der Marktwirtschaft. Neue thematische Schwerpunkte sind das politisch hoch brisante Verhältnis von Freiheit und Religion sowie die ökologische Zukunftsfrage des Klimawan-dels.

Das Kerngeschäft der Stiftung bleibt, neben dem poli-tischen Dialog und der Politikberatung, die politische Bildung. Dieses Thema stand auch bei den zentralen

Feierlichkeiten zum 50-jährigen Jubiläum der Aus-landsarbeit im jordanischen Amman im Mittelpunkt. Unter der Überschrift „Bürgerschaft und demokrati-sche Emanzipation“ diskutierten unter anderem Stif-tungsvorstand Dr. Irmgard Schwaetzer, der jordani-sche Minister für internationale Entwicklung, Dr. Ibra-him Saif, sowie der Vorsitzende des King Abdullah II Fund for Development, Dr. Omar Razzaz, über die Rolle der politischen Bildung in der Gesellschaft und in der so schwierigen Transformation zur Demokratie in der arabischen Welt. Einmal mehr würdigten die in großer Zahl anwesenden Stiftungspartner bei dieser Gelegen-heit den wichtigen Beitrag der Stiftung für die Freiheit für die gesellschaftspolitische Entwicklung in ihrem Land.

Die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit blickt in vielen Ländern der nah- und mittelöstlichen Region auf eine bewegte Vergangenheit zurück. Das erste Auslandsprojekt überhaupt nahm vor 50 Jahren seine Arbeit in Tunesien auf. Ein halbes Jahrhundert später ist die Stiftung noch immer in dem nordafrikanischen Land aktiv. Damals wie heute ist die Arbeit mit Jour-nalisten ein wichtiger Projektansatz. Der lange Atem zahlt sich aus: Die über die langen Zeiträume entwi-ckelten Netzwerke und Partnerschaftsbeziehungen sind heute ein großes Kapital, das vor allem in der grenzübergreifenden regionalen Projektarbeit zu Bu-che schlägt. Die arabische liberale Parteienallianz (Arab Alliance for Freedom and Democracy) sowie die jährliche Economic Freedom of the Arab World Konferenz sind längst auch international beachtete Vorzeigeprojekte der Stiftung.

Mittelmeerländer

Dr. Irmgard Schwaetzer, Dr. Ibrahim Saif und Dr. Omar Razzaz (v.l.n.r.) auf dem Podium

Jubiläum 50 Jahre Auslandsarbeit

Zahlreiche Partner, Mitarbeiter, Freunde und Wegbegleiter feierten mit der Stiftung in Amman

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Unverkennbar sind die Transformationsprozesse in den Ländern der Region, die sich für Jahrzehnte unter kommunistischer Zwangsherrschaft befanden, mit un-terschiedlicher Geschwindigkeit und unterschiedli-chem Erfolg verlaufen. Repression der Opposition, Einschränkung der Medienfreiheit, Gängelung der Zi-vilgesellschaft – dies sind nur drei der besonderen Her-ausforderungen, vor denen der liberale Rechtsstaat in vielen Ländern der Region MSOE steht. Der ehemali-ge Bundesinnenminister Gerhart R. Baum unterstrich aus Anlass zweier Jubiläumsveranstaltungen zu 50 Jah-ren Auslandsarbeit der Stiftung in Kiew und Moskau die Unantastbarkeit der Menschenwürde, die beson-ders durch autokratische Tendenzen und mangelhafte Rechtsstaatlichkeit vielfach verletzt werde. Im Span-nungsfeld zwischen individueller Freiheit und gesell-schaftlicher Sicherheit müsse der Schutz der Men-schenwürde immer Vorrang haben, auch mit Blick auf Maßnahmen des Staates bei der Verbrechensbekämp-fung oder der Terrorabwehr. In Anlehnung an den verstorbenen bedeutenden Liberalen und ehemaligen Stiftungsvorsitzenden Lord Ralf Dahrendorf warnte Baum vor den „Versuchungen der Unfreiheit“, die sich gerade beim Datenschutz und der Respektierung der individuellen Privatsphäre als Ausdruck der Men-schenwürde zeigten. Die drohende Untergrabung der rechtlichen und moralischen Substanz von Demokratie und Freiheit gelte es zu bekämpfen – ob in Ost oder West! "Für ein Europa der Freiheit und der Bürger!" – Dies

ist nicht nur das Motto des europapolitischen Grund-lagenpapiers der Stiftung für die Freiheit, sondern auch eine zentrale Leitlinie der Stiftungsarbeit in MSOE. Kurator Hermann Otto Solms stellte vor Think-Tank-Partnern, mit denen die Stiftung ihr Jubiläum in Prag beging, das Prinzip der „Einheit in Vielfalt“ besonders heraus: kulturelle, gesellschaftliche und regionale Iden-titäten dürften beim Integrationsprozess in Europa nicht auf der Strecke bleiben. Die europäische Integra-tion müsse von unten nach oben verlaufen und auf dem Prinzip der Subsidiarität basieren. Mehr Integrati-on in wenigen, aber zentralen Politikfeldern sei in den kommenden Jahren wichtig. Dabei könne ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten hilfreich sein. Voraussetzung sei, dass die gemeinsamen Werte, Ziele und Regeln eingehalten werden.

Das Prinzip „Einheit in Vielfalt“ gilt auch jenseits der EU. In der östlichen Nachbarschaft konkurriert Euro-pa mit dem politischen Modell und Wertesystem Russ-lands. Um die Transformationsstaaten zu überzeugen, sind klare Aussagen über realistische Optionen, aber auch über Vorteile und Entwicklungschancen des frei-heitlichen europäischen Modells notwendig. Anläss-lich des Jubiläums 50 Jahre Auslandsarbeit der Stiftung beleuchtete die Konferenz „Armenia & Europe - My-ths, Challenges & Opportunities in a Difficult Part-nership“ die Perspektiven der engeren Bindung an Eu-ropa.

Mittel-, Südost– und Osteuropa, Südkaukasus und Zentralasien

Gerhart Baum in Kiew

Dr. Hermann Otto Solms besucht Prag anlässlich der Eröffnung der European Think Tank School, hier mit dem Team

des FNF-Projektbüros Prag

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50 Jahre ist die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit weltweit aktiv. Über 40 Jahre davon in Süda-sien. 1968 bot die FNF ihr erstes Seminar in Indien zu Corporate Social Responsibility an. Seit 1991 wird der Demokratisierungsprozess der Exil-Tibeter begleitet. In Sri Lanka unterstützte die FNF ab den 1970er Jah-ren Selbsthilfegruppen für soziale und wirtschaftliche Entwicklung. Später kam die Förderung von liberalen Think Tanks, Kleinunternehmern sowie die Unterstüt-zung junger, politisch engagierter Menschen hinzu. 1986 startete die Stiftung ihre Arbeit in Pakistan und setzt sich seitdem für Rechtstaatlichkeit, Menschen-rechte und marktwirtschaftliche Reformen ein. Län-derübergreifend steht unter anderem eine stärkere wirtschaftliche Kooperation im Mittelpunkt der Stif-tungsarbeit. Ausdruck dessen ist beispielsweise der mit Hilfe der Stiftung 1993 gegründete regionale Industrie- und Handelskammerverband SCCI.

Auf Jubiläumsveranstaltungen in Pakistan und Bangla-desch warf die Stiftung nicht nur einen Blick zurück, sondern lenkte den Fokus mit engagierten Beiträgen auch auf ungelöste Probleme: Freedom Gate Pakistan, der pakistanische Alumniverband unserer Internatio-nalen Akademie für Führungskräfte, veranstaltete an-lässlich der Jubiläumsfeier ein Podium zur Lage der Menschenrechte in Pakistan. Auf diesem Podium dis-kutierten Experten der Stiftungspartner Human Rights Commission Pakistan (HRCP) und SPARC, einer Kin-derrechtsorganisation. Zusätzlich befassten sich die Alumni mit den Anforderungen von Change Manage-ment. So diskutierten sie unter anderem, welche Ver-änderungen und Unternehmungen für ein fortschrittli-ches und friedliches Pakistan nötig sind und welche Beiträge sie als Einzelne dazu leisten können.

In Bangladesch fanden die Feierlichkeiten in Verbin-dung mit einer Veranstaltung zu Verbraucherrechten und Verbraucherschutz statt. Das Thema diskutierten Dr. Albrecht Conze, der deutsche Botschafter in Dha-ka und der bangladeschische Minister für Nahrungs-mittel, Dr. Muhammad Abdur Razzaque. Bereits in den 1980er Jahren arbeitete die FNF mit Think Tanks in Bangladesch, Indien, Pakistan und Nepal an der Formulierung und Verbreitung von Politikkonzepten für einen besseren Verbraucherschutz. Dies war Teil des damaligen Stiftungsengagements im Bereich wirt-schaftliche und ländliche Entwicklung. Wichtigstes Arbeitsfeld in Bangladesch ist seit den 1990er Jahren die Begleitung des Transformationsprozesses von der Militärdiktatur zur Demokratie.

Südasien

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Thailändische Partner feiern mit der Stiftung das Jubiläum Anfang des Jahres wurde in Bangkok im Rahmen eines „Meet and Greet“ das 50-jährige-Jubiläum der Aus-landsarbeit der Stiftung mit thailändischen Partnern gefeiert. Mehr als 150 Gäste, darunter Mitglieder der Demokratischen Partei, des Obersten Gerichtshofes, des Justizministeriums und der Wahlkommission, folg-ten der Einladung zu einem gemeinsamen Erfahrungs- und Meinungsaustausch sowie zur Planung ihrer künf-tigen Zusammenarbeit mit der Stiftung. Dr. Rainer Adam, Regionalbüroleiter für Südost- und Ostasien, unterstrich in seiner Festansprache die Bedeutung der langjährigen Arbeit der Stiftung: „Der Austausch von Ideen und Perspektiven über Grenzen hinaus ermög-licht es, liberale Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Men-schenrechte und Marktwirtschaft zu fördern und zu unterstützen. Zusammen mit ihren Partnern kann die Stiftung auf eine langjährige und erfolgreichen Arbeit blicken.“ Erfahrungen aus 50 Jahren Auslandsarbeit helfen beim Aufbau eines neuen Myanmar Eines der diesjährigen Highlights der Projektarbeit in der Region Südost- und Ostasien war die Eröffnung des Büros in Yangon, für das der Stiftung Büroräume des Industrieministeriums zur Verfügung gestellt wur-den. Die Stiftung und das Ministerium kooperieren in der Förderung des klein- und mittelständischen Wirt-schaftssektors. Mit der Büroeröffnung setzt die Stif-tung ein Zeichen für ihre langfristige Partnerschaft mit allen Reformkräften des Landes. Gemeinsam mit ihren Partnern aus Parlamenten, Regierung und Zivilgesell-schaft organisiert die Stiftung Veranstaltungen zu Ge-waltenteilung, Dezentralisierung, Schutz der Men-

schenrechte, Förderung der Rechtsstaatlichkeit und anderen Reformthemen.

Malaysia – Never Ending Struggle Politische Bildungsarbeit einmal anders: Unter dem Titel „Never Ending Struggle“ wurde in Kooperation mit malaysischen Alumni der Internationalen Akade-mie für Führungskräfte eine mehrtägige Ausstellung organisiert, mit der auf Probleme der Geschlech-tergleichstellung, ethnischer Diskriminierung und auf den Mangel an Meinungsfreiheit in Malaysia aufmerk-sam gemacht wurde. Regierungs- und gesellschaftskri-tische Stimmen unterliegen in Malaysia oft einer stren-gen Zensur. Mit der Ausstellung bot die Stiftung drei bekannten malaysischen Künstlern eine Plattform zur Präsentation ihrer Kunstwerke, Publikationen, Installa-tionen und Performance-Kunst, die sich mit Themen der Religions- und Ausdrucksfreiheit sowie mit der Rolle der Frau in der muslimisch dominierten Gesell-schaft Malaysias auseinandersetzen.

Südost- und Ostasien

Jubiläum 50 Jahre Auslandsarbeit

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FNF International News 2-2013

Jubiläum 50 Jahre Auslandsarbeit

Trilogie im Südlichen Afrika: FNF feiert Jubiläum in Kapstadt, Harare und Johannesburg Das Jahr 2013 wird der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (FNF) in Afrika wohl noch länger in guter Erinnerung bleiben: Als die Stiftung im Februar in Kapstadt den 50. Jahrestag des Beginns ihrer Aus-landsarbeit feierte, wurden auch gleich die neuen Büro-räume im Herzen der Stadt eröffnet. Hauptrednerin war Helen Zille, Ministerpräsidentin der Provinz West-kap und Vorsitzende der liberalen Democratic Alliance (DA), Südafrikas größter Oppositionspartei und lang-jähriger politischer Partner der Stiftung.

Als FNF im Oktober zusammen mit dem renommier-ten Think-Tank South African Institute of Race Relations im 1 500 Kilometer entfernten Johannesburg 50 Jahre Auslandsarbeit feierte, war es wiederum Zille, die dort für das Highlight sorgte: Sie hat die lange und vertrau-ensvolle Zusammenarbeit nie vergessen. Die deutsch-stämmige Politikerin lobte die Stiftung ausdrücklich als einen besonders verlässlichen Freund, der zu allen Zei-ten den liberalen Kräften den Rücken gestärkt habe. Gemeinsame Werte und Ziele, wie eine offene, tole-rante und chancengleiche Gesellschaft verbinden die DA und die FNF. Helen Zille sagte wörtlich: „Ich kann die Dankbarkeit der DA für die stete Unterstüt-zung nicht nur im Kampf Apartheid zu beenden, son-dern auch durch die Höhen und Tiefen seitdem, gar nicht in Worte fassen. Ihr Rückhalt hat uns geholfen die Vision einer ‚Gesellschaft mit Chancengleichheit

für alle‘ in Südafrika zu etablieren.“ In ihrer Rede, über die auch im Economist1 berichtet wurde, stellte Helen Zille dar, was nötig ist um Fassa-dendemokratien in echte Demokratien umzuwandeln: Eines der größten Hindernisse auf dem Weg hin zur Demokratie für Staaten wie Südafrika und Simbabwe ist ‚state capture‘. Dieses Phänomen beschreibt den Staat als Gefangenen von Interessengruppen und ist in Süd-afrika zunehmend ein Problem und in Simbabwe voll ausgereift. Die ehemaligen Befreiungsorganisationen in beiden Ländern nehmen den Staat ‚gefangen‘ – die FNF Part-ner kämpfen genau dagegen, denn wenn die Staatsin-stitutionen und die Wirtschaft von einer kleinen, poli-tisch vernetzten Elite ‚gefangen‘ werden, dann stirbt die Demokratie, wie auch der Rechtsstaat und die Chancengleichheit. Genau das war auch das Thema der Jubiläumsveran-staltung in Harare, Simbabwe. Diese fand im Mai, vor den von Mugabe gestohlenen Wahlen statt, und die Stimmung war gut, denn man glaubte, dass in einem demokratischen Verfahren die Werte einer liberalen Demokratie siegen würden. Das setzte freie und faire Wahlen voraus, die Mugabe dann aber nicht zuließ. In Südafrika stehen die nächsten Bundes- und Land-tagswahlen 2014 und Kommunalwahlen 2016 an, vor dem Hintergrund einer in der Wählergunst rapide wachsenden liberalen Partei, der DA, die zunehmend zu einem ernsten Herausforderer des African National Congress (ANC) wird, dessen Präsident Jacob Zuma angekündigt hat, dass der ANC so lange herrschen werde bis Jesus zurückkommt. Diese Wahlen werden der Lackmustest sein, ob und in wieweit sich Südafrika zu einer echten Demokratie entwickeln kann – und dem politischen Partner der FNF kommt hier eine überragende Rolle zu. Bei allen drei Jubiläumsveranstaltungen kam die Frage auf, wo man 1963, als die FNF mit ihrer Auslandsar-beit begann, stand und wo man jetzt steht. Fazit war, dass es in beiden Ländern große Fortschritte gegeben hat, aber, dass solche Entwicklungen nicht gradlinig verlaufen, und dass sie weiterhin Einsatz, Mut und har-te Arbeit verlangen werden. Und dies, so hoffen die Partner, mit der Unterstützung der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.

Afrika

1 http://www.economist.com/blogs/baobab/2013/10/politics-south-africa

Helen Zille, Ministerpräsidentin der Provinz Western Kap und Vorsitzende der Democratic Allianz bei der Veranstaltung zu 50 Jahre Auslandsarbeit der FNF in

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Politische Berichte aus aktuellem Anlass

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von den Mitarbeitern der FNF aus der jeweiligen Region in deutscher (in Ausnahme-

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Mit einem ausgewählten Titelthema und verschiedenen Rubriken geben sie einen

Überblick über die internationale Projektarbeit der Friedrich-Naumann-Stiftung für

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