WAS PASSIERT, WENN DER MENSCH DES MENSCHEN WOLF...

16
WAS PASSIERT, WENN DER MENSCH DES MENSCHEN WOLF WIRD?

Transcript of WAS PASSIERT, WENN DER MENSCH DES MENSCHEN WOLF...

Page 1: WAS PASSIERT, WENN DER MENSCH DES MENSCHEN WOLF …tacheles-solingen.de/wp-content/uploads/2016/06/... · 2 tacheles Nummer 64 F rühsommer 2016 tacheles Zeitung für Emanzipation

WA

S PA

SSIE

RT,

WEN

N D

ER M

ENSC

H D

ES M

ENSC

HEN

WO

LF W

IRD

?

Page 2: WAS PASSIERT, WENN DER MENSCH DES MENSCHEN WOLF …tacheles-solingen.de/wp-content/uploads/2016/06/... · 2 tacheles Nummer 64 F rühsommer 2016 tacheles Zeitung für Emanzipation

2 tacheles · Nummer 64 ·Frühsommer 2016

tacheles � Zeitung für Emanzipationund Solidarität

Die Zeitung wurde von demRedaktionskollektiv erstellt. Auflage 3.000Kontakt & Zuschriften: c/o Café Courage,Klemens-Horn-Str. 3, 42655 SolingenE-Mail: [email protected] 64 1.5.2016ViSdP und Herausgeber: Frank Knochec/o Café Courage,Klemens-Horn-Str. 3, 42655 SolingenBankverbindung:Bürgerinitiativen-Büro Solingen e. V.IBAN: DE31330605920005464641BIC: GENODED1SPW (Sparda Bank)Layout: Heinz MähnerTitelbild: Zweibrüder Kunst- & Kultur GmbH

Inhalt

Die Wölfe sind zurück 2

Kosten der Unterkunft:

Zu wenige �angemessene� Wohnungen 3-4

DGB ruft zur Solitarität auf 4

Moderne Ordnungspolitik sieht anders aus 5

Wie geht es weiter mit dem Ittertal? 6-7

Was wird aus dem Schwimmbad Vogelsang? 8

Nicht nur Flüchtlinge müssen sich integrieren ... 9-10

Städtisches Klinikum und die Fallpauschale 11

Türkei und Menschenrechte 12

In letzter Minute: Recherchen zum Wenzelnberg 13

Rede zum 73. Jahrestag der Sinti Deportation 13

Der Gutmensch 14

Nachruf auf Manfred Korten 15

Gruppeninfos 16

Die Ausstellung �Die Wölfe sind zurück�warnt vor Rassismus

Die Ausstellung: �Die Wölfe sind zurück� ist ein Projekt derZweibrüder Kunst- & Kultur GmbH von Harald und Rainer Opolka.Vielen sind die zwei u.a. vom Solinger LED-Taschenlampen-Hersteller Zweibrüder Optoelectronics bekannt. Die Ausstellung, dieauf großen Plätzen zunächst in Dresden (siehe auch Titelbild), dann inPotsdam stand, soll in allen Bundesländern gezeigt werden. Zurzeitwerden Anträge u.a. für Düsseldorf und Köln gestellt. Rainer Opolkascheibt dazu:

�Kunst ist nicht der Staub aus alten Bildern in hohle Schädel geblasen,sondern das was die Menschen bewegt. 66 aus Metall gegosseneWölfe wirken bedrohlich und werfen Fragen auf: Was passiert, wenndie Formen der Ordnung und des Zusammenhalts zerbrechen undFremdenfeindlichkeit sich wie ein Virus ausbreitet? Wenn moralisch-ethische Regeln ihre Gültigkeit verlieren und die Gesellschaft zuneh-mend von Angst, Gewalt und Verrohung geprägt wird? Wenn blinderNationalismus sich breitmacht? Wenn Menschen aus der Enge der ei-genen Lebensverhältnisse eine Sichtweise entwickeln wie Kaninchenim Stall? Wenn Staaten, der inneren Verrohung folgend, auch nach au-ßen aufrüsten und aggressivere Töne anschlagen würden? Was alsopassiert, wenn der Mensch des Menschen Wolf wird? Die Ausstellung:,Die Wölfe sind zurück� soll das zeigen und uns eine Warnung sein.

Dresden und Potsdam bilden den Auftakt zu einer Tour der Wölfedurch unser Land, die über 1 Million Menschen sehen sollen. Ich willmit der spektakulären Aktion die Bürger anregen, mehr gegenFremdenfeindlichkeit, Hass und Gewalt zu tun. Ich habe mir vorge-nommen, tausende Gespräche zu führen und werde während derAusstellungen fast durchgängig anwesend sein.

Letztlich soll die Kunst-Aktion auch deutlich machen, dass wir in un-serem Land Bedingungen schaffen müssen, unter denen niemand mehrhassen muss. Das Übel an der Wurzel fassen, heißt: Nicht nurVerbitterung, Hass und Gewalt bekämpfen, sondern die Krise alsAufforderung begreifen, an einer Gesellschaft zu bauen, die der sozia-len und politischen Spaltung entgegenwirkt. Aus alledem resultiertdann das Wachstum der Menschen als Brandmauer gegen Hass undGewalt. Nur dies, und nicht dumpfe Abgrenzung, kann das Ziel einerdemokratischen Gesellschaft sein.�

www.diewoelfesindzurueck.de

Rainer Opolka im engagierten Gespräch mit dem Publikumüber die Ausstellung und das Thema Rassismus

Foto: Zweibrüder Kunst- & Kultur GmbH

Page 3: WAS PASSIERT, WENN DER MENSCH DES MENSCHEN WOLF …tacheles-solingen.de/wp-content/uploads/2016/06/... · 2 tacheles Nummer 64 F rühsommer 2016 tacheles Zeitung für Emanzipation

tacheles · Nummer 64 ·Frühsommer 2016 3

Angemessene Wohnungen statistisch vor-handen, aber real nicht verfügbar

Jede Woche finden in Solingen mindestenszwei Wohnungs-Zwangsräumungen statt. DieNotunterkünfte für Obdachlose sind voll. Seitlanger Zeit sind dort wieder mehrere Kinderund noch mehr Jugendliche untergebracht.Die Situation hilfsbedürftiger Menschen wirdauch in unserer Stadt, gerade vor dem Hin-tergrund eines für sie immer enger werdendenWohnungsmarktes, zunehmend unerträgli-cher. Dies hat auch nicht unerheblich etwasmit den Regelungen des sogenannten Schlüs-sigen Konzeptes zu tun, in dem die Miet-obergrenzen für Arbeitslosengeld-II- undGrundsicherungs-EmpfängerInnen festgelegtwurden.

Schon für Ende des alten und Anfang des neu-en Jahres, dann für Mitte dieses Jahres, sollteeine Überprüfung der KDU-Regelung eintre-ten. Jetzt sieht es so aus, dass hier erst im drit-ten Quartal des Jahres etwas passieren wird.Das ist eigentlich nicht akzeptabel, denn fastjeder weiß, dass wir ein erhebliches sozialesProblem haben und es wegen der zu erwar-tenden finanziellen Haushalts-Mehrausgabennur darum geht, wann eine neue Regelung inKraft tritt. Hier drängt sich der Eindruck auf,dass die zuständige Verwaltung auf demRücken der Betroffenen auf Zeit spielt. Derversprochene Bestandsschutz war zunächstnahezu wirkungslos, wurde dann etwas nach-gebessert, hat aber an dem Problem kaum et-was geändert. Im Arbeitslosenzentrum SALZerscheinen jeden Tag zwei bis drei Hilfe-empfänger die aus ihrem Regelsatz zumLeben 20 bis 200 Euro fürs Wohnen aufbrin-gen müssen, die dann beim alltäglichenLebensunterhalt fehlen.

Mindestens 2520 HilfeempfängerInnenzahlen zu

Viele schaffen es nicht innerhalb der Frist von6 Monaten ihre Unterkunftskosten zu senken,weil sie keine angemessene neue Wohnungfinden. Im Jahr 2012 mussten bundesweitknapp 800.000 Bedarfsgemeinschaften imDurchschnitt 64 Euro für die Miete selbst auf-bringen (BT-Drs. 17/11946,7). Inzwischen istdas sicherlich mehr geworden. Stand Januar2016 mussten in Solingen von insgesamt7499 Bedarfsgemeinschaften (eineBedarfsgemeinschaft hat durchschnittlich 1,9Personen) im ALG-II-Bezug, 1056Bedarfsgemeinschaften zur Miete hinzuzah-len. Bei einem Ein-Personen-Haushalt betrugdies durchschnittlich 71,12 Euro. Bei denBedarfsgemeinschaften der Grundsicherungim Alter oder Erwerbsunfähigkeit beimSozialamt müssen derzeit 270 Hilfe-empfängerInnen zuzahlen. Somit leben indieser Stadt mindestens 2520 Hilfempfän-gerInnen, die aus dem Regelsatz für das all-

tägliche Leben (404 pro Person bzw. 364Euro bei Paaren) zur Miete hinzuzahlen müs-sen, weit unter dem Existenzminimum.Vielen davon bleibt für den monatlichenLebensunterhalt weniger übrig als ein starkerRaucher allein für seine Rauchwaren ausgibt.

Ein konkretes Beispiel: Eine alleinerziehendeMutter hat 20 Jahre auf der Couch in ihremWohnzimmer geschlafen und auf vieles ver-zichtet, damit die drei Kinder u. a. ein eigenesZimmer hatten. Sie ist stolz darauf, dass ausallen Kindern etwas geworden ist. Jetzt ist dasletzte Kind aus der SBV-Wohnung ausgezo-gen, und sie soll 160 Euro zur Miete hinzu-zahlen, weil sie auch im Bauverein bislangkeine preiswertere Wohnung gefunden hat.Ihr bleiben dann noch 244 Euro monatlichzum Leben.Von 10 freien Wohnungen nur 2 verfübarRechtlich ist die Kommune verpflichtet, �hö-here als die als angemessen geltende Mietenanzuerkennen, wenn es im öffentlich geför-derten Wohnraum solche Wohnungen nichtgibt� (SG Köln, 30.01.2006 � S 14 AS 41/05ER), oder zumindest, wenn nachweisbar ist,dass kein entsprechender angemessenerWohnraum verfügbar ist, muss die tatsächli-che Miete anerkannt werden. Die zuständigeVerwaltung zeigt aber keine klare Regelungauf, in welcher Weise dieser Nachweis er-bracht werden kann und muss, obwohl sie da-zu rechtlich verpflichtet ist.

Bislang galt noch die Regelung, dass mansich beim Wohnungsamt melden muss, umfreie angemessene Wohnungen angezeigt zubekommen. Wenn dies innerhalb von dreiMonaten nicht geschieht, muss die alte, nichtangemessene Wohnung weiter gezahlt wer-den, bzw. die Genehmigung für den Bezug ei-ner etwas teureren, neuen Wohnung erteilt

werden. Eine solche Regelung, die kaum je-manden schriftlich bekannt ist, hat sich alsnicht praktikabel erwiesen. Jetzt gibt es beimWohnungsamt die lakonische Auskunft (auchdokumentiert durch Aushänge), dass es keineangemessenen Wohnungen mehr gibt. Dieswird dort jedoch dem konkretenHilfeempfänger nicht schriftlich bestätigt.Wie soll also nachgewiesen werden, dasstheoretisch vorhandene Wohnungen (lautSchlüssigen Konzept), praktisch und realnicht verfügbar sind? Hinzu kommt auch,dass von 10 freien Wohnungen nur etwa 2 fürALG-II-Beziehende konkret verfügbar sind,weil Arbeitslose oft auch verschuldet sind(Schufa), den gewünschten Gehaltsnachweisnicht vorlegen können und gerade Migrantenoder Alleinerziehende mit Kindern es aufdem Wohnungsmarkt besonders schwer ha-ben.

Verwaltung versteht das Problem nicht

Wenn jetzt das Jobcenter und der neueSozialdezernent, Jan Welzel, das Problem he-runterspielen, weil 86 Prozent derHilfeempfängerInnen ja in einem angemesse-nen Wohnraum leben würden und nicht hin-zuzahlen müssten, dann zeigt dieseArgumentation nur, dass das Problem hiernicht verstanden wird. Die allermeistenBetroffenen wohnen unter den Bedingungenvon Bestandsmieten, die in den letzten Jahrennur relativ leicht erhöht wurden. Die großenProbleme entstehen aber, wenn ein Umzugnotwendig wird, etwa weil die Wohn-verhältnisse unzumutbar oder ein Mitgliedder Bedarfsgemeinschaft auszieht (älter ge-wordene Kinder, Trennung usw.) und dieWohnung für die geringere Personenzahl zuteuer wird. Bei jeder Neuvermietung erhöhennämlich die Vermieter in der Regel die alteGrundmiete. Diese ist dann nicht mehr ange-

KOSTEN DER UNTERKUNFT

Unter freiem Himmel einschlafen und unter freiem Himmel aufwachenhat was Therapeutisches. Foto: (cc) Wikimedia Commons Downtowngal

Page 4: WAS PASSIERT, WENN DER MENSCH DES MENSCHEN WOLF …tacheles-solingen.de/wp-content/uploads/2016/06/... · 2 tacheles Nummer 64 F rühsommer 2016 tacheles Zeitung für Emanzipation

4 tacheles · Nummer 64 · Frühsommer 2016

messen und die Betroffenen müssen dann,weil sie nicht umziehen dürfen und könnenmonatelang aus dem Regelsatz zuzahlen. Sowerden sie in die Verschuldung getrieben,was immer öfter mit Strom- undEnergiesperren oder Zwangsräumungen en-det. Auch die Argumentation des Wohnungs-amtes, wonach die Angemessenheitsgrenzenangesichts etwa 4.000 leerstehenderWohnungen in dieser Stadt, in Ordnung wä-ren, ist grotesk. Wer die Wohnungs- undSozialverwaltung kritisiert, dass sie � obwohlschon vor zwei Jahren von der Politik dazuaufgefordert wurde verstärkt dieUnterbringung von zu uns Geflüchteten inprivaten Wohnraum zu betreiben � bislangnur 177 private Wohnungen angemietet undauch belegt hat, der bekommt zu hören, dassdiese Zahl der leerstehenden Wohnungennicht sehr belastbar und es äußerst schwierigsei, hier Menschen mit Wohnungen zu versor-gen.

Übergangslösungen und Anforderungenfür eine Überprüfung

In der Sozialausschusssitzung vom 5. Aprilwurde auf Initiative von Grünen, Linken undSPD beschlossen, eine Überprüfung des so-genannten Schlüssigen Konzept, nicht wie die

Verwaltung es wollte, bis Ende des Jahres,sondern bereits im 3. Quartal des Jahres vor-zunehmen. Leider fanden die Vorschläge derGrünen bezüglich einer Übergangslösung undder Kriterien an ein neues Gutachten hiernoch keine Mehrheit. Hierzu werden abernoch, bevor der Auftrag vergeben wird,Beschlüsse gefasst werden müssen.

Nach Auffassung der Grünen sollten dann fol-gende Regelungen vereinbart werden: - Der Faktor der Bemessung der angemesse-nen Unterkunftskosten soll auf Basis derNeuvermietungen von den Gutachtern realis-tisch angesetzt bewertet werden. - Ebenso sollte ein Verfügbarkeitszuschlaggeprüft werden.- Weiterhin müsste die Situation der bereitsvorhandenen Bedarfsgemeinschaften als

Faktor für die Angemessenheit des verfügba-ren Wohnraums berücksichtigt werden: Wieviele zahlen wieviel zur Miete hinzu?- Die Nebenkosten, vor allem beim Wasser,sowie bei der zu erwartenden Grund-steuererhöhung sollen genauer erfasst und be-rücksichtigt werden.- Die Wohnungsmarktberichte der Stadt(Engpässe bei Single- und Großfamilien-Wohnungen) und des Landes sind hierbei ein-zubeziehen.- Bis zum Ergebnis dieser Überprüfung wirdein Ermessensspielraum von 20 Prozent überdie bisher geltenden Angemessenheits-grenzen eingeräumt.- Der Stadtdienst Wohnen wird kurzfristig indie Lage versetzt, wenn dort keine angemes-senen Wohnungen verfügbar sind, entspre-chende Bescheinigungen auszustellen, damitdas Jobcenter die Fristen bei denMietsenkungen verlängern, bzw. Zusagen zurAnmietung von etwas teureren Wohnungengeben kann und nach Möglichkeit sollte.- Die Stadt erarbeitet und veröffentlicht eineklare, praktikable und verständlicheRegelung, wie und wann für Hilfeempfäng-erInnen der Nachweis erbracht werden kann,dass für sie kein entsprechender angemesse-ner Wohnraum verfügbar ist.

Frank Knoche

Am 1. Mai demonstrieren wir für mehrSolidarität � zwischen den arbeitendenMenschen, den Generationen, Einheim-ischen und Flüchtlingen, Schwachen undStarken. Es ist an der Zeit für mehr Soli-darität, und wir brauchen Zeit für mehrSolidarität!

Integration geht nur gemeinsam, mitgleichen Rechten für alle Beschäftigten!

Deutschland steht vor großen Aufgaben:Hunderttausende sind vor Krieg und Terror zuuns geflüchtet. Sie treffen hier viel zu oft aufHass und Menschenfeindlichkeit. Dagegenwenden wir uns entschieden � die Antwortheißt Integration in Arbeit und Gesellschaft,nicht Ausgrenzung! Die Gewerkschaften ste-hen für eine freie, offene, solidarische und de-mokratische Gesell-schaft. Geflüchtete undEinheimische dürfen nicht gegeneinanderausgespielt werden. Wir fordern: KeineAusnahmen beim Mindestlohn, keineAbsenkung von Arbeitsschutzstandards!

Solidarität braucht einenhandlungsfähigen Staat!

Die Gewerkschaften weisen seit Jahren aufdie fehlenden Investitionen in die öffentlicheInfrastruktur hin. Darunter leiden alle Men-schen. Wir brauchen Investitionen in Schulen,Kitas, Verkehrswege, den Wohnungsbau so-wie mehr Personal im öffentlichen Dienst, bei

der Polizei, in Schulen und Kitas. Der jetzigeZustand gefährdet den gesellschaftlichenZusammenhalt und die Zukunftsfähigkeit un-seres Landes.

Wir wollen Solidarität im Betrieb: keinLohndumping, keine Zwei-Klassen-

Gesellschaft! Im Koalitionsvertrag wurde zugesagt, dassder Missbrauch von Leiharbeit undWerkverträgen endlich verhindert wird. Hun-derttausende Kolleginnen und Kollegen ver-dienen weniger und werden schlechter behan-delt als die Stammbelegschaft. Gleicher Lohnfür gleiche Arbeit: Wir fordern ein Gesetz,das Missbrauch wirksam verhindert.

Die gesetzliche Rente muss gestärktwerden!

Die Rentenerhöhungen für 2016 können nichtdarüber hinwegtäuschen, dass MillionenMenschen eine Altersarmut droht, wenn nichtjetzt gegengesteuert wird. Die Rente muss fürein würdiges Leben im Alter reichen.

Wir wollen mehr Gerechtigkeit fürFrauen auf dem Arbeitsmarkt!

Die Lohnlücke bei Frauen liegt immer nochbei 21 Prozent. Und wenn Frauen sich fürTeilzeit entscheiden, dürfen sie selten zurückin eine Vollzeitstelle. Zwei Gesetze, zuLohntransparenz und zum Rückkehrrecht auf

Vollzeit, sind angekündigt. Sie müssen auchkommen!

Das Mitbestimmungsgesetz muss denneuen Herausforderungen angepasst wer-

den � dafür gehen wir in die Offensive! Mitbestimmung ist gelebte Solidarität. Wirbrauchen mehr Mitbestimmung in denBetrieben, um Folgen der Digitalisierung undDemografie wirksam zu steuern. Unsere Geschichte verpflichtet uns zumHandeln gegen Krieg und Intoleranz,Rassismus und Antisemitismus. Der 1. Maiist unser Tag der Solidarität und kein Ort fürNazis und Rechtspopulisten.

DGB: ES IST AN DER ZEIT FÜR MEHR SOLIDARITÄT

Page 5: WAS PASSIERT, WENN DER MENSCH DES MENSCHEN WOLF …tacheles-solingen.de/wp-content/uploads/2016/06/... · 2 tacheles Nummer 64 F rühsommer 2016 tacheles Zeitung für Emanzipation

tacheles · Nummer 64 ·Frühsommer 2016 5

Moderne und intelligente Ordnungspolitikund Ordnungsmaßnahmen müssen auchwirklich anders aussehen. Sie haben in un-serer Stadt auch schon einmal anders, mo-derner und intelligenter ausgesehen. DerAntrag der CDU auf Erhöhung der Zahlder Ordnungskräfte (es war von ca. einDutzend zusätzlichen Stellen die Rede) istein Rückfall in ganz alte Zeiten, ineffektivund vor allem nicht intelligent.

Die Älteren unter uns werden sich erinnern.Die Vokabeln damals waren sehr ähnlich.Bedrohungsgefühle im öffentlichen Raum,Angstraum, Belästigungen, Gefährdungs-potential usw., nur der Standort war ein ande-rer. Es ging schwerpunktmäßig um denBahnhofsvorplatz in Ohligs, den Brems-heyplatz. Die Forderungen gingen in eineähnliche Richtung. Verschärfung der Straßen-satzung, mehr Überwachung, letztlich solltemehr Polizei das Problem lösen. DieseForderung kam auch vor allem aus denReihen der Partei mit dem großen C imNamen. Soweit die Parallele zu heute.

Damals wurde es doch noch intelligent undeffektiv. Der damals zuständige Dezernent,übrigens auch aus der Partei mit dem großenC, startete eine Initiative, die darauf abzielteordnungspolitische Maßnahmen mit sozialpo-litischen zu verbinden und positiv aufeinan-der zu beziehen.

Er wusste, auch gute Sozialarbeit, nämlichdie, die Integration fördert, hat eine ord-nungspolitische Wirkung. (Das Wort Inklu-sion war damals noch nicht erfunden.) Erspielte Polizei und Sozialarbeit nicht gegenei-nander aus. Er hatte erkannt, dass sich beideBereiche ergänzen und gemeinsam imErgebnis effektiver sind. Er suchte und fandPartner im Feld der sozialen Arbeit, die denordnungspolitischen Aspekt sozialer Arbeitähnlich sahen. Die Jugend- und Drogen-beratung anonym e.V. entwickelte dasAngebot FAXE aus Kontaktladen und demaufsuchenden Teil des Streetwork. DieAktivitäten von Polizei und Ordnungsamtwurden, soweit mir bekannt, nur sehr moderatverstärkt.

Ergebnis: Es wurde ruhiger amBremsheyplatz, die Zahl der Polizeieinsätzeging zurück. Wenn Polizeieinsätze nötig wa-ren, liefen sie sachlicher und ruhiger, trafenauf weniger aggressive Gegenwehr. MehrBedürftige wurden in das Hilfesystem inte-griert. Kurz: die öffentlichen Ärgernisse hat-ten deutlich nachgelassen, ein sogenannter�Angstraum� hat aufgehört zu existieren.

Jetzt zu heute: Wieder steht die Forderungordnungspolitisch aufzurüsten. Sehr viel stär-

ker als damals. Die Forderungnach ordnungspolitischerAufrüstung ist heute allerdingsnicht begleitet durch denAufbau sozialer Hilfestrukturen.

Ganz im Gegenteil, die Jugend-und Drogenberatung anonyme.V. hat aus finanziellenGründen ihr Angebot ausKontaktladen und Streetworkdrastisch reduzieren müssen.Selbst die Zukunft diesesMinimalangebotes ist unsicher.An dieser Stelle wird aus nichtintelligenter Ordnungspolitikdumme, kurzsichtigeOrdnungspolitik. Dumm des-halb, weil nicht auf die positivenErfahrungen aus derVergangenheit zurückgegriffenwird. Erfahrungen, die nicht ir-gendwo theoretisch am grünenTisch gemacht wurden, sondernsehr praktisch und sehr erfolg-reich in der eigenen Stadt.Dumm nenne ich diese Politik,weil sie sich weigert aus diesenErfahrungen zu lernen. Wie istdas Stichwort, wer nicht lernenwill, bleibt dumm. Oder er ver-steckt sich hinter einerIdeologie. Letzteres gehört nicht zu demSprichwort. Könnte aber durchaus ein Grundsein, sich dumm zu stellen.

Aber etwas Versöhnliches und Optimistischeszum Schluss. Menschen sind generell lernfä-hig und lernen macht klug. Lernen kann auchPolitik klüger machen.

Thomas Müller

MODERNE UND INTELLIGENTE ORDNUNGSPOLITIK SIEHT ANDERS AUS ODER:Der Antrag der CDU auf massive Erhöhung der Zahl der städtischen Ordnungskräfte

Im Jahre 2000 konnte durch ein Bündnis vonJugendstadtrat, Kirchen, Solinger Appell undsozialpolitisch Engagierten die von CDU und

FDP beabsichtigte Verschärfung der Stra-ßenordnung verhindert werden.

Foto: tacheles Titel Nr. 18, Sommer 2000

Page 6: WAS PASSIERT, WENN DER MENSCH DES MENSCHEN WOLF …tacheles-solingen.de/wp-content/uploads/2016/06/... · 2 tacheles Nummer 64 F rühsommer 2016 tacheles Zeitung für Emanzipation

6 tacheles · Nummer 64 · Frühsommer 2016

GEPLANTE GEWERBEGEBIETE IM ITTERTAL:GESAMTGUTACHTEN BESTÄTIGT MASSIVE

ÖKOLOGISCHE AUSWIRKUNGENDas am 9.12.2013 vom Stadtentwicklungs-ausschuss (ASUKM) beschlossene �Ge-samtgutachten Ittertal� wurde jetzt, 2 ¼Jahre danach, endlich vorgelegt. Es emp-fiehlt, das Gewerbegebiet Buschfeld (nörd-lich Garzenhaus) nicht weiter zu verfolgenund Keusenhof (Wilzhauser/KuckesbergerWeg) zunächst nicht weiter zu verfolgen.Trotz hoher Umweltauswirkungen sollenaber bei Piepersberg-West (westlich Pie-persberg-Ost) und Fürkeltrath II (nördlichHolz) die Flächen im Besitz der Wirt-schaftsförderung Gewerbegebiete werden.Obwohl im Beschluss des ASUKM �in Bezugauf die weitere Bebauung des Ittertals, insbe-sondere durch Gewerbeansiedlungen, dieErstellung eines Gesamtgutachtens unterNachhaltigkeitsaspekten und ökologischenGesichtspunkten� gefordert wurde, interpre-tierte die Verwaltung dies ganz in ihremSinne: Zwar wurden die Auswirkungen dervier auf Solinger Seite des Ittertals geplantenGewerbegebiete untersucht. Die Folgen derdarüber hinaus gehenden zusätzlichen weite-ren Bebauung des Ittertals wurden jedochnicht bewertet. Dazu gehören u.a. das nochnicht bebaute Gewerbegebiet Fürkeltrath I,weitere Wohnbebauungen auf Solinger- so-wie zusätzliches Gewerbe auf Haaner Seite.Auch die sich anhäufende Wirkung der zahl-reichen, gerade nahe den Quellen des Ittertalseng zusammenstehenden, geplanten bzw. vor-handenen Gewerbegebiete wurde nur unzu-reichend betrachtet.Dennoch bestätigen die Gutachten-Teile�Ökologische Aspekte� und �Ergänzung zurRaumwiderstandsanalyse�, beide vom Aach-ener Büro BKR, die Gefährdung des Ittertalsdurch die Planungen. Im Folgenden � kursivgesetzt � Auszüge daraus:

Buschfeld: Schädigung desNaturschutzgebietes,

Klimaveränderungen im Ittertal �- �sehr hohe ökologische Auswirkungen aufdas Schutzgut Boden sowie hohe Aus-wirkungen auf die Schutzgüter Mensch,Pflanzen / Tiere�- �hohe Bedeutung als Puffer und Ergän-zungsflächen zum NSG mit entsprechendemEntwicklungspotenzial (�) Verlust vonAcker- und Grünlandflächen mit Habitatfunk-tionen für verschiedene planungsrelevanteTierarten (Avifauna, Fledermäuse), z.T. auchessenzielle Habitatfunktionen nicht auszu-schließen � insbes. Kleinkolonie der Rauch-schwalbe. Beeinträchtigung von Vorkommenplanungsrelevanter Tierarten im Umfeld jenach Gewerbeart nicht auszuschließen.�- �Buschfeld stellt eine große, zusammenhän-

gende Freilandfläche dar, die sich im Fall ei-ner Bebauung zu einer großen lokalenWärmeinsel wandeln könnte. (�) Mit einemKaltluftbildungspotenzial-Anteil von rund 9% bezogen auf die Kaltluftflächen des südli-chen Ittertals käme es im Fall einerBebauung der Fläche Buschfeld zu einerdeutlichen Reduzierung der Kaltluftströ-mung.�Dies würde eine starke Klimaveränderung imIttertal selbst bedeuten.- �Durch Überbauung / Versiegelung erfolgtein vollständiger Funktionsverlust bedingtnaturnaher besonders schutzwürdiger Böden,die zu den fruchtbarsten Böden desStadtgebietes zählen�Keusenhof: Enorme Erschließungskosten,Zerstörung eines der fruchtbarsten Böden

Solingens �- �sehr hohe Auswirkungen auf das SchutzgutBoden� - Mit geschätzten Erschließungskosten inHöhe von 5.360 T � �schneidet der StandortKeusenhof insbesondere aufgrund derschlechten verkehrlichen Anbindung ver-gleichsweise ungünstig ab.�- �Durch Überbauung erfolgt eine Zerstö-rung überwiegend bedingt naturnaher beson-ders schutzwürdiger Böden, die zu den frucht-barsten Böden des Stadtgebietes zählen�- �Verlust hauptsächlich von Acker- undGrünlandflächen voraussichtlich überwie-gend mit Nahrungshabitatfunktion für ver-schiedene planungsrelevante Tierarten(Avifauna, Fledermäuse)�Piepersberg-West: Gefährdung eines der

wichtigsten rechtsrheinischenBiotopverbünde, Erhebliche Veränderung

des Talraums �- �hohe ökologische Auswirkungen auf dieSchutzgüter Boden, Landschaftsbild,Pflanzen / Tiere�- �Hauptsächlich direkter Verlust von land-wirtschaftlichen Flächen mit mittlerer allge-meiner Bedeutung als Lebensraum, jedochmit hoher Bedeutung für den Biotopverbund.Hierdurch in Verbindung mit denGewerbeflächen Piepersberg-Ost Verschmä-lerung des verbleibenden Verbundkorridorsauf eine Breite zwischen 135m und 180 m(Richtwert für regionale Korridorbreite 500m gem. Projektgruppe Umweltplanung derStädte Remscheid, Solingen und Wuppertal1996). Aufgrund dieser kumulativen Wirkungwird die Inanspruchnahme des Lebensraumsund des Biotopverbunds insgesamt als hochbewertet.�Damit wäre eine bedeutende Schwächung des

Kernstücks eines der wichtigsten überregio-nalen Biotopverbünde im Rechtsrheinischenverbunden, der sich bis heute in der dicht be-bauten Metropolregion Rhein-Ruhr erhaltenhat. Der gefährdete Biotopverbund verbindetdas Großbiotop Burgholz / Tal der Wupper,über das Ittertal mit der Hildener- und derOhligser Heide. Er setzt sich südwestlich derOhligser Heide fort als Biotopverbundachsezwischen Rheinaue und Heideterrasse (zwi-schen Hilden-Erikasiedlung und Richrathbzw. zwischen Garath und Baumberg) bis hinzur Urdenbacher Kämpe am Rhein.Zusätzlich erweitert sich der Biotopverbundwestlich der Hildener Heide über Elbsee,Unterbacher See bis zum Eller-, Hasseler-und Benrather Forst. Im vom Landesumwelt-amt erstellten Fachbeitrag zum Regionalplanwerden in diesem zusammenhängenden Frei-raum durchgängig Flächen als �Biotop-verbund -herausragende Bedeutung-� und�Biotopverbund -besondere Bedeutung-� be-wertet, so auch Piepersberg-West und großeTeile von Fürkeltrath II. Besonders wichtig istder Biotopverbund für wandernde Vögel undFledertiere. So hieß es schon im Umweltbe-richt zu Piepersberg-Ost: �Das Plangebietstellte jedoch eine Haupt-Flugroute (Verbin-dungsstrecke vom Schlafplatz zum Jagdplatz)vom südlichen Ittertal zur Wupper dar.� - �Der Talraum ist künftig beidseits von ge-werblichen Bauflächen eingegrenzt, die mitgroßvolumigen Gebäuden und Lichtim-missionen eine erhebliche Veränderung desLandschaftsbildcharakters des Talraums be-dingen.�Fürkeltrath II: Großflächige Veränderung

des Landschaftsbildes, massiveBeeinträchtigung der ökologischen

Landwirtschaft �- �hohe ökologische Auswirkungen auf dieSchutzgüter Boden, Pflanzen / Tiere�- �Die Fläche besitzt eine erhöhteEmpfindlichkeit aufgrund der Kuppenlageund der hiermit verbundenen großräumigenSichtbarkeit. Diese bestehen vornehmlich vonden gegenüberliegenden Hanglangen, eherweniger aus den bewaldeten Tallagen.Großflächige Veränderung des Landschafts-bildcharakters durch großvolumige Gebäudeund Lichtimmissionen. Einschränkung derSichtbeziehungen. Hierbei auch kumulieren-de Wirkungen mit dem östlich anschließendenGewerbegebiet Fürkeltrath I sowie aufHaaner Stadtgebiet.�- �Von der vorgesehenen gewerblichenEntwicklung ist ein einzelner landwirtschaft-licher Hof innerhalb des Plangebietes betrof-fen � inwieweit der Hof integriert werden

Page 7: WAS PASSIERT, WENN DER MENSCH DES MENSCHEN WOLF …tacheles-solingen.de/wp-content/uploads/2016/06/... · 2 tacheles Nummer 64 F rühsommer 2016 tacheles Zeitung für Emanzipation

tacheles · Nummer 64 ·Frühsommer 2016 7

Das Luftbild zeigt das obere Ittertal und die größtenteils erst noch geplante bauliche Verdichtung von Haan über Wuppertal bis Gräfrath. F-1 + F-2 = Fürkeltrath I und II, P-O + P-W = Piepersberg Ost und West. Foto: Matthias Kunde, Montage: BI �Rettet das Ittertal�.

kann, obliegt einer konkreteren Planung.�Zwar soll der hier gemeinte Kirberghof, dersich, urkundlich belegt, seit 1000 Jahren inFamilienbesitz befindet, nach Verwaltungs-empfehlung jetzt nicht mehr direkt mitGewerbe überplant werden. Dieses soll abernebenan entstehen, was sehr problematischist: Der Hof wird seit 20 Jahren ökologischbewirtschaftet (BIOLAND-Betrieb). Es istein Lern-Bauernhof, der Grundschulen Kurseanbietet. Auf dem Hof wird ein neuesWirtschaftsmodell, die Solidarische Land-wirtschaft, erprobt (siehe tacheles Nr. 61 +63). Dazu kommt: Eine weitere Biobäuerinbewirtschaftet eine Pachtfläche auf Fürkel-trath II. Sie müsste dem Gewerbegebiet wei-chen. - �Mittleres bis hohes Risiko einerBeeinträchtigung des im direkten Umfeld lie-genden Holzer Baches insbesondere durchdie Entwässerung. Mittleres Risiko einerGrundwasserverschmutzung aufgrund derteilflächigen zu erwartenden, geringenGrundwasserflurabstände in einem Gebietohne nennenswertes Grundwasservorkom-men.�- �Risiko für Störungen von Vorkommen pla-nungsrelevanter Tierarten der ökologischhochwertigeren Strukturen im Umfeld (insbe-

sondere Holzer Bachtal, strukturreicheGärten und Obstwiesen bei Gütchen).�

Hohe Erschließungskosten fürPiepersberg-West und Fürkeltrath II auch

ökonomisch unsinnigUnverständlich � und wohl derEinflussnahme der Wirtschaftsförderung ge-schuldet � sind die Empfehlungen desGutachtens und der Stadtverwaltung für dasweitere Vorgehen bei den Planungen zuPiepersberg-West und Fürkeltrath II: Trotzder benannten hohen ökologischen Auswir-kungen soll der Besitz der Wirtschaftsför-derung als Gewerbegebiet entwickelt werden.Dieser beträgt aber jeweils nur 45% des ur-sprünglichen Plangebietes. Die aufwändigeErschließung mit Geländeumformungen undStützmauern für ebene Bauflächen, mit denenz.B. bei Fürkeltrath II Höhendifferenzen bis12m terrassierend ausgeglichen werden müs-sen, lohnen sich nicht. Im von Stadtverwal-tung und Wirtschaftsförderung erstelltenGutachten-Teil wird prognostiziert, dass 264 -440 Beschäftigten auf Piepersberg-West ar-beiten würden. Dass dies realitätsfernerWunschglaube ist, wird deutlich, wenn manweiß, dass die Stadt diese Fläche für dieBHC-Halle mitten im Grünen ohne jede

Anbindung an städtische Strukturen oderNahverkehr nutzen will.Im Gutachtenteil �Nachhaltigkeit�, der vonder Stadtverwaltung und Wirtschaftsför-derung erstellt wurde, werden zwar (schöngerechnete) Arbeitsplatz- und Gewerbesteu-er-Erwartungen beschrieben. Nicht berechnetwird aber der Wertverlust durch den rasantfortschreitenden Flächenverbrauch sowie dieZerstörung von Naherholungsraum, Lebens-qualität, Biologischer Vielfalt und Klima.Auch der Verlust von touristischerAttraktivität oder der Verlust von landwirt-schaftlichen Flächen und Arbeitsplätzen wirdnicht berechnet. Am 8.3. forderte der Landschaftsbeirat ein-stimmig �Abstand zu nehmen� von denPlanungen, �um dem Regionalen GrünzugIttertal und der Ökologischen BewertungRechnung zu tragen�. Am 10.3. nahmen ca.150 BürgerInnen an der Bürgerbeteiligungzum Gutachten teil. Sie wandten sich durch-gängig gegen die Gewerbegebiets-Planungen.Die Auseinandersetzung um den Erhalt desIttertals geht weiter, entscheidend werden dieVoten von Stadtrat und Regionalrat im Herbstsein.

Dietmar Gaida

Page 8: WAS PASSIERT, WENN DER MENSCH DES MENSCHEN WOLF …tacheles-solingen.de/wp-content/uploads/2016/06/... · 2 tacheles Nummer 64 F rühsommer 2016 tacheles Zeitung für Emanzipation

8 tacheles · Nummer 64 · Frühsommer 2016

Die Bürgerinitiative �Solingen gehörtuns!� warnt erneut:Ein PPP-Schwimmbad ist langfristig eineüberteuerte und schlechte Lösung!

Die Skepsis ist allgemein gewachsen, dass einneues Schwimmbad am Standort Vogelsangtatsächlich mit kommunalen Mitteln finan-ziert werden kann, wie es derzeit noch vorge-sehen ist. Der von der Stadt gestellte Antragauf Fördergelder vom Bund für Infrastruktur-projekte in den Bereichen Sport, Jugend undKultur wurde abgelehnt. Für das 140Millionen Euro-Programm lagen dem Bun-desministerium 130 Anträge in Höhe von ins-gesamt 2 Milliarden Euro vor. Damit fällt einStandbein zur Finanzierung des neuenSchwimmbads weg. Es bleibt nur noch dieHoffnung auf eine Genehmigung für dieAufnahme von Sonderkrediten, die dieStadtspitze bei der Bezirksregierung Düs-seldorf beantragt hat. Im Rahmen dieserSonderkredite hat die Stadtspitze für 2016und 2017 insgesamt neun Millionen Euro fürden Neubau Vogelsang eingeplant. ThomasWolthoff, Geschäftsführer der Bädergesell-schaft: �Wenn die Genehmigung nicht kom-mt, muss man sich Gedanken über einInvestorenmodell machen.� (ST 27.1.2016).Bereits Ende Januar 2015 machte sich dieSolinger CDU und deren sportpolitischerSprecher Frank Schütz für einen Neubau desSchwimmbads Vogelsang als PPP-Projektstark � nach dem Vorbild des AllwetterbadsFriesoythe. Das Bauunternehmen Depen-brock aus Bielefeld hat das Bad in einer Öf-fentlich-Privaten-Partnerschaft für die StadtFriesoythe geplant, gebaut und unterhält esfür die kommenden 25 Jahre. Dafür zahlt dieStadt ab Fertigstellung eine �Miete� an die fi-nanzierende Bank. Dem Bauunternehmenzahlt sie zusätzlich einen regelmäßigenBetriebskostenzuschuss. Friesoythe konnteden Haushalt kurzfristig um die Baukostenentlasten, legt langfristig möglicherweiseaber viel Geld drauf, denn der Vertrag wurdeals �Forfaitierung mit Einredeverzicht� für 25Jahre abgeschlossen.

Achtung � hier liegen die Risiken in denPPP-Verträgen für Schwimmbäder:

�Forfaitierung mit Einredeverzicht��Forfaitierung mit Einredeverzicht� ist einkreditähnliches Rechtsgeschäft � stellt alsoeine Verschuldung dar. Mit der Unterschriftdes Oberbürgermeisters geht der Investor mitdem �Mietvertrag� zur Bank und verkauft ihrdie Mietforderungen. Die Bank schätzt denGesamtwert der Mieten für die gesamteLaufzeit, in der Regel für 25 Jahre, und zahltan den Investor den Gesamtbetrag sofort aus,bzw. verrechnet die Summe mit demBaukredit und mit gewissen Abzügen. Das istdie �Forfaitierung�.

Der Kredit:Die Bank verlässt sich auf dieRückzahlungssicherheit der Kommune, wel-che vertraglich verpflichtet ist, Tilgung undZins in jedem Fall zu bedienen, unabhängigvon den Leistungen der privaten Investoren. Handelbar:Der Kredit ist weiterverkäuflich, ein weiteresRisiko. Oft geschieht dies zum ersten Malunmittelbar nach Vertragsabschluss (wiebeim PPP-Rathaus). Damit könnte sich dasSchwimmbad plötzlich im Portfolio eines�Global Player� wiederfinden.

BetriebskostenDie Konditionen für denBetriebskostenzuschusswerden in einem geheimenVertrag festgelegt. MöglicheKostensteigerungen wäh-rend der Vertragslaufzeitwerden zwar einkalkuliert,übersteigen auf längereSicht aber immer wieder dieErwartungen. Kürzungen fürMinder- oderSchlechtleistungen im lau-fenden Betrieb werdendurch den �Einredeverzicht�ausgeschlossen oder mit ei-

nem komplexen Rechtsweg enorm erschwert. Nutzerfreundlichkeit:

Die Eintrittspreise würden bei einem PPP-Schwimmbad im Vergleich zum städtischenVogelsang-Schwimmbad erheblich ansteigen.Das Angebot für Reha-Sport könnte dagegenerheblich eingeschränkt werden.

Geheimhaltung:Durch die übliche Geheimhaltung solcherVerträge kann vom Bürger nichts überprüftwerden.

Kurzfristiger Vorteil � langfristigeRisiken:

Die gesamte Solinger Politik hat mittlerweilerealisiert, dass der Neubau des Rathauses imJahr 2008 als PPP-Projekt ein schlechtesGeschäft war: Die Stadt zahlt bis zum Ablaufder 30-jährigen Vertragslaufzeit fast doppeltso viel Miete wie der Bau gekostet hat � unddann gehört das Rathaus immer noch nichtder Stadt. Der Vorteil, die Baukosten nichtauf einen Schlag erbringen zu müssen und amHaushalt vorbeischleusen zu können, wirddamit langfristig sehr viel teuer. Mit einemNeubau des Schwimmbads Vogelsang alsPPP-Projekt wird es sich genau so verhalten �und aus Fehlern sollte man eigentlich lernen!Die Landesrechnungshöfe haben übrigensschon mehrfach Fehler bei der Wirtschaft-lichkeitsberechnung solcher PPP-Projektekritisiert.

Alternative:Sollte ein Neubau nicht finanziert werdenkönnen, muss ein Ratsbeschluss angestrebtwerden, der dann eben doch die Sanierungdes bestehenden Schwimmbads vorsieht. Einweiteres PPP-Projekt in Solingen darf es aufkeinen Fall geben! Denn damit würden demstädtischen Haushalt langfristige Belastungendurch eine millionenschwere Verschuldungmit unkalkulierbaren Risiken aufgebürdet.Außerdem würde damit ein weiteres Elementder Daseinsvorsorge privatisiert. Das lehnt�Solingen gehört uns!� entschieden ab, dennDaseinsvorsorge gehört in Bürgerhand.

Die Bürgerinitiative �Solingen gehörtuns!� appelliert an die Solinger Politik,sich nicht noch einmal auf ein risikoreiches�PPP-Projekt� einzulassen.Sollte sich die Planung eines PPP-Projektsabzeichnen, wird bereits überlegt einBürgerbegehren dagegen in die Wege zuleiten!

(Englisch: PPP � Public Private Partnership ,Deutsch: ÖPP � Öffentlich PrivatePartnerschaft)

Birgit Correns

WAS WIRD AUS DEM SCHWIMMBAD VOGELSANG?

tacheles-JahresaboEin Jahr für 13 � frei HausUnterstützungs-Abo 20 �frei Haus

BankverbindungBürgerinitiativenbüro e.V

.IBAN: DE31330605920005464641

Stichwort �tacheles-Abo�

BIC: GENODED1SPW (Sparda Bank)

Page 9: WAS PASSIERT, WENN DER MENSCH DES MENSCHEN WOLF …tacheles-solingen.de/wp-content/uploads/2016/06/... · 2 tacheles Nummer 64 F rühsommer 2016 tacheles Zeitung für Emanzipation

tacheles · Nummer 64 ·Frühsommer 2016 9

NICHT NUR FLÜCHTLINGE MÜSSEN SICH INTEGRIEREN ...Der Verein Flüchtlingshilfe Solingen bilde-te sich im Januar 2015 und gründete sicham 23. August 2015 als e.V. Er hat es sichzum Ziel gesetzt Flüchtlingen sowie auchBedürftigen in Solingen bei all ihrenBelangen Hilfe zu leisten.

Zurzeit stellt sich die schwierige Aufgabe denneu Angekommenen ein Heim zu suchen.Nachdem die Flüchtlinge teilweise mehrereMonate in Übergangsheimen oder Turnhallenverbracht haben, suchen sie nun eineErlösung von Lärm, Stress und Ziellosigkeit.Der Verein versucht nachhaltig durch prag-matische und menschliche Vorgehensweise,Lösungen für die Sorgen und Nöte der�Ankommenden� in Solingen zu suchen.

Seit mehr als einem Jahr arbeiten die vielen �Paten des Vereins daran, für ihre Schützlingein Solingen neuen Wohnraum zu finden. Diesstellt sich in den letzten Wochen immerschwieriger dar.

HEART-Line CaféDer Verein, der inzwischen am Ufergarten 25sein HEART-Line Café eröffnete, der alsTreffpunkt vieler Menschen genutzt wird,stellt den Neu-Solingern mehr als 20Computer-Plätze zur Verfügung, sodass dieWohnungssuche im Internet sowie aber auchvon Zeitungsinseraten relativ schnell anzuge-hen ist. Das Problem zeigt sich für den Vereinund deren Paten erst, wenn die Vermieterkontaktiert werden und die Bereitschaft, dieangebotenen Wohnung an einen Flüchtlingabzugeben in der Regel mehr als negativ ist.Nach Rücksprache mit diversen Wohnungs-eigentümern wurde schnell deutlich, dass dieVermietung an eine Flüchtlingsfamilie sehrviele Hürden mit sich bringt. Die vomJobcenter vorgegebenen Miethöhen, (gleicheHöhe für Menschen die unter Hartz 4 leben!!)sind oftmals zu gering. Viele Wohnungen lie-gen meist 5 bis 20 Euro über dem genanntenSatz. Hinzu kommt, dass viele Wohnungen

für Senioren reserviert wurden, die es lautAnsicht der Anbieter nicht erlauben,Flüchtlingsfamilien oder auch Einzel-personen zu integrieren. Da der Verein der-weil auch viele Menschen betreut, die unterHartz 4 leben müssen, zeigt sich auch dort das

gleiche Bild.Die Vereinsvorsitzende, Saskia Frings, gehtdavon aus, dass die Vermieter oftmals nichtrichtig informiert sind und sich aufgrund ei-ner Vielzahl von Meldungen in der Presseverunsichert fühlen. Selbstverständlich sindes auch die verschiedenen Kulturen mit ihrenindividuellen Eigenheiten, die den Menschendie Annäherung erschweren und teilweise so-gar unmöglich machen.

Dann heißt es oft: �Die müssen sich ersteinmal integrieren!!!�

Was heißt eigentlich Integration?

Laut Wikipedia: Integration (die, von latei-nisch integrare� erneuern, ergänzen, auffri-schen�)

Schön! Die Flüchtlinge sind nun nicht mehrauf der Flucht, sondern angekommen. Siemöchten sich integrieren, so zeigt es sich je-denfalls beim Verein FlüchtlingshilfeSolingen, wo die � nennen wir sie jetzt dannmal �Neu-Solinger�, sich gerne mit einbrin-

gen möchten. Täglich können die Helfer vorOrt diesen Wunsch hören und können leidernur mit den Schultern zucken, da ein sich be-teiligen erst nach positivem Bescheid desAsylantrags möglich wird. Dieses Prozederedauert lange, teilweise sogar bis zu 15Monate. Erst nach dieser Zeit des Wartensund des �Essen, Trinken, Schlafen-Pro-gramms� wird den angekommen Neu-Solingern diese Möglichkeit geboten. Das al-les dauert für diese Menschen viel zu lange.Die meist traumatisierten Menschen haltendiesen Zustand kaum aus. Viele denken nuran ihre Familien in den Kriegsgebieten. Es istschwer, sich auf einen Deutschkurs in dieserSituation zu konzentrieren, wenn am frühenMorgen ein Familienmitglied auf der Fluchtoder auch im Heimatland ums Leben kam.

Die Solinger Firma UST Jaguar spendeteFriseurartikel, damit Bedürftigen die Haare

geschnitten werden können

�Real Solingen�, das Team derFlüchtlingshilfe

Gemeinsames HEART-Line Café Frühstück

Die Räume der Flüchtlingshilfe Solingen e.V. liegen am Ufergarten 25

Page 10: WAS PASSIERT, WENN DER MENSCH DES MENSCHEN WOLF …tacheles-solingen.de/wp-content/uploads/2016/06/... · 2 tacheles Nummer 64 F rühsommer 2016 tacheles Zeitung für Emanzipation

10 tacheles · Nummer 64 · Frühsommer 2016

Solinger Appell / Forum gegen Krieg und RassismusWir beschäftigen uns mit den Themen Rassismus, Neonazismus, Bleiberecht für Flüchtlinge, Auswirkungen von Hartz IV

auf MigrantInnen, Nationalismus, Militarisierung, Stolpersteine, Aufrüstung der Bundeswehr und Einschränkung der

Bürgerrechte.

Kontakt: c/o Café Courage, Klemens-Horn-Straße 3, 42655 Solingen, [email protected]

Treffen alle 14 Tage donnerstags um 20h im Café Courage

Der Verein möchte bei zwei wichtigenPunkten helfen:

Bei der Wohnraumsuche sowie bei derBeschäftigung von Neu-Solingern.

Jeder Pate kennt seinen Schützling inzwi-schen sehr gut. Er hat die verschiedenenSeiten durch Gespräche und gemeinsameUnternehmungen kennenlernen dürfen und istdaher in der Lage eine Brücke zwischenVermietern, Maklern, Arbeitgebern undInstitutionen zu bauen. Diese Möglichkeitmöchte der Verein weiter ausbauen und gibtden oben genannten mit �freiem Geist� dieGelegenheit, sich mit dem Verein inVerbindung zu setzen, insofern z. B. eineWohnung oder aber auch ein möglicherHospitationsplatz �in gute Hände� gegebenwerden soll. Die Paten vereinbaren zunächstein erstes Kennenlerntreffen in den Räum-lichkeiten am Ufergarten 25 oder natürlichauch gerne vor Ort.

Auf diese Weise möchte der Verein eineBrücke zwischen den einzelnen Interessentenbauen.

Saskia Frings

Fotos: Flüchtlingshilfe Solingen

Mittwochs offene Türvon 12:00 bis 15:00 Uhr

Offener Willkommenstreff für Flüchtlinge undUnterstützerInnen

von 15:00 bis 18:00 Uhr Koffieklatsch

Das THW spendete 50 Stühleund zehn Tische

Der gespendete Zwillingskinderwagen fandsofort dankbare Abnehmer

Unsere Schneider helfen gerne, z.B. beim kostenlosen Schneidern von Gardinen für neue Flüchtlingswohnungen

Page 11: WAS PASSIERT, WENN DER MENSCH DES MENSCHEN WOLF …tacheles-solingen.de/wp-content/uploads/2016/06/... · 2 tacheles Nummer 64 F rühsommer 2016 tacheles Zeitung für Emanzipation

tacheles · Nummer 64 ·Frühsommer 2016 11

Das städtische Klinikum ist ein wesentli-cher und wichtiger Bestandteil der kom-munalen Daseinsvorsorge mit etwa 29.000Patienten im Jahr bei 720 belegbarenBetten. Zugleich ist es einer der größtenArbeitgeber in Solingen mit 1.500Beschäftigten (Voll- und Teilzeit) und 16Chefärzten. Der Jahresumsatz liegt bei ca. � 120Millionen. Es ist zu 100 % in kommunalerHand. Alle Abteilungen laufen imEigenbetrieb (auch Küche, Wäscherei,Reinigung etc.).

Die Fallpauschale / DRG (DiagnosisRelated Groups)

Bis Ende 2003 wurden Krankenhäuser durcheine Bettenpauschale finanziert, die von denKrankenkassen pro belegtes Bett gezahlt wur-de, egal ob die Behandlung selbst aufwendigoder weniger aufwendig war. Das führte dazu, dass die Krankenhäusermöglichst viele Betten anschafften und beleg-ten, um teure Behandlungen durch eine mög-lichst hohe Belegungszahl finanzieren zukönnen.Mit der Einführung der Fallpauschale im Jahr2004, die die Krankenhäuser zum wirtschaft-licheren arbeiten drängen sollte, änderte sichdie Situation grundlegend:Bei der Fallpauschale steht für jedeBehandlung oder Operation nur noch ein be-grenztes Budget zur Verfügung. Dauert dieBehandlung länger oder wird aufwendiger,bekommt das Klinikum die zusätzlichenLeistungen nicht bezahlt. Alle über die fest-gelegte Pauschale hinaus entstehendenKosten pro �Fall� werden von den Kassennicht mehr erstattet.Deshalb schreiben seit Einführung derFallpauschalen 2004 immer mehr Klinikenrote Zahlen.Durch die Fallpauschale wächst der Druckbesonders auf die kommunalen Kran-kenhäuser wirtschaftlicher zu arbeiten � denn,schreibt ein kommunales Krankenhaus zulange und zu hohe rote Zahlen, nutzen ganz

schnell private Investoren dieGelegenheit um das Krankenhaus zuübernehmen.

Die FolgenUnter der Klinik-Leitung von Hans-Joachim Fietz-Mahlow kamen in Folgenur noch durch Einsparungen bei z. B.Reparaturen und Ausstattung dieschwarzen Zahlen zustande. DasErgebnis am Ende seiner Dienstzeitwar ein riesiger Investitionsstau. Seit vor drei Jahren Hans-JoachimFietz-Mahlow die Leitung abgegebenhat, schreibt das Klinikum deshalb roteZahlen. Die sind bedingt durch millionen-schwere Investitionen in eine dringend not-wendige und umfangreiche Sanierung. 2015war die Bilanz deshalb mit � 1,8 Mio. imVerlustbereich. Aber auch für die nächstenzwei Jahre sind weitere Millionen Euro not-wendig, um den Investitionsstau abzuarbeitenund eine gelungene Neuaufstellung zu si-chern.

Die KonsequenzenInsgesamt wird auch an einer Optimierungder Organisation gearbeitet.Vor einem Jahr wurde durch einen Gutachterfestgestellt, dass im Klinikum die Betten-auslastung bei �nur� 85 % liegt. Rund 100Betten sollten deshalb abgebaut werden.Im Haus G wurden in Folge drei Etagen ge-schlossen, im Hochhaus zwei Etagen fürWahlleistungen fertiggestellt. Das Klinikumist auf diese zusätzlichen Einnahmen ange-wiesen. Der ursprünglich geplante Neubaumit einem Wahlleistungsangebot wurde dafürgestrichen.Die roten Zahlen sorgen im Klinikum aller-dings schon für Gerüchte über eine möglichePrivatisierung, und der Name �Helios� sollgefallen sein. Helios/Fresenius ist die größteprivate Klinikgruppe in Deutschland, nochvor dem Rhön-Klinikum und den Sana-Kliniken.Doch diese Sorgen sind zurzeit noch unbe-gründet wenn es das Klinikum schafft, in den

nächsten Jahren nach erfolgreicherNeuaufstellung wieder Gewinn einzu-fahren � was durchaus zu erwarten ist. Wenn das Klinikum das nicht schafft �dann könnte es kritisch werden, denn in-teressierte Investoren werden die weite-re Entwicklung genau beobachten, umsich bei passender Gelegenheit dasKrankenhaus unter den Nagel reißen zukönnen.

Unterstützende LösungsansätzeDem Klinikum würde es in der momen-tanen Situation sehr helfen, wenn es zu-

mindest vorübergehend von den jährlichenAbgaben in Höhe von � 500.000 an die Stadtbefreit würde. Auf Dauer sollte die Abschaffung derFallpauschale das Ziel sein, denn letztendlichsetzt sie nicht nur die Kliniken unter finan-ziellen Druck, sondern beeinträchtigt auch ei-ne unter menschlichen und ethischenAspekten angemessene Behandlung derPatienten. Auch die Hygiene, und damit der Kampf ge-gen die resistenten Krankenhauskeime(MRSA) könnte im Wesentlichen verbessertwerden, wenn eine andere Art derFinanzierung gefunden würde.

Birgit Correns

DAS STÄDTISCHES KLINIKUM SOLINGENUND DIE FALLPAUSCHALE

30 SolingerInnen zeigten am 20.4. ihre Soli-darität gegen die Abschiebung der chronischlebensbedrohlich kranken Lois Omene und

ihrer acht und zwölf Jahre alten Töchter. Zu-vor hatten 600 SolingerInnen eine Petition

für sie unterschrieben, die dem Petitionsaus-schuss in Berlin vorliegt. Die 31-Jährige

folgte der Vorladung zur Abschiebung nachFrankreich, über das sie eingereist war,

nicht. Sie ist in Solingen integriert, ebensoihre Töchter. Die Abschiebungsdrohung ver-

schlechtert ihren Gesundheitszustand.

Protest gegen Abschiebung

Page 12: WAS PASSIERT, WENN DER MENSCH DES MENSCHEN WOLF …tacheles-solingen.de/wp-content/uploads/2016/06/... · 2 tacheles Nummer 64 F rühsommer 2016 tacheles Zeitung für Emanzipation

12 tacheles · Nummer 64 · Frühsommer 2016

Wir rufen, angesichts der sich in der Türkeidramatisch zuspitzenden Verletzung derDemokratischen- und allgemeinen Men-schenrechte, mit der Folge eines drohendenBürgerkrieges, dazu auf, nicht länger und vorallem nicht stillschweigend akzeptierend,wegzusehen. Seit 1.11.2015 ist durch dieAKP�Regierung und Erdogan in den kurdi-schen Städten Cizre, Silopi, Nusaybin,Diyarbakir Sur, und Silvan der Ausnah-mezustand mit Ausgangssperren verhängtworden. Durch Militär- und Polizeiangriffesind nach Schätzungen mehrere hundertZivilisten, darunter Kinder und alteMenschen, umgekommen. Etwa 200.000Menschen sind auf der Flucht, Schulen wur-den geschlossen, Leichen dürfen nicht beer-digt und Verletzte nicht behandelt werden.Gegen diesen Terror haben 1128 Wis-senschaftler von 89 Universitäten einenAufruf zur friedlichen Lösung des Konfliktes

veröffentlicht. Erdogan und Ministerprä-sident Davutoglu attackieren die Unter-zeichner als Staatsfeinde und Volksverräter.Laut der internationalen ärztlichen Friedens-organisation, IPPNW, droht ihnen Haft,Entlassung und Disziplinierung. Etwa 20 vonihnen wurden breits festgenommen. Auch die Journalisten Can Dündar undErdem Gül, die die Waffenlieferungen für denIS veröffentlicht haben, sitzen seit Monatenin Haft.*Unsere Bundesregierung schaut hier weitge-hend weg und toleriert stillschweigend dieseeklatanten Verbrechen an den Menschen-rechten. Der schon länger befürchtete Zusam-menhang zwischen diesem Wegsehen und derAufgabe, die Flüchtlinge in der Türkei festzu-halten, damit sie nicht zu uns kommen, wirdimmer erschreckender. Wir rufen Sie dazuauf: Informieren Sie sich über die Ver-hältnisse dort u. a. bei Amnesty International

(�Das unverhältnismäßige Vorgehen türki-scher Sicherheitskräfte ähnelt kollektiverBestrafung und setzt das Leben Zehn-tausender Menschen aufs Spiel�) und bei wei-teren neutralen Quellen. Beschäftigen Siesich, in Ihrem Umkreis, in Ihrem Verein, IhrerOrganisation oder Partei mit den Ver-hältnissen dort und bilden Sie sich eine eige-ne Meinung, auf deren Grundlage Ihnen einangemessenes und Ihren Möglichkeiten ent-sprechendes Handeln sinnvoll erscheint. Wirbefürchten, dass es zu einem Bürgerkrieg mitverheerenden Folgen für die Zivilbe-völkerung kommt, welche auch Auswirk-ungen auf das Zusammenleben in unseremLand haben wird.

VisdP: Solinger Appell, TürkischerVolksverein c/o Café Courage Klemens-

Horn-Str. 3 in 42655 Solingen

TÜRKEINICHT LÄNGER WEGSCHAUEN — MENSCHENRECHTE ACHTEN!

ErstunterzeichnerInnen:Dr. M. Assemi-Kabir � Arzt; Birgit Correns; Reiner Daams; Ali Dogan � stellv. Betriebsratsvorsitzender; Helmut Eckermann; BernhardErkelenz; Dietmar Gaida � Ratsmitglied; Dr. Hans-Dieter Harbisch � Arzt; Elke Harbisch � Ärztin; Helmut Heide � VertrauenspersonSchwerbehinderte; Dr. Clemens Henrich � Arzt; Anke Jahnke � Betriebsratsvorsitzende; Dr. Wolfgang Kallenberg � Arzt; Dieter Keller �Ratsmitglied; Frank Knoche � stellv. Bezirksbürgermeister; Marcus Knoche; Susanne Koch; Roland Kopanka; Manfred Krause �Ratsmitglied; Rolf Leukel; Manuel Lisboa; Horst Müller; Dr. Martin Müller � Arzt; Josef Neumann � MdL; Enrique Pless � Ratsmitglied;Müslüm Polat � Vorstandsmitglied Alevitischer Verein Düsseldorf; Hasan Sevinc � Vorsitzender Förderverein StädtefreundschaftOvacik/Tunceli - Solingen e.V.; Ibrahim Solmaz � Vorsitzender Alevitische Kulturgemeinde Solingen und Umgebung e.V.; Bernhild Terhorst� Ärztin; Ursel Ullmann � SOS-Rassismus; Dr. Heinz Voigt � Arzt; Gerd Völpel; Gerhard Walsken; Dr. Gregor Weimbs � Betriebsrat;und viele andere mehr

*Am 25.2. erklärte das türkische Verfassungsgericht die Verhängung der Untersuchungshaft gegen Dündar und Gül für nicht rechtens. Sie wur-den daraufhin am 26.2. aus der Untersuchungshaft entlassen, Erdogan sagte öffentlich, er akzeptiere die Entscheidung des Gerichts nicht. Erhoffe, dass das Verfassungsgericht keine Entscheidungen mehr treffe, �mit denen die Frage nach seiner Existenz und seiner Rechtmäßigkeit ge-stellt wird�. Die Journalisten dürfen das Land nicht verlassen und der Prozess gegen sie wird geführt. Ihnen droht lebenslange Haft.

Gedenkveranstaltung im Theater- und Konzerthaus

Page 13: WAS PASSIERT, WENN DER MENSCH DES MENSCHEN WOLF …tacheles-solingen.de/wp-content/uploads/2016/06/... · 2 tacheles Nummer 64 F rühsommer 2016 tacheles Zeitung für Emanzipation

tacheles · Nummer 64 ·Frühsommer 2016 13

NEUES RECHERCHE-BUCH ZU NS-VERBRECHENAM WENZELNBERG UND IM BURGHOLZ

Im November 2015 erschien der 14. Bandder Buchreihe �Verfolgung und Wider-stand in Wuppertal�. �In letzter Minute�heißt dieser Band, der 70 Jahre nachKriegsende über die nationalsozialisti-schen Endphaseverbrechen im BergischenLand berichten will.

Noch �In letzter Minute� tötete ein Hecken-schütze am Tag der Befreiung Wuppertals ei-nen amerikanischen Soldaten in der Nähe desBerliner Platzes. Der Name des amerikani-schen Soldaten, der so tragisch den Tod inWuppertal fand, ist nicht bekannt. Wenig be-kannt sind auch die Tötungen von deutschenSoldaten, die ebenfalls noch im letztenMoment, bevor der Frieden ausbrach, alsDeserteure verhaftet und auf Erbslöh ihrLeben verloren.

Im Mittelpunkt des Buches stehen dieMassaker im Burgholz und am Wenzelnberg.Im ersten Beitrag dokumentiert LieselotteBhatia in einem überarbeiteten und ergänztenAufsatz ihre ganz persönliche Recherche überdie Hintergründe des Burgholz-Massakers.Stephan Stracke rekonstruiert an Hand neuerArchivfunde und aktualisierter Fragestel-lungen die Ereignisse um das Massaker ander Wenzelnbergschlucht, fragt nach dem

Ausbleiben der Strafverfolgung und infor-miert über die Lebensgeschichten der (ver-gessenen) Opfer und Täter.

Peter Fey schließlich hat ein Lebensbild sei-nes am Wenzelnberg ermordeten GroßonkelsAdolf Führer beigesteuert.

Darüber hinaus soll das Buch auch für die his-torisch-politische Bildungsarbeit nutzbarsein. So wurden in dem Buch einige wichtigeDokumente zu den Massakern zusammenge-stellt und mit kleinen Arbeitsaufträgen verse-hen, die ausdrücklich als Diskussionsan-regung zu verstehen sind.

Insgesamt soll dieses Buch auch eineAnregung an Geschichtsinteressierte, Ge-schichtsaktivistInnen und HistorikerInnensein, in neuen Projekten vor Ort zu grabenund z.B. die Geschichte(n) der NS-Täter ausPolizei und Justiz und die Strukturen der re-gionalen Polizeibehörden, Gefängnisse undZuchthäuser zu erforschen. Der Verein zurErforschung der sozialen Bewegungen imWuppertal e.V. wünscht sich, dass dieseErkenntnisse auch in eine lebendige Gedenk-und Erinnerungsarbeit einfließen werden.

Bhatia, Lieselotte/Stracke, Stephan: In letzterMinute � Nationalsozialistische Endphase-verbrechen im Bergischen Land.Bildungsmaterial zur Wuppertaler Polizei-und Widerstandsgeschichte Bd. 1De Noantri Verlag, 320 Seiten 18,00 �ISBN: 978-3-943643-03-9

Heute vor 73 Jahren wurden mindestens62 - zumeist Solinger - Sinti, die Hälfte da-von Kinder unter 14 Jahren, von derKriminalpolizei aus den beiden städtischen�Zigeuner-Lagern� (Potshauser Straße 10und Wörthstraße 24) zur Deportation indas Vernichtungslager Auschwitz zusam-mengetrieben und abtransportiert. Fürmindestens 55 von ihnen war dies eineFahrt in den staatlich organisierten Mord,in den Tod.Heute werden in dem gleichen, unseremLand, die jugoslawischen Roma als soge-nannte �Balkan- Flüchtlinge� in Sonderlagernkonzentriert, zwar nicht in Tod, aber in Elend,Armut und Obdachlosigkeit in sogenannte si-chere Herkunftsländer abgeschoben. Sicher kann der Faschismus von damals nichtgleichgesetzt werden mit unserem relativ de-mokratischen System heute. Aber bei denBildern von heute, in der Anwendung vonstaatlicher Gewalt gegenüber Sinti und Roma,kommen doch Assoziationen hoch, die an dieungebrochene historische Tradition derDiskriminierung und Verfolgung dieses wun-derbaren und in jedes nationalstaatlicheSystem schwer einzuordnende Volk erinnern. Fatima Hartmann, eine Rom, die als Kindnach Solingen kam, hat vor fünf Tagen vor

unserem dritten Gypsi-Swing-Jazz-Konzertim Theater bewegend erzählt, wie beschütztsie von Menschen in dieser Stadt aufgenom-men und gefördert wurde. Es war nicht selbst-verständlich, dass sie als vehementeKritikerin der Abschiebepraxis von Roma, dieseit Jahrzehnten in diesem Land Zuflucht ge-funden haben und geduldet wurden, redensollte. Im Ergebnis hat die angeblich Radikaleden damaligen Menschen dieser Stadt einKompliment gemacht und uns darauf auf-merksam gemacht, dass heute ein andererWind weht.

Die Willkommenskultur der CDU 1990: Unsere Heimat vor Sinti- und Roma DiebenschützenIm August 1990 verbreitete der Stadtverbandder CDU Merscheid eine schriftlicheBürgerinformation, in der auf übelste Weise�gegen die Unterbringung von Wirtschafts-flüchtlingen� gehetzt wird. Anlass warenPläne, im Merscheider Bunker Flüchtlingeunterzubringen, worunter auch Roma ausJugoslawien gewesen wären. Für die CDUwar natürlich schon vor der Prüfung derAsylanträge klar, dass es sich �bei dem ge-nannten Personenkreis� nicht um �klassischeAsylanten, sondern um Wirtschaftsflücht-

linge, die unser System mißbrauchen�, han-deln würde. In der als Flugblatt verbreiteten Bürgerin-formation heißt es denn auch: �Wir befürchten, daß sich in nächster Zeit dieEinzelhändler, wie aus anderen Stätten be-kannt, in Merscheid und Umgebung über eineZunahme der Ladendiebstähle ,freuen� kön-nen. Den Dank dafür können sie der SPD zol-len.�Der SPD wird dann weiter noch unterstellt,dass sie Roma und Sinti nicht nur in demMerscheider Bunker, sondern noch �lieber inschmucken Einfamilienhäusern untergebrachtwissen möchte.� Mit dem Aufruf zum Schluss des Flugblattes,dass �die CDU-Merscheid für eine liebens-werte Heimat Merscheid eintritt� und deshalb�Hände weg vom Merscheider Bunker!� for-dert, soll offensichtlich den Wählern klar ge-macht werden, dass die Aufnahme vonFlüchtlingen dem Wert der �Heimat� entge-genstehen würde. Kommentar: Wahrscheinlich würde die CDUheute sich in dieser Form nicht mehr äußern.Die Vorlage aber wurde von NPD, Pro-NRW,AfD und Pegida usw. dankbar aufgenommen.

Frank Knoche

REDE 73. JAHRESTAG DER SINTI-DEPORTATION

Page 14: WAS PASSIERT, WENN DER MENSCH DES MENSCHEN WOLF …tacheles-solingen.de/wp-content/uploads/2016/06/... · 2 tacheles Nummer 64 F rühsommer 2016 tacheles Zeitung für Emanzipation

14 tacheles · Nummer 64 · Frühsommer 2016

Der GutmenschGutmensch, der [Substantiv, maskulin] meist abwertend undironisch: [naiver] Mensch, der sich in einer als unkritisch, übertrie-ben, nervtötend oder ähnlich empfundenen Weise im Sinne derPolitical Correctness verhält, sich für die Political Correctness ein-setzt.Das Wort stand übrigens im Jahr 2000 zum ersten Mal im Duden.

So viel scheiße geht ab in der Welt,wir führen Kriege um Götter, Länder und Geld.Ich mein, es ist nur bedrucktes PapierUnd den Wert den es hat, den verleihen wir.Und bei all dieser Scheiße, die eh schon passiertGibt es wirklich noch Menschen, die ganz ungeniertIhre rechte Scheiße in der Welt verbreitenUnd auf dummen Vorurteilen rumreiten.

�Die Asylanten kriegen mehr Geld als wir!�Und �Benehmen sollen die sich hier!��Deutsches Geld für deutsche Kinder!�Geht am Ende drauf für Rinder-Hack,man so ein Abfuck,wir leben hier doch echt im Wohlstand.Alle Menschen lieben Deutschland.

Und als wär das nicht schon ein Schlag in die Fresse,hetzen sie auch gegen �Gutmensch� und �Lügenpresse�.Aber, das �gut� im �Gutmensch� schließt �schlecht-sein� doch aus�Warum erntet der Begriff dann doch so viel Applaus?!Er ist schon zum Kampfbegriff mutiert,der für PEGIDA als dumpfe Propaganda fungiert.

Aber was ist denn falsch daran andere zu unterstützen, und nicht nur sich und seinen nächsten zu nützen?!Zum Beispiel Menschen, die keine Heimat mehr haben,während wir uns auf�m Sofa vor�m Flatscreen laben.

Menschen, die über�s Mittelmeer kommen,die letzten Kilometer wahrscheinlich geschwommen,bis sie vermeintlich sicheres Land erreichenund nachts heimlich über Grenzen schleichen.Die ihre Familien zurück lassenUm woanders neuen Mut und Fuß zu fassen.

Doch hier empfängt sie auch oft Hass,der stete Tropfen füllt das Fass,das langsam droht überzulaufen,weil die Dummen sich zusammen raufenund ihren Arsch vom Sessel erheben,um öffentlich ihre Ressentiments auszuleben.

Ihr fragt euch warum Ahmed nicht arbeiten geht?Sondern den ganzen Tag mit dem Smartphone vor�mWohnheim steht?Naja, weil er einfach nicht arbeiten darf!In seinem Zimmer findet er kaum Schlaf,weil er das nämlich noch mit drei weiteren teilt,was jedoch auch sein Heimweh nicht heilt.Das Handy, die einzige Verbindung zur Heimat,deren Verlust noch ständig an ihm nagt.

Was ist nun falsch daran, ihm Hilfe zu bieten?Mit ihm zusammen eine Wohnung zu mieten?Ihm einen Platz im Sprachkurs zu suchen,einfach ein Stück abzugeben vom Kuchen?�Diese Asylanten� sind Menschen wie du und ich,und ich für meinen Teil, schätze mich glücklich, denn ich wurde in Sicherheit und Luxus geboren,und habe weder Eltern noch Geschwister verloren.Wir haben Dächer überm Kopf und Streetfood in der Hand,warum drängen wir diese Leute an den Randder Gesellschaft und nicht in unsre Mitte?Seht dies an als eine kleine Bitte:Für mehr Mitgefühl und Menschlichkeit,statt Eises Kälte und falschem Neid.Das sind doch christliche Werte, wie ihr sie predigt.Wie wär�s, wenn ihr euch mal damit verewigt!Statt als Häuser anzündender, pöbelnder Mob.Über das folgende schüttelt ihr sicher den Kopp�Aber, auch als Gutmensch hat man�s nicht so leicht,der Weg ist noch weit und das Ziel nicht erreicht.Denn irgendwann soll das Dumme und Böse kapitulierenUnd nur noch Liebe und Frieden diese Welt regieren!

Ich persönlich bin stolz ein Gutmensch zu sein,lieber das, als ein dummes Nazi-Schwein!

Marina Dirks

Marina Dirks trug ihren Poetry-Slam �Der Gutmensch� bei derVeranstaltung �MAMA AFRIKA� mit Marima Kouyate und ihrerBand NGA NENE am 31.1. in der Lutherkirche vor. Das City ArtProjekt und viele Sponsoren hatten diesen Abend ermöglicht. DerErlös ging an Flüchtlingsprojekte für Kinder & Jugendliche.

Page 15: WAS PASSIERT, WENN DER MENSCH DES MENSCHEN WOLF …tacheles-solingen.de/wp-content/uploads/2016/06/... · 2 tacheles Nummer 64 F rühsommer 2016 tacheles Zeitung für Emanzipation

Ein Plakat des Atelier Korten zum Anti-kriegstag 1989. Manfred und Ingrid Kortenunterstützten hiermit eine Veranstaltung desSolinger Friedensforums, der Initiative für

die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) unddes AK Frieden der Kreissynode Solingen.

Die Uraufführung des Antikriegsoratoriumsvon Wolfgang Pasquay wurde zu einer der

besten Veranstaltungen der damaligen örtli-chen Friedensbewegung.

NACHRUF AUF MANFRED KORTEN1934-2016

Der Grafikdesigner und politisch engagier-te Bürger Manfred Korten ist am 10.Januar 2016 genauso leise von uns gegan-gen, nämlich ohne öffentlich bekannt gege-bene Beisetzungsfeier, wie er sein Leben,sein Wirken und seine Politik gestaltet hat-te: Stets leise, unaufdringlich, freundlichim Hintergrund, aber genauso stets äu-ßerst hell und wachsam und stets auchleicht spitzbübisch zu einer kleinen flapsi-gen Bemerkung fähig.

Ich lernte Manfred Korten und seine FrauIngrid 2007 bei der Gründung derBürgerinitiative gegen die weitere Privati-sierung kommunalen Eigentums �Solingengehört uns� kennen. Bei der recht mühsamenSammlung von schließlich 8.000 Unter-schriften bildeten sie zusammen mit EdgarScharmann und Farhid Assemi unsere höchstaktive Seniorengruppe. Auch wenn dieSolinger Stadtspitze unseren Antrag auf einBürgerbegehren im September 2008 mit ju-ristisch windigen Argumenten zu Fall ge-bracht hatte, war diese Bürgerinitiative aus ei-nem anderen Grund heraus sehr erfolgreich,hatten sich doch Linke, Kommunisten,Liberale, Grüne, Kriegsgegner, Feminis-tinnen, Gewerkschafter, engagierte Christenund Atheisten ungeachtet ihrer Differenzenkollektiv, einvernehmlich und eindeutig dazubekannt, dass dem neoliberalen Umbruch un-

serer Gesellschaft ein eindeutiges �Ja� zu ei-ner öffentlichen Daseinsvorsorge entgegengestellt werden muss.

Seit diesem September 2008 gehörtenManfred und Ingrid Korten zu den regelmäßi-gen Besuchern der Vortragsreihe des DGB.Und außerdem waren es sie beide, die dannim Mai 2013 den DGB-Bericht der SolingerArmutskonferenz unter dem Titel �Armuts-zeugnis für Solingen� gemacht hatten.Gemacht hieß in diesem Fall: Korrekturlesen,Zurverfügungstellung eigener Grafiken,Entwicklung eines Coverbildes, Layout undDrucküberwachung. Und wie schön war siegeworden, diese Broschüre (wenn man dasbei diesem Thema überhaupt so formulierendarf) � ein wahres Schmuckstück einer wi-derständigen sozialen Bewegung, das ich na-türlich auch im Solinger Stadtarchiv hinter-legt habe.

Beim letzten Kaffeetrinkbesuch meiner Frauund mir bei Kortens nur vierzehn Tage vorManfred Kortens Tod schenkte er mir zumAbschied einen Spruch. Nicht irgendeinenSpruch und auch nicht einfach ein hand-schriftlich geschriebener Spruch auf irgendei-nem Zettel. Das wäre nicht Manfred Kortengewesen. Der Spruch stammte von dem iri-schen Dramatiker George Bernard Shaw,stand gedruckt und zentriert auf einem Zettel

auf gutem, leicht getöntem Papier und warvon kunstvollen Zierleisten eingerahmt. Erhieß: �Je mehr ich von den begütertenKlassen sehe, desto mehr verstehe ich dieGuillotine�. Ein Revolutionär, aber einer lei-ser, vornehmer und zurückhaltender: So warManfred Korten. Ich/wir vermisse/n ihn sehr!

Jörg Becker

tacheles · Nummer 64 ·Frühsommer 2016 15

Bürgerfunkin Remscheid und Solingen

Mai 2016Sonntag 8.5. 19 Uhr HangkgeschmeddenSonntag 15.5. 19 Uhr OhrwerkSonntag 22.5. 19 RadiostammtischSonntag 28.5.19 Uhr Mixtape

Juni 2016Samstag 4.6. 20 Uhr Blaue WelleSonntag 5.6. 19 Uhr Stimme der SeniorenSonntag 12.6. 19 Uhr HangkgeschmeddenSamstag 18.6. 20 Uhr SoFisSonntag 19.6. 19 Uhr OhrwerkSamstag 25.6. 19 Uhr MixtapeSonntag 26.6. 19 Uhr Radiostammtisch

�Solingen gehört uns!�Unsere überparteiliche Bürgerinitiative �Solingen gehört uns!� setzt sich für den Erhalt unddie Förderung öffentlicher Daseinsvorsorge ein. Dazu gehören die Rekommunalisierungder Stadtwerke Solingen sowie Verbesserungen beim öffentlichen Personennahverkehr(ÖPNV).Seit der Gründung Anfang 2007 stellen wir uns gegen jede weitere Privatisierung der Grundversorgung unserer Stadt Solingen durch profitorientierte Konzerne.Wir fördern die demokratische Verantwortung in unserer Stadt Solingen:durch Öffentlichkeit, Transparenz und mit Hintergrund-Informationen.

Wir treffen uns jeden zweiten Dienstag im Monat um 19.00 Uhrim Café Courage, Klemens-Horn-Str. 3Interessierte sind bei uns herzlich willkommen!

Mehr Infos: [email protected]

Page 16: WAS PASSIERT, WENN DER MENSCH DES MENSCHEN WOLF …tacheles-solingen.de/wp-content/uploads/2016/06/... · 2 tacheles Nummer 64 F rühsommer 2016 tacheles Zeitung für Emanzipation

gruppeninfosAlevitische Kultur Gemeinde Solingen und Umgebung e.V.:Weyersberger Str. 32, Kontakt: [email protected] Weiße Rose: Geschwister-Scholl-Schule, Querstraße 42Amnesty international:Treff jeden 1. Mittwoch im Monat 20h, Lebenshilfe (Südpark), Alexander-Coppel-Str.19-21, Kontakt: Tel.: 4 15 78Attac-Frühstückstreff: Jeden 3. Mittwoch, 10-12h im Café CourageAusländerrechtliche Beratungskommision: Hilfe für Härtefälle im Ausländerrecht,Kontakt: Helmut Eckermann (Tel.: 4 15 78) oder Diakonisches Werk, Ewa Scott (Tel.: 2 87 27)bleiberecht.com: www.bleiberecht.comBürgerEnergie Solingen eG: Kontakt und weitere Informationen: www.buergerenergie-solingen.de, [email protected]ürgerinitiative �Rettet das Ittertal�: www.rettetdasittertal.de, [email protected]

Bürgerinitiative �Solingen gehört uns�: Jeden 2. Dienstag im Monat, 19h, CaféCourage, Mehr Infos: www.solingen-gehoert-uns.org, [email protected]é Courage: Klemens-Horn-Straße 3, 42655 SG, Tel.: 27 36 35Cow Club: www.cowclub.de, Kontakt:Wohnzimmer, Düsseldorfer Str. 87 donnerstags20hCritical Mass: Radfahrer treffen sich zu gemeinsamer Fahrt, sie wollen mehr Unterstütz-ung für das Radfahren. Jeden 3. Freitag im Monat um 19h, SG Parkplatz EissporthalleDFG Niederberg/Berg, Land: Kontakt: Hagü Weber, Tel.: 7 48 09FAU Solingen: anarchosyndikalistische Gewerkschaft, Offenes Treffen jeden drittenFreitag im Monat im Café Courage, www.fau.org/ortsgruppen/solingen/

Flüchtlingshilfe Solingen e.V.: www.flüchtlingshilfe-solingen.de, Ufergarten 25,42651 Solingen, Tel.: 20 00 25 34, Fax: 20 00 25 25Flüchtlingsrat Solingen: Jeden 1. und 3. Dienstag im Monat, 19h, Café CourageFörderverein Freibad Aufderhöhe: Kontakt: Birgit Evertz,Gertrudisstr. 33, Tel.: 5 36 42Frauenhaus: Tel: 5 45 00Frauen helfen Frauen: Brühler Str. 59, Tel: 5 54 70Informationsbüro Nicaragua: Postfach: 10 13 20, 42013 WuppertalInitiative �Bau-Stopp der Bayer-Pipeline�: Kontakt: D. Donner, Tel.: 0 21 03/6 50 30Naturfreundegruppe Wald-Ohligs, Haus Holzerbachtal: Eipaßstr. 25b, 42653 SG,Tel.: 0212-313791, Sa.-So. offen, Infos und Programm:www.naturfreundehaus-Holzerbachtal.deÖffentlichkeit gegen Gewalt: Kontakt: Ursel Ullmann, Tel.: 8 05 23

RBN, Bergischer Naturschutzverein: www.rbn-solingen.de; [email protected],Kontakt: Thomas Blos, Tel.: 2 30 97 77Solinger Appell / Forum gegen Krieg und Rassismus: c/o Café Courage,Kontakt: [email protected], Treff: Do. 19.5.16, 20h, dann 14-tägigSolinger Arbeitslosenzentrum �Salz�: Tel.: 02 12/23 13 44 33Stiftung W: www.stifung-w.de; [email protected]; Postfach 13 06 55, 42033 Wuppertaltacheles: [email protected], www.tacheles-solingen.de; c/o Café CourageTürkischer Volksverein Solingen und Umgebung e.V.:Mehrgenerationenhaus, Mercimekplatz 1 (Früher Van-Meenen-Straße 1)Unterstützerkeis Stolpersteine für Solingen:c/o Café Courage, Kontakt: Hans-Günter Koch, Tel.: 31 81 30VVN-Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA):www.solingen.vvn-bda.de, c/o Café Courage, Kontakt: Hans-Günter Koch, Tel.: 31 81 30ZukunftsWelten e.V.: Kontakt: Familie Thom, Mohrenkamp 20, SG, Tel.: 59 07 96