U N I V E R S I T Ä T S M E D I Z I N B E R L I N
Daniel Buchholz MPHDiätassistent DKL/DGE | Dipl. Oecotrophologe (FH)Institut für Medizin-, Pflegepädagogik und Pflegewissenschaft
Sabine OhlrichDiätassistentin | Dipl. MedizinpädagoginGesundheitsakademieAusbildungsbereich Diätassistenz
Der Diätologische Prozess – ein (neues) methodisches Instrument in der Diät- und Ernährungstherapie53. VDD Bundeskongress, 06.05.2011
Der Pflegeprozess
In den 50- / 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in den USA erstmalig definiert.
Wurde später in vielen anderen Ländern übernommen und dazu benutzt, Pflege als professionelles Handeln zu definieren und damit von der intuitiven Pflege (z.B. von erkrankten Angehörigen) abzugrenzen.
Seit 1985 als Lehrinhalt im deutschen Krankenpflegegesetz verankert und somit in Deutschland etabliert.
Besteht aus einer Reihe von logischen, von einander abhängigen, Überlegungs-, Entscheidungs- und Handlungsschritten, die auf eine Problemlösung ausgerichtet sind und im Sinne eines Regelkreises einen Rückkopplungseffekt in Form von Beurteilung und Neuanpassung enthalten.
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Modelle des Pflegeprozesses
von der WHO empfohlen das:
4-Stufen-Modell
1. Einschätzung (Assessment)2. Planung3. Durchführung4. Bewertung (Evaluation)
vor allem in Deutschland verbreitetdas:
6-Stufen-Modell
1. Informationssammlung2. Erkennen von Ressourcen3. Festlegen der Pflegeziele4. Planung der Pflegemaßnahmen5. Durchführung der Pflege6. Beurteilung der Wirkung
(Evaluation)[Fiechter & Meier, 1981]
Es existieren mehrere Modelle, diese variieren in der Anzahl der Schritte
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Berufliches Selbstverständnis
Prozess gibt den Berufen einen professionellen Rahmen, indem er fachliche Begründungen für das berufliche Handeln liefert.
Hilft bei der Abgrenzung von Laientätigkeiten.
Professionell handelnde Berufsangehörige führen alle Maßnahmen geplant, zielgerichtet und nachvollziehbar aus.
In ähnlicher Weise auch als physiotherapeutischer oder ergotherapeutischer Prozess definiert – enthält die Schritte: Untersuchung und Beurteilung (Assessement), Diagnose, Planung, Interventionen und Erfolgskontrollen.
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Berufliches Selbstverständnis der Diätassistenten
Diätassistenten verstehen sich als therapeutischer Beruf.
Befinden sich auf dem Weg der Professionalisierung.
Abgrenzung von selbsternannten „Ernährungsexperten“ ist notwendig im Sinne der Patientensicherheit.
Es ist wichtig ein Instrument zu haben, das Rahmenbedinungen vorgibt, in der Tätigkeiten stattfinden und Vergleichbarkeit im In- und Ausland ermöglicht.
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Der Diaetologische Prozess
Gesetzlich verankert in der FH-MTD-Ausbildungsverordnung2006, Anlage 4
dient als Instrument der Qualitätssicherung für die Tätigkeit von Diaetologen in Österreich
]
erste Publikation 2010
[Purtscher, 2011] 7
Der Diaetologische Prozess (1)
Klientenbefragung Erheben und Auswerten von
Ernährungsprotokollen Anwendung von standardisierten
Verfahren (Scores) zur Ermittlung des Ernährungszustandes
Labordaten Körperzusammensetzung …
Ernährungsanamnese
Erhebung des Ernährungszustandes
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Der Diaetologische Prozess: Diaetologische Befundung und Beurteilung
Schlussfolgerung
Befundung Beurteilung
Daten/Information
Liefert die Grundlage für die Planung der diätetischen Therapie
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Der Diaetologische Prozess (2)
Festlegen der therapeutischen Ziele und Prinzipien der Ernährung/Diät.
Berechnen der Bedarfswerte für Energie, Grundnährstoffe, Mikronährstoffe.
Berechnen von Diättherapie-plänen.
…
Planung der Ernährungstherapie
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Der Diaetologische Prozess (3)
Die Durchführung der diätetischen Therapie und die Beratung sind untrennbar miteinander verbunden.
Aus den diätetischen Zielen resultieren die Beratungsziele.
Umsetzung der Ernährungstherapie
Ernährungsmedizinische Beratung
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Der Diaetologische Prozess (4)
Als „Feedbackschleife“ dargestellt. Während der Durchführung der
therapeutischen Intervention immer wieder beurteilen, wie die Maßnahmen wirken, wie sie akzeptiert werden und ggf. die Therapie neu anpassen.
Dokumentation als Berufspflicht in Österreich.
Evaluation und Dokumentation
Reflexion12
Der Nutrition Care Process (NCP)
Von der ADA (American Dietetic Association) entwickelt und 2003 eingeführt .
Vorher existierten eine Vielzahl von Prozessmodellen in den USA. Ziel: Hohe Qualität in der Diättherapie und Ernährungsberatung: das
Richtige, zu richtigen Zeit, mit dem richtigen Weg, für die richtige Person tun, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen.* [ADA, 2003]
Hintergrund: die Implementierung eines standardisierten Prozesses zeigt, dass Ergebnisse eine geringe Variation und eine größere Vorhersagbarkeit aufweisen.* [Wheeler, 2000]
Ein standardisierter Prozess stellt die Rahmenbedingungen für die standardisierte individuelle Diättherapie und Ernährungsberatung dar.*
[Splett, 1999]
*eigene Übersetzung aus dem US-Englischen
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Der Nutrition Care Process (NCP)…
…ist eine Methode der systematischen Problemlösung, die von „dieteticprofessionals“ angewendet wird, um kritisch zu denken und um Entscheidungen treffen zu können, die es ermöglichen, ernährungsbezogene Probleme qualitätskontrolliert und sicher zu lösen.*
„… a systematic problem solving method that dietetic professionals use to critically think and make decisions to address nutrition related problems and provide safe and effective quality nutrition care…“
[ADA, 2003]* Eigene Übersetzung aus dem US-Englischen
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The Nutrition Care Prozess Model (NCP Model)
ADA, 2003
Das NCP Modell stellt die verschiedenen Schritte des Prozesses und den weiteren Kontext, in dem der NCP stattfindet, dar; sowie weitere Faktoren, die Einfluss auf die Diättherapie und Ernährungsberatung haben.
Das NCP Modell stellt die verschiedenen Schritte des Prozesses und den weiteren Kontext, in dem der NCP stattfindet, dar; sowie weitere Faktoren, die Einfluss auf die Diättherapie und Ernährungsberatung haben.
NCP-Model (1)
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Zentrum des NCP-Modells:
Beziehung zwischen Patienten, Klienten, Kunden bzw. Gruppen und dem dietetic professional.
NCP-Model (2)
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Mittlerer Ring des NCP-Modells:
Stärken und Fähigkeiten des dietetic professionals:
Diätetisches Fachwissen, Fähigkeiten und Kompetenzen Kritisches Denken (Clinical
Reasoning) Zusammenarbeit Evidenzbasierte Praxis Code of Ethics
NCP-Model (3)
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Äußerer Ring des NCP-Modells:
Umgebungsfaktoren / Rahmenbedingungen:
Practice setting (z.B. stationär,ambulant) Gesundheitssystem Sozialsystem wirtschaftliche Lage
NCP Model (4)
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Erster Schritt im NCP-Modell
Nutritional Assessment & Re-Assessment:
Ist ein andauernder, dynamischer und systematischer Prozess des Sammelns, Prüfens und Interpretierens von Daten, um die Ursachen des Ernährungsproblems zu finden und um dann zu Entscheidungen zu gelangen.
NCP Model (4)
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Erster Schritt im NCP-Modell
Nutritional Assessment & Re-Assessment:
Ist ein andauernder, dynamischer und systematischer Prozess des Sammelns, Prüfens und Interpretierens von Daten, um die Ursachen des Ernährungsproblems zu finden und um dann zu Entscheidungen zu gelangen.
Screening
Ist essentiell für das Assessment, da es aber häufig nicht von einem dietetic professional durchgeführt wird, ist es kein Bestandteil des NCP
NCP-Model (5)
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Zweiter Schritt im NCP-Modell
Nutrition Diagnosis Diättherapeutische Diagnose/Diaetologische Befundung
Die Analyse der Daten aus dem Assessment führt zur NutritionDiagnosis.Die Nutrition Diagnosis ist von der medizinischen Diagnose unabhängig. Die NutritionDiagnosis kann sich im Verlauf der diättherapeutischen Betreuung ändern, die medizinische Diagnose bleibt aber bestehen.
Exkurs Nutrition Diagnosis
Medizinische Diagnose: Diabetes mellitus Typ 2 Diättherapeutische Diagnose: „exzessive Kohlenhydrataufnahme“ oder
„exzessive Fettaufnahme“
In den USA sind die Terminologien, die für die Nutrition Diagnosis“verwendet werden, einheitlich definiert und kodiert.
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NCP-Model (6)
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Dritter Schritt im NCP-Modell
Nutrition InterventionDiättherapeutische Intervention
Ausgehend von der NutritionDiagnosis beinhaltet dieser Schritt die Auswahl, Planung und Implementierung der diättherapeutischen Maßnahme(n): z.B. die individuelle Diät- bzw. Ernährungsberatung, Gruppenschulung, Änderung der Diät, Erstellen eines Diättherapieplanes, Festlegung der (par) enteralen Ernährung…
NCP-Model (7)
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Vierter Schritt im NCP-Modell
Nutrition Monitoring and Evaluation
Monitoring: ist die Überprüfung und Messung definierter Parameter des Individuums bzw. der Gruppe zu einem (im Vorhinein) bestimmten Zeitpunkt.Evaluation: ist ein systematischer Vergleich des aktuellen Status mit dem vorherigen Status.Für Monitoring und Evaluation werden ausgewählte Indikatoren verwendet, die relevant für die Bedürfnisse, der NutritionDiagnosis, Zielen und Krankheitsstadium sind.
NCP-Model (7)
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Vierter Schritt im NCP-Modell
Nutrition Monitoring and Evaluation
Monitoring: ist die Überprüfung und Messung definierter Parameter des Individuums bzw. der Gruppe zu einem (im Vorhinein) bestimmten Zeitpunkt.Evaluation: ist ein systematischer Vergleich des aktuellen Status mit dem vorherigen Status.Für Monitoring und Evaluation werden ausgewählte Indikatoren verwendet, die relevant für die Bedürfnisse, der NutritionDiagnosis, Zielen und Krankheitsstadium sind.
Outcomes Management System
Evaluiert die Effektivität und Effizienz des NCP und ist kein Bestandteil des NCP, da 4. der Schritt des NCP den Fortschritt des Patienten, Klienten bzw. Gruppe evaluiert.
Gemeinsamkeiten / Unterschiede
Im Kern sind der Diätologische Prozess und der NCP identisch, sie beinhalten beide die Elemente: Assessment, Diagnose, Intervention
und Evaluation, wobei sie im Diaetologischen Prozess nicht explizit benannt sind (9 Elemente im Diaetologischen Prozess vs. 4 im NCP).
Der Diaetologische Prozess beinhaltet immer die Beratung als Teil der Intervention und berücksichtigt somit nicht alle Fassetten der Diät- und Ernährungstherapie.
Die modellhafte Darstellung der Prozesse ist unterschiedlich. Beim NCP handelt es sich um einen etablierten und evaluierten Prozess.
Dies steht für den Diaetologischen Prozess noch aus. Die Implementierung des NCP in Europa ist eine Empfehlung von EFAD.
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Der Diätologische Prozess – ein (neues) methodisches Instrument in der Diät- und
Ernährungstherapie?
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Der Diätologische Prozess – ein (neues) methodisches Instrument in der Diät- und
Ernährungstherapie?
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Der Diätologische Prozess und der Nutrition CareProcess – (neue) methodische Instrumente in
der Diät- und Ernährungstherapie?
Jein…
…einige Elemente aus den Prozessen finden sich in den diversen Qualitätsstandards deutscher Fachgesellschaften und Verbände wieder und sind daher auch in Deutschland bekannt und etabliert.
Sie wurden aber bisher nicht entsprechend benannt. Dies ist wichtig für das Handlungsfeld und die Berufsgruppe der
Diätassistenten, denn…
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… wenn wir es nicht benennen können, können wir es nicht kontrollieren, finanzieren, unterrichten, erforschen, es nicht auf die politische Agenda setzen oder Anspruch auf Bezahlung der geleisteten Dienste erheben. Ohne eine brauchbare und standardisierte Sprache, mit der wir die diättherapeutische Versorgung (nutrition care) in allen Settings der Patientenversorgung beschreiben können, wird unsere Tätigkeit in Gesundheitssystemen unsichtbar bleiben und es wird deren Notwendigkeit und Bedeutung nicht anerkannt und honoriert werden.
[eigene Übersetzung aus dem Englischen nach Hakel-Smith N & Lewis NM, 2004]
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Implikationen und Empfehlungen für Deutschland
Diätassistenten/-innen müssen sich mit den Prozessen in der Diätetik und Ernährungsberatung auseinandersetzen.
Der VDD sollte eine Arbeitsgruppe etablieren, die sich mit den Prozessen beschäftigt, um zu einer Empfehlung für einen einheitlichen Prozess in der Diätetik und Ernährungsberatung in Deutschland zu gelangen.
Ohne einen einheitlichen Prozess in der Diätetik und Ernährungsberatung verliert Deutschland in Europa und weltweit den Anschluss, was letztlich in einer Verschlechterung der Versorgung de Bevölkerung resultiert und sich negativ auf die Berufsgruppe der Diätassistenten und deren Handlungsfeld auswirkt.
Die Etablierung eines einheitlichen Prozesses in der Diätetik und Ernährungsberatung in Deutschland setzt in einem ersten Schritt die Entwicklung einer einheitlichen Sprache (Terminologie) voraus. Hier besteht dringender Handlungsbedarf…
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Weiterführende und verwendete Literatur bei:
Daniel Buchholz MPHDiätassistent DKL/DGE | Dipl. Oecotrophologe (FH)Institut für Medizin-, Pflegepädagogik und PflegewissenschaftAugustenburger Platz 1 | 13353 BerlinTel. +49 (0)30 450 529-074 Fax +49 (0)30 450 529-900Email: [email protected]
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