Wie viel Pflege braucht ein Sterbender? · werden Menschen angetroffen, die sich bereits in der...
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Projektarbeit im Rahmen des Interprofessionellen
Basislehrgangs Palliative Care in Graz 2014/15
Wie viel „Pflege“ braucht ein Sterbender?
Projektteam: Notburga Auner
Claudia Gelter
Herbert König
Andrea Makotschnig
Elisabeth Miedl
Isabella Moritzer
Projektbegleitung: Erich Baumgartner
Abgabetermin: 26.05.2015
Wie viel „Pflege“ braucht ein Sterbender
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Gehe ich vor dir, dann weiß ich nicht,
ob ich dich auf den richtigen Weg bringe.
Gehst du vor mir, dann weiß ich nicht,
ob du mich auf den richtigen Weg bringst.
Gehe ich neben dir
werden wir gemeinsam den richtigen Weg finden.
aus Südafrika
Danksagung
Wir wollen uns auch ganz besonders beim Team der Lehrgangsleitung des
Interprofessionellen Basislehrgangs Palliative Care bedanken, das mit viel
Engagement gearbeitet hat, allen voran bei unserem Projekt-Begleiter Erich
Baumgartner, der uns mit Rat und Tat zur Seite stand.
Das Bild der Titelseite stammt von dem Fotografen mit dem Nickname „briep“,
gepostet auf der Internetsite http://www.wetter-foto.de
Gleichbehandlungsgrundsatz
Zur erleichterten Schreibweise und Leseart haben wir von einer „Genderung“ der
Sprache abgesehen. Wir betonen ausdrücklich, dass dem keinerlei Diskriminierung
zugrunde liegt.
Wie viel „Pflege“ braucht ein Sterbender
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Inhaltsverzeichnis
1.Vorwort ..................................................................................................................... 4
2. Vorstellung des Teams ............................................................................................ 5
3. Ausgangssituation ................................................................................................. 10
4. Klinische Faktoren ................................................................................................. 12
5. Phasen des Sterbeprozesses ................................................................................ 16
6. End-of-Life Care – was die Pflege wissen sollte .................................................... 20
7. Kommunikation mit Sterbenden ............................................................................ 26
8. Begleitung der Angehörigen .................................................................................. 31
9. Bedürfnisse Sterbender ......................................................................................... 43
10. Resümee ............................................................................................................. 49
11. Literaturliste ......................................................................................................... 51
12. Anhang: Folder .................................................................................................... 53
Wie viel „Pflege“ braucht ein Sterbender
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1.Vorwort
von Herbert König, Andrea Makotschnig und Isabella Moritzer
Im Basislehrgang Palliative Care gab es neben den Informationen durch die
Vortragenden in den Pausen einen regen Erfahrungsaustausch zwischen uns
Kursteilnehmern. Das war besonders spannend, da dieser institutionsübergreifende
Kommunikationsweg im beruflichen Alltag nicht zur Verfügung steht. Nach einigen
„Wie macht ihr das?“-Fragen nahm ein besonderes Problemfeld Gestalt an: In den
letzten Lebenstagen und -stunden ändern sich die Bedürfnisse unserer Patienten
nicht mehr quantitativ sondern qualitativ. Zum Beispiel möchten sie nicht mehr viel
oder wenig essen – sie möchten gar nichts essen. Hierbei kommt es immer wieder
zu Differenzen mit den institutionellen Rahmenbedingungen, mit den Angehörigen
und auch innerhalb und zwischen den Berufsgruppen. Auf diesen Umstand
aufmerksam geworden, ließen sich immer mehr Puzzleteile in diesen Themenkreis
einordnen.
Aus Sicht der Pflege scheint es uns notwendig, den Sterbenden in seiner Ganzheit
zu erfassen und individuell zu entscheiden, was er benötigt. Im Vordergrund stehen
seine Bedürfnisse. Bei allen Tätigkeiten, ob pflegerisch oder nicht, ist abzuwägen, ob
diese überhaupt noch notwendig sind oder ob sie nicht eine Art Belastung für den
Patienten darstellen. Meistens benötigen Sterbende in der finalen Phase kaum noch
pflegerische Interventionen. Oft gilt es sich den Angehörigen zuzuwenden, die durch
offene, aufklärende Gespräche von uns Unterstützung erfahren.
Wann entscheidet man wie? In der letzten Lebensphase, in welcher der Patient sehr
viel schläft, schon komatös oder manchmal auch unruhig ist, sich vielleicht abdeckt
beziehungsweise auszieht, bereits Atempausen hat, immer spitzere Gesichtszüge
zeigt, ist es an der Zeit, Routinetätigkeiten einzustellen und individuell zu
entscheiden, welche Maßnahmen durchzuführen sind.
Eine erfahrenere Kollegin hat es einmal so ausgedrückt: „Wenn der Sterbende in der
finalen Phase ruhig ist, scheinbar schläft, einen zufriedenen Gesichtsausdruck hat
und sich sichtlich wohl fühlt, dann sollte man ihn nicht immer und immer wieder aus
dem gerade begonnenen Sterbeprozess herausreißen!“
Klarerweise braucht es hier viel Fingerspitzengefühl und eine gute Kommunikation im
interprofessionellen Team um Entscheidungen zum Besten des Patienten zu treffen.
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2. Vorstellung des Teams
Aus alphabetischen Gründen darf ich die Vorstellungsrunde unserer Arbeitsgruppe
beginnen. Mein Name ist Notburga Auner, ich habe in Graz und Wien Medizin
studiert, die Ausbildung zur Ärztin für Allgemeinmedizin absolviert und in diversen
Spitälern als Sekundarärztin gearbeitet. Nach ein paar Jahren „Medizinpause“ habe
ich einen Wiedereinstieg gewagt und bin nun auf der Onkologie des
Landeskrankenhauses in Salzburg tätig. Die Fragen nach dem Lebensende und der
bestmöglichen Lebensqualität der verbleibenden Zeit stellen sich in diesem
Fachbereich ganz automatisch. Da ich selbst keine persönlichen Erfahrungen in der
Begleitung Schwerstkranker oder Sterbender hatte, ist es mir ein Anliegen im
Basislehrgang für Palliative Care Rat und Hilfe für den Umgang mit meinen Patienten
zu bekommen. Ich erwarte mir von unserer gemeinsamen Arbeit Klarheit und
Entscheidungshilfe für die zukünftige Betreuung unserer Patienten. Gleichzeitig bin
ich für die intensiven Kontakte und den Erfahrungsaustausch mit den anderen
Teammitgliedern sehr dankbar!
Mein Name ist Claudia Gelter, ich bin 38 Jahre und arbeite seit 2009 im Mobilen
Palliativteam Rottenmann/Liezen als Dipl. Soz. Arbeiterin.
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Meine aktuelle berufliche Tätigkeit liegt einem Zufall oder Schicksal zu Grunde.
Mein Vater wurde nach einem Sturz vom Dach zum Wachkomapatient. Völlig
gelähmt, überwacht von Monitoren. Seine Augen hatten einen leeren Blick.
Ich war damals hochschwanger und völlig überfordert.
Für mich als Angehörige begann ein up and down der Emotionen.
Leben oder Sterben?
Mein Bruder war 11 Jahre und bei den Besuchen unseres Vaters immer an meiner
Seite. Wir sprachen mit ihm völlig normal, den gesundheitlichen Zustand versuchten
wir auszublenden und wir waren davon überzeugt, dass er alles verstehen würde.
Diese gemeinsame Zeit war so unendlich schön und wichtig für uns drei.
Nach stabilen 9 Monaten auf der Station verschlechterte sich sein Zustand rapide, es
kam eine Lungenentzündung und eine Hirnblutung dazu. Für uns Kinder der nächste
Schock und zugleich bereits die Vorahnung, er könnte sterben.
Aufgrund meiner Schwangerschaft wurde mir vom Krankenhauspersonal mitgeteilt,
ich darf meinen Vater nicht mehr besuchen. „Es schadet ihm und mir!“ Zitat Ende.
Alles was mir noch blieb, war die Hoffnung und das Beten. Er starb mit 49 Jahren im
Sommer 2003.
Es lagen 300 km zwischen uns und der administrative Weg der Aufbahrung und
Beerdigung nahm seinen Lauf und ich konnte mich nicht mehr von ihm
verabschieden. Leider!
Die Fragen: Warum gerade du? Warum jetzt? begleiteten mich Monate, fast Jahre.
Ich fand keine definitive Antwort darauf. Einfache Floskeln waren mir zu wenig. Da
waren mir die Stille und keine Antwort noch lieber.
Die Jahre vergingen – die Zeit heilt „fast“ alle Wunden und im Jahr 2009 bekam ich
das Jobangebot im Mobilen Palliativteam und in weiterer Folge die Funktion als
Schnittstelle im internen und externen Sozialbereich der Palliativeinheit mit 4 Betten
im LKH Rottenmann übertragen. – Zufall? Oder Berufung?
Es folgten einige Seminare und Ausbildungen zu diesem Spezialgebiet.
Das „Leben“ bekam einen anderen Stellenwert für mich.
In meiner Tätigkeit als Patienten- und Angehörigenbegleiterin werden mir ähnliche
Fragen gestellt, die ich mir damals selbst stellte. Die Antworten darauf sind individuell
verschieden. Verbal oder nonverbal, beides ist möglich und richtig.
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Meine berufliche Tätigkeit lässt mich wachsen und im Umgang mit der täglichen
Frage – Wie viel „Pflege“ braucht ein Sterbender? – immer wieder aufs Neue
agieren. Das macht es spannend und interessant!
Vielleicht habe ich mich genau aus diesem Grund dem Thema angeschlossen, um
den dritten, ebenso wichtigen Baustein „psychosoziale Betreuung (Pflege)“ neben
den medizinisch-pflegerischen Schritten als Bestandteil der Begleitung zu
thematisieren.
Mein Name ist Herbert König und ich arbeite als diplomierter Krankenpfleger seit
zwei Jahren an der Palliativstation im Klinikum Klagenfurt am Wörthersee. Meine
Station hat Kapazität für vierzehn Patienten, wobei sich unser Klientel aus
Palliativpatienten und bis zu zwei stationären Schmerzpatienten zusammensetzt.
Direkt an die Station angeschlossen ist eine Tagesklinik für Schmerzpatienten.
Ich hatte das Glück, die Palliativstation kennen zu lernen, während ich noch im
Bereich für chronisch Kranke (Langzeitstation der Geriatrie) tätig war. Beeindruckt
von der emotionalen Nähe zum Patienten und dem – für mich damals überraschend
anderem – Zugang zum Sterben, suchte ich um Versetzung dorthin an.
Als ich dann dort zu arbeiten begann, war ich sogleich mit einigen spezifischen
Ausdrücken konfrontiert: Palliative Care, End-of-Life Care, Terminal-, Präterminal-,
Final- und Präfinalphase, …
Da die Einteilung in verschiedene Phasen des Sterbeprozesses trotz aller
Individualität weitreichende Bedeutung hat, habe ich mich für dieses Thema
entschieden.
Mein Name ist Andrea Makotschnig. Ich bin Krankenschwester und seit nunmehr
fünf Jahren mit einem Beschäftigungsausmaß von 50% im Palliativkonsiliardienst,
kurz PKD, des LKH Hochsteiermark (Standort Leoben und Bruck) tätig. Von Beginn
an war ich mir dieser verantwortungsvollen und mitunter herausfordernden Aufgabe
bewusst und fühlte mich bereit, Menschen und ihre Familien auf dem letzten
Abschnitt ihres Weges zu begleiten und zu unterstützen. Jede einzelne Begegnung
lehrte mich Achtsamkeit und hat mein eigenes Leben bereichert. Dafür bin ich sehr
dankbar!
Die tägliche Arbeit führt mich und mein Team auf alle Abteilungen des Hauses –
meist schon beim Betreten der Stationen herrscht vielerorts rege Betriebsamkeit und
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man versucht jemanden zu erwischen, der den Patienten kennt oder zumindest für
den heutigen Tag zuständig ist. Die Anforderungsgründe sind vielfältig und oft
werden Menschen angetroffen, die sich bereits in der Terminal- bzw. Finalphase
befinden.
Das Auftauchen der Frage wie viel Pflege ein Sterbender wirklich braucht, liegt
meinen Beobachtungen zugrunde, dass Pflegepersonal auf Nicht-Palliativstationen
sterbende Menschen „überpflegt“, weil einerseits der aktuelle Zustand nicht als
terminal erkannt wird und andererseits Pflegepläne eingehalten werden müssen. Der
Leitfaden soll den Professionisten vor Ort als Orientierung dienen und
Argumentationen erleichtern, das pflegerische Handeln der finalen Phase
anzupassen.
Mein Name ist Elisabeth Miedl, ich bin 34 Jahre alt und arbeite auf der
Palliativstation am LKH Hochsteiermark seit etwas mehr als 2½ Jahren. Die Station
führt 8 Betten und betreut vorwiegend onkologische und hämato-onkologische
Patienten. Das Begleiten und Betreuen von schwerkranken und sterbenden
Patienten, sowie deren Angehörigen stellt für mich eine sehr erfüllende Aufgabe dar,
ist jedoch auch eine ständige, große Herausforderung, da jeder Mensch einzigartig
ist und seine Bedürfnisse individuell sind.
Das Thema "Wie viel Pflege braucht ein Sterbender" habe ich gewählt, da für mich
die adäquate Versorgung des Menschen unmittelbar vor dem bevorstehenden Tod
einen sehr wichtigen Teil meiner Tätigkeit auf der Palliativstation ausmacht und ich
mein Wissen im Rahmen dieser Arbeit vertiefen möchte.
Mein Name ist Isabella Moritzer, ich bin 30 Jahre alt. Ich arbeite als DGKS im
Bezirkskrankenhaus Lienz in Osttirol an der Station für innere Medizin mit
Schwerpunkt Hämatologie und Pulmologie mit einer integrierten Palliativeinheit. Die
an die Station angegliederte Palliativeinheit besteht aus zwei Zimmern mit je zwei
Betten. Vorwiegend werden an der Palliativeinheit onkologische, hämato-
onkologische und pulmologische Patienten betreut.
Als ich nach 1½ Jahren Berufserfahrung an der Chirurgie das Krankenhaus
wechselte, wollte ich unbedingt wieder auf einer Chirurgie arbeiten. Ich musste
jedoch für 3 Monate aushelfen – an der Station, wo ich nach wie vor arbeite. Ehrlich
gesagt hatte ich Angst davor, da ich wusste, dass ich mich mit sehr ernsten Themen
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wie bösartige Erkrankung, Tod, Sterben und Trauer beschäftigen musste. Ich
haderte mit mir selbst, da ich mir nie vorstellen konnte mit ausschließlich
schwerkranken Patienten zu arbeiten. Dies hatte auch private Gründe, da ich nur
kurze Zeit vorher meine Cousine und gute Freundin durch Krebs verlor. Mittlerweile
arbeite ich seit über 2 Jahren dort und weiß jetzt, dass mir nichts Besseres hätte
passieren können. Ich habe durch meine Arbeit für mein Leben gelernt und weiß
jetzt, wie wichtig und wertvoll meine Aufgabe ist. Es geht nicht immer nur darum,
alles richtig zu machen. Es geht vielmehr um Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit den
Patienten und den uns Anvertrauten gegenüber.
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3. Ausgangssituation
von Andrea Makotschnig
Immer noch scheint es so, als gäbe es für sterbende Menschen im institutionellen
Bereich nicht ausreichend „Raum“, der dieser Phase des Lebens gerecht würde. Der
Tod ist nicht gerne gesehen. Hochleistungsmedizin, immer wieder neue Methoden
und Therapien, die entwickelt werden, verleiten zu „Allmachtsgedanken“. Und meist
wird auch alles getan… Auch dann noch, wenn sichtbar wird, dass trotz zahlreicher
Interventionen und gesetzter Maßnahmen der erwartete Erfolg ausbleibt. Spätestens
jetzt ist es an der Zeit, sein Tun zu hinterfragen…
Und Fragen zu stellen nach sinnvollen Maßnahmen, Umgang mit Ernährung und
Flüssigkeitszufuhr, Lagerungen, Wäschewechsel, Kontrollen von Vitalzeichen,
Stuhlsorge etc.
Wissen die Angehörigen um den Zustand des Patienten? Welche Wünsche sind
noch offen?
Und im Zuge der Beantwortung all dieser Fragen reduziert sich nach und nach das
Mögliche auf das Sinnvolle. All jene, die rund um den Patienten beschäftigt sind
merken, dass es leichter fällt, die unter dem Deckmantel der Betriebsamkeit und
Routine getroffenen Maßnahmen fortzuführen und etwas zu tun, anstatt einen Schritt
zurückzumachen, was die Sicht frei gäbe für Einfühlung und Reflexion und um zu
ergründen, was nicht mehr um jeden Preis getan werden muss.
Besonders die Pflege sieht und fühlt sich an diesem Punkt mit ihrem
Verantwortungsbewusstsein konfrontiert. Die stetige Verpflichtung zur Einhaltung von
Normen und Standards, was alles, wie, in welchen Abständen, womit und von wem
gemacht werden soll, lässt außer Acht, was nicht mehr um jeden Preis getan werden
muss. Leitbilder, Richtlinien und Standards sind gut und sinnvoll, solange sie Raum
für Individualität lassen. Die radikale Orientierung am Patienten und ausschließlich
seinen Bedürfnissen ist unser einziger Auftrag, dem wir in der Betreuung
Schwerkranker und Sterbender Folge zu leisten haben.
Die wiederholte Konfrontation mit immer wieder denselben Fragen ließ die Idee
entstehen, unser Wissen und unsere Erfahrungen auf diesem Gebiet zu sammeln, zu
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beleuchten, zu vertiefen und auch zu hinterfragen. Wir wollen versuchen das Nicht-
fassbare, welches uns oftmals schon sehr früh Aufschluss über den wahren Zustand
des Patienten gibt, fassbarer zu machen. Weg von einer intuitiven, vagen
Beschreibung: „Herr X, Frau Y gefällt mir nicht“ hin zu einer konkreten, fundierten
Argumentation.
Wir stellen uns der Frage: „Wie viel „Pflege“ braucht ein Sterbender?“ und wollen am
Ende unserer Arbeit einen Leitfaden in Händen halten, der uns hilft, das Nicht-
fassbare fassbar und das Unbenennbare benennbar zu machen.
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4. Klinische Faktoren
von Notburga Auner und Herbert König
Palliative Care zeichnet sich in besonderer Weise dadurch aus, dass die Betreuung
der anvertrauten Patienten durch ein multiprofessionelles Team erfolgt. Der Patient
soll nicht nur eine effiziente Therapie sondern auch Trost und Begleitung erfahren.
Auch das Einbeziehen der Angehörigen ist fester Bestandteil dieses
Betreuungskonzeptes.
Zur klaren Zielsetzung einzelner palliativer Maßnahmen ist es hilfreich, die konkreten
Umstände des Patienten vor Augen zu haben und zu definieren, in welchem Zustand
er sich befindet. Es hat sich bewährt, die letzte Lebenszeit eines Menschen, der an
einer unheilbaren Krankheit leidet, in vier Abschnitte einzuteilen. (vgl. Schmoller et al,
2012, S. 404-405) Im Kapitel 5 der vorliegenden Arbeit soll auf die einzelnen Phasen
des Sterbeprozesses und deren Charakteristika eingegangen werden.
Der Fokus unserer Arbeit richtet sich auf den allerletzten Lebensabschnitt, die
Sterbephase und die Anforderungen, die in dieser Zeit an das betreuende
Palliativteam gestellt werden.
Erfahrene Ärzte und Pflegende betonen, wie schwierig es ist, mit Sicherheit den
Zeitpunkt zu erkennen, wann der Patient in die letzte Phase seines Lebens
eingetreten ist. In einem Spital in England wurde der Eintritt in die letzten 24 Stunden
in mehr als der Hälfte der Fälle nicht erkannt. (vgl. Glare et al 2011, S. 33) Immer
wieder zeigt sich, dass Patienten, bei denen man den Todeseintritt in einem
absehbaren Zeitraum erwartet hatte, im Gegenteil sich unerwartet bedeutend
gebessert haben. Dabei stellt sich die Frage, wodurch der Eintritt in die Finalphase
diagnostiziert und mit Sicherheit erkannt werden kann. Es ist auffallend, dass die
Symptome der Terminalzeit eines Menschen nahezu unabhängig davon sind welche
die ursprüngliche Erkrankung war. (vgl. Roller 2006, S. 168 ff)
Führendes Symptom ist die Schwäche (82%), gefolgt von Schmerzen (42%),
motorische Unruhe (22%), Dyspnoe (20%) und anderen (Übelkeit, Bewusstseins-
störungen, Rasselatmung, Delir, Mundtrockenheit, Obstipation usw.). Die Zahlen
variieren jedoch in verschiedenen Studien. So gibt Radbruch bei fortgeschrittenen
Tumorerkrankungen Schmerz mit 82% als häufigstes Symptom an, gefolgt von Angst
(28%), Dyspnoe (20%) und Depression (20%). (vgl. Radbruch et al 2003, S. 442-
451) Meist liegen die Patienten in den letzten Stunden ihres Lebens mit
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geschlossenen Augen im Bett und sind einer verbalen Kommunikation nicht mehr
zugänglich. Häufig ist das Atmen erschwert und verlangsamt, in seinem Rhythmus
verändert. Auch wenn es den Anschein hat, dass das Bewusstsein stark
eingeschränkt ist, so geben die immer zahlreicher werdenden Berichte über
Nahtoderlebnisse Aufschluss darüber, dass niemand unbewusst stirbt. So bleibt den
Außenstehenden immer nur die Hoffnung, Maßnahmen zu setzen, die für den letzten
Gang des Menschen hilfreich sind und seine Würde erhalten. Wie in der Medizin
allgemein, so ist auch im letzten Lebensabschnitt des Menschen seine Befindlichkeit,
sind seine Bedürfnisse maßgebend für Therapieentscheidungen. Eine
vorangegangene gute Kommunikation mit dem Patienten und den Angehörigen ist
dabei unerlässlich. Bei 75% der Sterbenden ist erst zwei Tage vor dem Tod das
Bewusstsein eingeschränkt (vgl. Roller 2006, S. 169). Das bedeutet, dass es sehr
lange möglich ist, in Gesprächen die Wertvorstellungen und individuellen Bedürfnisse
zu erfahren, die dann in konkrete Therapieentscheidungen einfließen. Von
medizinischer Seite wird dann eine optimale Symptomkontrolle angestrebt.
Ein erster Schritt führt dazu, Medikamente, die in der Finalphase keine Bedeutung
mehr haben, zu minimieren. Dazu gehören Herz-Kreislaufmedikamente,
Antidiabetika, Antidepressiva, künstliche Ernährung aber auch aufwändige
Infusionstherapien. Die rechtzeitige Reduktion von Flüssigkeitszufuhr kann auch
helfen, die terminale Rasselatmung zu verhindern. Dieses Vorgehen mit einem
Behandlungsabbruch im eigentlichen Sinn des Wortes gleichzusetzen, wäre falsch.
Es treten eben andere medizinische Ziele, wie ausreichende Schmerztherapie,
Bekämpfung der Atemnot oder Sedierung in den Vordergrund. In einer
Angehörigenbefragung wurde festgestellt, dass bei der ärztlichen Betreuung der
Patienten in der Terminalphase einerseits therapeutischer Übereifer und andererseits
eine unzureichende Schmerzbehandlung beobachtet wurden. Beides empfinden
Angehörige als sehr belastend. Es bedarf ärztlicher Erfahrung aber auch
menschlichem Einfühlungsvermögen, die richtigen Therapieentscheide zu treffen.
Meist sind dafür Gespräche mit den Patienten und den Angehörigen und die
interprofessionelle Zusammenarbeit notwendige Voraussetzung.
(vgl. Schumacher und Schneider 2010, S. 123)
Kann der Patient nicht mehr schlucken, muss auf die subkutane Applikation
übergegangen werden. Praktisch alle Medikamente, die in der Finalphase in
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sinnvoller Weise zum Einsatz kommen, sind in NaCl 0,9% löslich und können injiziert
werden.
Wichtige Medikamente in der Finalphase (vgl. Roller 2006, S. 170):
Symptom Medikament
Schmerzen Morphin s.c. (20%Tagesdosis)
Unruhe/Angst/Krampfanfall Alprazolam, Midazolam s.c.
Delir Haloperidol s.c.
Übelkeit/Erbrechen Metoclopramid, Haloperidol, Levomepromazin,
Ondansetron, Dexamethason s.c.
Atemnot Morphin, Lorazepam, Midazolam, Steroide
Terminale Rasselatmung N-Butyl-Scopolamin, Hyoscin-N-butylbromid
Blutsturz/Notsituation Morphin, Midazolam i.v. oder Promethazin-Infusion od.
Morphin+Midazolam bis ausreichende Sedierung
Die parenterale Flüssigkeitssubstitution in der Finalphase wird in der Literatur
kontroversiell beurteilt. Es gibt Argumente, die für eine Flüssigkeitszufuhr sprechen,
andere dagegen. Bisher gibt es keinen eindeutig wissenschaftlich begründeten
Nachweis, der für die eine oder andere Vorgehensweise sprechen würde. Daher ist
in jedem Fall eine individuelle Entscheidung notwendig.
(vgl. Husebø und Klaschik 2009, S. 295 ff)
Auch als Außenstehende können wir – natürlich – die Qualität einer Sterbestunde
intuitiv erfassen. Aber es sollte uns bewusst sein, dass es Bereiche gibt, wo wir dem
Sterbenden nicht folgen können – wo er vielleicht ein Leid erlebt, das wir
pharmakologisch nicht zu beeinflussen vermögen. (Aulbert und Zech 2000, S. 684)
Gerade weil das Sterben jeweils immer individuell ist, und auch nicht probeweise
durchlaufen werden kann, ist es uns palliativen Begleitern ein vorrangiges Anliegen,
eine optimale Rahmenbedingung zu schaffen.
Zusammenfassend müssen wir anerkennen, dass alle medizinischen Maßnahmen
am äußersten Lebensende in bestimmtem Maße ungewiss bleiben.
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Zusammenfassung der finalen Symptome und der ungefähre Zeitpunkt des
Auftretens vor dem Tod und prozentueller Anteil der betroffenen Patienten (palliative
Patienten mit Karzinom):
Bettlägerigkeit (Schwäche) 4-7 Tage
Flüssigkeiten, nur mehr schluckweise 48 Std.
Semikomatös, nur mehr Mundpflege 24 Std.
Unruhe (Schmerz, Delir, Angst) 48 Std. 42% - 52%1
Atemnot 48 Std. 17% - 36%1
Nicht abgehustetes Sekret (Todesrasseln) 48 Std. 75%2
„Marmorierte“ Extremitäten 48 Std.
(1vgl. Glare et al 2011, S. 34, 2vgl. Wildiers und Menten 2002, S. 317)
Symptome wie Obstipation, Harnretention, Schluckstörung, Ödeme, Schmerz,
Gewichtsverlust, Schwäche, Übelkeit können im Krankheitsverlauf schon früher
auftreten.
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5. Phasen des Sterbeprozesses
von Herbert König
In diesem Kapitel möchte ich ausschließlich auf die somatischen Phasen des Sterbe-
prozesses und deren Bedeutung eingehen. Die psychische Seite dieses Lebens-
abschnittes wurde bereits in diversen anderen Arbeiten beschrieben.
Kann man den Zeitpunkt des Todes abschätzen?
Jein!
Die genaue Stunde zu wissen ist natürlich unmöglich! Dennoch wissen Menschen,
welche oft mit dem Sterben konfrontiert sind, dass es sehr wohl Anzeichen gibt
(siehe Kapitel 4) und dass diese klinischen Faktoren, verbunden mit Erfahrung oft
eine sehr genaue Einschätzung der Situation ermöglichen. Die Suche nach
objektiven Kriterien nahmen sich auch einige Wissenschaftler zum Thema, um
dieses Gefühl, diese Intuition greifbar zu machen. Von Ingrid Jonen-Thielemann gibt
es eine Definition der letzten Lebensphasen, aus Japan den PPI (Palliative
Prognostic Index, von T. Morita weiterentwickelt), von M. Maltoni den PaP Score
(Palliative Prognostic Score), den ECOG Performance Status (Eastern Cooperative
Cancer Group) und die Karnofsky-Skala (Karnofsky Performance Score).
Macht eine Prognose bzw. eine Einteilung des Sterbeprozesses in Phasen
überhaupt Sinn?
Diese Frage ist eindeutig mit JA zu beantworten, da hiervon eine Vielzahl von Ent-
scheidungen abhängen, welche für den Patienten und eine gute, ganzheitliche
Betreuung wichtig sind. (vgl. Glare et al 2004, S. 4823 und Maltoni et al 2005, S.
6240)
Bedeutung einer Prognose für den Patienten und dessen Angehörige:
Oft wird die Frage „Herr Doktor, wie lange habe ich noch?“ gestellt.
Angehörige möchten beim Sterben begleiten, schaffen es aber nicht, über
längere Zeit anwesend zu sein.
Planung und Regelung persönlicher Angelegenheiten.
Antrag auf Pflegekarenz.
Ich habe an meiner Station bereits zwei Trauungen von Paaren, welche bis dahin in
Lebensgemeinschaft lebten, begleitet.
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Bedeutung einer Prognose für den Arzt:
Vermeidung von konsequenzloser Diagnostik (z.B. Blutabnahmen,
Vitalzeichenkontrollen).
Adaptation der medikamentösen Therapie.
Beenden einer nicht mehr benötigten Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr.
Finale Sedierung auf Wunsch des Patienten.
Verhinderung von unnötigen Spitalseinweisungen.
Bedeutung einer Prognose für die Pflege und Sozialarbeit:
Organisation der benötigten Unterstützung für Angehörige, wenn der Patient
zu Hause sterben möchte.
Vorbereitung von kulturspezifischen Ritualen.
Vermeidung von Pflegehandlungen, welche zu belastend sind.
Wissen der Gründe der ärztlichen Entscheidungen, falls vom Patienten oder
Angehörigen Fragen kommen.
Zwei ausgewählte Modelle der Phasen des Sterbeprozesses
Definition der letzten Lebensphasen von Ingrid Jonen-Thielemann (Tabelle aus
Aulbert et al 2007, S. 1020):
1. Rehabilitationsphase
Aktivität: weitgehend normales gesellschaftliches Leben trotz fortgeschrittener
Krankheit
Prognose: viele Monate bis Jahre
2. Präterminalphase
Aktivität: eingeschränkte Möglichkeiten des aktiven Lebens
Prognose: mehrere Wochen bis Monate
3. Terminalphase
Aktivität: Bettlägerigkeit, oft Rückzug nach innen oder Ruhelosigkeit
Prognose: wenige Tage bis eine Woche
4. Finalphase
Aktivität: …, Mensch „liegt im Sterben“, Bewusstsein nicht auf Außenwelt
gerichtet
Prognose: einige Stunden bis ein Tag
5. Trauerphase der Angehörigen
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PaP Score (Palliative Prognostic Score) von Marco Maltoni:
1. Dyspnoe: nicht präsent: 0 präsent: 1
2. Anorexie: nicht präsent: 0 präsent: 1
3. Klinische Vorhersage der verbleibenden Lebenszeit
> 12 Wochen 0
11 – 12 Wochen 2
9 – 10 Wochen 2,5
7 – 8 Wochen 2,5
5 – 6 Wochen 4,5
3 – 4 Wochen 6
1 – 2 Wochen 8,5
4. Leukozyten (Zellen/mm³)
normal: 4800 – 8500 0
hoch: 8501 – 11000 0,5
sehr hoch: > 11000 1,5
5. Lymphozytenrate (%)
normal: 20% – 40% 0
niedrig: 12% – 19,9% 1
sehr niedrig: < 12% 2,5
6. Karnofsky-Skala
> 50 0
30 – 40 0
10 – 20 2,5
Der PaP Score gibt eine 30-Tage-Überlebenswahrscheinlichkeit in % an:
PaP Score 0 – 5,5 > 70%
PaP Score 5,6 – 11 30% – 70%
PaP Score 11,1 – 17,5 < 30%
(Tabelle aus Maltoni et al 2005, S. 6245)
(Karnofsky-Skala: Salpeter et al 2012, 182)
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Zitate aus der Fachliteratur:
Die einzelnen Phasen haben meist fließende, manchmal jedoch plötzliche
Übergänge. Der Wechsel einer Phase zur anderen bedeutet in der Regel eine
sichtbare weitere Annäherung an den Tod, aber es gibt auch unerwartete
Besserungen und somit zurückgehende Krankheitsentwicklung. (Aulbert et al 2007,
S. 1020)
Eine genaue Prognose ist aus mehreren Gründen wichtig, z.B.:
um die Patienten und deren Familien mit Informationen über die
wahrscheinliche Zukunft zu versorgen, so dass sie ihre Ziele, Prioritäten und
Erwartungen an die Pflege formulieren können;
um Patienten helfen zu können, ihre Einstellung zum Sterben zu entwickeln;
um Ärzte bei ihren Entscheidungen zu unterstützen;
um ähnliche Krankheitsverläufe vergleichen zu können;
um den Anspruch auf Versorgungsprogramme zu begründen, besonders die
rechtzeitige Überweisung in Hospizprogramme;
um den Anspruch auf klinische Studien zu begründen;
um Maßnahmen der Versicherungsträger zu begründen, besonders die
Bewilligung von Ressourcenzuwendungen und der Zuteilung von
Unterstützungsdiensten (z.B. Häufigkeit der Besuche von mobilen Diensten);
und um eine gemeinsame Sprache für Gesundheitsdienste, welche in die End-
of-Life Care eingebunden sind, zu haben.
(Glare et al 2004, S. 4823)
Wichtige Entscheidungen müssen getroffen werden, ehe es zu spät ist. Viele sind
der Meinung, es sei schwierig vorauszusagen, wann ein Patient sterben wird. Eine
solche Beurteilung hat aber eine große Bedeutung. Der Patient und die Angehörigen
könnten vorbereitet und wichtige Fragen könnten erörtert werden, während man
dafür noch Zeit hat. Entscheidungen über die Priorität verschiedener Behandlungen
könnten geklärt werden, während der Patient noch dazu Stellung nehmen kann.
Unnötige Behandlungen oder Einweisungen könnten vermieden werden. (Husebø B.,
Husebø S. 2015, S. 5).
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6. End-of-Life Care – was die Pflege wissen sollte
von Elisabeth Miedl
In der Palliativpflege gibt es keine Pauschalaussagen, was richtig oder falsch, gut
oder schlecht ist. Was für den einen Patienten hilfreich ist, muss dem Nächsten nicht
ebenfalls gut tun. Es gilt, jede Situation, jeden Tag – oft sogar mehrmals – mit
„neuen“ Augen zu betrachten, die Bedürfnisse des Betreffenden zu erfragen
und/oder wahrzunehmen und, individuell auf diesen Menschen zugeschnitten, die
Entscheidung über die Handlung oder deren Unterlassung zu fällen, indem jeweils
auch Nutzen und Schaden der Maßnahme gegeneinander aufgewogen werden. (vgl.
Kränzle, Schmid, Seeger 2011, S. 225)
In diesem Kapitel werden grundlegende Aspekte im Umgang bzw. der Pflege von
sterbenden Patienten angeführt.
Nahrungsaufnahme
Schwerstkranke Menschen verlieren das Interesse am Essen, meist sind es nur noch
einzelne Lieblingsspeisen, die sie oft nur in geringen Mengen zu sich nehmen.
Besonders bewährt hat sich Vanille- oder Zitroneneis.
In dieser Phase kann Ernährung sogar eine zusätzliche Belastung für den Menschen
darstellen, weil sich der Organismus auf allen Ebenen auf den Tod vorbereitet.
Menschen sterben nicht, weil sie nicht mehr essen und trinken, sondern Menschen
essen und trinken nicht mehr, weil sie sterben.
(Loewit 2014, S. 9)
Flüssigkeitsbedarf
Fast immer stellt sich die Frage: Flüssigkeitssubstitution ja oder nein? Auch hier gibt
es keine allgemein gültige Antwort. Die Frage muss lauten: Verbessert die
Flüssigkeitszufuhr die Lebensqualität des Patienten? Zeigen sich während einer
Infusionstherapie belastende Symptome wie Ödembildung, Aszites oder Dyspnoe, so
sollte diese reduziert bzw. beendet werden.
Wichtig dabei ist auch immer die Aufklärung und Miteinbeziehung der Angehörigen.
Wie viel „Pflege“ braucht ein Sterbender
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Es gibt definitiv auch positive Effekte der terminalen Dehydrierung:
Anstieg körpereigener Endorphine, die schmerzlindernd wirken
Herabsetzung der Bronchialsekretion vermindert Husten, Schleimbildung und
Lungenödem
Verminderung der Diurese erspart dem Patienten eventuell einen
Blasenverweilkatheter
Verminderung der Magensekretion reduziert das Erbrechen
Trockene Mundschleimhaut (Xerostomie)
In der Terminalphase nimmt das Durstgefühl ab. Die Mundtrockenheit kann durch
eine sehr sorgfältige, kontinuierliche Mund- und Lippenpflege gelindert werden.
Möglichkeiten zur Mundpflege:
kleine, gefrorene Fruchtstückchen od. Eiswürfel aus verschiedenen Getränken
Verwendung von synthetischem Speichel
Mundpflege mit Mandelöl, Butter oder Schlagsahne (eine leicht gefettete
Mundschleimhaut kann Feuchtigkeit leichter speichern)
bei Schluckunfähigkeit: Häufiges Anfeuchten der Mundschleimhaut mit
unterschiedlichen Flüssigkeiten, mittels Polygon-Swabs oder Ansprühen der
Mundschleimhaut mit verschiedenen Flüssigkeiten mittels kleiner
Sprühfläschchen
Positiv bei dieser – vielleicht sogar der wichtigsten – Handlung in der Pflege
des sterbenden Menschen, ist es, wenn wir anamnestisch bereits wissen,
welche Vorlieben der Patient hat (Bier, Fruchtsäfte, Cola ...)
Das regelmäßige Befeuchten der Mundhöhle kann leicht von Angehörigen
übernommen werden; diese sind meist dankbar, wenn sie etwas für den
Sterbenden tun können.
Stuhlsorge
Die erste Körperfunktion, die im Sterbeprozess versagt, ist die Verdauung.
Abführmittel und Quellmittel sind in dieser Situation meist nicht mehr angemessen,
da deren Wirkung für den sterbenden Menschen eine große Belastung darstellen.
Sollte der Bauch gespannt und druckempfindlich sein, kann ein behutsamer Einlauf
Erleichterung bringen.
Wie viel „Pflege“ braucht ein Sterbender
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Atmung
Welche pflegerischen Interventionen gibt es um dem Patienten neben der
medikamentösen Therapie die Atmung zu erleichtern?
Atemerleichternde Positionierungen
Atemstimulierende Einreibungen
Kontaktatmung (wichtig dabei ist, dass die Pflegeperson bei ihrem eigenen
Atemrhythmus bleibt)
Fenster öffnen, Ventilator wenn vorhanden, bereitstellen
Ruhe bewahren, den Patienten nicht alleine lassen
(vgl. Nagele und Feichtner 2009, S. 121 ff)
Death Rattle (Todesrasseln) ist eine geräuschvolle Atmung in den letzten Stunden
oder Tagen vor dem Tod, da die Patienten nicht mehr in der Lage sind, Speichel zu
schlucken bzw. abzuhusten. (vgl. Husebø und Klaschik 2003, S. 274)
Was die Pflege darüber wissen sollte:
es handelt sich dabei um eine Sekretansammlung im Oropharynx,
Glottisbereich oder in den Bronchien
eine leichte Halb-Seiten-Position bringt meist eine Reduktion der rasselnden
Atemgeräusche
die Aufklärung der Angehörigen ist extrem wichtig, da diese Geräusche für die
Umwelt sehr belastend sind – mehr als für den Patienten, denn dieser zeigt
meist vollkommen entspannte Gesichtszüge und nimmt selbst davon nichts
mehr wahr
Absaugen bedeutet auch für den komatösen Patienten Stress, zusätzlich
kommt es durch den gesetzten Reiz zu vermehrter Sekretbildung – darum ist
diese Intervention nicht zielführend und zu vermeiden
Lagewechsel/Pflegehandlungen
Es zeugt von Achtung vor dem sterbenden Menschen, sich als Pflegeperson bzw.im
Team zu überlegen, ob die Notwendigkeit bestimmter pflegerischer Maßnahmen in
der finalen Phase gegeben ist. Dabei sind sämtliche Pflegehandlungen bestmöglich
an den Tagesrhythmus des Sterbenden anzupassen.
Durch die Bewegungslosigkeit wissen Sterbende oft nicht wo ihr Körper beginnt und
wo er endet – darum sollten wir vor jeder Umpositionierung Arme und Beine
Wie viel „Pflege“ braucht ein Sterbender
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zunächst einmal nur berühren, damit sie dem Patienten wieder bewusst werden.
Nach dem Verändern der Position, beim Patienten verweilen, bis er sich an die neue
Lage gewöhnt hat. Bei Bedarf vor Umpositionierungen oder der Körperpflege
Schmerzmittel verabreichen.
Jede Verlegung auf eine andere Station oder in einen anderen Raum möglichst
vermeiden, ansonsten mit Gesprächen vorbereiten und begleiten.
Die Durchführung pflegerischer Maßnahmen im finalen Stadium soll höchstens
jeweils 30 Minuten dauern, da es den Patienten sonst zu sehr belastet.
Hautkontakt
Sterbende haben meist eine intensivere Sinneswahrnehmung, da der Sterbeprozess
mit einem vermehrten Rückzug, einer Konzentration nach innen verknüpft ist.
Bewegungen und Berührungen müssen dem schwerkranken Menschen vorab erklärt
werden, Wichtig ist es, nonverbale Signale des Patienten wahrzunehmen und
entsprechend darauf einzugehen.
Es kann sein, dass Berührungen, die vom Patienten zuvor als angenehm empfunden
wurden (z.B. Massagen, Einreibungen) in der Endphase als belastend
wahrgenommen werden.
Wärmeempfinden
Das Wärmeempfinden ändert sich bei Sterbenden (ihnen fehlt die Kraft, eigene
Wärme zu produzieren).
Aufgrund mangelnder Durchblutung bekommen Patienten in der finalen Sterbephase
leicht kalte Hände und Füße – allerdings scheinen die Patienten dieses Auskühlen
der Extremitäten nicht wahrzunehmen.
Wärme wird mit dem Gefühl von Geborgenheit assoziiert. Als angenehm empfunden
werden z.B. Nestlagerungen oder die Wärmezufuhr von außen mittels
Getreidekissen, Wärmeflaschen, Schaffellen oder warmen Socken.
Hören
Der Gehörsinn bleibt bis zum Tod erhalten. Sterbende Menschen hören sehr gut
(Geräusche werden überdeutlich wahrgenommen), deshalb ist es wichtig, laute und
plötzliche Geräusche zu vermeiden.
Wie viel „Pflege“ braucht ein Sterbender
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Sehen
Die Farbwahrnehmung kann bei Patienten in der finalen Sterbephase intensiviert
sein (Farben, die wir gerade noch sehen können, werden von Sterbenden manchmal
als sehr kräftig empfunden). Für die Pflege ist wichtig auf ein eher gedämpftes Licht
zu achten, im Blickfeld des Patienten können z.B. persönliche Dinge oder Bilder
stehen, die dem Patienten wichtig sind und ihm gut tun. (vgl. Nagele und Feichtner
2009, S.54 ff)
Fallbeispiel
von Herbert König
Herr C. kommt von der Hals-, Nasen- u. Ohrenabteilung an unsere Station. Er hat ein
Zungengrundkarzinom mit Lymphknotenmetastasen und ist mit einem Tracheostoma
und einer PEG-Sonde versorgt. Aufnahmegrund sind Schmerzen in der rechten
Gesichtshälfte, Verschlechterung des Allgemeinzustandes und ein massives
Lymphödem des Gesichtes. Als Begleitperson wird seine Gattin aufgenommen,
welche sich liebevoll und aufopfernd um Herrn C. kümmert, zum Teil auch
Pflegehandlungen übernimmt.
Anfangs kann sich Herr C. noch verbal mitteilen, die Körperpflege gelingt mit Hilfe
der Gattin oder einer Pflegeperson, Nahrung und Medikamente sondiert er sich
selbständig. Auch die Reinigung der Trachealkanüle führt er selbst durch. Diese
Selbstbestimmtheit ist ihm sehr wichtig. Die Schmerzsymptomatik ist nach einer
Medikamentenumstellung kein Thema mehr.
Nach zwei Wochen ist eine zunehmende Erschöpfung des Patienten erkennbar. Er
toleriert, dass die Sondierung der Ernährung und die Pflege der Trachealkanüle von
seiner Gattin und dem Pflegepersonal durchgeführt werden. Das Bett möchte und
kann er nicht mehr verlassen.
Nach drei Wochen zeichnete sich der Übergang von Palliative Care zu End-of-Life
Care ab. Herr C. kann sich verbal nicht mehr ausdrücken und nur mittels Gesten
kommunizieren. Die Atemgeräusche werden rasselnd, die Stuhlausscheidung kommt
zum Erliegen. Das Gesichtsödem ist auffallend rückläufig.
Frau C. schläft nun eine Nacht zu Hause, da sie die rasselnden Atemgeräusche nicht
mehr aushält. Aber auch das „Nicht bei ihrem Mann sein“ quält sie.
Für unser Team kommt nun der schwierige Zeitpunkt, Frau C. zu bitten, die
Ernährung über die Sonde einzustellen und die Flüssigkeitszufuhr zu reduzieren.
Wie viel „Pflege“ braucht ein Sterbender
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Erst kann sie das nur schwer akzeptieren, da ihr das in der Finalphase bereits ab-
nehmende Gesichtsödem wieder Hoffnung gibt. Aber Schritt für Schritt, Gespräch für
Gespräch, gelingt es ihr, die letzte Lebensphase ihres geliebten Mannes mit allen
Konsequenzen anzunehmen. Sie kann das nicht mehr vorhandene Bedürfnis nach
Essen und Trinken verstehen und erkennt, dass ihre Gegenwart, die vertraute
Stimme, die zärtliche Berührung genau das ist, was ihr Mann jetzt braucht. Die
Atemgeräusche werden aufgrund der Flüssigkeitsreduktion für sie wieder erträglich
und sie bleibt bis zum Tod bei ihm.
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7. Kommunikation mit Sterbenden
von Isabella Moritzer
Was wünschen sich Sterbende in der Kommunikation? Jeder von uns, der mit
Sterbenden und Schwerkranken arbeitet, weiß wie schwierig es oft ist, Antworten auf
Fragen zu geben. Immer wieder wünscht man sich ein Patentrezept. Was kann ich in
dieser oder jener Situation sagen? Aber genau dieses Patentrezept gibt es nicht. Es
wird immer individuell bleiben, was man in welcher Situation sagt. Wichtig ist in erster
Linie, den Patienten nicht alleine zu lassen, ihn mit seinen Gedanken, Ängsten und
Sorgen ernst zu nehmen.
Eine Hospizmitarbeiterin in England machte darauf aufmerksam, dass wir Menschen
zwei Augen, zwei Ohren, aber nur einen Mund haben. Sie wollte damit sagen: hört
zu, nehmt wahr, beobachtet doppelt so viel wie ihr redet.
(Kränzle 2011, S. 117)
Voraussetzungen für eine gelingende Kommunikation
Zuhören können und auch wollen
Sich ehrlich mit den eigenen Gefühlen und der eigenen Haltung gegenüber
Sterben, Tod und Trauer auseinandersetzen
Den Sterbenden und seine Angehörigen achten und ihnen mit Wohlwollen
gegenüber stehen
Das gelebte Leben des Sterbenden respektieren, ebenso akzeptieren, wie er
jetzt stirbt
Gesprächstechniken kennen und auf nonverbale Kommunikation und
Körpersprache achten
Hinnehmen, dass wir weder‚ das „erlösende Wort“ noch den „heilenden Satz“
sagen können und auch müssen
Erkennen, dass sich eigene Wünsche und Vorstellungen vom Sterben von
denen des Sterbenden unterscheiden
Die Autonomie des Anderen nicht einschränken
(vgl. Kränzle 2011, S. 117)
Wie viel „Pflege“ braucht ein Sterbender
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Der Sterbende hat das Recht, sein Leben so zu beenden, wie es zu seinem Leben
passt. Dies kann er aber nur, wenn wir möglichst viel über ihn in Erfahrung bringen.
Hinzuhören und herauszufiltern, wer dieser Mensch in gesunden Zeiten war, was ihm
wichtig war und welche Erlebnisse ihn besonders prägten. Dies kann uns vor allem in
schwierigen Situationen helfen, besser zu verstehen.
(vgl. Fässler-Weibel 2006, S. 49-50)
Der Sterbende merkt in seiner seelischen Not, dass er mehr und mehr abhängig wird
und teilweise nicht mehr selbst handlungsfähig ist. Verluste mit denen er sich
auseinandersetzen und versuchen muss, diese anzunehmen. Wir sollten diesen
seelischen Schmerz als wichtig ansehen und uns mit viel Einfühlungsvermögen
bemühen, seine Ausdrucksweisen zu verstehen.
(vgl. Fässler-Weibel 2006, S. 73-75)
Nahezu alle Patienten mit äußerst schlechter Prognose wissen selbst, wie es um sie
steht und erkennen den Ernst der Lage, auch wenn noch niemand mit ihnen darüber
gesprochen hat. Patienten sind hellhörig in Bezug auf Entwicklung ihrer Krankheit
und den Erfolg beziehungsweise Misserfolg der Therapie. Sie achten auf ihre
Umgebung, wie mit ihnen umgegangen wird und lesen die Körpersprache, Mimik und
Gestik der Ärzte und Pflegenden. Patienten haben sich meist, auch schon zu Beginn
der Erkrankung, einmal das Schlimmste vorgestellt. Meistens wissen sie mehr über
ihre Erkrankung und Prognose als wir vermuten. Deshalb kann man zu Beginn eines
schwierigen Gespräches immer fragen, was sie selbst bereits wissen oder denken
und dann dort anknüpfen.
(vgl. Husebø 2009, S. 156-157)
„Terminale Sprache ist gelebte Symbolsprache (M. Renz)“ (Hermann 2011, S. 125)
Die Symbolsprache
Beispiel:
„Gibt es auch Engel ohne Haare?“ fragt Patrick die Mutter. Besorgt wendet sie sich
an den behandelnden Arzt: „Ist der Tumor des Siebenjährigen weitergewachsen,
redet er jetzt irre?“ Patrick ist nicht „irre“, sondern im Gegenteil besonders klar. Er
weiß im Innersten um seinen nahen Tod. Wie kann er das der Mutter mitteilen, die
weiter auf ein Wunder hofft? (Hermann 2011, S. 124)
Wie viel „Pflege“ braucht ein Sterbender
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Als Pflegende oder Betreuende versteht man meist nicht, was die Patienten sagen
wollen, da sich ihre Sprache verändert. Sie sprechen nicht mehr in der
„Informationssprache“ sondern sprechen mit Bildern, die es zu deuten gilt. Es ist sehr
schwierig, nicht zu verallgemeinern und zu sagen, der Sterbende ist nun verwirrt
oder der Tumor ist weitergewachsen. Die Mutter von Patrick aus dem Beispiel ist
gedanklich noch sehr weit entfernt. Der Junge aber weiß, um seinen bevorstehenden
Tod und versucht, der Mutter anhand von Symbolen genau dies zu deuten, nämlich,
dass er mit ihr gerne über seinen bevorstehenden Tod sprechen möchte.
Mit der Symbolsprache gebrauchen Sterbende unsere gemeinsame Sprache, weisen
jedoch auf etwas Anderes hin. Sterbende gehen auf eine Grenze zu. Die Grenze
zwischen Leben und Tod – der Horizont unseres Lebens. Wir „Lebende“ können
jedoch nicht darüber hinaus blicken und somit oft nur schwer verstehen, was der
Sterbende ausdrücken will. Was sie, als sogenannte Grenzgänger erfahren, lässt
sich oft nur verschlüsselt ausdrücken.
Meistens verwenden Sterbende Symbole aus Zeit und Raum, wie eine
bevorstehende Reise, ob zu Fuß, mit dem Zug, Flugzeug oder Schiff oder bildhafte
Symbole wie eine Uhr, die auf Zeit hinweist. Neben den verschiedensten Symbolen
aus Zeit und Raum gibt es den großen Bildbereich: der Weg nach Hause, der große
Garten oder die Heimat.
(vgl. Hermann 2011, S. 124 ff)
Viele unserer Patienten sind noch nicht bereit offen über Sterben und Tod zu
sprechen und verwenden deshalb die Symbolsprache. Sie verwenden sie aber auch
oft deshalb, da sie Angst haben mit Familienmitgliedern darüber zu sprechen. Als
Schutz der Angehörigen, da sie sich nicht sicher sind, ob die nächsten Angehörigen
überhaupt schon so weit sind wie der Sterbende selbst. Die für uns „leichtesten“
Patienten sind diese, die einfach über ihren nahenden Tod sprechen können und ihn
als Teil akzeptiert haben. Meist sind es Patienten, die sich zu jung zum Sterben
fühlen, die die Symbolsprache verwenden.
Um die Sprache der Sterbenden verstehen zu können, muss man sich erst mal mit
den Gedanken an sein eigenes Sterben beschäftigen. Wenn ich mir, wie Kübler-
Wie viel „Pflege“ braucht ein Sterbender
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Ross in ihrem Buch die Frage stelle, wie denke ich über mein eigenes Sterben,
überkommt mich Angst. Ich stelle mir vor, eine schlechte Diagnose zu bekommen
und es bliebe mir nur mehr wenig Zeit. Würde ich alles offen aussprechen? Wie
möchte ich behandelt werden? Was erwarte ich mir? Wer sich damit beschäftigt,
welche Ängste unsere Patienten haben und die Ohnmacht einigermaßen zu
verstehen versucht und annehmen kann, wird auch die Sprache der Sterbenden
besser verstehen.
Nonverbale Symbolsprache
Kleine Kinder von vier bis zehn oder zwölf Jahren verwenden meist die nonverbale
Symbolsprache in Form von Zeichnungen, Bildern, Teddybären oder Puppen. Durch
diese Symbole sprechen sie über ihr bevorstehendes Sterben. Wie in diesem
Beispiel, wo ein Junge, der als böse und deprimiert galt, in der Krankenstation immer
kleine Mädchen symbolisch erschoss. Nur Mädchen mit gesunden Nieren. Mit
diesem Erschießen wollte er andeuten, dass er ungeduldig auf eine neue Niere
wartete, die ihm noch mehr Lebenszeit verschaffen könnte. In solchen Situationen ist
es wichtig, nicht zu schimpfen und es abzutun, sondern versuchen zu verstehen,
dieses symbolische Tun übersetzen zu helfen und diese Ungeduld mit ihm zu tragen.
Verbale Symbolsprache
Ältere Kinder, Jugendliche und Erwachsene verwenden eher die verbale
Symbolsprache. Diese Patienten sind schwer zu verstehen, weil wir einfach zu wenig
darüber wissen. Zum Beispiel jenes Mädchen, das allein in einem Zimmer lag und
eines Tages fragt, was wohl wäre wenn es im Sauerstoffzelt liegt und Feuer
ausbreche. Mit diesem symbolischen Ausdruck, wollte sie über ihren bevorstehenden
Tod sprechen.
(vgl. Kübler-Ross 2008, S. 26 ff)
Was können Pflegende und Begleitende tun?
Um Sterbende verstehen zu können, muss man Verbindungen sehen, die ihm
wichtig sind, zwischen den Zeilen lesen lernen, die Körpersprache lesen, versuchen
Symbole zu deuten, vertiefte Fragen stellen, die zu einem kritischen Nachdenken
führen. Verstehen ist schwierig, da man sich nicht alles vorstellen kann. Verstehen
braucht in erster Linie Zeit. Verstehen lässt sich nicht einfach in ein paar Minuten
Wie viel „Pflege“ braucht ein Sterbender
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erreichen. Verstehen heißt viel mehr einen Perspektivenwechsel zu vollbringen. Mir
vorzustellen, mich an dessen Stelle zu setzen und mich so selbst ganz neu
verstehen zu lernen.
(vgl. Fässler-Weibel 2006, S. 251-252)
Wie das eingangs erwähnte Zitat einer Hospizmitarbeiterin schon sagt, ist Zuhören
viel wichtiger, als zu sprechen. Es hat sicher Vorteile sich mit den Grundlagen des
aktiven Zuhörens zu beschäftigen, aber auch dann sollte man die Ohren mit der
Seele verbinden oder wie Antoine de Saint-Exupéry sagt: Man hört nur mit dem
Herzen gut.
Es kommt nicht immer darauf an, dass man alles richtig entschlüsselt und deutet,
sondern viel mehr auf die innere Einstellung. Wenn man an Symbolen oder
Sprachbildern interessiert ist und ihnen mit Achtung und Neugier gegenübersteht und
sie versucht so anzunehmen, können sich manchmal neue Wege öffnen.
(vgl. Hermann 2011, S. 128-129)
Wie viel „Pflege“ braucht ein Sterbender
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8. Begleitung der Angehörigen
von Claudia Gelter
Das Sterben eines Menschen ist die letzte große Aufgabe in seinem Leben. Bei
dieser Aufgabe kann eine Begleitung durch Angehörige und Vertraute als tröstend
und wichtig erfahren werden. Vertraute können sowohl Mensch als auch Tier sein.
Definition Begleiten (www.duden.de):
mit jemandem mitgehen, an einen bestimmten Ort bringen, führen
eng verbunden sein, mit etwas einhergehen
etwas zu etwas hinzutreten lassen, ergänzend
Definition Angehörige (www.duden.de):
dem engsten Familienkreis angehörende Verwandte
Darüber hinaus kann der Begriff im Sinne von „zugehören“ auch Personen
umfassen, die in das Lebensumfeld der betreffenden Person gehören wie z.B.
Verschwägerte, Freunde oder Bekannte.
Was sagen uns diese Wortgruppen? Lassen sich Synonyme in Verbindung mit
Palliative Care finden? Synonyme, wie z.B. Versorgen, Begleiten oder einfach nur
die ganze Aufmerksamkeit schenken.
Ja, es gibt Verbindungen. Es wird vorsichtig versucht eine Brücke zwischen den
Bedürfnissen des Patienten und dem Wahrnehmen bzw. Annehmen wollen, der
Angehörigen, zu schlagen (zunächst jede Professionalität in ihrem Bereich und
schlussendlich ineinandergreifend als „Mantel“ für den Sterbenden).
Im speziellen die Erklärung des „internen“ und „externen“ Sozialarbeiters
Ein Sozialarbeiter, der regelmäßig und umfassend für die Palliativstation bzw.
Palliativ-Einheit zuständig ist und als fixer Bestandteil des Palliative Care-Teams an
der Patientenbesprechung (= Teamsitzung) und Supervisionen teilnimmt, wird als
„interner“ Sozialarbeiter bezeichnet.
Im Unterschied dazu arbeitet der „externe“ Sozialarbeiter außerhalb des stationären
Betriebes, sprich im interdisziplinären mobilen häuslichen Bereich.
Wie viel „Pflege“ braucht ein Sterbender
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Der Aufgabenbereich des Sozialarbeiters umfasst die Begleitung des
Palliativpatienten sowie dessen Angehörige, dazu kommen auch noch Angebote für
das Team und die Öffentlichkeitsarbeit. Es geht um Hilfestellung, die Verschmelzung
der heiklen Themen unserer heutigen Gesellschaft „Geburt – Leben – Sterben – Tod“
als normale Lebensabschnitte akzeptieren zu können.
Organisatorische Angebote für Palliativpatienten und deren Angehörige
Psychosoziale Unterstützung im Umgang mit Erkrankungen und/oder
Behinderung (z.B. emotionale Unterstützung, Selbsthilfegruppen)
Fragen zur Wohnsituation (z.B. Adaptierung der Wohnung, Organisation der
Versorgung für die häusliche „Pflege“ wie z.B. Rollmobil, Rollator, Leibstuhl,
Krankenbett usw. und diverse Hilfsmittel)
Beratende Tätigkeiten (z.B. sozialrechtliche Angebote in Richtung
Familienhospizkarenz, Pflegekarenz oder Pflegeteilzeit gemeinsam zu
überlegen, auf individuelle Beihilfen und Förderungen aufmerksam machen,
Neu- bzw. Erhöhungsanträge vom Pflegegeld inkl. Palliativbeiblatt ausfüllen
und faxen)
Hilfestellung beim Erstellen einer Patientenverfügung durch den Palliativ-Arzt
Weitervermittlung an die Sachwalter-Clearingstelle, zum Notar bezüglich
Erstellen einer Vorsorgevollmacht oder um erbrechtlich offene Fragen zu
klären
Sozialanwaltschaftliches Handeln (z.B. Unterstützung bei der Durchsetzung
von finanziellen Ansprüchen, Begleitung bei Behörden oder Banken)
Case Management (Schnittstellentätigkeit, kompetente Weitervermittlung zu
weiteren mobilen Diensten, Rehabeinrichtungen, 24-h-Organisationen oder
Einrichtungen mit passenden Zielgruppen)
Trauerbegleitung, Auseinandersetzung mit Endlichkeit, Abschied nehmen
Spirituelle Begleitung
Psychosoziale Begleitung der Patienten im ambulanten und stationären
Bereich
Begleitung bei der Bewältigung der Situation
Vermittlung zwischen Patienten und Angehörigen
Wahrnehmung auch von non- und paraverbalen Äußerungen
Wie viel „Pflege“ braucht ein Sterbender
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Ansprechpartner in Bezug auf die soziale, finanzielle und existenzielle
Absicherung
Psychosoziale Begleitung der Angehörigen im ambulanten und stationären
Bereich
Einbeziehen der Angehörigen als Teil des Systems um den Patienten
Unterstützung der Kommunikation
Besonderes Eingehen auf Kinder
Systemische und lebensweltorientierte Sichtweise
Erschließung sozialer Ressourcen – soweit möglich
Vermittlung gegenseitiger Wertschätzung in dieser Ausnahmesituation
Vorausschauende Einschätzung der Belastbarkeit der situativen und
prozessorientieren Situation. (vgl. Bartkowski 2011, S. 23 ff)
Fallbeispiel
von Claudia Gelter
Patient: weiblich
Alter: 70 Jahre
Dauer der MPT – Begleitung: 14 Monate
Diagnosen: Bronchialcarcinom, Mamma-Ca (OP), cerebrale
und ossäre Metastasen, COPD, chron.
Nikotinabusus, Erysipel (re. Vorfuß), Ulcus cruris
inflamm., St. p. PAE
Soziale Situation:
Patientin lebt in einem Mehrparteienhaus. Dieses Haus gehört der Patientin. Es sind
drei Wohneinheiten vorhanden. Im Erdgeschoß lebt die Patientin mit ihrem
rumänischen Lebensgefährten; im ersten Stock die schwerkranke bettlägerige Mutter
der Patientin, versorgt durch eine 24-h-Pflegerin; und im zweiten Stock der jüngste
Sohn der Patientin mit Gattin.
Es gibt noch zwei weitere verheiratete Söhne die außerhalb wohnen und sich
gelegentlich bei der Mutter melden. Der Kontakt zwischen diesen beiden älteren
Söhnen und der Patientin war zu Beginn der Betreuung noch sehr selten und mit
einigen Missverständnissen und gegenseitigen Vorwürfen behaftet.
Wie viel „Pflege“ braucht ein Sterbender
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Fallverlauf:
Der Erstkontakt zum Mobilen Palliativteam (MPT) fand durch die im Haus lebende
Schwiegertochter statt. Sie bat uns um Unterstützung. Es kam zu einer kurzen
Situationsbeschreibung, anschließend wurden die Daten aufgenommen und der
erste Hausbesuch geplant.
Die Patientin war mit unserer Hilfe sofort einverstanden. Für die gesamte Familie war
primär wichtig, dass die professionelle Unterstützung des Mobilen Teams nichts
kostet.
Die Patientin erwartete uns damals noch sitzend, rauchend auf einer edlen
Ledercouch in ihrem Wohnzimmer. Anwesend war ihr jüngster Sohn und im
Nebenraum der Lebensgefährte der Patientin. Er sprach gebrochenes Deutsch. Sein
Stellenwert im Familiensystem war sehr schlecht. Er wurde einzig und allein von der
Patientin geschätzt und gestärkt. Vom Rest der Familie wurde er nur geduldet.
Der Allgemeinzustand der Patientin blieb einige Monate unverändert stabil. Einmal
besser einmal schlechter.
Es kam zu 14-tägigen MPT Hausbesuchen welche für die Patientin zunehmend
wichtig wurden. Die DGKS und DSA wurden zu wichtigen Bezugspersonen für die
gesamte Familie.
Neben medizinischen und pflegerischen Kontrollen durch die DGKS beantwortete die
DSA anfallende behördlich rechtliche und organisatorische Fragen. Es war oft unklar
welche Hilfsmittel es gibt, wer besorgt uns diese, wie wird das Pflegegeld erhöht, wie
kann ich meinen Pflegeaufwand beim Arbeitsamt rechtfertigen, wie kann ich
Familienhospizkarenz beantragen usw.
Als der Krankheitszustand der Patientin sich langsam verschlechterte und die Pflege
aufwändiger wurde, begannen wichtige stützende Gespräche mit der
Schwiegertochter, welche die alleinige Pflege bereits zur Gänze nonverbal
übertragen bekam.
Diese Situation war anfangs sehr belastend, da das persönliche Verhältnis zur
Patientin nicht gut war. Dennoch versuchte die Schwiegertochter ihr Bestes zu
geben.
Wie viel „Pflege“ braucht ein Sterbender
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Die Aufgabe der DSA war in dieser Situation, auch den Rest der Familie in die
Begleitung mit einzubeziehen und teilweise Mediationsgespräche zu führen.
Unzählige Telefonate und gemeinsame Gesprächstermine bei der Patientin folgten.
Es war oft nicht einfach für die Patientin sehr klar und offen über verschiedene
Themen zu sprechen.
Sei es ihre Krankengeschichte und deren weiteren Verlauf bis hin zum Sterben,
seien es verdrängte Themen oder Verletzungen mit den Söhnen, oder
erbschaftsrechtliche und finanzielle Angelegenheiten usw.
Bis sich dann doch nach einem sehr langen Prozess das Rad der Verantwortung und
des gemeinsamen Miteinanders innerfamiliär zu drehen begann.
Es kam zu Terminen mit dem Notar um ein schriftliches Testament gemeinsam mit
der Patientin zu verfassen, es kam zu finanziellen Übertragungen an den älteren
Sohn, es kam zur Verantwortungsübernahme des mittleren Sohnes die Mutter
gemeinsam mit der jungen Schwägerin bis zum Ende ihrer Tage geduldig, freiwillig
und doch mit Würde zu pflegen.
Die Patientin verbrachte ihre letzten Wochen nur mehr liegend, gebettet auf einer
Dekubitusmatratze, im Krankenbett. Mit einer Rund-um-die-Uhr Betreuung durch den
Lebensgefährten gemeinsam mit den beiden Angehörigen.
Alle halfen wertschätzend zusammen, stärkten sich gegenseitig und ließen die
Patientin keinen Augenblick mehr alleine.
Sehr bewusst, ruhig und im Beisein erlebten die Angehörigen das endgültige
Ableben der Patientin.
Diese wertvolle Erfahrung möchte die Schwiegertochter im Nachhinein nicht missen.
Sie äußerte dies sehr oft bei unserem letzten Familiengespräch und bedankte sich
für die intensive Begleitung.
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Warum gerade du?
„Warum gerade du?“ – so lautet das sehr berührende Buch über die wahre
Geschichte der Autorin. Ihr Umgang mit dem schwersten Schicksalsschlag, den man
sich vorstellen kann. Im Jahr 2008 starben ihr Mann und ihre beiden kleinen Kinder
bei einem tragischen Unfall. In diesem Buch blickt sie zurück auf sechs Jahre der
Veränderung, in denen sie vor allem eines lernen durfte: Trauer ist mehr als eine
kurze Phase, mehr als ein Gefühl. Trauer ist näher am Leben, als man denkt. (vgl.
Pachl-Eberhart 2014, 27 ff)
Trauer ist ein Prozess nicht nur ein kurzer Abschnitt. Trauer soll gelebt werden.
Weinen ist erlaubt!!!
Im oben angeführten Buch geht es um die Angehörigenbegleitung von Erwachsenen.
Was alles zur Begleitung von Angehörigen dazu gehört.
Aber was passiert wenn es sich bei den Angehörigen plötzlich um Kinder,
Jugendliche oder junge Erwachsene handelt?
Was ist mit ihnen? Wer spricht mit ihnen? Was und vor allem wieviel sagt man
ihnen? Was geht in ihnen vor?
All diesen Fragen möchte ich im nächsten Kapitel nachgehen und teilweise unter
entwicklungspsychologischen Gesichtspunkten zu bearbeiten versuchen.
Begleitung von Kindern und Jugendlichen
„Papa wo bist du?“ (Uwe Saegner, 2014) ist ein tolles Buch für Kinder, Jugendliche
und Erwachsene. Der Autor zeigt sehr deutlich und klar auf, dass Kinder individuell
verschieden trauern. Sicherheit und Halt ist für sie in diesen Ausnahmesituationen
von enormer Wichtigkeit und gibt ihnen Raum und Platz, weinen und trauern zu
dürfen. Ausgelebte Trauer in Verbindung mit Tränen kann irrsinnig erleichternd sein.
Kinder muss man ernst nehmen, für sie da sein, ihnen zuhören und einfach die
Wahrheit sagen. Die Worte „Sterben“ und „Tod“ ansprechen, aussprechen und vor
allem darüber sprechen. Nichts verschleiern, wie z.B. ist eingeschlafen oder ist von
uns gegangen.
Kinder brauchen Klarheit, Verständnis und die nötige Zeit um auftretende Fragen
stellen zu können. Lasst Kinder nicht in einer „Endlosschleife“ verharren.
Wie viel „Pflege“ braucht ein Sterbender
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Grundsätzlich gilt: Kinder und Jugendliche dazu ermutigen am Sterbeprozess des
Angehörigen teilzunehmen, aber nicht zu zwingen, und die Entscheidung dem Kind
zu überlassen.
Kinder und Jugendliche als Angehörige schwerkranker und sterbender Menschen
entsprechen in ihren Ausdrucksformen der Trauer häufig nicht dem Erleben und den
Vorstellungen von Erwachsenen. Reihenfolge, Intensität und Dauer der kindlichen
und jugendlichen Reaktionen und Gefühlsäußerungen können teilweise
widersprüchlich wirken und damit für Erwachsene, vor dem Hintergrund ihrer eigenen
Erfahrung, irritierend sein.
Kinder fassen ihre Trauer nicht unbedingt in Worte oder zeigen sie durch Weinen.
Sie nutzen andere Ausdrucksmöglichkeiten wie Spielen, Toben, Schreien oder
Malen. Manche Mädchen und Jungen ziehen sich auch zurück. So kann der
Eindruck entstehen, als trauerten sie gar nicht.
Kinder und Jugendliche trauern bunt und vielfältig.
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Entwicklungspsychologische Hintergründe als Hilfestellung
Kinder unter drei Jahren
Kinder dieser Altersgruppe haben noch keine Vorstellung vom Tod.
Der Tod ist für sie nur eine temporäre Abwesenheit.
Sie reagieren auf die veränderte Stimmung als Resultat eines Verlusts.
Ihre sprachlichen Mittel sind noch zu begrenzt, um Gefühle ausdrücken zu können.
Kinder zwischen drei und sechs Jahren
In dieser Periode entsteht beginnendes Interesse am Tod, Kinder wollen ihn
erforschen.
Die Universalität und Endgültigkeit des Todes können noch nicht verstanden werden.
Stirbt ein Familienmitglied, können dadurch starke Ängste bei dem Kind
hervorgerufen werden (Angst vor dem Alleinsein).
„Magisches Denken“: Kinder dieser Altersgruppe glauben, sie könnten dem Tod
durch bestimmte Verhaltensweisen entkommen oder ihn herbeiwünschen. Das kann
starke Schuldgefühle als Konsequenz haben. Beispielsweise wenn Kinder glauben,
ein Mensch sei gestorben, weil sie sich seinen Tod gewünscht oder ihn durch ihr
Verhalten ausgelöst haben.
Kinder im Grundschulalter
Der Tod wird häufig noch personifiziert.
Durch den Beginn eines nüchternen und sachlichen Interesses am Tod, werden
häufig sehr detaillierte Fragen gestellt.
Ein gewisses Verständnis über die Endgültigkeit des Todes entwickelt sich. Kinder
begreifen, dass auch sie selbst und ihre Familienangehörigen einmal sterben
werden.
Es entsteht die Angst vor dem Verlassen werden.
Kinder zwischen zehn und 14 Jahren
Die Universalität und Irreversibilität des Todes werden verstanden.
Jugendliche sind neugierig und wollen die Zusammenhänge erfahren und verstehen,
sie erfassen die biologischen Ursachen des Todes.
Es gibt kaum noch einen Unterschied zum Todeskonzept Erwachsener.
Wie viel „Pflege“ braucht ein Sterbender
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Vorstellungen über den Verlust nahestehender Menschen oder über den eigenen
Tod können Ängste auslösen.
Wie sind diese „kleinen besonderen Angehörigen“ gut begleitet?
Kinder benötigen mit passenden, offenen und klaren Worten die Wahrheit. Vielleicht
braucht es besonders viel Körperkontakt und sie möchten einfach nur fest gehalten
werden. Besonders wichtig ist die Vermittlung von Sicherheit, ein Vertrauensverlust
in dieser Situation wäre gravierend. Es ist gut, die Kinder an allen Ereignissen Anteil
nehmen zu lassen, um später Schuldgefühle zu verhindern. So fühlt sich das Kind
ernst genommen und integriert. Natürlich kann es auch zu Wutausbrüchen bei den
Kindern kommen, sie müssen einfach lernen, diese momentane Ausnahmesituation
in ihre Gefühlswelt richtig einzuordnen. Wenn das Kind den Wunsch äußern sollte,
den Menschen in der Sterbephase sehen zu wollen, sollte es vorbereitet werden,
was es sehen, hören und fühlen wird. Vielleicht möchte das Kind kleine
Pflegehandlungen, wie das Reichen eines Getränkes, übernehmen.
Wenn die Person verstorben ist, kann es für manche Kinder passend sein, ans
Sterbebett geführt zu werden. Dies ermöglicht, vom Verstorbenen Abschied zu
nehmen. Kinder müssen sehen und fühlen dürfen, um begreifen zu können. Oftmals
haben Kinder den natürlichen Impuls, den Toten anzugreifen. Das ist in Ordnung.
Generell gilt: das persönliche Abschiednehmen von Verstorbenen ist enorm wichtig.
Egal ob es sich dabei um erwachsene Angehörige, Jugendliche oder Kinder handelt!
Letztlich schließt sich hier der Kreislauf von Geburt – Leben – Tod.
Kinder können auch an den Begräbnisvorbereitungen und am Begräbnis teilnehmen.
Vielleicht möchten sie eine eigene Kranzschleife gestalten. Hilfreich kann auch sein,
wenn Kinder Verstorbenen noch etwas mitgeben, wenn sie sich verabschieden. Das
könnten ein Bild, ein Brief oder sonstige für das Kind wertvolle Erinnerungsstücke
sein. Nur das Kind allein weiß, was es mit dem Verstorbenen verbunden hat. Kinder
trauern anders als Erwachsene. Sie trauern meist punktuell, also in sehr
abgegrenzten Zeitabschnitten, nämlich dann, wenn es für sie passt und nicht wann
es sich der Erwachsene vorstellt. Egal ob es sich um Kinder oder Jugendliche
handelt, es erfordert in dieser Zeit der Trennung und des Trauerns ein erhöhtes Maß
Wie viel „Pflege“ braucht ein Sterbender
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an Toleranz, Wertschätzung und Feingefühl um „diese besonderen Angehörigen“ gut
begleiten zu können. (vgl. Langthaler 2013, S. 33 ff)
Fallbeispiel:
von Notburga Auner
Patientin, weiblich, 41 Jahre, an akuter myeloischer Leukämie erkrankt.
Krankheitsverlauf: Erstdiagnose und Behandlung in einem KH (2 Stunden Fahrzeit
vom Heimatort entfernt), wegen mangelndem Therapieansprechen Vorstellung in
einem anderen Zentrum (4 Stunden Fahrzeit vom Heimatort entfernt) zur allogenen
Stammzelltransplantation. Diese wurde dort erfolgreich durchführt. Nach 4 Monaten
Rückfall und wieder längerer Spitalsaufenthalt. Entlassung, 2 Wochen später
aufgrund Verschlechterung des Allgemeinzustandes stationäre Aufnahme im näher
gelegenen Krankenhaus, wo die Patientin nach fünf Wochen verstirbt.
Soziale Situation: verheiratet, 6 Kinder, zwei (uneheliche) Söhne um die zwanzig, in
Berufsausbildung, von zu Hause ausgezogen, 4 Kinder (6 Jahre, 4 Jahre, 2,5 Jahre-
Zwillinge), Mann arbeitet selbständig, Alkoholiker; Mutter lebt in einem anderen
Bundesland; Vater verstorben; keine Geschwister. Während des stationären
Aufenthaltes der Patientin im Transplantationszentrum kam es für die Kinder zu
einem Bescheid vom Amt für Jugend und Familie. Es wurde für die 4 minderjährigen
Kinder ein passender Kurzzeitpflegeplatz in einer sozialpädagogischen
Wohngemeinschaft gesucht und gefunden. Die Geschwister wurden gemeinsamen in
einer Einrichtung untergebracht.
Zu Beginn des letzten Spitals-Aufenthaltes kommt es plötzlich zu einer akuten
Verschlechterung des Zustandes der Patientin, sie ist eingetrübt, desorientiert, hat
Halluzinationen. Das behandelnde Team bespricht, dass die Stationsärztin den
Ehemann verständigt. Dieser bittet im Gespräch, dass auch die vier kleinen Kinder
noch einmal die Mutter sehen können. Da die Patientin auf der Station für
Leukämiekranke liegt, in welcher Kinderbesuche aus hygienischen Gründen
untersagt sind, wird nach Absprache mit dem Personal eine Ausnahme gemacht und
der Besuch der Kinder erlaubt. Die Leitung des Heims, in dem die Kinder
untergebracht sind, wird verständigt, eine psychologische Vorbereitung wird
veranlasst. Die Patientin freut sich sehr über die Ankündigung des Besuchs und
fängt zu weinen an. Kurz vor den Kindern kommt ihre Mutter, die von dem Plan
nichts wusste, auf Besuch. Sie ist verärgert, dass sie in die Überlegungen nicht
Wie viel „Pflege“ braucht ein Sterbender
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einbezogen wurde und versucht, den Ehemann, der ebenfalls schon da ist und die
Ärztin zu überzeugen, den Kinderbesuch abzusagen. Sie – die Kinder – würden
sicher einen Schaden davon tragen und noch einmal mehr leiden, nachdem sie sich
langsam an ein Leben ohne Mutter gewöhnt hätten. Der Anblick der Mutter wäre
nicht schön und den Kindern nicht zumutbar. Es kommt zu einer Konfrontation am
Gang. Die Ärztin bleibt dabei und will nicht umdisponieren, der Mann, der kurzfristig
unsicher geworden war, ist dann auch dafür, dass die Kinder kommen und möchte
nicht absagen. Der Besuch verläuft gut, die Kinder sind anfangs schüchtern, trauen
sich nicht ans Krankenbett heran, werden dann zunehmend lebhaft und haben keine
Scheu sich der Mutter zu nähern. Der Besuch dauert etwa 10 Minuten, dann ist die
Patientin schon müde. Die KH Psychologin betreut anschließend den Mann, die
Kinder sind mit der betreuenden Psychologin gekommen. Der Zustand der Patientin
verbessert sich überraschend, sie will „kämpfen“ und für die Kinder da sein.
Zwei Wochen später wird die Patientin auf die Palliativstation verlegt, auch dort
kommt es nochmals zur Besserung des AZ. Sie steht auf, kann spazieren gehen ist
schmerzfrei und freut sich über die Besuche der Angehörigen (Ehemann, Mutter,
erwachsene Söhne). Anlässlich eines fieberhaften Infekts verschlechtert sich ihr
Zustand wieder, sie verweigert eine Intensivierung der Therapie, glaubt noch an eine
Genesung und verstirbt wenige Tage darauf.
Die Kinder konnte sie nicht mehr sehen. Von einem weiteren Besuch wurde
abgesehen. Die Patientin hat auch nicht mehr nachgefragt. Laut Auskunft der Leitung
der Wohngemeinschaft in der die Kinder lebten, kämpften diese sehr mit dieser
Ausnahmesituation und es kam zu intensiven emotionalen und psychischen
Schwankungen. Es mussten viele Gespräche geführt werden. Vor allem die 6-
Jährige hätte stark getrauert.
Wie viel „Pflege“ braucht ein Sterbender
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Abschließend scheinen mir folgende Zitate und Leitsprüche wichtig und
richtungweisend:
Um den komplexen und sich rasch ändernden physischen, psychischen, sozialen
und spirituellen Bedürfnissen von Patienten (…)
und deren Angehörigen zu begegnen, ist die Zusammenarbeit mehrerer
Berufsgruppen mit entsprechenden Kompetenzen in einem interdisziplinären Team
notwendig. (Bausewein et al 2010, S. 130)
Es gibt keine Regeln, jedes Leben, jedes Sterben ist einmalig und individuell.
Du bist wichtig, einfach weil du DU bist.
Du bist bis zum letzten Augenblick deines Lebens wichtig
und wir werden alles tun, damit du nicht nur in Frieden sterben,
sondern auch in Frieden leben kannst bis zuletzt.
(Cicely Saunders, Begründerin der Hospizbewegung in Europa)
Wie viel „Pflege“ braucht ein Sterbender
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9. Bedürfnisse Sterbender
von Andrea Makotschnig
So wie jeder Mensch sein eigenes Leben lebt, stirbt jeder seinen eigenen Tod. Das
verlangt „Ehrfurcht“ vor einem Vorgang, der einzigartig und definitiv ist. Franco Rest
spricht dabei von der „persönlichen Todesprägung“: der Persönlichkeit des
Menschen ist Raum zu geben, in welchem eine ihm eigene Gestaltung seines
Sterbens und Todes gelingen kann. Der Tod ist also die geradlinige Verlängerung
eines einzigartigen und einzigartig gestalteten Lebens hinein in einen ebenso
einzigartigen Tod. (Rest 2006, S. 23)
Die Herangehensweise Rests an die Bedürfnisse Sterbender orientiert sich zum
einen an der Darstellung der Grundrechte jedes Menschen nach der
Menschenrechts-Lehre von J. Korczak, zum anderen an der Bedürfnispyramide aus
der Selbstverwirklichungs-Theorie nach A. Maslow.
Grundrechte
Die drei Grundrechte des Menschen nach J. Korczak lauten (vgl. Rest 2006, S. 182):
Das Recht des Menschen auf den Tod.
Das Recht auf den heutigen Tag.
Das Recht, so zu sein, wie der Mensch gerade ist.
Mit dem Recht des Menschen auf den Tod ist ein Tod gemeint, der seinem Leben
entspricht und wo der Mensch das Leben zu einer Zeit abschließt, zu der er zu
sterben bereit ist, ohne verlängertes Leiden oder den Tod hinauszuzögern. Klingt
einfach – ist es aber nicht, denn selbst in Bereichen, wo ausschließlich
Schwerstkranke und Sterbende betreut werden, sorgen Hygienevorschriften,
„unsinnige“ Arbeitsplatzbeschreibungen für Pflegekräfte, überwiegend somatisch,
körper-orientierte Medizin und Pflege, zahlreiche Standards und Maßnahmen-
Kataloge für Gegenwind. Viel zu häufig werden Menschen durch falsche
Versprechungen, Vertröstungen, Aufrechterhalten von falschen Hoffnungen, ja sogar
Vorenthalten der Wahrheit, nicht nur ihrer kostbaren Zeit, sondern auch der Chance
beraubt, noch richtig zu leben.
Das Recht auf den heutigen Tag und auf den jeweils unwiederbringlichen Augenblick
existiert oft kaum noch. Die zeitlichen Abläufe auf den Stationen erscheinen starr und
bieten wenig Gestaltungsspielraum. Aber gerade dieser heutige Tag entscheidet
Wie viel „Pflege“ braucht ein Sterbender
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über die Lebensqualität des Sterbens, nicht das Gestern oder Vorgestern. Alles, was
diesen heutigen Tag, diesen Moment gestalten hilft, ist wichtig: Besuche, Gespräche,
Musik, Gebet, Stille usw.
Und schließlich haben alle das Recht, so zu sein, wie sie gerade sind. Die moderne
Medizin und Pflege tendiert dazu, von der sog. Normalität abweichendes Verhalten
und soziale Auffälligkeiten zu pathologisieren, aber gerade die „Verrücktheiten“ sind
angesichts des Sterbens ein „heiliger Besitz“ des Menschen. Er ist zu keiner Zeit
beschädigtes Organ oder beschädigtes Bewusstsein, sondern bis zum letzten
Moment ein Mensch mit einem Namen und einem unverwechselbaren Charakter.
Definition Bedürfnis
Ein Bedürfnis ist der Wunsch, einen Mangel zu beseitigen. Bedürftig ist jemand, der
einen erkennbaren Mangel leidet und die Behebung dieses Mangels braucht, um
seine körperliche, seelische und soziale Gesundheit sicherzustellen. Derartige
Mangelerscheinungen sind in allen Bereichen der menschlichen Existenz möglich.
Dabei ist unerheblich, ob der Mangel subjektiv empfunden wird oder objektiv
vorhanden ist.
Die folgenden sechs Grundbedürfnisse werden in einer hierarchischen Reihenfolge
genannt – die ersten bilden somit die Grundlage für die darauffolgenden.
Bedürfnispyramide nach A. Maslow:
(aus http://nlpportal.org/nlpedia/wiki/Datei:Maslow.png, 21.04.2015)
Wie viel „Pflege“ braucht ein Sterbender
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Bedürfnisse des Körpers - Bewältigung der Schmerzen
Der Körper strebt nach einem möglichst geringen Verfall, nach Beherrschung der
Ausscheidungsprozesse, Erhaltung der Atmung und Freihaltung der Atemwege. Er
hat das Bedürfnis nach ausreichendem Schlaf, Durststillung, ausreichender und
richtiger Nahrung, Anregung der Sinne (Farben, Musik, Wärme u.a.) und der
Möglichkeit, die noch verbliebenen Fähigkeiten und Kräfte einzusetzen und zu
nutzen. Zur Bewältigung von körperlichem Leiden ist es wichtig, dem Sterbenden
Schmerzen weitestgehend zu nehmen und wenn möglich zuvorzukommen; seine
Beschwerden aber nicht nur lindern sondern erträglich gestalten. Oft braucht es
geduldiges Zuhören, ob hinter den Äußerungen von Beschwerden nicht ein Hilferuf
oder eine Bitte um Interesse herauszuhören ist.
Bedürfnis nach Sicherheit - Erkennen der Ängste
Der Sterbende braucht einen Ort, an dem er sich sicher fühlt und die Gewissheit,
dass entsprechende Personen im Notfall verfügbar sind. Er möchte, dass alle seine
Fragen besonders zur Krankheit, zum Allgemeinbefinden und zum Sterben ehrlich
beantwortet werden. Die Dinge, die sein Leben ausmachten, möchte er beibehalten
(z.B. die Ringe an der Hand, die persönliche Kleidung, den Zahnersatz). Er wünscht
Schutz vor körperlichen Leiden und hofft, dass „alles getan wird, was getan werden
kann“ und zugleich „nicht zu viel getan wird“. Er möchte seine Gefühle zum Ausdruck
bringen. Zeigen sich Ängste müssen diese auf ihre Ursachen geprüft und konkret
beängstigende Anlässe entfernet werden. Etwaige Angst vor dem Alleinsein z. B.
durch die gewohnte Schwester, empathische Mitpatienten oder Hospizbegleiter
mildern und Sicherheit geben, dass die Sterbestunde nicht allein erlebt werden
muss.
Bedürfnis nach Liebe - Soziale Zärtlichkeit im Dabeisein üben
Das Bedürfnis nach Liebe regt den Patienten an, zeigen zu wollen, dass er sich
Sorgen macht. Er möchte seine Gefühle der Sorge und Zärtlichkeit mit anderen
teilen. Er will Freundschaften bis in den Tod hinein und darüber hinaus fortsetzen. Er
will Liebe verschenken und sich geliebt fühlen. Er verlangt nach Zuneigung; er
möchte die wirkliche Sorge des Personals spüren können und sich von diesem
akzeptiert fühlen, gleich was er tut. Die besten Personen der Liebe sind
Familienangehörige und Freunde. Oftmals müssen diese aber erst befähigt werden,
Wie viel „Pflege“ braucht ein Sterbender
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ihre eigenen Ängste zu überwinden und ihre Liebe zu zeigen. Liebe bedeutet Nähe.
Das heißt, beim Sterbenden sein, ihn aber nicht mit Liebe erdrücken. Sich bewusst
sein, dass jeder Handgriff durch liebende Einfühlung an Bedeutung gewinnt
(Körperpflege, Essen reichen usw.). Dabei gilt es, die eigene Zeit an der Zeit des
Sterbenden zu orientieren. Auch Besuchszeiten sinnvoll regeln. Immer beachten,
dass der Sterbende Liebe und Zärtlichkeit auch dann noch erlebt, wenn er dies nicht
mehr mitteilen kann.
Bedürfnis nach Achtung - Der Sterbende darf sich anerkannt wissen
Das Bedürfnis nach Achtung verlangt, dass das bedeutsamste Ziel des Sterbenden,
nämlich die Suche nach der persönlichen Todesprägung be- und geachtet wird. Er
möchte all seine Handlungen und Gedanken als angemessen geltend wissen und
auch im Sterben eine wichtige Person sein, die Prestige und Status nicht verloren
hat. Er möchte gewürdigt werden und Anerkennung finden, als jemand, der allen
anderen seine Nähe zum Tode voraus hat. Dabei ringt er um Unabhängigkeit und
Freiheit. Er möchte aber auch die Selbstachtung, die Beherrschung und Zuversicht
nicht einbüßen. Den Sterbenden nie mit seinem Zustand, seiner Krankheit oder
seinen Verwirrtheiten gleichsetzen. Äußersten Respekt bis in die Sprache erkennen
lassen (kein Duzen!) und auch dem Bewusstlosen noch erklären, was geschieht.
Gespräche immer nur mit, nicht über den Sterbenden führen. Sonderwünsche
akzeptieren und weitgehend erfüllen (z.B. bei der Körperpflege, Nahrung, auch
Alkoholgenuss) und ein gepflegtes Aussehen ermöglichen (Haare, Schmuck usw.).
Bedürfnis nach Selbstverwirklichung - Persönliche Todesprägung ermöglichen
Um sich möglichst auch im Tod als Person voll entfalten zu können, sucht er nach
Übereinstimmung mit den Gefühlen anderer und benötigt zugleich Verständnis für
seine gegenwärtige Krise. Er will Verantwortung für sich selbst übernehmen und ringt
um Sinnerfüllung dieses Lebensabschnittes. Dazu braucht er mindestens eine für ihn
wichtige Person, welcher er seine Erlebnisse und Gefühle nicht nur mitteilen kann,
sondern dieser auch spüren lassen darf. Dabei kämpft er um die volle Annahme
seines nahenden Todes, um die „persönliche Todesprägung“. Er sucht nach Klärung
und Bewertung seiner religiösen Überzeugungen und nach einem sicheren Gefühl
des Friedens und der Erfüllung. Um den Sterbenden in diesem Bereich unterstützen
zu können, ist es von wesentlicher Bedeutung den Sinnfragen nicht auszuweichen,
Wie viel „Pflege“ braucht ein Sterbender
- 47 -
sondern diese ernst zu nehmen und in ihrem ganzen Spannungsbogen wirken zu
lassen. Ihn deshalb über seine Veränderungen reden lassen, so gut er es vermag
oder aber respektieren, wenn er über seinen Zustand schweigen will.
Jegliche Hierarchien am Sterbebett flachen ab, denn der Sterbende lenkt und leitet
diese Lebensphase und bestimmt, wer ihm wie zu seiner Wahrheit verhilft. Dabei
sind meine Informationen und diagnostischen Kenntnisse immer von der Wahrheit
des sterbenden Menschen zu unterscheiden. Darüber hinaus kann es wichtig sein
„letzte Dinge“ zu regeln (persönliche Beziehungen, Testament).
Bedürfnis nach Transzendenz -Sterbende über sich hinausschreiten lassen
Die Selbstverwirklichungsskala hätte einen entscheidenden Fehler, wenn die
Beachtung des menschlichen Strebens über sich hinaus fehlen würde. Der
sterbende Mensch strebt aus sich heraus auf eine andere Existenzweise zu. Er will
die Enge („Angst“=Enge) seines Lebens sprengen, Eins werden mit der Menschheit,
der Welt und Gott. Sterbende stellen sich in „stellvertretendem Sterben und Leiden“
auch der Verantwortung für die Lebenden – sie werden in gewisser Weise zu Helfern
ihrer hilflosen Helfer. Umgekehrt können wir durch die eigene Bereitschaft, den
Sterbenden loszulassen, ihm helfen sich selbst loszulassen. Aber auch zulassen,
dass der Sterbende von seinem Sterben mehr weiß und kann, als alle beruflichen
Helfer zusammen. Dem Menschen zugestehen, dass sein Sterben Bedeutung hat,
weil mit ihm geschieht, was der ganzen Menschheit als Ziel bestimmt ist, sich nicht
zu genügen, sondern zu überschreiten. Dazu gehört auch die jeweils eigene Religion
und Glaubensüberzeugung des Sterbenden wahrzunehmen und ggf. mit Ritualen zu
unterstützen. Durch das Einstimmen auf die Sprache der Sterbenden lassen sich
Grenzen der Kultur und Zeit überwinden; indem wir Symbole, Musik, Farben,
Zärtlichkeiten, lachen, weinen als verständlich begreifen, können wir vielleicht ihre
Botschaft entschlüsseln … (vgl. Rest 2006, S. 182 ff)
Fallbeispiel:
von Isabella Moritzer
Hr. W. (75 J) hatte nach einmaliger Chemotherapie ein Multiorganversagen und
wurde nach längerem Aufenthalt an der Intensivstation auf die Palliativstation verlegt.
Die Kommunikation gestaltete sich sehr schwierig, da er nicht mehr sprechen konnte.
Er nickte bei Fragen mit dem Kopf.
Wie viel „Pflege“ braucht ein Sterbender
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In der Mundschleimhaut hatte er eine ausgeprägte Mucositis mit dicken borkigen
Belägen. Bei der Übergabe von der Intensivstation hieß es, er ließe keine
Mundpflege zu. Die Krankenschwester überlegte, ob es nicht doch eine Möglichkeit
für die Mundpflege gäbe und fand heraus, dass er Bier gerne hatte. Sie gab ein
wenig Bier in ein Sprühfläschchen und befeuchtete damit den Gaumen und die
gesamte Mundhöhle. Es gelang ihr im Laufe eines Tages sämtliche Beläge zu lösen
worauf sich die Entzündung rasch rückbildete. Es entstand eine vertrauensvolle
Beziehung zum Patienten.
Gegen Abend, als die besorgten Angehörigen kamen, versuchte sie, ihnen die
Wichtigkeit der Mundpflege zu erklären, auch mit dem Ziel, sie in die Pflege
einzubeziehen. Sie wusste nicht, dass es innerfamiliär Probleme mit Alkohol
gegeben hatte. Die Angehörigen reagierten entsetzt, beschwichtigende Worte halfen
nichts, genauso wenig, wie der Vorschlag alkoholfreies Bier zu verwenden. Die
Familie bestand darauf, dass nur Limonade oder Mineralwasser verwendet werden
dürfe. Das Ergebnis war nicht dasselbe, aber das hatte keine Bedeutung.
Wenige Tage danach verstarb der Patient. Die erfolgreiche Mundpflege mit Bier
wurde nicht mehr durchgeführt.
Wie viel „Pflege“ braucht ein Sterbender
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10. Resümee
Wir wollten wissen: „Wie viel „Pflege“ braucht ein Sterbender?“
Auf der Suche nach Klassifizierungen und Faktoren, die uns definitiv Aufschluss über
den Beginn des Endes geben sollten, mussten wir feststellen, dass es schwierig ist
allgemeine Regeln aufzustellen, welche immer Gültigkeit haben: Letztendlich ist
jedes menschliche Leben und damit auch sein Sterben individuell und einmalig.
Dennoch gibt es ein Grundgerüst, um darauf basierend folgerichtige Entscheidungen
treffen zu können. Für diese benötigen wir ein gemeinsames Vokabular, Respekt für
die zum Teil unterschiedlichen Sichtweisen der beteiligten Professionen und
Verständnis für die beschlossenen Maßnahmen.
1. Die genaue zeitliche Bestimmung des Übergangs von der Terminal- in die
Finalphase ist schwierig und lässt sich anhand klinischer Parameter nicht mit
Sicherheit fest machen. Die Annahme, dass sich der Patient definitiv in der
Finalphase befindet, sollte von allen betreuenden Teammitgliedern geteilt werden.
Erst dann sind konkrete Schritte, die Therapie ausschließlich symptomorientiert zu
gestalten und dabei alle anderen therapeutischen Maßnahmen zu reduzieren,
angebracht.
2. Um die Betreuung des Patienten in seinem Sinne gestalten zu können, ist in der
Kommunikation mit Sterbenden ehrliches Hinhören und Beobachten wichtiger, als
rechte Worte zu formulieren. Mit Interesse und Neugier an Symbolen und
Sprachbildern können sich manchmal neue Wege auftun. Es gelingt nicht immer
alles richtig zu entschlüsseln – es geht um die innere Einstellung dazu.
3. Bei der psychosozialen Begleitung wird natürlich immer die Individualität jedes
Einzelnen, die Wünsche, die finanzielle Lage sowie Ressourcen der Patienten und
Betreuenden beachtet. Es wird versucht, gemeinsam mit dem Patienten und dessen
Angehörigen adäquate Lösungswege zu finden und ein Betreuungskonzept
auszuarbeiten um eine „Pflege“ für den Sterbenden zu Hause möglich zu machen.
Wie viel „Pflege“ braucht ein Sterbender
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Besonderes Augenmerk soll im Kontext der Angehörigen auch auf die Begleitung
von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen gelegt werden. Auch sie haben
das Recht, wenn sie wollen, bei der Begleitung bis zuletzt dabei zu sein.
Alles Wissen um den Sterbeprozess und goldene Standards erleichtern zwar
das Erkennen der praktischen Vorgangsweise, können jedoch persönliche
Zuwendung und Widmung, ebenso wenig wie das intuitive Erfassen der
Situation ersetzen und werden letzten Endes in keiner Richtlinie zu finden sein.
Vieles im Leben gleicht einer Reise … So auch die Entstehung unserer Arbeit:
Vor dem ersten Schritt unserer Reise stand die Idee, herauszufinden wie viel Pflege
Sterbende brauchen. Nach und nach hat sich die Reisegruppe eingefunden. Dann
brauchten wir nur noch einen Reiseführer, der mit Burgi schnell gefunden war und
schon konnte es losgehen! Alles in allem waren die Streckenabschnitte zügig
besprochen und verteilt. Jeder einzelne kannte seinen Teil des Weges und hatte das
Ziel vor Augen, am Ende einen Folder in Händen zu halten. Es war schon ein kleines
Abenteuer: die Literaturrecherche gestaltete sich zum Teil holprig und auch die
technischen Herausforderungen mit diversen Programmen sorgten ab und an für
Regenschauer. Für einige Streckenabschnitte war weniger Zeit als für andere aber
während der ganzen Reise überstrahlte Verständnis, Wertschätzung, gegenseitige
Unterstützung und wechselseitige Ergänzung die Reisegefährten. Wir haben die
Reise sehr genossen und nicht nur wertvolle Erkenntnisse in fachlicher und
persönlicher Hinsicht gewonnen sondern auch wertvolle Menschen kennen lernen
dürfen.
Wie viel „Pflege“ braucht ein Sterbender
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11. Literaturliste
Aulbert E., Nauck F., Radbruch L.: Lehrbuch der Palliativmedizin. Schattauer,
Stuttgart, 2007
Aulbert E., Zech D.(Hrsg.): Lehrbuch der Palliativmedizin. Schattauer, Stuttgart, 2000
Bausewein et al: Leitfaden Palliative Care: Palliativmedizin und Hospizbetreuung.
Urban und Fischer, 2010
Bartkowski Julia: Die Rolle der Sozialen Arbeit in der Palliativversorgung
(Bacherlorarbeit). Diplomica Verlag, 2011
Duden: Duden – Deutsches Universalwörterbuch
http://www.duden.de/woerterbuch, 30.04.2015
Fässler-Weibel Peter (Hrsg.): Sterbende verstehen lernen. Topos plus Verlags-
gemeinschaft, Kevelaer, 2006
Glare Paul et al: Palliative Care: End-of-Life Symptoms in: Olver Ian (Hrsg.): The
MASCC Textbook of Cancer Supportive Care and Survivorship. Springer,
2011, S 33
http://www.springer.com/de/book/9781441912244, Chapter 4, 21.04.2015
Glare Paul, Steffen Eychmueller, Patrick McMahon: Diagnostic Accuracy of the
Palliative Prognostic Score in Hospitalized Patients With Advanced Cancer. in:
Journal of Clinical Oncology, 2004, Vol. 22, No. 23, 4823-4828
http://jco.ascopubs.org/content/22/23/4823.full.pdf, 21.04.2015
Hermann Inger: Kommunikation mit Sterbenden: Symbolsprache – Zumutung oder
Geschenk? in: Kränzle Schmid Seeger (Hrsg.): Palliative Care. Handbuch für
Pflege und Begleitung. Springer, Berlin Heidelberg New York, 2011, 124-129
Husebø S., Klaschik E. (Hrsg.): Palliativmedizin. Springer, Heidelberg, 2003, 3.
Auflage
Husebø S., Klaschik E. (Hrsg.): Palliativmedizin. Springer, Heidelberg, 2009, 5.
Auflage
Husebø B., Husebø S.: Die letzten Tage und Stunden
http://www.hospiz-horn.de/pdf_broschueren/sterben_eines_menschen.pdf,
21.04.2015
Kränzle S., Schmid U., Seeger C. (Hrsg.): Palliative Care. Handbuch für Pflege und
Begleitung. Springer, Berlin Heidelberg New York, 2011, 4. Auflage
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Kränzle Susanne: Kommunikation mit Sterbenden und Angehörigen. in: Kränzle
Schmid Seeger (Hrsg.): Palliative Care. Handbuch für Pflege und Begleitung.
Springer, Berlin Heidelberg New York, 2011, 117-123
Kübler-Ross Elisabeth: Verstehen, was Sterbende sagen wollen. Einführung in ihre
symbolische Sprache. Knaur Menssana Verlag, 2008
Langthaler Silvia: Beitrag über Kinder und Trauer. in: Begleiten bis zuletzt. Ratgeber
für Angehörige von schwerkranken Menschen. Dachverband Hospiz
Österreich, 2013, 6. Auflage
Loewit Günther: Sterben Zwischen Würde und Geschäft. Haymonverlag, 2014, S.9
Maltoni Marco et al: Prognostic Factors in Advanced Cancer Patients. in: Journal of
Clinical Oncology, 2005, Vol. 23, No. 25, 6240-6248
http://jco.ascopubs.org/content/23/25/6240.full.pdf, 21.04.2015
Maslow Abraham: Bedürfnishierarchie
http://nlpportal.org/nlpedia/wiki/Datei:Maslow.png, 21.04.2015
Nagele Susanne, Feichtner Angelika: Lehrbuch der Palliativpflege. Facultas, 2009, 2.
Auflage
Pachl-Eberhart Barbara: Warum gerade du? Integral Verlag, 2014
Pleschberger Sabine, Heimerl Katharina, Wild Monika (Hrsg.): Palliativpflege.
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Radbruch Lukas et al: What are the problems in palliative care? Results from a
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stationären und ambulanten Bereich. Kohlhammer, 2006, 5. Auflage
Roller Susanne: Individuelle palliativmedizinische Symptomkontrolle in der
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Saegner Uwe: Papa, wo bist du? Kinderbuch zu Tod und Trauer. Hospizverlag,
2014, 5. Auflage
Salpeter S.R. et.al: Systematic Review of Cancer Presentations with a Median
Survival of Six Months or Less, in: Journal of Palliative Medicine, 2012, Vol.
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situation und Verbesserungsbedarf aus Perspektive von Hinterbliebenen; in Z
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Wildiers Hans, Menten Johan: Death Rattle: Prevalence, Prevention and Treatment
in: Journal of Pain and Symptom Management, 2002, Vol. 23, No. 4
http://www.jpsmjournal.com/article/S0885-3924(01)00421-3/pdf, 21.04.2015
Begleiten bis zuletzt, Ratgeber für Angehörige von schwerkranken Menschen,
Dachverband Hospiz Österreich, 2013, 6. Auflage
12. Anhang: Folder
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