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VERLAGE Der Wandel stellt neue Anforderungen ans Einkaufsmanagement. Die Beschaffung von Waren, Dienstleistungen und Know how wird komplexer.Berater Markus Wilhelm warnt in seinem Beitrag vor »wildem Einkaufen«.

buchreport .magazin Juli 2013

Markus Wilhelm (42)

ist geschäftsführender

Gesellschafter des Bera-

tungsunternehmens

Hofner und Wilhelm

Publisher Consultants

(München). Wilhelm hat

Kommunikationstechno-

logie (Druck) studiert

und war in leitenden

Positionen in den Berei-

chen Herstellung,

Einkauf und Produkt-

entwicklung beim

Bildungsverlag Eins,

Prestel und dem Ravens-

burger Buchverlag sowie

beim Dienstleister

Kaltner Verlagsmedien.

Verlage stehen aufgrund des Wandels ak-tuell vor spannenden Aufgaben, um sich amMarkt zu behaupten und rasch Marktvortei-le zu verschaffen. Zu den Herausforderun-gen gehören u.a.� neue oder sich verändernde Produktfor-men im Print, wie auch bei E-Books undApps im digitalen Bereich�steigende Qualitätsanforderungen�sinkende Auflagenzahlen�kürzere Produktionszeiten.

Dafür sind mehr bzw. neue und oft auchinternationale Lieferanten nötig, um daswachsende Portfolio abzudecken. Immerhäufiger hängen Innovation und Geschwin-digkeit vom passenden Dienstleister ab.

Vor diesem Hintergrund ist es fast keinWunder, wenn die Fachabteilungen begin-nen, Dienstleistungen und Produkte eigen-ständig einzukaufen, von E-Books überApps bis hin zur Software selbst ihrenBedarf decken und dabei den Einkauf bzw.geregelte Einkaufsstrukturen zu umgehen.Dieser auch Maverick-Buying genannte „wil-de Einkauf“, den es in allen Branchen gibt,greift inzwischen auch in Verlagen um sich,denn er scheint schneller und effektiv. Aller-dings nur auf den ersten Blick, denntatsächlich agiert die dezentrale Beschaf-fung – ohne Prozess, Verhandlung, Gesamt-überblick und Reporting – unstrukturiertund wenig nachhaltig. Eine Entwicklung,die nicht zum Alltag werden sollte, denn sielässt das enorme Potenzial des strukturier-ten Einkaufs außer Acht. Hier winkt nochviel mehr Effizienz.

Überproportionale GewinnsteigerungDer Einkauf vertriebsfähiger Produkte spieltin der Wertschöpfungskette der Verlage eine

bedeutende Rolle. Da warten Gewinnquel-len sozusagen auf die Bohrung.

Deutlich wird dies, wenn man vergleicht,wie sich Kosten- und Umsatzentwicklungenauf den Gewinn auswirken: Eine Senkungder Einkaufskosten um nur 3% leistet dengleichen Gewinnbeitrag wie eine Umsatzer-höhung von etwa 15%. Es wäre also durch-aus naheliegend, den Kostenblock zu ver-bessern, um den Gewinn zu steigern. Im-merhin geben Verlage durchschnittlich etwa20% ihrer Umsätze für den Einkauf vonWaren und Dienstleistungen aus.

Wie sieht der Einkauf der Zukunft aus? Klar ist, dass mit dem Wandel in der Bran-che auch Veränderungen im Einkauf Handin Hand gehen. Printprodukte mit steigen-der Produktionstiefe, der Einkauf vonDienstleistungen, Apps und E-Books sowiedie internationale Beschaffung machen eineEntwicklung auch hier dringend erforder-lich. Um das Potenzial des Einkaufs nochbesser zu nutzen, ist statt der ausführendenBestellabteilung künftig ein innovativ den-kendes, fortschrittliches Beschaffungs- undLieferantenmanagement gefragt.

Bislang handeln Verlage im Bereich desEinkaufs von Dienstleistungen und Produk-ten vorrangig operativ: Um einen konkre-ten Bedarf zu decken, werden Anfragengestellt, Angebote geprüft, verhandelt undschließlich Aufträge erteilt. Eine Vorgehens-weise, die nahezu alle Verlage ähnlich hand-haben. In kleineren Verlagen ist es der Her-stellungsleiter, der sich mit der Thematikbeschäftigt, in großen der Einkaufsleiter.

Es gibt die Faustregel, je größer der Verlag,desto strategischer agiert der Einkauf. So wer-den etwa ganze Buchreihen verhandelt oder

Wer strategisch einkauft,sitzt am Gewinnhebel

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Bündelungen im Bereich von Papier, Vorstu-fenleistungen, Logistik etc. tragen dazu bei,Geld zu sparen. Aber auch das allein genügtnicht, um das Potenzial des Einkaufs nochbesser zu nutzen. Künftig ist ein innovativdenkendes, fortschrittliches Beschaffungs-und Lieferantenmanagement gefragt. Deroptimierte Einkauf wird sich in den Verlagenaller Größenordnungen noch viel strategi-scher ausrichten, um den Gewinn zu stei-gern, ein schnelleres Time-to-Market zugewährleisten und technische Innovationenzu realisieren.

Eine effektive Einkaufsstrategie fußt aufsechs miteinander verknüpften Bereichen

(s. Abbildung). Es beginnt mit klar definier-ten Zielen, was konkret überhaupt erreichtwerden soll, seien es Einsparungen über dienächsten Perioden, eine stärkere Fokussie-rung auf Umweltaspekte und/oder die Opti-mierung der Lieferlogistik. Ein weitererAspekt ist der Überblick über das kompletteBeschaffungsportfolio einschließlich imUnternehmen definierter Standards. Zu derBeschaffungsmarktforschung gehören ge-naue Kenntnisse über internationale Be-schaffungsmärkte. So manches Kinderbuch,aber auch Sonderformate oder Software-dienstleistungen sind heute nur internatio-nal zu beschaffen. Auf dem Weg zu mehrGewinn sind Beschaffungsmarktforschungund Kennzahlensysteme besonders nütz-liche Instrumente.

Parallel zum Beschaffungsmanagementsetzt der strategische Einkauf auch auf denAufbau eines echten Lieferantenmanage-ments. Dazu gehören Kenntnisse überMärkte und Lieferanten, die Identifikation,Bewertung und Auswahl von Lieferantensowie auch Strategie und Controlling. So las-sen sich die Prozesse verbessern und Kostensparen.

Strategie bringt mehr als Preise drückenWenn hier von Kostensparen und demdamit verbundenen Effekt für den Unter-nehmensgewinn die Rede ist, geht es wohl-gemerkt nicht darum, Preise zu drückenoder Lieferanten zu übervorteilen. Der ver-antwortungsbewusste, kreative Kostenma-nager sieht Lieferanten, die in einer fundier-ten Analyse bewertet und ausgewählt wur-den, als Partner – und behandelt sie auchdementsprechend fair. Professionell geführ-te Verhandlungsgespräche, die auf eineWin-win-Situation für alle Beteiligten abzie-len, sind ein bedeutender Erfolgsfaktor, denes zu nutzen gilt. Diese Kooperationen sind

für eine zukunftsorientierte Einkaufsorga-nisation ebenso wichtig wie eine intensive,bereichsübergreifende Zusammenarbeit mitallen Verlagsabteilungen.

Auf dieser Basis kann die strategisch ar-beitende Einkaufsorganisation von Knowhow profitieren und effiziente Prozesse auf-bauen, die es ermöglichen, Innovationenschnell, verlässlich und wirtschaftlich auf denMarkt zu bringen und – mindestens genausowichtig – diese nach erfolgreichen Pilotpro-jekte auch effizient zu skalieren. Gerade die-ser Aspekt wird beim Maverick-Buying meistvöllig außer Acht gelassen, so dass Produktemöglicherweise zwar einmalig durchauserfolgreich realisiert werden, später abernicht oder nur kostenintensiv in größerenStückzahlen produziert werden können.

Die Chancen auf verlockende Wettbe-werbsvorteile durch Reduzierung der Be-schaffungskosten und die gezielte Entwick-lung von machbaren wie bezahlbaren Inno-vationen ist groß. Angesichts des Erfolgs- undVeränderungsdrucks stellt sich die Frage,warum so viele Verlage das Potenzial einesstrategischen Einkaufs noch nicht nutzen.Markus Wilhelm, [email protected]

Einkaufsstrategie:

Das strategische Ein-

kaufen geht über das

schlichte Erzielen eines

niedrigen Einkaufsprei-

ses weit hinaus und ruht

auf sechs Säulen, mit

denen die Beschaffungs-

kosten optimiert werden.

buchreport .magazin Juli 201342

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Beschaffungszieledefinieren

� Make-or-buy� Prozesse� Preis� Regeln� Qualität & Sicherheit� Umwelt� Time-to-Market� Beschaffungsmarkt� Lieferanten� Logistik� Controlling� …

� Produktarten� Standards� Normen und Regeln� Innovationen� Qualität & Sicherheit� Time-to-Market� …

� Trennen strategischeund operative Auf-gaben

� Intern und extern� Schnittstellen� Stärken der wert-

schöpfender Arbeit� Bereichsübergreifen-

de Zusammenarbeit� Dokumentation� Change Management� …

� Beschaffungsobjekte� Marktanalyse� Marktbeobachtung� Marktprognose� Auswertung� Auswahl� …

� Identifikation� Analyse� Auditing� Bewertung� Auswahl� Controlling� Entwicklung� Integration� …

� Preise� Volumen� Produktarten� Lieferanten� Termine� Qualität� Auswertungen� Analysen� …

Portfolioanalyse Prozess-

optimierungBeschaffungs-

marktforschung

Lieferanten-management

Beschaffungs-conroling

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