Patientensicherheit in der Schweiz · Prevalence Survey 2017 of healthcare-associated ......
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15.11.2019
1
Patientensicherheit
in der Schweiz
Wo stehen wir – wo geht es hin?
Prof. Dr. David Schwappach, MPH
Direktor, Stiftung für Patientensicherheit
Topkadertagung Patientensicherheit Schweiz
Zürich
Was wissen wir über die
Patientensicherheit in der Schweiz?
2
Häufige unerwünschte Ereignisse im SpitalHocheinkommensländer
3
Inzidenz /
100 Aufnahmen
Mill. Fälle /
Jahr
Katheter-assoziierter Harnwegsinfekte 1.1 1.4
Gefässkatheter-assoziierte Infektionen 0.4 0.5
Nosokomiale beatmungsass. Pneumonien 0.8 1.0
Venöse Thromboembolie 3.3 3.9
Unerwünschte Arzneimittelereignisse 5.0 5.8
Stürze im Spital 1.1 1.3
Dekubital Ulcera 2.4 2.9
Gesamt 14.2 16.8
Jha, Larizgoitia, Audera-Lopez, Prasopa-Plaizier, Waters, Bates. doi: 10.1136/bmjqs-2012-001748
CH ~200'000 Patienten
- 12.3% der Hospitalisationen mind 1 AE
- 6.4% der Hospitalisationen mind 1 PAE
- Chirurgische Patienten besonders
stark betroffen
Halfon, Staines, Burnand. doi: 10.1093/intqhc/mzx061 4
Schwappach. doi:10.1111/j.1369-7625.2011.00755.x
4.5
6.0
4.6
2.2
6.4
2.2
4.5
8.68.1
4.95.3
05
10
15
An
teil
Ja
[%
]
AUS CAN NZ UK US GER NETH FRA NOR SWE SWITZ
Data weighted for gender, age, education, regionData: The Commonwealth Fund's 2010 lnternational Survey of the General Public's Views oftheir Health Care System's Performance in Eleven Countries
In den letzten 2 Jahren, ist Ihnen je ein falsches Medikament oder einefalsche Dosierung von einem Arzt, einer Krankenschwester,
einem Spital oder Apotheker gegeben worden?
Medikationsfehler aus Patientensicht
5
Hôpitaux Universitaires de Genève / SwissNoso: Point
Prevalence Survey 2017 of healthcare-associated
infections and antimicrobial use in Swiss acute care
hospitals. Coordination Center Prevalence Study 2018
ECDC prevalence study 2011/2012
6
Nosokomiale Infektionen
http://www.faz.net/aktuell/wissen/medizin/operationen-der-
fremdkoerper-im-bauch-1412156.html
http://www.mopo.de/gesundheit/pfusch-schere--nadeln--was-aerzte-bei-ops-
vergessen,5066780,21923468.html
Blick, publiziert am 28.09.2017 7
Health at a Glance 2019: OECD indicators - © OECD 2019: https://doi.org/10.1787/888934016018
Unbeabsichtigt belassene Fremdkörper
8
9
Ereignis-Typ Anzahl
Eingriffsverwechslung 165
Unbeabsichtigt intraoperativ belassene
Fremdköper91
Falsches Implantat / Prothese 58
Falscher Applikationsweg Medikation
(z.B. intravenös statt epidural)10
Fehllage Sonde
(z.B. Sondennahrung in den Atemwegen)26
Andere 73
Gesamt 423
NHS Improvement. Provisional publication of Never Events reported as occurring between 1 April 2018 and 01 January 2019
"Never events", UK (04.2018 – 01.2019, 10 Monate)
10
Erfahren Sie es als Riskmanager/in wenn ein
«never event» passiert ist? %
Ja, formell, z. B. über einen Meldeweg 44%
Ja, aber eher informell (also nicht aufgrund Ihrer
Funktion als Riskmanager/in) z.B. spontanes,
persönliches Gespräch
14%
Je nach beteiligten Kliniken sehr unterschiedlich
(mal formell, mal informell, mal gar nicht)38%
Nein / weiss nicht 2%
Schwappach, unpublished data
Bedeutung Erfassung von “never events”
Befragung Leitung Riskmanagement aller Schweizer Akutspitäler, 2019
11
Vollzogene Eingriffsverwechslung (erfolgter Schnitt),
z.B. falscher Eingriff, falscher Patient, falsche
Körperstelle oder -seite
Könnten Sie eine Zahl nennen, wie häufig dieses
Ereignis im abgelaufenen Jahr in Ihrem Spital
aufgetreten ist?
%
Ich weiss nicht, ob diese Zahl systematisch erfasst wird. 20%
Ja, diese Zahl wird bei uns im Spital systematisch erfasst. 49%
Nein, diese Zahl wird bei uns im Spital nicht systematisch
erfasst.24%
Diese Behandlung wird bei uns nicht durchgeführt. 6%
Schwappach, unpublished data
Bedeutung Erfassung von “never events”
Befragung Leitung Riskmanagement aller Schweizer Akutspitäler, 2019
12
Wie wichtig ist die systematische
Erfassung und Analyse von «never
events» für die Verbesserung der
Patientensicherheit aus Ihrer Sicht?
Eher / sehr wichtig, 100%
Für wie wichtig halten Sie es, dass ein
nationales Gesundheitssystem die
genaue, nationale Auftretenshäufigkeit
der «never events» kennt?
Eher / sehrwichtig, 76%
Schwappach, unpublished data
Bedeutung Erfassung von “never events”
Befragung Leitung Riskmanagement aller Schweizer Akutspitäler, 2019
13www.harmfreecare.org
Zwischenfazit
- Vorliegende Daten zeigen:
Patientensicherheit sollte ein wichtiges Thema in der Schweiz sein
- Daten zur Patientensicherheit liegt nur fragmentarisch vor
- Erkennen von Trends und Risiken ?
- Beurteilbarkeit und Steuerbarkeit
des Systems, lokal und national ?
- Prävalenz «harm-free care»
könnte wichtige Metrik werden
- Systematische Erfassung
«never events» notwendig
Wie kommen wir zu wirksamen
Verbesserungen?
14Green, White, Janes, Fields, Easty. doi: 10.5737/1181912x2128185
Wirksame Verbesserungsmassnahmen
15Trbovich, Shojania. doi:10.1136/bmjqs-2016-006229
16
Ich kann mich auf meinen direkten
Vorgesetzten verlassen, wenn es bei
der Arbeit schwierig wird.
Ich werde von Vorgesetzten ermuntert,
Bedenken zur Patientensicherheit
vorzubringen.
Es ist frustrierend, immer auf die
gleichen Sicherheitsregeln hinweisen
zu müssen.
Nein, 25%
Nein, 43%
Ja, 46%
Sicherheitsklima im Spital
Befragung zur Speaking Up Kultur
980 Pflegefachpersonen und Ärzte/Ärztinnen aus 9 Spitälern
Schwappach, Richard. doi: 10.1136/bmjqs-2017-007388
17
Progress! progress! Sicherheit bei Blasenkathetern
Befragung zu Normen im Umgang mit Blasenkathetern
Vor / Nach Programm; 1’538 und 1’502 Mitarbeitende aus 7 Spitälern
Niederhauser, Züllig, Marschall, Schweiger, John, Kuster, Schwappach. doi:10.1136/bmjopen-2018-028740
18
Kulturträger M&M Konferenz
- Sichtbare Sicherheitskultur
- Grosses Potential für Patientensicherheit
- «Sternstunde» für klinische Führung
- Vermittlung von klinischem und methodischem Wissen und Werten
- CAVE: Sehr potentes Instrument !
- Klare Struktur und Rollen helfen
Häsler, Schwappach: Leitfaden für die Mortalitäts- und Morbiditätskonferenz.
Stiftung für Patientensicherheit, Zürich. 2019: www.patientensicherheit.ch/mm
19
1-2-wöchentlich Monatlich Quartalsweise Unregelmässig
27% 25% 38% 10%
1 Fall 2 Fälle 3 Fälle 4(+) Fälle
20% 40% 19% 22%
≤ 19 min. 20-29 min. 30-44 min. ≥ 45 min.
43% 23% 24% 10%
Chirurgische M&M in der CH
Praplan-Rudaz, Pfeiffer, Schwappach. doi:10.1093/intqhc/mzx204
Schwappach, Häsler, Pfeiffer. doi: 10.1136/leader-2017-000052
Frequenz der M&M, % Chefärzte Chirurgie CH
Anzahl Fälle je M&M, % Chefärzte Chirurgie CH
Zeit pro Fall, % Chefärzte Chirurgie CH
20
1-2-wöchentlich Monatlich Quartalsweise Unregelmässig
27% 25% 38% 10%
1 Fall 2 Fälle 3 Fälle 4(+) Fälle
20% 40% 19% 22%
≤ 19 min. 20-29 min. 30-44 min. ≥ 45 min.
43% 23% 24% 10%
Frequenz der M&M, % Chefärzte Chirurgie CH
Anzahl Fälle je M&M, % Chefärzte Chirurgie CH
Zeit pro Fall, % Chefärzte Chirurgie CHViele Chefärzte sehen Verbesserungsbedarf bei «ihrer» M&M
(Chirurgie 62%, Anästhesie 77%)
Strukturelle und prozedurale Merkmale der M&M sind
stark assoziiert mit Verbesserungsbedarf
Praplan-Rudaz, Pfeiffer, Schwappach. doi:10.1093/intqhc/mzx204
Schwappach, Häsler, Pfeiffer. doi: 10.1136/leader-2017-000052
Chirurgische M&M in der CH
21Trbovich, Shojania. doi:10.1136/bmjqs-2016-006229
Wirksame Verbesserungsmassnahmen
22
Mehr Licht, Ruhe, Raum !
23Schwappach, Pfeiffer, Taxis. doi:10.1136/bmjopen-2016-011394
Befragung von onkologischen Pflegefachpersonen
verschiedener Spitäler. Schweiz 2015; n=302
Welche Faktoren stören Sie im Alltag bei der
Durchführung einer guten Doppelkontrolle?
Eile, Hektik 77%
Störungen, Unterbrechungen 76%
Lärm, schlechte Beleuchtung 57%
Kollegin finden 53%
Räumliche Enge 29%
Konzentrationsprobleme, Müdigkeit 24%
Mehr Licht, Ruhe, Raum !
24
Health Information Technology als Komplexitäts-Booster
HIT Komplexität verhindert akkurates mentales Modell vom Patienten
▪ Informationsmanagement-bezogene Patientensicherheitsgefährdungen sind in
der täglichen Versorgung allgegenwärtig
▪ Patientenbezogene Informationen werden häufig fragmentiert in verschiedenen
HIT-Systemen verteilt gespeichert
▪ Gewisse Informationen weiterhin als Papierdokumentation, erschwert den Zugriff
und erhöht die Anzahl relevanter Quellen
▪ Mangelnde Benutzerfreundlichkeit erschwert zeitgerechten Abruf
▪ Klinisch Tätige mussten zwischen 5 und 11 Informationsquellen nutzen, um
sich ein Bild über den Patienten zu machen.
Pfeiffer, Zimmermann, Schwappach. doi:10.1016/j.zefq.2019.03.009
25Ratwani, Savage, Will, Arnold, Khairat, Miller, Fairbanks, Hodgkins, Hettinger. doi: 10.1093/jamia/ocy088
Implementierung elektronische Krankenakte
Experimentelles Design:
- Vergleich verschiedener Implementierungen von zwei KIS (epic/cerner)
- Sechs klinische Szenarien für Ärztinnen / Ärzte(Bildgebung, Labor, Medikamenten-Verordnung)
- Aufwand (Zeitverbrauch, Klick-Rate), Richtigkeit (Fehler-Rate)
26Ratwani, Savage, Will, Arnold, Khairat, Miller, Fairbanks, Hodgkins, Hettinger. doi: 10.1093/jamia/ocy088
Implementierung elektronische Krankenakte
Was bringt <braucht> die Zukunft?
27
© S
hutters
tock
28
- Wir benötigen Daten über den Zustand der Patientensicherheit,
für die Analyse von Risiken, für die Beobachtung von Trends
- Wir haben gewisse Erfolge, aber sie sind oft klein und «hart erkämpft»
- Wir setzen zu wenig Fokus auf system-bezogene Interventionen
- KVG Revision als Chance:
- Mehr Verbindlichkeit
- Mehr Ressourcen
- Konzentration der Kräfte auf spezifische Themen über
einen definierten Zeitraum (bitte > 1 Jahr !!!)
- Stabile Wirksamkeitsnachweise mitdesignen
- Strukturelle Rahmenbedingungen / Interventionen ?
- Kein Aktionismus, ins. Prozessanpassungen
Fazit