Post on 05-Aug-2019
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Pathogene Mikroorganismen
Die meisten Mikroorganismen sind für den Menschen harmlosoder sogar nützlich. Einige können aber durch Infektion oderdie Bildung von Giftstoffen Schäden bis hin zum Todverursachen. Im Laufe der Evolution haben sich bei den„Opfern“ der Mikroorganismen immer bessereAbwehrmechanismen entwickelt, die vom „Angreifer“überwunden werden müssen.
Pathogene Mikroorganismen
Infektiöse Mikroorganismen unterscheiden sich vonnichtinfektiösen daher in Fähigkeiten, die den Angriffermöglichen. Diese speziellen Mechanismen undZellkomponenten nennt man Virulenzfaktoren. Oft liegenihre Gene eng benachbart - sie bilden eine„Pathogenitätsinsel“, oder sind auf einem Plasmid oderProphagen codiert. Das erleichtert die Übertragung deskompletten Sets an Pathogenitätsfaktoren - und damit dieFähigkeit zur Virulenz.
Pathogene Mikroorganismen -Schutz- und Abwehrmechanismen
Die intakte Hautschicht, teilweise kombiniert mit einerSchleimauflage (Schleimhäute) ist ein wirksamer Schutz.Wunden sind daher eine wichtige Eintrittspforte fürMikroorganismen.Im Magen, aber auch auf der Haut herrscht ein niedriger pH-Wert vor, der für viele Bakterien und Viren ungünstig wirkt.Auch die Besiedlung von Oberflächen (Haut, Darmtrakt)erschwert die Ansiedlung von Pathogenen.Im Körper wird die Konzentration an Eisenionen (trotz dergroßen vorhandenen Eisenmenge) durch sehr fest bindendeKomplexe (Ferritin 10-18 M) niedrig gehalten, was bakterielleVermehrung verhindert.
Pathogene Mikroorganismen -Schutz- und Abwehrmechanismen
Zu den aktiven Abwehrmechanismen gehört die Produktionvon Lysozym (z.B. in der Tränenflüssigkeit), das denMureinsacculus perforiert.Im Körper nehmen Freßzellen (Makrophagen) Fremdkörperauf und verdauen sie.Wirksamste Abwehrwaffe ist das Immunsystem, das durchProduktion von Antikörpern eine Vielzahl von fremdenmolekularen Strukturen erkennen und verklumpen kann.Durch Gedächniszellen ist die Reaktion auf eine wiederholteInfektion schneller und stärker (Impfung).
Pathogene Mikroorganismen -Adhäsion und Penetration
Erster Schritt zur Infektion ist meist das Anheften desMikroorganismus an den Wirt. Das geschieht typischerweisegewebs- und wirtsspezifisch. Neisseria gonnorhoeae haftetbesonders gut an urogenitalen Epithelien, Humanpathogenebinden besser an menschliche als an Rattenzellen.Eine eher unspezifische Adhäsion wird durch Schleime undKapseln bewirkt, klebrige Hüllen aus Polysacchariden(Karies-Erreger Streptococcus mutans). Diese Hüllen dienenwohl oft zugleich zum Schutz gegen Phagozytose.
Pathogene Mikroorganismen -Adhäsion und Penetration
Spezifisch binden Pili/Fimbrien durch ihre Adhäsine. Die„pap-Pili“ (Pyelonephritis associated Pili) enteropathogenerE. colis tragen ein Lectin-artiges Adhäsionsmolekül, das anbestimmte Oligosaccharide bindet, die man an Oberflächen-proteinen findet. Diese Pili klassifiziert man als CFA(Kolonisierungsfaktorantigene).Gern werden auch Proteine der extrazellulären Matrix (alsozwischen den Zellen des Bindegewebes liegend) gebunden,wie Kollagen oder Fibronektin.
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Pathogene Mikroorganismen -Adhäsion und Penetration
Vibrio choleraebindet durch Pilian Glycolipideder Darm-mucosa-Zellen
Pathogene Mikroorganismen -Adhäsion und Penetration
Durch Oberflächenproteine bindet Neisseria gonorrhoeaebesonders eng an Epithelzellen.
Pathogene Mikroorganismen -Adhäsion und Penetration
Um tiefer in das dichteBindegewebe einzudringen,werden Exoenzyme produziert.Diese lösen Zucker,Membranlipide und Proteinevon Zellen und extrazellulärerMatrix.Blutgerinnung kann nützlichsein (Coagulase, Bakterieversteckt sich im Gerinnsel),oder eine Barriere darstellen(Fibrinolysin löst das Gerinnselauf).
Pathogene Mikroorganismen -Adhäsion und Penetration
Einige Bakterien dringen in eigentlich nicht-phagozytierendeZellen ein, indem sie mit Proteinen „Invasin“ oder „Internalin“sehr eng an die Zellen binden und so eine aktive Aufnahme(die ein intaktes Cytoskelett des Wirts erfordert) induzieren(sie lassen sich also phagozytieren).
Pathogene Mikroorganismen -Invasion
Manche Bakterien überleben innerhalb der Makrophagen -und sind so vom Immunsystem gut verborgen. Dazu gehörenMycobacterien (M. leprae, M. tuberculosis), ThyphuserregerSalmonella thyphi, Pesterreger Yersinia pestis, Listerien(Listeriose), Brucellen (Brucellose).
Pathogene Mikroorganismen -Invasion
Salmonellathyphi in einemPhagozyten
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Pathogene Mikroorganismen -Invasion
Zu ihrem Schutz bildet Y. pestisunterschiedliche Faktoren, die z.B.ihren Verdau im Lysosomverhindern und das Immunsystemausschalten.
Pathogene Mikroorganismen -Invasion
Membranproteine von Neisseriawandern auf die Außenseite derumgebenden Vesikelmembran undverhindern eine Fusion mit primärenLysosomen.
Pathogene Mikroorganismen -Invasion
Listerien (L. monocyto-genes) bewegen sich durchdie Wirtszelle, indem siedessen Actin „hinter sich“polymerisieren und vondiesem „Kometenschweif“nach vorwärts gedrücktwerden. Es entstehenZellausbuchtungen, dielysieren, wodurch dieListerie zur Nachbarzellegelangt.
Pathogene Mikroorganismen -Invasion
Mechanismus derintrazellulärenFortbewegung vonListerien durch Aktin-Polymerisation
Pathogene Mikroorganismen -Bakterientoxine
Bei den Bakteriengiften unterscheidet man die Endotoxine,das Lipopolysaccharid der äußeren Membran gramnegativerBakterien und Abbauprodukte davon, und Exotoxine, die vonden intakten Bakterien freigesetzt werden.Eine Klasse der Exotoxine sind die cytolytischen Toxine,„Hämolysine“, die Zellmembranen des Wirts zerstören. Essind Enzyme wie Lecithinase und Phospholipase.
Pathogene Mikroorganismen -Bakterientoxine
Sehr viel wirksamer sind die „A-B-Toxine“. Diese Proteinebestehen aus zwei kovalent verknüpften Untereinheiten. UE Bbindet an Rezeptoren der Zielzelle und ermöglicht dieAufnahme der Untereinheit A, des eigentlichen Toxins. Da dieToxinwirkung auf einer enzymatischen Aktivität der UE Aberuht, sind diese Gifte so hochwirksam. Ein einziges MolekülDiphterietoxin tötet die betroffene Wirtszelle.
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Bakterientoxine - Choleratoxin
Choleratoxin, das Gift von Vibrio cholerae, verursacht einenschweren und oft tödlichen Durchfall, indem es denAbschaltmechanismus eines stimulatorischen G-Proteinsblockiert.
Bakterientoxine - Choleratoxin
G-Proteine sind molekulare Schalter, die in der GTP-gebundenen Form aktiv und in der GDP-gebundenen Forminaktiv sind. Man unterscheidet trimere G-Proteine(Untereinheiten α, β und γ) von kleinen G-Proteinen mit nureiner Untereinheit. Das Anschalten geschieht durch Austauschvon GDP gegen GTP durch ein GEP (Guanyl-NucleotideExchange Protein), bei den trimeren G-Proteinen ist das einmembrangebundener Rezeptor nach Bindung seines Liganden.Das Ausschalten geschieht durch die GTPase-Aktivität des G-Proteins selbst (bei trimeren die α-UE, bei kleinen G-Proteinen kann der Abschaltvorgang durch ein GAP (GTPase-Aktivierungs-Protein) beschleunigt werden).
Bakterientoxine - CholeratoxinAktivierung der Adenylatcyklase viatrimeres G-Protein
Bakterientoxine - Choleratoxin
Nach GTP-Bindung löst sich die α-UE von βγ (diezusätzlichen Ladungen des dritten Phosphatrests ändern dieKonformation des Proteins) und aktiviert im Falle desstimulierenden G-Proteins im Dünndarmepithel (Ziel desCholeratoxins) eine Adenylat-Cyklase, die den Botenstoff (2nd
messenger) cAMP produziert. Der aktiviert die ProteinkinaseA, die Kinasekaskade aktiviert den Ionentransporter CFTR(den, der bei Cystischer Fibrose nicht funktioniert), dieEndothelzelle sekretiert aktiv Chlorid und Carbonat, Wasserströmt osmotisch nach: der Darminhalt wird angefeuchtet.Nach kurzer Zeit hydrolysiert die α-UE das GTP und bindetan βγ zurück, der Salz- und Wasserausstrom hört auf.
Bakterientoxine -Choleratoxin
Entstehung und Abbauvon cAMP
Bakterientoxine - Choleratoxin
Vibrio cholerae heftet sich (über Pili, ohne Anheftung keinePathogenität) ans Dünndarmepithel an und bildet dasCholeratoxin. Das Pentamer aus B-Untereinheiten bindet anGangliosid GM1 (Glycolipid), dadurch werden die beiden A-UE in die Membran inseriert und durch Endocytoseaufgenommen. Sie werden durch den Golgi-Apparat zum ERtransportiert und via ERAD (Endoplasmic-reticulum-relatedprotein degradation, dem Abbau entkommt das Toxin) insCytoplasma ausgeschleust. Dort wird A1 reduktiv (S-S-Brücke) abgespalten. In der Zelle entfaltet es seine Aktivität,die Übertragung eines ADP-Riboserestes aus NAD+ auf einProtein (ADP-Ribosylierung).
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Bakterientoxine - Choleratoxin
Pentamer der B-Untereinheit,verantwortlich fürBindung undToxineinschleusung
Bakterientoxine - Choleratoxin
Mechanismus der ADP-Ribosylierung
Bakterientoxine - Choleratoxin
Ziel ist ein Arginin der α-Untereinheit des (stimulatorischen,Gs) G-Proteins, das die Adenylatcyclase aktiviert. Dadurchwird die GTPase-Aktivität gehemmt, das G-Protein, und damitdie Adenylat-Cyclase bleibt dauerhaft aktiv, cAMP häuft sichmassiv an und aktiviert dauerhaft die Proteinkinase A. DieKinasekaskade aktiviert den Ionentransporter CFTR, dieEndothelzelle verliert unkontrolliert und massiv Wasser undElektrolyte. Das führt zu schwerem Durchfall (bis zu 40 l amTag), der schnell tödlich sein kann - die Cholera. EinfachsteAbhilfe ist die orale Versorgung mit Wasser und Salzen, inschweren Fällen und bei Kindern immer durch Infusionen.
Bakterientoxine - Choleratoxin
Cholera-Toxin führt zurDauer-Stimulation derAdenylatcyklase
Bakterientoxine - Choleratoxin
Aufnahme undWirkung desCholeratoxins
Bakterientoxine - Choleratoxin
Die Aufnahme läuft über eine Endocytose (das Toxin landetalso in einem Vesikel) und Transport über Endosomen undGolgi-Apparat ins ER. Das Toxin läßt sich über ERAD(Endoplasmic-reticulum-associated protein degradation)ausschleusen, täuscht also vor, ein fehlgefaltetes Protein zusein, vermeidet aber den Abbau durch das Proteasom. ImCytosol kommt es dann zu reduktiven Aufspaltung.
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Bakterientoxine - Choleratoxin
Die Toxingene liegen im Bakteriengenom eng zusammen aufeinem Prophagen. In freier Form kann dieser Phage aus einemnicht-pathogenen V. cholerae einen pathogenen machen.
Bakterientoxine - PertussistoxinAuch das Toxin des Keuchhustenerregers Bordetella pertussis(früher Haemophilus pertussis) wirkt durch ADP-Ribosylierung eines G-Proteins. Der Lipidstoffwechsel derZellmembran ist ein dynamischer Prozess, Auf- und Abbaulaufen ständig parallel und sind genau reguliert. cAMPaktiviert über eine Proteinkinase eine Lipase und verstärkt soden Lipidabbau. Antilipolytische Hormone aktivieren eininhibitorisches (Gi) G-Protein, das die Cyclase hemmt.Pertussistoxin modifiziert die α-UE dieses Trimers undverhindert so die Bindung der UE an die Cyclase. Die Cyclasearbeitet ungehemmt, Lipidabbau dominiert überLipidsynthese, so dass die Membran zerstört wird.
Bakterientoxine - Pertussistoxin
Bringt man in diese Zellen Choleratoxin, reagiert dieses mitder α-UE des stimulierenden G-Proteins, das es hier aberinaktiviert (keine Stimulation der Cyclase mehr).
Bakterientoxine - PertussistoxinDifferenzielle Regulation des Membranhaushalts durchinhibierende und stimulierende G-Proteine
Bakterientoxine - Pertussistoxin
Bordetella pertussis produziert noch ein weiteres Toxin, ACT(Adenylate Cyclase Toxin), das einerseits eine Pore bildet (diebei Erythrocyten hämolytisch wirkt), und andererseits selbstAdenylat-Cyclase-Aktivität hat, so dass der Anstieg voncAMP gleich auf zwei Weisen bewirkt wird.
Bakterientoxine - Diphtherietoxin
Auch Diphtherietoxin (Corynebacterium diphtheriae) bewirkteine ADP-Ribosylierung. Ziel ist eine ungewöhnlicheAminosäure, Diphtamid, im Elongationsfaktor EF2. (Dieseentsteht posttranslational bei der Reifung des EF2.)Durch die ADP-Ribosylierung blockiert das modifizierte EF2das Ribosom und bringt so die Proteinbiosynthese zumErliegen.Auch die Gene des Diphtherietoxins liegen auf einemProphagen. Infektion mit dem β-Phagen wandelt auch hiernichtpathogene Stämme in pathogene um.
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Bakterientoxine - Diphtherietoxin
Die Bildung des Toxins geschieht nur bei Eisenmangel.Eisen bindet an ein negatives Regulatorprotein von C.diphtheriae, das dann die Toxinexpression reprimiert.
Diphtheriebakterien befallen die Schleimhäute von Mund,Rachen und Kehlkopf. Das Toxin kann im ganzen Körperseine Wirkung ausüben, Diphtherie verläuft zu 5-10% tödlich.
Bakterientoxine -Chlostridien-Neurotoxine
Auch die von Clostridium tetani und C. botulinum gebildetenToxine gehören zu den A-B-Toxinen und wirken als Enzyme.Es handelt sich hier aber um Zink-Proteasen, die auf denVesikeltransport an den Nervenendigungen vor Synapsenwirken.Beide Toxine sind homolog (60% Sequenzidentitäten),Tetanus-Toxin ist von einem Plasmid codiert, Botulinus-Toxinauf einem Phagen.Die Toxine werden als eine große Polypeptidkette gebildet,die (von einer unbekannten Protease) in eine schwere B-Einheit (die den Import vermittelt) und eine leichte Kette, daseigentliche Toxin (A-Einheit).
Bakterientoxine -Chlostridien-Neurotoxine
Gespalten (und damit inaktiviert) werden SNARE-Proteine,die für die Vesikelfusion verantwortlich sind, das v-SNARESynaptobrevin von Tetanustoxin und Botulinum B, t-SNARESNAP-25 von Botulinum A und B.
Chlostridien-NeurotoxineSNAREs auf Vesikel (v-SNARE) und Ziel- (target) Membran(t-SNARE) verzahnen sich eng und leiten so die Vesikelfusion(und im Fall der Neuronen die Ausschüttung desNeurotransmitters) ein. NSF entwirrt die SNAREs wieder.
Chlostridien-Neurotoxine Chlostridien-Neurotoxine
Gesamtüberblick überVesikeltransport und Exkretion
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Chlostridien-Neurotoxine
Trotz der gleichen Zielfunktion und der Homologie habenTetanus- und Botulinustoxin fast gegenteilige Wirkung.Beim Wundstarrkrampf kommt es zur unkontrolliertenMuskelkontraktion, oft zu Zuckungen, wennantagonistische Muskeln betroffen sind, und bei Wirkung aufdie Atemmuskulatur zum Tod durch Ersticken.Beim Botulismus kommt es zur Erschlaffung aller Muskel(bis auf das Herz) und ebenfalls zum Erstickungstod. Hierkann aber eine Eiserne Lunge rettend wirken.
Chlostridien-NeurotoxineDer Unterschied erklärt sich aus den betroffenenNeuronentypen. Botulinustoxin wirkt auf die motorischeEndplatte stimulatorisch-motorischer Nerven und verhindertdie Freisetzung von Acetylcholin, das die Muskeln zurKontraktion anregt.
Tetanustoxin wirkt auf inhibitorische Interneurone undverhindert die Freisetzung von Glycin und γ-Aminobutter-säure (GABA), die als inhibitorische Neurotransmitter asAktionspotential der motorischen Nervenzelle vermindern undso die Freisetzung von Acetylcholin aus den stimulatorischenNerven stoppen. Der Effekt ist Dauerstimulation der Muskeln.
Botulinustoxin ist der stärkste bekannte Giftstoff, ein mgkönnte mehr als 1 Millionen Meerschweinchen töten.