Volkswirtschaftlichen Ausschusse übe...

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6 2. Sitzung des XXI. Vorarlberger Landtages im Jahre 1973 Bericht des Rechtsausschusses und des Volkswirtschaftlichen Ausschusses über ein Gesetz über die Raumplanung (Beilage 4/1973). Die beiden Ausschüsse haben den Herrn Abg. Dr. Sutterlüty mit der Berichterstattung beauftragt und ich erteile ihm das Wort. Dr. Sutterlüty: Meine Dame, meine Herren! In unserer Zeit ist viel von Raumplanung die Rede; umsomehr soll man sich über das Wesen der Raumplanung im klaren sein. Dazu gibt uns die Ausschußvorlage eine kurze und verständliche Antwort, nämlich folgende: Raumplanung ist die vorausschauende und planmäßige Gesamtge- staltung eines bestimmten Gebietes insbesondere in Bezug auf seine Bebauung einerseits und auf die Erhaltung von im wesentlichen unbebauten Flächen andererseits. Wenn es also bei der Raum- planung um die gesamte Gestaltung eines Gebietes

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6 2. Sitzung des XXI. Vorarlberger Landtages im Jahre 1973

Bericht des Rechtsausschusses und des Volkswirtschaftlichen Ausschusses über ein Gesetz über die Raumplanung (Beilage 4/1973).

Die beiden Ausschüsse haben den Herrn Abg. Dr. Sutterlüty mit der Berichterstattung beauftragt und ich erteile ihm das Wort.

Dr. Sutterlüty: Meine Dame, meine Herren! In unserer Zeit ist viel von Raumplanung die Rede; umsomehr soll man sich über das Wesen der Raumplanung im klaren sein. Dazu gibt uns die Ausschußvorlage eine kurze und verständliche Antwort, nämlich folgende: Raumplanung ist die vorausschauende und planmäßige Gesamtge-staltung eines bestimmten Gebietes insbesondere in Bezug auf seine Bebauung einerseits und auf die Erhaltung von im wesentlichen unbebauten Flächen andererseits. Wenn es also bei der Raum-planung um die gesamte Gestaltung eines Gebietes

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geht, dann muß sie geradezu vielschichtig und folgenreich sein. So löst das Wort „Raumplanung" nicht umsonst bei den einen Hoffnung auf eine heile Welt aus, bei den anderen wieder Zweifel an derart verheißungsvollen Wirkungen. Die erhofften oder die bezweifelten Wirkungen der Raum-planung habe ich hier nicht weiter zu erörtern. Nicht unterlassen möchte ich aber die wohl unumstrittene Feststellung: Wir brauchen die Raumplanung notwendiger denn je, gilt es doch immer dringender, einen Raubbau an unserem Lebensraum zu verhindern, gilt es doch immer dringender zu überlegen, wo, wie und was sollen wir bauen, wie sollen wir die Landwirtschaft stärken und erhalten, wie sollen wir für alle Landesteile möglichst gleichwertige Lebensbe-ziehungen schaffen oder wie sollen wir unsere Umwelt schützen. Ein paar Zahlen mögen die große Aktualität dieser Fragen unterstreichen. Innerhalb der letzten 60 Jahre hat sich die Bevölkerung Vorarlbergs verdoppelt. Außer Wien weist Vorarlberg die größte Bevölkerungsdichte aller Bundesländer auf. Innerhalb von 90 Jahren ist der landwirtschaftliche Bevölkerungsanteil von 55 % auf 8 % gesunken. Von 1934 bis heute hat die Zahl der Häuser im Lande um nahezu 80% zugenommen. Die jährlichen Gästenächtigungen stiegen in den letzten 20 Jahren von 1 1/2 Millionen jährlich auf nahezu 7 Millionen an. Die Stromabgabe der VKW betrug im Jahre 1946 rund 100 Millionen Kilowattstunden, im Jahre 1971 über 900 Millionen Kilowattstunden. Auf der Bundesstraße 190 im Bereiche der Bregenzer Kaserne erreichte der durchschnittliche Tages-verkehr im Dezember 1972 rund 26.500 Ein-heiten, das ist eine Verkehrsdichte, die bei den insgesamt 60 amtlichen Verkehrszählungsstellen in Österreich nur an zwei Stellen noch übertroffen wird, und zwar an der Auffahrt der Westautobahn in Wien und an der Ausfahrt der Südautobahn in Wien. Dies alles sind Entwicklungen, die unseren Lebensraum tiefgreifend beeinflussen und ver-ändern. Das alles sind aber auch Entwicklungen, die wir in die rechten Bahnen lenken wollen. Dazu bietet sich die Raumplanung an, zwar nicht als Zaubermittel, zweifellos jedoch als entscheidende Hüfe.

Vielleicht könnte einer fragen: Ist denn die Raumplanung erst in unseren Tagen entdeckt worden? Dem ist bekanntlich beileibe nicht so. Denken wir z.B. an den Grundriß von Alt-Feldkirch, an die schönen, früheren Siedlungsein-heiten vieler unserer Dörfer, an die Vereinödungen im Leiblachtal oder im Vorderwald; denken wir an die Verbauungspläne mancher Gemeinden, an die rechtskräftigen Flächenwidmungspläne von Rankweil, Hohenems, Klaus, Röthis und Koblach

oder an die schon ziemlich zahlreichen mit Flächenwidmungen befaßten Gemeinden; denken wir auch an die Raumplanungsstelle, an den Raumplanungsbeirat oder an die Regional-planungsgemeinschaften. Diese Beispiele liefern einen klaren Beweis, nämlich den: wer in Vorarl-berg Raumplanung betreiben wollte, konnte dies schon bisher tun. Er mußte nicht auf das auf den Bänken liegende Gesetz warten, denn es standen ihm eine Reihe von raumplanerischen Gesetzes-instrumenten zur Verfugung: so die Landesbau-ordnung, das Grundverkehrsgesetz, das Grund-teilungsgesetz, Naturschutzgesetz, Straßengesetz und ganz besonders das Wohnsiedlungsgesetz.

So könnte man aber vielleicht noch weiter fragen: Wozu denn noch ein neues Raumplanungs-gesetz? Die Antwort dazu ist recht einfach. Die bisherigen raumplanerischen gesetzlichen Be-stimmungen sollen soweit als notwendig inhaltlich geändert und ergänzt sowie in einem Gesetzeswerk zusammengefaßt werden. Gleichzeitig sollen aber auch moderne legistische Erkenntnisse im Gesetz verarbeitet werden. Schließlich erfordert das be-reits in Kraft getretene neue Baugesetz bestimmte raumplanungsgesetzliche Regelungen. An wesent-lichen gesetzlichen Neuerungen bringt das Raum-planungsgesetz folgendes: Die Verpflichtung zur Erlassung von Landesraumplänen, zur Erlassung von Flächenwidmungsplänen in allen Gemeinden, Bestimmungen über die Ferienwohngebiete, die Entschädigungsregelung, die Baulandumlegung sowie die Grenzänderung; das also wesentliche gesetzliche Neuerungen gegenüber der bisherigen Rechtslage im Wohnsiedlungsgesetz.

Am 17.Mai 1972 ist die Regierungsvorlage über ein Raumplanungsgesetz im Landtag eingebracht worden. Der Landtag hat die Gesetzesvorlage dem Rechtsausschuß und dem Volkswirtschaftlichen Ausschuß zur Beratung zugewiesen. Wegen drin-gender verschiedener anderer Vorlagen konnten sich die Ausschüsse erst heuer mit dem .Gesetzes-entwurf befassen. Die Ausschüsse haben am 24., 25., 26. Jänner sowie am 14. und 21. Februar getagt. Es waren rund 130 Abänderungsanträge der Fraktionen zu behandeln. Der weitaus größte Teil der Beschlüsse wurde einhellig gefaßt. Es kam lediglich zu sechs Mehrheitsbeschlüssen: zwei Anträge fanden nicht die notwendige Mehrheit. Ein Antrag fand zwar die Mehrheit im Volkswirt-schaftlichen Ausschuß, nicht aber im Rechtsaus-schuß. Diese außerordentliche Vielzahl von Ab-änderungsanträgen zeugt einerseits von der Schwierigkeit und der Vielschichtigkeit der Gesetzesmaterie und sie beweist andererseits, wie verantwortungsbewußt und gründlich beraten wor-den ist.

Infolge der zahlreichen Änderungen haben die

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Ausschüsse beschlossen, den bereinigte^ Text der Regierungsvorlage als Ausschußvorlage in das Haus zu bringen. Der Antrag, den nur der Volkswirt-schaftliche Ausschuß angenommen hat, scheint in der gemeinsamen Ausschußvorlage nicht auf und wird daher vom Berichterstatter namens des Volkswirtschaftlichen Ausschusses gesondert vor-getragen werden.

Hinter der Ausschußvorlage und auch der Regierungsvorlage verbirgt sich viel Arbeit und Überlegung, verbirgt sich aber auch meines Erach-tens ein hartes Ringen um gute Lösungen für einen vertretbaren Ausgleich der Interessen des Gemein-wohles und des Privateigentums. Es ist daher meines Erachtens nur recht und billig, wenn ich als Berichterstatter den Dank des Vorsitzenden beider Ausschüsse im Haus wiederhole, nämlich den Dank an Dr. Franz Vögel, den Verfasser des Regierungs-entwurfes und den Hauptberater bei den Aus-schußsitzungen, den Dank an Dr. Helmut Feuer-stein und Dipl.-Ing. Georg Bohle für ihre zahl-reichen, praxisbezogenen Beiträge; und nicht zu-letzt den Dank an die Ausschußmitglieder, die aufrichtig bestrebt waren, auf ein gutes Gesetz hinzuwirken.

Das Raumplanungsgesetz wird voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte in Kraft treten. Es wird sich vor allem dann zum Wohle der Bevölkerung dieses Landes auswirken, wenn es mit Mut, Verstand und Verantwortungsbewußtsein, aber auch mit Herz und Seele vollzogen wird.

Namens des Rechtsausschusses und des Volks-wirtschaftlichen Ausschusses stelle ich den Antrag, der Ausschußvorlage die Zustimmung zu geben.

Präsident: Ich danke dem Herrn Berichter-statter für seine einleitenden Ausführungen. Die allgemeine Aussprache ist nun eröffnet. Wer wünscht das Wort dazu? Der Herr Abg. Dr. Purt-scher.

Dr. Purtscher: Hohes Haus! Geschätzte Dame, verehrte Herren! Unser Lebensraum ist bedroht. Diese Feststellung wird unwillkürlich assoziiert mit der die Weltöffentlichkeit fesselnden Thematik von der Umweltverschmutzung oder Pollution. Die Biosphäre, also der Lebensraum, über den die Menschheit verfugen kann, ist endlich, ist unver-meidbar. Alles, was wir üblicherweise mit Umwelt-verschmutzung bezeichnen, läßt sich weitgehend als die Erbsünde des industrialisierten Menschen bezeichnen, nämlich, daß er die unabbaubaren Ab-fälle seiner Zivilisation in solchen Mengen in der natürlichen Umwelt zurückbeläßt, daß es zu Gleichgewichtsstörungen in der Natur kommt. Man kann im Umweltverschmutzungsproblem ge-radezu den Gegenpol zum Abbauproblem sehen.

In der Tat hat die moderne Zivilisation dazu ge-führt, daß frische Luft sowie klares Wasser nicht mehr freie, sondern knappe Güter wurden. Außer Luft und Wasser ist aber als drittes, ganz entschei-dendes Element unseres Raumschiffes der Boden zu nennen. Erstmals in der Menschheitsgeschichte wird spürbar, wie beschränkt die Reserven unserer kleingewordenen Erde sind. Nach dem von For-ester entwickelten mathematischen Modell steuert die Erde infolge Raummangel, infolge Erschöpfung der Erdschätze, infolge der permanenten techni-schen Revolution und des Wirtschaftswachstums in wenigen Jahrzehnten einer Katastrophe entgegen. Wenn auch die meisten Ökologen in der vergange-nen Zeit der Kritik ausgesetzt worden sind wegen fehlerhafter Analyseansätze, die Weltuntergangs-stimmung daher offensichtlich nicht ganz ange-bracht erscheint, so ist unbestritten, daß die Quali-tät des Lebens echt gefährdet ist. Es wäre unver-tretbarer Egoismus, wollte unsere Generation die heute noch gegebene Qualität des Lebens für sich allein konsumieren. Auch unsere Nachfahren ha-ben Anspruch auf eine stabile Umwelt und eine Menschheitsgeschichte wird spürbar, wie beschränkt die Reserven unserer kleingewordenen Erde sind. Nach dem von Forester entwickelten mathematischen Modell steuert die Erde infolge Raummangel, infolge Erschöpfung der Erdschätze, infolge der permanenten technischen Revolution und des Wirtschaftswachstums in wenigen Jahr-zehnten einer Katastrophe entgegen. Wenn auch die meisten Ökologen in der vergangenen Zeit der Kritik ausgesetzt worden sind wegen fehlerhafter Analyseansätze, die Weltuntergangsstimmung daher offensichtlich nicht ganz angebracht er-scheint, so ist unbestritten, daß die Qualität des Lebens echt gefährdet ist. Es wäre unvertretbarer Egoismus, wollte unsere Generation die heute noch gegebene Qualität des Lebens für sich allein konsumieren. Auch unsere Nachfahren haben Anspruch auf eine stabile Umwelt und eine Vielfalt von Gütern. Es ist eine sittliche Pflicht, den Lebensraum für die kommende Generation in einem lebenswerten Zustand zu erhalten. Wem obliegt diese Verpflichtung? Appelle an das einzelne Individuum unserer Wegwerfgesellschaft sind notwendig. Doch das größte Glück der größten Zahl setzt mehr als nur Verständnis des Einzelindividuums voraus. Ernst Forsthoff schreibt in „Der Staat der Industriegesellschaft", daß die einzige Instanz, die dem technischen Prozeß Grenzen setzt, der Staat sein kann. Die Technik als Machtphänomen bedarf einer überlegeneren, Macht, der des Staates. In den vergangenen zwei Jahren hat sich die österreichische Volkspartei Vorarlbergs in ganz besonderem Maß dieser aktuel-len Problematik angenommen. Der Auftakt zu

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diesen legistischen Maßnahmen, die dieses Haus in den vergangenen zwei Jahren beschlossen hat, war das Luftreinhaltegesetz, dem ersten und bis heute einzigen in Österreich. Der Abschluß der legisla-tiven Bemühungen einer Verbesserung des Umwelt-bereiches wird das Landschaftsschutzgesetz sein, das wir alle hoffen noch gegen Ende der Frühjahrs-periode, zumindestens in diesem Jahre noch beschließen zu können. Dem Lebensraum im engeren Sinne ist das bereits am 1. Oktober des Vorjahres in Kraft getretene moderne Baugesetz und das heute und morgen zu beratende und zu beschließende Raumplanungsgesetz gewidmet. Im weiteren Sinn sind aber auch die Novellierungen des Grundverkehrsgesetzes 1971 und des Flurver-fassungsgesetzes 1971 hinzuzurechnen. Dieser ganze Komplex an gesetzlichen Maßnahmen kann ob seiner Weitreichenden Bedeutung und seines Umfanges mit Recht als vorausschauende Obsorge für den Vorarlberger Lebensraum bezeichnet werden.

Raumordnung ist der beste Umweltschutz. Dem Raumplanungsgesetz kommt daher in diesem Lebensraumkonzept eine konzentrale Aufgabe zu. Es soll die bestmögliche Gestaltung und Nutzung des Bodens ermöglichen und die Ordnung des Wasser-, Luft- und Klimahaushaltes gewährleisten. Der Boden ist auf lange Sicht der knappste aller Produktionsfaktoren, denn er ist unvermehrbar. Seine Lage ist fixiert, er kann daher auch nicht verlegt oder ausgetauscht werden. Die Hetze unserer Konsumgesellschaft manifestiert sich in dem geflügelten Wort „ich habe keine Zeit". Jedem von uns wird immer mehr gewahr, wie sehr die Zeit Grenzfaktor der menschlichen Tätigkeit geworden ist. Aber erst allmählich wird sich die Menschheit bewußt, daß ein zweites Phänomen an Bedeutung erschreckend zunimmt: die Begrenzt-heit des Raumes.

Unser Lebensraum ist bedroht. Dies ist kein billiges Schlagwort, sondern eine harte Realität. Täglich entsteht in Österreich, nach Schätzungen von Experten, ein Landverlust von 200.000 m2, das sind 20 ha infolge von Zersiedlung. Aber die Menschheit wächst und wächst. Es dauerte 600.000 Jahre bis die Zahl der Menschen etwa um 1800 eine Milliarde erreichte. Schon 130 Jahre später, also 1930, betrug die Weltbevölkerung zwei Milliarden. Nach bereits 30 Jahren wurde die dritte Milliarde erreicht, 1980 dürfte die vierte Milliarde überschritten werden und man rechnete, daß im Jahre 2000 es etwa doppelt soviel Menschen wie heute geben dürfte. Die Schätzungen bewegen sich jedenfalls zwischen sieben und acht Milliarden.

Man ist zunächst versucht beglückt zu sagen, wir Vorarlberger brauchen noch keine Platzangst zu haben, aber dennoch urteilen Sie selbst.

Vorarlberg hatte 1511 29.300 Einwohner. 250 Jahre später, 1754, 58.500, vor gut 100 Jahren, 1869, waren es 102.600, im Jahre 1951 wurde die 200.000-er-Grenze überschritten und in wenigen Monaten werden wir die 300.000-er-Marke überschritten haben. Bei einer Extrapolation dieser Entwicklung werden wir um die Jahrtausendwende über eine halbe Million Einwohner haben.

Die Entwicklung der Bevölkerungsdichte Vor-arlbergs drückt diese ungeheure Expansion noch drastischer aus. Von 11 Einwohnern je Quadrat-kilometer im Jahre 1511 auf 111 im Jahre 1971 brauchte es 460 Jahre. Der enorme Zuwachs der letzten Jahrzehnte widerspiegelt sich in diesem Vergleich. In 423 Jahren betrug die Zunahme 48 Menschen pro Quadratkilometer. In den letzten 37 Jahren aber betrug der Zuwachs 52 Menschen. In der Bevölkerungsdichte liegt Vorarlberg, wie bereits erwähnt, weit an der Spitze aller Bundes-länder, liegt weit über den Nachbarländern Grau-bünden, z.B. 23 Einwohner, Tirol 43. Hingegen hat St. Gallen eine weit stärkere Besiedlung, nämlich 191 pro Quadratkilometer.

Die Raumbegrenztheit ist aber nicht nur von der Bevölkerungszahl abhängig, wie es etwa in der Verdoppelung der Häuser auf über 50.000 bis heute seit dem Jahr 1910 zum Ausdruck kommt. Der Raum wird ja nicht nur zum Wohnen, sondern er wird auch zum Arbeiten, zur Erholung, zur Bildung, zur Teilnahme am Verkehr usw. ge-braucht. Die zunehmende Technisierung erfordert immer mehr Boden für die Infrastruktur: Straßen, Schulen, Spitäler, Verwaltungsgebäude usw. aber auch für die Produktionsstätten der Industrie, für die Lager des Handels usw. Der Raumbedarf wächst überproportional zur Bevölkerungszahl. Eine schweizerische Expertengruppe ermittelte einen Minimalbedarf je Einwohner von 180 Quadratmetern. Dies würde für die Vorarlberger Einwohner lediglich etwa 5400 Hektar ent-sprechen. Der aber tatsächlich von der Besiedlung beanspruchte Raum — mir fehlen leider die Zahlen — ist aber sicherlich das Hundert- oder Vielfache jedenfalls davon. Es findet ein kontinuierlicher Übergang von der urproduktiven land- und forst-wirtschaftlichen Bodennutzung zur nichtlandwirt-schaftlichen Bodenverwendung statt und dennoch wächst die Bodenverknappung und überpropor-tional hiezu die Bodenpreise. Die Gründe hiefür sind außer den Gesetzmäßigkeiten der Unvermehr-barkeit und Unverlegbarkeit des Bodens das Wachstum der Bevölkerung, das überproportionale Erfordernis an infrastrukturellen Einrichtungen, die Flucht in die Sachwerte auf Grund der inflationären Entwicklung, die Zersiedelung in-folge der Streubauweise, die Bodenspekulation

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und der Liegenschaftserwerb durch immer größere Kreise infolge der steigenden Einkommen.

Es wäre allerdings vermessen, annehmen zu können, daß mit einem Gesetz alle diese Faktoren ordnend erfaßt werden können. Das Raum-planungsgesetz muß sich zwangsläufig auf die optimale Verwendung des verfügbaren Raumes beschränken. Und alle jene sind Illusionisten, bei denen die Planung, ehemals ein Schreckgespenst, zu einer,,Deus ex machina" avanciert ist.

Entwicklung des Raumordnungsrechts: Es gab ja bisher, wie bereits erwähnt, eine Reihe recht-licher Grundlagen der Raumplanung. Einige haben sogar jahrhundertealte Vorbilder, wie z.B. diese Urkunde von 1626 über die Gemarkungen der Gemeinde Rankweil. Aber auch die Bauordnung von 1874 enthielt bereits Vorschriften über Regu-lierungs- bzw. Verbauungspläne. Und die ersten Verbauungspläne von Bregenz des Jahres 1910 und Hohenems 1911 hatte die Grundlage auf diesen Regulierungsbestimmungen. Im wesentlichen aber beschränkte sich die Bauplanung, die Raum-planung auf das Städtische Baulandrecht.

In der Landesplanung war Deutschland im ganzen mitteleuropäischen Raum, wenn nicht in der ganzen Welt, bahnbrechend, denn seit Anfang dieses Jahrhunderts wurden, und zwar hervor-gegangen aus dem Städtebau, Raumordnung und Landesplanung systematisch verwirklicht. Mit dem Gesetz über die Aufschließung von Wohnsiedlungs-gebieten, kurz Wohnsiedlungsgesetz genannt, wurde bereits im Jahre 1933 materielles Raum-ordnungsrecht geschaffen. In Österreich wurde 1939 mit dem deutschen Wohnsiedlungsgesetz erstmals ein Planungsrecht gültig, das auf die Flächenwidmung abzielte. Nach dem Zweiten Weltkrieg bestand zunächst Unsicherheit über den Rechtsbestand bis geklärt werden konnte, daß im Zuge der Rechtsüberleitung das Wohnsiedlungs-gesetz in die generelle Zuständigkeit der Länder fällt. Die weitere Behandlung der Gesetzesmaterie erfuhr dann in den einzelnen Ländern eine sehr unterschiedliche Behandlung.

Die gemeindliche Flächenwidmung des deut-schen Wohnsiedlungsmodelles, Wohnsiedlungs-gesetzes, wurde entweder durch neue landesgesetz-liche Regelungen ausgebaut, wobei den Auftakt hiezu Salzburg machte mit dem Raumordnungs-gesetz 1956 und Kärnten mit dem Gemeinde-planungsgesetz 1959, während andere Länder, z.B. Vorarlberg, im Jahre 1962 eine Novellierung des Wohnsiedlungsgesetztes vornahm. Niederösterreich schuf an Stelle des Wohnsiedlungsgesetzes im Jahre 1968, Burgenland 1969, Tirol und Oberösterreich im Vorjahr ein neues Raumordnungsgesetz. Im übrigen sind wir mit Burgenland das einzige Land, das die Gesetze über die Flächenwidmung nicht

Raumordnungs-, sondern Raumplanungsgesetz nennt. Diese Raumplanungsgesetze der Sechziger-jahre und das novellierte Wohnsiedlungsgesetz unterscheiden sich bezüglich der örtlichen Raum-planung weder im meritorischen Inhalt noch in der funktionellen Wirkung. Die vielfach aufgestellte Behauptung, mangelnde gesetzliche Grundlagen in Vorarlberg hätten das Entstehen von Flächen-widmungsplänen verhindert, ist unrichtig. Nicht der Titel, sondern der Inhalt eines Gesetzes ist für dessen Wirksamkeit maßgebend.

So entnehme ich der „Kleinen Zeitung" Graz vom 30. Juni 1972, daß die ÖVP einen Antrag zur Änderung, d.h. einen Entwurf zum Steiermärki-schen Raumordnungsgesetz 1972, das aber noch nicht beschlossen wurde, inzwischen eingebracht hat. Dieses Gesetz soll, und ich zitiere nun wörtlich die „Kleine Zeitung": „das untaugliche Steiermärkische Landesgesetz über Flächen-nutzungs- und Bebauungspläne aus 1964 sowie das Raumordnungsgesetz aus 1965 ersetzen. Wie drin-gend dieses neue Gesetz ist, geht wohl am besten aus der Tatsache hervor, daß derzeit auch nicht eine einzige der rund 550 steirischen Gemeinden einen Flächenwidmungsplan besitzt. „Das Salz-burger Raumordnungsgesetz und das Kärntner Gemeindeplanungsgesetz wurden durch je zwei Novellen bzw. ergänzende Gesetze den Erforder-nissen angepaßt. Tirol und Oberösterreich, deren Raumplanungsgesetze ja erst vor wenigen Monaten beschlossen wurden, wollten bewußt die Erfah-rungen der anderen Länder abwarten. Vergleicht man die Zahl der Vorarlberger Wohnsiedlungs-gemeinden, nämlich 27, mit den acht beschlos-senen und fünf rechtswirksamen Flächen-widmungsplänen, so ist die Bilanz der gemeind-lichen Flächenwidmungsarbeit nicht befriedigend. In ca. 20 Gemeinden befinden sich Gemeinde-raumpläne zum Teil schon seit vielen Jahren in Ausarbeitung. Die Beschlußfassung verzögerte sich wegen der enormen damit verbundenen Arbeit und der diffizilen Probleme, die sich dabei auftürmten derart, daß oft die Kraft zur Durchsetzung fehlte. Die örtliche Raumplanung aber, das darf ich nochmal wiederholen, entbehrte nicht der gesetz-lichen Grundlage.

Der von den Gemeinden und Experten erho-benen Forderung der Modernisierung der Rechts-grundlagen des Bauwesens wurde Priorität einge-räumt. Dieser Vorrang für das am 1. Oktober in Kraft getretene Baugesetz brachte denn auch eine klärende Eliminierung aller raumrelevanten, aber im Baugesetz früher noch verankerten Maßnah-men. Im Rahmen der Gesetzgebung der letzten Jahre wurde das künftige Raumplanungsgesetz schon berücksichtigt. So wurde im Flurverfassungs-gesetz bei der Novellierung 1971 eine Raumord-

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nungsklausel verankert, welche die Berück-sichtigung der örtlichen und überörtlichen Raum-planung vorschreibt. Arn 5. November 1969 wurde von sozialistischer Seite ein Initiativantrag über ein Raumordnungsgesetz eingebracht, der sich vor allem an Vorbilder anderer Länder anlehnt. In der Sitzung des Rechts- und Volkswirtschaftlichen Ausschusses vom 21. Jänner 1970 wurde dieser Antrag eingehend behandelt. Es kam hiebei die einhellige Auffassung aller Fraktionen zur bald-möglichsten Schaffung eines Raumplanungs-gesetzes deutlich zum Ausdruck. Es wurde jedoch der vorliegende Initiativantrag als zu wenig kon-kret bezeichnet. Die Form der Regelung erschien nicht zweckmäßig. Im Hinblick auf diese Argu-mente und besonders auch durch den Hinweis auf die Dringlichkeit der Neufassung der Bauordnung verzichtete die SPÖ-Fraktion auf eine geschäfts-ordnungsmäßige Behandlung ihres Antrages. Ein-stimmig wurde beschlossen, die Landesregierung zu ersuchen, einen Entwurf des Raumplanungs-gesetzes vorzulegen. Am 8.4.1971 wurde der Entwurf zur Begutachtung ausgesandt. Die aufge-forderten Institutionen erbaten wegen der Schwierigkeit und des Umfanges der Materie eine Verlängerung der Frist, so daß der Regierungs-entwurf nach Verarbeitung der eingegangenen Stellungnahmen erst am 9. Mai 1972 zugewiesen werden konnte.

Ich glaube, daß dieser mehrjährige Werdegang des Gesetzes verdient festgehalten zu werden, zumal er auch jedem Vergleich mit anderen Ländern, die sich intensiv mit dieser Materie befassen, standhält. Ich erinnere daran, daß Volk und Stände der Schweiz bereits im September 1969 einen eigenen Verfassungsartikel beschlossen haben und daß das darauf beruhende Bundesgesetz bis über die Eintretensdebatte noch nicht hinaus-gekommen ist.

Am 15. Juni 1972 fand die erste Sitzung des Rechts- und Volkswirtschaftlichen Ausschusses statt. Über die übrigen hat der Berichterstatter schon berichtet. Bereits vor drei Jahren hat Landesrat Müller in der Rechtsausschußsitzung damals erklärt, daß die an sich erwünschte Eile nicht, auf Kosten der Gründlichkeit gehen dürfe. Ich glaube, es dürfte in der Nachkriegszeit kein von diesem Haus beschlossenes Gesetz geben, das mit einer solchen Sorgfalt überarbeitet und geprüft worden ist. Dies manifestiert sich in beinahe 150 Abänderungsanträgen im Umfang von 28 Maschinenschreibseiten. Wenn nun ver-schiedentlich versucht wird, diese Tatsache etwa als Mangel am Regierungsentwurf zu qualifizieren, wie das im Ausschuß erfolgt ist, so ist dazu festzustellen, daß die wichtigsten meritorischen Neuerungen des Rechtsgebietes ja im Regierungs-

entwurf bereits enthalten waren, daß schließlich die ÖVP-Regierungsmitglieder bei der Ausar-beitung der Änderungsanträge mitwirkten und außerdem nahm sowohl die ÖVP- als auch die FPÖ-Fraktion des Landtages wie nie zuvor die Gelegenheit wahr, die mit der Vollziehung des Gesetzes beauftragten Gemeindemandatare in die Beratungen mit einzubeziehen und die Auffassung der Praktiker hier zu hören. Eine Reihe von Vereinen und Institutionen haben Stellungnahmen abgegeben. Es waren Probleme, die breite Kreise der Bevölkerung interessieren, z.B. der Haus- und Grundbesitzerverband, der Alpenschutzverein und verschiedene andere. Kaum ein Gesetz hat vor der Beschlußfassung solches Echo auch in den Massen-medien des Landes erfahren.

Eine Studiengruppe von Linzer Soziologen hat in der letzten Woche einen Forschungsbericht über die Tätigkeit der Landtagsabgeordneten von Ober-österreich veröffentlicht, in der es u.a. heißt, daß an die Stelle der echten legislativen Tätigkeit weitgehend Aktivitäten außerhalb des Landtages zugunsten der Partei treten. Es würden so ganz enorme Differenzen zwischen Verfassung und Verfassungswirklichkeit evident. Gerade die inten-sive Behandlung dieses Gesetzes demonstriert, daß für die Abgeordneten nicht nur formale und repräsentative Aufgaben verbleiben. Es ist aller-dings anzumerken, daß die Komplexität der Materie die Mitwirkungsintensität differenziert.

Die gesetzgeberische Initiative wird erschwert durch die formalrechtliche Zuständigkeitsfrage einerseits, aber auch die terminologische Ver-wirrung andererseits. So sieht z.B. Hofrat Unkart die Raumordnung, Prof. Pernthaler die Raum-planung als Oberbegriff. Die Wichtigkeit Raumord-nung-Raumplanung ist also in der Terminologie unterschiedlich.

In der Gesetzgebung ist eine horizontale Zwei-gliederung der Raumordnungsaufgaben zwischen Bund und Ländern, in der Vollziehung besteht sogar eine vertikale Dreigliederung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Raumordnung ist nämlich keine besondere, für sich bestehende Verwaltungsmaterie, denn je nach der Grund-materie kann die Raumplanung in die Bundes-oder Landeskompetenz fallen. Die Generalklausel spricht zwar eindeutig für Artikel 15 Bundesver-fassungsgesetz zugunsten der Länder, doch für Angelegenheiten, die dem Bund zugeordnet wer-den, z.B. das Eisenbahnwesen, das Bergwesen, das Wasserrecht, Forstwesen, dort ist die dazugehörige raumplanerische Maßnahme ausschließlich dem Bund vorbehalten.

Für die Rechtsentwicklung Österreichs von großer Bedeutung war die Erkenntnis 2/6/74 von 1954 des Verfassungsgerichtshofes, das eine ein-

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deutige authentische Kompetenzauslegung dar-stellt und auf Verfassungstufe steht. Die plan-mäßige und vorausschauende Gesamtgestaltung eines bestimmten Gebietes in bezug auf seine Verbauung einerseits und die Erhaltung unbe-bauter Flächen andererseits ist nach Art. 15 Abs. 1 in Gesetzgebung und Vollziehung Landessache. Dieser Rechtssatz ist gleichzeitig Legaldefinition für das Raumplanungsgesetz im § 1, wenn auch aus Gründen der besseren Verständlichkeit in etwas gekürzter Form. In der Bundesverfassung wurde der Begriff „Raumplanung" erstmals in der Gemeindeverfassungsnovelle 1962 verankert, und zwar in Art. 118 Abs. 3 wo „örtlicher Baupolizei" der Begriff „Raumplanung" aufscheint. Dies läßt nach Prof. Kühne jedenfalls auf die ältere Auf-fassung schließen, daß Raumplanung eine der Bauordnung zugehörige Verwaltungsfunktion wäre. Die Verfassungslage steht somit in einem echten Spannungsverhältnis zwischen Gesetz-gebungs- und Vollziehungsbefugnissen des Bundes und der Länder. Umso wichtiger ist daher die Koordinierung in den Raumordnungsangelegen-heiten, die in § 3, dji. nunmehr in der Neufassung § 4 des Raumplanungsgesetzes, erstmals überhaupt in einem österreichischen Raumplanungsgesetz bahnbrechend zu lösen versucht wird.

Im Gegensatz zum schweizerischen Gesetzes-entwurf über die Raumplanung, der lediglich die Instrumente der Raumplanung schaffen und auf den Schutz der öffentlichen Interessen abstellen soll, ist das Vorarlberger Raumplanungsgesetz nicht wertneutral. Die Umschreibung der Raum-planungsziele ist ein wesentlicher Bestandteil des Gesetzes und bildet gleichzeitig die verfassungs-rechtliche Grundlage nach Art. 18 Abs. 1 Bundes-verfassung für die als Verordnung zu erlassenden Landesraum- und Flächenwidmungspläne.

§ 2 baut zwar auf dem Regierungsentwurf auf, erhielt jedoch eine totale Neuformulierung und Umreihung in den Ausschußberatungen. Die ÖVP und FPÖ bekennt sich zur Normierung genereller für das ganze Land gültige sachbezogene Ziel-setzungen und lehnten daher den SPÖ-Vorschlag zur Festlegung spezifischer oder regionaler Ziele ab, von denen zwei für Verdichtungsgebiete, eine Klausel für zurückgebliebene Gebiete waren, ferner der Wunsch nach Gemeindesummanlegungen sowie die Landesverpflichtung zur besonderen Förderung der Landeshauptstadt. Bereits im § 2 Abs. 1 ist zusätzlich in unserem Initiativantrag eingebaut worden die Schaffung möglichst gleichwertiger Lebensbedingungen. Spezifische Zielsetzungen, denen teilweise auch eine Novellierungstendenz nicht abzusprechen ist, fanden nicht unsere Mehr-heit. Details zur Verwirklichung des Gesetzes in sachbezogener Hinsicht sollen den Landesraum-

plänen oder dem Landesentwicklungsprogramm vorbehalten sein, das weit flexibler den Erforder-nissen angepaßt werden kann als ein Gesetz. Wir sind der Auffassung, daß es nicht Aufgabe eines Raumplanungsgesetz ist, Gemeindezusammen-legungen herbeizuführen. Im übrigen hat kein Landesraumordnungsgesetz die Landeshauptstadt auf das Podest der besonderen Förderungs-würdigkeit erhoben.

Der Raumplanungsbeirat ist das die Landes-regierung in Raumordnungsfragen beratende Organ, das nun gesetzlich institutionalisiert wird und durch die Einbeziehung von Flächen-widmungsplänen eine enorme Aufgabenstellung erhielt, die es unter Umständen notwendig machen dürfte, auch Unterausschüsse zu bestellen. Es konnten nicht alle Wünsche von Organisationen und Vereinen zur Vertretung in diesem beratenden Gremium erfüllt werden. Mit 21 Mitgliedern, wie sie nun in der Ausschußvorlage aufscheinen, erreicht er beinahe die Aktivitätsgrenze. Acht Kammer- und Interessenvertretungen, vier Gemeindevertreter von den einzelnen Bezirken, vier Experten der Landesregierung sowie drei Parteienvertreter, die eine Verbindung zu den Landtagsklubs herstellen sollen, bilden das Gremium unter dem Vorsitz des für Raumplanung zuständigen Landesrates. Eine der ersten Aufgaben dieses hoffentlich bald konstituierten Raum-planungsbeirates wird das Landesent-wicklungsprogramm von Prof. Wurzer sein, das es zu begutachten gibt.

Das Raumplanungsgesetz verpflichtet das Land zur kontinuierlichen Raumforschung und Samm-lung aller raumrelevanten Daten und legt eine Auskunftspflicht gegenüber berechtigt Interessier-ten und auch eine Informationspflicht gegenüber den Gemeinden fest.

Den Gebietskörperschaften Land und Gemein-de werden folgende generelle Rechtsinstrumente für die Raumplanung zur Verfügung gestellt: Der Landesraumplan für die überörtliche Raumplanung soll erwünschte Entwicklungen fördern, uner-wünschte hintanhalten oder verhindern. Zur Vor-bereitung der im Gesetz geregelten verbindlichen Raumpläne sind auch Gutachten z.B. Ent-wicklungsprogramme, möglich. Der Flächen-widmungsplan für die örtliche Raumplanung, der sogenannte, ehemals bezeichnete „Gemeinderaum-plan", hat sich nicht nur an die Raumplanungsziele nach § 2, sondern natürlich auch an die Landes-raumpläne zu halten.

Der Bebauungsplan, der raumplanerische Maß-nahmen bei der Bodennutzung zu Bauzwecken für einzelne Teile des Gemeindegebietes schafft und die bisherige Teilregulierung nach § 4 der Landes-bauordnung ersetzt, und schließlich die Umlegung

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von Baugrundstücken, ein neues von den Gemein-den seit langem gefordertes Instrument, das ähn-lich den Zusammenlegungsverfahren für land- und forstwirtschaftliche Grundstücke nach dem Flur-verfassungsgesetz eine zweckmäßige Neueinteilung von Grundstücken für Bauzwecke auch gegen den Willen einzelner Grundeigentümer ermöglicht.

Für alle vorerwähnten Rechtsinstrumente ist die Form der Verordnung festgelegt, wie dies auch in allen anderen Bundesländern geregelt ist und im Einklang mit der Rechtssprechung bezüglich der Flächenwidmungspläne und der Bebauungspläne.

Die Grundteilung ist eine Materie der örtlichen Raumplanung. Deshalb wurden die §§ 1 und 2 des Grundteilungsgesetzes 1968 in das Raumplanungs-gesetz übernommen. Die Zuständigkeit wurde hingegen wegen der Bedeutung der Grundteilungen vom Bürgermeister auf den Gemeindevorstand übertragen.

Die Dringlichkeit der Raumplanung und die Erfahrungen, nicht nur in unserem Land, führten entgegen der Regierungsvorlage zur Festlegung einer Fünfjahresfrist für die Erstellung von Flächenwidmungsplänen. Eine Fristerstreckung ist bei Nichtgefährdung der Raumplanungsziele einer-seits und auch der örtlichen Ziele durch die Landesregierung möglich. Da sich Landesraum-pläne zumeist auf bestimmte Sachgebiete erstrecken, in ihrem Bedarf und in der Ausführung nicht terminisiert werden können, war eine analo-ge Verpflichtung für Landespläne nicht zweck-mäßig.

Es ist die Absicht der österreichischen Volks-partei, den Nachholbedarf auf dem Gebiet der Raumplanung durch flankierende Maßnahmen zu unterstützen. Eine stimulierende Wirkung könnte vor allem durch Prämien oder Zuschüsse zu Raumplanungskosten an die Gemeinden bilden. In der Schweiz sieht Art. 51 des Bundesgesetzent-wurfes vor, daß der Bund den Kantonen Beiträge bis zu 50 % je nach der Finanzkraft für die Kosten der Raumplanung beiträgt, wobei sowohl die Planerstellung als auch ihre Durchführung sub-ventioniert wird. Nachdem leider ähnliche Beihil-fen seitens des Bundes nicht zu erwarten sind, wurde innerhalb der ÖVP-Fraktion gründlich darüber diskutiert, den Beschluß dieses Gesetzes mit einer entsprechenden Prämierung oder Sub-ventionierung vor allem finanzschwacher Gemein-den der Raumplanungskosten zu verbinden. Eine sofortige Realisierung dieser Absicht ist jedoch auf Grund der Finanzsituation des Landes in breitem Maße nicht möglich. Wir sind uns darüber im klaren, daß das Gesetz allein nicht genügt, sondern durch eine Reihe begleitender Maßnahmen unter-stützt werden muß: zunächst einmal die stärkere personelle Besetzung der Landesraum-

planungsstelle; hie für wurde bereits im Budget 1973 und im Stellenplan Vorsorge getroffen; Information der Bevölkerung des Landes über die Notwendigkeit und das Wesen der Raumplanung als sozusagen Voraussetzung für das notwendige Verständnis; dann die bereits erwähnten Beiträge zu Planungskosten finanzschwacher Gemeinden und schlußendlich auch eine Wiederholung eines bereits vom zuständigen Regierungsreferenten an die heimischen Ingenieure und Architekten gerich-teten Appell sich im verstärkten Maße auch den Aufgaben der Raumplanung anzunehmen, um der Planungswelle, die nun zwangsläufig auch auf Grund der gesetzlichen Vorschreibung in den nächsten Jahren zu erwarten ist, gewachsen zu sein.

Raumplanung erfordert einen Informations-prozeß nicht nur durch das Land, sondern auch durch die Gemeinden. Zum Teil wird dies bereits in vorbildlicher Weise auch gemacht. Prof. Pernthaler schreibt in einem kürzlich ver-öffentlichten Beitrag in den „Wirtschaftspoli-tischen Blättern": „Wer mit dem Eigentum in die kollektive Planung einbezogen wird, hat Anspruch auf Plangewährleistung und Planwertausgleich, in besonderer Weise auf wirkungsvolle Partizipation am Planungsverfahren."

Das Verfahren selbst hat eine solche Vielzahl von Mitwirkungsmöglichkeiten, Informationsver-pflichtungen sowohl seitens des Landes als auch der Gemeinden, daß wir glauben, dieser wohl mit Recht erhobenen Forderung Genüge zu tun.

Im übrigen darf ich mir gestatten, auf die sogenannte innere Grenze der Raumplanung, nämlich all den Problemen, die sich mit der Beschränkung des Eigentums, die zwangsläufig mit jeder Raumplanung verbunden ist, bei Behandlung des § 3 zurückzukommen. Wir haben die Über-zeugung, daß dieses Raumplanungsgesetz den Gemeinden jenes Instrument bietet, das nach den neuesten Erkenntnissen und aufbauend auf den Erfahrungen unseres und anderer Länder eine Planung im Sinne einer wohldurchdachten Gestal-tung der gefährdeten Umwelt bedeuten wird.

Präsident: Jetzt ist der Herr Abg. Dipl.-Ing. Mayer zum Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

Dipl.-Ing. Mayer: Herr Präsident! Hohes Haus! Der Berichterstatter hat die jahrzehntelangen Ver-schleppungen zur Erstellung eines Vorarlberger Raumplanungsgesetzes damit entschuldigt, daß man ja schon vor 50 Jahren und mehr in Vorarl-berg Stadtplanung betrieben hat. Der Abg. Dr. Purtscher hat darauf hingewiesen, daß 1910 die Bezirkshauptmannschaft Bregenz für Bregenz

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einen Städteplan beschlossen hat. Herr Berichter-statter, darf ich vielleicht daran erinnern, daß die alten Römer bereits vor 2000 Jahren Städtepläne hatten und nach solchen Städteplänen auch schon das alte Brigantium gebaut wurde.

Der Sprecher der österreichischen Volkspartei, Dr. Purtscher, hat begonnen und geschlossen mit der Feststellung, daß nach Auffassung der ÖVP Raumordnung vor allem darin besteht, daß ent-sprechende Schutzbestimmungen für Natur und Landschaft erlassen werden. Wir freuen uns da-rüber, daß die Erkenntnis des Umweltschutzes zumindestens im Verbalen nun allmählich sich auch bei der Österreichischen Volkspartei durch-setzen, möchten aber doch darauf hinweisen, daß Prof. Wurzer, der von der Landesregierung bestell-te Raumplaner, doch sehr eindeutig in seinem Buch folgendes feststellt: Als Resultat ist festzu-stellen, daß im Entwurf des Vorarlberger Raum-planungsgesetzes neben den nur die Schutz- und Sicherungsfunktionen berücksichtigenden allge-meinen Zielen der Raumplanung auch die in Abs. 2 enthaltenen speziellen Ziele ebenfalls sehr allgemein formuliert und offensichtlich nicht gewichtet sind. Lediglich die unter j) genannte Wahrung der Eigenart der Vorarlberger Land-schaft, die im übrigen mit § 2 (5) des Kärntner Raumordnungsgesetzes: „Die Eigenart der Kärntner Landschaft ist zu bewahren" überein-stimmt, ist auf die besonderen Gegebenheiten Vorarlbergs ausgerichtet. Wie gesagt, wir begrüßen es, daß der Umweltschutzgedanke sich nun all-mählich allgemein in diesem Land durchsetzt. Wir möchten aber doch betonen, daß wir vor allem unter Raumordnung ein leitbildmotiviertes Han-deln verstehen zur optimalen Nutzung des Landes und seiner Teilräume, wie wir das bereits in unserem Leitbild im Jahre 1969 dargetan haben.

Hohes Haus! Die Raumplanung in Österreich besitzt bis heute kein geschlossenes Rechts- und Verfahrenssystem, das alle Planungsebenen des Bundes, des Landes und der Gemeinden umfaßt. Bemühungen des Bundes gehen auf das Jahr 1966 zurück, als ein Expertengutachten zu Bundesraum-ordnungsfragen durch die damalige Bundesre-gierung in Auftrag gegeben wurde. Die Regierung Klaus, die noch kurz vor den Nationalratswahlen die Leitlinien und das Aktionsprogramm für eine Bundesraumordnung herausgab, fand damals massive Widerstände besonders bei den Bundes-ländern und mußte zur Kenntnis nehmen, daß eine Bundesraumordnung ohne Bundesländer nicht gemacht werden kann. Bundeskanzler Dr. Kreisky schlug anläßlich der Landeshauptleutekonferenz am 14. September 1970 eine kooperative Raum-planung für das gesamte österreichische Bundes-gebiet vor und schuf damals die Voraussetzungen

für eine Bundesraumordnungskonferenz, die sich aus Mitgliedern des Bundes, der Länder, dem Städtebund, dem Gemeindebund und den Wirt-schafts- und Sozialpartnern zusammensetzte. Die Aufgaben der Bundesraumordnungskonferenz bestehen in der Erstellung des Bundesraum-ordnungskonzeptes sowie in der Behandlung aller raumordnungspolitischen Fragen, die die Gebiets-körperschaften gemeinsam berühren. Ferner schlug im September 1970 der Bundeskanzler die Einbe-rufung eines Bundesraumordnungsbeirates vor, der als Sachverständigengremium die Bundesregierung ständig zu beraten hat. Weiters schlug Bundes-kanzler Dr. Kreisky die Erstellung eines Bundes-raumplanes vor, der inzwischen als österreichisches Raumordnungskonzept bezeichnet wird. Alle Vorschläge des Bundeskanzlers vom 24.9.1970 wurden im wesentlichen inzwischen aufgegriffen. Die beiden Gremien, Bundesraumordnungs-konferenz und Bundesraumordnungsbeirat, sind wiederholt zu Beratungen zusammengetreten. Im Jänner 1973 wurden den Ländern und den Gemeinden die Zielvorstellungen der Bundesraum-ordnung zur Stellungnahme übergeben. Das wesentlichste Instrument der Bundesraumordnung, ein das gesamtstaatliche Interesse formulierendes Bundesraumordnungsgesetz ist derzeit in Ausar-beitung.

Auf Länderebene bestehen teilweise bereits seit mehreren Jahren Raumplanungsgesetze. Der Salz-burger Landtag hat bereits im Jahre 1968, der Burgenländer Landtag im Jahre 1969 ein Raum-planungsgesetz beschlossen. Heute besitzen mit Ausnahme von Wien und Vorarlberg alle Bundes-länder diese für die jeweilige Landesentwicklung bedeutsamen Normen. Die Vorarlberger Initiative für ein Raumplanungsgesetz geht unmittelbar auf einen selbständigen Antrag der Abgeordneten Dr. Peter und Genossen, also der SPÖ, vom Dezember 1969 zurück, nachdem die SPÖ bereits 15 Jahre früher ein Raumplanungsgesetz gefordert hatte. Damals (Zwischenruf Eß: Die Römer noch früher! — Heiterkeit) Herr Abg. Eß, aber offenbar waren Sie auch nicht früher dran, nicht wahr, denn von Ihrer Seite ist auch nicht vor den Römern ein Raumplanungsgesetz beantragt worden. Damals führte Dr. Peter aus, daß die Sozialistische Fraktion es als unbedingt notwendig erachte, daß auf dem Gebiet der Raumplanung möglichst rasch gesetzliche Vorschriften geschaffen werden. Daher habe er einen Initiativantrag eingebracht, der sich an Vorbilder anderer Bundesländer anlehnt. Durch ÖVP-Sprecher wurde hingegen damals erklärt, daß im Zuge der Beschlußfassung über ein Raum-ordnungsgesetz noch andere Materien geregelt werden müßten, die nicht im Initiativantrag ent-halten seien. Die Sozialistische Fraktion sei zwar

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selbstverständlich bereit, über solche Erweite-rungen und Abänderungen zu diskutieren. Der Freiheitliche Sprecher verlangte damals, daß das Gesetz wesentlich kürzer gefaßt werden müsse, als dies beim vorliegenden selbständigen Antrag der SPÖ der Fall war. Schließlich faßte der Rechts-und Volkswirtschaftliche Ausschuß folgenden ein-stimmigen Beschluß — Herr Dr. Purtscher, hören Sie sich ihn gut an, denn Sie haben ihn nur unvollständig zitiert: Die Landesregierung — so heißt es damals — wird ersucht, in Verbindung mit den laufenden Vorarbeiten in der Novelle der Landesbauordnung und in Verhandlungen über ein Raumordnungskonzept ein Raumordnungsgesetz dem Landtag bis Ende 1970 vorzulegen. Zu den damaligen Feststellungen der FPÖ kann heute gesagt werden, daß entgegen den damaligen Vor-stellungen das nun zur Beschlußfassung vorgelegte Gesetz nicht wesentlich kürzer als das des selb-ständigen Antrages der SPÖ ist, sondern wesentlich umfangreicher geworden ist. Zum Beschluß des Rechts- und Volkswirtschaftlichen Ausschusses vom 21. Jänner 1970 muß heute mit Bedauern festgestellt werden, daß die damaligen Zusagen in keiner Weise eingehalten wurden und daß das Raumordnungsgesetz nicht wie zugesagt Ende 1970, sondern mit eineinhalbjähriger Verspätung erst im Jahre 1972 vorgelegt wurde. Fast gleich-zeitig aber mit dieser Regierungsvorlage, für die ÖVP-Referenten verantwortlich zeichnen, brachte die ÖVP selbst mehr als 55 Abänderungsanträge ein. (Zwischenrufe von der ÖVP) Sie können mit Ihren Referenten umgehen wie Sie wollen, da schreiben wir Ihnen wirklich nichts vor. Die Verspätung der Regierungsvorlage um eineinhalb Jahre ist eingetreten, obwohl sich der Landes-hauptmann rühmt, bereits am 20. Dezember 1956 ein Raumordnungsgesetz gefordert zu haben. Er hat aber bereits am 19. Juni 1965 festgestellt, daß eine gemeindliche Raumordnung allein zur Bewäl-tigung der großen Zukunftsaufgaben unzureichend ist. Trotz dieser verbalen Beteuerungen, die bei allen möglichen feierlichen Anlässen durch die zuständigen Stellen der Landesregierung vorge-bracht wurden, hat sich der Landeshauptmann offenbar in seiner eigenen Partei mit seinen Erkenntnissen damals nicht durchsetzen können und das Land Vorarlberg mußte eine oft gerühmte Entwicklung durch zwei Jahrzehnte miterleben, ohne daß die zuständigen Stellen des Landes bereit gewesen wären, dieses nach Auffassung des Herrn Landeshauptmannes zur Bewältigung der großen Zukunftsaufgaben notwendige Gesetz zu schaffen. Heute fehlen nicht nur Leitbilder, sondern vor allem auch die konkreten Planungsunterlagen, so z.B. ein Generalverkehrsplan für das Land Vor-arlberg, ein Wasserwirtschaftlicher Rahmenplan

und vieles andere. Diese beiden letzten Entwick-lungsgrundlagen wurden von der SPÖ ebenfalls bereits vor den letzten Landtagswahlen gefordert. Obwohl jedermann weiß, daß der konzeptlose Straßenbau ein untaugliches Mittel zur Bewälti-gung des Straßenverkehrs darstellt, stehen diese wichtigen Planungsunterlagen bis heute nicht zur Verfügung. Sehr aktuell und kennzeichnend für die Konzeptlosigkeit in Planungsfragen ist die Wohnungspolitik, wo nun neuerdings wieder Wohnbaurichtlinien erstellt wurden, die keine Rücksicht auf Erfordernisse einer modernen Raumplanung nehmen. Der festgelegte Auftei-lungsschlüssel für den Wohnungsbau beruht auf der bisherigen Entwicklung hinsichtlich Bevölkerungs-zahl und Bevölkerungszuwachs. Damit werden die bestehenden Verhältnisse der Zersiedelung in diesem Land versteinert und des besteht keine Chance, Fehlentwicklungen in einzelnen Gemeinden zu vermeiden. Der von uns geforderte Grundsatz, den Aufteilungsschlüssel im Wohnungs-bau auf dem tatsächlichen Wohnungsfehlbestand aufzubauen, wurde bisher nicht zur Kenntnis genommen. (Zwischenruf) Fragen Sie nur die Bürgermeister, die wissen schon was vom Fehlbe-stand! Diese beiden grundsätzlichen Tatsachen (Zwischenruf) von Bartholomäberg, ja, nicht ein-mal von St. Anton, Entschuldigung, von einer anderen Gemeinde.

Diese beiden grundsätzlichen Tatsachen, die mehr als 15-jährige Verschleppung des Raum-planungsgesetzes einerseits und die mangelnden konkreten Maßnahmen auf dem Gebiet des Ver-kehrs und des Wohnungswesens andererseits, lassen alle feierlichen Bekenntnisse dieser Landes-mehrheit zum Raumordnungsgedanken unglaub-würdig erscheinen. Diese Bekenntnisse werden auch dann nicht glaubwürdiger, meine Herren, wenn sie in noch so farbenprächtigen Broschüren und noch so guten und von anderen Parteien entliehenen Titeln an die Bevölkerung verteilt werden. Die SPÖ hat im Gegensatz dazu nicht nur bereits (Zwischenrufe — Glocke des Präsidenten) die SPÖ hat im Gegensatz dazu nicht nur bereits vor mehr als 15 Jahren ein Raumplanungsgesetz gefordert, sondern auch die heutige Beschluß-fassung durch den bereits erwähnten Initiativ-antrag anfangs 1970 ermöglicht. Für die SPÖ ist jedoch das Raumplanungsgesetz undenkbar, wenn nicht zuvor Leitbilder für die Entwicklung dieses Landes formuliert werden. Da diese Leitbilder für die Entwicklung Vorarlbergs durch die zuständigen Regierungsstellen bis heute nicht erarbeitet worden sind, wurden seitens der SPÖ bereits vor den letzten Landtagswahlen ein Leitbild für die Wirtschafts- und Raumordnungspolitik in Vorarl-berg formuliert und der Öffentlichkeit vorgestellt.

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Das damals erarbeitete Leitbild umfaßte eine Bestandsaufnahme sowie eine allgemeine Beschrei-bung der Position Vorarlbergs in demographischer, verkehrsgeographischer und ökonomischer Hin-sicht. Wir formulierten damals die raumordnungs-und wirtschaftspolitischen Grundforderungen zur Raumordnungs- und Wirtschaftspolitik sowie die spezifischen Entwicklungsziele der Vorarlberger Wirtschaft in den Bereichen der Industrie, des Gewerbes, der Energiewirtschaft, des Dienst-leistungsbereiches sowie der Land- und Forstwirt-schaft. Wir wiesen damals bereits auf die unab-dingbare Notwendigkeit hin, die Aufgabenstellung und die Methoden der Politik den neuen An-forderungen und Bedingungen anzupassen, da die traditionellen Methoden zur Kontrolle und zur zielgerechten Steuerung der Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft versagen. Wir verlan-gten, daß eine fortschrittliche und auf die Ver-änderung der gesellschaftlichen Verhältnisse zielende Politik in verstärktem Maße die Wissen-schaft zur konstruktiven Mitarbeit heranzuziehen hat. Das Bevölkerungswachstum im Land mit den beiden Komponenten Geburtenüberschuß und Wanderungsgewinn allein sind keineswegs signi-fikant für die demographische Position Vorarl-bergs. Wir bemerken innerhalb des Landesgebietes auffallende Unterschiede, selbst innerhalb des Ballungsraumes Rheintal selbst und in den einzel-nen Gemeinden, wo Wachstumsdifferenzen zwischen 5 und 70 % in benachbarten Gebieten aufscheinen. Nur gezielter Einsatz der Wohnbau-förderung kann ungesunde Wucherungen einerseits und eine gefährliche Stagnation andererseits ver-meiden. Kennzeichnend für die wirtschaftliche Monostruktur unseres Landes ist auch die Tat-sache, daß starke Wachstumsdifferenzen je nach Berufsgruppen aufscheinen und qualifizierte Kräfte abwandern und andererseits Gastarbeiter für Hilfsdienste in großer Zahl in der Vorarlberger Wirtschaft aufgenommen werden müssen. Die verkehrsgeographische Position verlangt nach wissenschaftlich fundierten Konzepten. Im Bregenzer Raum treffen sich in naher Zukunft sechs internationale Autobahnen. Es entsteht ein Verkehrsstern (Heiterkeit) ja, meine Herren, sie hätten ja vor zwanzig Jahren die absolute Mehrheit in Stadt, Land und Bund gehabt und hätten damals vor zwanzig Jahren Vorsehungen treffen können, daß man nicht in diesem derzeitigen Verkehrschaos ersticken muß. Der Arlberg wird neue staatspolitisch bedeutsame Verkehrsfunk-tionen schaffen. Der zweigeleisige Ausbau der Eisenbahn, das Projekt der Schnellbahn, das Splügenbahnprojekt, die Flughafen- und Hoch-rheinschiffahrtsideen bringen verkehrsgeographi-sche Dimensionen ins Land, die nach den bis-

herigen Methoden nicht mehr diskutierbar sind. Bei Betrachtung unserer ökonomischen Position zeigt sich bereits eindeutig, daß wesentliche zentralörtliche Funktionen höherer und höchster Stufe, insbesondere auf dem Gebiet des Dienst-leistungssektors, von Nachbarländern übernommen werden. Die landespolitische Behinderung eines Vorarlberger Leistungskerns hat dem Land in der Vergangenheit schweren Schaden zugefügt. So wurde die Frage der Rheintalgroßstadt bis heute geradezu mit Interesselosigkeit, jedenfalls mit völlig unzulänglichen Methoden behandelt. Wir müssen heute mit allem Nachdruck quantifizier-bare Planungsmodelle für dieses Land und insbe-sondere für die künftige Regionalstadt Rheintal verlangen, die als Entscheidungsgrundlage für die künftige Landespolitik gelten können. Ähnliche Postulate finden wir bereits in den ersten Arbeiten des von der Vorarlberger Landesregierung beauf-tragten Landesplaners Prof. Wurzer, der vor kurzem die Strukturanalyse des Landesgebietes sowie den Entwurf eines Landesentwicklungs-programmes vorgelegt hat. Wir betrachten diese beiden Arbeiten durchaus als eine brauchbare Basis und als einen ernsten Versuch, die Probleme der Landesentwicklung zu erfassen und schließen uns der Auffassung Herrn Prof. Wurzers an, der feststellt, daß auch bei den Beratungen des Entwurfes für ein Vorarlberger Raumordnungs-gesetz und Raumplanungsgesetz diese Ergebnisse der Strukturanalyse und der Entwurf des Landes-entwicklungsprogrammes so weit als möglich Berücksichtigung finden müssen. Prof. Wurzer fordert den Vorarlberger Landtag auf, in der genannten Arbeit nicht nur ein formales Raum-planungsgesetz, sondern ein funktionelles Raum-planungsgesetz zu beschließen. Obwohl dem Vorarlberger Landtag den Vorschlägen Prof. Wurzers entsprechend keine Gelegenheit gegeben wurde, diese beiden wesentlichen Voraussetzungen für ein funktionelles Raumordnungsgesetz ein-gehend zu beraten, hat die SPÖ neben der seinerzeitigen Vorlage eines Raumplanungsgesetzes und dem erarbeiteten Leitbild mit mehr als 30 Anträgen in den Unterausschüssen und am nun vorliegenden Raumplanungsgesetz mitgewirkt und wird diesem Gesetz auch in Anbetracht der Dringlichkeit die grundsätzliche Zustimmung nicht verweigern. Die SPÖ versteht unter Raumordnung jedoch, Hoher Landtag, ein leitbildmotiviertes Handeln, eine optimale Gesamtgestaltung des Landesgebietes und seiner Teilräume. Wenn ich an diese Formulierungen unseres Leitbildes aus dem Jahre 1969 erinnere, so deshalb, um damit klarzu-stellen, daß es uns bei der Diskussion um das Raumplanungsgesetz vor allem darum geht, die Raumplanungsziele klar zu definieren. Deshalb

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verlangt auch Prof. Wurzer, der schon am Regierungsentwurf des Vorarlberger Raum-ordnungsgesetzes bemängelte, daß dort die Ziele sehr allgemein formuliert und offensichtlich nicht gewichtet werden, diese Grundsätze.

Für einige unserer Anträge zur klareren Bestimmung unserer Raumordnungsziele konnten wir bereits in den Unterausschüssen eine Mehrheit finden. Jene Anträge aber, die über die allgemeinen Formulierungen hinaus konkrete Forderungen für eine Raumplanung enthielten, wurden von der Mehrheit dieses Hauses abgelehnt. Wir verlangten, daß in Gebieten, in denen Lebens- und Arbeitsbe-dingungen im Verhältnis zum Landesdurchschnitt wesentlich zurückgeblieben sind oder in denen ein derartiges Zurückbleiben befürchtet werden muß, die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Verhältnisse bevorzugt behandelt werden sollten.

Auch in unserem Lande gibt es neben den allgemein bekannten Strukturschwächen Vorarl-bergs Gebiete mit speziellen Entwicklungs-schwierigkeiten. Wir verlangen daher, daß unter den Entwicklungszielen eines Vorarlberger Raum-planungsgesetzes eine bevorzugte Behandlung dieser zurückgebliebenen Landesteile postuliert wird.

Da nach der Auffassung von Prof. Wurzer im Gebiet des Rheintales und des Walgaus eine Regionalstadt entstehen soll, in aller Welt aber die größten Entwicklungsprobleme gerade in den städtischen Landesbereichen bestehen, veranlagen wir ebenfalls, daß in bestehenden Verdichtungs-gebieten mit günstigen Lebens- und Arbeitsver-hältnissen die Entwicklung gesichert werden soll. In Verdichtungsgebieten hingegen mit bestehenden oder zu erwartenden ungünstigen Lebens- und Arbeitsverhältnissen wäre die räumliche Struktur so zu gestalten, daß wieder ausgewogene wirt-schaftliche, soziale und kulturelle Verhältnisse erreicht und künftig gewährleistet werden. Hier stellten wir bereits in unserem Leitbild fest, daß sich im Zentralraum Vorarlbergs keine punktuelle Zentralörtlichkeit herausgebildet hat, sondern daß heute schon eine multiple Zentralörtlichkeit vor-liegt, d.h. eine auf mehrere Großgemeinden bezogene Funktionsteilung. Die Großgemeinden im Rheintal und Walgau sollten daher auf Grund der bestehenden und künftig zu erwartenden funktionellen Verflechtung bestimmte zentral-örtliche Funktionen stärker akzentuieren und ihre Investitionen aufeinander abstimmen. Auch diese Forderungen wurden von der Mehrheit der ÖVP und der Freiheitlichen Partei in diesem Hause bisher abgelehnt.

Wir verlangen ferner im Rahmen der Ent-wicklungsziele festzulegen, daß für eine Kommu-

nalstruktur, die die Gemeinden in die Lage versetzt, ihre finanzielle Leistungsfähigkeit und ihre Verwaltungseinrichtungen so zu gestalten, daß sie die an sie gestellten Anforderungen bestmög-lichst erfüllen können, Vorsorge getroffen werde. Der Chef der Hamburger Bauverwaltung, Fritz Schumacher, erklärte bereits im Jahre 1928: Der Planung mag ein Zustand, als ob keine Grenzen vorhanden wären, genügen. Sobald jedoch bei der Ausführung finanzielle Fragen in Betracht kommen, bleibt jede Grenze das, was sie immer war, eine Macht, die in wirklich schwierigen Fällen das; Vorzeichen der Interessen umkehrt. Um diese Schwierigkeiten zu überbrücken, hat der ehemalige Düsseldorfer Stadtbaudirektor die Gründung von Verbandsstädten vorgeschlagen. Mit dem Ordnungsbild der Verbandsstadt soll nicht etwas analysiert werden, was schon besteht. Es wird die Struktur einer neuen kommunalen Einheit darge-legt, in der die Verwaltungshoheit über die räumliche Gesamtplanung wie genannt und die Investitionsplanung einschließlich der Enteignungs-gewalt auf die Verbandsstadt übergehen sollen. Auch wenn wir in Vorarlberg von Gemeindezu-sammenlegungen oder auch von der Schaffung von Verbandsstädten sehr weit entfernt sind, so müßte es doch ein wesentliches Ziel der Raumplanung und eines Raumplanungsgesetzes sein, Vorsorge für bessere Kommunalstrukturen in diesem Land zu treffen als sie heute bestehen. Diese unsere Forderung wurde von der Mehrheit der öster-reichischen Volkspartei und der Freiheitlichen Partei abgelehnt.

Wir verlangten schließlich die Aufnahme einer besonderen Litera unter § 2 der Raumplanungs-ziele, die den Ausbau und die Förderung der Landeshauptstadt durch Schaffung weiterer zentraler Einrichtungen beinhaltete. Dr. Karl Stieglbauer vom österreichischen Institut für Raumplanung schreibt in den „Wirtschafts-politischen Blättern" der Bundeshandelskammer der gewerblichen Wirtschaft über die Region als sozioökonomischer Verflechtungsraum. Er bezeichnet Bregenz als unzureichend ausgestattete Landeshauptstadt und erwähnt, daß die zentral-örtlichen Funktionen der Landeshauptstadt in Vorarlberg zum Teil durch andere Standorte im Rheintal, zum Teil durch Innsbruck, zum Teil durch St. Gallen oder Zürich ausgeübt werden. Das sind zweifellos Fehlentwicklungen, die unserem gesamten Land geschadet haben. Ich zitiere daher einen sehr namhaften ÖVP-Politiker des Vorarl-berger Landtages, der die Frage, ob die Landes-regierung nun ihre Hauptstadt als solche gefördert und ausgebaut hat, klar verneint. Auch Prof. Wurzer berichtet in seinem Vorbericht zur Regionalplanung Rheintal, daß der geringe Anteil

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des öffentlichen Dienstes an den Bregenzer Berufs-tätigen als Ergebnis einer gewissen Dezentralisie-rungspolitik zu betrachten ist. Derselbe ÖVP-Politiker stellt darüber hinaus fest, daß in Vorarlberg in der Vergangenheit bewußt die Eifersucht von anderen Städten und Gemeinden angeregt, die Konkurrenzierung gefördert, jeder gegen jeden ausgespielt wurde. Das Argument — so dieser Landespolitiker — der Landeshauptstadt gebühre in gewissen Fällen ein Vorzug oder bessere Förderung, gelte in Vorarlberg nicht. Wir Soziali-sten bedauern es, daß wir zu dieser bedeutenden Förderung der Landesentwicklung weder die Zustimmung der ÖVP noch jene der FPÖ finden konnten. Da damit die wesentlichsten Forde-rungen der SPÖ nach einer klaren Formulierung der Entwicklungsziele sowohl von ÖVP als von FPÖ in diesem Hause abgelehnt wurden, werden wir dem § 2 unsere Zustimmung nicht erteilen.

Ein weiterer wesentlicher Bestandteil des Raumplanungsgesetzes stellt der Paragraph der Entschädigungen dar. In unserem Gesetz werden richtigerweise Rechte der Grundeigentümer geschützt. Wir treten der Auffassung der Mehrheit bei, daß jeder Grundeigentümer, dem aus der Erlassung von Flächenwidmungsplänen Schaden erwächst, entschädigt werden soll, und zwar auf Kosten der Gemeinschaft, also auf Kosten der Steuerzahler entschädigt werden soll. Wir haben jedoch eingangs zu Beratungen über diesen Punkt festgestellt, daß man auch die Frage eines Plan-wertausgleiches diskutieren solle. Unserem Vor-schlag hat man allerdings nicht gefolgt, uns standen auch nicht die wesentlichen Berater und Fachleute für Formulierungen von Planwertaus-gleichen zur Verfügung. Wir bedauern es, daß Vorarlberg als eines der letzten Bundesländer nun ein Raumordnungsgesetz beschließt und diesen wesentlichen Punkt, der bereits in der Schweiz sehr ernsthaft diskutiert wurde, völlig außer acht gelassen hat. Wir müssen daher im grundsätzlichen auch dem § 25 unsere Zustimmung versagen. Zusammenfassend stellen wir jedoch fest, daß trotz jahrzehntelanger Verschleppungen nun auch in Vorarlberg ein Raumplanungsgesetz entsteht, das auf den Erfahrungen fast aller österreichischen Bundesländer aufbauen kann und wir daher diesem Gesetz die Zustimmung erteilen werden.

Präsident: Jetzt ist der Herr Abg. Dipl.-Ing. Rüsch zum Wort gemeldet.

Dipl.-Ing. Rüsch: Hoher Landtag! Liebe Zuhörer! Ich werde wesentlich bescheidener sein in meinen Ausführungen, sowohl was die Redezeit betrifft wie die Reklamation von Urheberrechten. Eines sei jedoch festgehalten, Kollege Mayer,

Raumplanung ist keine Erfindung der SPÖ, und Bundeskanzler Dr. Kreisky nicht der Erarbeiter von Raumordnungsgrundlagen. Weiters sei fest-gehalten, daß planerischer Höhenflug nicht geeignet ist, in unserem Lande Raumplanung zu betreiben, denn Raumplanung ist ein Entwicklungsprozeß, der auf die natürlichen Gegebenheiten und auf die Bevölkerung Rücksicht nehmen muß.

Was die Mitarbeit in den Ausschüssen betrifft, so beschränke ich mich auf die bescheidene Feststellung, daß wir auch sehr intensiv und erfolgreich mitgearbeitet haben. Rein statistisch gesehen kann das vorliegende Raumplanungsgesetz als Schwergeburt bezeichnet werden, denn ich glaube kaum, daß irgend ein anderes Gesetz in der Vergangenheit soviel Zeit, sowohl der Ausschüsse, wie der Fraktionen in Anspruch nahm. Ohne die Vorarbeit der einzelnen Abgeordneten zu rechnen, bin ich bei einer überschlägigen Ermittlung für meine Fraktion auf ca. 200 Stunden gekommen und ich kann mir kaum vorstellen, daß es den anderen Fraktionen gelungen sein soll, mit wesentlich weniger Zeit auszukommen. Parlamen-tarisch gesehen kann man getrennter Meinung sein. Von meiner Fraktion aus waren wir der Ansicht, daß eine allzu perfekte Regierungsvorlage uns nicht so lieb ist, wie eine Regierungsvorlage, über die man in den Ausschüssen noch intensiv diskutie-ren kann und bei denen man in den Ausschüssen die Möglichkeit hat, wesentliche Gedanken und Vorstellungen einzubauen. Überhaupt glauben wir, daß so wichtige Gesetze, wie z.B. das zu be-schließende Raumplanungsgesetz, eben auf eine sehr breite Basis gestellt gehören, was nur möglich ist, wenn auch den Minderheitsparteien die Mög-lichkeit zur konstruktiven Mitarbeit gegeben ist. Wenn man die stattliche Zahl von ca. 150 Änderungsanträgen betrachtet, so kann man sich in etwa ein Bild davon machen, wie in den Ausschüssen um gültige Formulierungen gerungen wurde. Freilich, sowohl das Engagement wie auch die Argumentationen waren verschieden, meist weniger wegen verschiedener Parteizugehörigkeit als wegen verschiedener Berufe, verschiedener Zugehörigkeiten zu Regionen unseres Landes und daher verschiedener Blickwinkel. Es sei ja auch klar, daß das Problem aus der Sicht des aktiv ausübenden Landwirtes wesentlich änderst aus-sieht, als aus der Sicht z.B. des Bürgermeisters einer Fremdenverkehrsgemeinde.

Trotz allem, Hoher Landtag, wir dürfen uns kein X für ein U vormachen, das Raumplanungsge-setz ist zwar ein erster Schritt auf dem Wege der sinnvollen Raumgestaltung in unserem Lande, aber leider auch nicht mehr. Unser aller Aufgaben wird es in erster Linie sein, Verständnis für die

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Maßnahmen der Raumplanung in der Bevölkerung zu wecken, nämlich gerade das ist unseres Erach-tens der Grund, warum wir in unserem Land noch so wenig Flächenwidmungspläne, genehmigte Flächenwidmungspläne haben, denn wie bereits meine Vorredner erwähnten, waren gesetzliche Unterlagen für eine Planung vorhanden, sie waren aber zu wenig treibend und darum sind wir heute in einem gewissen Planungsrückstand.

Ich darf hier vielleicht einige Grundsatzfragen anschneiden, ohne deren gedankliche Durcharbei-tung eine weitere Behandlung dieses Gesetzes gar nicht möglich wird. Punkt 1 ist, wie bereits von meinen Vorrednern erwähnt, das Monopol des Raumes bzw. der Fläche, d.h., der nutzbare Lebensraum, die nutzbare Fläche ist begrenzt und unvermehrbar. Was heißt das? Nicht mehr und nicht weniger, als daß das Verfügungsrecht über den Grundbesitz nicht uneingeschränkt sein kann, denn auch der Nichtgrundeigentümer hat ein Anrecht auf einen Lebensraum und die Allgemein-heit hat unter Umständen übergeordnete Interes-sen. Damit sind wir automatisch bei Punkt 2 angelangt, nämlich der Interessenabwägung. Wenn wir Punkt 1, das Monopol des Raumes, anerken-nen, werden wir bei fast jeder Raumordnungsmaß-nahme mit der Interessenabwägung konfrontiert und hier sehe ich die große Verantwortung der öffentlichen Mandatare. Wir sind der Ansicht, daß bei gutem Willen von beiden Seiten, in der Mehrzahl der Fälle, eine Einigung zu erzielen sein wird, aber es wird auch immer wieder Fälle geben, die trotz guten Willens und Einsicht nicht ohne Härte zu lösen sein werden. Und damit sind wir praktisch bei einem Kernproblem nicht nur dieses Gesetzes, sondern der Raumordnung überhaupt. Es geht um die Entschädigung. Wir haben in vielen Stunden der Diskussion sowohl im Klub wie in den Ausschüssen versucht, hier eine halbwegs befriedi-gende Lösung zu finden. Wir haben eine Lösung gefunden. Wir sind aber bescheiden genug einzuge-stehen oder zu erkennen, daß diese Lösung nicht eine Patentlösung darstellt. Unser einziger Trost kann hier nur sein, daß es anderswo auch noch nicht gelungen ist. Und sowohl in der Schweiz wie in Deutschland existieren zwar Gedankenmodelle, die aber allesamt nicht praktikabel sind. Ich möchte mich jetzt hier nicht allzulange über dieses Problem auslassen, da es zwar nachmittagsfüllend wäre, hier aber auch bei bestem Willen nicht befriedigend gelöst werden könnte. Ich beschränke mich also auf ein Umreißen dieses Fragenkomple-xes.

Frage 1: Wenn ich ein Gebiet als Kern-, Misch-oder Industriegebiet widme, so erhebt sich die Frage, ob damit dieses Gebiet aufgewertet wird, weil grundsätzlich der Begriff des Grundbesitzes

von der Nutzung zur Schaffung von Lebensbedin-gungen, wie z.B. Land- und Forstwirtschaft, abhängt oder ob primär alles Bauland ist und eine Widmung als land- und forstwirtschaftliches Gebiet eine Abwertung darstellt. Von der Beantwortung dieser Frage hängt das Gedankenmodell des soge-nannten Wertausgleiches ab, d.h. grob vereinfacht, daß jene, deren Grund aufgewertet wird, den Differenzbetrag zum Mittelwert an jene, deren Besitz eine Abwertung erfuhr, abzuführen hätten. Dies wäre zweifelsohne eine für alle annehmbare Lösung, ist aber nicht praktikabel, da der Mehr-wert erst dann realisiert werden kann, wenn ein Verkauf, eine Realisierung des Mehrwertes eintritt, dagegen die Ausgleichszahlungen an die „Geschä-digten" sofort gefordert würden. Sie können sich leicht vorstellen, welche Finanzierungsprobleme hier auftauchen würden und es sei hier nur nebenbei angeführt, daß z.B. Lech für einen Ausgleich ca. 50 Mio. S aufbringen müßte und da es eine relativ reiche Fremdenverkehrsgemeinde ist, versuchen wird, es in den nächsten 20 Jahren zu je 2 1/2 Mio. S aufzubringen. Eine andere Möglichkeit wäre die Mehrwertabschöpfung, d.h., die aufgewerteten Flächen würden so hoch besteu-ert, daß der sogenannte Mehrwert abgeschöpft würde. Dieser Fall brächte jedoch unendlich viele soziale Härten und ist realpolitisch nicht durch-führbar. Wir glauben jedoch, daß die in diesem Gesetz gefundenen Lösungen zum mindesten einen Ausgleich der Härten ermöglichen, sind uns jedoch klar darüber, daß sie keine Ideallösungen darstel-len. Ich appelliere an die Gemeinden, sich der hohen Verantwortung bewußt zu sein und bei der Behandlung dieser Frage nicht nur die eigene, meist schwache, Finanzsituation im Auge zu haben, sondern auch die wohlbegründeten Rechte der Besitzer.

Ich möchte jetzt nicht Punkt für Punkt die Vorlage ansprechen, da hiezu bei der Einzelbera-tung genügend Möglichkeit sein wird. Ein Problem erscheint mir jedoch wert, bereits in der General-debatte angeschnitten zu werden, und zwar die Appartementhäuser. Diese Frage wäre an und für sich nur ein kleines Steinchen im Mosaik der Raumplanung, ist jedoch leider zum Problem angewachsen, da wir in einem Lande wohnen, das an Naturschönheiten sehr reich ist und deshalb von Bewohnern anderer Länder gerne zum zweiten Wohnsitz erkoren wird. Da diese Leute wirtschaft-lich sehr stark sind, ist leider oft der Spekulation Tür und Tor geöffnet, ohne daß der Einheimische hier in irgend einer Form mitreden kann. Weiters leben in unserem Lande sehr viele Leute vom Fremdenverkehr und es muß unbedingt verhindert werden, daß über die Appartements diesem Er-werbszweig der Boden unter den Füßen entzogen

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wird. Um uns über diesen Fragenkomplex ein Bild machen zu können, haben die Freiheitlichen Abgeordneten im letzten Jahr eine Fragebogenak-tion gestartet, die sehr erfolgreich war, denn außer dem Bregenzerwald, der leider, wahrscheinlich aus politischen Gründen, diese Aktion geschlossen sabotierte, kamen aus dem ganzen Land wertvolle Anregungen. Der Grundtenor aller Antworten war, mehr gesetzliche Möglichkeiten zur Regelung und verbesserte Aufklärung über die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen. Nun, die Möglichkei-ten zur Regelung sind in diesem Gesetz erschö-pfend gegeben und ich glaube wir können feststel-len, daß andere Bundesländer zwar mehr Reklame für ihre Gesetzesbestimmungen machten, daß jedoch die hier getroffenen Lösungen die letzten Möglichkeiten bietet, die besten Möglichkeiten bieten, wenn die Gemeinden die Beratung durch die Landesraumplanungsstelle wahrnehmen.

Was die Aufklärung betrifft, so möchte ich meine Bitte an Herrn Landesrat Müller wiederho-len, in der Schweiz gibt es Untersuchungen über die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Appartementhäuser, es wäre interessant, wenn Sie, Herr Landesrat, diese Untersuchungen den Gemeinden zuleiten könnten, oder was unseres Erachtens noch besser wäre, wenn Sie im Rahmen des § 5 — Grundlagenforschung — solche Untersu-chungen für unser Land in Auftrag geben könnten, z.B. bei der Universität Innsbruck.

Zuletzt möchte ich noch der Landesraumpla-nungsstelle im Namen meiner Fraktion danken, denn die Herren Dr. Feurstein und Architekt Dipl.-Ing. Bohle standen auch den Minderheitspar-teien während der Beratung hilfreich und objektiv zur Seite. Auch bei alemannischem Sparsinn wird es in der nächsten Zeit notwendig sein, diese Abteilung sowohl personell wie finanziell zu stärken, denn es genügt nicht, den Gemeinden Raumplanung vorzuschreiben und selber beim Land im Rückstand zu sein, denn das II. Haupt-stück dieses Gesetzes trägt den Titel „Raumpla-nung durch das Land". Schließlich möchte ich der Hoffnung Ausdruck verleihen, daß dieses Gesetz wenigstens einen Teil, der in es gesetzten Erwar-tungen erfüllen möge.

Präsident: Jetzt ist der Herr Landeshauptmann zum Wort gemeldet.

Dr. Keßler: Hoher Landtag! Lassen Sie mich auch aus der Sicht der Landesregierung zu dem heute zur Diskussion stehenden Raumplanungsge-setz einige grundsätzliche Feststellungen treffen. Durch dieses Gesetz befaßt sich der Landtag mit einem Problemkreis, dem zweifellos für die künfti-ge Gestaltung und für die gedeihliche Entwicklung

unseres Landes allergrößte Bedeutung zukommt. Die Vielschichtigkeit der Raumordnungs- und der Raumplanungsprobleme auch in unserem Land kommt wohl darin sehr augenscheinlich zum Ausdruck, daß es mehrmonatiger intensiver Bera-tungen der Landtagsklubs und der zuständigen Landtagsausschüsse bedurfte, bis eine einigerma-ßen einvernehmliche Ausschußvorlage zustande kommen konnte. Es sind nunmehr 17 Jahre her — Herr Bürgermeister Mayer hat dankenswerterweise auf dieses Datum in seinem Beitrag hingewiesen —, es sind 17 Jahre her, daß hier in diesem Haus zum ersten Mal auf die Notwendigkeit und die Dring-lichkeit gezielter Raumordnung in unserem Land, insbesondere auf die Notwendigkeit kommunaler Flächenwidmung hingewiesen worden ist. Aller-dmgs, Herr Bürgermeister, wenn Sie gemeint haben, der Umstand, daß es seit dieser Zeit so lange gedauert hätte, bis es zur Verabschiedung eines Raumplanungsgesetzes im Vorarlberger Landtag kommen konnte, dieser Feststellung muß ich deshalb widersprechen, weil die Gründe, die Sie dafür angeführt haben, wohl an den Tatsachen vorbeigehen. Ich glaube sagen zu können und ich möchte das gerade aus der Sicht der Landesregie-rung tun, daß seit dem Tag, da im Jahre 1956 die Forderung nach gezielter Raumordnung in diesem Haus erhoben wurde, sehr vieles und Entscheiden-des zur Realisierung der Raumordnung und der gemeindlichen Flächenwidmung geschehen konn-te, was jedenfalls die Beistellung der notwendigen rechtlichen Grundlagen anbelangt. Ich darf darauf hinweisen, daß es immerhin seit dem Jahre 1948 in diesem Land eine Planungsstelle gibt, die sich damals noch Landesplanungsstelle nannte, aus der dann in späterer Folge die Raumplanungsstelle wurde, und daß wir immerhin seit dem Jahre 1956 einen Landesraumordnungsbeirat haben, der sich in den vergangenen Jahren in vielen Fällen sehr konstruktiv und eingehend mit der Problematik der Raumordnung in diesem Land beschäftigt hat. Und ich möchte vor allem auch einmal mehr unter Betonung stellen, daß das im Jahre 1962 novellier-te Wohnsiedlungsgesetz neben einigen anderen landesgesetzlichen Vorschriften eine recht taugli-che Grundlage war, um den Gemeinden die Möglichkeit zu gezielter gemeindlicher Flächen-widmung und Raumplanung zu geben, denn, die guten Willens waren, sich dieser Aufgabe zu widmen. Ich darf etwa hinweisen auf die Bauord-nung, auf die naturschutzgesetzlichen Bestimmun-gen, auf das Grundteilungsgesetz, auf das Sportge-setz und es gäbe noch einige andere zu nennen. Es ist einfach nicht wahr, wenn man heute da und dort festzustellende Versäumnisse auf diesem Gebiet mit dem Mangel an legistischen Grundlagen zu begründen versucht. Der Beweis dafür, daß dem

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nicht so ist und nicht so sein kann, sind jene Gemeinden, die jedenfalls schon vor Jahren in der Lage gewesen sind, rechtskräftige Flächenwid-mungspläne zu verabschieden. Und ich nehme mich hier nicht aus, Herr Bürgermeister Mayer, wenn Sie so in aggressiver und in recht persönli-cher Art gemeint haben, die Feststellung treffen zu müssen, daß der Landeshauptmann, der im Jahre 1956 in diesem Haus Raumplanung rekla-miert habe, sich offensichtlich nicht durchsetzen konnte. Ich darf Ihnen immerhin sagen, daß wir in der Gemeinde, in der ich Gelegenheit hatte, einige Jahre Bürgermeister zu sein, seit vielen Jahren einen rechtskräftigen Flächenwidmungsplan ha-ben. Auf den in der Landeshauptstadt Bregenz warten wir bis heute vergebens. Ich glaube, man sollte hier etwas weniger persönlich argumentieren, das würde der Sache weit dienlicher sein. Und wenn Sie gemeint haben, daß erst mit der Ära Bundeskanzler Dr. Kreisky im Jahre 1970 die Raumordnung in Österreich begonnen habe, dann ist auch dem entschieden zu widersprechen. Ich weiß nicht, ob es Ihnen bekannt ist, daß es Prof. Wurzer war, der heute schon zitierte Fachmann, der im Sommer 1971 in der Lage war, bzw. schon 1970, Bundeskanzler Kreisky ein ganzes Konvolut von Unterlagen zur österreichischen Bundesraum-ordnung zu übergeben, die zurückgegangen sind auf einen Auftrag von Bundeskanzler Klaus, der es sich, wie heute richtig schon gesagt wurde, zu einer seiner Hauptaufgaben gemacht hatte, die Raum-ordnung in Österreich in Bewegung zu bringen. Hier hat Wurzer noch in der Ära Klaus sehr verdienstvolle und umfassende Arbeit geleistet, die dann im Jahre 1971 die Grundlage zur Fortsetzung dieser Arbeit durch die amtierende Regierung werden konnte. Ich habe selber diese Sitzung damals in Salzburg mitgemacht, wo in einer Landeshauptleutekonferenz Bundeskanzler Dr. Kreisky diese Arbeit Prof. Wurzers übernommen hat und dort festgestellt hat, daß sie mit die entscheidende Grundlage zu den künftigen Überle-gungen im Rahmen der Bundesraumordnung in Österreich sein soll. Ich glaube, so einseitig sollte man wirklich die Dinge nicht darstellen. Und ich möchte noch etwas sagen. Wenn heute gemeint wurde, die Landeshauptstadt Bregenz würde im Entwurf zum Raumplanungsgesetz, das heute zur Diskussion steht, vernachlässigt, dann geht auch das völlig ins Leere. Wenn sich der Landtag nicht in der Lage gesehen hat, für die Landeshauptstadt Bregenz im Rahmen dieses Landesgesetzes Sonder-bestimmungen zu schaffen, dann nicht deshalb, weil jemand in diesem Haus die Absicht hat, die Landeshauptstadt zu vernachlässigen oder ihre Bedeutung zu unterschätzen, sondern einfach deshalb, weil es in einem solchen Gesetz darum zu

gehen hat, daß für alle Regionen des Landes, für alle Städte und alle übrigen Gemeinden dieses Landes gleiche Voraussetzungen geschaffen wer-den. Ich will jetzt hier nicht lange werden, aber ich wäre in der Lage, an einer ganzen Reihe von praktischen Beispielen den Beweis anzutreten, daß der Vorwurf, der in Ihrer Rede hier zum Ausdruck gekommen ist, jedenfalls aus der Sicht der Landes-regierung völlig ins Leere geht und daß es einfach eine durch nichts zu beweisende Behauptung ist, wenn hier gesagt wird, daß die Landeshauptstadt in den vergangenen Jahren oder Jahrzehnten benachteiligt worden wäre. Aber man muß, Herr Bürgermeister, vielleicht doch eines auch einmal in Bregenz zur Kenntnis nehmen: Daß nämlich auf Grund der geographischen Situation unserer Lan-deshauptstadt und daß auf Grund der regionalen Gegebenheiten in diesem Lande vielleicht in manchen Bereichen oder Belangen die Landes-hauptstadt Vorarlbergs nicht so gesehen werden kann, wie das in einigen anderen Bundesländern der Fall ist, wo wir zentrale Landeshauptstädte haben mit zentralen Funktionen, wie sie nun einmal Bregenz fehlen: Die ganz zwangsläufig fehlen müssen, weil wir es mit einer Stadt zu tun haben, die an der Peripherie des Landesgebietes liegt und weil sich auf Grund der historischen und der wirtschaftlichen Entwicklung in diesem Land eben mehrere Schwerpunkte herauskristallisiert haben, die, wie gesagt wurde, zugegebenermaßen in einer gewissen Rivalität stehen. Ich glaube aber, einer Rivalität und einem Konkurrenzverhältnis, das im Grunde genommen gesund ist. Wenn es zugegebenermaßen Fälle geben kann, wo die Landeshauptstadt Bregenz aus der Sicht des Landes nicht in dem Maß Berücksichtigung findet, wie das vielleicht für die Landeshauptstadt Tirols oder Salzburgs oder Oberösterreichs gilt, dann hat das seine Ursache nicht in einem Schlechtwollen oder in einem Nichtverstehen, sondern es ist die ausschließliche Konsequenz der geographischen, der historischen und der wirtschaftlichen Situa-tion. Ich bitte Sie, das einmal zur Kenntnis zu nehmen, und ich bin überzeugt davon, daß die Bevölkerung dieses Landes für eine solche Argu-mentation auch sehr viel Verständnis hat.

Meine Dame, meine Herren Abgeordneten! Nach dem Bundesland Salzburg, das im Jahre 1956 das erste Raumordnungsgesetz geschaffen hat, ist, wie schon gesagt wurde, im Jahre 1959 das Bundesland Kärnten gefolgt und in den Jahren danach hat eine ganze Reihe von Bundesländern Raumplanungsgesetze geschaffen. Wenn Vorarl-berg erst relativ spät nun mit einem eigenen Raumplanungsgesetz folgt - so sehen wir das jedenfalls aus der Sicht der Regierung — dann heißt das noch lange nicht, daß wir in dem

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vergangenen Jahrzehnt nicht die rechtlichen Grundlagen für gezielte Raumordnung und Flä-chenwidmung geschaffen hätten. Ich habe das einleitend schon gesagt. Denken Sie an das deutsche Wohnsiedlungsgesetz, das entscheidend novelliert wurde, an das Grundverkehrsgesetz, an die baurechtlichen Vorschriften, an das Grundtei-lungsgesetz, das Straßengesetz oder das Natur-schutzgesetz. Jenen Gemeinden jedenfalls, denen an einer raschen Realisierung der gemeindlichen Raumordnung gelegen war, denen war in den vergangenen Jahren die Möglichkeit dazu gegeben. Daß die Zahl der Vorarlberger Gemeinden, die über rechtskräftige Flächenwidmungspläne verfü-gen, heute noch relativ bescheiden ist, hat seine Ursache, ich betone das noch einmal, nicht im Fehlen rechtlicher Handhaben, sondern hat andere Gründe. Das zur Diskussion stehende Raumpla-nungsgesetz enthält eine ganze Reihe von Bestim-mungen, von denen wir sagen können, daß wir damit ein echtes Leitbild liefern. Sie haben, Herr Bürgermeister, in Ihrem Beitrag in der Generalde-batte gemeint, die Sozialistische Fraktion sehe sich genötigt, ein Leitbild, ein klares Leitbild zur Raumordnung in diesem Land zu verlangen. Und ich möchte Ihnen deshalb auch jetzt anschließend dieses Leitbild kurz vermitteln, so wie wir es aus der Sicht der Mehrheit in Regierung und Landtag sehen. Eine grundsätzliche Feststellung ist sicher zunächst nötig. Raumplanung, wie wir sie ver-stehen, hat nichts mit Planwirtschaft, mit Diri-gismus zu tun. Wir bekennen uns zur freien menschlichen Persönlichkeit, zur Garantierung der bestmöglichen Freizügigkeit und wir bekennen uns deshalb auch zum bestmöglichen Schutz des Pri-vateigentums im Rahmen der Raumordnung. Nicht von ungefähr haben wir in den wochenlan-gen Verhandlungen die Verankerung des Eigen-tumsbegriffes und die Verankerung des Eigentums-schutzes mit in den Mittelpunkt der Diskussion gestellt. Freilich hat diese Freizügigkeit im Bereich der Bodenpolitik ihre Grenzen, weil im Gegensatz zu den übrigen Sachwerten Grund und Boden eben einmal unvermehrbare Größen sind. Wir haben deshalb die Verpflichtung, daß auch kommende Generationen dieses Landes in ihren Genuß kom-men können. Wir haben nach dem Grundsatz zu handeln, und ich glaube, daß nur er ein menschen-würdiges Leben der Bevölkerung dieses Landes in der Zukunft garantiert, soviel Freiheit wie möglich und nur soviel Zwang, als im Interesse des öffentlichen Wohls notwendig; auch in diesem Bereich! Wir sind uns dabei darüber klar, daß das Eigentum eine Individual- und Sozialfunktion in gleicher Weise zu erfüllen hat. Grundlage jeder Raumordnung, da pflichte ich sicher bei muß i, muß ein Leitbild sein, ein Leitbild unter dem alle

die Folgerungen zu verstehen sind, die man von einer bestimmten wirtschaftspolitischen Gegeben-heit aus für die raumordnungspolitische Gestaltung eines Raumes ziehen kann. Dabei beinhaltet das Leitbild die Frage, was bietet der mir zur Verfügung stehende Raum für die Durchsetzung meiner wirtschaftspolitischen Forderungen? Und da gibt es nun einmal, ob man es gerne hat oder nicht, vier Kategorien von Leitbildern. Es gibt nämlich eines der sogenannten liberalen, eines der doktrinär-planwirtschaftlichen, eines der kommu-nistischen und eines der sogenannten sozialen Raumordnung. Das sind wissenschaftliche Begriffe, die in der Raumordnungspolitik Eingang gefunden haben, wobei das Leitbild der liberalen Raumord-nung davon ausgeht, daß im Rahmen der Raum-und Bodengestaltung völlige Freizügigkeit bestehen soll. Es gibt daneben ein Leitbild der kommunisti-schen Raumordnung, das von ausschließlich diri-gistischen, planwirtschaftlichen Grundsätzen aus-geht. Es gibt auch eines der doktrinär-planwirt-schaftlichen Raumordnung, das zwar einen gewis-sen Spielraum für freizügige Gestaltung läßt, grundsätzlich aber auch planwirtschaftlich orien-tiert ist. Und sehen Sie, meine Dame und meine Herren Abgeordneten, hier beginnt die Abgren-zung zu dem, was wir wollen. Wir verstehen nämlich unter der sozialen Raumordnung ein Leitbild, das ausgeht von drei Postulaten: Von dem der Freiheit, von dem des sozialen Ausgleichs und von dem der sozialen Sicherheit. Und ich glaube, daß der Entwurf, wie er heute dem Hohen Haus zur Beschlußfassung vorliegt, diesen Grundsätzen Rechnung trägt. Und wenn Sie, Herr Bürgermeister, um noch einmal auf Ihren Diskussionsbeitrag zurückzukommen, gemeint ha-ben, sie hätten erwartet, daß die Regierung oder die Mehrheit dieses Hauses in der Lage gewesen wäre, schon vor der Verabschiedung dieses Geset-zes das Leitbild vorzulegen, dann glaube ich, geht eine solche Feststellung ins Leere, weil ich die Behauptung wage, daß dieser gesamte Gesetzesent-wurf sehr eindeutig und konsequent vom Leitbild der sozialen Raumordnung getragen ist. Und wenn Sie gemeint haben, so habe ich es jedenfalls verstanden, daß wir auch die Aufgabe gehabt hätten, in den vergangenen Monaten uns auch schon stärker mit den konkreten Zielsetzungen der Raumplanung in diesem Land zu beschäftigen, dann darf man immerhin darauf hinweisen, daß wir mit einer Entwicklungsperspektive für die Vorarlberger Wirtschaft durch keinen Geringeren als Prof. Seidel vom österreichischen Wirtschafts-institut, mit einer Strukturanalyse der Vorarlber-ger Gegebenheiten durch Prof. Wurzer und vor allem mit dem Entwurf zu seinem Landesentwick-lungsprogramm doch über sehr taugliche Grundla-

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gen verfügen, um im Anschluß an die Beschlußfas-sung dieses Gesetzes an die praktische Arbeit zu gehen. Ich möchte abschließend sagen, daß jeden-falls die Mehrheit dieses Hauses — und ich freue mich darüber, daß auch ein beachtlicher Teil der Abgeordneten der Nichtmehrheit diese Auffassung teilt — überzeugt davon ist, daß der Vorarlberger Landtag mit dem Raumplanungsgesetz eine ent-scheidende Weichenstellung für die künftige Ent-wicklung vornimmt. Es soll die Grundlage für eine gezielte Landesraumplanung und gemeindliche Raumplanung werden, unter kompromißloser Beachtung des Grundsatzes, daß Eigentumseingrif-fe nur in dem Rahmen erfolgen dürfen, in dem sie die Gewährleistung der Allgemeininteressen erfor-dert und ich möchte hinzufügen, daß der Eigen-tumsentzug immer nur unter der Voraussetzung einer gerechten, objektiven Entschädigung vor sich zu gehen hat.

Präsident: Der Herr Abg. Dr. Purtscher hat sich noch zum Wort gemeldet.

Dr. Purtscher: Hohes Haus! Der Herr Abg. Bürgermeister Mayer hat zwei Feststellungen ge-troffen, die ich als Vorsitzender des Rechtsaus-schusses korrigieren muß. Zunächst hat er mit Recht festgestellt, daß ich in der Zitierung des damaligen Beschlusses des Rechtsausschusses nicht alles vorgelesen habe, vor allem den Termin. Nur seine darauf aufbauende Feststellung, daß eine Terminzusage um eineinhalb Jahre nicht eingehal-ten wurde, muß ich zurückweisen. Es ist dort festgehalten worden in der Sitzung vom 21.1.1970 einstimmig, daß die Vorarbeiten an der Novelle der Landesbauordnung soweit abgeschlossen werden, daß das Raumordnungsgesetz dem Landtag bis Ende 1970 vorzulegen ist. Mit Schreiben vom 17. Dezember 1970 des Herrn Landesstatthalters Dr. Ratz als zuständigem Referenten an den Obmann des Rechtsausschusses und des Volkswirt-schaftlichen Ausschusses — Ihr Fraktionskollege Graf müßte also auch darüber verfügen — wurden die Gründe dargelegt, die zu einer Verzögerung von einigen Monaten führen, und mit Schreiben vom 8.4. 1971, also etwas mehr als drei Monate nach dem vorgesehenen Termin, wurde der Entwurf über das Raumplanungsgesetz den Obmännern der beiden Ausschüsse übermittelt und der Entwurf ging gleichzeitig in die Begutachtung. Hier etwa formulieren zu wollen, also es wäre ein gegebenes Wort um eineinhalb Jahre überschritten worden, muß ich also zurückweisen.

Die zweite Feststellung möchte ich treffen hinsichtlich Ihrer Haltung zur Entschädigungs-bestimmung. Sie erklären hier, daß Sie deshalb dem § 25 nicht zustimmen, weil wir nicht über den

Planwertungsausgleich im Ausschuß gesprochen hätten. Ich darf hier feststellen, und ich bitte alle Mitglieder der beiden Ausschüsse, mich zu korrigie-ren, von Ihnen oder Ihrer Fraktion, Herr Bürger-meister, ist im Zuge des § 25 nie das Wort „Planwertausgleich" gefallen. Es wäre mir eine Wortmeldung Ihrer Fraktion (Zwischenruf Dipl.-Ing. Mayer: Das ist doch allerhand. Fragen Sie Herrn Dr. Feurstein!); eine Wortmeldung Ihrer Fraktion in dieser Frage wäre mir sicher aufgefal-len. Ich darf darüber hinaus, Herr Bürgermeister, festhalten, daß der Motivenbericht (Weitere Zwi-schenrufe — Glocke des Präsidenten) der Landesre-gierung das Problem des Planwertausgleichs ja eingehend und ausführlich behandelt. Sie hätten doch dort genügend Gelegenheit gehabt, auf den Motivenbericht zu verweisen. Also es ist dies wirklich nur ein Versuch, die Ablehnung der Entschädigungsbestimmung mit irgend einer Aus-rede zu bemänteln und nichts anderes. Und ich frage Sie, warum hat auffälligerweise in Ihrem Initiativantrag auch die Entschädigungsbestim-mung gefehlt? Und ich habe bei der Sitzung am 21. Jänner 1970 gefragt die Mitglieder der SPÖ, ob sie darauf vergessen hätten, bei der Abschrift aus einem anderen Landesraumgesetz die dort befindli-che Entschädigungsbestimmung zu übernehmen. Also man komme hier nicht mit der Ausrede, es wurde abgelehnt über den Planwertausgleich zu diskutieren. Ich möchte mit aller Deutlichkeit feststellen, daß von Ihrer Seite nie eine Diskussion über den Planwertausgleich verlangt wurde.

Die vorangehende Diskussion und vor allem auch die Tatsache, daß beide anderen Redner sich, vor allem Bürgermeister Mayer, mit dem Landes-entwicklungsprogramm und den Empfehlungen von Herrn Prof. Wurzer befaßt, veranlassen mich doch, auch noch hier etwas zu korrigieren. Ich muß sagen, Herr Bürgermeister Mayer, ich habe zunächst selbst die auf Seite 97 des Bandes II des Landesentwicklungsprogrammes enthaltenen Aus-führungen von Herrn Prof. Wurzer so interpretiert, wie Sie es zumindesten bezüglich des letzten Satzes im Abs. 1 gebracht haben. Ich darf aber zunächst noch feststellen, daß seine Ausführung hier, daß die Ziele der Raumplanung im Entwurf, der zur Begutachtung ausgesandt worden ist, möchte ich auch hinzufügen, offensichtlich nicht gewichtet sind. Sie werden sieh daran erinnern, daß wir sehr lange darüber diskutiert haben, vor allem in den Beratungen, welche Reihung und damit auch welche Gewichtung die allgemeinen Raumpla-nungsziele haben sollen. Und nun zu diesem letzten Absatz. Er, Prof. Wurzer, schreibt hier, und Sie haben das besonders betont, „deshalb sollten bei den Beratungen des Entwurfs für ein Vorarlber-ger Raumplanungsgesetz die Ergebnisse der Struk-

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turanalyse und der Entwurf des Landesentwick-lungsprogrammes soweit als möglich Berücksichti-gung finden." Ich glaube also, beide Bände recht intensiv studiert zu haben und ich kann keine Bestimmung finden, die wir hier in das Raumpla-nungsgesetz nicht aufgenommen haben, die er absolut anregt. Sie interpretieren nämlich — so ging's mir am Anfang nämlich auch — den letzten Satz falsch. Er schreibt hier: „Vielleicht könnte sich dann der Vorarlberger Landtag entschließen, nicht nur ein formales, sondern ein funktionales Raumordnungsgesetz zu beschließen. Dann könnten die allgemeinen Ziele der Raumordnung etwa in folgender bereits bewährter Weise formu-liert werden." Und dann kommt II/1, allgemeine Raumordnungsziele. Von II/1 kommt lit. a bis d. Herr Bürgermeister, es würde zu weit führen, hier das alles nun zu wiederholen. Ich darf Ihnen nur sagen, lit. a ist mit § 2 restlos erfüllt, lit. b mit § 3, nunmehr § 4, lit. c mit § 3 des Entwurfes und dem § 6, Abs. 4 der Ausschußbestimmung. Ich habe jetzt leider zu wenig Zeit zur Verfügung, um die Ausschußvorlage auf die einzelnen Paragraphen umzunumerieren. Sie werden es aber sicherlich finden. Und schließlich die lit. d im § 11, Abs. 3, weil ich mir wirklich die Mühe genommen habe, jede einzelne hier von ihm gebrachte Empfehlung hinsichtlich eines Raumplanungsgesetzes uns bei den Beratungen zunutze zu machen. Darüber hinaus aber hat der Präsident des Hauses an Herrn Prof. Wurzer bereits im Sommer des letzten Jahres die Bitte gerichtet, Empfehlungen hinsichtlich der Ausarbeitung des Raumplanungsgesetzes an uns zu richten. Mir ist bis heute eine solche Stellungnah-me nicht zugegangen. Soweit zu den von Herrn Bürgermeister Mayer gemachten Äußerungen, die mich also nun doch, weil der Entschädigungspara-graph bereits angeschnitten worden ist, veranlaß-ten, die an sich ursprünglich erst zu § 3 vorgesehe-ne Ergänzung hinsichtlich der Eigentumsbeschrän-kungen bereits jetzt auszuführen.

Diese innere Grenze der Raumplanung, wie sie im Motivenbericht eben genannt wird, ist durch die den Alemannen besonders eigene Wertschät-zung des Privateigentums auf der einen Seite sowie der Bevorzugung der Einzelbauweise andererseits motiviert. Schon damals, als Vorarlberg noch zu den vorderösterreichischen Ländern gehörte, hat einmal ein Statthalter nach Freiburg berichtet, jeder Vorarlberger wolle sein „Hüsle" und sein „Gärtle". Das große Interesse, das bereits während den Beratungen dem Gesetz entgegen gebracht wurde, ist ja nicht zuletzt auf die Sorge zurückzu-fuhren, inwieweit Eingriffe in die Eigentümerrech-te erfolgen und welchen direkten oder indirekten Zwang nun die öffentliche Hand zugestanden erhält. Wer ja sagt zur Raumplanung, muß die

Gesellschaft, die durch den Staat oder die Gemein-de verkörpert wird, zur Erfüllung ihrer öffentli-chen Aufgaben Legitimation geben, ihr das Recht geben, vom Grundeigentümer die Duldung von Eingriffen und notfalls auch eine Grundabtretung zu begehren. Alle Rechtsinstrumente der Raumpla-nung bedeuten daher gleichzeitig auch Eingriffs-möglichkeiten in die Verfügungsmacht über Grund und Boden, so die Grundteilung, die Umlegung oder Grenzänderung, die Bausperren, wodurch ja die Nutzungsbeschränkung während einer be-stimmten Zeit auferlegt wird. Wohl die stärkste In-anspruchnahme von Individualeigentum nach dem Raumplanungsgesetz stellt aber die Widmung von Vorbehaltsflächen nach § 18 dar, um Grund für den Gemeinbedarf zu sichern. Die meisten Be-troffenen gibt es naturgemäß aber auf Grund der Zoneneinteilung bei der Erstellung von Flächen-widmungsplänen. Laut Mikrozensus verfugten im Jahre 1970 in Österreich 1,108.000 Haushalte über Grundbesitz, davon waren 455.000 Haushalte mit land- und forstwirtschaftlichem Besitz. Die Qualifizierung von Grund und Boden nach dem Raumplanungsgesetz durch die Festlegung der Verbauungszone beeinflußt den Eigentumswert der betroffenen Grundstücke entscheidend. Und daher kommt allen Gemeindemandataren, die ja in erster Linie mit der Flächenwidmung be-traut sind, eine enorme Verantwortung zu. Die Planung entzieht nämlich nicht nur Verfügungs-macht, sie verwandelt sogar die verbliebenen Befugnisse der Grundeigentümer. In der Raum-planung wird immer mehr die von Schumpe-ter schon lange vertretene These „Verflüchti-gung des Eigentums" evident. Pernthaler sieht für einen derartigen Rechtszustand geradezu die Un-terscheidung in ein kollektives Obereigentum und ein individuelles Nutzungseigentum.

Aus der historischen Sicht wird das Eigentum an Grund und Boden in einem ganz besonderen Nahverhältnis zum Begriff „Freiheit" gesehen. Die Bodenverbundenheit des Menschen entstand ja mit seiner Seßhaftwerdung. Die bäuerliche Lebenswei-se ließ den Menschen die Bedeutung des Produk-tionsfaktors Grund und Boden erkennen. Aus der dem Bauerntum immanenten engen Verbindung mit der Scholle erwuchs eine ans Mythische grenzende Beziehung. Tolstoj läßt Pachom, den Gutsbesitzer, diesen Urtrieb ausdrücken: „So war Pachom Gutsbesitzer geworden, sein war die Erde, wo er pflügte und säte und sein das Land. Jetzt war es für ihn ein ganz besonderes Land."

Ob einer Freier oder Leibeigener war, das verband ihn mit dem Grundeigentum. Bodenord-nung war ja gleichbedeutend mit der Bodennut-zungsordnung. Die Feudalherrschaft mit ihrer Gutsuntertänigkeit findet ja erst mit der Freiheit

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des Grunderwerbs ihr Ende. In der Menschen-rechtserklärung von 1789 ist sogar von der Heiligkeit des Eigentums die Rede. Der Eigentums-begriff des ABGB, das bekanntlich von 1812 ist, ist noch den Prinzipien des aufgeklärten Absolutis-mus verbunden und normiert die unumschränkte Sachherrschaft und die völlige Freiheit über beweg-liche und unbewegliche Sachen. „Als ein Recht betrachtet ist Eigentum das Befugnis, mit der Substanz und den Nutzungen einer Sache nach Willkür zu schalten und jeden anderen davon auszuschalten." Der Vorwurf der Schrankenlosig-keit und des Egoismus gegen diese Auslegung des Eigentumsbegriffes ist immer wieder zu hören. Doch bereits das ABGB setzte zwei Schranken, nämlich im § 364 die Rücksichtnahme auf die Rechte Dritter und das Allgemeinwohl und veran-kerte in 365 sogar das Rechtsinstitut der Enteig-nung gegen angemessene Schadloshaltung, „wenn es das allgemeine Beste erheischt".

Die Leibeigenschaft bzw. der Hörigkeitsverband wurde zwar bereits 1848 aufgehoben, doch brach-te erst das Staatsgrundgesetz von 1867 im Art. 7 die verfassungsrechtliche Bestätigung des Schutzes gegenüber den Grundherren, im Art. 6 mit der Freiheit des Liegenschaftsverkehrs die Aufhebung der Privilegien und im Art. 5 die Eigentumsgaran-tie, den Schutz gegenüber den großen gesellschaft-lichen Machtträgern von damals gegenüber dem Staat. Pernthaler meint, daß sich seit 1867 bis heute eine Linie in der Rechtsentwicklung durch-zieht, nämlich der Abbau der liberalen Substanz der Bodenordnung. Die freie Verfügbarkeit über Liegenschaften ist heute, vor allem durch das Grundverkehrsrecht eingeschränkt, das ja zum Schutz des Bauernstandes erlassen worden ist, ebenso wie das Bodenreformrecht.

Der Vorarlberger Landtag hat Eigentumsbe-schränkungen im Hinblick auf diese besondere Verbundenheit der Alemannen zum Grundeigen-tum nur mit allergrößter Zurückhaltung vorgenom-men. Es bestehen in anderen Bundesländern viel weitergehende Enteignungsmöglichkeiten, z.B. für Schulbauten, Spielplätze, feuerpolizeiliche Warn-anlagen usw. Man kam aber nicht umhin, Enteig-nungsbestimmungen für Landes- und Gemeinde-straßen im Straßengesetz, für Friedhöfe, für Sport-anlagen, aber auch für Naturschutzzwecke, wie Wanderwege und Schipisten, zu verfügen. Zumeist war es ja das Beharren auf der absoluten Verfü-gungsmacht, das dazu führte, daß man Grenzen und Einschränkungen dieser Verfügungsmacht her-beiführen mußte. So waren es Schwierigkeiten bei der Ausübung des Schisportes, die zu § 24 und § 25 des Straßengesetzes mit deren Normierung der Wegefreiheit führten.

Beim Raumplanungsgesetz steht aber das Bo-

num Kommune wesentlich stärker noch im Vor-dergrund als bei den bisherigen Eigentumsbe-schränkungen. Es galt den Gebietskörperschaften Rechtsinstrumente zu geben, um die Raumpla-nungsziele zu verwirklichen und einen Mißbrauch des Angebotmonopols zu verhindern und die Gemeinschaftseinrichtungen nicht übermäßig zu verteuern. Schließlich gehen ja auch die Kosten der Bodenbeschaffung für den Gemeinbedarf zu La-sten des Steuerzahlers. Die Konfrontation zwi-schen Individualinteresse und Allgemeinwohl war daher und ist unausweichlich. Nach § 3 Abs. 2 hat daher die Interessenabwägung unter Berücksichti-gung der Raumplanungsziele so zu erfolgen, daß sie dem Gesamtwohl der Bevölkerung entspricht. Diesbezüglich gehen die Auffassungen aller Frak-tionen ziemlich konform.

Wir sehen aber die Gefahr heute darin, daß das Pendel von der bisherigen Dominanz des Indivi-dualinteresses ausschließlich auf die Seite des Gemeininteresses ausschlägt. Prof. Gschnitzer schreibt in seinem kurz vor dem Tod erstellten Lehrbuchs des österreichischen bürgerlichen Rechts: „Die in der Zeit der Hochblüte des Liberalismus bestehende Gefahr des Eigentums-mißbrauches durch schrankenlosen Subjektivismus ist heute gering gegenüber der Gefährdung des Eigentums durch willkürliche Eingriffe der öffent-lichen Hand auch in demokratischen Rechtsord-nungen."

Die ÖVP erachtet es daher für angebracht, diesen Tendenzen durch eine Bestimmung zu begegnen, sie ist bisher noch in keinem österreichi-schen Raumplanungsgesetz enthalten, und zwar nicht nur mit einer programmatischen Erklärung, sondern mit einem eindeutigen Gesetzesbefehl im § 3: „Die Planungen auf Grund dieses Gesetzes sind unter möglichster Schonung des Privateigen-tums durchzuführen." Es ist uns bewußt, das Raumplanung wirkungslos bliebe, wenn sie das Privateigentum völlig unangetastet ließe, somit als „heilige Kuh" betrachten würde. Wir sehen im § 3 Abs. 1 ein Korrelat für die Eingriffsmöglichkeiten der öffentlichen Hand zur Reduzierung des Ange-botmonopols mit dem konträren Ziel, nämlich der Minderung des Nachfragemonopols. Prof. Horst Knapp spricht von einem doppelseitigen Monopol von Angebot- und Nachfrageseite, weshalb eben kein Marktpreis, sondern ein Machtpreis resultiere.

Es gilt vorzubeugen, daß vom insgesamt unver-mehrbaren Boden im Laufe der Jahrzehnte ein immer größerer Teil in das Eigentum der öffentli-chen Hand übergeht, denn wir lehnen das anonyme Großeigentum, Großbesitzertum der heutigen Zeit, nämlich das einiger großer Städte, ab. Ein typi-sches Beispiel dafür ist Wien, jene Stadt, die bereits über 47 % der Grundfläche Wiens ihr Eigentum

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nennen kann und deren Grundreserven dazu ausreichen, 750.000 Wohnungen zu erstellen. Das von der Bundesregierung im Parlament eingebrach-te Assanierungs- und Bodenbeschaffungsgesetz ist ein Beispiel gesellschaftspolitisch relevanter Ge-setzgebung, das darauf abstellt, ausschließlich im privaten Eigentum befindliche Grundstücke zur Erfüllung der vorgesehenen Aufgaben heranzuzie-hen. Nachdem das öffentliche Bodeneigentum von der Gesetzesanwendung auf diesem Bundesge-setzesentwurf ausdrücklich ausgenommen wird, ist es geradezu ein gesellschaftspolitisches Spiegelbild. Über alle verfassungsrechtlichen Bedenken hinweg werden in der Regierungsvorlage über das Assanie-rungs- und Bodenbeschaffungsgesetz für Grund über 2000 Quadratmeter in Gemeinden mit mehr als 4000 Einwohnern Vorkaufsrechte für Ge-meinden und Wohnbaugenossenschaften vorgese-hen, was zur Schaffung von primären, kollektivem Eigentum führen muß. Die österreichischen Sozia-listen sind wieder einmal dabei, sich am schwedi-schen Vorbild zu orientieren. Der Schwedische Reichstag beschloß im Vorjahr ein Gesetz, das den Gemeinden erlaubt, das Bodeneigentum zu kom-munalisieren, denn Gemeinden und Städte müssen lediglich geltend machen, daß der betreffende Boden in die Planung einbezogen werden soll. Der Kontrast zum sozialistischen Regierungsentwurf mit der Einräumung des Vorkaufsrechtes wird auch deutlich, wenn man die im Vorarlberger Raumplanungsgesetz verankerte Rückübereignung vergleicht, die es dem früheren Eigentümer ermög-licht, einen bereits entschädigten Grund wieder zu begehren, wenn er nicht binnen 15 Jahren für den Gemeinbedarf verwendet wurde. Gerade aus dieser Gegenüberstellung Vorkaufsrecht-Rückübereignung wird das gesellschaftspolitische konträre Bild deut-lich. (Zwischenruf) Falschlunger: In zehn Jahren wollen Sie von dem, was Sie hier gesagt haben, nichts mehr wissen! Deshalb aber auch. Herr Kollege, keine Ausreden, bei der Entschädigungs-bestimmung nicht mitstimmen zu können.

Im Interesse des Eigentumsschutzes wurden eine Anzahl von Verbesserungen gegenüber dem Regierungsentwurf vorgenommen, so bei den Bau-sperren. Der Verlängerungsmöglichkeit der dreijäh-rigen Grundfrist bei den Landesraum- und Flä-chenwidmungsplänen wurde von zwei auf ein Jahr reduziert, bei den Bebauungsplänen ebenfalls auf zwei plus ein Jahr. Bei den Vorbehaltsflächen wurde die Empfehlung, also es ist nicht ein ausdrücklicher Gesetzesbefehl, aber die Gemein-den, die über eigenen Grund verfugen, sind damit doch deutlich verhalten, diesen stärksten Eingriff, nämlich die Vorbehaltsflächen möglichst mit Na-turalersatz zu entschädigen. Die Gemeinde hat sich binnen einem Jahr nach Antragstellung zu ent-

scheiden oder umzuwidmen; auch hier eine Ver-besserung. Die Bewertungsgrundlage ist nicht der Zeitpunkt der Antragstellung bei der Gemeinde, sondern bei Gericht. Die Rückübereignung an Eigentümer oder Rechtsnachfolger, soferne nicht binnen 15 Jahren dies verwendet wird, ist ebenfalls im Interesse des Grundstückeigentümers.

Bei der Bauerwartungsfläche wurde eine Ter-minisierung auf den Zeitraum des Bedarfes nach 15, aber vor 30 Jahren festgesetzt, so daß es den Gemeinden ermöglicht wird, mit dieser eigenen Kategorie zumindesten eine Milderung der Eingrif-fe herbeizuführen, denn eine Freiflächendeklara-tion wäre sicherlich weit stärker abwertend. Die Überprüfung der Änderungsnotwendigkeit von Flächenwidmungsplänen ist ebenfalls eine solche Verbesserung. Sie wurde auf fünf Jahre reduziert von acht Jahren. Bei der Umlegung von Baugrund-stücken waren wir der Auffassung, daß die Antragstellung gegen den Willen aller Grundstücks-eigentümer nicht möglich sein soll, weil wir zumindesten es als notwendig erachten, daß ein Drittel der Eigentümer der umzulegenden Grund-fläche einem Antrag der Gemeinde beitreten, um die Verfahren zu rechtfertigen. Und bei der Grenzänderung soll mindestens ein Grundstücks-eigentümer einverstanden sein, um diesen Minium-legungsprozeß einzuleiten. Und auf die Verfahrens-verbesserungen durch bessere Information und Mitwirkung habe ich bereits verwiesen.

Die wesentlichste, in der Ausarbeitung aber auch zeitraubendste Änderung bedeutet § 25 über die Entschädigung. Man ist hiebei vor einem echten Dilemma, den Gemeinden nicht einen unvertretbaren finanziellen Aufwand aufzubürden, den Grundeigentümern, die durch die Wirkung eines Flächenwidmungsplanes eine unbillige Härte erleiden, angemessen zu entschädigen, ist das andere. Wie stichprobenweise Erhebungen der Landesraumplanungsstelle ergaben, ist der daraus für die Gemeinden voraussichtlich erwachsende Aufwand in vertretbarem Rahmen. Bei der Defini-tion der „unbilligen Härte" wurde versucht, alle Möglichkeiten einer Entschädigung für eventuelle Spekulationsgewinne oder Spekulationserwerbun-gen auszuschließen. Wir können aber feststellen, daß der § 25 eine weit über die Regelung anderer Länder hinausgehende Verbesserung gegenüber den Grundeigentümern darstellt. Bei den Beratungen im ÖVP-Klub wurden sehr einläßlich die Systeme des Planwertausgleiches und der Mehrwertab-schöpfung erörtert, vor allem das Institut der Mehrwertabschöpfung, wie es Art. 45 des Schwei-zerischen Raumplanungsgesetzentwurfes vorsieht, als Vorteilsausgleich nämlich, wurde zunächst zu realisieren versucht. Die Regelung der Einzelheiten wurde in diesem schweizerischen Gesetz den

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Kantonen übertragen. Doch wie die Erörterungen in der Schweizer Presse bisher zeigen, ist es noch keinem einzigen Kanton gelungen, eine praktikable Lösung zu finden. Das Beispiel der Development Charge, 1947 von der Labour-Regierung mit der „Town and country-Planing act" eingeführten Abgabe, mit welcher der Grundeigentümer vom Staat das Recht zur baulichen Nutzung erwerben mußte, ist nicht ermutigend für das gedanklich ähnliche System der Mehrwertabschöpfung. Die Development Charge hat sich keineswegs bewährt und wurde bereits 1954 wieder aufgehoben.

Der Planwertausgleich, über den wir uns wirk-lich sehr sehr lange unterhalten haben, und es wäre Ihnen sicherlich freigestanden, Herr Bürgermeister, diese Diskussion in den Ausschüssen nochmals auszulösen, versucht demgegenüber die finanziellen Planwirkungen völlig zu neutralisieren und somit alle Grundeigentümer nach gleichen Maßstäben zu behandeln. Der interpersonelle Wertausgleich würde aber nicht nur zu einer nicht zu bewältigen-den Bewertung aller Grundstücke voraussetzen, alle Grundstücke vom Ortskern bis zum Piz Buin, wie es von der Raumplanungsstelle treffend formu-liert worden ist, müßten ja bewertet, klassifiziert und eingeteilt werden, sondern es würde darüber hinaus mit ein Verwaltungsaufwand entstehen, der unvertretbar wäre. Aber dazu kommt die besonde-re Problematik des interregionalen Planungswert-ausgleiches, der bei längeren Überlegungen dem personellen Planwertausgleich ja folgen müßte, denn es erschiene doch billig, die aus den Ballungszentren sich ergebenden Abschöpfungs-summen zur Ausrichtung von Entschädigungen an Bergregionen heranzuziehen. Bei soviel Problema-tik verblieb uns schließlich keine andere Wahl, als die Suche nach einer Entschädigungsbestimmung, wie sie nun im § 25 normiert wurde.

Es würde eine finanziell untragbare Bürde für die Gemeinden und das Land darstellen, alle mit der Raumplanung verbundenen Verwendungs- und Verfügungsbeschränkungen abzugelten. Mit der Entschädigung unbilliger Härten wollten wir die für manche Betroffene bis zur Aushöhlung des Eigentumsrechtes bis zum nudum jus reichende Inanspruchnahme ausgleichen. Im Spannungsfeld zwischen der Wahrung des Eigentumsrechtes und der notwendigen Schaffung von Rechtsinstituten für die Raumplanung hat der Gesetzesentwurf einen tragbaren Kompromiß geschaffen. Auch im Lager einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung herrscht heute die Einsicht vor, daß es völlig schrankenlose und auch sozial ungebundene Eigen-tumsfreiheit nicht geben kann. Die soziale Gebun-denheit des Eigentums betont besonders die christliche Soziallehre, die auch auf die Notwen-digkeit einer vorsorglichen und planmäßigen Bo-

denverwendung verweist. Die Österreichische Volkspartei hat in dem vor

wenigen Monaten beschlossenen Grundsatzpro-gramm folgende Haltung zum Eigentum bezogen: „Das Eigentum an Grund und Boden unterliegt deshalb einer besonderen sozialen Bindung, weil der Bedarf an Bauland für öffentliche und private Bauvorhaben wächst. Die ÖVP tritt für ein modernes Bodenrecht ein und lehnt die private Grundstückspekulation ebenso ab wie die Hortung von Bauland durch Gebietskörperschaften."

In den soziologischen Überlegungen zur Ideolo-gie des Konsums wird immer mehr das Wort vom „nicht mehr konsumierbaren Eigentum" geprägt. Der Staat, das Land, die Gemeinden übernehmen immer mehr die Daseinsvorsorge für das Individu-um, d.h. sie werden zu Eigentumsgaranten. Nach Gehlen hängt die Eigentümerqualität nur mehr am „stählernen Faden des Rechts". Einen qualifizier-ten Schutz des Eigentums als Garanten für die individuelle Freiheit des Menschen im Raumpla-nungsgesetz zu verankern, das war unser Ziel im Sinne von Teilhard de Jardin, der sagte: „Die Lösung des Raumproblemes muß im Ausgleich zwischen Freiheit, Planmäßigkeit und Gesamtheit gesucht werden."

Präsident: Jetzt ist der Herr Abg. Eß zum Wort gemeldet.

Eß: Hoher Landtag! Ich möchte die Generalde-batte nicht mehr allzu lange verzögern. Da wir Freiheitlichen aber doch zweimal etwas negativ apostrophiert wurden, glaube ich, ist doch noch eine Feststellung notwendig. Es hat der Herr Bürgermeister Mayer erklärt, wir hätten damals, als der sozialistische Initiativantrag vorlag, erklärt, das Gesetz müsse an und für sich kürzer sein. Ich kann mich an eine solche Erklärung nicht erinnern. Allerdings könnte es sein, daß wir der Auffassung waren, einzelne Passagen dieses Gesetzentwurfes — und das ist sicher der Fall — müßten kürzer sein. Was uns aber an diesem Entwurf besonders gestoßen hat, ist die Tatsache, daß nicht mit einem Wort irgend eine Entschädigungsfrage überhaupt erwähnt, irgendwie enthalten war. Und das, meine Herren von der Sozialistischen Fraktion, ist für die Freiheitliche Fraktion genug Grund, um einen solchen Gesetzesentwurf als ungeeignete Basis zu betrachten. Das einmal als klare Feststellung. Weiter hat der Herr Bürgermeister Mayer bei der Behandlung des § 2 namens der Sozialistischen Fraktion erklärt, daß sie diesen Paragraph 2 ablehne, sie verlange leitbildmotiviertes Handeln. Nun, meine Herren von der Sozialistischen Frak-tion, wir haben diesem Paragraphen zugestimmt, weil wir der Auffassung sind, daß er in der

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heutigen Fassung das Mögliche sagt. Wenn Sie aber schon leitbildmotiviertes Handeln verlangen, (Zwischenruf — Glocke des Präsidenten) wo sind dann Ihre leitbildmotivierten Anträge geblieben zu diesem Paragraphen? Denn diese Anträge habe ich nicht gehört. Ich glaube, man hätte sicher darüber diskutieren können, wenn solche Anträge gekom-men wären, aber sie sind ausgeblieben. Ich glaube, dies ist zur klaren Feststellung, wie die Fronten in dieser Frage liegen, notwendig. Grundsätzlich möchte ich doch noch einmal sagen, daß wir Freiheitlichen das Raumplanungsgesetz als Sachge-setz betrachten und ich glaube, wir haben bei der Erarbeitung in den Ausschüssen dieser Auffassung Rechnung getragen. Es hat unser Generalredner, Herr Dipl.-Ing. Rüsch, dies ganz eindeutig zum Ausdruck gebracht. Wir wollen bei dieser sachli-chen Einstellung auch noch bis zur nächsten Landtagswahl bleiben.

Präsident: Jetzt ist der Herr Dipl.-Ing. Rüsch gemeldet.

Dipl.-Ing. Rüsch: Hoher Landtag! Ich glaube, wir sind da in eine Diskussion abgeglitten, die wir bereits vor ca. zwei Jahren geführt haben. Damals, als das ganze Problem Baugesetz, Raumplanung, Landschaftsschutz usw. zur Debatte stand, haben wir uns über eine Systemfrage in einer Ausschuß-sitzung unterhalten, und damals wurden wir uns einig, daß wir das Baugesetz so formulieren werden, daß es allgemein und länger gültig ist und als Ergänzung zum Baugesetz eine Bautechnik-Ver-ordnung erlassen wird, die dem jeweiligen Stand der Technik und Wissenschaft Rechnung trägt. Weiters waren wir uns damals im klaren, daß wir ein allgemein gültiges Raumplanungsgesetz erstel-len wollen, und dann als Ergänzung und prakti-sches Leben zu diesem Raumplanungsgesetz einen Landesentwicklungsplan beschließen werden. Und ich glaube, bei diesem System müssen wir oder wollen wir konsequenterweise bleiben, weil eine Bautechnik-Verordnung ist sehr schnell abgeändert und ein Landesentwicklungsplan wird laufend entsprechend der Entwicklung sowohl auf wirt-schaftlicher wie gesellschaftspolitischer Basis Rech-nung tragen müssen, und es ist doch sinnlos ein Gesetz zu beschließen, das laufend novelliert werden muß.

Präsident: Jetzt ist der Abg. Dipl.-Ing. Mayer zum Wort gemeldet.

Dipl.-Ing. Mayer: Hoher Landtag! Wenn der Herr Landeshauptmann Vergleiche zwischen seiner Kommunalpolitik in Rankweil anstellte und jener, für die mein Vorgänger in den letzten 20 Jahren

verantwortlich zeichnet, so möchte ich mich in diese Auseinandersetzung nicht einmischen. Herr Landeshauptmann, ich möchte aber auf der ande-ren Seite auch hier ganz klarstellen, daß ich nicht bemängelt habe, daß Sie in der Raumordnung in Rankweil nicht initiativ genug waren, sondern daß ich festgestellt habe, daß Sie mit Ihrer Forderung nach einem Raumplanungsgesetz aus dem Jahre 1956 hier in diesem Land, und zwar als Landesmandatar, nicht entsprechend durchschlags-kräftig waren. (Zwischenruf Dr. Keßler: Das Wohnsiedlungsgesetz wurde novelliert!) Das habe ich hier gesagt und sonst können Sie das Tonband anhören. Ich habe also keine Vergleiche angestellt zwischen Ihren Raumplanungsinitiativen in Rank-weil und Bregenz, und wenn diese angestellt wären, dann muß ich hier auch im Sinne jener, die die Politik während der letzten 20 Jahre in Bregenz führten, klar feststellen, daß hier ganz andere Voraussetzungen bestanden und daß trotz schwerwiegender Beeinträchtigungen für einen Flächenwidmungsplan Bregenz nicht weniger als sieben Bebauungspläne in den schwersten letzten 20 Jahren erstellt hat und daß man das auch anerkennen muß. Ich möchte also hier nicht, daß man hier eine Gemeinde gegen die andere aus-spielt.

Wenn der Herr Abg. Purtscher erwähnt hat, daß keine Versprechungen oder dergleichen da waren, daß man Ende 1970 eine Regierungsvorlage ins Haus bekommt, so möchte ich ihn an das Protokoll des Volkswirtschaftlichen Ausschusses vom 21. Jänner 1970 erinnern. Dort wurde ein einstimmiger Beschluß formuliert, nach welchem bis Ende 1970 die Regierung ein solches Raumpla-nungsgesetz vorlegen hätte sollen, was nicht geschehen ist. Grundsätzlich zu den sehr langen und vielschichtigen Ausführungen des Herrn Abg. Purtscher möchte ich nur einen Satz eines finnischen Agrarministers hier zitieren, der einmal gesagt hat: „Konservatismus ist jene Politik, die die Errungenschaften fortschrittlicher Kräfte der Vergangenheit gegen die Erkenntnisse fortschrittli-cher Kräfte der Gegenwart zu verteidigen hat." Danke schön!

Präsident: Weitere Wortmeldungen? Herr Lan-desrat Müller.

Müller: Hohes Haus! Ich möchte nur zu einigen Ausführungen einiger Redner ganz kurz Stellung nehmen. Zuerst möchte ich dem Herrn Abg. Rüsch danken, er ist jetzt nicht da, daß er hervorgehoben hat, daß nun die Abgeordneten die Möglichkeit hatten, hier in diesem Haus zu dem Gesetz alles vorzubringen, was sie wollten und konnten und daß die Regierungsvorlage etwa keineswegs kriti-

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siert worden ist, sondern daß im Gegenteil dem, was immer wieder von den Abgeordneten verlangt worden ist, nämlich daß der Landtag selber tätig sein könne, hier wirklich zum Durchbruch verhol-fen wurde. Kein Geringerer, Herr Abg. Bürgermei-ster Mayer, als Ihr Kollege in der Landesregierung hat wiederholt erklärt, es ist nicht unbedingt notwendig, daß man in der Regierung alle Details durchgeht, denn die Abgeordneten sollen zu diesem Gesetz dann auch noch etwas zu sagen haben. Und was kürzlich, insbesondere in Ober-österreich verurteilt worden ist, nämlich daß die Regierung alles vorkaue, ist in diesem Gesetz sicher nicht der Fall, sondern den Abgeordneten ist voll die Möglichkeit gegeben, zu diesem Gesetz in allem und jedem, Stellung zu beziehen. Herr Bürgermei-ster Mayer hat darauf hingewiesen, daß eine Konzeptlosigkeit geherrscht habe, insbesondere im Straßenbau. Mich wundert, Herr Bürgermeister, daß Sie der Sprecher zu diesem konzeptlosen Straßenbau sind, denn die Konzeptlosigkeit ist doch nur hier im Räume Bregenz, sonst nirgends im Land (Zwischenruf Dipl.-Ing. Mayer: Dafür sind Sie, Herr Landesrat, für die letzten zwanzig Jahre zuständig!). Überall ansonsten, meine sehr verehr-ten Abgeordneten, haben die Abgeordneten dieses Hauses zugestimmt. In Bregenz hat man die Initiative den Abgeordneten dieses Hauses und der Landesregierung genommen, und was ist seither geschehen? Nichts! Seit dem Jahre 1970 war ein Konzept vorhanden; dieses Konzept war auch von Ihnen mitbeschlossen worden, Herr Bürgermeister! Aus politischen Erwägungen ist es dann geändert worden und seither geschieht nichts, ich muß das noch einmal betonen. Bei den „Strichen", die am 9. Dezember bei der großen Enquete vorgelegt worden sind hier in Bregenz, ist es bisher auch geblieben. Es ist das große baureife Konzept, das seinerzeit groß dem Landtag im Gössersaal vorge-legt worden ist. Nichts ist inzwischen geschehen. Es ist weder im Norden noch im Süden von diesem Konzept etwas übrig geblieben. Ich glaube, es wird dies hoffentlich dankenswerterweise bald vom Herrn Minister in eigener Verantwortlichkeit be-kannt, daß von dem dort glorreich aufgestellten Konzept fast nichts mehr übrig bleibt. Das wollte ich nur zur Konzeptlosigkeit sagen. Hier ist sie vom sozialistischen Bürgermeister in Bregenz und von der Bundesregierung, der sozialistischen, verur-sacht worden.

Präsident: Jetzt ist der Herr Bürgermeister Mayer zum Wort gemeldet.

Dipl.-Ing. Mayer: Ich sehe ja ein, daß der Herr Landesrat Müller alle Möglichkeiten wahrnimmt, um die Schuld, die er die letzten 20 Jahre auf seine

Schultern geladen hat, möglichst gleichmäßig zu verteilen. Etwas, Herr Landesrat, möchte ich aber feststellen, daß auch dieser Ihr Beitrag gezeigt hat, daß Sie nicht einmal wissen, was man unter einem Verkehrskonzept versteht. Ein Verkehrskonzept besteht nicht in einer einzelnen Straße. Ein Verkehrskonzept, das wir für Vorarlberg schon seit vielen vielen Jahren verlangen, soll alle Verkehrs-träger der Straße, des Schienenverkehrs, des Schiffsverkehrs und des Luftverkehrs umfassen. Und in diesem Ballungsraum, wo so viele Verkehrs-interessen zusammenstoßen, wäre ein Generalver-kehrskonzept seit vielen Jahren notwendig. Viel-leicht hätte man dann in vielen Gemeinden sich Auseinandersetzungen, die zu Verkehrszusammen-brüchen schlußendlich geführt haben, ersparen können.

Präsident: Jetzt ist der Herr Abg. Graf noch zum Wort gemeldet.

Graf: Hohes Haus! Die Generaldebatte zu diesem Gesetz hat zu Formen geführt, die eigent-

lich nicht notwendig wären und vor allem provo-ziert ist sie auch von Euren Sprechen geworden, so kann mans nicht auslegen. Ich möchte folgendes feststellen, auch Herr Landesrat Müller, ich möchte folgendes feststellen: Vor etwa 12 Jahren hatten wir hier in diesem Haus von der Raumplanung gesprochen und Sprecher Ihrer Partei haben uns als jene Planer östlichen Gepräges bezeichnet. (Zwischenruf Jäger: Das ist nicht wahr!) Jawohl, Sie waren nicht hier, Herr Abg. Jäger, davon können Sie auch nichts wissen. Wir sind des öfteren als Planer östlichen Gepräges hier bezeich-net worden, hier heraußen! Und nun sind 12 Jahre vergangen und wir beschließen ein Planungs-gesetz. Also es ist doch änderst geworden, meine Herren! Und davon kann man nichts ableugnen. Und wenn der Herr Abg. Dr. Purtscher sagt, daß man in Schweden ein Gesetz beschließt, das so und solche Eigentumseingriffe hat, so ist unser Zwi-schenruf berechtigt gewesen, ja, in 20 Jahren wird man das bei uns wahrscheinlich machen müssen. Na, so wandeln sich die Zeiten, das möchte ich nur zum Ausdruck gebracht haben. Es ist nicht so, daß Sie auf dem Standpunkt beharrt haben auch bis heute noch, wie das Herr Altlandeshauptmann Ilg getan hat, Planung brauchen wir nicht im Land Vorarlberg, das machen wir selbst und das regelt sich von selbst und der Herr Landeshauptmann Ilg hat sogar uns gesagt, wir sollen ihm einen Planer bringen, der Jurist, Bautechniker, Diplominge-nieur, Maschinenbauer und Wasserbauer, hat er an uns die Bitte gerichtet, wir sollen ihm einen solchen Mann bringen, dann wäre er etwa bereit, einen Schreibtisch und einen Stuhl in die Landes-

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Verwaltung zu setzen. So waren damals die Gespräche und heute sind wir beim Beschluß eines Planungsgesetzes. Und ich möchte nur sagen, eigentlich freut es unsere Fraktion, daß die Mehrheit dieses Hauses, zwar hat es sehr lange gedauert, es hat etwa 12 Jahre gedauert, aber wir können uns doch freuen, daß die Mehrheit dieses Hauses heute bereit ist, ein Planungsgesetz zu beschließen. Und ich glaube auch sagen zu dürfen, daß auch wir sicherlich jetzt hier am Ziel unserer Wünsche sind, zwar nicht aller Wünsche, und ich glaube, diese unsere Haltung und Meinung dürfen wir zum Ausdruck bringen und dies haben wir zum Ausdruck gebracht. Daß es Ihnen nicht paßt, das kann ich durchaus verstehen. Aber man kann nicht selbst unsachlich sein und von dem anderen eben Sachlichkeit zu erwarten. Das ist gar nicht denkbar und auf das lassen wir uns gar nicht ein. Und wenn der Herr Landesrat Müller bisher unter dem Män-telchen seiner eigenen sachlichen Auffassung hier bisher gesprochen hat, so ist er diesmal aus der Rolle gefallen und in dieser Rolle hat er mir eigentlich gar nicht schlecht gefallen. Hat er einmal das alles abgelegt. Heute hat er einmal gesagt, was er sich denkt, wobei auch von dieser Seetrasse nicht mehr allzu viel vorhanden ist. Auch die ist untergegangen und liegt vielleicht im Archiv und ist dorten begraben, für alle Zeiten begraben. Auch das kann man anführen, wenn man sich, ich verstehe nur nicht, daß man sich diebisch freut über eine persönliche Niederlage auf dem Sektor des Strassenbaues; das verstehe ich nicht.

Präsident: Es ist die Rednerliste abgeschlossen. Der Herr Berichterstatter hat zur allgemeinen Aussprache das Schlußwort.

Dr. Sutterlüty: Ja, nur ein paar kurze Worte zum Generalbericht von Bürgermeister Mayer, der soeben hereinkommt. Herr Bürgermeister, von einer (Zwischenruf Graf: Sie müssen jetzt sachlich sein!) — ich versuche das zu tun — von einer Verschleppung bei der Erarbeitung des Landesent-wicklungsprogrammes war in meinem Bericht überhaupt gar nicht die Rede. Es ist aber in Ihrem Bericht so zum Ausdruck gekommen. Ich habe lediglich gesagt, daß es in Vorarlberg schon früher raumplanerische Tätigkeiten gegeben hat und ich habe auch gesagt, daß derjenige, der Raumplanung treiben wollte, dies bisher tun konnte, und dabei muß ich bleiben, weil es genügend Beweise dafür gibt. Dann zum zweiten: Wenn vom Bürgermeister gesagt worden ist, daß auch die Römer schon geplant haben, so konnte ich doch voraussetzen, daß das bekannt ist. Ich hätte sonst auch von den Planungen der Griechen und Perser und Ägypter reden können. Und schlußendlich haben Sie

erwähnt, daß das Raumplanungsgesetz (Zwischen-ruf Graf: Raumplanungsgemeinschaft Bregenzer-wald!) — dort ist man auch schon lange dran — schlußendlich haben Sie erwähnt, Herr Bürgermei-ster, daß dieses Gesetz kein formales Raumpla-nungsgesetz sein soll, sondern ein funktionales. Nun, ich kann mir das nicht gut vorstellen, daß es ein nur funktionelles Raumplanungsgesetz gibt oder nur ein formales. Wenn es nur ein Formales wäre, enthielte es ja nur Prozeßbestimmungen, Verfahrensbestimmungen, keinen materiellen In-halt. Man könnte mit einem solchen Gesetz nichts erreichen. Wenn es aber nur funktionell wäre, dann könnte es nicht vollzogen werden; es braucht auch Verfahrensbestimmungen. Und dieses Gesetz ent-hält beides, sowohl formelle als auch funktionelle Bestimmungen und darum ist es, glaube ich, durchaus richtig abgefaßt.

Präsident: Damit ist die allgemeine Aussprache erledigt. Wir machen nun eine Pause bis um 17.15 Uhr. Ich habe die Absicht, bis um 19 Uhr zu verhandeln, je nachdem ein Abschnitt abgeschlos-sen werden kann. Morgen dann wieder ab 10 Uhr.

(Die Sitzung wird um 16.40 Uhr unterbro-chen und um 17.15 Uhr wieder fortgesetzt.)

Präsident: Sehr verehrte Herren! Wir wollen nun die unterbrochene Verhandlung fortsetzen,. d.h. wir kommen nun zur Einzelberatung unseres Gesetzes und ich darf den Herrn Berichterstatter bitten, mit dem I. Hauptstück zu beginnen.

Dr. Sutterlüty: § 1 — Allgemeines. Dieser Paragraph enthält einen Generalbefehl, eine Legal-defination sowie die Abgrenzung des Geltungsbe-reiches des Gesetzes. Der Generalbefehl im Abs. 1 lautet: „Die Raumplanung ist nach den Bestim-mungen dieses Gesetzes durchzuführen." Die Le-galdefination im Abs. 2 hat folgenden Inhalt: „Raumplanung im Sinne dieses Gesetzes ist die vorausschauende und planmäßige Gesamtgestal-tung eines bestimmten Gebietes, insbesondere in Bezug auf seine Bebauung einerseits und auf die Erhaltung von Flächen, die im wesentlichen unbebaut sind, andererseits." Die Abgrenzung des Geltungsbereiches im Abs. 3 hat hier insofern eine besondere Wichtigkeit, weil die Raumplanung bekanntlich einen komplexen Begriff darstellt, d.h. für die Raumplanung sind sowohl die Länder als auch der Bund zuständig; das heißt nun aber nicht, daß die Länder und die Gemeinden bei der Raumplanung auf die Belange der Bundeszustän-digkeiten keine Rücksicht nehmen könnten, son-dern das heißt lediglich, daß bei der Raumplanung der Länder und Gemeinden keine Maßnahmen zu

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setzen sind, welche den Bundesbereich berühren würden.

Präsident: Wünscht zum § 1 jemand das Wort? Es ist nicht der Fall. § 2.

Dr. Sutterlüty: Der Abs. 1 des § 2 enthält eine allgemeine Umschreibung der Raumplanungsziele. Im Abs. 2 wird dann beispielhaft eine Anzahl von generellen einzelnen Raumplanungszielen aufge-zählt. Alle diese Raumplanungsziele sind sowohl bei der Erlässung von Landesraumplänen als auch von Flächenwidmungsplänen, Bebauungsplänen und Grundteilungen zu beachten. Wenn das nicht geschähe, würden diese Regulierungsmaßnahmen mit Gesetzwidrigkeit behaftet sein.

Präsident: Jetzt ist zum Wort gemeldet der Herr Abg. Waibel.

Waibel: Meine Dame, meine Herren! Im § 2 des vorliegenden Gesetzesentwurfes sind in zehn Grundvorstellungen — im Abs. 2 — die Planungs-ziele umschrieben und zusammengefaßt. Diese Grundvorstellungen sollen also die Leitlinien der Raumplanung markieren und abstecken. Wer soll sich nun aber die Raumplanungsziele zu eigen machen, bei den Entscheidungen auf Raumpla-nungsziele Bedacht nehmen? Wohl alle Behörden des Landes und die Gemeinden. Zweifelsfrei zählt zu diesen Behörden, so will ich meinen, auch der Landesagrarsenat. Aber wie ich anhand mehrerer Beispiele in der jüngsten Vergangenheit feststellen mußte, trifft der Landesagrarsenat Entscheidun-gen, die mitunter zu den örtlichen Raumplanungs-zielen sich diametral verhalten. Ich möchte das an zwei Beispielen kurz andeuten: Eine Grundver-kehrsortskommission nimmt eine ablehnende Stel-lungnahme zu einem beabsichtigten Rechtsge-schäft: Kauf eines Grundstückes ein und begründet diese ablehnende Stellungnahme etwa folgender-maßen: Der Erwerber — eine Industriefirma — würde dieses Grundstück nicht benötigen oder könnte es gar nicht so verwerten, wie es im Ansuchen angegeben ist, nämlich zur Betriebser-weiterung, und zwar deshalb, weil die örtliche Raumplanung eine Widmung vorsieht, in welcher das gegenständliche Grundstück als Erholungsflä-che für zwei Gemeinden ausgewiesen erscheint. Die Grundverkehrslandeskommission als I. Instanz hat sich diese raumplanerischen Überlegungen der Grundverkehrsortskommission zu eigen gemacht und auch einen ablehnenden Bescheid erlassen. Der Berufungserwerber hat dann aber schlußend-lich doch beim Agrarsenat obsiegt, und zwar mit der Begründung — so im Erkenntnis —, daß raumplanerische Ziele einer Gemeinde nicht Ge-

genstand einer Entscheidungshilfe für den Landes-agrarsenat sein könnten.

Es gibt also in punkto Auffassung zu Raumpla-nungszielen verschiedene Wertmaßstäbe; einerseits bei der Grundverkehrslandeskommission und ande-rerseits beim Landesagrarsenat. Wobei natürlich immer darauf Bedacht zu nehmen ist, daß land-wirtschaftliche Interessen bei der Beurteilung von Grundverkehrsgeschäften Priorität haben; aber hier waren landwirtschaftliche Interessen bei dem nun demonstrierten Fall überhaupt zu vernachlässigen. Raumordnungspolitik, so meine ich also, muß Stückwerk bleiben, wenn es nicht gelingt, das Interesse an notwendigen gemeindlichen Planungs-arbeiten und -aufgaben auch beim Landesagrarse-nat, als der höchsten Behörde für Grundverkehrs-angelegenheiten, zu wecken, zu gewinnen und zu aktivieren. Bei der Raumordnung geht es ja schließlich mehr als um die bloße Beurteilung, ob die bisherige Nutzung eines Grundstückes gegen-über der beabsichtigten überwiegt oder umgekehrt. Es geht sicherlich, wie wir heute ja schon gehört haben, um weit mehr. Die Kooperation Gemein-den: Landesagrarsenat scheint mir daher geradezu unerläßlich zu sein, wenn die Ziele, die im Landesraumordnungsgesetz angepeilt werden, auch tatsächlich erreichbar sein sollen und es ist nur zu hoffen, daß im Interesse der Erreichung der angestrebten Raumplanungsziele es möglich ist, diese Kooperation zwischen der höchsten Instanz beim Grundverkehr und den Gemeinden in Hin-kunft gewährleistet zu wissen.

Präsident: Jetzt ist der Herr Abg. Dipl.-Ing. Mayer zum Wort gemeldet.

Dipl.-Ing. Mayer: Ich möchte in Erinnerung bringen, daß wir in den Unterausschüssen bereits eine Ergänzung des § 2 beantragt haben, daß eine lit. k eingefügt wird, die lauten soll: „In Gebieten, in denen die Lebens- und Arbeitsbedingungen im Verhältnis zum Landesdurchschnitt wesentlich zurückgeblieben sind oder in denen ein derartiges Zurückbleiben befürchtet werden muß, sollen die wirtschaftlichen und sozialen und kulturellen Verhältnisse bevorzugt verbessert werden. Lit. 1: Die allgemeine räumliche Struktur in Verdich-tungsgebieten mit günstigen Lebens- und Arbeits-verhältnissen soll in der Entwicklung gesichert werden. Lit. m: In Verdichtungsgebieten mit bestehenden oder zu erwartenden ungünstigen Lebens- und Arbeitsverhältnissen ist deren allge-meine räumliche Struktur so zu gestalten, daß wieder ausgewogene wirtschaftliche, soziale und kulturelle Verhältnisse erreicht und künftig ge-währleistet werden, Lit. n: Vorsorge für eine Kommunalstruktur, die die Gemeinden in die Lage

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versetzt, ihre finanzielle Leistungsfähigkeit und Ihre Verwaltungseinrichtungen so zu gestalten, daß sie die an sie gestellten Anforderungen best-möglichst erfüllen können. Lit. o: Ausbau und Förderung der Landeshauptstadt durch Schaffung weiterer zentraler Einrichtungen." Wir möchten auch im Haus diesen Antrag aufrecht erhalten.

Präsident: Weitere Wortmeldungen? Der Herr Abg. Kraft ist noch zum Wort gemeldet.

Kraft: Hoher Landtag! Der § 2 bildet zweifellos einen der Kernpunkte des zur Beratung stehenden Raumplanungsgesetzes. Er legt die generelle Linie dieses Gesetzes, den Zweck und die Ziele der Raumplanung fest. Während der Zweck einer Planung, insbesondere auch einer Raumplanung, immer eine Maßnahme darstellt, die vom Wunsche getragen ist, Regulative zu schaffen, betreffen die Ziele die Materie selbst, setzen die Ziele den Effekt der Planung und ihre Realisierung in den Vorder-grund. Raumplanungsziele im Sinne dieses Geset-zes sind Vorstellungen, die zu verwirklichen versucht werden sollen. Dieser Verwirklichungsver-such kann durch Gebote und Verbote, durch Forderungen und Auflagen, also mittelbar und unmittelbar vorgenommen werden.

Der § 2 umreißt die Raumplanungsziele, die in diesem Gesetz angestrebt werden, und zwar im Abs. 1 die generellen, weitgesteckten, im Abs. 2, demonstrativ aufgezählt, einzelne Schwerpunktzie-le. Die von der ÖVP-Fraktion gestellten Abände-rungsanträge zum ursprünglichen Gesetzesentwurf beziehen sich auch auf den § 2. Die ursprüngliche Formulierung des § 2 Abs. 1 sah die Ziele der Raumplanung in erster Linie darin, den Raum vor Gefahren zu schützen und seine bestmöglichste Nutzung im Interesse einer geordneten Entwick-lung, unter Berücksichtigung natürlicher und ge-schichtlicher Verhältnisse, unter Bedachtnahme verschiedener Bedürfnisse der Bevölkerung, freier Persönlichkeitsentfaltung in der Gemeinschaft so-wie der Würde des Menschen zu ermöglichen. Diese Formulierung birgt die Gefahr in sich, daß Raumplanung Selbstzweck werden kann, daß der Raum um seiner selbst willen gestaltet werden soll. Jede Art der Raumplanung muß den Menschen zum Mittelpunkt der Gestaltungsvorstellungen ha-ben. Der Mensch steht im Raum und der Raum muß um ihn herum geplant und gestaltet werden, seinen Bedürfnissen und seinem Wesen entspre-chend. Die Gestaltung unseres Lebensraumes muß zum Ziele haben, allen Einrichtungen eine dienen-de Funktion aufzuzwingen. Der Raum muß also das Mittel zum Zweck sein.

Hoher Landtag! Die expansive, um nicht zu sagen explosive Bevölkerungsentwicklung, Ent-

wicklungen auf technischem, sozialem, wirtschaft-lichem und kulturellem Gebiet und die vielen damit verbundenen Nebenerscheinungen zwingen uns, Planungs- und Gestaltungsmaßnahmen zu ergreifen, um für die unmittelbare Zukunft uns Menschen einen unseren Bedürfnissen und unserer Wesensart entsprechenden und gerecht werdenden Lebensraum zu erhalten und soweit es die Notwen-digkeit ergibt, auch zu gestalten. Ein vergleichen-der Rückblick in die Vergangenheit läßt uns erkennen, daß unser Raum, aber auch etwa die Möglichkeit der Wahl unseres engeren Lebensrau-mes immer mehr eingeschränkt wird, sei es durch Staatsgrenzen, wirtschaftliche und soziale Verhält-nisse, durch Wohnprobleme, Siedlungs- und Bevöl-kerungsverdichtungen. Es muß also ein Ersatz geschaffen werden für das, was wir durch die Entwicklung verloren haben, ein Ersatz, der darin besteht, unter Berücksichtigung des Bestandes und der Möglichkeiten einen Lebensraum für die Bevölkerung zu planen und zu gestalten, in dem sie sich wohlfühlt.

Dieses Gesetz, das auf die Gemeinschaft abge-stimmt ist, wird dem einzelnen Lasten zum Wohle aller auferlegen. Die Voraussetzungen für das Verständnis dafür, für das Verständnis dieser einzelnen, ist Vertrauen zu den setzenden Maßnah-men. Der einzelne muß erkennen, daß sie schließ-lich zu seinem Wohle und zum Wohle seiner Nachkommen gesetzt werden. Nur auf dieser Vertrauensbasis kann die Verwirklichung einer Raumplanung im vorgesehenen Umfang erfolgreich realisiert werden.

Der Formulierungsvorschlag derr ÖVP für den § 2 Abs. 1, der in den Beratungen des Rechts- und Volkswirtschaftlichen Ausschusses im großen und ganzen beschlossen wurde, kommt diesen Vorstel-lungen weitgehend entgegen, weil er die Gestaltung des Raumes auf die Bedürfnisse des in ihm lebenden Menschen ausgerichtet sehen will. Er sieht die Zielsetzung der Raumplanung in der Gestaltung des Raumes für die Bevölkerung, also in der Gestaltung ihres Lebensraumes.

Präsident: Weitere Wortmeldungen zum § 2 liegen nicht vor. Der Herr Berichterstatter.

Dr. Sutterlüty: Zum Antrag der SPÖ-Fraktion ist aus der Sicht der Ausschüsse folgendes zu sagen: Nach der verfassungsrechtlichen Lage ist der Gesetzgeber verpflichtet zu bestimmen, welche Flächenwidmungen und welche Bebauungsbestim-mungen die Gemeinden und das Land festsetzen können. Weitere Anforderungen stellt das Verfas-sungsrecht an die Raumplanungsziele an und für sich nicht. Es ist aber trotzdem ratsam, wenn der Gesetzgeber dem Vollzieher des Gesetzes gewisse

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generelle Ziele oder Richtlinien bekanntgibt. Und das ist im Abs. 2 geschehen, allerdings, wie ich gesagt habe, nur generelle, allgemeine Raumpla-nungsziele. Die Anträge der SPÖ gehen doch zu einem wesentlichen Teil schon eher auf konkrete Raumplanungsziele hinaus. Und solche Ziele woll-te man deswegen nicht in das Gesetz aufnehmen, weil sie doch eher der Verwandlung, der Änderbar-keit ausgesetzt sind, was bei generellen Raumpla-nungszielen nicht so ohne weiteres der Fall sein wird. Es wird vor allem Aufgabe der Landesraum-pläne sein, konkrete — das hat eben der Ausschuß gesagt — Raumplanungsziele festzulegen. Es darf auch darauf hingewiesen werden, daß in allen anderen Raumordnungsgesetzen der Länder keine ins Konkrete gehenden Raumplanungsziele enthal-ten sind. Nun hat man aber bei den Ausschußbera-tungen doch versucht den Intentionen der SPÖ-Fraktion in etwa Rechnung zu tragen, und zwar in der Weise: Diese Ziele, welche die SPÖ vorschlägt, gehen doch zumindest im großen und ganzen auf die Erzielung möglichst gleichwertiger Lebensbedingungen im ganzen Lande hinaus. Man wird ja nie gleiche Lebensbedingungen im ganzen Lande schaffen können, sondern nur gleichwertige, d.h. möglichst gleichwertige. Und aus diesem Grund ist eben der § 2 im Abs. 1 in diesem Sinne ergänzt worden, wo es heißt, daß auch auf die Schaffung möglichst gleichwertiger Lebensbedin-gungen zu trachten ist. (Zwischenruf Graf: Das ist Ihre Meinung!) Das ist die Meinung der Ausschüs-se, nicht meine Meinung.

Präsident: Ich gehe nun folgendermaßen vor: Zuerst ist über den Zusatzantrag abzustimmen, der von der Sozialistischen Fraktion gestellt worden ist. Er ist wörtlich auch in der Niederschrift vom 14. 2. enthalten. Wer diesem Antrag die Zustim-mung gibt, wolle bitte mit der Hand ein Zeichen geben. Danke, er hat nicht die erforderliche Mehrheit gefunden und ist daher nicht angenom-men. Ich lasse nun über den § 2, wie er im Gesetz enthalten ist, abstimmen, weil das bei der General-debatte verlangt worden ist. Wer dem § 2 in der Fassung des Ausschusses die Zustimmung gibt, wolle bitte mit der Hand ein Zeichen geben. Danke, dieser § 2 ist angenommen. Wir kommen zum § 3.

Dr. Sutterlüty: § 3 — Interessenabwägung bei der Planung. Naturgemäß kommt es bei der Raumplanung immer wieder zu Interessenkollisio-nen verschiedenster Art. Es ist daher eine Abwä-gung der Interessen unbedingt notwendig. Und bei dieser Abwägung von Interessen soll das Gesamt-wohl eine Richtschnur sein. Das kommt in diesem Paragraphen zum Ausdruck.

Eine Hauptschwierigkeit bei der Raumplanung liegt bekanntermaßen in der Frage der Beschrän-kung des Privateigentums. Bei voller Anerkennung der Sozialfunktion des Privateigentums soll auch das Prinzip der Individualfunktion des Privateigen-tums entsprechend Berücksichtigung finden, so-weit dies eben möglich ist. Und so haben die Ausschüsse daher an die Spitze dieses Paragraphen folgende Bestimmung gesetzt: „Die Planungen auf Grund dieses Gesetzes sind unter möglichster Schonung des Privateigentums durchzuführen."

Im Namen des Volkswirtschaftlichen Ausschus-ses habe ich nun folgenden Antrag vorzubringen: Dem § 3 ist folgender Abs. 3 anzufügen: „Bei Planungen auf Grund dieses Gesetzes ist möglichst darauf Bedacht zu nehmen, daß Siedlungseinheiten auf eine in der Natur erkennbare Weise voneinan-der getrennt bleiben, soweit nicht überörtliche Planungen entgegenstehen."

Der Rechtsausschuß hat sich diesem Antrag etwa mit folgender Begründung nicht angeschlos-sen: Er wies vor allem auf gewisse gegenteilige Fakten im Lande Vorarlberg hin, z.B. auf die bereits weitgehend erfolgte Verwachsung der Ge-meinden im Vorderland oder auf die öfters erwähnte künftige Bandstadt Rheintal. Er sah also in dieser Entwicklung nicht unbedingt ein Negati-vum.

Der Volkswirtschaftliche Ausschuß hat im wesentlichen folgende Meinung vertreten: Ihm ging es vor allem darum, keine unkontrollierte negative Entwicklung bei Zusammenwachsen von Siedlungseinheiten oder Gemeinden herbeifuhren zu lassen. Die Bedenken gingen vor allem dahin, daß ein unkontrolliertes Zusammenwachsen aus Gründen des Schutzes des Landschafts- und Orts-bildes abzulehnen sei. Es ist auch daraufhingewie-sen worden, daß mit dem Ziele, Siedlungseinheiten getrennt bleiben zu lassen, auch das Problem der Zersiedelung in etwa angekämpft werden soll. Es ist ja ein elementares Postulat der Raumplanung, daß man der Zersiedlung entgegenwirken soll. Es hat der Volkswirtschaftliche Ausschuß der Argu-mentation des Rechtsausschusses aber insofern Rechnung getragen, als es in diesem Absatz heißen soll, daß möglichst auf die Trennung von Sied-lungseinheiten Bedacht zu nehmen ist und daß diese Siedlungseinheiten nur dann angestrebt wer-den sollen, wenn keine überörtlichen Planungen dagegen sprechen. Es geht also nicht um ein absolutes Verbot, Siedlungseinheiten nicht zusam-menwachsen zu lassen. Es ist auch darauf hinge-wiesen worden, daß das Zürcher Baugesetz eine inhaltliche ähnliche Bestimmung enthält.

Präsident: Nun steht der § 3 und der Antrag des Volkswirtschaftlichen Ausschusses zur Diskus-

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sion. Wünscht dazu jemand das Wort? Es ist nicht der Fall. Ich komme daher zur Abstimmung über den Zusatzantrag Abs. 3. Wer ihm die Zustimmung gibt, wolle bitte mit der Hand ein Zeichen geben. Das ist nicht die erforderliche Mehrheit; der Antrag ist nicht angenommen. Über den § 3 in der Fassung des Ausschusses lasse ich, weil keine Bedenken erhoben worden sind, dann im gesamten abstimmen. § 4.

Dr. Sutterlüty: Verhältnis zu Planungen des Bundes, anderer Länder und des Auslandes. Bei der Raumplanung des Landes und der Gemeinden kann es also zu Kollisionen zu Planungen des Bundes, des Landes Tirol oder des Auslandes kommen. Es soll nun ein Verfahren festgelegt werden, wie solche Kollisionsfälle zu lösen sind. Grundsätzlich sind bei der Raumplanung gesetzlich festgelegte Planungen des Bundes zu beachten. In allen anderen Fällen gilt folgende Regelung: Zunächst ist danach zu trachten, die Kollisionsfälle im Vereinbarungswege oder im Wege von Gegen-seitigkeitsabsprachen zu lösen. Sollte dies nicht möglich sein, dann hat der Grundsatz zu gelten, daß die Planungen anderer Rechtsträger so weit zu berücksichtigen sind, als dies ohne Beschränkung oder ohne Beeinträchtigung der eigenen Interessen möglich ist. Zu erwähnen wäre, daß derzeit mit dem Bund nur Vereinbarungen als Träger von Privatrechten abgeschlossen werden können. So liegt die Verfassungslage. Nun ist allerdings im Forderungsprogramm der Bundesländer die Forde-rung erhoben worden, daß auch ein Verfassungsin-strument geschaffen wird, das Vereinbarungen auf hoheitsrechtlichem Bereich zwischen Bund und Ländern ermöglicht. Und bei dieser Forderung ist gerade auf das Beispiel der Raumplanung hingewie-sen worden.

Präsident: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. § 5 — Raumplanungsbeirat.

Dr. Sutterlüty: Der Raumplanungsbeirat hat die Aufgabe, die Landesregierung bei ihrer Raumpla-nungstätigkeit zu beraten. Die Aufgaben und die Zusammensetzung des Raumplanungsbeirates sind in den Ausschußsitzungen gegenüber der Regie-rungsvorlage wesentlich geändert worden. Was die Aufgaben anlangt, ist nun die Landesregierung verpflichtet, den Raumplanungsbeirat nicht nur bei Erlassung von Landesraumplänen, sondern auch bei Erlassung von allen Flächenwidmungsplä-nen anzuhören. Außerdem soll nach dem Willen der Ausschüsse der Raumplanungsbeirat nicht nur jährlich mindestens einmal, sondern zweimal zu Sitzungen einberufen werden. In der Regierungs-vorlage sollte der Raumplanungsbeirat eine Mitglie-

derzahl von 13 erhalten. Die Ausschußvorlage hat nun diese Anzahl auf 21 Mitglieder erhöht. Dabei haben in etwa drei Gedanken mitgespielt. Einmal sollte eine möglichst breite Streuung von Interes-senvertretern erreicht werden, zum andern Mal sollten die landwirtschaftlichen Belange entspre-chend ihrem Gewicht Berücksichtigung finden und zum dritten sollte zwischen Legislative und Exeku-tive eine Verbindung hergestellt werden. Im einzelnen dazu kurz folgendes:

Die breitere Streuung von Interessenvertretern ist dadurch herbeigeführt worden, daß zusätzlich zu den drei Hauptkammern nun auch im Raum-ordnungsbeirat vertreten sind die Ingenieurkam-mer, der Gewerkschaftsbund, die Industriellenver-einigung und der Landesverband für Fremdenver-kehr. Was die Vertretung der landwirtschaftlichen Belange anlangt, ist zu sagen, daß im Regierungs-entwurf nur ein Vertreter der Landwirtschaftskam-mer vorgesehen war, obwohl bekanntermaßen gerade die Raumplanung auf die Landwirtschaft sehr viele Einwirkungen hat, und daß diese Landwirtschaft vor allem durch die Landwirt-schaftskammer vertreten wird. Es ist deswegen als gerechtfertigt erachtet worden, daß die Landwirt-schaftskammer zwei Vertreter entsenden soll und daß zudem auch der Amtsvorstand der Agrarbe-zirksbehörde, die sich sehr viel mit landwirtschaft-lichen Fragen zu befassen hat, ebenfalls im Raumplanungsbeirat vertreten sein soll. Was den Kontakt zwischen Legislative und Exekutive an-langt, ist bestimmt worden, daß im Raumplanungs-beirat auch Vertreter der drei stärksten im Landtag vertretenen Parteien Mitglied sein sollen. Also jede Partei entsendet einen Vertreter, d.h. sie werden nicht nach dem Proporz entsandt. Dies hat seinen bestimmten Grund und ich darf den Passus aus dem Protokoll dazu ausdrücklich vorlesen: „Mit der Entsendung von je einem Vertreter der drei stärksten im Landtag vertretenen Parteien soll lediglich eine Verbindung zwischen dem Raumpla-nungsbeirat und den Landtagsklubs und kein anderes Ziel erreicht werden. Aus diesem Grund ist auf eine proporzmäßige Festlegung der Zahl der Parteienvertreter verzichtet worden. Mit der Ent-sendung von je einem Parteienvertreter soll kein Präjudiz dafür geschaffen werden, daß etwa bei der Besetzung anderer Gremien auf den Proporz auch keine Rücksicht zu nehmen ist."

Im Abs. 5 heißt es, daß der Vorsitzende zu den Sitzungen erforderlichenfalls Sachverständige und Auskunftspersonen beizuziehen hat. Es ist im Zuge der Beratungen auch die Frage aufgetaucht, ob und inwieweit die Regionalplanungsgemeinschaften im Raumplanungsbeirat vertreten sein sollten. Sie scheinen nicht ausdrücklich als Mitglieder des Raumplanungsbeirates auf, und zwar mit der

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Begründung, daß im Zuge der Beratungen im Raumplanungsbeirat Probleme zu behandeln sind, die im allgemeinen das gesamte Landesgebiet berühren. Sollten aber dennoch fallweise bei Sitzungen des Raumplanungsbeirates regionale Probleme zur Sprache kommen aus Gebieten, in denen Raumplanungsgemeinschaften bestehen, dann wird es sicherlich der Wille des Gesetzgebers sein, daß zu diesen Sitzungen fallweise Vertreter der Regionalplanungsgemeinschaften beigezogen werden.

Zum Abs. 8 wäre noch erläuternd folgendes zu bemerken: Nach Abs. 8 kann die Landesregierung oder, hat die Landesregierung durch Verordnung eine Geschäftsordnung für den Raumplanungsbei-rat zu erlassen. Es ist heute bereits einmal von Unterausschüssen die Rede gewesen. Solche Unter-ausschüsse können jedenfalls auch dann bestellt werden, wenn das im Gesetz nicht eigens vorge-sehen ist. Ja sie können sogar auch dann bestellt werden, wenn in der Geschäftsordnung davon nicht die Rede wäre. Das zur Klarstellung.

Präsident: Wünscht jemand zum § 5 das Wort? Es ist nicht der Fall. § 6.

Dr. Sutterlüty: Grundlagenforschung und Auskunftspflicht. Dieser Paragraph hat durch die Ausschüsse folgende Ergänzung erfahren: Die Gemeinden sollen verpflichtet sein, fallweise, mindestens aber jährlich einmal über das Vorliegen von wichtigen Unterlagen die Gemeinden in Kenntnis zu setzen. Zu erwähnen ist auch, daß im Abs. 1 des § 6 ein Druckfehler unterlaufen ist, und zwar muß in der siebten Zeile zwischen die Worte „Verfügung" und „stellen" das Wörtchen „zu" eingesetzt werden. Es hat also zu lauten „soweit zur Verfügung zu stellen".

Präsident: Wünscht zum § 6 jemand das Wort? Ich bitte, die Auslassung von „zu" zu ergänzen. Nicht der Fall. Dann kommen wir zum II. Haupt-stück.

Dr. Sutterlüty: § 7 — Landesraumpläne. Das Raumplanungsgesetz wird also eine gesetzliche Grundlage dafür bringen, daß man verbindliche Landesraumpläne im Verordnungswege erlassen kann. Daß die Landesraumpläne im Verordnungs-wege zu erlassen sind, ist rechtlich nicht bestritten. Es steht dies im Einklang mit der Rechtssprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungs-gerichtshofes.

Der § 7 ist in den Ausschüssen in wesentlichen Punkten geändert worden. Einmal ist neu Bebauungsplan vorliegt. Also eine Anzahl von raumpläne öffentlich kundzumachen ist und daß

jene Gemeinden im Amtsblatt, in den Tageszei-tungen und im Mitteilungsblatt der Landwirt-schaftskammer bekannt zu geben sind, in denen die Auflage erfolgt ist. Zum zweiten sind, wie bereits aus den jetzigen Ausführungen zu ersehen ist, die Gemeinden verpflichtet, die Landesraum-pläne in den Gemeindeämtern öffentlich aufzu-legen und die Auflage ortsüblich kundzumachen. Es steht, dann den Gemeindeeinwohnern frei, zu diesen Landesraumplänen Abänderungsvorschläge zu machen, die der Landesregierung vorzulegen sind. Im Abs. 7 ist neu bestimmt worden, daß zeichnerische Darstellungen des Landesraumplanes im Amt der Landesregierung, bei den Bezirks-hauptmannschaften und bei den berührten Gemeinden aufzulegen sind. Es sind dies alles Änderungen, die auf die Publikation der Landes-raumpläne und auf die Möglichkeit, dazu Stellung zu nehmen, hinwirken, also Änderungen zugunsten der Landesbürger und Gemeindebürger.

Präsident: Wünscht jemand das Wort zum § 7? Nicht der Fall. § 8.

Dr. Sutterlüty: Wirkung eines Landesraum-planes. Dieser Paragraph ist unverändert aus der Regierungsvorlage übernommen worden.

Präsident: Wünscht jemand das Wort dazu? Nicht der Fall. § 9.

Dr. Sutterlüty: Änderung eines Landes-raumplanes. Die Landesraumpläne sind an sich jedenfalls auf längere Zeit abgestellt. Sie sollen daher nicht wahllos oder willkürlich geändert werden können und daher bringt das Gesetz eine taxative Aufzählung jener Voraussetzungen, die eine Änderung eines Landesraumplanes ermögli-chen.

Präsident: Wünscht dazu jemand das Wort? Es ist nicht der Fall. Dann kommen wir zu § 10.

Dr. Sutterlüty: Bausperre. Im Hinblick auf den Schutz des Privateigentums sollen Bausperren nicht länger als notwendig ihre Gültigkeit haben. Sie sind daher sobald als möglich aufzuheben, sobald also der Grund Ihrer Erlassung weggefallen ist, spätestens aber sind sie nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung aufzuheben, wobei aller-dings diese dreijährige Frist bei entsprechender Notwendigkeit nochmals um ein Jahr verlängert werden kann. Die Bausperre kann also maximal vier Jahre dauern.

Präsident: Wünscht jemand das Wort dazu? Nicht der Fall. § 11.

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Dr. Sutterlüty: Benützung fremder Grund-stücke. Ähnliche Regelungen, wie sie hier getroffen sind, findet man bereits in verschiedenen anderen Landesgesetzen. Ich darf auf das Baugesetz, auf das Straßengesetz und auch auf verschiedene Bundesgesetze hinweisen. Es ist dies eine prak-tische Notwendigkeit. Im Abs. 2 ist eine Regelung getroffen worden, daß die Grundeigentümer durch ortsübliche Kundmachung zu verständigen sind. Es ist dies eine praktische Notwendigkeit, weil man heute nur sehr schwer alle Grundeigentümer einer Gemeinde binnen angemessener Frist entsprechend verständigen kann.

Präsident: Wünscht dazu jemand das Wort? Nicht der Fall. Dann kommen wir zum III. Haupt-stück.

Dr. Sutterlüty: § 12 — Allgemeines. Nach dem geltenden Wohnsiedlungsgesetz waren nur bestimmte Gemeinden verpflichtet, Flächen-widmungspläne zu erlassen, und zwar jene Gemeinden, die ausdrücklich von der Landes-regierung als Wohnsiedlungsgemeinden erklärt worden sind. Die große Neuerung, die das vor-liegende Gesetz bringt, ist die, daß künftig alle Gemeinden schon auf Grund des Gesetzes un-mittelbar verpflichtet sind, für das gesamte Gemeindegebiet einen Flächenwidmungsplan zu erlassen. Es wurde die Frage gestellt, was zu geschehen habe, wenn eine Gemeinde dieser Verpflichtung nicht nachkommen sollte. In diesem Falle wäre es möglich, nach § 83 des Gemeinde-gesetzes mit der Ersatzvornahme vorzugehen.

Es ist auch im Zuge der Begutachtung die Frage aufgetaucht, ob man nicht den Flächen-widmungsplan analog zum Landesraumplan als Gemeinderaumplan bezeichnen soll. Im Begutach-tungsverfahren sind gegen eine solche Bezeich-nung, also Gemeinderaumplan, verschiedene Ein-wände gekommen. Man hat auch auf die eingeübte Bezeichnung Flächenwidmungsplan verwiesen sowie auf die Praxis in anderen Ländern, wo diese Pläne auch als Flächenwidmungspläne bezeichnet werden.

Der Abs. 2 zählt dann auf, welche Widmungen in einem Flächenwidmungsplan möglich sind. Das sind also Bauflächen, Bauerwartungsflächen, Frei-flächen, Verkehrsflächen, Vorbehaltsflächen. Dazu ist zu sagen, daß es sich hier um eine taxative Aufzählung handelt, dJi. die Gemeinde hat also nicht die Wahl, weitere Flächenwidmungen vorzu-nehmen. Sie kann entweder alle diese Widmungen im Plan irgendwie berücksichtigen, sie muß aber nicht alle diese Widmungen vornehmen.

Zum Abs. 4 wäre zu sagen, daß hier auch analog zu den Landesraumplänen eine Regelung

für Fälle der Interessenkollision getroffen wurde. In einem solchen Fall haben sich zunächst die Gemeinden im Vereinbarungswege auseinanderzu-setzen oder sie haben Gegenseitigkeitsabsprachen zu treffen. Sollte dies nicht möglich sein, dann sind eben die Interessen der angrenzenden Ge-meinde soweit zu berücksichtigen, als dies ohne Beeinträchtigung der eigenen Interessen möglich ist. Es wird hier dann die Priorität der Planung eine gewisse Rolle spielen. Es wird auch zweckmäßig sein — zur Verhinderung solcher Kollisionsfälle —, daß die Landesregierung entsprechende Landes-raumpläne erläßt.

Im Abs. 5 ist im Interesse der Übersicht sämtlicher im Plan vorkommender Flächen bestimmt worden, daß gewisse Landschaftsteile, wie Wälder, Gewässer, Schutz- oder Bauverbot-sgebiete, Anlagen der Infrastruktur, extra ersicht-lich gemacht werden können.

Präsident: Wir sind beim § 12. Zum Wort gemeldet ist der Herr Abg. Kraft.

Kraft: Hoher Landtag! Wenn ich bei Behand-lung des § 2 gesagt habe, daß die Zielsetzung einen Kernpunkt dieses Raumplanungsgesetzes darstellt, dann möchte ich ergänzend feststellen, daß die Flächenwidmungspläne unserer Gemeinden nicht nur die Basis jeglicher kommunaler Raumplanung und Gestaltung sind, sondern auch die not-wendigen Steine für das Mosaik des Landesraum-planes. Ich möchte daher ein paar Worte allge-meiner Art zu den Flächenwidmungsplänen vor-bringen. Sie mögen als Appell an jene verstanden werden, die für die Erstellung von Gemeinde-flächenwidmungsplänen kompetent sind.

Bedauerlicherweise bestehen in unserem Lande, wie wir von den Vorrednern schon gehört haben, nur sehr wenige Gemeindeflächenwidmungspläne, wenn auch erfreulicherweise schon eine größere Anzahl in Auftrag gegeben wurde; bedauerlicher-weise darum, weil die Zeit gegen die Raum- und Flächenwidmungsplanung arbeitet. Bei der an-haltenden Raum- und Flächenwidmungsplanung arbeitet. Bei der anhaltenden wird die Einfluß-nahme auf die Gemeindeentwicklung oder eine diesbezügliche Lenkung von Jahr zu Jahr schwie-riger. Folgeerscheinung nicht plangemäßer Ent-wicklungen sind unökonomische Zersiedelungen, Ortsgestaltungen, die teilweise weit davon entfernt sind Raumplanungszielen gerecht zu werden, und schließlich Fehler, die nicht mehr gutgemacht werden können.

Der Flächenwidmungsplan bildet die Grundlage aller Entwicklungs- und Gestaltungsplanungen in einer Gemeinde. Auf ihm bauen sich Bebauungs-, Ortsgestaltungs-, Verkehrs- und Versorgungspläne

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auf. Sie sind schließlich auch die Grundlage dafür, eine etwa angestrebte Siedlungsatmosphäre zu schaffen. Es ist kein Geheimnis, daß die finan-ziellen Belastungen unserer Gemeinden Größen-ordnungen erreicht haben, die zum Teil kaum mehr tragbar erscheinen. Die Ursache liegt nicht nur bei jenen Belastungen, die durch die Entwick-lungen unabwendbar geworden sind, sondern viel-fach eben auch bei jenen Zersiedelungen. Der Flächenwidmungsplan kann ein Instrument sein, das sowohl die Siedlungs- als auch die Industria-lisierungsentwicklung so zu steuern vermag, daß die Erschließungs- und Versorgungsaufwände in einem ökonomisch vertretbaren Rahmen gehalten werden können. Er kann aber auch ein Instrument sein, eine dem Charakter der Gemeinde und dem Wesen ihrer Bevölkerung entsprechende Struktur-entwicklung zu steuern. So gesehen greift der Flächenwidmungsplan in alle Bereiche kommu-naler Entwicklung hinein.

Diese Kenntnis begründet schließlich die zwingende Notwendigkeit für die Erstellung von Flächenwidmungsplänen in allen Gemeinden unseres Landes und rechtfertigt eine Terminvor-schreibung dafür.

Präsident: Jetzt ist der Herr Abg. Hagen zum Wort gemeldet.

Hagen: Hohes Haus! Es haben bereits die Debattenredner in der allgemeinen Debatte die Begründungen zur Schaffung eines Raumplanungs-gesetzes abgegeben. Ich kann dazu sagen als Vertreter der Landwirtschaft, daß wir uns voll-kommen im klaren sind und die Notwendigkeit der Schaffung eines Raumplanungsgesetzes Ver-ständnis entgegenbringen müssen, weil die Ent-wicklung in den vergangenen 20 Jahren es in unserem Lande eindeutig gezeigt hat, daß sowohl das Land als auch die Gemeinden im einzelnen machtlos sind, um das wilde Wohnungsbauen in rein landwirtschaftliches Gebiet und überhaupt im allgemeinen nicht aufzuhalten sind, was im weite-ren Zuge der Bearbeitung des landwirtschaftlichen Bodens störend auf den Betrieb sich auswirkt und andererseits den Gemeinden erhöhte Er-schließungskosten auf diese Gebiete durch Wasser-zuführung, Stromzuführung und das alles, Ab-wasserleitungen, mit sich bringt, einigermaßen eine Grenze zu setzen, um diese Aufwendungen auch in vertretbarem Rahmen zu halten. Das sind also die Grundzüge, die zur Schaffung dieses Raum-planungsgesetzes geführt haben. Wir von der landwirtschaftlichen Seite, wir sind uns im klaren, daß dieses Gesetz eine gewaltige Erbteilung dar-stellt, wo bereits die Landwirtschaft nur der gebende Teil sein kann. Sie ist der gebende Teil,

weil eine gewisse Planung und Ordnung in Zu-kunft, um den vorhandenen Grund und Boden noch einigermaßen den erforderlichen Zwecken zuzuführen, festzulegen sind. Nun betrachte ich aber, um dieses Ziel, das sich dieses Raum-planungsgesetz gesetzt hat, tatsächlich zu er-reichen, erblickte ich im § 12 den entscheidenden Paragraph, ob dieses Ziel erreicht werden kann, denn im § 12 wird den Gemeinden nahegelegt, Flächenwidmungspläne zu erstellen. Die Gemeinden sind in ihrer Handlungsweise autonom. Sie können also selbst entscheiden nach ihren Auffassungen. Und die Gemeinden alle zusammen in unserem Land bilden ja das gesamte Land. Sie sind also entscheidungsbefugt für das ganze Land, in welcher Form diese Flächenwidmungspläne angelegt werden, um den größtmöglichsten Effekt an der Sicherung landwirtschaftlicher Gründe für die Zukunft bei zunehmender Bevölkerungszahl zu erreichen und andererseits aber auch, daß tat-sächlich den Notwendigkeiten anderer Berufs-interessen Rechnung getragen wird, um diesen gewisse Gebiete für die Zukunft ebenfalls sicher-stellen zu können. Es hat also zwei oder drei Seiten im wahrsten Sinne des Wortes nach höchster Verantwortlichkeit zu erfüllen. Wenn jetzt aber es so sein sollte in den Gemeindestuben, wenn sie die Grenzen der Flächenwidmungspläne festzulegen haben und dort etwa die Auffassung im Vordergrund steht, wir machen uns die Sache leicht, wenn wir unsere Grenzen möglichst weit hinaus vom bisher verbauten Gebiet festlegen, dann gewinnen wir viele Grundflächen, diei dann hoch im Kurs stehen und damit sind wir mit unserer Bürgerschaft mehr befreundet, als wenn wir möglichst viele Flächen ins landwirtschaftliche Gebiet hinaus diktieren, um sie der Landwirtschaft zu erhalten. Das wäre also ein einfacher Weg und nach meiner Meinung ein unverantwortlicher Weg, wenn man diesen Weg der Einfachheit gehen würde und sagen, bei uns sind nur noch so und so viele Landwirte, wegen diesen paar Landwirten ziehen wir keine Baugrenze, sondern wir erklären das ganze Gebiet in unserer Gemeinde, weil es einiger-maßen Verbauungsmöglichkeiten hat, als Ver-bauungsgebiet. Das wäre also die Katastrophe, die aus der Zielsetzung dieses Gesetzes heraus resul-tieren könnte. Das ist die Gefahr. Deshalb bin ich der Meinung und muß im Nameii des Vorarlberger Bauernstandes an alle Gemeinden den Appell richten, wenn dieses Gesetz den wirklich sich zum Ziel gesetzten Erfolg bringen soll, dann müssen die Gemeinden so handeln, daß sie die Grenzen der Flächenwidmungspläne möglichst eng am bisherig verbauten Gebiet ziehen müßten und alles andere als offenes landwirtschaftliches Gebiet freigeben, d.h. anerkennen, damit wir noch eine gesunde

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Landwirtschaft auch in Zukunft erhalten können, denn dieser Boden ist auch nachher noch da und es ist im Gesetz ja vorgesehen, daß in gewissen Zeitabständen auch Überprüfungen durchgeführt werden können und irgendwie Korrekturen. Also hat man immer noch die Möglichkeit, schließlich das eine oder andere, wenn es die Entwicklung erfordert, zu reparieren. Aber grundsätzlich soll dieses Gesetz zum Ziel haben, noch möglichst viel landwirtschaftlichen Grund für die Zukunft zu erhalten, denn das ist die Werkstatt unserer Bauern und die Bauern sind die Landschaftspfleger und sind die Produktenerzeuger für die Ernährung unseres Volkes. Und niemand kann garantieren, daß wir alle und zu jeder Zeit in dieser hochent-wickelten Industrie und Zeitalter leben können, wie wir es zur Zeit feststellen. Es können über Nacht ganz andere Situationen und Entwicklungen kommen und dann müßte auch jeder Bürger und jeder Volksvertreter sagen, mea culpa, ich habe zur rechten Zeit nicht die richtigen Erkenntnisse gehabt und nicht mitgeholfen, es irgendwie im gewünschten Sinne zum Durchbruch zu bringen. In diesem Sinne geht der Appell an alle Gemeindever-tretungen, denn die bäuerlichen Vertreter in diesen Gemeindevertretungen sind in allen in der Minder-heit, sie können sich erfolgsmäßig nicht durch-setzen, sondern es muß die ganze Gemeindever-tretung für diese Entscheidungen für die Zukunft die Verantwortung auf sich nehmen.

Präsident: Jetzt ist der Herr Abg. Bosch zum Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

Bösch: Hoher Landtag! Was der Herr Kollege Hagen eben gesagt hat, ist absolut zu vertreten; der Flächenwidmungsplan einer Gemeinde hat meiner Meinung nach als erste Funktion sicherzustellen, daß der Zersiedelung Einhalt geboten wird, die ja im Gefolge der Gemeinde eine Menge Geld kostet. Es ist leicht nachzuweisen, daß in den meisten Gemeinden unseres Landes jedes Jahr mehr Siedlungsstraßen neu entstehen, natürlich sind es eben leider nur provisorische Wege, als jede Gemeinde imstande ist, bestehende Straßen zeit-gemäß auszubauen. Das heißt, aus dieser Aus-uferung der Siedlung entsteht für die Zukunft der Gemeinde ein großes wirtschaftliches Problem. Die Gemeinde kann ihre Versorgungsleistungen, Straße, Wasser, Kanal, echt und hundertprozentig nur dann erfüllen, wenn das Siedlungsgebiet möglichst knapp gefaßt wird. Natürlich wird man sich dann raufen um diese Grenze und ich bin überzeugt, daß die Begrenzung der Siedlung im Flächenwidmungsplan zu den meisten Debatten führen wird, daß sich damit die meisten beschäf-tigen werden, denn das eine ist dann noch Bauland

und das andere eben nicht mehr. In Siedlungen, die nicht in Alemannien liegen, ist es vielleicht leichter, vor allem dort, wo der landwirtschaftliche Grund tauglicher ist als im Rheintal. Dort sind ja die Bauern früher schon ausgesiedelt, weil das Hofhalten leichter war, wenn man die Gründe um den Hof hatte. Dort ist praktisch immer ein Siedlungskern geblieben und die Gemeinden haben sich von einem Kern heraus entwickelt und nur dann, wenn einer die Landwirtschaft aufgegeben hat, ist ein ganzer Hof freigeworden. Man konnte ihn für Planungen zur Verfügung haben. Bei uns, wo die Grundbesitzverhältnisse so differenziert sind, wo heute schon mehr als die Hälfte des landwirtschaftlichen Grundes ja gar nicht mehr in Händen von Landwirten ist, wo er in der Qualität schlecht und durch Gräben getrennt ist, weil er sonst nicht entwässert würde, dort ist es ins-besondere schwer, diese Grenzen zu ziehen. Die Besonderheit unserer Landschaft und die be-sondere Art der Erbteilung, wie sie eben bei uns seit Jahrhunderten besteht, gibt uns zusätzliche Probleme auf. Aber wenn es eine Gemeindever-tretung nicht vor hat, ihr Siedlungsgebiet und damit ihre kommunalen Leistungen zu begrenzen, die sie in der Zukunft zu erbringen hat, dann wird ein Flächenwidmungsplan wirtschaftlich nicht viel nützen.

Präsident: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Herr Berichterstatter verzichtet. Dann kommen wir zu § 13.

Dr. Sutterlüty: Bauflächen. Die Regierungs-vorlage sah im Paragraph über die Bauflächen sowohl Bestimmungen über die Voraussetzungen, unter denen Bauflächen als solche erklärt werden konnten, als auch Bestimmungen über die Eintei-lung der Bauflächen einschließlich der Bauerwar-tungsflächen vor. Diese sehr wichtigen Gruppen von Bestimmungen sollten nach Meinung der Ausschüsse auf drei Paragraphen aufgeteilt werden, also auf die § 13, 14 und 15.

§ 13 Abs. 1 beinhaltet die Voraussetzungen, unter denen Flächen als Bauflächen erklärt werden können. Es sind hier zwei Gruppen von Bauflächen zu unterscheiden. Die eine Gruppe sind jene Bauflächen, die bereits bebaut sind; die können also ohne weitere, Bedingung als Bauflächen erklärt werden. Bei der zweiten Gruppe von Flächen sind für die Bauflächenerklärung gewisse Bedingungen erforderlich: 1. Sie müssen sich als Bauflächen eignen; 2. müssen sie in absehbarer Zeit, spätestens aber

binnen 15 Jahren als bauflächen benötigt werden, und

3. müssen sie innerhalb dieser Frist als Bauflächen

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auch erschlossen werden können. In diesem Sinne dürfen also als Bauflächen

nicht gewidmet werden solche Flächen, die auf Grund ihrer natürlichen Verhältnisse dazu nicht geeignet sind oder solche Flächen, deren Er-schließung unwirtschaftliche Aufwendungen verur-sachen würde, oder Flächen, deren Bebauung für die Bewohner wirtschaftliche Schwierigkeiten oder Belästigungen zur Folge haben würde, und schließ-lich solche Flächen, die zum Schutze des Land-schaftsbildes von Bebauungen freizuhalten sind.

Wichtig ist die Bestimmung des Abs. 4 im Zusammenhang mit Abs. 3 lit. b. Daraus geht nämlich hervor, daß eine Fläche, die noch nicht bebaut ist, nur dann als Baufläche erklärt werden darf, wenn sie mit wirtschaftlichen Aufwendungen an eine öffentliche Kläranlage, d.h. Kanalisation mit Kläranlage, angeschlossen werden kann. Wenn das also mit wirtschaftlichen Aufwendungen nicht möglich ist, dann darf eine solche Fläche nicht zur Baufläche erklärt werden. Das ist sicherlich eine ganz wichtige Kernbestimmung des gesamten Raumplanungsgesetzes, weil sie vor allem dazu geeignet ist, der Zersiedelung entgegenzuwirken und die Belastungen der Gemeinde hinsichtlich Infrastruktur auf ein erträgliches Maß herab-zusetzen. Allerdings darf man nicht übersehen, daß es in Vorarlberg auch Gebiete gibt, in denen es praktisch kaum oder nicht möglich sein wird, dieser Forderung voll und ganz zu entsprechen. Man denke an die sehr weitläufigen Gebiete in den Bergtälern u.dgl. mehr. Und deswegen sieht das Gesetz auch eine Ausnahmemöglichkeit von dieser strengen, aber berechtigten Vorschrift vor, und zwar dann, wenn damit die Raumplanungsziele nicht gefährdet erscheinen. Dann sind eben Aus-nahmen möglich durch die Landesregierung. Es kann also nicht die Gemeinde selber bestimmen, ob sie von diesen Erfordernissen Abstand nehmen will oder nicht.

Präsident: Weitere Wortmeldungen? Ja, der Herr Abg. Stadelmann.

Stadelmann: Hoher Landtag! Der § 13 besagt u.a., daß Bauflächen nur gewidmet werden dürfen, die innert der nächsten 15 Jahre als solche benötigt werden. Ich glaube, der Schwerpunkt liegt hier auf „benötigt werden". Nun wissen wir, daß 15 Jahre an sich eine kurze Zeit auch im Verhältnis zu den Erfahrungen in anderen Bundes-ländern oder im Ausland darstellen. Der Zeitraum liegt dort bei 20 Jahren. Warum im Vorarlberger Raumplanungsgesetz diese 15 Jahre im Gesetz festgelegt wurden, hat sicher die Begründung auch darin, weil es in der Mentalität des Vorarlbergers liegt, einmal erklärtes Bauland selbst dann, wenn

es nicht den Voraussetzungen des Baugesetzes entspricht, als solches einfach anzunehmen und zu glauben, dort auch zu jeder Zeit das Baurecht zu besitzen. Es ist ein Äquivalent im § 15 durch das Bauerwartungsland gesetzt worden, daß über weitere 15 Jahre, Fläche zu Bauerwartungsland erklärt werden kann. Nun haben Untersuchungen in anderen Bundesländern, die bereits über Raum-planungsgesetze verfügen, ergeben, daß die gewidmeten Flächen weit über den Bedarf hinaus und weit über Gebühr gewidmet wurden und zwar, so stellen diese Untersuchungen fest, in einem Ausmaß, das für den Bedarf von 50 bis 60 Jahren reicht. Nun, das ist an sich nicht der Sinn eines Raumplanungsgesetzes. Natürlich gibt es auch bei uns Bedenken und zwar aus dem Grunde, weil durch die Immobilität des Grundstücksmarktes einfach die wünschenswerten Grenzen einer Einengung des Flächenwidmungsplanes kaum gegeben sind und weil, das darf ich auch sagen, die Gemeinden voraussichtlich den Auswirkungen des § 25 versuchen werden, auszuweichen. Aber trotzdem ist zu hoffen, daß die Ziele der Raum-planung beachtet werden können, daß sie von den Gemeinden in den zu erstellenden Flächen-widmungsplänen nicht außer Acht gelassen werden. Das, was Kammerpräsident Hagen hier gesagt hat, wäre durchaus wünschenswert und zu begrüßen. Es wäre auch zu begrüßen, daß selbst in jenen Gemeinden, bei denen die Landwirte der Zahl nach in den Gemeindevertretungen nicht mehr so stark vertreten sind, sich diese umso stärker bemühen sollten echte landwirtschaftliche Flächen zu erhalten. Hier mangelt es tatsächlich und man kann sich manchmal des Eindrucks nicht erwehren, daß es vorab nicht um den Schutz der Landwirtschaft in erster Linie, sondern um die Sicherstellung des Grundbesitzes auf eine erträg-lichere Nutzung geht. Es wäre zu hoffen, daß sich die Landwirtschaft mit allen Kräften müht und sich einer Ausweitung des Flächenwidmungsplanes über Gebühr wirksam entgegensetzt. Jede unmotivierte Ausweitung des Flächen-widmungsplanes ginge auf Kosten der Bewirt-schaftung des Bodens durch die Landwirtschaft, aber auch auf Kosten der Gemeinden und des Steuerzahlers. Es ist nicht nur die unwirtschaft-liche Erschließung, die sich aus unmotiviertem Bauland ergeben muß, sondern es würde auch einer künftigen und vernünftigen Entwicklung vielfach die Basis entzogen. Es ist Vorsorge zu treffen, daß auch noch in 20 Jahren nicht der ganze Boden verwirtschaftet ist. Ich möchte hier genau in dieselbe Kerbe schlagen, daß eine Ausweitung der Flächenwidmungspläne auf keinen Fall über Gebühr ausgedehnt werden soll. Es wäre sicher nicht im Sinne der Volkswirtschaft; natürlich wäre

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es der bequemste Weg, den die heutige Generation gehen kann, aber nicht im Sinne dieses notwendig gewordenen Raumplanungsgesetzes.

Präsident: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Herr Berichterstatter verzichtet. Wir kommen dann zum § 14.

Dr. Sutterlüty: Einteilung der Bauflächen. Die Bauflächen können in Kerngebiete, Wohngebiete, Mischgebiete und Betriebsgebiete eingeteilt werden. Es ist auch hier eine taxative Aufzählung, d.h. also, es können keine anderen Arten von Bauflächen im Flächenwidmungsplan festgelegt werden. Das heißt aber nicht, daß die Gemeinde alle diese Arten von Bauflächen im Flächen-widmungsplan zu berücksichtigen hat.

Zu Abs. 5 wäre erläuternd zu bemerken, daß unter den dort erwähnten Wohnungen vor allem Arbeiterheime u. dgl. gemeint sind, nicht so sehr also Wohnungen für Familien. 1

Der jetzige Inhalt des Abs. 6 hat sehr umfang-reiche Beratungen erfordert. Er bringt ein Instrument für die mögliche Bewältigung des Appartement- und Wochenendhausproblemes, und zwar sind hier zwei Grundregeln vorgesehen: Eine Grundregel für die Zeit bei der Erstellung von Flächenwidmungsplänen und eine Grundregel für die Zeit nach Erstellung der Flächenwidmungs-pläne. Zur ersten Grundregel: Erstellung der Flächenwidmungspläne. Für diese Zeit wird folgen-des bestimmt: Ferienwohngebiete können in Kern-, Wohn- und Mischgebieten vorgesehen werden; dies aber nur dann, wenn in diesen Kern-, Wohn- und Mischgebieten besondere Flächen vorgesehen werden, auf denen auch oder nur Ferienwohnhäuser errichtet werden dürfen. Die dritte Bedingung ist die, daß auf diesen besonderen Flächen in Kern-, Wohn- und Mischgebieten nur dann Ferienwohnhäuser tatsächlich errichtet werden dürfen, wenn ein rechtskräftiger Bebauungsplan vorliegt. Also eine Anzahl von recht strengen Bestimmungen, die es der Gemeinde schon bei der Flächenwidmungsplanung ermög-lichen sollen, das Problem der Appartementhäuser und Wochenendhäuser in etwa in den Griff zu bekommen. Zu erwähnen wäre allerdings, daß es sich hier für die Gemeinde um keine Muß-Bestimmung handelt. Sie muß also nicht solche besondere Flächen für Ferienwohnhäuser vorsehen, sondern sie kann das, wenn sie es für notwendig erachtet.

Für die Zeit nach der Erstellung und Genehmi-gung des Flächenwidmungsplanes gilt folgende Grundregel: Es dürfen nur in Kern-, Wohn- und Mischgebieten weitere Ferienwohnhäuser, also außerhalb der eigens hiefür vorgesehenen Sonder-

flächen errichtet werden, was allerdings einer besonderen Bewilligung der Gemeindevertretung bedarf. Diese Bewilligung bedarf zusätzlich der Genehmigung der Landesregierung. Die Landes-regierung hat die Möglichkeit, im Genehmigungs-verfahren die Vorlage eines rechtswirksamen Bebauungsplanes zu verlangen.

Es ist bei den Übergangsbestimmungen eine weitere Regelung zur Ferienwohnhausfrage ent-halten, auf die wir dann zur rechten Zeit zurück-kommen werden. Der Abs. 7 bringt eine Legal-definition des Begriffes „Ferienwohnhäuser".

Präsident: Wünscht jemand das Wort dazu? Der Herr Abg. Eß.

Eß: Hoher Landtag! Es ist eindeutig, daß diese Paragraphen 12, 13 und 14 für die Gemeinden außerordentlich wichtige Paragraphen sind. Wir haben bei der Besprechung vor den freiheitlichen Gemeindevertretern diese Paragraphen besonders genau durchgenommen. Hier wurde vor allem der Wunsch laut — und der Herr Präsident wird gestatten, wenn ich noch kurz auf den § 12 zurückgehe, auf den letzten Absatz — hier wurde vor allem der Wunsch laut, daß das Land mit seinen Maßnahmen ebenfalls möglichst rasch beginnen soll, damit die Gemeinde dort, wo sie überörtliche Planungen berücksichtigen müssen, tatsächlich schon gewisse Richtlinien vorliegen haben. Es wird also nicht genügen, wenn nur die Verordnung über die Flächenwidmungspläne möglichst bald erlassen wird, sondern es wird darüber hinaus auch notwendig sein, etwa dort, wo Anlagen überörtliche Bedeutung, wie Landes-straßen, Bundesstraßen usw., die Gemeinden tangieren, hier die betroffenen Gemeinden mög-lichst bald wissen, wie die Dinge sich in Hinsicht der Landesplanung entwickeln werden.

Der § 14 behandelt die Einteilung der Bau-flächen. Es hat unser Generalredner schon erklärt, daß wir Freiheitlichen hier besonders auch das Problem der Appartementhäuser behandelt haben. Wir freuen uns, daß es uns hier gelungen ist, im Rahmen der Beratungen eine ganz wesentliche Bestimmung im Abs. 6 einzubauen, wonach es bei Appartementhäusern und Ferienhäusern nicht genügt, wenn allein diese Flächen festgelegt sind, sondern durch unser Verlangen ist darüber hinaus auch noch notwendig, daß auch der Bebauungs-plan vorliegen muß und auch die Genehmigung der Landesregierung. Daß wir zu dieser Auffassung gekommen sind, hat maßgeblich seine Ursache in der Umfrage, die wir in dieser Angelegenheit gestartet haben und die doch ein sehr starkes Echo in den Gemeinden hervorgerufen hat etwa mit dem Ergebnis, daß man der Gemeinde Mittel und Wege

2. Sitzung des XXI. Vorarlberger Landtages im Jahre 1973

zeigen möge, daß sie diese Dinge mit Hilfe des Landes in den Griff bekommt. Wie sehr dies notwendig ist, zeigt eine Untersuchung, eine Studie, die in Innsbruck gemacht wurde über die Entwicklung bei den Appartementhäusern. Diese Untersuchung basiert auf Befragungen in Seefeld, Kitzbühel, St.Johann, Kirchberg und Wildschönau und kommt zur Feststellung, daß einmal diese Appartements sehr schlecht ausgenützt sind, sogar in der Hochsaison nicht zu 20 %. Sie hat weiters die Feststellung ergeben, daß in der Regel die Appartements überwiegend für Urlaubszwecke gekauft werden und nur ein Fünftel hat zugegeben, daß sie auch eine günstige Kapitalanlage damit verbunden haben; sie hat gezeigt, daß es sich um Gäste handelt, die auch in der Lage wären, einen normalen Urlaub zu genießen, denn nach dieser Untersuchung ist die Hälfte der Besitzer in einer Einkommenslage zwischen 10.000 und 20.000 S, 29 % liegen darunter und 25 % liegen darüber. Das heißt also, daß hier wirklich der Urlaub im Appartement nicht unbedingt notwendig gewesen wäre. Es wird darüber hinaus festgestellt in dieser Untersuchung, daß in der Regel die Gemeinden die Draufzahler bei dieser Angelegenheit sind, weil ihnen außerordentliche Kosten erwachsen und es wird außerdem festgestellt, daß die Besitzer dieser Appartementhäuser im Urlaub verhältnismäßig bescheiden leben, so daß der Appartementgast pro Kopf und Tag ungefähr 99 S verbraucht und für Unterhaltung und Sport nur 73 S ausgibt. Diese Untersuchung beweist eindeutig, wie richtig es war, diesem Problem der Appartementhäuser besondere Aufmerksamkeit zu widmen und wir sind überzeugt, daß die Regelungen, wie sie jetzt im neuen Gesetz enthalten sind, doch ganz maßgebliche Handhaben bieten, um die Dinge in den Griff zu bekommen.

Präsident: Jetzt ist der Herr Abg. Dipl.-Ing. Mayer zum Wort gemeldet.

Dipl.-Ing. Mayer: In der Öffentlichkeit ent-stehen immer wieder Verwirrungen über die Begriffe „Appartementhaus" und „Appartement-hotel". Wir begrüßen es, daß der Vorarlberger Gesetzgeber in dieser Angelegenheit einmal end-gültig Klarheit schafft und unterscheidet, was ein Ferienwohnhaus ist und was ein Ferienhotel bzw. Appartementhotel darstellt. Gerade in der letzten Zeit wissen wir, daß auf dem Gebiet der Hotellerie allerorts sehr große Schwierigkeiten bestehen und das reine Hotel doch auch im Ausland und auch in Fremdenverkehrszentren teilweise nur mehr schwer zu führen ist und daß es diesen Hotel-gesellschaften in der neueren Zeit oft nur noch möglich ist, Hotels zu bauen, wenn sie sehr rasch

privates Startkapital finden. Und das finden sie dann, wenn die die Hotelformeines Appartement-hotels wählen. Wir begrüßen es also, daß der Gesetzgeber in Vorarlberg diese Klarheit hier im Abs. 7 geschaffen hat.

1 Präsident: Jetzt sind keine Wortmeldungen mehr zum § 14. Der Herr Berichterstatter ver-zichtet § 15.

Dr. Sutterlüty: Bauerwartungsflächen. Es müssen zwei Voraussetzungen gegeben sein, damit eine Fläche als Bauerwartungsfläche festgelegt werden kann. Sie muß sich erstens für die Bebauung eignen; zum zweiten muß diese Fläche voraussichtlich 15 Jahre nach Inkrafttreten des Flächenwidmungsplanes in höchstens weiteren 15 Jahren für die Bebauung benötigt werden. Bauer-wartungsflächen dürfen wie Landwirtschafts-gebiete genutzt werden, nicht aber dürfen in diesen Gebieten neue Gebäude und Anlagen für neue landwirtschaftliche Betriebe errichtet werden. Andererseits aber muß es einem Landwirt in dieser Zone möglich sein, auch in Zukunft seinen Betrieb aufrecht zu erhalten, und daher wird es ihm nach dem Gesetz erlaubt sein, Baumaßnahmen für die Instandhaltung, für die Betriebserhaltung und auch für den Zuerwerb wie für Wohnzwecke durchzu-führen.

Präsident: Keine Wortmeldung zum § 15. Wir kommen zu § 16.

Dr. Sutterlüty: Freiflächen. Freiflächen sind alle jene Flächen, die nicht als Bauflächen, Bauerwartungsflächen, Verkehrsflächen oder Vor-behaltsflächen gewidmet werden. Es kann nach Erfordernis bei diesen Freiflächen eine Unter-teilung vorgenommen werden, und zwar in Land-wirtschaftsgebiete, in Sondergebiete und in Frei-haltegebiete. In den Landwirtschaftsgebieten dürfen nur Anlagen für land- und forstwirtschaft-liche Zwecke und Zuerwerbe einschließlich der dazugehörigen Wohnräume und Wohngebäude errichtet werden. In Sondergebieten dürfen nur solche Gebäude und Anlagen errichtet werden, die an einen bestimmten Standort gebunden sind, wie Campingplätze, Gärtnereien, Steinbrüche u.dgl. Und die Freihaltegebiete, die sind überhaupt freizuhalten von Verbauungen und von Maß-nahmen anderer Art.

Präsident: Wortmeldungen zum § 16? Es liegen keine vor. § 17.

Dr. Sutterlüty: Verkehrsflächen. Im Flächen-widmungsplan können Flächen für Gemeinde-

42 2. Sitzung des XXI. Vorarlberger Landtages im Jahre 1973

Straßen gewidmet werden, nicht aber Flächen für Bundesstraßen oder für Landesstraßen. Dies hat den Grund darin, daß Bundesstraßen aus ver-fassungsrechtlichen Gründen nicht in Flächen-widmungsplänen gewidmet werden können und daß Landesstraßen aus rechtspolitischen Gründen in Flächenwidmungsplänen als erklärte Flächen keine Aufnahme finden können. Wohl können aber diese Straßen in den Flächenwidmungsplänen ersichtlich gemacht werden.

Präsident: Wortmeldungen liegen keine vor. § 18.

Dr. Sutterlüty: Vorbehaltsflächen. Als Vorbe-haltsflächen sind jene Flächen festzulegen, die dem Gemeinbedarf dienen oder die voraussichtlich innerhalb von 15 Jahren für solche Zwecke benötigt werden. Also es gibt zwei Möglichkeiten der Vorbehaltsflächenerklärung; erstens für Flächen, die bereits Gemeinbedarfszwecken dienen und zweitens Flächen, die voraussichtlich inner-halb von 15 Jahren für diese Zwecke benötigt werden. Nun kann der Grundeigentümer von der Gemeinde verlangen, daß das Grundstück, das als Vorbehaltsfläche gewidmet worden ist, von der Gemeinde eingelöst wird, und zwar kann er das jederzeit verlangen. Die Gemeinde hat dann mitzu-teilen innerhalb eines Jahres, ob sie das Grund-stück erwerben will. Wenn sie es nicht erwerben will, dann muß sie es einer anderen Widmung zuführen. Will sie es erwerben, so hat sie das binnen drei Jahren zu tun. Im Falle des Erwerbes hat sie sich zu bemühen, dem Grundeigentümer für das in Anspruch genommene Grundstück nach Möglichkeit Naturalersatz zu leisten. Sollte es zwischen Grundeigentümer und Gemeinde zu keiner Vereinbarung über die Abgeltung kommen, dann können beide Teile das Gericht anrufen. Wenn die Gemeinde eine Vorbehaltsfläche, die sie erworben hat, innerhalb von 15 Jahren nicht für Zwecke des Gemeinbedarfes verwendet, dann kann der Grundeigentümer verlangen, daß ihm die Gemeinde das Grundstück wieder in sein Eigentum zurück überträgt.

Man hört hin und wieder die Meinung, daß es sich bei der Vorbehaltsflächenerklärung um eine sogenannte „kalte Enteignung" handelt. Ich glaube, daß diese Beurteilung wirklich zu kraß ist. Es gibt hier ganz maßgebliche Unterschiede. Bei der Enteignung wird das Eigentumsrecht eines Grundeigentümers zwangsweise an einen dritten Rechtsträger übertragen, im Gegensatz dazu bleibt bei der Vorbehaltsflächenerklärung das Grund-stück im Eigentum des bisherigen Grundeigen-tümers. Es kann ihm das Grundstück auf keinen Fall zwangsweise entzogen werden. Wenn er es

nicht verkauft, hat die Gemeinde nicht die Möglichkeit, ihm das Grundstück im Zwangswege wegzunehmen.

Die Beratung in den Ausschüssen hat ver-schiedene Besserstellungen des Eigentümers von Vorbehaltsflächen gebracht. So hat z.B. nach dem Wohnsiedlungsgesetz die Gemeinde das Grund-stück solange als Vorbehaltsfläche belassen können, als sie es eben für zweckmäßig und notwendig erachtet hat. Es konnte der Grund-eigentümer nicht verlangen, daß ihm die Gemeinde das Grundstück abkaufen muß. Es war im bis-herigen Recht auch keine Beschränkung in dem Sinne enthalten, daß Vorbehaltsflächen nur auf einen Zeitraum von 15 Jahren festgelegt werden dürfen. Auch enthielt das Gesetz keine Bestimmung, daß die Gemeinde nach Möglichkeit Naturalersatz leisten soll. Und schlußendlich kannte das Wohnsiedlungsgesetz auch keine Bestimmung des Inhaltes, daß das Grundstück vom Grundeigentümer von der Gemeinde wieder an den früheren Eigentümer zu übertragen ist, wenn sie es nicht für Zwecke des Gemeinbedarfes binnen 15 Jahren verwendet.

Präsident: Wünscht jemand das Wort? Es ist der Herr Abg. Moosbrugger zum Wort gemeldet.

Moosbrugger: Hoher Landtag! Das Wesentliche hat der Herr Berichterstatter schon gesagt. Ich möchte lediglich anführen, daß der § 18 den Gemeinden das Recht gibt, für sich Flächen vorzubehalten, zweifellos in vielen Fällen zu einer der Härten führen kann, die dieses Gesetz über-haupt in sich birgt.

Es ist zu hoffen und zu erwarten, daß die Gemeinden maßvoll sind und beispielgebend handeln und dem Abs. 1 des § 3 möglichst zur Wirkung verhelfen, der besagt, daß bei der Durch-führung dieses Gesetzes möglichst auf die Schonung des Privateigentums Rücksicht zu nehmen ist.

Präsident: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Herr Berichterstatter verzichtet. Dann kommen wir zum § 19.

Dr. Sutterlüty: Verfahren. Das Verfahren zur Erlassung eines Flächenwidmungsplanes spielt sich, wenn man so sagen will, in fünf Stufen ab. In der ersten Stufe ist der Entwurf eines solchen Planes vom Gemeindeamt durch Fachleute zu erarbeiten. In der zweiten Stufe ist dieser Entwurf von der Gemeindevertretung zu beschließen. Die dritte Stufe beinhaltet das Anhörungsverfahren zum Entwurf und die Bearbeitung der eingelangten Stellungnahmen und Abänderungsvorschläge der

2. Sitzung des XXI. Vorarlberger Landtages im Jahre 1973

Grundeigentümer und Gemeindebürger. In der vierten Stufe ist dann der Flächenwidmungsplan von der Gemeindevertretung zu beschließen und in der fünften Stufe läuft das Genehmigungsverfahren bei der Landesregierung.

Die Beratungen in den Ausschüssen haben auch zu diesem Paragraphen eine Reihe wichtiger Änderungen gebracht. Ich darf dazu erwähnen: Im Regierungsentwurf war nur die ortsübliche Kund-machung des Entwurfes des Flächenwidmungs-planes vorgesehen. Nunmehr ist die Beschluß-fassung über den Entwurf auch in den Vorarlberger Tageszeitungen sowie im Mitteilungsblatt der Landwirtschaftskammer zu verlautbaren. Neu ist ferner die Bestimmung, daß im Gemeindeamt ein leicht verständlicher Erläuterungsbericht über den Entwurf des Flächenwidmungsplanes in der erforderlichen Anzahl aufzulegen ist. Ebenfalls ist durch die Ausschüsse beschlossen worden, daß die Änderungsvorschläge zum Flächenwidmungsplan nicht nur schriftlich, sondern auch mündlich vorgebracht werden können. Des weiteren ist nun die Gemeinde verpflichtet, die Grundeigentümer dann nochmals anzuhören, wenn ihre Grundstücke nicht mehr wie im Entwurf für Bauflächen, Bauerweiterungsflächen oder Sondergebiete vor-gesehen sind, wenn sie also entgegen dem Entwurf für andere Widmungen vorgesehen sind,, dann sollen die betroffenen Grundeigentümer nochmals Gelegenheit haben, sich zum Vorhaben der Ge-meinde zu äußern. Eine weitere Verbesserung durch die Ausschüsse ist darin zu erblicken, daß die nicht berücksichtigten Änderungsvorschläge der Grundeigentümer sowie die Stellungsnahmen der Dienststellen, Behörden usw. der Landesregierung vorzulegen sind, welche diese Änderungsvorschläge und Stellungnahmen zu prüfen hat. Es sind dies also alles Verbesserungen, die gerade im Interesse der Gemeindebürger und der Grundeigentümer gelegen sind.

Präsident: Jetzt ist der Herr Abg. Waibel zum Wort gemeldet.

Waibel: Frau Kollegin, meine Herren! Das Verfahren nach § 19 sieht also so aus — der Herr Berichterstatter hat ja die notwendigen Erläuterun-gen gemacht - , ein dreistufiges Verfahren durch-zuführen: Beschlußfassung des Entwurfes durch die Gemeindevertretung, Auflage und Einspruchs-möglichkeit. Die fixierte Planung, die fixierte also: Der von der Gemeindevertretung beschlossene Entwurf ist das Wesentliche, ist also durch zwei Monate zur Einsichtnahme aufzulegen.

Ich erlaube mir dazu aus eigenen Erfahrungen zu meinen: Soll die bedeutsame Gemeindeplanung, es gibt ja wahrscheinlich überhaupt keine bedeut-

samere Planung in einer Gemeinde, wie es nun ein Flächenwidmungsplan einmal ist, soll diese Planung, sowohl de jure als auch de facto im wesentlichen nur eine Sache der Gemeindever-tretung und eines von ihr zur Mitarbeit heran-gezogenen Planers sein oder sollte diese Planung auf eine breitere Basis gestellt werden? Wäre es also, so meine ich, vielleicht nicht empfehlenswert, im Wissen um die Bedeutung eines Flächen-widmungsplanes, die gesamte am Wohl und Wehe der Gemeinde interessierte Bevölkerung bereits im Vorstadium der Planung zur Mitarbeit einzuladen, also nicht erst dann, wenn die Planung fixiert ist.

Wie könnte diese Mitarbeit der Bevölkerung an den Arbeiten für einen Flächenwidmungsplan gesehen und bewerkstelligt werden? Einmal, wie es im Einspruchsverfahren an und für sich möglich ist. Jedem Grundeigentümer könnte die Möglich-keit eingeräumt werden und ich glaube, er sollte sie im eigensten Interesse auch nutzen, zur vorgesehenen Widmung der Grundflächen bereits im Vorentwurf Stellung beziehen zu können. Und zum andern, und das erscheint mir fast noch wichtiger zu sein: Jeder am Gemeindegeschehen interessierte Bürger ist aufgerufen, sollte aufge-rufen werden, die angebotene Mitsprache-möglichkeit zu nutzen und womöglich eigene Vorschläge, Anregungen zu einem Flächen-widmungsplanvorkonzept kundzutun. Es ist durchaus möglich, daß es engagierte Bürger in einer Gemeinde gibt, ich konnte das glücklicherweise erfahren, die nicht Grundeigentümer sind und trotzdem ein ganz hervorragendes Interesse gegen-über einem gemeindlichen Entwicklungsplan bekunden. Da hat ein engagierter Bürger auf die Möglichkeit hingewiesen, den Standort eines Kindergartens nicht so, wie im Vorentwurf für den Flächenwidmungsplan vorgesehen, zu situieren, sondern aus einer ganz anderen Perspektive, von ihm aus gesehen, an anderer Stelle. Und bei der Prüfung dieses Vorschlages mußte der Planungsaus-schuß zu der Erkenntnis kommen, daß dieser Vorschlag aus dem Kreise der Bürgerschaft nicht nur eine überlegenswerte, sondern die bessere Lösung darstellt.

Die Gemeindeplanung, wir wissen es, hat ja längerfristig mehr oder minder nachhaltig Aus-wirkungen für jeden einzelnen Gemeindebürger, sei er nun Grundeigentümer oder nicht. Aus dieser Überlegung heraus könnte, sollte, glaube ich, jedem Gemeindebürger eine Mitsprachemöglichkeit in der Planung selbst unter Bedachtnahme darauf, daß schlußendlich die Verantwortung für das Planwerk die Gemeindevertretung zu tragen hat, eingeräumt werden. Der steirische Landesrat Prof. Jungwirt hat einmal gemeint: „Gemeinsames Handeln setzt gemeinsames Bewußtsein voraus.

44 2. Sitzung des XXI. Vorarlberger Landtages im Jahre 1973

Wenn wir verstanden haben, daß wir alle Raum-zerstörer sind, werden wir eines Tages Raumordner sein können." Dem ist wohl nichts hinzuzufügen.

Wo immer, darf ich nochmals meinen, die Gemeinden Möglichkeiten sehen, erkennen können, die Bevölkerung bereits im Planungs-prozeß einzuschalten, am Planungsprozeß teil-haben zu lassen, sollte diese Chance auch genutzt werden; denn die Identifizierung der Bevölkerung mit der Planung ist für den Erfolg der Planungs-bemühungen schlechthin von entscheidender Wichtigkeit. Eine Gemeindeplanung, die womög-lich nur von der Gemeindevertretung getragen würde und in der Bevölkerung vielleicht auch wegen zu geringer Information nur nebulos und in Fragmenten bekannt ist, könnte wohl nie voll wirksam werden, sondern liefe vielmehr Gefahr, einmal ins Schußfeld geraten, an den Widerständen zu zerbrechen. Wir alle wissen auch, meine Dame und meine Herren, einen Flächenwidmungsplan — es gibt dafür kein Maßband, keine Gewichte — in den richtigen Dimensionen zu erkennen und in der entsprechenden Gewichtung zu erfassen, ist eine außerordentlich schwierige Aufgabe. Die Auf-fassungen über Substanz und Auswirkung eines Flächenwidmungsplanes gehen in jeder Gemeinde-vertretung, ich wage das zu sagen, weit auseinan-der. Ein Entwicklungsplan, wie es ein Gemeinde-flächenwidmungsplan darstellt, ist, das sollte auch gesehen werden, weder ein Zaubermittel noch, wie das verschiedentlich auch geglaubt wird, muß dabei ein Alptraum verspürt werden. Daher die Verbreitung des Gedankens für die Notwendig-keiten der Ordnung unseres Lebensraumes, und die Gewinnung des Verständnisses der Bevölkerung, ist die grundlegende Voraussetzung für den Erfolg einer gemeindlichen Planung. Aus dieser Über-legung heraus meine Anregung an die Gemeinden, nicht nur das gesetzlich vorgesehene Verfahren nach § 19 durchzuführen, sondern echte Teilhabe der Bevölkerung am Planungsgeschehen ab der Phase etwa: Präsentierung eines Vorentwurfes, eines Diskussionskonzeptes. Eine tragfähige, sinn-erfüllte Raumordnungspolitik sollte, meine ich also, nicht allein, nicht ausschließlich nur durch die vorgesehenen gesetzlichen Bestimmungen ange-peilt und erreicht werden. Die Ordnung des Lebensraumes sollte als Anliegen der gesamten Bevölkerung gewertet und verstanden werden. Dazu bedürfte es allerdings, zusätzlich zu den gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten, die Ein-räumung der Mitsprachemöglichkeit der Bevölke-rung nicht erst bei der Vorlage eines fix und fertigen Entwurfes.

Präsident: Jetzt ist der Herr Abg. Bösch zum Wort gemeldet.

Bosch: Hoher Landtag! Der Ausschuß hat beim § 18 - Vorbehaltsflächen — gegenüber dem Regierungsentwurf eine Änderung getroffen, und zwar eine Beschränkung in dem Sinne, daß Vorbehaltsflächen nur insofern festzulegen sind oder festgelegt werden dürfen, als sie in den nächsten 15 Jahren für solche Zwecke benötigt werden. Ich glaube, hier ist ein Trügschluß, und zwar ist es ein Unterschied, ob ich quantitativ Fläche zur Verbauung für Wohnungen zur Ver-fügung stellen kann, wo ich an keinen Standort gebunden bin, oder ob ich qualitativ Gründe festlegen muß, die nur an einem bestimmten Standort sein dürfen. Ich stelle mir vor, es ist irgendwo ein Erholungsgebiet vorzukehren. Die Gemeinde hat durch einen Schulbau Schulden. Es kann leicht von jedem Bürger nachgewiesen werden, daß die Gemeinde nicht imstande sein wird, im Erholungsgebiet in den nächsten 15 Jahren etwas zu tun. Also kann es nicht in den Flächenwidmungsplan hineingenommen werden, weil es ja mit Erfolg bekämpft werden könnte. Vorbehaltsflächen sind nicht nur quantitativ, sondern vor allen Dingen qualitativ zu sehen, weil sie oft an einen ganz bestimmten Standort gebunden sind, während ich beim Wohnbau beliebig im Siedlungsgebiet im Süden, im Norden, im Osten oder Westen zugeben kann, wenn das Bauland nicht mehr ausreicht. Aber ich kann eine qualitativ an einen bestimmten Standort gebundene Fläche nicht wieder einbringen, wenn ich sie nach 15 Jahren benötige. Ein praktisches Beispiel: Die Gemeinde Lustenau wird wahrschein-lich für die nächsten 15 Jahre Pflichtschulraum genug haben. Aber es gibt einen abgetrennten Sprengel, der südlich der Bundesstraße liegt, ungefähr vom Austria-Sportplatz zur Ausfahrt nach Dornbirn, also einen durch eine Verkehrsader abgeschnittenen Gemeindeteil. Wenn ich also erst in 17 Jahren diese Hauptschule benötige, dann wird dieser Platz verbaut sein, wenn ich ihn jetzt nicht widmen kann. Und das kann jeder Bürger mit Hilfe von Gemeindemandataren nachweisen, daß die Gemeinde 15 Jahre lang diesen Platz nicht braucht und später wird er verbaut sein. Wo finden wir in dem Gebiet dann einen zweiten Platz, der ein Hektar groß ist und es der Gemeinde erlaubt, eine Schule zu bauen. Ich möchte darauf hinweisen, daß das ein großer Unterschied ist, ob ich Bauland reserviere für 15 Jahre, widme, wo ich weiß, daß ich nachher beliebig und qualitativ ohne Einschränkung zugeben kann oder ob es sich um qualitativ und standortgebundene Flächen handelt, über die ich später nicht mehr verfügen kann. Dem könnte ich also bei der Abstimmung nicht zustimmen, weil da schneiden wir uns ins eigene Fleisch und damit kommen die Gemeinden nicht aus.

2. Sitzung des XXI. Vorarlberger Landtages im Jahre 1973

Präsident: Herr Landesrat Müller.

Müller: Hohes Haus! Das nun zuletzt vom Herrn Bürgermeister Bosch angesprochene Problem birgt natürlich eine gewisse Schwierigkeit. Es war bei den Ausschußverhandlungen schon bekannt, daß die Gemeinden damit unter Umständen in gewisse Schwierigkeiten geraten, denn 15 Jahre, das hat man schon einleitend gesagt, sind natürlich eigentlich eine kurze Zeit. Aber, wenn man die Eigentumsbegriffe doch hoch halten will, muß man eine Zeit nennen. Man hat gemeint, innerhalb von 15 Jahren würde sich doch einer Gemeinde die Gelegenheit bieten, mit dem Besitzer zu reden, mit ihm irgendwie zu einer Vereinbarung zu kommen, vielleicht ein Tauschgrundstück zu erwerben oder dgl. Es ist ja nicht unbedingt gesagt, daß die Gemeinde das Grundstück kaufen muß, wenn sie finanziell nicht in der Lage ist. Aber sie hat vielleicht Tauschgründe; sie kann tauschen. Kurzum die Gemeinde soll gezwungen werden, mit dem Grundbesitzer zumindest zu reden. Ich glaube, wenn man sich das vor Augen führt, dann kann man innerhalb von 15 Jahren doch eine Lösung finden, die Vorbehaltsflächen jener Be-stimmung zuzuführen, wofür man sie wirklich vor-gesehen hat. Dort hätte ich also keine Bedenken. (Zwischenruf Bosch: Es ist ein Unterschied, Herr Landesrat, ob ich Flächen als Bauland benötige!) Sicher ist es ein Unterschied, ob man Bauland hat oder nicht, aber auf der anderen Seite hätte ich doch die Meinung, daß die Gemeinde den Grundbesitzer nicht einfach hängen läßt und sagt, ja gut, ich kaufe sie zwar nicht, ich mache auch nichts, sogar in 15 Jahren baue ich auch nicht hin, denn ich kann erst in 17 Jahren bauen. Da muß die Gemeinde halt einen Weg finden, wenn sie sich bewußt ist, daß sie das Grundstück auf alle Fälle braucht.

Nun noch zu einer Frage, die der Herr Abg. Waibel angeschnitten hat. Er hat gemeint, man sollte in den Gemeinden frühzeitig die Gemeindebürger, und zwar alle Grundbesitzer und Nichtgrundbesitzer zur Mitarbeit einladen. Das würde ich hundertprozentig unterstreichen. Ich erinnere an die Exkursion, die man im vergangenen Jahr nach Oberägeri gemacht hat. Da sind der Großteil der Oberländer Bürgermeister und Gemeindemandatare mit hinübergefahren. Dort haben die Schweizer Planer anhand von Beispielen aufgezeigt, wie sie einen solchen Flächenwidmungsplan mit der Gemeinde erarbeiten. Sie stellen zuerst gewisse Grundzüge zur Diskussion, denn ohne Planung oder ein Projekt kann man ja nicht diskutieren. Dann aber wird auf breiter Gemeindeebene über den Straßen-plan und alle anderen Probleme diskutiert, die sich

im Hinblick auf einen Flächenwidmungsplan abzeichnen. Sie geben der Bevölkerung eine Art Bewußtsein, daß sie den Flächenwidmungsplan erarbeiten und nicht der Planer ihn schon beinahe fertig vorlegt. Die Bevölkerung ihrerseits sieht den Plan dann fast als ihr Werk an und nicht als das ihnen aufoktroyierte Ergebnis von einigen Planern. Ich gebe zu, daß das auch rein psychologisch ein ganz besonders positives Moment ist, wenn die Leute dazu gewonnen werden, weil sie Freude gewinnen an echter Mitarbeit. Und wenn man auch im Land so vorgehen könnte, so würde ich das sehr begrüßen. Unsere Leute von der Raumplanungs-stelle wirken darauf besonders hin und sagen auch den Planern, den Architekten, ob es nun Öster-reicher oder Ausländer sind, daß es wünschenswert wäre, hier die Flächenwidmungspläne so zu erarbeiten. Ich habe schon einmal von dieser Stelle aus einen Appell gerichtet an die Vorarlberger Architekten und gebeten, sie möchten doch mehr als das bisher der Fall war mittun in der Erarbeitung der Flächenwidmungspläne. Wir haben jetzt mehrere Schweizer Architekten da, die hier sehr gut tätig sind und sehr zur Zufriedenstellung der Bevölkerung. Wir haben aber Gott sei Dank jetzt schon mehrere Vorarlberger, die sich mit diesen Problemen befassen, aber wenn das Gesetz in Kraft tritt und wir in fünf Jahren die Flächenwidmungspläne erarbeitet haben sollen, müssen mehr als bisher unsere eigenen Architekten hier tätig werden; und einen Appell wiederum an die Vorarlberger Architekten, hier mitzutun! Wir sehen die Tätigkeit beispielsweise für das Planungs-gebiet Bürserberg, wie sie sich jetzt abzeichnet. Es ist hier unser Ing. Rüsch mit einem Schweizer Architekten tätig und dort ist er etwa ähnliche Wege gegangen. Auch dort, in einer raumplanerisch schwierigen Gemeinde, ist der Wunsch der Leute, sich den Flächenwidmungsplan selbst zu erar-beiten, sehr stark. Und wenn man dazu kommen würde, dann hätte ich keine Sorge, daß wir in den fünf Jahren die Mehrzahl der Flächen-widmungspläne wirklich durchführen können.

Präsident: Weitere Wortmeldungen nicht mehr. Der Herr Berichterstatter.

Dr. Sutterlüty: Der Herr Landesrat ist bereits auf die Argumentation des Bürgermeisters Bosch eingegangen. Dazu nur noch kurz ein paar Worte. Wenn die Gemeinde nach ein paar Jahren z.B. sieht, daß sie nicht das Auslangen mit den Vorbehaltsflächen findet, dann kann sie aus berechtigten Gründen den Plan ja bekanntlich abändern und auf weitere 15 Jahre neuerlich Flächen als Vorbehaltsflächen erklären. Ich glaube also: Das Problem ist nicht so groß, Herr Bürger-

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meister Bösch, wie es vielleicht auf den ersten Blick erscheinen mag, da ja die Möglichkeit der Änderung des Flächenwidmungsplanes besteht. Nur darf die Änderung nicht gesetzwidrig sein; also dürfen nicht willkürlich neue Vorbehaltsflächen festgelegt werden.

Präsident: Ich habe die Wortmeldung vom Herrn Abg. Dipl.-Ing. Mayer übersehen. Ist noch etwas Wichtiges? (Zwischenruf Dipl.-Ing. Mayer: Nein.) Danke schön! Dann, meine Dame und Herren, habe ich Ihnen versprochen, daß wir um 19 Uhr Schluß machen. Mein Ziel, den I. Abschnitt zu Ende zu bringen, konnte nicht erreicht werden, aber ich kapituliere gegen die Uhr. Ich darf nun über alle jene Abschnitte und Paragraphen abstimmen lassen, welche bisher noch nicht erledigt worden sind, das ist alles bis auf den § 2. (Zwischenruf) Da war eigentlich der Zug schon abgefahren, wie der Herr Abg. Bosch einsteigen wollte. (Zwischenruf Bosch: Aber man kann Züge auch schon zurückfahren lassen!) Gut, der Abg. Bosch möchte, daß über § 18 getrennt abgestimmt wird. Dann lasse ich zuerst über den § 18 abstimmen. Wer dem § 18 in der gegen-wärtigen Fassung die Zustimmung gibt, wolle mit der Hand ein Zeichen geben. Der § 18 ist angenommen. Ich lasse über alle Paragraphen bis zum § 19 mit Ausnahme der §§2 und 18 abstimmen. Wer die Zustimmung gibt, wolle mit der Hand ein Zeichen geben. Danke ist ange-nommen. Morgen um 9.30 Uhr ist Sitzung des Finanzausschusses, um 10 Uhr wird die Haus-sitzung fortgesetzt. Die Haussitzung wird um einen Punkt ergänzt; im Einvernehmen mit dem Antrag-steller bzw. mit dem Interpellanten, Herrn Abg. Falschlunger, wird der Herr Landesrat Müller als Regierungsreferent zu der Frage der Destillations-anlage sofort Stellung nehmen, um die Aktualität zu gewährleisten. Dieser Punkt wird in der Tagesordnung an letzter Stelle vor der Nieder-schrift aufgenommen, also ich glaube, er ist nun Pkt. 9. Danke schön! Gute Nacht!

(Die Sitzung wird um 19.00 Uhr unter-brochen und am 1.3.1973 um 10.00 Uhr wieder fortgesetzt.)

Präsident: Wir setzen nun die unterbrochene Tagung fort. Ich begrüße die Dame und die Herren des Hohen Hauses. Ich habe mitzuteilen, daß Entschuldigungen vorliegen, und zwar vom Herrn Abg. Neururer, vom Abg. Graf, Vizepräsident Steurer, Abg. Stecher und Abg. Dipl.-Ing. Rüsch.

Wir sind beim Pkt. 6 unserer Tagesordnung stehen-geblieben; der letztbehandelte Paragraph war 19. Wir kommen nun zu § 20, und ich bitte den Herrn

Berichterstatter um Einleitung.

Dr. Sutterlüty: Wirkung. § 20 ist unverändert aus der Regierungsvorlage übernommen worden. Ich habe dazu also keine besonderen Bemerkungen vorzutragen.

Präsident: Wünscht jemand zum § 20 das Wort? Es ist nicht der Fall. § 21.

Dr.Sutterlüty: Auch der § 21 ist unverändert aus der Regierungsvorlage übernommen worden. Wie bei den Landesraumplänen sollen auch die Flächenwidmungspläne auf einen längeren Zeit-raum Gültigkeit haben. Sie dürfen daher nur aus im Gesetz taxativ aufgezählten wichtigen Gründen geändert werden.

Präsident: Wünscht zum § 21 jemand das Wort? Nicht der Fall. § 22.

Dr. Sutterlüty: Regelmäßige Überprüfung. Der Bürgermeister hat spätestens alle fünf Jahre die Gemeindevertretung zu einer Sitzung einzuladen und bei dieser Sitzung ist dann zu prüfen, ob der Flächenwidmungsplan auf Grund geänderter Verhältnisse zu ändern ist oder nicht.

Präsident: Wünscht zum § 22 jemand das Wort. Nicht der Fall. § 23.

Dr. Sutterlüty: Bausperre. Eine Bausperre darf auch hier wieder höchstens drei Jahre lang dauern. Sie kann jedoch um ein Jahr verlängert werden. In der Vorlage der Regierung betrug die Verlänge-rungsfrist zwei Jahre. Sie ist deswegen auf ein Jahr verkürzt worden, damit die Arbeiten für den Flächenwidmungsplan möglichst zügig vor sich gehen im Interesse der Grundeigentümer, aber auch im Interesse der Sache.

Präsident: Wünscht zum § 23 jemand das Wort. Nicht der Fall. § 24.

Dr. Sutterlüty: Auch dieser Paragraph ist unver-ändert aus der Regierungsvorlage übernommen worden.

Präsident: Liegt eine Wortmeldung vor? Nicht der Fall. § 25.

Dr. Sutterlüty: Wie wir bereits gestern gehört haben, kann es bei der Flächenwidmungsplanung sowohl zu Werterhöhungen als auch zu Wert-minderungen kommen. Es erheben sich daher die Fragen: Können und sollen solche Werter-höhungen abgeschöpft werden oder können und

2. Sitzung des XXI. Vorarlberger Landtages im Jahre 1973

sollen solche Wertminderungen ausgeglichen, entschädigt werden?

Zur Frage der Wertabschöpfung ist zu sagen, daß es dazu noch keine praktischen Lösungen in Österreich und auch in anderen Ländern gibt. Vorerst sind dazu nur mehr oder weniger Theorien erarbeitet worden, und zwar die Mehrwert-abschöpfungstheorie und die Planungswertaus-gleichstheorie. Bei der Mehrwertabschöpfung wird der abgeschöpfte Mehrwert öffentlichen Zwecken, also insbesondere der Raumplanung zugeführt. Die Schweiz untersucht derzeit, ob es eine praktikable Mehrwertabschöpfung geben könnte. Aber wie gesagt, es sind nur Untersuchungen im Gange. Das Ei des Kolumbus ist in dieser Sache bisher noch nicht gefunden worden. Zum Planungswertaus-gleich wäre im einzelnen zu sagen, daß bei dieser Theorie der Mehrwert, der abgeschöpfte Mehrwert, an jene Grundeigentümer ausbezahlt wird, deren Grundstücke eine Wertminderung durch die Flächenwidmungsplanung erlitten haben. Es hat unser Cheflegist bei den Beratungen erklärt, daß es in Europa noch kein Gesetz gebe, das den Planungswertausgleich verwirklicht habe; dies deswegen, weil diese Materie so schwierig sei, daß man sich bisher nicht darüber hinweggesehen habe. Eher noch als der Planwertausgleich könnte vielleicht doch die Mehrwertabschöpfung in Zukunft Verwirklichung finden. Jedenfalls sind diese beiden Theorien — Mehrwertabschöpfung und Planungswertausgleich — bei der Beratung dieses Gesetzes nach Meinung der Ausschüsse noch keinesfalls spruchreif für eine gesetzliche Lösung geworden.

So haben sich die Ausschüsse dann nur noch mit der Frage der ' Entschädigung der Wert-minderung befaßt, ob und inwieweit also Wert-minderungen entschädigt werden sollen. Nach der Rechtssprechung des Verfassungsgerichtshofes müßte aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht einmal bei der Enteignung eine Entschädigung geleistet werden, umso weniger aus verfassungs-rechtlicher Sicht, das möchte ich betonen, für wesentliche Eigentumsbeschränkungen. In der Tat läßt sich diese — ich möchte fast sagen — verfassungsrechtliche Theorie nicht halten. Aus diesem Grunde haben bereits viele Gesetze, die in Geltung stehen, eine Entschädigung sowohl bei Enteignungsfällen als auch bei Eigentums-beschränkungen vorgesehen.

Was die Entschädigung in Raumplanungs-angelegenheiten anlangt, kann gesagt werden, daß Entschädigungsbestimmungen die Raumplanungs-gesetze der Länder Burgenland, Salzburg, Tirol, Oberösterreich und Steiermark kennen, nicht jedoch die Raumplanungs- oder Raumordnungs-gesetze der Länder Kärnten und Niederösterreich,

aber auch nicht unser Vorarlberger Wohnsiedlungs-gesetz. Auch das kennt bekanntlich keine Ent-schädigungsbestimmungen .

Die Regierungsvorlage hatte zwei Entschädi-gungsfälle vorgesehen. In Anlehnung an die Regelungen in Burgenland, Salzburg, Tirol, Ober-österreich und Steiermark war im Regierungs-entwurf eine angemessene Entschädigung dann vorgesehen, wenn ein Grundeigentümer innerhalb von zehn Jahren vor der Kundmachung des Flächenwidmungsplanentwurfes Aufwendungen für die Baureifmachung gemacht hat, und zwar im guten Glauben an die gesetzliche Bebaubarkeit des Grundstückes, und wenn dann eben durch die Flächenwidmung eine solche Bebauung nicht mehr möglich gewesen wäre, dann also nach Regierungs-vorlage angemessene Entschädigung für die Bau-reifmachungsaufwände. Als neuer Entschädigungs-fall, der also bisher in Österreich nicht geregelt war, sah die Regierungsvorlage vor, daß ein Grundeigentümer dann auch eine Entschädigung erhalten soll, wenn alle oder der überwiegende Teil der benachbarten Grundstücke als Bauflächen festgelegt worden sind, sein Grundstück, das also faktisch von solchen Flächen umschlossen war, jedoch nicht zur Baufläche erklärt werden sollte. In diesem Falle sah die Regierungsvorlage also eine Entschädigung der Wertminderung gegenüber den benachbarten Grundstücken vor. Das typische Beispiel: Grundstücke, auf denen eine Schipiste verläuft, die bis ins verbaute Gebiet hineinreicht.

Die Beratungen über die grundsätzliche Proble-matik der Entschädigung, über den Lösungs-vorschlag in der Regierungsvorlage und über den Lösungsvorschlag der ÖVP-Fraktion sind sehr eingehend gewesen. Es kam schließlich zur An-nahme des ÖVP-Vorschlages, der lediglich in einigen geringfügigen legistischen Dingen eine Abänderung erfahren hat.

Nun zum Inhalt des § 25 - Entschädigung: Dieser Paragraph kennt sechs Entschädigungsfälle, und zwar drei Entschädigungsfälle, die bei der Erlassung eines Flächenwidmungsplanes in Frage kommen, und drei Entschädigungsfälle, die bei einer Änderung des Flächenwidmungsplanes in Frage kommen.

Der Abs. 1 legt sechs generelle Bedingungen fest, unter denen eine Entschädigung geleistet werden kann. Diese sechs generellen Bedingungen müssen also bei allen sechs Entschädigungsfällen zutreffen, damit überhaupt eine Entschädigung in Frage kommt. Wie lauten diese sechs generellen Entschädigungsvoraussetzungen? 1. Das Grundstück muß schon vor der Flächen-

widmung ein Grundstück gewesen sein, das zur Bebauung im Sinne des § 12 des Raum-planungsgesetzes geeignet gewesen wäre.

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2. Die Bebauung muß durch die Flächenwidmung verhindert worden sein.

3. Durch diese Verhinderung muß am Grundstück eine Wertminderung eingetreten sein.

4. Die Wertminderung muß für den Grundeigen-tümer eine unbillige Härte herbeiführen.

5. Der Grundeigentümer muß einen Antrag auf Entschädigung stellen. Es gibt also keine amtswegige Entschädigungsauszahlung.

6. Der Grundeigentümer muß entweder, dii. der Antragsteller, Inländer sein oder Angehöriger eines Staates, der österreichischen Staatsbür-gern in gleichen Fällen auch eine entsprechende Entschädigung bezahlt. Das also die sechs generellen Voraussetzungen, die zu einer Entschädigungspflicht führen. Im Abs. 2 wird also taxativ aufgezählt, in

welchen drei Fällen bei der Erlassung eines Flächenwidmungsplanes eine Entschädigungs-pflicht eintreten kann. Erster Fall: Entschädigung für die Baureifmachungsaufwände. Dafür sind auch wieder eine Anzahl von speziellen Voraus-setzungen notwendig: 1. Das Grundstück muß als Freifläche gewidmet

sein. 2. Es muß der Grundeigentümer oder der Vor-

gänger nachweisbar Geld oder Sachleistungen für die Baureifmachung aufgewendet haben.

3. Diese Baureifmachungsaufwände müssen inner-halb von zehn Jahren vor der Kundmachung des Entwurfes erfolgt sein.

4. Der Eigentümer muß diese Baureifmachungs-aufwände im guten Glauben, daß einer Be-bauung keine Hindernisse entgegenstehen, gemacht haben.

Wir haben also ein ganzes Sieb von Bedingungen, das durchgegangen werden muß, wenn es zu einer Entschädigungspflicht kommen soll; insgesamt sind es zehn Bedingungen: Sechs generelle und vier spe-zielle.

Nun der zweite Fall: Entschädigung bei Erwerb eines Grundstückes als Baugrund. Hier folgende spezielle Voraussetzungen: 1. Das Grundstück muß als Freifläche gewidmet

sein. 2. Es muß vor der Widmung in einem nicht land-

oder forstwirtschaftlichen Gebiet oder im Öd-land gelegen sein.

3. Das Grundstück muß entweder entgeltlich oder im Wege der bäuerlichen Erbteilung erworben worden sein.

4. Der Grundeigentümer muß beim Erwerb einen Baugrundpreis bezahlt haben oder es muß bei der bäuerlichen Erbteilung ein Baugrundpreis zugrundegelegt worden sein.

5. Dies alles muß im guten Glauben geschehen sein, daß einer Bebauung keine Hindernisse

entgegenstehen. 6. Es muß der entgeltliche Erwerb oder die

Bewertung als Baugrund im bäuerlichen Erb-teilungsverfahren innerhalb von zehn Jahren vor der Kundmachung des Flächenwidmungs-planentwurfes vor sich gegangen sein. Der dritte Fall der Entschädigungspflicht bei

der Erlassung von Flächenwidmungsplänen, das ist der Fall der Freiflächenenklaven, wenn ich so sagen darf. Hier folgende spezielle Voraus-setzungen: 1. Das Grundstück muß als Freifläche gewidmet

sein. 2. Es muß vor der Kundmachung nicht in einem

land- oder forstwirtschaftlichen Gebiet oder im Ödland gelegen sein.

3. Es muß ganz oder überwiegend von gleichwer-tigen Grundstücken umgeben sein, die nicht als Freiflächen oder als Verkehrsflächen gewidmet wurden wie bereits eingangs erwähnt: Der typische Fall einer Schipiste, die ins verbaute Gebiet hineinreicht.

Nun, das also die Fälle, die bei der Erlassung des Flächenwidmungsplanes auftreten können.

Bei der späteren Änderung eines Flächen-widmungsplanes können folgende Entschädigungs-fälle eintreten: Erster Fall: Entschädigung für Baureifmachungsaufwand im Bauerwartungsland. Wenn also eine Bauerwartungsfläche 15 Jahre nach Inkrafttreten des Planes nicht als Baufläche gewidmet wird oder als Vorbehaltsfläche, und wenn für dieses Grundstück innerhalb von zehn Jahren vor der Kundmachung des Flächen-widmungsplanes Aufwände für die Baureif-machung gemacht worden sind, dann tritt Ent-schädigungspflicht ein. Entscheidend ist hier vor allem das, daß diese Baureifmachungsaufwände auch in diesem Fall vor der Kundmachung des Flächenwidmungsplanes erfolgt sein müssen; d.h. also, wenn nach Erlassung des Planes im Bauer-wartungsland Aufwände getätigt worden wären, könnten diese selbstverständlich nicht entschädigt werden.

Zweiter Fall: Entschädigung für Baureif-machungsaufwände auf Bauflächen. Wenn auf einer Baufläche des Flächenwidmungsplanes durch die Änderung des Flächenwidmungsplanes eine Bebauung nicht mehr möglich ist und für dieses Grundstück nach der Erlassung des Flächen-widmungsplanes Baureifmachungsaufwände getä-tigt worden sind, dann tritt ebenfalls Entschädi-gungspflicht ein.

Dritter Fall: Entschädigung bei Erwerb eines Grundstückes als Baufläche. Wenn ein Grundstück entgeltlich oder im Wege der bäuerlichen Erb-teilung als Grundstück in der Bauflächenzone erworben worden ist und wenn beim Erwerb ein

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Baugrundpreis bezahlt oder bei der Teilung zugrunde gelegt worden ist und die Bebauung dann durch die Änderung des Flächenwidmungsplanes nicht mehr möglich ist, dann auch Entschädigungs-pflicht der Gemeinden.

Also eine ziemlich umfangreiche und detaillierte Regelung, die aber nach Meinung der Ausschüsse ebenso gerechtfertigt war.

Die Abs. 4 bis 7 des § 25 bringen die Ver-fahrensregelung. Grundsätzlich hat bei der Ver-fahrensregelung zu gelten: Vorerst haben die Grundeigentümer, für die eine Entschädigung in Frage kommt, und die Gemeinde die Möglichkeit, einen Vertrag abzuschließen. Und in diesem Vertrag kann die Leistung der Gemeinde selbst-verständlich höher sein oder niedriger sein als sie das Gesetz an und für sich vorsehen würde. Es können auch in diesem Vertrag anstelle von Geldleistungen Sachleistungen oder sonstige Vorteile zugunsten des Grundeigentümers verein-bart werden.

Nur wenn es zu keiner freien Vereinbarung zwischen Grundeigentümer und Gemeinde kommt, dann kommen die gesetzlichen Verfahrens-bestimmungen zum Tragen. Und diese lauten im großen und ganzen so: Bei der Entschädigung für die Baureifmachungsaufwände ist der nachweis-bare Wert der Geld- oder Sachleistungen von der Gemeinde zu bezahlen. Bei der Entschädigung im Falle des Erwerbes als Baugrundstück ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Verkehrswert als Freifläche und der tatsächlichen Gegenleistung oder dem zugrunde gelegten Wert von der Gemeinde zu zahlen. Falls der Erwerb drei Jahre vor der Erlassung des Flächenwidmungsplanes erfolgt sein sollte, ist die Gegenleistung oder der zugrunde gelegte Wert nach dem Index der Landesregierung zu erhöhen. Auf keinen Fall darf aber auch bei der Indexerhöhung die Entschä-digung höher sein als der Unterschied zwischen dem Verkehrswert als Freifläche und dem Ver-kehrswert als Baufläche.

Wenn es nicht möglich sein sollte, auf Grund dieser gesetzlichen Verfahrensbestimmungen eine Einigung zwischen Grundeigentümer und Gemeinde herbeizuführen, können beide das Gericht anrufen.

Wenn ein Grundstück, für das eine Entschä-digung bezahlt worden ist, später doch als Bau-fläche verbaut werden könnte, so hätte der Grundeigentümer die erhaltene Entschädigung zurückzuzahlen.

Es könnte auch sein, daß eine Gemeinde Flächen deswegen nicht als Bauflächen widmen konnte, weil ein Landesraumplan eine andere Widmung, z.B. eine Widmung als Freifläche vorsieht und daß ein solcher Landesraumplan dann

zur Ursache von Entschädigungsverpflichtungen der Gemeinde werden könnte. In diesem Falle wäre das Land verpflichtet, der Gemeinde die gezahlten Entschädigungen zurückzuerstatten. Das also zu § 25.

Präsident: Der § 25 steht zur Debatte. Der Herr Abg. Dipl.-Ing. Mayer hat das Wort.

Dipl.-Ing. Mayer: Herr Präsident! Hohes Haus! Ob nun der Herr Abg. Purtscher es wahrhaben will oder nicht, ich habe bereits im Unterausschuß zu diesem Antrag einleitend zur Diskussion die Frage aufgeworfen, wie die Werthebung von Grund-stücken, die durch Flächenwidmungspläne ent-stehen kann, beurteilt werden sollte und diese Frage wurde auch von den Herren Beamten dahingehend beantwortet, daß man in der Schweiz diese Frage bereits gründlich prüfe, daß man aber noch zu keinen geltenden und brauchbaren Regelungen gekommen sei. Ich möchte betonen, daß wir uns als sozialistische Abgeordnete grund-sätzlich dazu bekennen, daß der Grundeigentümer, dem aus Flächenwidmungsplänen ein Schaden erwächst, richtig und hinreichend entschädigt werden sollte und wir glauben auch, daß im § 25 gute Bestimmungen enthalten sind, um diese Entschädigung von Grundeigentümern zu gewähr-leisten. Ich möchte aber noch einmal hier unsere Auffassung vertreten, daß es gerade deshalb, weil wir als eines der letzten Bundesländer uns hier mit einem Raumplanungsgesetz beschäftigen, gerade es bei uns an der Zeit gewesen wäre, durch Fach-experten die Frage der Werterhöhung durch Flächenwidmungspläne sehr ausreichend prüfen zu lassen und uns als Mitglieder des Landtages auch entsprechende Expertisen über die Verfahrens-weise bei diesen Vorprüfungen zur Verfügung zu stellen. Weil wir eben glauben, daß diese Fragen nur einseitig behandelt wurden, können wir dem § 25 aus grundsätzlichen Erwägungen unsere Zustimmung nicht erteilen.

Präsident: Weitere Wortmeldungen? Der Herr Abg. Dr. Purtscher.

Dr. Purtscher: Hohes Haus! Es erfordert doch eine kurze Erwiderung, weil Herr Bürgermeister Mayer darauf beharrt, daß er bei den Ausschußbe-ratungen diese Diskussion über den Planwert-ausgleich angeschnitten hätte. Ich habe auch nach der Generaldebatte gestern mich mit den Kollegen der beiden Ausschüsse unterhalten und die von mir Befragten haben alle bestätigt, daß von Ihnen eine solche Diskussion nie gefordert wurde. Ich kann nur nochmals wiederholen, es wäre sicherlich (Zwischenruf Dipl.-Ing. Mayer: Ich habe dieses

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Thema angeschnitten!) es wäre sicherlich uns aufgefallen, wenn Sie darüber eine Diskussion verlangt hätten. Wir hätten sie Ihnen recht gerne geliefert. (Zwischenruf Dipl.-Ing. Mayer: Sie haben doch gehört, daß der Dr. Feurstein erklärt hat, . . . ) Aber, Herr Bürgermeister Mayer, ich glaube, Sie sollten hier den Mut haben zu deklarieren: Wir lehnen jede Entschädigung ab! Es steht Ihnen unbenommen, eine weitergehende (Zwischenruf Dipl.-Ing. Mayer: Das ist eine Unterstellung!) Herr Bürgermeister, es steht Ihnen unbenommen, hier eine weitergehende Forderung zu stellen. Das ist Ihr gutes Recht. Und sich darauf nun zu stützen, daß es bis heute versäumt worden sei, durch Einholung von Fachexpertisen eine Lösung zu finden, die bisher weder im Inland noch im Ausland gefunden wurde in befriedigender Weise, ich glaube, das ist wirklich eine Ausrede. Herr Bürgermeister, bekennen Sie, daß sie grundsätzlich jede Entschädigung, auch die Entschädigung einer unbilligen Härte ablehnen, denn bereits Ihr Initiativantrag, auf den Sie gestern so stolz gepocht haben, hat keine einzige Bestimmung über eine Entschädigung enthalten. Und ich darf nochmals wiederholen, ich habe dort bereits bei den Ausschußberatungen gesagt, Sie haben aber vergessen bei der Abschrift aus diesem Raum-planungsgesetz des anderen Bundeslandes, den dort enthaltenen Entschädigungsparagraph mit abzuschreiben. Das war für uns damals schon verdächtig. Aber dann kommen Sie heute nicht hierher und sagen, Sie wollten jede Wertminderung eines Grundstückes, die im Zusammenhang mit der Raumplanung entsteht, abgelten. Herr Bürger-meister Mayer, wenn Sie eine solche Forderung stellen, dann führen Sie jede Raumplanung ad absurdum, denn es gibt gar keine Möglichkeiten der öffentlichen Hand, jede Wertminderung, die in der Raumplanung entsteht, voll abzugelten. Das ist leider eine Unmöglichkeit. Und ich habe gestern bereits im Rahmen der Diskussion über das Eigentum noch darauf verwiesen, daß die beiden grundsätzlichen Systeme, nämlich das der Mehr-wertabschöpfung und auch des Planwertaus-gleiches, bisher einfach nicht realisiert wurden in keinem Land. Mir ist kein Fall bekannt. Und es gibt also hier eine Vielzahl von Wissenschaftlern, die sich damit befassen. Und wenn Sie die Gelegenheit wahrnehmen, die Diskussion in der Schweiz über die Interpretation des Art. 45 des schweizerischen Bundesgesetzentwurfes zu ver-folgen, so werden Sie sehen, wie ungeheuer schwierig das ist, hier die den Kantonen auferlegte Verpflichtung zu den Detailbestimmungen über-haupt erfüllen zu können. Ich darf nochmals kurz, nachdem Sie es offenbar in den Ausschüssen versäumt haben, das echt zu verlangen, wieder-

holen, die beiden Systeme gegenüberstellen. Der sogenannte Planwertausgleich, das sogenannte ältere System, wie man es von Raumplanungs-fachleuten bezeichnet, geht von der Überlegung aus, alles Gebiet ist Bauland, also jeder Quadrat-meter Bodenfläche ist gleichviel wert. Das würde also bedeuten, daß dann der Grundeigentümer eines völlig unverbaubaren Gebietes im hintersten Großwalsertal eine Entschädigung bekommen muß dafür, daß dieser Grund eben auf Grund einer Norm eben auf Basis des Raumplanungsgesetzes nicht verbaut werden darf. Und diejenigen, die bauen dürfen, müssen also durch die Qualifikation nun die anderen eben in einem Wertausgleich entschädigen, während die Mehrwertabschöpfung nach dem schweizerischen System, so wie es im Bundesgesetz vorgesehen ist, in etwa deklariert, daß grundsätzlich nicht gebaut werden kann und erst die Verbauung, sozusagen die Deklaration zum Bauland muß honoriert werden und der Mehrwert, der durch die Deklaration entsteht, wird abge-schöpft. Das ist das System der Mehrwert-abschöpfung. Und es ist eben, ich habe schon gestern an diese Development Charge in England erinnert, von der Labour-Regierung eingeführt, 1954 wieder aufgehoben. Es hat kein brauchbares System bisher gegeben, ganz abgesehen davon, welch ungeheure Verwaltungsarbeit damit verbunden ist. Ich kann Ihnen versichern, wir haben uns nicht nur im Rahmen einer kurzen Diskussion, sondern wirklich sehr intensiv mit dieser Materie befaßt und sind auch zu keiner anderen Lösung gekommen, als zu der, die wir heute mit dem § 25 präsentieren. Ich darf also nochmals hier sagen, Herr Bürgermeister Mayer, haben Sie doch den Mut zum Bekenntnis, daß Sie jede Entschädigung ablehnen.

Präsident: Jetzt ist der Herr Abg. Eß zum Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

Eß: Hoher Landtag! Tatsache ist, daß dieses Gesetz doch einige Paragraphen enthält, von denen wir annehmen, daß wir damit einen neuen Weg gehen und bei denen wir abwarten müssen, ob die Form richtig ist oder ob nicht früher oder später doch etwas geändert werden muß. Sicher ist im § 25 in der Frage der Entschädigung nach langem Hin und Her und nach langen Beratungen der Versuch gemacht worden, eine tragbare Lösung zu finden. Herr Bürgermeister Mayer, Sie haben selbst zugegeben, daß manches in diesem Paragraphen gut ist. Auch uns ist klar, daß manches vielleicht in der Praxis so sein wird, daß man noch Änderungen vornehmen wird. Aber wir sind der Auffassung, es ist ein Anfang und ein grundsätzliches Bekenntnis zur Entschädigung, und das ist für uns Freiheit-

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liche besonders wichtig. Nun, Sie haben gesagt, auch Sie bekennen sich grundsätzlich zur Ent-schädigung. Dem gegenüber steht die Tatsache, daß Sie in Ihrem ersten Entwurf damals von der Entschädigung überhaupt nichts aufgenommen haben. Ich sage Ihnen offen, ich weiß nun nicht, was richtig ist: Ihre erste Auffassung oder das, was Sie heute geäußert haben. Aber vielleicht wird man noch im Laufe der Zeit eine endgültige Stellung-nahme von der SPÖ auch in der Frage der Entschädigung kennenlernen. Hier wird die Praxis ausschlaggebend sein. Wir hoffen aber, und das ist auch bei unseren Beratungen mit den Gemeinde-vertretern hervorgegangen, daß nach einer Reihe von Informationsversammlungen, die wir beabsichtigen, und daß nach einer Reihe von Praxisjahren nicht nur in diesem Paragraphen, sondern auch in einer Reihe von anderen Paragraphen sich Umstände herausstellen, die früher oder später wieder eine Beratung notwendig machen werden. Darüber müssen wir uns doch bei diesem Gesetz klar sein. Obwohl viele andere Bundesländer vor uns Gesetze haben, wird es nicht möglich sein, alles schon auf den ersten Anhieb so zu treffen, daß es dann in der Praxis wirküch bis zum letzten befriedigend ist.

Präsident: Jetzt ist der Herr Abg. Dipl.-Ing. Mayer zum Wort gemeldet.

Dipl.-Ing. Mayer: Ich möchte auf die Unter-stellungen vom Herrn Abg. Purtscher nicht ein-gehen, nur etwas feststellen, daß er offenbar zu jenen Leuten gehört, die da wie Wilhelm Busch sagen: „Also schließt er messerscharf, daß nicht ist, was nicht sein darf. Ich möchte also noch einmal ganz klar feststellen, Herr Kollege Eß, wir bekennen uns nicht nur zu einzelnen Punkten des § 25, wir glauben sogar, daß der gesamte § 25 ein gutes und brauchbares Instrument ist, um Grund-eigentümer zu entschädigen. Wenn Sie glauben, daß wir nicht den Mut hätten, zu sagen, wir lehnen Entschädigungen ab, so darf ich Ihnen den Gegenbeweis damit bringen, daß wir dort, wo wir für eine örtliche Gemeinschaft Verantwortung tragen, Entschädigungen auch bisher in weitestem Maße praktiziert haben. Nur etwas möchte ich noch einmal betonen: Wir sehen den §.25 als einen völlig einseitigen Paragraphen an. Es wäre an der Regierung gewesen und an ihren Fachleuten vor allem gewesen, uns als Nichtfachleuten auf solche Fragen durch Expertisen zumindestens den Versuch zu bestätigen, daß man auch den Steuer-zahler, der ja schließlich die Entschädigungen zu zahlen hat, es ermöglicht, durch eine Planwert-abschöpfung oder durch einen Planwertausgleich, über diese Fragen hätte man ja reichlich vorher

sich durch Experten beraten lassen können, daß man eben den Versuch gemacht hätte, auch den Steuerzahler zu entlasten.

Präsident: Weitere Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Der Herr Berichterstatter hat das Schlußwort zum § 25.

Dr. Sutterlüty: Wenn soeben gesagt worden ist, daß der § 25 doch ein gutes und brauchbares Instrument darstellt, so finden wir das, so glaube ich, alle richtig. Vielleicht noch eine Frage namens der Ausschüsse: Wenn der § 25 glücklicherweise ein gutes und brauchbares Instrument darstellt, und brauchbares, wie es geheißen hat (Zwischenruf Dipl.-Ing. Mayer: Einseitig!), dann frage ich mich: Wieso soll man da noch Expertisen einholen, wenn das Instrument ohnehin gut und brauchbar ist? (Zwischenruf Dipl.-Ing. Mayer: Sie sind hier doch nicht Politiker!) Dies frage ich namens der Ausschüsse, die es nämlich auch nicht für notwendig befunden haben, daß man noch Expertisen einholt. Die Frage darf ich ohne weiteres stellen.

Dann noch einmal kurz zum Planwertausgleich. Ich glaube, man sollte das Problem nicht zu überspitzt sehen. Wenn nämlich die Gemeinden in Zukunft mehr als bisher hergehen werden und die Möglichkeiten zur Einhebung von Erschließungs-beiträgen voll ausschöpfen, dann wird der Mehrwert auch nicht mehr so groß sein. Wenn die Gemeinden also kostendeckende Kanalgebühren einheben, Wasseranschlußgebühren, Gehsteig-beiträge, Erschließungsbeiträge nach dem Straßen-gesetz, wenn das die Gemeinden alles tun, dann wird das Problem meines Erachtens gar nicht so schwerwiegend sein.

Präsident: Wir kommen nun, da das doch beantragt worden ist, wie ich aus den Ausfüh-rungen des sozialistischen Sprechers entnehme, zur Abstimmung über diesen Paragraph in gesonderter Form. Wer dem § 25 in der vorgeschlagenen Fassung der Ausschüsse die Zustimmung gibt, wolle mit der Hand ein Zeichen geben. Ich darf feststellen, daß dieser Antrag angenommen ist. Wir kommen zum II. Abschnitt.

Dr. Sutterlüty: § 26 - Allgemeines. Bisher standen die Bestimmungen über die sogenannten Verbauungspläne in der Landesbauordnung. Weil es sich doch .um raumplanerische Maßnahmen handelt, sollen diese Bestimmungen in das Raum-planungsgesetz Eingang finden und gleichzeitig aber auch ausgestaltet und modernisiert werden. Es ist grundsätzlich möglich, auch ohne Flächen-widmungspläne Verbauungspläne zu erlassen.

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Ganz kurz zum Inhalt dieses Paragraphen. Die Gemeinde hat also solche Pläne zu erlassen, wenn insbesondere neue Gebiete bebaut oder schon bestehende bebaute Gebiete neu gestaltet werden sollen. Weiters hat sie solche Pläne zu erlassen aus Gründen des Landschafts- und Ortsbildes oder dann, wenn ein Umlegungsverfahren durchgeführt werden soll. Und diese Bebauungspläne dürfen selbstverständlich Landesraumplänen und dem Flächenwidmungsplan nicht widersprechen. Was hat ein solcher Plan alles zu beinhalten? Das ist im Detail im Abs. 3 dargestellt. Ich möchte nicht alle diese Punkte aufzählen. Zu bemerken ist, daß die Gemeinde wohl alle diese Punkte des Abs. 3 im Bebauungsplan berücksichtigen kann, aber nicht muß. Sie kann nur einzelne Punkte im Bebauungs-plan festlegen, muß aber nicht alle diese detaillierten Bestimmungen im Bebauungsplan berücksichtigen.

Präsident: Der § 26 steht zur Diskussion. Es liegt keine Wortmeldung vor. § 27.

Dr. Sutterlüty: Verfahren. Das Verfahren zur Erlassung eines Bebauungsplanes entspricht im wesentlichen dem Verfahren zur Erlassung eines Flächenwidmungsplanes. Die Gemeinde hat zu-nächst einen Entwurf zu erstellen. Der ist zur allgemeinen Einsicht aufzulegen. Es kann dann jeder Gemeindebürger oder betroffene Grund-eigentümer schriftlich oder mündlich Änderungs-vorschläge erstatten. Sodann ist dieser Plan zu beschließen und der Landesregierung auf jeden Fall vorzulegen. Die Regierung hat dann entweder den Plan zu genehmigen, wenn er genehmigungs-pflichtig ist und entspricht, oder sie hat ihn nur zur Kenntnis zu nehmen. Er ist dann genehmigungspflichtig, wenn der Bebauungsplan überörtliche Interessen berührt.

Präsident: Wünscht jemand zum § 27 das Wort? Nicht der Fall. § 28.

Dr. Sutterlüty: § 28 ist unverändert aus der Regierungsvorlage übernommen worden. Ich habe dazu keine Bemerkungen.

Präsident: Besteht eine Wortmeldung? Nicht der Fall. §29.

Dr. Sutterlüty: Auch § 29 stammt unverändert aus der Regierungsvorlage. Auch dazu keine Bemerkungen.

Präsident: Es liegt ebenfalls keine Wortmeldung vor. § 30.

Dr. Sutterlüty: Maß der baulichen Nutzung. Mit diesem Paragraphen soll erreicht werden, daß der vorhandene Bauraum optimal ausgenützt wird.

Präsident: Wünscht jemand das Wort dazu? Nicht der Fall. Dann kommen wir zum § 31.

Dr. Sutterlüty: Auch zum §31 ergeben sich keine besonderen Bemerkungen. Er ist inhaltlich im großen und ganzen aus der bisherigen Landes-bauordnung übernommen worden.

Präsident: Es liegt keine Wortmeldung vor. Dann kommen wir zu § 32.

Dr. Sutterlüty: Wie schon an anderen Gesetzes-stellen ist die Dauer der Bausperre, d.h. die Verlängerungsmöglichkeit um ein Jahr gekürzt worden, von zwei Jahren auf ein Jahr.

Präsident: Wünscht jemand das Wort. Es ist nicht der Fall. § 33.

Dr. Sutterlüty: Auch dieser Paragraph ist un-verändert aus der Regierungsvorlage übernommen worden. Ich habe dazu keine besonderen Bemerkungen.

Präsident: Wünscht jemand das Wort dazu? Nicht der Fall. Dann haben wir das III. Hauptstück erledigt und kommen zum IV. Hauptstück — Teilung von Grundstücken.

Dr. Sutterlüty: Das IV. Hauptstück ist dem Inhalte nach im wesentlichen aus dem bisherigen Grundteilungsgesetz übernommen worden. Diese Tatsache, daß das Grundteilungsgesetz im Raum-planungsgesetz Aufnahme finden soll und daß zudem im Raumplanungsgesetz das Umlegungs-verfahren und das Verfahren über die Grenz-änderung Aufnahme finden sollen, war eigentlich der Hauptgrund, daß das Gesetz doch länger geworden ist als der seinerzeitige Initiativantrag der Sozialisten. Es ist ja gestern auch des langen und breiten darüber gesprochen worden. Also diese drei Gründe haben meines Erachtens dazu geführt, daß die Vorlage länger geworden ist als die SPÖ-Initiative, weil eben dort die Grundteilungs-bestimmungen, die Umlegungsbestimmungen und die Grenzänderungsbestimmungen nicht enthalten waren.

Zum Inhalt dieser §§34 und 35 ist zu sagen, daß sie im wesentlichen dem bisherigen Grund-teilungsgesetz entsprechen. Eine Änderung liegt darin, daß nunmehr nicht der Bürgermeister, sondern der Gemeindevorstand für die Grund-teilungen zuständig ist. Es ist auch nach wie vor

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bei land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken die Grundverkehrskommission anzuhören, aller-dings dann nicht, wenn das betreffende Grund-stück bei Vorhandensein eines Flächenwidmungs-planes in Zonen landwirtschaftlicher Gebiete oder in Mischgebieten liegt.

Präsident: Wünscht jemand zum § 34 das Wort? §35.

Dr. Sutteriüty: Bereits erledigt.

Präsident: Jawohl! Dann kommen wir zum V. Hauptstück — Umlegung und Grenzänderung bei Grundstücken.

Dr. Sutteriüty: 1. Abschnitt — Umlegung von Grundstücken. § 36 — Begriff und Zweck. Das Baulandumlegungsverfahren soll gewissermaßen das Gegenstück zur Zusammenlegung nach dem Flurverfassungsgesetz bilden. Es ist schon die letzten Jahre wiederholte Male und immer wieder von Gemeinden und auch von der VOGEWOSI der Wunsch" vorgetragen worden, daß im neuen Raum-planungsgesetz Bestimmungen über die Bauland-umlegung aufgenommen werden sollen. Dadurch soll eben erreicht werden, daß sich mehr Bebauungsmöglichkeiten ergeben und daß die Baugrundstücke auch wirtschaftlicher erschlossen werden können.

Der Abs. 1 des § 36 bringt eine Begriffs-bestimmung dieser Baulandumlegung und Kriterien, die für die Zulässigkeit der Umlegung vorliegen müssen. Zu Abs. 2 wäre erläuternd festzustellen, daß unter den bebauten Flächen auch die Abstandsflächen im Sinne des Bau-gesetzes zu verstehen sind. Im übrigen ist der Inhalt der Regierungsvorlage im § 36 übernommen worden.

Präsident: Wünscht zum § 36 jemand das Wort? Es ist nicht der Fall. § 37.

Dr.Sutteriüty: Einleitung des Verfahrens. Das Baüumlegungsverfahren kann nur über Antrag eingeleitet werden, nicht also von Amts wegen, und zwar entweder über Antrag der Eigentümer, die mindestens die Hälfte der umzulegenden Fläche besitzen, oder über Antrag der Gemeinde mit Zustimmung eines Drittels jener Eigentümer, die ein Drittel der umzulegenden Fläche besitzen.

Präsident: Wünscht jemand das Wort dazu? Der Herr Abg. Dipl.-Ing. Mayer.

Dipl.-Ing. Mayer: Hohes Haus! Im § 37 Abs. 1 lit. b wird, wenn man eine Nachrechnung anstellt,

darauf kommen, daß die Gemeinde etwa dasselbe Recht hat, ein Verfahren einzuleiten, wie das einem Sechstel der Grundeigentümer zukommt, denn einerseits kann die Hälfte der Grundeigen-tümer ein solches Verfahren einleiten, andererseits die Gemeinde mit Zustimmung von mindestens einem Drittel. Und wenn Sie das nachrechnen, so ist die Differenz zwischen der Hälfte und einem Drittel ein Sechstel. (Zwischenruf) Die Hälfte zwischen einem Drittel und der Hälfte ist ein Sechstel, nicht wahr? Sind wir einmal ausnahms-weise einstimmig? Ich glaube also, daß man hier der Gemeinde ein relativ geringes Recht einräumt, ein Umlegeverfahren einzuleiten. Wir vertreten daher dieselbe Ansicht wie die hohe Beamten-schaft der Landesregierung, die dieses Gesetz ja erarbeitet hat, daß der § 37 Abs. 1 wie folgt zu lauten hat:

„Ein Antrag auf Durchführung eines Um-legungsverfahrens ist zulässig, wenn er a) von der Gemeinde oder b) von den Eigentümern minde-stens der Hälfte der umzulegenden Grundfläche gestellt wird."

Ich bitte, diesem Antrag die Zustimmung zu erteilen.

Präsident: Der Antrag ist im Ausschuß gestellt worden, und die Schriftform ist damit gewahrt. Der Herr Abg. Dr. Purtscher hat das Wort.

Dr. Purtscher: Meine Dame, meine Herren! Es ist amüsant, die Argumentation von Herrn Bürger-meister Mayer zu hören, worin er sich also auf die hohe Beamtenschaft dieses Hauses stützt, um das Argument zu bringen, daß ein Sechstel der Grund-eigentümer kein Äquivalent wäre für die Gemeinde. Nun ich glaube, das ist nicht so auszulegen. Herr Bürgermeister, Sie wissen selbst, welche Möglich-keiten die Gemeinde gerade auch im Rahmen eines Umlegungsverfahrens hat. Darauf ist auch bei den Ausschußberatungen verwiesen worden. Sie kann nämlich das Umlegungsgebiet eben entsprechend vergrößern und hat damit auch die Möglichkeit, eben mehr Grundeigentümer oder zumindestens mehr Grundfläche einzubeziehen und hat damit viele Chancen, dieses Umlegungsverfahren zu ermöglichen, die eben die Grundeigentümer in Summe nicht haben. Es ist auch hier eben wieder eine Frage, wie man zum Grundeigentum steht. Soll grundsätzlich ohne Zustimmung zumindest einer geringen Minderheit von Grundeigentümern ein doch weitgehendes, die Eigentumsrechte zum Teil beschneidendes Verfahren eingeleitet werden. Wir hatten die Meinung, daß, wenn der Antrag von den Grundeigentümern selbst ausgeht, die Hälfte der umzulegenden, also die Grundeigentümer der Hälfte der umzulegenden Fläche diesen Antrag

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stellen sollen. Wenn aber die Gemeinde selbst auch an diesem Verfahren interessiert ist, und das wird in den meisten Fällen sein, dann genügt ein Drittel. Wir haben aber die Auffassung, die wir übrigens auch bei der Grenzänderung vertreten, wo wir allerdings abstimmen, daß zumindestens ein Grundstückseigentümer die Grenzänderung mit beantragen muß, daß es eben nicht zu einem Verfahren kommen soll gegen den Willen aller Grundeigentümer. Ich glaube, das wäre nicht richtig, denn auch hier gibt es gewisse Grenzen der Einflußnahme. Soll also ein größeres Gebiet umgelegt werden, so ist es glaube ich absolut im Interesse des Eigentumsschutzes vertretbar und von der Gemeinde auch zu verwirklichen, das Verfahren dennoch realisieren zu können.

Präsident: Der Herr Abg. Eß hat das Wort.

Eß: Hoher Landtag! Ich verrate Ihnen glaube ich kein Geheimnis, wenn ich Ihnen sage, daß die Meinungen in unserem Klub über diesen Para-graphen geteilt waren. Aus der Sicht der Gemeinde war man der Auffassung, es müßte der Gemeinde unbedingt möglich sein, von sich aus das bean-tragen zu können. Die Beratungen mit den vielen Gemeindevertretern haben dann doch zu einer anderen Auffassung geführt. Ich glaube, wir sind uns klar darüber, daß das Umlegungsverfahren jetzt auch für Baugründe in der Durchführung des Flächenwidmungsplanes, in der Durchführung einer vernünftigen Lösung der Bauentwicklung usw. für die Gemeinden außerordentlich wichtig ist. Ich möchte sagen, es wäre gar nicht möglich, den Flächenwidmungsplan durchzuführen, jeden-falls in absehbarer Zeit durchzuführen, wenn nicht diese Möglichkeit der Umlegung geschaffen würde. Was dann aber schlußendlich den Ausschlag gegeben hat, daß wir entgegen der ursprünglichen Fassung der Regierungsvorlage doch diesem Drittel zugestimmt haben, war die Meinung, daß eine volksnahe Gemeindeverwaltung unbedingt in der Lage sein muß, so zu überzeugen, daß ein Drittel der Bürger damit einverstanden sein wird. Herr Bürgermeister Mayer, wenn ich jetzt etwa denke, was man in der Presse liest über das, was in Graz passiert ist und daß dort Bürgerinitiativen gefordert werden, mehr Beachtung für Bürger-initiativen, dann halte ich den Weg, die Bürger vorher zu fragen als erst nachher auf die Initiativen einzugehen für wesentlich besser. Und deshalb halten wir die jetzige Lösung doch — sagen wir im Sinne einer volksnahen Gemeindedemokratie — für besser.

Präsident: Der Herr Abg. Dipl.-Ing. Mayer.

Dipl.-Ing. Mayer: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich glaube, Herr Abg. Eß und Kollege, Sie müssen mir keine Vorträge halten über Bürgerinitiativen. Wir haben in Bregenz gezeigt, daß wir (Zwischen-ruf Eß: Ich habe von Graz gesprochen und Sie nicht belehrt!) davon etwas verstehen, aber die Argumentation (Zwischenrufe), die Argumen-tation vom Herrn Dr. Purtscher, nicht wahr, der kann ich also bei Gott nicht Folge leisten, daß ein cleverer Bürgermeister, obwohl er genau weiß, daß Umlegungsverfahren nur über ein bestimmtes Gebiet sachlich richtig sind, einfach so vorgeht, daß er einfach dann, wenn die Leute da nicht dieses Drittel der Zustimmung bringen können, daß man ganz einfach aus unsachlichen Er-wägungen heraus und nur aus gewissen Mani-pulationsinteressen das Gebiet solange vergrößert, bis man dieses Drittel bekommt. Herr Dr. Purtscher, da kann ich Ihnen also nicht bei-pflichten und ich glaube, daß das kerne Sachfrage ist. Ich könnte mir jedenfalls nicht vorstellen, daß ich als Bürgermeister so vorgehen würde.

Präsident: Weitere Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Der Herr Berichterstatter verzichtet. Ich lasse über den Antrag, den der Herr Abg. Dipl.-Ing. Mayer gestellt hat — ich verweise, daß er im Regierungsantrag § 34 Abs. 1, Seite 164 der 10. Beilage enthalten ist —, abstimmen. Wer diesem Antrag des Herrn Dipl.-Ing. Mayer die Zustimmung gibt, wolle mit der Hand ein Zeichen geben. Danke, ich stelle fest, daß dieser Antrag nicht die nötige Mehrheit gefunden hat und lasse nun über die andere Form des Antrages, nämlich den Ausschußantrag des § 34 Abs. 1 abstimmen. Wer diesem Abs. 1 die Zustimmung gibt, wolle mit der Hand ein Zeichen geben. Danke, diese Formu-lierung ist angenommen. Dann kommen wir zum § 38.

Dr. Sutterlüty: Rechtswirkungen der Einleitung des Verfahrens. Eine wesentliche Wirkung der Einleitung des Verfahrens liegt darin, daß Grund-stücksteilungen, Einräumung von Bau- und Wege-rechten, Bauführungen sowie Veränderungen in bezug auf die Nutzbarkeit der einbezogenen Grundstücke nur noch mit Genehmigung der Landesregierung vorgenommen werden dürfen.

Präsident: Wünscht jemand das Wort zum § 38? Nicht der Fall. § 39.

Dr. Sutterlüty: § 39 wurde praktisch unver-ändert aus der Regierungsvorlage übernommen. Keine Bemerkungen dazu.

Präsident: Wünscht jemand das Wort zum

. Sitzung des XXI. Vorarlberger Landtages im Jahre 1973

§ 39? Es ist nicht der Fall. § 40.

Dr. Sutterlüty: Neuverteilung. Der § 40 bringt die Grundsätze, die bei der Neuverteilung der Grundstücke anzuwenden sind. Der Hauptgrund-satz ist wohl darin zu erblicken, daß jeder Grundeigentümer der Grundstücke eingebracht hat, auch Anspruch hat, daß er wiederum Grund-stücke, also ein neues Grundstück bekommt, es sei denn, er hätte ein Grundstück eingebracht, das wegen der Kleinheit gar nicht verbaubar war.

Präsident: Wünscht jemand das Wort dazu? Es ist nicht der Fall. § 41 — Gemeinsame Anlagen.

Dr. Sutterlüty: Die gemeinsamen Anlagen betreffen insbesondere Straßen, Abstellplätze, Kinderspielplätze, Grünflächen u.dgl. Die Flächen, die für die gemeinsamen Anlagen benötigt werden, sind im Verhältnis des Wertes der eingebrachten Grundstücke aufzubringen. Die Kosten für die Herstellung und die Erhaltung hingegen sind nach dem Verhältnis des Wertes der zugewiesenen Grundstücke und des Vorteiles der gemeinsamen Anlagen zu tragen.

Präsident: Wünscht jemand das Wort? Es ist nicht der Fall. Dann kommen wir zum nächsten Paragraph.

Dr. Sutterlüty: Auflage des Umlegungsplanes. Hier haben sich in den Ausschüssen keine Änderungen gegenüber der Regierungsvorlage er-geben. Keine Bemerkungen dazu.

Präsident: Wünscht jemand das Wort dazu? Nicht der Fall. Nächster Paragraph.

Dr. Sutterlüty: Umlegungsbescheid. Dazu meinerseits keine Bemerkungen.

Präsident: Wünscht jemand das Wort? Nicht der Fall. Nächster Paragraph.

Dr. Sutterlüty: Rechtswirkungen des Um-legungsbescheides. Der Umlegungsbescheid zieht folgende wichtige Rechtswirkungen nach sich; 1. Die bisherigen Eigentumsrechte an den einbe-

zogenen Grundflächen gehen unter und werden durch den Bescheid neu begründet:

2. es muß der Grundbuchstand von Amts wegen berichtigt werden und

3. beginnen mit dem Bescheid die Fristen für die Geldleistungen und Geldabfindungen zu laufen. Es ist zu erwähnen, daß die Gemeinde die

Zahlstelle für die Geldleistungen und die Aus-zahlung der Geldabfindungen sein soll. Man hat

darin eine rechtlich und praktisch vertretbare Lösung gesehen. Auch das Tiroler Raumordnungs-gesetz sieht die Gemeinden als Zahlstelle vor. Allerdings sollen den Gemeinden auf Grund dessen keine Zinslasten erwachsen, und deswegen ist im Gesetz bestimmt, daß die Geldleistungen einen Monat vor den Geldabfindungen fällig sind.

Präsident: Wünscht jemand das Wort? Es ist nicht der Fall. § 45.

Dr. Sutterlüty: Rechte Dritter. Der Inhalt dieses Paragraphen stammt nahezu unverändert aus der Regierungsvorlage.

Präsident: Wünscht zum § 45 jemand das Wort? Es ist nicht der Fall, § 46.

Dr. Sutterlüty: Gebühren- und Abgaben-befreiung, Kosten. Auch zu diesem Paragraphen habe ich als Berichterstatter nichts zu bemerken.

Präsident: Wünscht jemand das Wort zum § 46? Es ist nicht der Fall. Dann kommen wir zum 2. Abschnitt.

Dr. Sutterlüty: § 47 — Begriff und Zweck. Es ist zunächst allgemein zu sagen, daß die Bestim-mungen über die Grenzänderung praktisch eine Umlegung im kleinen bedeuten. Es sollen aber nicht Grundstücke zusammengelegt und neu auf-geteilt werden, sondern lediglich die Grenzen entsprechend verändert werden, damit eben besse-re Bebauungsmöglichkeiten geschaffen werden können.

Präsident: Wünscht dazu jemand das Wort? Es ist nicht der Fall. § 48.

Dr. Sutterlüty: Dazu habe ich keine Bemerkun-gen.

Präsident: § 49.

Dr. Sutterlüty: Auch zum § 49 nicht.

Präsklent: Damit ist das V. Hauptstück erledigt. Wünscht jemand das Wort? Der Herr Abg. Dr. Reichart wünscht noch das Wort zum §49.

Dr. Reichart: Hohes Haus! Zum § 49 habe ich in beiden Ausschüssen einige Bedenken geäußert, und zwar kann sich der Fall ergeben — das ist mir in mehreren Dingen demonstriert worden —, daß unter Umständen mehrere Grundstücke, die absolut die nötige Größe für einen Bauplatz

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hätten, 12 bis 14 Ar, daß sie aber wegen der Form des Grundstückes nicht bebaubar sind, daß also Eigentümer solcher Grundstücke eine Grenz-änderung beantragen. Und hier genügt es, wenn ein einziger schon das Verlangen stellt. Nun habe ich darauf hingewiesen, daß hier, obwohl es grund-sätzlich heißt, daß nach Abschluß des Verfahrens nach Möglichkeit keine größeren Veränderungen in der Gesamtfläche der einzelnen Grundstücke eintreten dürfen und daß, wenn kleine, also kleine Einbussen bei einem Grundstück erfolgen, daß also hier die Geldabfindung aufgebracht werden muß. Das ist ganz klar. Es wurde mir auch erwidert, daß es sich hier höchstens um zwei bis drei Quadrat-meter handeln könne, weil sich wegen der Grenz-ziehung, wegen der Vermessungsarbeiten unter Umständen nicht anders machen lasse. Das ist ganz klar, das sieht man ein. Es ist aber dann von mir auch darauf hingewiesen worden, daß die Folgen eines solchen Verfahrens nach anderen Gesetzen, z.B. nach dem Straßengesetz, einen Grundeigen-tümer arg betreffen können. Er hat z.B., weil er ein größeres Grundstück hatte, zugunsten der anderen bei der Grenzänderung ganz winzige Einbussen erlitten, die also vielleicht gar nicht ins Gewicht fallen. Wenn aber das Verfahren abgeschlossen ist und zu einem späteren Zeitpunkt dann eben ein entsprechender Bebauungsplan durchgeführt wird, so daß also jetzt in diesem durch Grenzänderung geschaffenen Gebiet gebaut werden kann, während früher vielleicht keiner außer einem oder zwei Beteiligten bauen hätten können, dann kommt nach einem ganz anderen Gesetz, zum Teil von einer ganz anderen Behörde, zum Teil unter Mitwirkung ganz anderer Beamten als derenigen, die bei der Grenzänderung mitgewirkt haben, eben unter Umständen heraus, daß derjenige, der zugunsten mehrerer anderer schon ein kleines Opfer gebracht hat, für gewisse Freiflächen, Straßen oder Kindergärten oder was immer, noch einmal zum Handkuß kommt, und zwar im ärgeren Maße als wie vorher. Ich habe daher angeregt, daß hier in diesem Paragraphen nicht nur die Geld-abfindungen geregelt werden, sondern daß man auch einen Passus einbringen sollte, wonach bei einem späteren Verfahren einer, der schon Opfer gebracht hat, nur in dem verhältnismäßigen Maße herangezogen werden soll, wie auch die anderen herangezogen werden, die schon durch die Grenz-änderung profitiert haben. Diese meine Anregung hat im Ausschuß keine Mehrheit gefunden. Ich allein stelle keinen Antrag, werde aber diesem Paragraphen meine Zustimmung nicht geben.

Präsident: Wünscht jemand noch das Wort? Herr Berichterstatter? Nicht. Ich habe also über Wunsch des Herrn Abg. Dr. Reichart über den § 49

gesondert abzustimmen. Wer ihm die Zustimmung gibt, wolle bitte mit der Hand ein Zeichen geben. Danke, er ist angenommen. Dann kommen wir zum VI. Hauptstück — Straf-, Übergangs- und Schlußbestimmungen.

Dr. Sutterlüty: § 50 - Strafen. Hier wäre zu erwähnen, daß im Ausschuß ein'Antrag der SPÖ angenommen wurde, wonach die Möglichkeit der Arreststrafenverhängung im Gesetz gestrichen werden soll. Dies ist dann auch im Ausschuß geschehen.

Präsident: Meldet sich jemand zum Wort? Es ist nicht der Fall. §51.

Dr. Sutterlüty: Übergangsbestimmungen. In den Übergangsbestimmungen werden folgende Probleme einer Lösung zugeführt: 1. Das rechtliche Schicksal der rechtswirksamen

Flächenwidmungspläne nach dem Wohn-siedlungsgesetz.

2. Das rechtliche Schicksal der rechtswirksamen Verbauungspläne, die nach der Landesbau-ordnung erlassen worden sind.

3. Das rechtliche Schicksal der rechtskräftigen Grundteilungsbewilligungen nach dem Grund-teilungsgesetz.

4. Die Weiterführung bereits anhängiger Verfahren zur Erlassung eines Flächenwidmungsplanes oder eines Bebauungsplanes.

5. Die Frist zur Erlassung von Flächenwidmungs-plänen.

6. Das Problem der Ferienwohnhausregelung bis zur Erlassung von Flächenwidmungsplänen. Also diese sechs Probleme werden in den

Übergangsbestimmungen geregelt. Dazu wäre im einzelnen zu sagen:

Die rechtswirksamen Flächenwidmungspläne, die nach dem Wohnsiedlungsgesetz geschaffen worden sind, treten mit dem neuen Gesetz außer Wirksamkeit; denn es hat der Gesetzgeber keine Möglichkeit, zu sagen, daß Verordnungen aufrecht bleiben. Für die Erlassung von Verordnungen ist eben die Exekutive zuständig, nicht der Gesetz-geber. Und deswegen enthält das Gesetz den Passus, daß die Gemeindevertretung die bisher rechtswirksamen Flächenwidmungspläne nach Erlassung dieses Gesetzes neu beschließen muß. Diese Pläne können unverändert übernommen werden, es sei denn, daß sie den Vorschriften dieses Gesetzes nicht entsprechen oder sich nicht auf das gesamte Gemeindegebiet beziehen. Dann ist die Gemeinde verpflichtet, den Plan binnen fünf Jahren so zu ändern, daß er auch dem neuen Gesetz entspricht.

Ganz analog zu den Flächenwidmungsplänen ist

. Sitzung des XXI. Vorarlberger Landtages im Jahre 1973

auch für die Bebauungspläne eine Übergangs-bestimmung geschaffen worden, die besagt, daß die Gemeinden diese Bebauungspläne ebenfalls neu zu beschließen haben. Sie können unverändert übernommen werden, es sei denn, daß sie in gewissen Punkten rechtswidrig wären: Dann müssen sie innerhalb von fünf Jahren dem neuen Gesetz angeglichen werden.

Die erteilten Bewilligungen nach dem Grund-teilungsgesetz bleiben aufrecht.

Soweit Verfahren nach dem Wohnsiedlungs-gesetz zur Erlassung von Flächenwidmungsplänen oder nach der Landesbauordnung zur Erlassung von Verbauungsplänen bereits im jetzigen Zeit-punkt eingeleitet sind, sind diese Verfahren nach den Bestimmungen des neuen Gesetzes fortzu-führen.

Es war die Frage in den Ausschüssen, ob man den Gemeinden für die Erlassung von Flächen-widmungsplänen eine Frist setzen soll. Die Regierungsvorlage hatte keine Fristsetzung vor-gesehen. Die Ausschüsse haben hingegen die Meinung vertreten, daß es zweckmäßig wäre, dazu eine Frist festzulegen, und das ist nun in der Ausschußvorlage geschehen. Innerhalb von fünf Jahren sind also alle Gemeinden verpflichtet, Flächenwidmungspläne für das gesamte Gemeinde-gebiet zu erstellen, es sei denn, es würden dieser Verpflichtung praktisch unüberwindbare Hinder-nisse entgegenstehen. Dann kann die Landes-regierung von dieser Frist eine Ausnahme machen, sofern nicht mit der Ausnahme die Raumplanungs-ziele gefährdet würden.

Im Abs. 6 ist eine Regelung für die Ferienwohn-häuser geschaffen worden, und zwar bis zu jenem Zeitpunkt, zu dem es zur Erlassung von rechts-wirksamen Flächenwidmungsplänen kommt. Bis dahin bedarf also die Errichtung jedes Ferienwohn-hauses einer besonderen Bewilligung der Gemeindevertretung. Und diese Bewilligung bedarf zusätzlich der Genehmigung der Landesregierung, die auch die Auflage stellen kann, daß im Falle der Genehmigung ein Verbauungsplan für diese Ferien-wohnhausgebiete zu erstellen ist.

Im Zusammenhang mit § 51 ist die Frage gestellt worden: Ja, was geschieht, wenn die Gemeinden der Verpflichtung zur Erlassung von Flächenwidmungsplänen nicht nachkommen? Es ist dabei auf den § 83 des Gemeindegesetzes verwiesen worden, der eben die Möglichkeit der Ersatzvornahme vorsieht. Es ist auch der Wunsch geäußert worden, daß diese Möglichkeit im Gesetz ausdrücklich einen Niederschlag finden soll. Der Cheflegist hat dazu warnend den Finger erhoben und erklärt, daß damit der Landtag eine Todsünde, eine legistische Todsünde, begehen würde. Nun, wenn auch der Landtag hin und wieder läßliche

Sünden begehen mag, Todsünden will er jedenfalls keine begehen, und deswegen hat man also diesen § 83 des Gemeindegesetzes nicht eigens im Gesetz noch ausdrücklich zitiert.

Präsident: Damit ist der Bericht über den § 51 erledigt. Wer wünscht dazu das Wort? Es ist nicht der Fall. § 52.

Dr.Sutterlüty: Dazu keine besondere Bemer-kung.

Präsident: Wünscht jemand zum § 52 das Wort? Es ist nicht der Fall. Und nun § 53.

Dr. Sutterlüty: Auch zu § 53 ergeben sich aus meiner Warte keine Bemerkungen.

Präsident: Wünscht zum § 53 jemand das Wort? Es ist nicht der Fall. Ich lasse nun vom § 20 an über das, was noch nicht abgestimmt wurde in einem abstimmen. Abgestimmt wurde bereits über § 25 im ganzen, über den § 37 Abs. 1 und über den § 49. Wer die Zustimmung erteilt, wolle mit der Hand ein Zeichen geben. Danke sehr! Titel und Eingang des Gesetzes.

Dr.Sutterlüty: Das Gesetz hat den Titel „Gesetz über die Raumplanung (Raumplanungsgesetz — RPG.)".

Präsident: Wünscht dazu jemand das Wort? Es ist nicht der Fall. Wer mit Titel und Eingang des Gesetzes einverstanden ist, wolle bitte mit der Hand ein Zeichen geben. Danke! Damit ist die 2. Lesung dieses Gesetzes abgeschlossen. v

Dr. Sutterlüty: Namens der beiden Ausschüsse stelle ich den Antrag, daß dem Gesetz auch in 3. Lesung die Zustimmung erteilt wird.

Präsident: Wünscht zur 3. Lesung jemand das Wort? Es ist nicht der Fall. Wer dem Gesetz in 3. Lesung die Zustimmung gibt, wolle bitte mit der Hand ein Zeichen geben. Danke! Damit ist die Beratung dieses wichtigen Gesetzes abgeschlossen. Ich danke dem Herrn Berichterstatter für die umfangreiche Arbeit, die die Berichterstattung verursacht hat, vor allem auch für die Schriftfüh-rung im Ausschuß, die bei 20 Stunden Beratungs-tätigkeit des Ausschusses allein schon sehr umfang-reich werden mußte. Wir hoffen alle, daß damit der XXI. Vorarlberger Landtag in der Frage der Raumplanung einen wichtigen Baustein gesetzt hat und daß dieses Gesetz eine fortschrittliche und hoffnungsvolle Entwicklung für unser Land ermög-licht.