Zum Beurteilungsstandard der Kampfpreisunterbietung – Verlustausgleich und Anpassung an...

1
2001/23 besta ¨tigt, dass diese RL nach der Vorstellung des Gemeinschaftsgesetzgebers auf jeden U ¨ bergang anwend- bar sein soll, der den Voraussetzungen von Art 1 Abs 1 der RL entspricht, unabha ¨ ngig davon, ob die u ¨ bergegan- gene wirtschaftliche Einheit ihre Selbsta ¨ndigkeit inner- halb der Struktur des Erwerbers bewahrt oder nicht. (51) Schließlich ist auf das Vorbringen des Bekl des Ausgangsverfahrens einzugehen, wonach die Kontinuita ¨t der Arbeitsverha ¨ ltnisse, die die RL 2001/23 gewa ¨ hrleis- ten solle, im Fall des Verlusts der organisatorischen Selb- sta ¨ ndigkeit der u ¨ bertragenen wirtschaftlichen Einheit je- denfalls nicht sichergestellt werden ko ¨nne, da der von Herrn K fru ¨ her besetzte Arbeitsplatz als Abteilungsleiter keinem entsprechenden Arbeitsplatz in der von der Er- werberin geschaffenen neuen Arbeitsorganisation zuge- ordnet werden ko ¨ nne. (52) Hierzu ist daran zu erinnern, dass der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass eine gegebenenfalls be- stehende Verpflichtung, privatrechtliche Arbeitsvertra ¨ ge beim U ¨ bergang einer Ta ¨tigkeit auf eine juristische Per- son des o ¨ffentlichen Rechts zu beenden, gem Art 4 Abs 2 der RL 77/187 eine wesentliche A ¨ nderung der Arbeitsbe- dingungen zum Nachteil des AN darstellt, die unmittel- bar aus dem U ¨ bergang folgt, so dass in einem solchen Fall davon auszugehen ist, dass die Beendigung dieser Arbeitsvertra ¨ ge durch den Arbeitgeber erfolgt ist (Urteil Mayeur, Rdn 56). Ebenso ist festzustellen, dass eine gege- benenfalls bestehende Unmo ¨ glichkeit, einem AN im Fall des U ¨ bergangs in der vom Erwerber geschaffenen Orga- nisationsstruktur einen Arbeitsplatz zuzuweisen, der dem entspricht, den dieser AN beim Vera ¨ ußerer inne- hatte, als eine Beendigung des Arbeitsvertrags durch den Arbeitgeber iS dieser Vorschrift angesehen werden ko ¨ nnte, wenn sie zu einer wesentlichen A ¨ nderung der Ar- beitsbedingungen zum Nachteil des Betreffenden fu ¨ hrt. (53) Somit ist auf die vom vorlegenden Gericht ge- stellte Frage wie im Tenor zu antworten. Zum Beurteilungsstandard der Kampfpreisunterbietung – Verlustausgleich und Anpassung an Wettbewerber DOI 10.1007/s00718-009-1434-7 Art 82 EG: Preise, die unter den durchschnittlichen variablen Kosten liegen, sind grundsa ¨ tzlich als missbra ¨ uchlich anzusehen, da bei einem Unternehmen in beherrschen- der Stellung davon auszugehen ist, dass es mit der An- wendung solcher Preise kein anderes wirtschaftliches Ziel als die Ausschaltung seiner Mitbewerber verfolgt. Zum anderen sind Preise, die unter den durchschnittli- chen Gesamtkosten, jedoch u ¨ ber den durchschnittli- chen variablen Kosten liegen nur dann als missbra ¨ uch- lich anzusehen, wenn sie im Rahmen eines Plans zur Verdra ¨ ngung eines Wettbewerbers festgesetzt werden. Der Nachweis eines mo ¨ glichen Ausgleichs der Ver- luste, die ein Unternehmen in beherrschender Stellung durch die Anwendung von Preisen unter einem be- stimmten Kostenniveau erleidet, ist keine notwendige Voraussetzung fu ¨ r die Feststellung der Missbra ¨ uchlich- keit einer solchen Preispolitik. Das schließt es nicht aus, die entsprechende Mo ¨ g- lichkeit des Verlustausgleichs als fu ¨ r die Beurteilung der Missbra ¨ uchlichkeit der fraglichen Praxis relevanten Umstand anzusehen, da sie dazu beitragen kann, im Fall der Anwendung von Preisen unter den durch- schnittlichen variablen Kosten andere wirtschaftliche Begru ¨ ndungen als die Verdra ¨ ngung von Wettbewerbern auszuschließen oder im Fall der Anwendung von Prei- sen, die unter den durchschnittlichen Gesamtkosten, aber u ¨ ber den durchschnittlichen variablen Kosten lie- gen, die Existenz eines Plans zur Verdra ¨ ngung eines Mitbewerbers zu belegen. Das Fehlen einer Verlustausgleichsmo ¨ glichkeit reicht nicht aus, um auszuschließen, dass es dem fraglichen Unternehmen gelingt, seine beherrschende Stellung in- folge insbesondere des Austritts eines oder mehrerer Mitbewerber aus dem Markt zu versta ¨ rken, so dass das Maß des auf dem Markt herrschenden Wettbe- werbs weiter verringert wird, und dass die Verbraucher aufgrund der Begrenzung ihrer Wahlmo ¨ glichkeiten ge- scha ¨ digt werden. Ein generelles Recht des marktbeherrschenden Un- ternehmens, seine Preise denen seiner Mitbewerber anzupassen, besteht dabei nicht*). [126] EuGH 2. 4. 2009, Rs C-202/07 P (France Te ´ le ´ com SA/Kommission) Weitere Urteile (Kurzinformation) DOI 10.1007/s00718-009-1409-8 1. Dienstleistungsfreiheit Art 3/1, 4/1 und 5 sowie Erwa ¨ gungsgru ¨ nde 7, 44 und 45 der RL 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvor- schriften der MS u ¨ ber die Ausu ¨ bung der Fernsehta ¨ tigkeit: Nach den spanischen Umsetzungsvorschriften zur ge- nannten RL mu ¨ ssen die Fernsehveranstalter 5% ihrer Betriebseinnahmen des Vorjahrs fu ¨r die Herstellung „europa ¨ ischer Filme“ verwenden, wovon 60% fu ¨ r Werke bestimmt sind, die in einer der Amtssprachen Spaniens gedreht wurden. Der Verband der gewerblichen Fernsehanbieter (UTECA fu ¨ r Unio ´n de Televisiones Comerciales Asocia- das) sah darin einen Verstoß gegen das Gemeinschafts- recht, woru ¨ ber der EuGH zu Recht erkannte: 1. Die RL regelt nicht die Frage, inwieweit ein MS sei- nen Fernsehveranstaltern vorschreiben kann, einen Teil ihrer Betriebseinnahmen auf die Vorfinanzierung be- stimmter Filme zu verwenden. Dies kann jedenfalls nicht aus den Art 4 und 5 der RL abgeleitet werden. Art 3/1 der RL erma ¨ chtigt die MS, ihren Fernsehveran- staltern in den von der RL geregelten Bereichen strengere Verpflichtungen aufzuerlegen (Urteile ARD, Rdn 49 und Corporacio ´n Dermoeste ´tica, Rdn 31). Die RL sieht keine Rechtsvereinheitlichung in den von ihr geregelten Bereichen, sondern schreibt nur Mindest- normen vor, denen in der Gemeinschaft ausgestrahlte Fernsehsendungen entsprechen mu ¨ ssen (Urteile Leclerc- Siplec, Rdn 29, 44; De Agostini und TV-Shop, Rdn 3). Somit sind die MS befugt, Maßnahmen in den von der RL erfassten Bereichen zu treffen, sofern diese die ver- traglich verbu ¨ rgten Grundfreiheiten beachten. Hingegen stellt die fragliche Maßnahme eine Be- schra ¨ nkung des freien Dienstleistungsverkehrs, der Nie- derlassungsfreiheit, des freien Kapitalverkehrs und der Arbeitnehmerfreizu ¨ gigkeit dar. Diese Beschra ¨ nkungen sind aber aus ho ¨ herrangigen Gru ¨ nden des Allgemeininteresses gerechtfertigt: Der Schutz und die Fo ¨rderung einer oder mehrerer Amts- sprachen eines MS wurde bereits wiederholt als ein der- artiger Grund anerkannt (Urteile Groener, Rdn 19 und United Pan-Europe Communications Belgium ua, Rdn 43). Auch der Erwa ¨ gungsgrund 26 der genannten Fern- sehRL und der Erwa ¨ gungsgrund 44 ihrer A ¨ nderungsRL 97/36 haben dieses Ziel als gerechtfertigt anerkannt. Diese Verpflichtung ist auch verha ¨ ltnisma ¨ ßig, weil sie einerseits geeignet ist, die Erreichung des gesteckten Ziels sicherzustellen und andererseits nicht daru ¨ ber hin- Rechtsprechung/Europarecht wbl 2009, Heft 6 Juni 293 # Springer-Verlag 2009 *) S dazu den Beitrag von Schuhmacher F., in diesem Heft der wbl, 273 ff.

Transcript of Zum Beurteilungsstandard der Kampfpreisunterbietung – Verlustausgleich und Anpassung an...

2001/23 bestaÈ tigt, dass diese RL nach der Vorstellung desGemeinschaftsgesetzgebers auf jeden UÈ bergang anwend-bar sein soll, der den Voraussetzungen von Art 1 Abs 1der RL entspricht, unabhaÈngig davon, ob die uÈ bergegan-gene wirtschaftliche Einheit ihre SelbstaÈndigkeit inner-halb der Struktur des Erwerbers bewahrt oder nicht.

(51) Schlieûlich ist auf das Vorbringen des Bekl desAusgangsverfahrens einzugehen, wonach die KontinuitaÈ tder ArbeitsverhaÈ ltnisse, die die RL 2001/23 gewaÈhrleis-ten solle, im Fall des Verlusts der organisatorischen Selb-staÈndigkeit der uÈ bertragenen wirtschaftlichen Einheit je-denfalls nicht sichergestellt werden koÈnne, da der vonHerrn K fruÈ her besetzte Arbeitsplatz als Abteilungsleiterkeinem entsprechenden Arbeitsplatz in der von der Er-werberin geschaffenen neuen Arbeitsorganisation zuge-ordnet werden koÈnne.

(52) Hierzu ist daran zu erinnern, dass der Gerichtshofbereits entschieden hat, dass eine gegebenenfalls be-stehende Verpflichtung, privatrechtliche ArbeitsvertraÈgebeim UÈ bergang einer TaÈ tigkeit auf eine juristische Per-son des oÈffentlichen Rechts zu beenden, gem Art 4 Abs 2der RL 77/187 eine wesentliche AÈ nderung der Arbeitsbe-dingungen zum Nachteil des AN darstellt, die unmittel-bar aus dem UÈ bergang folgt, so dass in einem solchenFall davon auszugehen ist, dass die Beendigung dieserArbeitsvertraÈge durch den Arbeitgeber erfolgt ist (UrteilMayeur, Rdn 56). Ebenso ist festzustellen, dass eine gege-benenfalls bestehende UnmoÈglichkeit, einem AN im Falldes UÈ bergangs in der vom Erwerber geschaffenen Orga-nisationsstruktur einen Arbeitsplatz zuzuweisen, derdem entspricht, den dieser AN beim VeraÈuûerer inne-hatte, als eine Beendigung des Arbeitsvertrags durchden Arbeitgeber iS dieser Vorschrift angesehen werdenkoÈnnte, wenn sie zu einer wesentlichen AÈ nderung der Ar-beitsbedingungen zum Nachteil des Betreffenden fuÈ hrt.

(53) Somit ist auf die vom vorlegenden Gericht ge-stellte Frage wie im Tenor zu antworten.

Zum Beurteilungsstandard der Kampfpreisunterbietung ±Verlustausgleich und Anpassung an Wettbewerber

DOI 10.1007/s00718-009-1434-7

Art 82 EG:Preise, die unter den durchschnittlichen variablen

Kosten liegen, sind grundsaÈ tzlich als missbraÈ uchlichanzusehen, da bei einem Unternehmen in beherrschen-der Stellung davon auszugehen ist, dass es mit der An-wendung solcher Preise kein anderes wirtschaftlichesZiel als die Ausschaltung seiner Mitbewerber verfolgt.Zum anderen sind Preise, die unter den durchschnittli-chen Gesamtkosten, jedoch uÈ ber den durchschnittli-chen variablen Kosten liegen nur dann als missbraÈ uch-lich anzusehen, wenn sie im Rahmen eines Plans zurVerdraÈ ngung eines Wettbewerbers festgesetzt werden.

Der Nachweis eines moÈ glichen Ausgleichs der Ver-luste, die ein Unternehmen in beherrschender Stellungdurch die Anwendung von Preisen unter einem be-stimmten Kostenniveau erleidet, ist keine notwendigeVoraussetzung fuÈ r die Feststellung der MissbraÈ uchlich-keit einer solchen Preispolitik.

Das schlieût es nicht aus, die entsprechende MoÈ g-lichkeit des Verlustausgleichs als fuÈ r die Beurteilungder MissbraÈ uchlichkeit der fraglichen Praxis relevantenUmstand anzusehen, da sie dazu beitragen kann, imFall der Anwendung von Preisen unter den durch-schnittlichen variablen Kosten andere wirtschaftlicheBegruÈ ndungen als die VerdraÈ ngung von Wettbewerbernauszuschlieûen oder im Fall der Anwendung von Prei-sen, die unter den durchschnittlichen Gesamtkosten,aber uÈ ber den durchschnittlichen variablen Kosten lie-

gen, die Existenz eines Plans zur VerdraÈ ngung einesMitbewerbers zu belegen.

Das Fehlen einer VerlustausgleichsmoÈ glichkeit reichtnicht aus, um auszuschlieûen, dass es dem fraglichenUnternehmen gelingt, seine beherrschende Stellung in-folge insbesondere des Austritts eines oder mehrererMitbewerber aus dem Markt zu verstaÈ rken, so dassdas Maû des auf dem Markt herrschenden Wettbe-werbs weiter verringert wird, und dass die Verbraucheraufgrund der Begrenzung ihrer WahlmoÈ glichkeiten ge-schaÈ digt werden.

Ein generelles Recht des marktbeherrschenden Un-ternehmens, seine Preise denen seiner Mitbewerberanzupassen, besteht dabei nicht*). [126]EuGH 2. 4. 2009, Rs C-202/07 P (France Te le com SA/Kommission)

Weitere Urteile (Kurzinformation)DOI 10.1007/s00718-009-1409-8

1. Dienstleistungsfreiheit

Art 3/1, 4/1 und 5 sowie ErwaÈ gungsgruÈ nde 7, 44 und 45der RL 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989 zurKoordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvor-schriften der MS uÈ ber die AusuÈ bung der FernsehtaÈ tigkeit:

Nach den spanischen Umsetzungsvorschriften zur ge-nannten RL muÈ ssen die Fernsehveranstalter 5% ihrerBetriebseinnahmen des Vorjahrs fuÈ r die Herstellung¹europaÈ ischer Filmeª verwenden, wovon 60% fuÈ r Werkebestimmt sind, die in einer der Amtssprachen Spaniensgedreht wurden.

Der Verband der gewerblichen Fernsehanbieter(UTECA fuÈ r UnioÂn de Televisiones Comerciales Asocia-das) sah darin einen Verstoû gegen das Gemeinschafts-recht, woruÈ ber der EuGH zu Recht erkannte:

1. Die RL regelt nicht die Frage, inwieweit ein MS sei-nen Fernsehveranstaltern vorschreiben kann, einen Teilihrer Betriebseinnahmen auf die Vorfinanzierung be-stimmter Filme zu verwenden. Dies kann jedenfalls nichtaus den Art 4 und 5 der RL abgeleitet werden.

Art 3/1 der RL ermaÈchtigt die MS, ihren Fernsehveran-staltern in den von der RL geregelten Bereichen strengereVerpflichtungen aufzuerlegen (Urteile ARD, Rdn 49 undCorporacioÂn DermoesteÂtica, Rdn 31).

Die RL sieht keine Rechtsvereinheitlichung in den vonihr geregelten Bereichen, sondern schreibt nur Mindest-normen vor, denen in der Gemeinschaft ausgestrahlteFernsehsendungen entsprechen muÈ ssen (Urteile Leclerc-Siplec, Rdn 29, 44; De Agostini und TV-Shop, Rdn 3).

Somit sind die MS befugt, Maûnahmen in den von derRL erfassten Bereichen zu treffen, sofern diese die ver-traglich verbuÈ rgten Grundfreiheiten beachten.

Hingegen stellt die fragliche Maûnahme eine Be-schraÈnkung des freien Dienstleistungsverkehrs, der Nie-derlassungsfreiheit, des freien Kapitalverkehrs und derArbeitnehmerfreizuÈ gigkeit dar.

Diese BeschraÈnkungen sind aber aus hoÈherrangigenGruÈ nden des Allgemeininteresses gerechtfertigt: DerSchutz und die FoÈrderung einer oder mehrerer Amts-sprachen eines MS wurde bereits wiederholt als ein der-artiger Grund anerkannt (Urteile Groener, Rdn 19 undUnited Pan-Europe Communications Belgium ua, Rdn43). Auch der ErwaÈgungsgrund 26 der genannten Fern-sehRL und der ErwaÈgungsgrund 44 ihrer AÈ nderungsRL97/36 haben dieses Ziel als gerechtfertigt anerkannt.

Diese Verpflichtung ist auch verhaÈltnismaÈûig, weil sieeinerseits geeignet ist, die Erreichung des gestecktenZiels sicherzustellen und andererseits nicht daruÈ ber hin-

Rechtsprechung/Europarecht

wbl2009, Heft 6Juni 293

# Springer-Verlag 2009

*) S dazu den Beitrag von Schuhmacher F., in diesem Heft der wbl, 273 ff.