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DER AUFTRAG
von Alex Irvine
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Ottmar Drenthe sah sich gerade die Besprechungen seines neuesten Projekts an und
schäumte vor Wut über die Dummheit der ach so großartigen Rezensentenelite der Liga, als
sein Agent sich meldete und andeutete, dass sie vielleicht etwas anderes brauchten.
„Inwiefern anders?“, blaffte ihn Drenthe an. „Ich bin Drenthe. Ich mache die Holovideos,
die Drenthe macht.“
„Klar. Natürlich“, sagte sein Agent. „Aber ich habe ein Angebot vorliegen, dass Sie sich
vielleicht anschauen sollten. Zwei Wochen Arbeit, maximal. Und die Bezahlung ist auch nicht
zu verachten.“
Unter dem dicken und habgierigen Gesicht seines Agenten blinkte ein Betrag auf, der in
der Tat hoch genug war, um Drenthe die nächste Frage stellen zu lassen. „Was will dieser
Kunde von Drenthe?“
„Einen Wirtschaftsfilm, aber legen Sie nicht auf. Sie sollen für Axiom Ordnance eine
Schlacht inszenieren. Sie haben einen neuen Kampfläufer gebaut und brauchen nun etwas
Imposantes, um ihn der Liga schmackhaft zu machen. Außerdem sind sie große Fans Ihrer
Arbeit, Drenthe.“
Das hob sie von den meisten Holorezensenten ab. „Ein Wirtschaftsfilm“, spottete er.
„Mit so etwas gibt sich Drenthe nicht ab.“
„Tja, wir haben aber noch ein weiteres Problem“, sagte sein Agent. „Die Finanzierung
von Helden des Randgebiets steht immer noch nicht.“ Hierbei handelte es sich um Drenthes
nächstes Holoprojekt, eine epische Kriegsgeschichte über einen verbitterten Ghost und ihre
seltsame Liebe zu einem Templer der Protoss im Angesicht einer neuen Zerg-Invasion. Seit
Jahren hatte er daran gearbeitet.
„Wo liegt das Problem?“
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„Die Credits reichen nicht aus. Aber wenn Sie diesen Job für Axiom annehmen, rücken
die Helden schon in greifbare Nähe – wenn Sie verstehen, was ich meine ...“
Drenthe seufzte. Als Autorenfilmer hatte man es nicht leicht. „Drenthe wird diesen
Wirtschaftsfilm drehen, wenn Sie schwören, dass Helden des Randgebiets das nächste
Projekt wird“, sagte er mit unverhohlener Verachtung.
„Großartig. Ich schicke Ihnen den Vertrag, aber morgen früh geht es dann direkt nach
Bukari V. Die Drehtermine sind eng gesteckt. AxO will die Einheit in zwei Wochen
vorstellen.“
„Bukari V?“ Drenthe wusste nicht mal, wo sich dieser Planet befand.
„Keine Sorge“, sagte sein Agent. „Begeben Sie sich einfach zum Raumhafen.“
* * *
Der Transporter war vor weniger als acht Stunden von Korhal abgeflogen, als Drenthe,
der es sich an der Bar mit einem Glas brontesianischen Brandy gemütlich gemacht hatte,
von einem Fremden angesprochen wurde. „Ottmar Drenthe“, sagte der Fremde. „Welch
außergewöhnliche Ehre, solch einem herausragenden Künstler auf einer Reise in das Bukari-
System zu begegnen. Hier draußen ist Kunst Mangelware.“
„Das wird wohl auch so bleiben, fürchtet Drenthe“, antwortete er. „Drenthe wurde
degradiert und macht nun schon Holovideos für Firmen. Werbung.“ Er war ein wenig
angetrunken und ziemlich mürrisch.
„Ach, wirklich? Für Axiom?“
„Bedauerlicherweise.“
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Der Fremde reichte ihm die Hand. Drenthe schüttelte sie. „Sie können mich Eli nennen“,
sagte er. „Ich habe ein Angebot für Sie.“
Drenthe hatte gelernt, sich vor Angeboten von Fremden in Bars in Acht zu nehmen. Aber
anhören konnte man es sich ja mal. „Was für ein Angebot?“
„Sie werden einen Werbefilm für Axioms neuen schweren Läufer, den Kriegshund,
machen.“ Eli sagte dies, als hätte er es auswendig gelernt.
Kriegshund, dachte Drenthe. Zum ersten Mal hatte er den Namen der Maschine gehört.
„Woher wissen Sie das?“
„Ich arbeite für Axiom. Aber auch für andere Leute. Ich höre so manches. Ich weiß so
manches.“
Drenthe fand diesen Umstand verdächtig.
„Die Lage ist folgendermaßen“, sagte Eli. „Einige Leute möchten, dass der Kriegshund
produziert wird, andere nicht. Sie haben einen bestimmten Betrag an Credits angeboten
bekommen, um Axiom zu helfen. Wie wäre es, wenn ich Ihnen das Doppelte für ein
wesentlich interessanteres Projekt zahle?“
Drenthe kniff die Augen zusammen und nippte an seinem Brandy. „Wie soll Drenthe
‚interessanter‘ verstehen?“
„Stellen Sie es sich als Übung vor. Können Sie ein Holovideo drehen, das den Kriegshund
in gutem Licht erscheinen lässt, in Wirklichkeit aber seine Schwächen aufzeigt? Ich habe
Freunde, die für solch ein Projekt einiges zahlen würden. Aber nur, wenn Drenthe es
macht.“
„Ihre Schmeicheleien sind ziemlich durchschaubar“, sagte Drenthe.
„Kein Problem. Aber ich sage Ihnen mal was“, fuhr Eli fort. „Wenn Sie die Credits mal
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außen vor lassen, wissen Sie doch, dass AxO ein Haufen gieriger, brutaler Killer ist, die mit
diesem neuen Kriegshund gerechtfertigte Rebellionen im ganzen Sektor niederschlagen
werden.“
„Man könnte damit aber auch gegen die Zerg kämpfen“, sagte Drenthe.
„Das können Sie sich gerne einreden. Wenn die Kriegshunde jemals gegen die Zerg
eingesetzt werden, dann nur, wenn nach dem Bekämpfen der Aufständischen noch welche
übrig sind. Sie haben die Einheit noch nicht gesehen. Sie wurde entworfen für den
Nahkampf gegen Fahrzeuge sowie gepanzerte und bis zu einem gewissen Grad auch
fliegende Einheiten. Was soll das gegen die Zerg nützen? Wer zum Teufel würde eine Einheit
zur Bekämpfung der Zerg bauen, die sich erst mal mitten ins Getümmel stürzen muss, um
effektiv zu sein?“
Drenthe dachte darüber nach. Er war kein Taktiker und wusste erst recht nichts über die
Herstellung von Militärgeräten. Konnte sich Eli so sicher hinsichtlich der Verwendung der
Kriegshund-Prototypen sein, sobald sie in Produktion gehen? Er klang wirklich überzeugend.
Und auch das Geld war einen Gedanken wert. Aber Drenthe hatte einen Vertrag
unterschrieben.
Könnte er jedoch an einen Vertrag gebunden sein, falls dieses Holovideo schließlich für
Zwecke verwendet wird, die seinem ursprünglichen Verständnis zuwiderlaufen? Drenthe
hatte auch mit Ethik nichts am Hut. Er war ein Produzent großartiger Holofilme, der nun
gezwungen war, um Geld zu betteln.
Drenthe erkannte, dass er im Grunde genommen einen Propagandafilm in einem
Propagandafilm drehen sollte, ein Holovideo, das etwas aussagt und etwas anderes bewirkt.
Eine Propagandadokumentation, die sich selbst als Fiktion darstellt. In diesem Moment
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wurde sein Interesse geweckt. Das war Kunst. Und er war ein Künstler.
Außerdem waren da noch die Credits. Das Doppelte des Angebots von Axiom? Ohne
Agentenprovision? Vor seinem geistigen Auge lief schon der erste Produktionstag von
Helden des Randgebiets ab.
„Ich sage Ihnen mal was“, antwortete er in Anspielung auf Elis Formulierung. „Drenthe
macht es.“
Was interessierte ihn schon Axiom?
Für Drenthe war es ein Spiel, bei dem es darum ging, beide Auftraggeber mit dem
Holovideo zufriedenzustellen, und das ihm die Spannung bot, Teil einer Spionagegeschichte
zu sein! Er fügte schon Ideen für eine neue Story zusammen, sein nächstes Projekt nach
Helden des Randgebiets. Ein missverstandener, in Firmenspionage verwickelter
Holoregisseur, der das Schicksal ganzer Systeme in seinen Händen hält ...
„Freut mich zu hören“, sagte Eli. Er holte ein kleines Gerät heraus und zeigte Drenthe die
Zahl auf dem Bildschirm. „Die Hälfte sofort und die andere Hälfte nach der Fertigstellung
des Produkts.“
Drenthe hob sein Glas. „Drenthe möchte Ihnen gerne einen Drink spendieren“, sagte er.
* * *
Der Transporter trat in den Orbit von Bukari V ein, nachdem Drenthe in seiner
Luxuskabine mithilfe des Brandys in einen tiefen Schlaf gefallen war, nur unterbrochen
durch Gedanken an die Holovideos, die er noch produzieren musste. Er wachte auf, als die
Bord-KI die Passagiere auf die beginnende Ausschiffung hinwies und ihnen mitteilte, dass
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der letzte Transport zur Oberfläche von Bukari V in einer Stunde abflog. Drenthe schaffte es
gerade eben noch. Eine Stunde später traf er sich mit Dario Cerulli, seinen Kontaktmann und
Axioms PR-Agenten. Cerulli führte Drenthe zu seinem Zimmer im riesigen Produktions- und
Verwaltungskomplex, den AxO auf Bukari V errichtet hatte, auf einer Welt, die neben
reichen Vorkommen von Vespingas und anderen Rohstoffen nur wenig zu bieten hatte.
„Ich würde Sie gerne ein wenig herumführen“, sagte Dario, nachdem Drenthe seine
Gerätschaften im Zimmer verstaut hatte. Die Führung war langweilig und oberflächlich.
Drenthe sehnte sich nach einem Drink.
Etwas interessanter wurde es, als sie den Komplex verließen und einen trockenen,
windigen Nachmittag erlebten. Die Sonne hing schwer und rot am Himmel. Vor ihr wirkte
einer der vier Monde von Bukari V wie ein Muttermal auf dem Gesicht eines Gottes. Ein
weiterer Mond stand als Sichel niedrig über dem östlichen Horizont. Drenthe mochte kein
warmes Wetter. Er begann zu schwitzen.
„Das wird das Testgelände. Also, eigentlich ist es das Testgelände, aber hier wird sich für
Sie größtenteils alles abspielen“, sagte Dario und zeigte auf eine umzäunte weite Fläche mit
Zerklüftungen und Felsen. „Darüber hinaus benötigen wir Aufnahmen der
Produktionsanlagen und Interviews mit den Arbeitern. Wir haben einige ausgesucht, die gut
zum Projekt passen dürften.“
Diese Person begann, Drenthe jetzt schon zu nerven. Ich entscheide, was ich aufnehme
und mit wem ich spreche, dachte er. Nicht irgendein PR-Fuzzi eines Rüstungsherstellers. Ich
bin Drenthe.
Seine Antwort lautete jedoch: „Ja.“
„Großartig“, sagte Dario. Sie gingen am Rand des Testgeländes entlang. „Wahrscheinlich
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möchten Sie sich ein wenig umsehen, um Aufstellungsorte für Ihre Holokameras zu finden.
Sobald wir ... Oh, das ist natürlich schlecht.“
Sie hatten eine kleine Erhebung erreicht. Die riesige Fabrik befand sich zu ihrer Linken
und das Testgelände rechts hinter ihnen. Vor ihnen standen ein paar Gebäude, die man
wohl als Kleinstadt bezeichnen konnte. Alles war farblos und schmuddelig und an der zur
500 Meter entfernten Fabrik führenden Straße stand eine größere Gruppe, die sich lautstark
bemerkbar machte und Plakate schwang. In der Mitte befand sich eine bemerkenswert
schöne Frau mit langen, roten, von der Sonne beleuchteten Haaren. Sie feuerte die Arbeiter
an und gab ihnen die Parolen vor.
„Was ist da los?“, fragte Drenthe. Unruhen aller Art interessierten ihn, da sie fesselnde
Bilder ergaben.
„Hier wohnen einige unserer Arbeiter. Das müssen wir uns nicht unbedingt ansehen.
Wie wäre es, wenn ...“ Dario brach mitten im Satz ab, als vier Fahrzeuge die Anlage
verließen und mit dröhnenden Motoren zu den demonstrierenden Arbeitern fuhren. Kurz
darauf kam es zum Krawall. Drenthe sah, wie uniformierte AxO-Sicherheitsleute lange
elektrische Schlagstöcke und auf Schall basierende Geräte zur Massenkontrolle einsetzten.
Krankenwagen erschienen. Die Geräusche, die zu Drenthe und Dario herüberdrangen,
bestanden größtenteils aus Schreien und Rufen. Die Anführerin der Demonstranten stand
mit erhobenen Armen in der Mitte und skandierte etwas, das Drenthe nicht verstehen
konnte.
Es gab also nicht nur Spionage, sondern auch einen Arbeitskampf! Diese Reise würde
Drenthe mehr bringen, als er erwartet hatte. Einer der Sicherheitsleute traf die Frau mit
seinem Schlagstock am Kopf und sie verschwand in der Menge.
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„Das ist wirklich nicht angemessen“, sagte Dario. Er aktivierte sein Kommunikationsgerät
und rief jemanden an. „Riley“, sagte er. „Ich führe gerade Drenthe herum. Muss das jetzt
sein?“
Die Antwort konnte Drenthe nicht hören.
„Nein, das will ich damit nicht sagen. Ich wurde nicht gefragt. Timing, Riley. Timing.
Darüber werden wir uns später noch unterhalten. Jetzt ziehen Sie erst mal Ihre Leute ab.
Keine Verhaftungen. Holen Sie sie verdammt noch mal da raus.“
Dario ließ das Kommunikationsgerät zuschnappen. „Tut mir leid. Sie wissen ja, wie die
Leute so sind. Arbeiter gehen immer davon aus, dass wir auf Bergen von Geld sitzen, das
ihnen zusteht.“
Als sich die Sicherheitskräfte zurückzogen, ließ das Chaos nach. Mehrere Demonstranten
lagen auf der Straße oder in der Nähe. Drenthe wusste nicht, ob sie tot waren. Die
Krankenwagen verschwanden ebenfalls. Andere Arbeiter gingen zu den Verletzten und
trugen sie in die Siedlung. Die Frau, die Drenthe zuvor gesehen hatte, koordinierte nun trotz
einer stark blutenden Kopfwunde die Versorgung. Wirklich bemerkenswert: stattlich und
entschlossen.
Ziemlich brutal, dachte Drenthe – und war froh, unbemerkt von Dario etwas davon
aufgenommen zu haben. Er war Drenthe. Nirgendwo ging er ohne Aufnahmegeräte hin, mit
denen er seine Umgebung filmen konnte. Seine Hemden und Gürtel waren
Spezialanfertigungen mit Miniaturaufnahmegeräten in den Knöpfen und Schnallen. Auch im
Ring an seiner rechten Hand verbarg sich eine winzige Linse. Wenn er gerade keine andere
Geschichte erzählte, erzählte er seine eigene – und zwar eine endlose, da Drenthe sich nicht
vorstellen konnte, jemals zu sterben.
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„Das war äußerst ungewöhnlich“, sagte Dario. Er blickte Drenthe an, der die
angespannten Falten um Darios Mund und Augen herum bemerkte. Die AxO-Anlage war
interessanter, als Drenthe gedacht hatte und wesentlich interessanter, als Dario es wollte.
Drenthe mochte es, Dinge so zu sehen, wie man sie nicht sehen sollte. „Axiom legt großen
Wert auf gute Beziehungen zur Belegschaft.“
„Natürlich“, sagte Drenthe. Er fragte sich, wie die rothaarige Frau wohl hieß und ob man
sie interviewen könnte. Das würde Dario natürlich nicht erlauben, aber gab es vielleicht
auch andere Möglichkeiten ...?
„Ja. Also. Das Gelände kennen Sie nun. Möchten Sie sich vielleicht ein wenig ausruhen?
Wir müssen mit den Aufnahmen beginnen, sobald Ihre Geräte bereit sind. Zeit ist Geld.“
Drenthe dachte an Helden des Randgebiets und stimmte ihm zu. Auf dem Weg zurück
zum Verwaltungskomplex, der getrennt von der Fabrik und weit entfernt von der
Arbeitersiedlung lag, trafen sie Eli, der anscheinend auf sie gewartet hatte. „Dario“, sagte er,
„wie ich sehe, haben Sie Drenthe schon alles gezeigt.“
„Er hat ein bisschen mehr gesehen als erwartet“, sagte Dario.
„Hab ich schon gehört“, sagte Eli. „Das ist schlecht.“
Dario zuckte mit den Schultern. „Wir sind ja schließlich erwachsene Menschen. Arbeiter
sind nie zufrieden, und wenn aus dieser Unzufriedenheit ein öffentlicher Aufstand wird, hat
Axiom die Pflicht, eine sichere Arbeitsumgebung für die große Mehrheit der Angestellten
aufrechtzuerhalten, die zu schätzen weiß, was die Firma für sie leistet. So etwas passiert halt
schon mal. Natürlich ist das unschön, aber Axiom achtet genau darauf, die Reaktionen
sowohl juristisch im grünen Bereich als auch human zu halten. Aber da Sie ja einander noch
nicht vorgestellt wurden: Eli, Drenthe. Drenthe, Eli.“
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„Wir haben uns schon kennengelernt“, sagte Eli, schüttelte aber Drenthe noch einmal
die Hand.
„Ach ja, natürlich. Auf dem Schiff. Eli ist einer unserer Berater.“
Eli zwinkerte Drenthe zu. „Wir hatten die Gelegenheit, uns ein bisschen zu unterhalten.
Es war mir ein großes Vergnügen, einen so berühmten Künstler zu treffen.“
* * *
Früh am nächsten Morgen traf Drenthe Eli noch einmal, als Drenthe auf dem
Testgelände nach günstigen Stellen für seine festen Kameras suchte. Ein Großteil der
Actionszenen sollte mit mobilen Linsen aufgenommen werden, aber Drenthe war der
Ansicht, dass man für das Erzählen einer Geschichte per Holofilm gelegentlich auch eine
unverrückbare Perspektive benötigte. Dahin gehend war er vielleicht altmodisch. Aber er
war Drenthe.
„Es gibt noch etwas, das Sie wissen müssen“, sagte Eli. „Wir wollen ja nicht, dass Sie sich
dort draußen verletzen.“
„Wie soll ich mich denn verletzen? Ihrer Aussage nach sind diese Kriegshunde doch
nichts weiter als WBFs mit größeren Brennern.“
„Als Künstler verstehen Sie doch die Notwendigkeit von Übertreibungen, oder
Drenthe?“
„Ich würde es vorziehen, die Gefahr ein wenig genauer zu kennen“, sagte Drenthe unter
äußerst seltener Verwendung der ersten Person. Die fand er abscheulich.
„Das Steuersystem für die Vorführung. Es könnte anfällig sein.“
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Drenthe war nicht in der Stimmung für Subtilitäten. „Sagen Sie es endlich“, forderte er.
„Die Panzerungsattrappe wird sich nicht wie eine Panzerungsattrappe verhalten“, sagte
Eli. „Wir haben Schritte unternommen, um sicherzustellen, dass Sie die Geschichte erhalten,
die wir beide uns vorstellen.“
Wir beide, dachte Drenthe. „Ach ja?“, fragte er.
„Sagen wir es mal so: Die Kriegshunde werden nicht gut aussehen“, fuhr Eli fort. „Ich
erzähle Ihnen dass nicht nur aus Gründen der Sicherheit, sondern damit Sie es auch
entsprechend einbauen können. Stellen Sie die Kameras an die richtigen Stellen, um
möglichst viele Kriegshunde in Rauch aufgehen zu sehen.“ Er leerte sein Getränk und blieb
stehen. „War schön, Sie getroffen zu haben. Morgen wird ein großer Tag.“
Er ging zurück zu den Gästeunterkünften und Drenthe dachte über seine Optionen nach.
* * *
Dario wollte den Ablaufplan noch einmal durchgehen und traf sich daher früh am
nächsten Morgen mit Drenthe im Verwaltungskomplex neben der AxO-Hauptfabrik. Sie
sprachen über Drenthes Anforderungen, darunter die Aufstellungsorte für mindestens zehn
ferngesteuerte Holokameras auf dem Testgelände selbst sowie eine Plattform mit allen
Feeds und einem Stuhl, den Drenthe von Korhal mitgebracht hatte. Ohne den ging er nie ans
Set. „Sobald alles zusammengebaut ist und die Holokameras stehen, können wir
weitermachen“, sagte er.
„Kein Problem“, sagte Dario. „Wird sofort erledigt.“ Er ließ Drenthe in seinem Büro kurz
allein. Drenthe nutzte die Gelegenheit, um alles aufzuzeichnen – auch den Blick aus dem
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Fenster, von dem aus man über einen Teil der Fabrik zu den Häusern der Arbeiter
hinüberblicken konnte. Die Fabrik selbst sah für eine Fabrik ziemlich beeindruckend aus:
eine unglaubliche Ansammlung von Gerüsten und Schornsteinen, Kränen, die Unmengen
von Rohmaterial zu den Hochöfen transportierten, das Kreischen von Drehbänken und das
maschinengewehrartige Rattern der Nietpistolen. Da es in diesem Abschnitt von Bukari V
fast nie regnete, fand ein Großteil der Arbeiten im Freien statt. Drenthe staunte.
In einem abgetrennten Hof am Rande des Komplexes standen fertiggestellte Kriegshund-
Prototypen. Drenthe zählte 47 Stück. Sie waren sieben Meter hoch und konnten sich auf
ihren zwei Beinen schnell über unebenes Gelände bewegen. An den „Schultern“ befanden
sich Raketenwerfer und am Ende ihrer Arme waren mehrere Kanonenläufe angebracht.
Drenthe dachte an Elis Bemerkung zu den WBFs. Das Chassis des Kriegshunds hatte wirklich
eine gewisse Ähnlichkeit mit der weitverbreiteten Reparatureinheit. Der Kriegshund war
jedoch wesentlich größer. Der Führer eines WBFs steckte seine Arme und Beine in das
Exoskelett des Gefährts. Beim Kriegshund verschwand er vollständig im Rumpf und steuerte
die Gliedmaße sowie Waffensysteme über parallele Neuralinterfaces. Drenthe freute sich
schon darauf, die Kriegshunde in Aktion zu erleben.
Auch das Testgelände konnte man vom Fenster aus sehen. Drenthe gefiel diese
Perspektive und er schaute sich hinter dem getönten Glas des Verwaltungsgebäudes alles
an. Das dürfte einen schönen Kontrast zu den Aufnahmen des eigentlichen Tests ergeben.
Dario kam zurück. „Ihre Plattform wird heute Abend fertig sein“, sagte er. „Mit
Monitoren und allem Drum und Dran. Ich habe mir die Freiheit genommen, auch den Stuhl
aus Ihrem Zimmer zu holen.“
Drenthe war empört darüber, dass man seine Privatsphäre einfach so verletzten konnte,
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aber er sagte nichts. Arroganz kam vor der Kamera nicht gut rüber.
„Vom Fenster aus habe ich mir die Prototypen angesehen“, sagte er. „Die sehen ein
bisschen wie WBFs aus, oder?“
Dario lachte. „Ja, das tun sie. Und das hat auch seinen Grund. Der allererste Vorgänger
des bald in Produktion gehenden Modells war ein WBF. Er gehörte einem Ingenieur namens
Yakov Iliev, der auf irgendeinem unbedeutenden Planeten für eine kleine Bergbaufirma
arbeitete. Welche, habe ich vergessen, aber ich könnte es für Sie nachschlagen.“
„Nein, erzählen Sie bitte weiter“, sagte Drenthe.
„Nehmen Sie das schon auf?“, fragte Dario.
„Sehen Sie hier eine Holokamera?“, entgegnete Drenthe. „Wenn Drenthe etwas
aufnimmt, bekommt man es auch mit.“
„Genau“, sagte Dario. „Also, Iliev arbeitete in einer Mine, die ein Problem mit Banditen
hatte. Er stattete einige WBFs mit verschiedener Bewaffnung aus und bereitete den Brüdern
bei ihrem nächsten Besuch einen entsprechenden Empfang. Der Firmenleitung passte das
jedoch nicht, da sie eine Sicherheitsfirma beauftragt hatte, die nun nicht mehr sonderlich
gut dastand. Also wollten Sie Iliev doch wirklich rauswerfen – allerdings wurde die Firma
dann von Axiom aufgekauft. Damals war ich noch nicht hier angestellt, aber soweit ich weiß,
waren Ilievs Pläne und Entwürfe im Kaufpreis enthalten.“
Diesen Yakov Iliev wollte Drenthe unbedingt mal kennenlernen. „Wo ist er jetzt?“, fragt
er.
„Keine Ahnung“, antwortete Dario. „Ich glaube, er hat sich an irgendeinem schönen
Plätzchen zur Ruhe gesetzt. Er hatte zweifelsohne Talent, war aber nicht unbedingt für die
Arbeit in einer großen Firma geschaffen. Er war ein Bastler. Ein Einzelgänger. Im Grunde
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genommen unsozial.“
Zwischen den Zeilen hörte Drenthe heraus, dass Iliev wohl aus der Firma gedrängt wurde
und man sich seine Entwürfe dank des Kleingedruckten in den Verträgen unter den Nagel
reißen konnte. Eine alte Geschichte, die man so oder ähnlich schon Tausende Male gehört
hatte. Sie interessierte ihn nicht.
Die Person Iliev allerdings schon. Drenthe würde ihn finden. Hinter den Kulissen lief bei
Axiom wesentlich mehr, als Drenthe es erwartet hätte. Interessant. In seinen Händen dürfte
daraus ein weitaus besserer Film werden, als es Axiom verdient hätte.
Seine einzigen Befürchtungen hatten mit dem zu tun, was Eli ihm am Abend zuvor
gesagt hatte. Er schnitt das Thema an und sagte: „Ich würde gerne die Aktionen einzelner
Kriegshunde steuern können.“
„Das ist leider nicht möglich“, sagte Dario. „Die Maschinen werden von Menschen
bedient, die wir für so etwas immer noch verwenden müssen. Eine handverlesene Gruppe
unserer Montagetechniker.“
Drenthe lief es eiskalt den Rücken runter. Wenn die KI fehlerhaft wäre, würden diese
Leute sterben. Zum ersten Mal begriff Drenthe das volle Ausmaß dessen, wohinein er sich
begeben hatte. Und sofort kam er zu dem Entschluss, nicht daran teilzunehmen, wenn er
zuließe, dass unbeteiligte Arbeiter von Panzern und Vikings in Stücke gerissen werden. Nein,
ein Ethiker war er nicht, aber einfach tatenlos bei Grausamkeiten zusehen, das konnte er
auch nicht.
Zuallererst war er ein Künstler. Ein Geschichtenerzähler. Und während er erkannte, dass
Eli das Abschlachten von zwei Dutzend Kriegshundführern plante, machte er aus dieser
Situation bereits eine Geschichte. Sie begann mit der Übernahme von Yakov Ilievs Idee und
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endete ... nun ja, wie? Das wusste er noch nicht. Aber er war kein Kriegsberichterstatter, der
mit ansieht, wie Menschen sterben, und nichts dagegen unternimmt.
Drenthe erkannte, dass Eli ihn täuschte, so wie Axiom Iliev getäuscht hatte. Eli ließ ihn
als Einfaltspinsel dastehen, dessen künstlerische Fähigkeiten gestohlen werden sollten, um
sie für abscheuliche Zwecke zu missbrauchen. Drenthe hatte Feinde auf Bukari V.
Er wollte sie mit seinen Waffen bekämpfen: dem Auge des Regisseurs und seinen
Holokameras. Dieser Gedanke ließ Drenthes Herz schneller schlagen.
„Sie können den Fahrzeugführern Anweisungen geben, wenn Sie möchten“, sagte Dario.
„Ich kann sie am Morgen für Sie zusammentrommeln. Bestimmte Manöver müssen für
potenzielle Kunden ausgeführt werden, aber innerhalb dieser Vorgaben möchte Axiom
Ihnen die Arbeit natürlich so weit wie möglich erleichtern.“
„Nein“, sagte Drenthe. „Wenn die Kriegshunde nicht von mir gesteuert werden können,
werde ich mich auch nicht einmischen. Halb gare Aktionen tun der Geschichte nicht gut.“
„Sie sind der Künstler“, sagte Dario.
Wohl wahr, dachte Drenthe. Nun offenbarte sich ihm ein drittes Projekt, das sowohl den
ursprünglichen Auftrag als auch die Unterwanderung, der er an Bord des Schiffes
zugestimmt hatte, umfasste und ersetzte. Hier bot sich Potenzial für eine echte
Dokumentation über unterdrückte Arbeiter, die für ein Propagandafilmchen geopfert
werden sollten. Und ausgerechnet er sollte an diesem Film mitwirken! Was wäre, wenn er
daraus einen Propagandafilm über unterdrückte Arbeiter machen könnte, die von ihrer
Opferrolle erfahren und sich nun gegen ihre Unterdrücker wenden?
Wie konnte er das erreichen?
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* * *
Später am Abend verließ Drenthe den Verwaltungskomplex. „Ich bin Drenthe“, sagte er
der Wache und schwenkte eine Holokamera. „Ich mache eine Holoaufnahme. Heute möchte
ich ein paar Bilder des Gebäudes und Testgeländes bei Nacht einfangen.“
Die Wache überprüfte seinen Namen und sah, dass er als Besucher mit VIP-Privilegien
registriert war. Er winkte Drenthe kommentarlos durch. Drenthe war verärgert darüber,
dass die Wache nichts davon erwähnt hatte, eines seiner Werke gesehen zu haben. Um
Kultur war es hier draußen wirklich nicht gut bestellt.
Als er außerhalb der Sichtweite der Torwache war, beobachtete ihn niemand mehr. Er
ging am Rand der Fabrik entlang und um das Testgelände herum. Bei sich trug er zwei kleine
Holokameras, deren Übertragungen er empfangen und die er entlang der Straße aufstellen
könnte, wo man sie zwischen Gerümpel und Industriemüll nicht bemerkte. Er könnte sie
auch jemandem geben. Als er die Straße erreichte, sah er, dass zwar das Fabriktor bewacht
wurde, der Weg zur Siedlung jedoch frei war. Axiom schienen die Arbeiter egal zu sein,
solange das wichtigste Gut der Firma geschützt war. Bestimmt gab es in den Reihen der
Arbeiter Spione und Informanten, um die lautesten Rebellen ausfindig zu machen.
Drenthe sah hinauf zum Himmel und tat das, was er der Wache erzählt hatte. Er nahm
erste Bilder und Holos der Fabrik, der Landschaft und des Nachthimmels über Bukari V auf.
Drei Monde, von denen einer einen weiteren teilweise überdeckte, waren zu sehen. So
etwas hatte Drenthe noch nie erlebt. Er beschäftigte sich mehrere Minuten damit und
dachte über Dinge wie Finsternis, Fassaden, Verschwinden und Erneuerung nach. Er sah, wie
die beiden sich verdeckenden Monde langsam auseinanderdrifteten, und versank in den
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Wundern, die das Universum zu bieten hatte. Danach wurde es Zeit, wieder an die Arbeit zu
gehen. Er hatte einen Holofilm zu drehen.
Die Arbeitersiedlung war düster und armselig. Es gab eine einzelne Hauptstraße mit
zwei- und dreistöckigen Fertiggebäuden. Neben mehreren Bars entdeckte er ein Holokino,
in dem verabscheuungswürdiger Müll lief, den ein stupider Plagiator vorheriger stupider
Plagiatoren fabriziert hatte. Die Leute musterten ihn von oben bis unten, sprachen ihn
jedoch nicht an, da sie ihn sofort als Eindringling wahrnahmen. Ihre Furcht und
Feindseligkeit waren fast schon greifbar. Einen Moment lang war Drenthe besorgt um seine
Sicherheit, aber die Neugier gewann schließlich die Oberhand. Seine Minikameras nahmen
alles auf.
Die Nebenstraßen waren stark verschmutzt. Der Müll türmte sich vor den Gebäuden,
deren Bewohner sicherlich nicht zu den Reichsten zählten. Fenster waren zerbrochen und
Dächer eingefallen. Drenthe nahm alles auf. Er ging die Hauptstraße entlang, bis er zwei
Männer sah, die gerade aus einer Bar kamen. Er glaubte, einen der beiden – groß,
glatzköpfig und vernarbt, als hätte er schon an einigen Kämpfen teilgenommen – bei der
Demonstration gesehen zu haben. Der andere wackelte mit Daumen und Zeigefinger an
einem lockeren Zahn. „Entschuldigung“, sagte Drenthe. „Mein Name ist Drenthe. Ich habe
gesehen, was passiert ist.“
„Zum Teufel mit Ihnen“, sagte der Mann mit dem lockeren Zahn.
„Eine rothaarige Frau war auch dabei. Eine ziemliche Schönheit“, sagte Drenthe.
Beide Männer blieben stehen und nahmen Drenthe genauer in Augenschein. „Sie sind
doch dieser Holoregisseur“, sagte der Glatzkopf. „Drenthe.“
„Der bin ich“, antwortete Drenthe und fühlte sich geschmeichelt, dass man ihn erkannt
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hatte.
„Wir haben von Ihnen gehört. Sie drehen einen Holofilm über den Test der Kriegshunde.
Die PR-Leute von AxO erzählen nichts anderes mehr.“
„Ja“, sagte der Mann mit dem Wackelzahn. „Deshalb haben wir demonstriert. Wir
dachten, dass nichts passieren würde, wenn Sie da wären. Falsch gedacht.“
Ihr wisst ja gar nicht, wie viel schlimmer es hätte werden können, dachte Drenthe.
„Sie wollen mit Ayla sprechen?“, fragte der glatzköpfige Mann. „Schwierig. Sie redet
nicht mit Axioms Handlangern.“
„Doch, tut sie“, sagte Drenthe. „Sie muss etwas erfahren.“
„Wissen Sie was?“, sagte der Glatzkopf. „Ich bringe Sie zu ihr, aber wenn mir irgendwas
an dem Gespräch nicht gefällt, trete ich Ihnen so fest in den Arsch, dass Sie zurück nach
Korhal fliegen. Ich war schon im Gefängnis. Ich habe den Krieg miterlebt. Ich habe schon mal
einen verdammten Zergling gegessen, weil es nichts zum Frühstück gegeben hatte.
Verstanden?“
„Verstanden“, sagte Drenthe. „Wo ist sie?“
Wie sich herausstellte, befand sie sich in einer anderen Bar in der Nähe, umgeben von
loyalen Anhängern, die Drenthe beäugten, als hätte er eine ansteckende Krankheit. „Ich
habe Sie gestern bei der Auseinandersetzung gesehen“, sagte er, während er auf sie zuging.
„Ja, und?“
„Wie heißen Sie?“
„Ayla.“
„Ayla. Ich bin Drenthe.“ Er wartete darauf, dass sie seinen Namen erkannte. Als dies
nicht der Fall war, schluckte er seinen Ärger herunter und fuhr fort. „Wir sollten uns mal
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offen unterhalten.“
Er erzählte ihr, was er wusste, ließ jedoch den Teil der Geschichte aus, in dem er Geld
sowohl von AxO als auch von dem Spion in den Reihen der Firma angenommen hatte.
„Haben Sie jemanden bei den Technikern, der ... nun ja ... wohlgesinnt ist? Natürlich geht es
mir nicht um Namen.“
„Was, wenn ich jemanden habe?“
„Vielleicht möchten Sie dieser Person mitteilen, dass es morgen einen Versuch geben
wird, die Steuersysteme zu sabotieren. Soweit ich weiß, werden es die Kriegshunde mit
weitaus mehr Widerstand zu tun bekommen, als man es Sie glauben machen wollte.“
„Gottverdammt“, sagte Ayla und zog jede Silbe in die Länge. „Die haben ein Massaker an
uns geplant. Eli. Dieser Typ ist echt das Letzte. Ohne ihn würde es dem Universum besser
gehen, wenn Sie verstehen, was ich meine.“
„Wohl wahr“, sagte Drenthe.
„Und warum erzählen Sie mir das? Nur aus lauter Herzensgüte?“
„Drenthes Motive gehen nur Drenthe etwas an. Vielleicht sollten Sie auch noch einen
anderen Aspekt bedenken: Wenn wir diese Aktion verhindern können, dürfte eine Staffel
Kriegshunde Ihre Position bei Tarifverhandlungen extrem verbessern.“
* * *
Am nächsten Morgen versammelte sich die Belegschaft von Axiom, um der Vorführung
beizuwohnen. Drenthe hatte seine Geräte aufgestellt und auch Ayla zwei Miniaturkameras
gegeben. Wenn er Bukari V verließ, hätte er eine völlig unerwartete neue Geschichte in der
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Tasche. In den vorangegangenen Stunden hatte sie sogar die ständig in seinem Kopf
umherspukenden Helden des Randgebiets verdrängt. Nun war er komplett auf das Hier und
Jetzt konzentriert. Er fühlte sich lebendig.
Das Testgelände hatte einen Durchmesser von 500 Metern und war annähernd
kreisförmig. Umrandet war es von felsigen Erhebungen, die daraus eine flache Schale
machten. Auf dem Boden gab es weitere Felsformationen. An den Rändern des Geländes
standen Belagerungspanzer. Am nördlichen Ende konnte man Gruppen alter Goliathmodelle
und einiger Viking-Luft-/Bodenhybriden erkennen.
Drenthe stieg auf das Podest und betrachtete den Schauplatz. Um seinen Stuhl herum
waren halbkreisförmig einige Monitore angeordnet, die jeweils das Bild der entsprechenden
Holokamera auf dem Testgelände zeigten. Er schaute auf die Uhr und meldete sich bei
Dario. „Drenthe ist bereit“, sagte er.
„Schön, das zu hören“, antwortete Dario.
Am näher gelegenen Ende der Fabrik öffneten sich die Türen zweier Ladebuchten, aus
denen jeweils eine aus einem Dutzend Kriegshunde bestehende Kolonne kam. Drenthe
wusste, dass eine Reihe festgelegter Vorführungen anstand, jedoch niemand sagen konnte,
was wirklich geschehen würde, falls Ayla es geschafft hatte, die Sabotage der KI zu
verhindern. Wenn die Kameras liefen, musste man auf alles gefasst sein. Er legte seine
Notizen auf einen Monitor in der Nähe und sah sich die Übertragung der Kriegshunde an,
die unterwegs zum Testgelände waren.
Dario hatte ihm auch eine Sprecheraufnahme gegeben, welche die Vorzüge der
Kriegshunde anpreisen sollte. Drenthe hatte sich entschieden, sie über seine Rohaufnahmen
zu legen, um das Material gleichzeitig spontan und vorbereitet wirken zu lassen.
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Die Aufnahme einer der Minikameras zeigte Ayla. „Es hat geklappt“, sagte sie. „Die KI
wird vollkommen normal funktionieren. Aber Ihr Freund Eli war einer der Leute, die sie
sabotieren wollten. Als er uns sah, war er im Nu verschwunden. Sie sollten ihn im Auge
behalten.“
Der wird schon von selbst kommen, dachte Drenthe. Drenthe war zu einer Figur in der
Geschichte geworden, die Drenthe erzählen wollte. Etwas anderes wäre auch gar nicht
möglich gewesen.
„Darum kümmern wir uns später“, sagte er. Er war aufgeregt, wie bei jedem Start eines
Projekts, von dem er nicht wusste, wie es ausgeht. Und diesmal war es noch unklarer als in
den meisten Fällen. „Dann legen wir mal los.“
Drenthe kontaktierte Dario, der am Fabrikeingang über Monitor zusah. „Alles bereit?“,
fragte er.
„Sie können jederzeit anfangen.“
Drenthe startete die Sprachspur und sagte: „Bitte.“
* * *
Hallo, ich bin Dario Cerulli von Axiom Ordnance und möchte Ihnen ein paar Dinge über
den Kriegshund erzählen.
Die beiden Kriegshundgruppen betraten das Testgelände. Die erste stürmte vor, um die
Panzer anzugreifen, die zweite blieb etwas zurück, um Luftunterstützung zu bieten. Alles lief
gemäß dem Plan, den Drenthe von Dario erhalten hatte. Genau zum festgelegten Zeitpunkt
erschienen einige leicht gepanzerte, wie Mutalisken der Zerg bemalte Drohnen über dem
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Testgelände.
Der Kriegshund ist mit mehreren Geschützbatterien für Zyklon-Luftabwehrraketen
mittlerer Reichweite ausgestattet, die beim Auftauchen feindlicher Lufteinheiten
automatisch abgefeuert werden.
Die Läufer deckten die Drohnen mit einer Raketensalve ein und holten sie vom Himmel.
Einige Wrackteile verfehlten nur knapp zwei Aufnahmegeräte. Na super, dachte er. Per Funk
meldete sich Dario: „Wunderbar. Haben Sie das drauf, Drenthe?“
„Natürlich hat Drenthe das drauf.“ Als würde Drenthe etwas nicht mitbekommen, dachte
er.
Auf einem anderen Kanal meldete sich Eli. „Drenthe. Was zum Teufel geht da vor? Wir
hatten eine Abmachung!“
„Die Abmachung beinhaltete aber keine Provision für den Massenmord, an dem Drenthe
sich beteiligen sollte“, sagte Drenthe.
„Sie haben das Geld angenommen.“ Eine weitere Raketensalve riss einen von einer
Drohne gesteuerten Viking auseinander, der gegenüber der Position der bereits
abgeschossenen Fluggeräte schwebte. Rauch stieg auf und verdunkelte die Sonne. Die Bilder
waren fabelhaft. Emotion, ausgedrückt durch Licht und Rauch. Drenthe war verzückt.
„Und Sie haben mir verschwiegen, wofür ich es angenommen habe“, sagte Drenthe.
„Drenthe kann von seinem Standpunkt aus nichts von moralischer Überlegenheit
erkennen.“
„Wissen Sie, wofür Sie es ganz bestimmt nicht bekommen haben? Für eine verdammte
Revolte. Und auch nicht dafür, dass ich mich nun im Fadenkreuz einiger Spinner von der
Gewerkschaft befinde. Ich hätte sterben können, Sie Hundesohn.“
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„Drenthe ist beschäftigt, Eli.“
„Drenthe wird schon bald tot sein.“ Eli beendete das Gespräch.
Die erste Gruppe hatte die in Stellung gebrachten Belagerungspanzer erreicht, deren
Geschosse Funken schlagend und ohne zu explodieren an den Kriegshunden abprallten.
„Hätten Sie uns nichts gesagt, wären die Zünder dieser Geschosse von der KI scharfgemacht
worden, Drenthe“, sagte Ayla. „Sie können schon mal mitzählen, wie viele Leben Sie
gerettet haben.“
Drenthe interessierte das nicht. Er drehte einen Holofilm.
Für den Nahkampf gegen Fahrzeuge besitzt der Kriegshund als Hauptbewaffnung eine
Magnetkanone, in der Axioms neue Geschosse mit gerichtetem Plasmafeld oder GPFs zum
Einsatz kommen. Dieses Geschütz verwendet ein schweres Projektil, das auf eine
Geschwindigkeit von 3000 Metern pro Sekunde beschleunigt wird. Es ist mit einem Plasma
aufgeladen, das sich in einem eng begrenzten Kegel vom Aufschlagspunkt ausgehend
entlädt. Das GPF durchschlägt Panzerungen effektiver und schneller als Gaußwaffen, und
zwar ohne die Gefahr von Kollateralschäden durch Explosivgeschosse.
In enger Formation kreisten die Kriegshunde die Belagerungspanzer ein. Die
Plasmaentladungen ließen die kurzen Läufe ihrer GPF-Systeme und die Panzer blau
aufleuchten. Nach jeweils nur wenigen Sekunden gingen die Panzer in Flammen auf und
explodierten. Dahinter kämpfte die andere Hälfte der Kriegshunde gegen die Vikings, die
laut Anweisung nach dem ersten Angriff auf die Belagerungspanzer reagieren sollten. Einige
der Vikings verbrannten und schmolzen sofort. Drei von ihnen schafften den automatischen
Übergang in den Kampffliegermodus und wurden aus drei Richtungen von Raketensalven
der Kriegshunde getroffen. Drenthe sah sich alles aus verschiedenen Blickwinkeln an und
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verspürte ein Hochgefühl. Es lief wie am Schnürchen. Was würde als Nächstes geschehen?
Er wusste es nicht.
Der Kriegshund kann nahezu verzögerungsfrei zwischen seinen GPF- und
Flugabwehrsystemen umschalten, um auf schnell wechselnde Bedrohungen auf dem
Schlachtfeld zu reagieren.
Aylas Stimme kam aus einem der an Drenthes Monitoren angebrachten Lautsprecher.
„Eli ist auf dem Weg zu Ihnen. Er hat eine Waffe.“
„Drenthe nicht“, sagte Drenthe.
„Wir haben alles unter Kontrolle“, sagte Ayla. „Filmen Sie weiter.“
Natürlich, dachte Drenthe. Aus den Lautsprechern am Fabrikzaun erklang ein Alarm.
Zuerst ging Drenthe dabei nur von einer kleinen Improvisation aus. Die könnte er einbauen.
Als er Elis Stimme aus den Lautsprechern hörte, erkannte er, dass alles in eine völlig andere
Richtung lief. „Hier spricht Eli Balfour. In den Datensystemen von Axiom ist es zu einer
Sicherheitsverletzung gekommen. Ottmar Drenthe ist umgehend festzunehmen. Alle
Techniker in den Kriegshunden haben diese sofort zu verlassen. Der Test ist beendet. Ich
wiederhole: Der Test ist beendet.“
„Von wegen“, sagte Ayla über den vor Drenthe stehenden Lautsprecher.
Dann sah Drenthe, wie Eli mit einem Gewehr um die Ecke der Fabrik kam. Drenthe war
kein Waffenexperte. Eli gab einen Warnschuss über sein Podest ab und zeigte auf ihn.
„Festnehmen! Der Test ist beendet! Sofort alles absperren!“
Drenthe war besorgt. Er hatte keine Erfahrungen mit Festnahmen und plante auch nicht,
welche zu machen.
„Drenthe, wir haben die Situation unter Kontrolle“, sagte Ayla. „Bekommen Sie jetzt
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keine kalten Füße.“
Auf Drenthe wirkte es überhaupt nicht so, als wäre die Situation unter Kontrolle. Ein
weiterer Warnschuss zischte über seinen Kopf hinweg, aber er nahm weiter auf. Die
Kriegshunde verwüsteten alles auf dem Testgelände und zerstörten weitere von Drohnen
gesteuerte Fahrzeuge und Fluggeräte. Zwei Hellions explodierten in Feuerbällen und das
blaue Plasma der GPFs zerriss die Wracks noch weiter. In einer lockeren bogenförmigen
Formation enttarnten sich sechs Raumjäger, die sofort Bekanntschaft mit einer weiteren
Raketensalve machten. Der durch Abschuss und Einschlag der Projektile verursachte Lärm
war für Drenthes Aufnahmegeräte schon fast zu viel. „ABSPERREN“, dröhnte Elis Stimme
über die Lautsprecher. Sicherheitsfahrzeuge strömten aus dem der Siedlung zugewandten
Tor und donnerten in Richtung des Testgeländes. Die zuschauenden Arbeiter warfen mit
Steinen nach ihnen, wurden jedoch erst einmal nicht beachtet. Allerdings hatte Drenthe das
ungute Gefühl, dass es hierbei nicht mehr um den Schutz der Belegschaft ging. Er hoffte,
dass Ayla einen Plan für diese Eventualität hatte.
Ein Teil von Drenthe frohlockte über das Chaos. Ein anderer Teil hielt es für möglich,
dass ihm alles über den Kopf gewachsen war.
Einer der Kriegshunde in der Nähe von Drenthes Podest schleuderte herum, stampfte
über die Böschung um das Testgelände und schnitt Eli den Weg ab. Eli hob warnend eine
Hand. „Noch einen Schritt weiter und du wirst dir wünschen, nie geboren worden zu sein,
du Schwachkopf“, sagte er. „Dieser Mann ist ein Krimineller und eine Gefahr für die
Sicherheit.“
Der Kriegshund hielt an. Eli stieg die Leiter zu Drenthes Plattform hinauf und richtete
sein Gewehr auf ihn, während der Kriegshund rechts neben der Plattform stand. „Sie sind
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ein toter Mann, Drenthe“, sagte Eli. „Firmenspionage ist ein Kapitalverbrechen.“
„Ich bin ein Holoregisseur“, sagte Drenthe. „Und ich arbeite.“ Währenddessen lief Darios
Sprachaufnahme weiter.
Obwohl er für den Einsatz gegen Fahrzeuge konzipiert wurde, kann der Kriegshund auch
feindliche Infanterie bekämpfen. Nur, weil man nicht von Stahl umgeben ist, kann man noch
lange nicht gegen die GPFs bestehen.
Der Kriegshund feuerte sein GPF-Geschoss aus weniger als fünf Metern Entfernung auf
Eli, der gleichzeitig geschmolzen, verbrannt und in Stücke gerissen wurde. Drenthe duckte
sich unter der Welle aus Hitze, Lärm und Elis Körperteilen weg. Er hielt die Hände über den
Kopf und bewegte sich erst wieder, als er hörte, wie Ayla etwas über den Lautsprecher
sagte. Nach einem kurzen Augenblick verstand er es: „Ganz richtig, Eli: Firmenspionage ist
ein Kapitalverbrechen. Tut mir leid, dass wir kurzen Prozess mit Ihnen machen mussten.“
Drenthe dachte daran, dass Eli seine Anzahlung nicht zurückfordern würde. Aber Elis
Arbeitgeber ... Nun ja, dieses Problem war jetzt erst einmal nicht von Belang.
„Jetzt, Kriegshunde“, sagte Ayla. Drenthe erkannte, dass er nicht der Einzige war, der die
gesamte Situation im Blick hatte.
Die Kriegshunde drehten sich geschlossen um und verließen dröhnend mit brennenden
Panzern und Vikings im Hintergrund das Testgelände. Die Vorführung war perfekt gelaufen
und hatte als zusätzlichen dramatischen Effekt noch Elis plötzlichen Tod sowie Drenthes
Brandmarkung als kriminelle Bedrohung spendiert bekommen. So etwas hatte er noch nie
zuvor erlebt. Diese Feuerkraft! Diese Intrigen! Er war froh, Teil von all dem zu sein.
Axiom Ordnance konnte mit dem Verkauf vieler Kriegshunde rechnen. Mit einer Menge
Probleme jedoch auch.
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Die Kriegshundformation erreichte den Rand des Verwaltungsgebäudes. Auf dem Weg
dorthin hatten sie mit ihren GPF-Geschossen noch die Sicherheitsfahrzeuge erledigt. Acht
standen schon in Flammen, bevor die restlichen Sicherheitsleute aus den Wagen sprangen
und zurück zur Fabrik liefen. Drenthe bemerkte, dass keiner von ihnen Anstalten machte,
das Verwaltungsgebäude zu verteidigen.
Auch bei der Zerstörung feindlicher Gebäude sind die GPF-Systeme des Kriegshundes
äußerst effektiv.
Die Kriegshunde stampften durch den Zaun und zerbrachen die Stahlpfosten fast
beiläufig mit ihren Armen. Drenthe sah, wie Ayla mit einer Gruppe Techniker aus der Fabrik
kam, die grimmig, gleichzeitig aber auch begeistert wirkten. Er prüfte seine Übertragungen
und sah, dass Ayla alles aufnahm. Drenthe wollte schon fast vor Freude in die Hände
klatschen.
„Wir haben die KI abgeschaltet“, war ihre Stimme über den Monitor zu hören. „Keine
der Verteidigungsmaßnahmen werden funktionieren und AxOs Schläger werden sich
bestimmt nicht mit den Kriegshunden anlegen. Ab jetzt wird es hier ein bisschen anders
laufen. Axiom könnte sogar eine neue Geschäftsführung bekommen.“
Die Kriegshunde zerstörten der Reihe nach die Gebäude des Verwaltungskomplexes. Die
aus ihnen herausströmenden Angestellten wurden von den Arbeitern so begrüßt, wie AxO-
Sicherheitsleute die Arbeiter zwei Tage zuvor empfangen hatten. Drenthe sagte etwas über
Zurückhaltung. Doch dann erinnerte er sich daran, dass zumindest ein Teil der
Vorstandsetage einen Plan ausgeheckt hatte, bei dem eine Reihe von Arbeitern getötet
worden wäre. Aus diesem Grund übte er sich lieber selbst in Zurückhaltung.
„Gut gemacht, Drenthe“, sagte Ayla. „Haben Sie Ihre Aufnahmen?“
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„Drenthe hat alles, was er braucht“, antwortete er.
„Dann sollte Drenthe jetzt lieber verschwinden“, sagte Ayla. „Das Schiff, über das wir
gesprochen haben, wartet an der Startrampe. Wie schnell können Sie da sein?“
„Schnell“, sagte Drenthe. Er sammelte seine Aufnahmen ein und ließ die Geräte zurück.
Holorekorder waren billig. Drenthe nicht.
Er bedauerte nur, dass er seinen Stuhl nicht mitnehmen konnte, der ihn seit seinem
Durchbruch mit Der Flug des Mutalisken an jedes Set in jedem Sternensystem begleitet
hatte. Aber irgendwann musste man auch mal loslassen. Vielleicht war dieser Zeitpunkt nun
gekommen, als sich für Drenthe die Möglichkeit ergab, sich von einer kleinen und
mittlerweile ziemlich gewalttätig geführten Revolution zu verabschieden. Drenthe hatte
Material für einen großartigen Holofilm, den er nun wohl mit seinem Regiestuhl bezahlen
musste. „Drenthe verabschiedet sich von dir“, sagte er zu dem Stuhl. Dann stieg er von der
Plattform, wobei er darauf achtete, möglichst nicht mit Elis Überresten in Berührung zu
kommen, und ging über das unebene Gelände zu Ayla, die am Tor zum Verwaltungskomplex
auf ihn wartete. Wie immer nahmen seine Miniaturkameras alles auf.
Eine Sache gab es jedoch noch zu tun. „Ayla“, sagte er. „Kommen Sie nach Korhal. Sie
könnten ein großer Holostar werden.“
„Werde ich hier gerade entdeckt, Drenthe?“, fragte sie mit einem verschmitzten
Lächeln.
„In der Tat“, antwortete er. „Milliarden von Menschen werden Sie sehen. Sie werden Sie
lieben. Ihren Mut. Ihr Charisma.“
„Nein. Ich mache Ihnen einen Vorschlag“, sagte Ayla. „Finden Sie Yakov Iliev und sagen
Sie ihm, dass Axiom ihn wieder einstellen möchte. Dann schaue ich vielleicht mal auf Korhal
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vorbei.“
„Ihre Prinzipien. Die werden sie auch lieben“, sagte Drenthe. Er war vernarrt, so wie
jeder gute Regisseur in Menschen mit Starpotenzial vernarrt ist.
„Und jetzt verschwinden Sie, Drenthe“, sagte sie.
An Bord des Schiffs sagte der Pilot: „Wir schulden Ihnen was. Werden die Leute das zu
sehen bekommen?“
„Wenn Sie Drenthe rausbringen, wird Drenthe auch diese Geschichte rausbringen“,
antwortete Drenthe.
„Abgemacht“, sagte der Pilot und startete das Schiff. Drenthe schaute hinunter auf die
Fabrik und den brennenden Verwaltungskomplex. Er nahm alles auf, bis es immer kleiner
wurde und unter einer Wolkendecke verschwand. Drei Tage. Dies alles war innerhalb von
drei Tagen geschehen. Dann kam ihm eine andere Version der Geschichte in den Sinn. Ayla,
dachte er. Sie hatte die Rebellion gegen die Unterdrückung durch Axiom Ordnance
angeführt. Mit seinen Aufnahmen dürfte alles laufen, wie geplant. Und wenn er Yakov Iliev
finden könnte ... egal. So oder so wollte er aus Ayla, der furchtlosen und wunderschönen
neuen Anführerin auf Bukari V, einen Star machen. Schon bald wäre sie eine der
berühmtesten Persönlichkeiten der Liga, ihr Ruhm begründet in der Trostlosigkeit der
Arbeitersiedlung, dem rauchenden Chaos der Fabrik und dem beherzten Sieg über Axiom.
Ja!
Das war nicht die ursprünglich geplante Geschichte. Das war nicht einmal die
Geschichte, die er sich zu Beginn des Kriegshundtests vorgestellt hatte. Aber es war die
Geschichte, die er umsetzen wollte. In ihr lag eine gewisse Wahrheit, wenngleich sie die
Geschehnisse nicht exakt wiedergab. Aus den Aufzeichnungen der Realität könnte er eine
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Wahrheit schaffen, die wahrer als die Realität selbst wäre.
Und ich bin der Regisseur dieser Realität, dachte er. Ich bin Drenthe.
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