Magazin «umwelt» 2/2010 - Biodiversität belebt
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Natürliche Ressourcen in der Schweiz
Biodiversität belebtWert der Vielfalt > Nahrung, Gesundheit, Sicherheit > Biodiversität und Wirtschaft > Zustand und Verluste > Ethik > Gemeinsame Verantwortung > Konsum > Biodiversität und Klima
2/2010
umwelt
Schweizer ische EidgenossenschaftConfédérat ion suisseConfederazione SvizzeraConfederaziun svizra
Bundesamt für Umwelt BAFU
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umwelt 2/20102
Inhalt
> Dossier Biodiversität
03 Editorial von Umweltminister Moritz Leuenberger
04 Hüter der BiodiversitätDie Vielfalt erhalten und nutzen
08 Das Netz aller LebensformenLeitartikel von Willy Geiger, Vizedirektor BAFU
12 Biodiversität ist Wirtschaft
13 Nahrung Biodiversität auf dem Teller
17 Gesundheit Biodiversität zeigt Wirkung.
18 Mikroorganismen Eine biologische Bibliothek
22 Zustand und MassnahmenDie Verluste gehen weiter.
26 EthikEin Interview über moralische Werte
29 Acht BundesämterVerantwortung der Sektoren
33 Konsum Biodiversitätsfreundliche Labels
37 KlimaÖkosysteme als Puffer
> Weitere Themen
43 Effiziente RessourcennutzungDer freie Markt richtet es nicht alleine.
46 Klimaschutz hinter der HaustürDas Gebäudeprogramm senkt den CO2-Ausstoss.
49 Jagddruck durch KatzenDer Schmusekater bleibt ein Raubtier.
52 Abgasreinigung von SchiffsmotorenRussfreie Atemluft auf Deck
54 Schutz vor ElektrosmogDie Schweiz gehört zu den Vorreitern.
> Rubriken
40 Vor Ort Nachrichten aus den Kantonen
42 International57 Bildung58 Recht / Publikationen60 Tipps61 Impressum62 Intern63 Porträt
> Gut zu wissen
Alle Artikel dieses Hefts – ausser den Rubriken – sind auch im Internet verfügbar:www.umwelt-schweiz.ch/magazin2010-2Die meisten Beiträge enthalten weiterführende Links und Literaturangaben.Das BAFU im Internet: www.umwelt-schweiz.ch
umwelt > gratis abonnieren / nachbestellen
umwelt, Zollikofer AG,Leserservice, 9001 St. GallenTel. 071 272 73 70 / Fax 071 272 75 [email protected]/magazin
> Vorschau Das nächste Heft erscheint Anfang September 2010 zum Thema «Chancen und Risiken der Nanotech-nologie». Es zeigt auf, wie man in der Schweiz die vielfältigen Möglichkeiten der neuen Materialien im Grössenbereich von einigen millionstel Millimetern nutzen will, ohne ihre potenziellen Gefahren zu ver-kennen.
> Zum Titelbild
Fotos und Montage: Christian Koch
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3umwelt 2/2010
Unserer Lebensgrundlage einen Wert geben
Biodiversität bedeutet Leben. Erst die Vielfalt des
Lebens hat die Erde zu einem einzigartigen, bewohn
baren Ort für uns Menschen gemacht. Diese Mannig
faltigkeit mit all ihren Genen, Arten und Ökosystemen
wird als Biodiversität bezeichnet.
Wir sind von der Biodiversität abhängig; sie ist
unsere Lebensgrundlage. Wir ernähren uns von
Pflanzen und Tieren. Organismen bilden Böden und
sorgen dafür, dass sie fruchtbar bleiben. Auch hält
uns die Biodiversität gesund: So wird etwa Aspirin
aus einer Weide und Tamiflu aus einer asiatischen
Anisart gewonnen.
Doch anstatt die Biodiversität zu erhalten und
zu fördern, beuten wir sie aus. Die Folgen sind mas
sive Verluste an biologischer Vielfalt – auch in der
Schweiz. Um diese Verluste zu stoppen, haben sich
Fachleute aus Ökologie und Ökonomie verbündet.
Der Wert der Ökosystemleistungen wird heute in
Milliarden Franken errechnet. Es zeigt sich, dass das
Fortbestehen der Biodiversität für das Überleben der
Menschheit nicht weniger wichtig ist als der Kampf
gegen die Klimaänderungen. Deshalb müssen wir
die biologische Vielfalt in die Gewinn und Verlust
rechnung unseres Wirtschaftens einbeziehen.
Es gibt aber auch Werte, die wir nicht mit Geld
aufwiegen können. Wir wollen nicht vergessen, dass
der Mensch ebenfalls Teil der Natur ist. Wenn die
Natur allein nach Geldwerten definiert wird, muss in
letzter Konsequenz auch der Mensch seine Daseins
berechtigung ökonomisch ausweisen.
Die Schweiz ist daran, im Einklang mit der
UNOBiodiversitätskonvention eine nationale Bio
diversitätsstrategie zu erarbeiten. In einer ersten
Aussprache hat der Bundesrat 2009 die Eckpfeiler
festgelegt. Das Ziel ist, die Ökosystemleistungen zu
erhalten und in Wert zu setzen sowie die Ressour
cennutzung biodiversitätsfreundlich zu gestalten.
Zudem sollen genügend Schutz und Förderflächen
für die Biodiversität ausgewiesen, verbindlich gesi
chert und vernetzt werden. Und schliesslich gilt es,
die Verantwortung für die globale biologische Vielfalt
wahrzunehmen.
Moritz Leuenberger, Bundesrat
www.umwelt-schweiz.ch/magazin2010-2-01
Besuch auf dem Berner Wochenmarkt. Bei der Eröffnung zum Internationa-len Jahr der Biodiversität am 12. Januar 2010 wies Bundesrat Moritz Leuen-berger auf die Bedeutung der Biodiversität hin, unter anderem für die Ernährung. Bild: Peter Klaunzer, Keystone
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umwelt 2/2010 > Dossier Biodiversität4
«Seit Oktober 2009 ist die Region Thal im Solothurner Jura ein Regionaler Naturpark von nationaler Bedeutung. Das ganze Thal hat sich über das Parklabel gefreut. Für unsere Projekte im Bereich Biodiversität und Landschaft haben wir vom Bundesamt für Umwelt sehr gute Noten erhalten. Darauf sind wir stolz.
Das Ziel des Parks ist es, die faszinierende Juralandschaft zu erhalten und zu fördern. Gleichzeitig soll die Region wirtschaftlich gestärkt werden. Im Vordergrund steht eine Inwertsetzung der natürlichen Ressourcen. Wir streben eine nachhaltige Regionalentwicklung an, bei der Mensch, Biodiversität, Landschaft und Wirtschaft im Gleichgewicht sind.
Der Naturpark ist in der Bevölkerung sehr gut verankert. Die neun Gemeindepräsidenten bilden den Vorstand des Trägervereins, wir von der Geschäftsstelle bearbeiten die über 20 Projekte. Sie reichen von touristischen Angeboten über die Vermarktung regionaler Produkte bis hin zu Artenförderungs, Gesundheits und Bildungsprojekten. Meine Aufgabe ist es, die Bevölkerung und die Touristen für den Wert der
Biodiversität zu sensibilisieren. Wir bieten Exkursionen und Arbeitseinsätze an. Zusammen mit Partnern aus dem Natur und Landschaftsschutz planen wir einen Naturerlebnispfad und die Restaurierung einer kulturlandschaftlich bedeutenden Trockenmauer. Ein erstes, 2009 abgeschlossenes Projekt war die Sonderausstellung ‹Tier&Haar› im Museum ‹Haar und Kamm› in Mümliswil (SO). Kindern und Jugendlichen wurden dort spielerisch und interaktiv faszinierende Geschichten über Tierhaare einheimischer Arten vermittelt. Verschiedene Projekte sind ganz der Erhaltung und Förderung der Biodiversität gewidmet. So werden Wälder aufgelichtet und Weiden entbuscht, um seltene oder gefährdete Arten zu fördern. Im Bereich Landwirtschaft haben wir ein flächendeckendes Projekt zur Vernetzung und Aufwertung der ökologischen Ausgleichsflächen initiiert. Zurzeit kommt die Heidelerche in den Genuss von Lebensraumaufwertungen, an denen sich Schulklassen beteiligen können. Die Begeisterung ist gross!»
Aufgezeichnet von Gregor Klaus
Irene Künzle, Projektleiterin Umweltbildung, Naturpark Thal, Balsthal (SO)
«Biodiversität und Landschaft machen uns stolz»
HÜTER UND NUTZER DER BIODIVERSITÄT
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5Dossier Biodiversität > umwelt 2/2010
«1993, ein Jahr nachdem meine Frau und ich diesen Betrieb übernommen hatten, gab es erstmals Beiträge für ökologische Ausgleichsflächen. Auch wir meldeten ein paar Aren an, obwohl ich da schon einige Vorbehalte hatte: Mir wäre es lieber gewesen, als Bauer von den Nahrungsmitteln zu leben, die wir produzieren. Doch inzwischen ist Biodiversität für uns ein Betriebszweig geworden, den man pflegt wie andere auch – und Freude daran hat, wenn man sieht, was daraus entsteht. Dank dem Vernetzungsprojekt, das 2003 in Malans gestartet wurde, lohnt sich das Ganze auch finanziell.
Wir haben heute bei uns einen Ökoflächenanteil von 27 Prozent – neben Hecken und hochstämmigen Obstbäumen umfassen diese vor allem viele Extensivwiesen, die nicht gedüngt und erst im Juli gemäht werden, damit die Wiesenblumen versamen können. Es sind steile Flächen, die wir auch zuvor nie gross gedüngt haben, denn alles musste mühsam in den Hang gebracht werden – Dünger, Gülle, Mist. Das bisschen Mehrertrag, das dabei herausschaut, lohnt die Arbeit nicht. Da fahren wir mit einer Extensivnutzung viel besser, zumal wir für
alle Ökoflächen auch den Qualitätsbeitrag erhalten, was voraussetzt, dass bestimmte Pflanzen in den Wiesen blühen und eine gewisse Vielfalt herrscht.
Vielfalt bedeutet für mich auch Kulturvielfalt. Das heisst, dass der Betrieb möglichst vielseitig ist. Zurzeit planen wir, den Obstbaumbestand zu vergrössern. Mit den Direktzahlungen und dem Mostobstertrag sollte die Rechnung aufgehen. Das ist im Grunde das, was wir wollen: Etwas machen, das der Biodiversität dient, das aber auch ein Produkt abwirft, das sich verkaufen lässt.
Ich finde, dass die Extensivierung und Vernetzung der Flächen hier bereits etwas gebracht hat. Man sieht mehr Schmetterlinge, und auch einem Hasen begegne ich wieder öfter als früher. Letzten Sommer waren ein paar Vogelfreunde da. Ich muss sagen, dass ich von den vielen Arten, die sie in der kurzen Zeit hier festgestellt haben, die wenigsten kenne. Aber den Neuntöter in einer unserer Hecken liess ich mir zeigen. Er ist eine Zielart des Vernetzungsprojekts.»
Aufgezeichnet von Hansjakob Baumgartner
Maja und Johannes Janggen, Landwirte, Malans (GR)
«Biodiversität ist ein Betriebszweig»
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umwelt 2/2010 > Dossier Biodiversität6
Olivier Antille, Gärtner, Stadtgärtnerei Lausanne (VD)
«Die Stadtgärtnerei Lausanne setzt sich bereits seit 1991 für die Biodiversität ein. Damals wurde der naturnahe Unterhalt unter dem Motto ‹So viel wie nötig, so wenig wie möglich› eingeführt. In bestimmten Bereichen der öffentlichen Grünflächen wird auf systematisches Mähen verzichtet; Magerwiesen wechseln sich dort mit gepflegtem Rasen ab.
Dank diesem Vorgehen sind mehrere Orchideenarten zurückgekehrt, und auch der Schwalbenschwanz ist wieder da. Im Park ‹Vallée de la Jeunesse›, um den ich mich kümmere, werden gewisse Wiesen nur einmal pro Jahr gemäht, um eine vielfältige natürliche Versamung zu fördern. Ein Biologe verfolgt den Reifegrad der Samenstände und gibt grünes Licht fürs Heuen. Seit Kurzem können übrigens sämtliche Stadtgärtner Kurse zum Mähen mit der Sense besuchen.
In den sogenannten Gärtnereizonen wie etwa dem Rosengarten im ‹Vallée de la Jeunesse› arbeiten wir ebenfalls naturnäher. Bei den Pflanzenschutzmassnahmen wird überlegter und gezielter vorgegangen, man lässt die natürlichen Fressfein
de gewähren, und es kommen sanftere Mittel zum Einsatz. Auch wird wieder von Hand gejätet. Wenn es neue Parzellen zu bepflanzen oder einen einzelnen Baum zu ersetzen gilt, greifen wir bei den Bäumen auf einheimische Arten wie Feldahorn, Eiche oder Buche zurück und bei den Sträuchern auf Holunder, Kornelkirsche oder Pfaffenhütchen.
Der Waldsaum an den Parkrändern wird nicht mehr wie einst mit der Axt zurückgehauen, sondern gestuft gestaltet: zuhinterst die Bäume, in der Mitte die Sträucher und vorne ein Krautsaum. Insekten, Vögel und weitere Lebewesen wissen dies zu schätzen. Dem seltenen Hirschkäfer kommen sogar speziell hergerichtete Strukturen aus vermodernden Buchenstämmen – seinem bevorzugten Lebensraum – zugute. Bis auf wenige, vorwiegend ältere Personen, die den sauberen und ordentlichen Rasenflächen nachtrauern, findet das Publikum grundsätzlich Gefallen an dieser Entwicklung, die unseren Grünanlagen ein etwas wilderes Aussehen verleiht.»
Aufgezeichnet von Cornélia Mühlberger de Preux
«Insekten, Vögel und Menschen schätzen uns»
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7Dossier Biodiversität > umwelt 2/2010
«In den letzten 20 Jahren hat sich im Wald viel verändert. Als ich mit meiner Arbeit im Wald begann, wurden häufig standortfremde oder exotische Baumarten wie Fichte, Douglasie und Roteiche grossflächig angepflanzt. In Monokulturen gepflanzt, sind diese Arten anfällig für Trockenheit, Stürme, Hitze und Schädlinge wie zum Beispiel den Borkenkäfer.
Im Kanton Baselland wurden in den 1990erJahren die natürlichen Waldgesellschaften und Waldstandorte erfasst. Aus diesen Erkenntnissen werden seit mehreren Jahren standortfremde Wälder in natürliche und standortgerechte Mischwälder umgewandelt. Mit Mischwäldern, welche übrigens viel weniger Pflege erfordern, kann man besser auf den Markt reagieren, denn in einem Jahr ist die Buche begehrt, im anderen Jahr die Esche oder die Weisstanne. Wir holen das aus dem Wald, wofür wir am meisten Nachfrage haben.
Biodiversität und Holzproduktion schliessen sich nicht aus. Mit dem Holzen allein kommen wir auch gar nicht über die Runden, da vor allem
die Nutzholzpreise stark gesunken sind. Die Förderung der Biodiversität ist darum heute ein wichtiges Standbein für uns. Als FSCzertifizierter Betrieb pflegen und unterhalten wir beispielsweise wertvolle Naturschutzgebiete, markieren Spechtbäume und werten die Waldränder auf. Vom Kanton gibt es dafür Fördergelder. Wir mähen sogar Lichtungen im Wald, um die besonderen Lebensräume bedrohter Pflanzen zu erhalten, beispielsweise von Orchideen, welche im intensiv genutzten Kulturland längst verschwunden sind. Mir ist es ein grosses Anliegen, beim Erhalten von seltenen Tier und Pflanzenarten mitzuhelfen.
Es freut mich, dass immer weniger Leute ein Problem mit dem Alt und Totholz haben, welches wir im Wald stehen und liegen lassen. Das Totholz ist nicht tot, sondern voller Leben; es ist nötig, um den Kreislauf der Natur zu schliessen. Für die Zukunft wünsche ich mir, dass alle Forstbetriebe in der Schweiz die Holzproduktion mit dem Schutz der Biodiversität verbinden.»
Aufgezeichnet von Gregor Klaus
Martin Küng, Forstwart, Gemeinde Rothenfluh (BL)
«Vielfalt und Holznutzung schliessen sich nicht aus»
Alle Bilder: Christian Koch
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umwelt 2/2010 > Dossier Biodiversität8
Biodiversität – das Netz aller Lebensformen
LEITARTIKEL
Vor 20 Jahren haben Wissenschaftler in den USA versucht, eine künstliche Welt aufzubauen. In der Wüste von Arizona errichteten sie eine luft und wasserdichte Glaskapsel mit dem klangvollen Namen «Biosphere 2». Das Experiment sollte beweisen, dass Leben in einem völlig geschlossenen System langfristig möglich ist. In der Blase wurden verschiedene Lebensräume eingerichtet, in denen insgesamt rund 4000 Arten lebten. Es gab eine Wüste, eine Savanne, einen tropischen Regenwald, einen MiniOzean und Landwirtschaftsflächen. Der technische Aufwand für Pumpen, Filtersysteme und Ventilatoren war gewaltig. Doch der Versuch scheiterte: Trotz der Investition von 150 Millionen Dollar gelang es den acht Versuchspersonen nicht, sich unabhängig von der Aussenwelt zu versorgen und das künstliche System lebensfähig zu machen. Immer wieder musste Sauerstoff zugepumpt
men (Arten von Tieren, Pflanzen, Pilzen, Bakterien) und die unterschiedlichen Lebensräume, in denen die Arten vorkommen (Ökosysteme wie Wälder oder Gewässer), sowie die genetische Vielfalt innerhalb der Arten (z. B. Unterarten, Sorten und Rassen). Wir Menschen sind vollständig abhängig von den Gütern und Leistungen, die die Ökosysteme erbringen (siehe Seite 12). Dazu gehören fruchtbare Böden, sauberes Trinkwasser, die Speicherung von CO2, die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Medikamenten. Biodiversität ist von existenzieller Bedeutung für das Leben auf unserem Planeten und für das Wohlergehen von uns Menschen. Besonders praktisch ist die Tatsache, dass sich die Biodiversität selbst wartet und sich kostenlos auf dem neusten «technologischen» Stand hält – man muss sie nur gewähren lassen.
werden, Tiere starben, Schaben und Ameisen vermehrten sich massenhaft, Pflanzen welkten oder überwucherten andere Arten.
Der erbrachte Beweis war schlagend – wenn auch nicht in der von den Forschern beabsichtigten Richtung: Wir können Biodiversität und die Leistungen der Ökosysteme auch mit grossem Aufwand nicht künstlich erzeugen.
Das Leben in allen seinen Erscheinungsformen. Biodiversität umfasst die verschiedenen Lebensfor
Die Menschheit hat bereits fast zwei Drittel aller Ökosystemleistungen beschädigt oder nutzt sie nicht nachhaltig. Besorgt schauen wir in die Tropen, wo allein zwischen 2000 und 2005 insgesamt 27 Millionen Hektaren Regenwald vernichtet wurden – das sind 2,4 Prozent des gesamten Tropenwaldes. Damit ist die jährliche Abholzungsrate zu Beginn des 21. Jahrhunderts noch genauso hoch wie in den 1990erJahren des vergangenen Jahrhunderts. Der grösste Teil der zerstörten Fläche wird in
Wo immer der Mensch auf der Erde nach Leben gesucht hat – von der Tiefsee bis zum höchsten Berggipfel –, wurde er fündig. Eine beson-ders vielfältige Artengruppe sind die Wanzen, von denen es in Mitteleuropa über 1000 Arten gibt und die bei uns so gut wie alle Lebens-räume besiedeln: im und auf dem Wasser, auf Pflanzen, am und im Boden.Bilder: Sammlung Natur-Museum Luzern;
Christian Koch
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9Dossier Biodiversität > umwelt 2/2010
«Es ist höchste Zeit, dass die Biodiversität in die wichtigsten volkswirtschaftlichen Indikatoren einfliesst.» Willy Geiger, BAFU
Weideland, Soja oder Palmölplantagen umgewandelt.
Weiterhin abnehmende Biodiversität. Auch wenn die Lage in der Schweiz nicht gleich dramatisch ist, haben wir keinen Grund, die Hände in den Schoss zu legen. Erstens sind wir als Konsumenten, Exporteure und Investoren indirekt an der Vernichtung von Ökosystemen weltweit beteiligt. Palmöl beispielsweise steckt in unzähligen Nahrungsmitteln und Kosmetika, die auch bei uns in den Regalen stehen. Zweitens haben auch wir in der Schweiz unsere Biodiversität dezimiert. Allerdings hat man hierzulande bereits vor 150 Jahren und früher damit begonnen. Allein seit 1900 wurden beispielsweise 36 Prozent aller Auen, 82 Prozent aller Moore und 95 Prozent aller Trockenwiesen und weiden zerstört.
Der Verlust der biologischen Vielfalt ist ein schleichender Prozess. Er geschieht kleinräumig, oft unsichtbar und mit zeitlich verzögerten Auswirkungen. Es besteht das Risiko, dass wesentliche Funktionen und Leistungen der Biodiversität verloren gehen, bevor die Gesellschaft aufmerksam wird und reagieren kann.
Es ist höchste Zeit, dass die Biodiversität in die wichtigsten volkswirtschaftlichen Indikatoren einfliesst. Es muss aber auch immer wieder daran erinnert werden, dass wir nicht von einem fremden Planeten kommen. Der Mensch als biologische Art ist ein Ergebnis von mehr als 3000 Millionen Jahren Evolution. Ohne die Fülle an Lebensformen und ohne die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes hätten wir gar
nie entstehen können. Wir haben auch eine moralische Verpflichtung gegenüber der biologischen Vielfalt.
Ziele verfehlt. 1992 wurde am Umweltgipfel in Rio de Janeiro die Biodiversitätskonvention verabschiedet, welche die Schweiz zwei Jahre später ratifiziert hat. Dieses Vertragswerk verfolgt drei Ziele: die Erhaltung der Biodiversität, die nachhaltige Nutzung ihrer Bestandteile sowie die gerechte und ausgewogene Aufteilung der Vorteile, die sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen ergeben (das sogenannte «Access and Benefit Sharing»). Die damals auf
kommenden Hoffnungen für eine umfassende Erhaltung und Förderung der Biodiversität haben sich nicht erfüllt.
Vor acht Jahren hat sich die Staatengemeinschaft in Johannesburg das Ziel gesetzt, dem weltweiten Rückgang der biologischen Vielfalt bis 2010 Einhalt zu gebieten. Das 10. Treffen der Vertragsstaaten der Biodiversitätskonven tion, das im Oktober 2010 im japanischen Nagoya stattfindet, wird nicht um das Eingeständnis herumkommen, dass dieses Ziel weltweit verfehlt wurde. Im Internationalen Jahr der Biodiversität 2010 wird auch in der Schweiz Bilanz gezogen: Obwohl in den letzten zwei Jahrzehnten viele gute Massnahmen zur Erhaltung und Förderung der Vielfalt ergriffen wurden, schreitet der Verlust weiter voran (siehe Seite 22).
Positiv ist hingegen, dass sich mit der Zieldefinition durch die internationale Staatengemeinschaft die vereinten Bemühungen zur Erhaltung der Biodiversität verstärkt haben. Es gibt immer mehr Schritte in die richtige Richtung. Das Jahr 2010 ist die Gelegenheit, die Weichen neu zu stellen! Wir entscheiden, wie viel Biodiversität es auf dieser Erde in Zukunft geben wird.
Wir benötigen eine Biodiversitätsstrategie. Den Schutz der biologischen Vielfalt schreiben sowohl die Bundesverfassung als auch internationale Verträge vor. Biotopinventare, Schutzflächen im Wald, die Roten Listen bedrohter Arten, das BiodiversitätsMonitoring oder der ökologische Ausgleich in der Landwirtschaft sind einige der Instrumente, die in den ver
gangenen Jahren in der Schweiz entwickelt wurden. Ihre Wirkung reicht aber nicht aus, um eine Trendwende herbeizuführen. Das Parlament hat daher im September 2008 die Aus arbeitung einer Strategie zur Erhaltung und Förderung der Biodiversität in das Legislaturprogramm 2007–2011 aufgenommen. Gemäss Bundesratsbeschluss vom 1. Juli 2009 soll die Biodiversitätsstrategie Schweiz bis Mitte 2010 dem Bundesrat vorgelegt werden, damit dieser das weitere Vorgehen festlegen kann.
Willy Geiger, Vizedirektor BAFUwww.umwelt-schweiz.ch/magazin2010-2-02
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11Dossier Biodiversität > umwelt 2/2010
Auch wenn wir immer nur Ausschnitte erleben: Alles hängt zusammen. Fotos und Montage: Christian Koch
Die Leistungen der Biodiversität
Allgemeine Leistungen– ErzeugungvonAtemluft– Moore,BödenundWälderals natürlicheSpeichervonCO2 (Klimastabilisierung)– BeschleunigungdesWasserkreislaufs
(VerdunstungsleistungderPflanzen)– Recyclingvonabgestorbenem Pflanzenmaterial
Beitrag zur Gesundheit– WirkstoffefürArzeimittel– ErholungineinervielfältigenNatur– AufnahmeundEntgiftungvon Schadstoffen
Beitrag zur Ernährung– ProduktionallerNahrungsmittel– Nahrungsmittelvielfalt– BildungfruchtbarerBöden– NährstoffkreislaufinGanghalten– BiologischeSchädlingsbekämpfung– BestäubungvonKulturpflanzen– EssbareWildpflanzen– Wildtiere(z.B.Fische,Rehe)– WildwachsendesTierfutter– OrganischeDüngemittel
Weitere wirtschaftliche Leistungen– WertvolleNatur-undKulturland-
schaftenfürdenTourismus– SauberesTrinkwasserausnaturnahen
Ökosystemen
Beitrag zur Sicherheit– SchutzvorErosion,Steinschlagund
Lawinen– ÖkosystemealsWasserspeicher (Hochwasserschutz)– NaturnaheÖkosystemealsBollwerke
gegeninvasiveArten
Existenzwert– Wert,denwirdernatürlichenVielfalt
unabhängigvonihrerNutzung zumessen(z.B.WertalsVermächtnis
fürkommendeGenerationen)
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umwelt 2/2010 > Dossier Biodiversität12
Biodiversität ist WirtschaftÖKOLOGIE UND ÖKONOMIE
75 000 000 000 Franken verliert die Menschheit jedes Jahr, weil sie den Verlust an Biodiversität und die zunehmende Belastung der Ökosysteme nicht in den Griff bekommt. Zu diesem Schluss gelangte ein Team aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die die Leistungen der Ökosysteme und der darin lebenden Arten für uns Menschen untersucht haben. Besonders wichtig sind die Speicherung von CO2, insbesondere durch Wälder und Moore, sowie die Bereitstellung von sauberem Trinkwasser, von Nahrung und Arzneimitteln (siehe Übersicht auf Seite 11). Der Motor dieser Leistungen ist die Biodiversität.
Ohne Vielfalt kein Leben. Werden Ökosysteme geschädigt oder zerstört, können sie ihre Leistungen nicht mehr erbringen. Der Mensch muss
dann entweder massive Einbussen an Lebensqualität hinnehmen oder die Leistungen mit technischen Mitteln aufwendig und kostspielig ersetzen. «Wir müssen lernen, dass die Ökosysteme ein wichtiges Kapital sind, das Güter produziert und Dienstleistungen erbringt», sagt Andreas Hauser von der Sektion Ökonomie beim BAFU. Der Wert der Biodiversität als Ganzes lässt sich allerdings ökonomisch nicht in Franken beziffern. «Da wir ohne Biodiversität nicht überleben können, ist ihr Wert unendlich hoch», erklärt Andreas Hauser. Ökonomische Bewertungen beziehen sich daher auf den Verlust oder den Mehrwert an Leistungen, wobei zwei verschiedene Zustände verglichen werden.
Allerdings werden zahlreiche Ökosystemleistungen nicht auf dem freien Markt gehandelt. Während alle wissen, dass ein Kilo Kartoffeln im Laden etwas kostet, wird beispielsweise die Bildung fruchtbarer Böden oder die Bestäubung von Kulturpflanzen ganz selbstverständlich als gratis vorausgesetzt. «Es ist höchste Zeit, dass wir uns den Nutzen, den wir aus der Biodiver
sität ziehen, deutlicher vor Augen führen und die Märkte mit den gehandelten Gütern und Dienstleistungen als Unterabteilung einer weit übergeordneteren Ökonomie – des Haushalts der Biosphäre – begreifen», sagt Andreas Hauser.
Preisschilder für die Biodiversität. Das TEEBProjekt TheEconomicsofEcosystemsandBiodiversityverfolgt dieses Ziel auf globaler Ebene. Das unter der Schirmherrschaft des UNOUmweltprogramms UNEP laufende Forschungsprogramm will die Biodiversitätsleistungen mit Preisschildern versehen und die wirtschaftlichen Folgen des Biodiversitätsschwundes abschätzen. Erste Resultate zeigen, dass die Menschheit im Jahr 2050 Wohlfahrtseinbussen im Wert von rund 7 Prozent des weltweiten Bruttoinlandprodukts erleiden wür
de, falls die Verluste an Bio diversität in gleichem Umfang weitergingen und die Biodiversität immer weniger Güter und Ökosystemleistungen bereitstellen könnte. «Die Schadensbilanzen werden sich akkumulieren und schliesslich bis in Billionenhöhe auftürmen», sagt Andreas Hauser.
Auch Untersuchungen aus der Schweiz lassen darauf schliessen, dass naturnahe Ökosysteme bedeutende ökonomische Mehrwerte gegenüber beeinträchtigten Ökosystemen aufweisen. Doch was sich für die Gesellschaft als Ganzes lohnt, zahlt sich in vielen Fällen für den einzelnen Landbesitzer nicht aus. Viele Leistungen werden darum nicht bewertet und geschätzt, sondern stillschweigend vernichtet.
Die drei folgenden Beiträge zeigen die Bedeutung der Biodiversität für unseren Alltag auf (Ernährung, Gesundheit und Sicherheit). Die Kernaussage ist überall die gleiche: Die Erhaltung der Biodiversität ist kein Luxus, sondern überlebensnotwendig.
Gregor Klauswww.umwelt-schweiz.ch/magazin2010-2-03
Die Biodiversität ist die Grundlage unseres Lebens und erbringt zahlreiche Leistungen. Viele davon sind durch den Bio-diversitätsverlust inzwischen gefährdet. Investitionen in die Erhaltung und Wiederherstellung der biologischen Vielfalt würden sich ökonomisch auszahlen.
KONTAKTAndreas HauserSektion ÖkonomieBAFU031 322 79 [email protected]
«Wir müssen lernen, dass die Ökosysteme ein wichtiges Kapital sind, das Güter produziert und Dienstleistungen erbringt.» Andreas Hauser, BAFU
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13Dossier Biodiversität > umwelt 2/2010
Von der Bank auf den TellerERNÄHRUNG
Eine grosse Vielfalt an Kulturpflanzen und Nutztierrassen ist eine wesentliche Voraussetzung für unser Überleben. Die Genbank der eidgenössischen Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil birgt Schätze, die eines Tages eine bedeutende Rolle bei der Lösung heutiger und künftiger Ernährungskrisen spielen könnten.
«Insgesamt konnte der Biodiversitätsverlust bei den Kultur-pflanzen in der Schweiz gestoppt werden.» Geert Kleijer, nationale Genbank
Genetische Ressourcen sind genauso wie Boden und Wasser eine Grundlage der Ernährungssicherheit. «Sie sind lebenswichtig und müssen langfristig gesichert werden», betont Sarah Pearson von der Sektion Arten und Biotope beim BAFU. «Wird die genetische Vielfalt bei den Nutzpflanzen und Nutztieren nicht erhalten, laufen wir Gefahr, auf künftige Herausforderungen wie neue Krankheiten oder Klimaveränderungen nicht reagieren zu können», bekräftigt Christian Eigenmann, Koordinator des Nationalen Aktionsplans zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der pflanzengenetischen Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (NAPPGREL) beim Bundesamt für Landwirtschaft (BLW).
Grosse Vielfalt. Die genetische Vielfalt bei Pilzen, Pflanzen und Tieren ist ein gewaltiges Ressourcenreservoir. Weltweit gelten fast 60 000 Pilz und Pflanzenarten als essbar, rund 7000 davon werden angebaut. Die Kulturpflanzen wurden über Jahrhunderte hinweg auf lokaler Ebene so selektioniert, dass sie optimal an ihre Umgebung angepasst sind und Dürreperioden, Krankheiten und Schädlingsbefall überstehen. Dadurch haben sie unzählige interessante Eigenschaften entwickelt. Dieses Erbe lässt sich jedoch nur durch Nutzung und Schutz erhalten.
In der Schweiz gibt es drei landwirtschaftliche Forschungsanstalten, welche zum Bundesamt für Landwirtschaft gehören. Eine davon ist Agroscope ChanginsWädenswil (ACW), die unter anderem die nationale Genbank unterhält.
Mühsame Kleinarbeit. Bereits vor über hundert Jahren wurde an der Forschungsanstalt mit dem Sammeln von Getreidesorten begonnen. Im Laufe
der Zeit kamen Gemüse und Reben dazu. Derzeit sind nahezu 12 000 Sorten konserviert. Jährlich werden im Durchschnitt 300 Proben an Organisationen und Institute in der Schweiz und im Ausland für Forschungs und Selektionszwecke oder einfach als Anschauungsmaterial verteilt. Das in Changins (VD) gesammelte Material wird sorgfältig beschrieben. In der Datenbank sind nicht nur das Eingangsdatum, der Name der Sorte und der Elterngeneration gespeichert, sondern auch Informationen über Eigenschaften wie Wuchshöhe, Proteingehalt, Krankheitsresistenzen und bei Getreidesorten die Backqualität. Das Saatgut wird getrocknet, in Aluminiumbeutel abgefüllt, im Tiefkühler aufbewahrt und regelmässig kontrolliert. Zur Erhöhung der Sicherheit wird ein Teil des Materials zusätzlich noch an einem anderen Ort gelagert, zum Beispiel in Deutschland oder in den USA. Die globale Saatgutbank in Spitzbergen (Norwegen) wird ebenfalls mit Material beliefert.
Ernährungssicherheit dank Vielfalt. «Insgesamt konnte der Biodiversitätsverlust bei den Kulturpflanzen in der Schweiz gestoppt werden», freut sich Geert Kleijer, der für die nationale Genbank zuständig ist. Das Angebot auf dem Markt wächst sogar wieder, denn die Forschungsanstalt gibt
jedes Jahr eine oder zwei neue Sorten für den Anbau in der Landwirtschaft heraus.
Die Entwicklung bei den Getreidesorten verdeutlicht dies: Um 1900 wurden in der Schweiz noch etwa 200 lokale Sorten angebaut. In den 1950erJahren waren es nur noch eine Handvoll. Inzwischen hat die Anzahl Getreidesorten auf den Feldern wieder zugenommen und liegt zurzeit bei 20 bis 30. Und das ist gut so: «Beschrän
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umwelt 2/2010 > Dossier Biodiversität14
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15Dossier Biodiversität > umwelt 2/2010
ken wir uns auf eine einzige Sorte und wird diese stark von einer Krankheit befallen, ist das eine Katastrophe. Setzen wir auf mehrere Sorten, ist die Chance gross, dass resistente Sorten darunter sind und wenigstens ein Teil der Ernte gesichert ist», erklärt Geert Kleijer.
Dank Tradition gerettet. Normalerweise werden nur wenige lokale Getreidesorten als solche rekultiviert, da die meisten nicht mehr mit den heutigen Anbau und Ernteverfahren kompatibel sind. Die Vielfalt ist daher vor allem ein Reservoir für die Züchtungsarbeit. Ab und zu wird Agroscope Changins aber gebeten, altes Saatgut hervorzuholen. Dies war beispielsweise beim «Rouge de Gruyère» der Fall, einer Weizensorte, die sich für das Strohflechten eignet und die zu Beginn des 20. Jahrhunderts Aufnahme in der Sammlung fand. Seit der Wiederbelebung der Tradition wird der «Rouge de Gruyère» im Kanton Freiburg erneut ausgesät. «Hier handelt es sich um Nischenprodukte mit hohem Mehrwert, die für lokale Märkte oder für Privatgärten bestimmt sind. Für einen Anbau in grösserem Rahmen muss die Sorte allerdings wirtschaftlich bedeutender sein», sagt Geert Kleijer.
Ein vermehrtes Interesse für alte Sorten ist beim Obst und Gemüse festzustellen. Das gilt beispielsweise für den Genfer Kardy (Gemüse) oder die Freiburger «Poire à Botzi» (Büschelibirne), die in das Verzeichnis der geschützten Ursprungsbezeichnung (GUB oder AOC) aufgenommen worden sind, wie übrigens die Maissorte Rheintaler Ribel auch. Die Förderung derartiger Produkte erlaubt es, vergessene Sorten wieder populär zu machen und die Ernährung abwechslungsreicher zu gestalten. Die rehabilitierten regionalspezifischen Gerichte bereichern zudem die kulturelle Vielfalt.
Beachtliches Potenzial. Die Erhaltungsarbeit ist aber vor allem im Hinblick auf ein erweitertes Genreservoir und erhöhte Kreuzungsmöglichkeiten wichtig. Da lokale Sorten positive Merkmale wie Widerstandsfähigkeit, gute Anpassung an lokale Bedingungen, stabile Erträge, eine gewisse Krankheitstoleranz oder einfache Saatgutproduktion aufweisen können, sind sie ein interessantes Reservoir für die Genforschung. «Wir müssen uns immer öfter die Frage stellen, welche Eigenschaften die Sorten in Zukunft haben sollen. Im Kampf gegen sommerliche Dürre müssen beispielsweise Sorten gefunden werden, die früh reifen», erklärt Geert Kleijer.
«Besonders erfreulich ist, dass dank den Selektionsprogrammen resistentere, mit einer nachhaltigen Landwirtschaft zu vereinbarende
Fotos und Montage: Christian Koch
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(gk) Als die Engländer Australien kolonisierten,wollten sie auf eine Tradition nicht verzichten:denWeihnachtsbaum.Dochausdenmitgebrach-ten Fichtensamen wuchsen in der australischenErde–wennüberhaupt–nurkränklicheBäum-chen.ErstalsauchBodenausEnglandimportiertwurde, gelang der Versuch. Verantwortlich fürdenErfolgwarendiedamiteingeführtenMykor-rhiza-Pilze. «Boden ist weit mehr als ein nähr-stoffhaltiges Substrat», erklärt Elena Havlicekvon der Abteilung Bodenschutz beim BAFU. IneinerHandvollErdekönnenrundfünfMilliardenOrganismen leben–unddamit fast so vielewieesMenschenaufderganzenWeltgibt.ErstdieseOrganismen und ihr Zusammenspiel sorgen da-für,dassderBodenwichtigeÖkosystemleistungenerbringenkann.
Lebewesen–vondenBakterienüberPilzeundwinzigeGeisseltierchenbishinzumrelativgrossenRegenwurm– sind entscheidend ander Bildungvon Böden beteiligt. Ohne funktionierenden Bo-denkönntendiemeistenPflanzennichtgedeihen;esgäbepraktischkeineoberirdischeBiodiversitätundfürdenMenschenkeineNahrung.«OhneLebenkeinBoden–ohneBodenkeinLeben»,erklärtElenaHavlicek.
Die Bodenorganismen beteiligen sich an vie-len Stoffkreisläufen. So gehört der Abbau vonabgestorbenem Pflanzenmaterial zu ihren Leis-
tungen.«OhneBodenlebewesenwürdedieWeltintoter Biomasse versinken», sagt Elena Havlicek.Humus isteinwichtigesNährstoffdepot,dasvonihnen auf- und abgebaut und dabei den Pflan-zenzugänglichgemachtwird.Vorallemfürdenbiologischen Landbau, der auf Kunstdünger ver-zichtet,istdieseLeistungvongrosserBedeutung.ImHumus ist zudemKohlenstoffgebunden,wasBöden zu einem riesigen Kohlenstoffspeichermacht–Kohlenstoff,der inderAtmosphäredenKlimawandelanheizenwürde.BodenorganismensorgenzudemfüreinegrobporigeBodenstrukturmit einer erhöhten Durchlässigkeit und Wasser-aufnahmefähigkeit. Intakte Böden sind somitwichtige Rückhaltebecken für Niederschläge.Bodenschutz istalsoauchHochwasserschutzunddient damit der Gefahrenprävention. Lebewesenim Boden stabilisieren diesen und verhindern,dass er weggeschwemmt wird. Grundsätzlichgilt, dass ihre Leistungen dann besonders grosssind,wenndieBiodiversitätmöglichst intaktist.«LebenbenötigtVielfalt»,sagtElenaHavlicek.
umwelt 2/2010 > Dossier Biodiversität16
Sorten verfügbar sind», betont Sarah Pearson. In Changins wird nach Sorten gesucht, die den Einsatz von Fungiziden überflüssig machen. «Wir haben unter anderem festgestellt, dass gewisse lokale Weizen und Gerstensorten sehr resistent sind gegen eine als Schwarzrost bezeichnete Pilzkrankheit. Sie stehen nun den Züchtern zur Verfügung, die diese Qualität auf andere Sorten übertragen», erläutert Geert Kleijer. Ein weiteres Beispiel ist die Entdeckung des Münstertalers, einer Weizensorte aus dem Bündnerland, die besonders robust ist gegen den durch Pilze verursachten Schneeschimmel. Japan, das ebenfalls unter der Seuche leidet, zeigt grosses Interesse an dieser Forschungsarbeit.
Eine verlässliche Basis. Auch zahlreiche private Organisationen setzen sich in der Schweiz für die Erhaltung der Vielfalt bei den Kulturpflan
zen ein. Verschiedene Vereinigungen wie etwa Fructus, das Arboretum in Aubonne, ProSpecieRara oder Rétropomme sammeln und erhalten beispielsweise alte Obstbaumsorten.
Die Schweizerische Kommission zur Erhaltung der Kulturpflanzen (SKEK) vereint sämtliche Akteure in diesem Bereich und koordiniert die Tätigkeiten im Rahmen der NAPProjekte. «Der Bund seinerseits bietet diesen Organisationen und der SKEK Unterstützung über den Nationalen Aktionsplan», erklärt Christian Eigenmann. Der letzte Bericht über die pflanzengenetischen Ressourcen der Schweiz zeigt, dass in den vergangenen Jahren bedeutende Fortschritte bei der Erhaltung und Verwendung genetischer Ressourcen erzielt worden sind.
Cornélia Mühlberger de Preuxwww.umwelt-schweiz.ch/magazin2010-2-04
KONTAKTESarah Pearson PerretSektionschefin Arten und Biotope, [email protected]
Christian EigenmannNAP-KoordinatorBundesamt für Landwirtschaft (BLW)[email protected]
Ohne Boden kein Leben
KONTAKTElena HavlicekSektion BodenschutzBAFU031 325 14 [email protected]
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Die Heilkraft der BiodiversitätGESUNDHEIT
Die Biodiversität liefert uns Arzneimittel, und in einer vielfältigen Landschaft kommen wir zur Ruhe und bauen Stress ab. Investitionen in die Biodiversität sind deshalb Investitionen in unsere Gesundheit.
Dem englischen Bakteriologen und Nobelpreisträger Alexander Fleming gelang einer der spektakulärsten Arzneimittelfunde: 1928 entdeckte er in einem Schimmelpilz das Penicillin, den Prototyp aller Antibiotika. Der Marktwert dieser Ent deckung lässt sich kaum beziffern. Biodiversität ist aber nicht nur eine unerschöpfliche Quelle für Arzneimittel (siehe Kasten Seite 18). Durch ihre regenerierende Wirkung auf Körper und Psyche dient sie der Gesundheit in einem noch viel grös seren Umfang. Laut einer Definition der Welt gesundheitsorganisation (WHO) ist Gesundheit denn auch viel mehr als das Fehlen von Krankheit. Zur menschlichen Gesundheit gehört körperliches, geistiges und soziales Wohlbefinden. Zahlreiche Studien belegen, dass beispielsweise naturnahe Landschaften und die darin enthaltene Biodiversität dazu einen wesentlichen Beitrag leisten. Angesichts steigender Kosten im Gesundheitswesen ist die Förderung qualitativ hochstehender Landschaften mit einer intakten Biodiversität eine gute Investition.
Biodiversität tut gut. Die medizinische Forschung diskutiert seit Längerem die Vorzüge einer von Pflanzen und Tieren geprägten Umgebung, beispielsweise bei der Genesung von Kranken. In einer Studie konnte belegt werden, dass Patientinnen und Patienten mit Blick auf Bäume und Wiesen schneller gesund werden als solche mit Blick auf eine braune Backsteinwand.
Um die Schnittstelle zwischen Landschaft und Gesundheit auszuloten, lancierte die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz zusammen mit den Ärztinnen und Ärzten für Umweltschutz das Projekt «Paysage à votre santé», das unter anderem vom BAFU unterstützt wird. Eine erste Studie des Projekts am Institut für Sozial und Präventivmedizin der Universität Bern konnte belegen, dass sich Landschaft umfassender auf die Gesundheit aus
wirkt als bislang angenommen. Da die Biodiversität in Form von Lebewesen und Lebensräumen eine wichtige Qualität der Landschaft ist, kommt ihrer Erhaltung eine besondere Bedeutung zu. «Naturnahe und vielfältige Umgebungen, die von der Bevölkerung als attraktiv wahrgenommen werden und gut erreichbar sind, fördern körperliche Aktivitäten, wirken sich positiv auf die psychische Gesundheit der Menschen aus, steigern die Konzentrationsfähigkeit und reduzieren Frustration, Ärger und Stress», erklärt Pia Kläy von der Sektion Landschaft und Landnutzung beim BAFU.
Biodiversität bewegt. Naturerlebnisräume im Siedlungsgebiet sind vor allem für Kinder attraktiv. Sie erfüllen die elementaren Bedürfnisse nach Bewegung, Erkundung und autonomer Spielgestaltung. So haben die Kinder in der Grossüberbauung Telli in Aarau von einem Bach, der ökologisch aufgewertet wurde, in spontaner Begeisterung Besitz ergriffen. Natur als Bewegungsressource bietet wichtige Impulse zur Steigerung der körperlichen
Aktivitäten und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Gesundheit. Grünräume in Städten erfüllen zudem eine Vielzahl von Ökosystemleistungen. Beispielsweise wirken sie sich positiv auf das Mikroklima aus und reduzieren die Immissionsbelastungen in städtischen Ballungsräumen.
Biodiversität lehrt. Studien zeigen, dass selbst kurzzeitige Naturerlebnisse in der Mittagspause den Geist erfrischen, die Kreativität steigern und die Konzentration fördern. Die vom BAFU unterstützte Stiftung Natur & Wirtschaft will angesichts dieser Leistungen die Firmenareale zu Erholungsgebieten für die Angestellten und zu Lebensräumen für Tiere und Pflanzen machen. Die Stiftung hat sich zum Ziel gesetzt, mehr Leben, Vielfalt und Farbe in den Alltag zu bringen. Sie zertifiziert vielfälti
«Naturnahe und vielfältige Umgebungen steigern die Konzentrationsfähigkeit und reduzieren Frustration, Ärger und Stress.» Pia Kläy, BAFU
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ge und naturnahe Flächen, die mittlerweile so gross wie der Sempachersee sind.
Für Reto Locher, Geschäftsführer der Stiftung, hat der Zusammenhang zwischen Biodi versität und Wohlbefinden aber noch eine andere, tiefere Ebene. Wer der schöpferischen Natur – mit der uns mehrere Milliarden Jahre Evolution verbinden – Raum gibt, nimmt sich selbst zurück und übt sich in Bescheidenheit. «Die Vielfalt aller Arten zu erleben und sie und uns als Lebewesen zu begreifen – dies ist eine Erfahrung, die uns Demut, Respekt und Verantwortung lehrt», sagt Reto Locher. Unser Wohlbefinden lässt sich dadurch entscheidend erhöhen.
Gregor Klauswww.umwelt-schweiz.ch/magazin2010-2-05 Der Stamm CHA0 von Pseudomonas fluorescens
trägt die Nummer 2. Diese Variante des stäbchenförmigen Bakteriums gehört damit zu den allerersten Mikroorganismen, die Eingang fanden in die «Culture Collection of Switzerland» (CCOS), wo sie nochmals akribisch untersucht und charakterisiert wurden und seither bei Temperaturen um minus 196 oC darauf warten, dass sich irgendjemand für sie und ihre Eigenschaften näher interessiert.
Die Labors der CCOS an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Wädenswil wurden im Mai 2009 eingerichtet. Der Anstrich ist noch frisch, die Apparate glänzen blitzsauber. Kontrolllichter blinken, die Ventilation summt, Zahlen und Grafiken huschen über Bildschirme. Man hat nicht das Gefühl, hier gehe es um natürliche Vielfalt. Doch in der künstlichen Umwelt wird ein nicht unbedeutender Teil der Biodiversität unseres Landes konserviert.
Die unsichtbare Mehrheit. Die Pilz, Pflanzen und Tierarten, welche die Erde bevölkern, sind nur ein Teil der biologischen Vielfalt – und nicht unbedingt der wesentlichste. Mehr als die Hälfte der Biomasse weltweit stellen die Mikroorganismen – Bakterien, mikroskopisch kleine Pilze und Algen, Protozoen. Sie halten die Ökosysteme am Laufen, machen den Stickstoff aus der Luft zu einem Pflanzennährstoff, reinigen das Wasser, zersetzen alle Lebewesen nach deren Tod. Die Hälfte der globalen Sauerstoffproduktion entstammt ihrer Tätigkeit. Und die Zahl ihrer Arten geht vermutlich in die Mil liarden.
Mikroorganismen sind Alleskönner. Die Breite ihrer Fähigkeiten widerspiegelt sich in der Vielfalt der ökologischen Nischen, die sie besetzen. Einige gedeihen bei extremer Hitze, andere in Gletscherseen bei Temperaturen um den Gefrierpunkt. Es gibt Spezialisten für stark
Unsichtbare HelferMIKROORGANISMEN
Ein Labor in Wädenswil am Zürichsee kümmert sich um eine wenig bekannte biologische Ressource der Schweiz: die Vielfalt der hiesi-gen Mikroorganismen.
KONTAKTPia Kläy Sektion Landschaft und Landnutzung, BAFU031 322 80 [email protected]
Biodiversität wirkt
(gk) Früher wurden fast alle Heilmittel ausPflanzenundTierenhergestellt.AuchheutenochistdieNaturunsereApotheke.Mangehtdavonaus,dassweltweitindertraditionellenMedizin50000bis70000Pflanzenartengenutztwerden.DieMenschenindenEntwicklungsländernsindauf wild wachsende Heilpflanzen angewiesen.DieErhaltungundnachhaltigeNutzungderBio-diversität ist für diese Menschen deshalb über-lebenswichtig.InAmazonienhatdieZerstörungdesRegenwaldesinvielenRegionenbereitsdazugeführt, dass wichtige Heilpflanzen selten oderteuergewordensind–mitfatalenFolgenfürdieGesundheitderdortlebendenMenschen.
AuchwennwirinderSchweizdieWirkstoffeinTablettenformzuunsnehmen,sindwirnichtviel weniger von der globalen Biodiversität ab-hängig: Rund die Hälfte der heute gebräuch-lichen Arzneimittel basiert auf Wirkstoffen,dievonTierenundPflanzenstammenodernachdem Vorbild natürlicher Wirkstoffe entwor-fen wurden. Der jährliche Umsatz mit solchenMedikamenten beläuft sich weltweit auf rund200MilliardenUS-Dollar.
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saure oder basische, schwefelreiche oder sauerstofffreie Milieus, und viele Arten nutzen andere Organismen als Habitate. «Fast die Gesamtheit der biologischen ‹Innovationen›, die im Verlaufe der Evolution ausprobiert wurden, sind bei den Mikroorganismen noch zu finden», sagt Kurt Hanselmann, mikrobieller Ökologe an der ETH Zürich, der sich mit Vorliebe mit den Lebensgemeinschaften an extremen Standorten befasst. Denn gerade die Extremisten weisen zuweilen Eigenschaften auf, die für den Menschen nützlich sein können.
Dazu zählt zum Beispiel das Bakterium Ther-mus aquaticus, das aus dem 70 oC heissen Wasser eines Geysirs im YellowstoneNationalpark in den USA isoliert wurde. Es verhalf uns zur Technik der PolymeraseKettenreaktion (PCR), der Kopiermethode für die Erbsubstanz DNA. Die PCR ist eines der wichtigsten Verfahren der Molekularbiologie. Mit ihr können Erbkrankheiten oder Virusinfektionen bestimmt, genetische Fingerabdrücke erstellt und Täter überführt werden, die winzigste Mengen von Hautpartikeln am Tatort hinterlassen haben. Um die doppelsträngige DNA zu vervielfältigen, muss sie zunächst in zwei Einzelstränge getrennt werden, was Temperaturen um 96 oC erfordert. Thermus aquaticus liefert dafür das Enzym, das auch bei dieser Hitze noch funktioniert.
Bier, Brot und biologische Schädlingsbekämpfung. Mikroorganismen sind seit Urzeiten eine biologische Ressource des Menschen. Die erste bildliche Darstellung ihrer Nutzung ist 5000 Jahre alt: Ägyptische Fresken zeigen Männer beim Bierbrauen. Dass sie dabei die Dienste des mikroskopisch kleinen Hefepilzes Saccharomycescerevisiaein Anspruch nahmen, bewies Louis Pasteur erst 1857. Auch beim Käsen und beim Backen halfen schon vor Jahrtausenden Mikroorganismen mit.
Die Molekularbiologie erschliesst den Winzlingen neue Tätigkeitsfelder in der Medizin, der Forschung, der Industrie, aber auch in der grünen Technologie: Der eingangs erwähnte CHA0Stamm von Pseudomonasfluorescens könnte sich bei der biologischen Schädlingsbekämpfung nützlich machen. Diese Bakterienart lebt an Wurzeln von Pflanzen. Sie schützt ihren Wirt durch Produktion antibiotisch wirkender Substanzen vor krankmachenden Keimen. Im Fall des Stamms CHA0, der Getreide, Zuckerrübe und andere Nahrungspflanzen besiedelt, hemmt dieser Stoff schädliche Pilze.
In hiesigen Obstgärten wütete in den letzten Jahren das Bakterium Erwiniaamylovopra, der Erreger des Feuerbrandes. Wegen dieser sehr ansteckenden Baumkrankheit mussten 2007 eine Viertelmillion Bäume gefällt werden. Um befallene Kulturen zu behandeln, wird heute das Antibiotikum Streptomycin versprüht, was wegen der Gefahr der Resistenzbildung nicht unproblematisch ist. Auch diverse natürliche Widersacher aus der Welt der Mikroben sind gegen das krank machende Bakterium im Einsatz. Ein aussichtsreicher Kandidat, dem eine hohe Wirksamkeit zugeschrieben wird, ist Pantoea agglomerans. Da es jedoch auch humanpathogene Stämme dieses Bakteriums gibt, ist eine genaue Identifizierung der Stämme nötig, die sich für die biolo gische Schädlingsbekämpfung eignen. Im Rahmen eines vom BAFU unterstützten Projekts werden derzeit an der Forschungsanstalt Agroscope ChanginsWädenswil ACW solche Stämme charakterisiert und ihr Verhalten in der Umwelt untersucht.
Biologische Bibliothek. Auch für den Umgang mit den Mikroorganismen gelten die Gebote der 1992 verabschiedeten Biodiversitätskonvention: Die Nutzung soll nachhaltig und gerecht sein, und die Vielfalt ist zu erhalten. «Dabei liegt der Fokus auf der Untersuchung des Beitrags dieser Organismen für das Funktionieren der Ökosysteme
sowie auf der Konservierung von möglicherweise nützlichen Stämmen für Industrie und Forschung », sagt Marco D’Alessandro von der Sektion Biotechnologie und Stoffflüsse im BAFU.
Eingang in die Stammsammlung CCOS in Wädenswil finden grösstenteils Mikroben, die im Rahmen von wissenschaftlichen Projekten aus der Umwelt – an Pflanzen, in Böden oder Gewässern – isoliert wurden. Andere stammen aus hiesigen Forschungs und Industrielabors. Neben potenziell nützlichen werden auch krank machende Mikroorganismen aufgenommen, die für Anwendungen in der Diagnostik und Impfstoffentwicklung dienen können. So zählen zum Beispiel ein paar aus Schweizer Zecken isolierte BorrelioseErreger ebenfalls zum Inventar. «Die CCOS funktioniert wie eine Bibliothek», erläutert der Mikrobiologe und CCOSLeiter Martin Sievers. «Stämme von Mikroorganismen schweizerischer Herkunft werden bei uns gelagert und Interessierten für Anwendungen verfügbar gemacht.»
Hansjakob Baumgartnerwww.umwelt-schweiz.ch/magazin2010-2-06
Mikroorganismen sind seit Urzeiten eine biologische Ressource des Menschen.
KONTAKTMarco D’AlessandroSektion Biotechnologie und Stoffflüsse, BAFU031 322 93 [email protected]
Mikroorganismen zeichnen sich durch eine grosse Formenvielfalt aus. Ihre Genome enthalten das erdgeschichtliche Archiv aller biologisch mass-gebenden Innovationen. Bilder: Kurt Hanselmann, swiss | i-research and training, Zürich
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21Dossier Biodiversität > umwelt 2/2010
Biodiversität ist dynamisch
BiodiversitätistnichtsStatisches,das sich unter einer Käseglockekonservieren lässt. Pflanzen re-agieren beispielsweise auf Um-weltfaktoren wie Frost, Trocken-heit, Überflutung, Beschattungoder den Nährstoffgehalt imBoden.Die zeitlichundräumlichwechselndenUmweltbedingungensindmalfürdieeine,malfürdieandere Art von Vorteil. DadurchbleibtVielfalterhalten,ohnedasseineeinzigeArtdominiert.Damitdiese Dynamik spielt und neue,für eine Art günstige Standortebesiedeltwerdenkönnen,brauchtes Verbindungen in Form einerintaktenVernetzung. Fotos und Montage: Christian Koch
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Immer weniger BiodiversitätZUSTAND, ERHALTUNG UND FÖRDERUNG
Die Schweiz ist zwar ein relativ kleiner Staat, weist aber dennoch eine ähnlich hohe Arten und Lebensraumvielfalt auf wie andere, viel grössere europäische Länder. So leben hierzulande weit über 50 000 Pflanzen, Tier und Pilzarten. Die verhältnismässig hohe Biodiversität verdanken wir den Alpen mit ihren verschiedenen Klimazonen, dem vielfältigen geologischen Untergrund, dem reich strukturierten, über lange Zeit traditionell bewirtschafteten Kulturland und der grossen Vielzahl an natürlichen und naturnahen Lebensräumen. Sehr reichhaltig ist auch die genetische Vielfalt von Kulturpflanzen und Nutztieren, die eng mit dem naturräumlichen und kulturellen Reichtum verbunden ist.
Doch die Vielfalt ist keine Selbstverständlichkeit. Eine Untersuchung des Forums Biodiversität Schweiz, an der über 80 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beteiligt waren, zeigt mit wenigen Ausnahmen massive Verluste seit 1900 (Abb. 1, 7). Praktisch alle natürlichen oder naturnahen Lebensräume haben deutlich an Fläche und an Qualität verloren. Dementsprechend lang sind die Roten Listen der gefährdeten Arten (Abb. 5). Die Ursachen für diese Verluste sind vielfältig (Abb. 4, 6).
Nutzungsintensivierung in den Alpen. Um den Rückgang zu stoppen, wurden in den letzten beiden Jahrzehnten Massnahmen zur Erhaltung und Förderung der Biodiversität ergriffen (Abb. 2). «Die Anstrengungen der Schweiz, die Biodiversität zu erhalten und zu fördern, zeigen erste Erfolge, insbesondere im Wald und bei der genetischen Vielfalt der Nutztierrassen und Nutzpflanzensorten», erklärt Meinrad Küttel, Projektleiter des BiodiversitätsMonitorings Schweiz (BDM) beim BAFU. «Das wichtigste Ziel, nämlich
den vom Menschen verursachten Biodiversitätsverlust insgesamt zu stoppen, wurde allerdings bis jetzt nicht erreicht». Im Alpenraum zeichnet sich sogar eine Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung und damit ein weiter zunehmender Biodiversitätsverlust ab (Abb. 9).
Schutz- und Förderflächen. Wenn die Landnutzung des Menschen zu einem starken Rückgang der biologischen Vielfalt führt (Abb. 8), spielen Schutzgebiete bei der Erhaltung und Förderung der Biodiver sität eine besonders wichtige Rolle. Sie sind regelrechte Rettungsinseln, von denen aus sich Arten wieder ausbreiten können. Die Gesamtfläche der Biodiversitätsschutzflächen auf nationaler Ebene beträgt allerdings zurzeit (2010) lediglich 6,19 Prozent der Landesfläche (Abb. 2).
Zusammen mit den kantonalen und kommunalen Schutzgebieten bilden diese über das ganze Land verteilten Rückzugsgebiete das Rückgrat eines Lebensraumverbundes. Allerdings sind sie oft kleinflächig, isoliert und zahlreichen Störungen ausgesetzt, sodass sie als alleiniges Naturschutzinstrument nicht genügen. Erfolgskontrollen in den Biotopen von nationaler Bedeutung zeigen bei den Mooren (Abb. 3), den Amphibienlaichgebieten und den Trockenwiesen und weiden deutliche Qualitätsverluste.
Biodiversitätsfreundliche Landnutzung. Benötigt werden deshalb eine ökosystemverträgliche Nutzung auf der ganzen Landesfläche sowie zusätzliche Netzknoten als Tritt und Vernetzungs flächen im Lebensraumverbund. «Nur so kann ein funktionierender Gesamtlebensraum Schweiz entstehen», sagt Evelyne Marendaz, Leiterin der Abteilung Artenmanagement beim BAFU. Im Wald bedingt dies beispielsweise zusätzlich zum Aus
Die Biodiversität ist weltweit in einem besorgniserregenden Zustand. Trotz einer Reihe von Massnahmen zur Erhaltung und Förderung der Vielfalt schreitet die Verarmung auch in der Schweiz fort. Die Ursachen für den Rückgang sind vielfältig.
KONTAKTEvelyne Marendaz GuignetLeiterin Abteilung Artenmanagement, BAFU031 325 53 [email protected]
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23Dossier Biodiversität > umwelt 2/2010
Immer weniger Biodiversitätscheiden von Waldflächen als Natur und Sonderwaldreservate eine flächendeckende naturnahe Waldbewirtschaftung. Weitere, genauso wichtige Massnahmen zur Verdichtung des Lebensraumverbundes sind etwa die ökologischen Ausgleichsflächen und Vernetzungsprojekte in der Landwirtschaft, die Revitalisierung der Fliessgewässer, die Naturpärke, die Wiederherstellung von Wildtierkorridoren durch den Bau von Grünbrücken, die ökologische Aufwertung von Firmengeländen, Dachbegrünungen, naturnah gestaltete Gärten und Grünräume im Siedlungsraum.
«Der Erhalt und die Förderung der Biodiversität hängen zudem von der nachhaltigen Nutzung der natürlichen Ressourcen durch alle politischen und wirtschaftlichen Sektoren im ganzen Land ab», erklärt Evelyne Marendaz. «Marktwirtschaftliche Lenkungs oder Finanzierungsinstrumente für Massnahmen zugunsten der Biodiversität müssen optimiert oder neu entwickelt werden».
Gregor Klaus
www.umwelt-schweiz.ch/magazin2010-2-07
Die früher weitverbreiteten Lebensräume Auen, Moore und Trockenwiesen und
-weiden (TWW) haben seit 1900 deutlich an Fläche eingebüsst. Auen fielen vor
allem den Gewässerkorrekturen zum Opfer; Moore wurden abgetorft oder zu
Landwirtschaftsland umgewandelt; TWW wurden immer intensiver bewirtschaf-
tet oder fielen brach und wurden zu Wald. Insgesamt betrug der Flächenverlust
zwischen 1900 und 2010 bei den Auen 36 %, bei den Mooren 82 % und bei den
Trockenwiesen und -weiden 95 %. Es darf dabei aber nicht vergessen werden,
dass schon vor 1900 grosse Veränderungen stattgefunden haben. Betrachtet
man für die Auen den Zeitraum von 1850 bis heute, betragen die Flächenver-
luste 71 %. Quelle: Lachat T. et al. (Red.) 2010: Wandel der Biodiversität in der Schweiz seit 1900. Ist die Talsohle
erreicht? Bristol-Stiftung, Zürich. Haupt Verlag Bern.
Quelle: BDM
ABB. 1: STARKE VERLUSTE WERTVOLLER LEBENSRÄUME
Flächenanteil in %
100
80
60
40
20
0
1900 1920 1940 1960 1980 2000 2020
Auen
Moore
TWW
ABB. 2: BIODIVERSITÄTSSCHUTZFLÄCHEN AUF NATIONALER EBENE
1991 93 95 97 99 2001 03 05 07 09 10
Geschützte Fläche (ha)
Gesamtfläche Hochmoore Flachmoore
Amphibienlaichgebiete Nationalpark Auen Trockenwiesen und -weiden
100 000
90 000
80 000
70 000
60 000
50 000
40 000
30 000
20 000
10 000
0
Quelle: BAFU
Biodiversitätsschutzflächen mit
Rechtserlassen auf nationaler Ebene:
6,19 % der Landesfläche
Ein wichtiger Pfeiler der Biodiversitätspolitik des Bundes sind die Inventare der
Biotope von nationaler Bedeutung (Hoch- und Übergangsmoore, Flachmoore,
Auen, Amphibienlaichgebiete sowie seit 2010 Trockenwiesen und -weiden). Seit
der Einführung der Bundesinventare 1991 hat die Fläche dieser streng ge-
schützten Gebiete in der Schweiz stetig zugenommen (links: mit Na tionalpark).
Vor allem bei den Auen und Mooren wurde damit der quantitative Verlust wei-
testgehend gestoppt. Allerdings konnten nur noch Restflächen geschützt wer-
den, deren Qualität stetig zurückgeht (Abb. 3). Alle oben genannten Schutzge-
biete bedecken zusammen mit den Wasser- und Zugvogelreservaten sowie den
Jagdbanngebieten nur 6,19 % der Landesfläche (rechte Grafik).
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umwelt 2/2010 > Dossier Biodiversität24
ABB. 3: QUALITÄTSVERLUSTE IN MOOREN
Quelle: BAFU
Eine grosse Herausforderung ist die Erhaltung der Lebensraumqua-
lität in den verbliebenen und geschützten Biotopen von nationaler
Bedeutung. Auen benötigen periodische Hochwasser und eine na-
türliche Dynamik, um ihre ökologische Qualität aufrechtzuerhalten;
Trockenwiesen und -weiden müssen weiterhin extensiv bewirtschaf-
tet werden; Moore sind auf einen intakten Wasserhaushalt und nähr-
stoffarme Verhältnisse angewiesen. Eine Untersuchung im Auftrag
des BAFU hat aber gezeigt, dass sich die Qualität vieler Hoch- und
Flachmoore von nationaler Bedeutung innerhalb von fünf Jahren
(Erhebungs periode 1997/2001–2002/06) verschlechtert hat. Über ein
Viertel der Moore ist deutlich trockener geworden, und in einem weite-
ren knappen Viertel hat die Nährstoffbelastung deutlich zugenommen.
Besonders problematisch ist der Eintrag von Stickstoff aus der Land-
wirtschaft und dem Verkehr über die Atmosphäre.
ABB. 4: ASPHALT UND BETON
Quelle: ARE
Ein Merkmal des Siedlungsraumes sind versiegelte Böden. Doch ge-
gen Beton und Asphalt ist kaum ein Kraut gewachsen. Die versiegelte
Fläche nimmt in der Schweiz parallel zum Siedlungswachstum stetig
zu. Die Grafik zeigt die Zunahme der versiegelten Fläche für die drei
Erhebungen der Arealstatistik seit 1979. Die Daten beziehen sich auf
38 % der Landesfläche gemäss bisher verfügbaren Daten der Areal-
statistik 2004/09. Sie stammen vor allem aus der Nord- und Nord-
westschweiz.
ABB. 5: 36 % DER ARTEN SIND BEDROHT
Quelle: BAFU
Auf den Roten Listen der bedrohten Arten in der Schweiz stehen je nach Grup-
pe unterschiedlich viele Arten. Bei den Wirbeltieren sind die Amphibien und
Rep tilien besonders stark bedroht: 70 % der Amphibien- und 79 % der Reptilien-
arten stehen auf der jeweiligen Roten Liste. Der Anteil Arten mit ungenügender
Datengrundlage weist auf einen entsprechenden Forschungsbedarf hin.
ABB. 6: DIE URSACHEN FÜR DIE GEFÄHRDUNG
Quelle: Rote Listen-Synthese, BAFU
Gefährdungsursachen für Pflanzenarten, deren Schutz oberste Priorität hat.
Dazu gehören unter anderem Arten, die sehr selten, bedroht oder besonders
charakteristisch für einen bestimmten Lebensraum sind, sowie Arten, die be-
sonders wichtig für das Überleben anderer Arten sind oder für die die Schweiz
in Europa oder weltweit eine grosse Verantwortung trägt.
100 000
80 000
60 000
40 000
20 000
0
Fläche in ha
1979/85 1992/97 2004/09
52 932 61 200 68 165
18 40421 572
24 254
Befestigte Flächen Gebäude
Feuchtigkeit Nährstoffe
Feuchter 3 %
Trockener 26%
Magerer 5 %Nährstoff-
reicher 23 %
160
140
120
100
80
60
40
20
0
Anzahl prioritäre Pflanzenarten
Intensive Nutzung von Kulturland, Gewässern und Wald
Zerstörung des Lebens-raumes durch Bauten und Anlagen
Verluste des Lebensraumes durch Wegfallen der natürlichenDynamik oder durch landwirt-schaftliche Nutzung
Störung durch Freizeitnutzung, touristische Nutzung sowie übermässiges Sammeln
Schadstoff-eintrag (z. B. Stickstoff) und Klimawandel
147
Grosspilze
Farn- und Blütenpflanzen
Moose
Baumbewohnende Flechten
Erdbewohnende Flechten
Brutvögel
Heuschrecken
Libellen
Fische, Rundmäuler
Amphibien
Reptilien
Artengruppen
% 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
Ausgestorben oder verschollen Vom Aussterben bedroht Stark gefährdet Verletzlich
Potenziell gefährdet Nicht gefährdet Ungenügende Datenquelle
104
82
21
143
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25Dossier Biodiversität > umwelt 2/2010
ABB. 7: SCHMETTERLINGE IM SINKFLUG
Die Grafik verdeutlich die Entwicklung der Schmetterlingsfauna in der Region
Basel (ca. 1500 km2). Die Anzahl Arten, die für ein vielfältiges Landwirtschafts-
gebiet typisch sind, nimmt seit 1930 kontinuierlich ab. Rund 20 % der Arten
gelten seit 1980 als vermisst. Die Hauptgründe für den Rückgang sind die in-
tensivere landwirtschaftliche Nutzung respektive die Nutzungsaufgabe von abge-
legenen und schwierig zu bewirtschaftenden Trockenwiesen und -weiden sowie
die Ausdehnung der Siedlungs- und Industrieflächen. Wird das Verschwinden von
Arten bemerkt, sind die Veränderungen der Biodiversität bereits relativ weit fort-
geschritten. Dem Verschwinden geht nämlich immer eine sehr starke Abnahme
an Individuen und Beständen voraus. So kommen viele der einst weitverbreiteten
Bläulinge und Scheckenfalter in der Region Basel nur noch an wenigen Stellen
vor. Diese kleinen, stark isolierten Populationen sind stark bedroht.Quelle: Altermatt F. et al. 2006: Die Grossschmetterlingsfauna der Region Basel. Monographien der Entomo-
logischen Gesellschaft Basel, 2, 423 S.
In den letzten 20 Jahren wurde das Berggebiet von einer Intensivierungswelle
heimgesucht. In günstigen Lagen wurden Wiesen und Weiden stärker gedüngt,
zunehmend oder regelmässiger bewässert und deutlich früher und intensiver als
bisher genutzt. Gleichzeitig wurden abgelegene und schwierig zu bewirtschaf-
tende Flächen aufgegeben, sodass sie nun verbrachen oder einwalden. Durch
diese Entwicklungen geht ein Teil der Biodiversität verloren. Die Grafik zeigt die
Bestandsentwicklung der in Wiesen brütenden Vogelarten (Braunkehlchen, Feld-
lerche, Baumpieper, Grauammer, Heidelerche) in den drei Walliser Gemeinden
Brunnen, Gampel und Savièse zwischen 1988 und 2006. Quelle: Sierro A. et al. 2009: Banalisation de l’avifaune du paysage agricole sur trois surfaces témoins du Valais
(1988–2006). Nos Oiseaux 56: 129 –148.
ABB. 9: VERLUSTE IM ALPENRAUM
ABB. 8: MONOTONIE IM MITTELLAND
Vor rund 100 Jahren beherbergte das Mittelland noch gleich viele Tag-
falterarten wie die Berggebiete. Seither hat das Mittelland seine Viel-
falt verloren. Dieser Vorgang fand bei fast allen Artengruppen statt. Die
Grafik zeigt die Tagfaltervielfalt auf den Stichprobenflächen (jeweils
1 km2) des Biodiversitäts-Monitorings Schweiz (2003/07). Je grösser
ein roter Punkt, desto mehr Arten wurden beobachtet. Hauptursache für
den Rückgang ist der Verlust an extensiv bewirtschafteten und blütenrei-
chen Lebensräumen. In der Alpenregion ist die Tagfaltervielfalt pro Quadrat-
kilometer heute doppelt so hoch wie im Mittelland. Allerdings erfolgte auch
hier seit den 1980er-Jahren eine Intensivierung der landwirtschaftlichen
Produktion – und damit ein Rückgang der gefährdeten und spezialisierten
Arten des Kulturlandes.
Quelle: BDM
< 20 Arten 20–29 Arten 30–39 Arten 40–49 Arten
50–59 Arten > 60 Arten nicht bearbeitet
KONTAKTEFrancis CordillotSektion Arten und BiotopeBAFU031 324 01 [email protected]
Meinrad KüttelProjektleiter BDM-CHAbt. ArtenmanagementBAFU031 322 93 [email protected]
% 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
10
8
6
4
2
0
Anzahl Brutvogelreviere pro 10 Hektaren
1988 90 92 94 96 98 2000 02 04 06
Gampel
Brunnen
Savièse
Anzahl Arten
120
100
80
60
40
20
0
1880
–188
9
1890
–189
9
1900
–190
9
1910
–191
9
1920
–192
9
1930
–193
9
1940
–194
9
1950
–195
9
1960
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9
1970
–197
9
1980
–198
9
1990
–199
9
2000
–200
9
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«umwelt»: Es gibt unzählige ökonomische Gründe, die Biodiversität zu erhalten und zu fördern. Gibt es auch ethische Geltungsansprüche für den Schutz der biologischen Vielfalt? Haben beispielsweise die Libellen am Teich vor Ihrem Büro einen Eigenwert, den wir respektieren müssen?Gérald Hess: Das hängt davon ab, welche ethische Grundhaltung man einnimmt – ob man sich auf den Menschen beschränkt oder noch andere Lebewesen in die moralische Gemeinschaft einbezieht. Die ethische Position ist stark soziokulturell bestimmt. Meine Aufgabe als Umweltethiker ist es, die Wertvorstellungen und Verhaltensnormen, die sich auf den Umgang mit der nichtmenschlichen Natur beziehen, kritisch zu hinterfragen.
Welche ethischen Standpunkte können unterschieden werden?Die anthropozentrische Sichtweise dürfte in der Praxis am weitesten verbreitet sein. Die Vertreter dieser Position gehen davon aus, dass vor allem oder ausschliesslich der Mensch einen Eigenwert besitzt und die nichtmenschliche Natur nur einen relationalen Wert in Bezug auf den Menschen hat. Der Nutzen der Natur steht also im Vordergrund. Dazu gehört auch der ästhetische Wert einer Blumenwiese. Wenn Menschen das Gefühl haben, dass diese Wiese geschützt werden muss, weil sie sich daran erfreuen, erhält die Wiese mit ihrer Artenvielfalt einen Wert. Dieser Wert hat immer noch einen engen Bezug
zu menschlichen Wünschen und Bedürfnissen, kommt aber interessanterweise dem Eigenwert der Natur sehr nahe.
Aber der Mensch steht immer noch im Vordergrund. Bei anderen Standpunkten gegenüber der Natur werden die moralischen Überlegungen explizit auf andere Lebewesen ausgedehnt. Die pathozentrische Betrachtungsweise geht beispiels weise davon aus, dass eine Schutzpflicht gegenüber allen empfindsamen Lebewesen besteht. In Bezug auf Ihre erste Frage kann man aus ethischer Sicht die Auffassung vertreten, dass die Libellen einen Eigenwert haben, weil sie empfindungsfähige Lebewesen sind und die Empfindungsfähigkeit moralisch relevant ist. Für den Patho
zentriker wie auch für den Anthropozentriker können aber diese Libellen auch einfach schön sein oder eine Beziehung zum Betrachter haben. Bei der biozentristischen Sichtweise wird sogar allem Lebenden – also auch den Pflanzen – ein Eigenwert zugeschrieben. Dieser Standpunkt ist allerdings nur schwer in die Praxis übertragbar und erreicht oftmals Grenzen in der Akzeptanz. Sobald es darum geht, Entscheidungen zu treffen – beispielsweise gegen eine invasive Art aus Asien oder die Umwandlung einer standortfremden Lebensgemeinschaft in eine regionstypische –, muss Leben vernichtet werden. Denn jede Massnahme in der Landschaft geht auf Kosten anderer Lebewesen.
«Ökonomische Argumente für den Schutz der Biodiversität haben ohne Zweifel ihre Berechtigung. Gleichzeitig können ethische Argumente eine grosse Hilfe sein.»
Ethik und Ökonomie sind keine Gegensätze
INTERVIEW
Gérald Hess hat das BAFU sechs Jahre lang in ethischen Fragen beraten. Seit Januar 2010 lehrt er Umweltethik an der Universität Lausanne. Ein Gespräch im Jahr der Biodiversität über moralische Werte, ethische Sichtweisen und die Schnittstellen zwischen Ökonomie und Ethik.
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Sie plädieren für einen moralischen Anthropozen trismus?Ich plädiere dafür, ökonomische und ethische Denkweisen nicht als Gegensätze zu betrachten, sondern als zwei Seiten der Medaille. Ökonomische Argumente für den Schutz der Biodiversität haben ohne Zweifel ihre Berechtigung. Gleichzeitig können ethische Argumente eine grosse Hilfe sein. Nehmen wir das Beispiel Moorlandschaften. Der Mensch ist in dieses Ökosystem eingebunden, beeinflusst es und profitiert auch davon. Könnte nicht das gesamte System – zusammen mit dem Menschen – dadurch einen Eigenwert bekommen, der den eigentlichen monetären Wert deutlich erhöht? Dieser Standpunkt lässt sich meiner Meinung nach gut begründen, wenn man sich von einer Vorstellung von Natur verabschiedet, bei der Wildheit und Unberührtheit
das Mass aller Dinge sind und die den Menschen völlig ausklammert.
Wenn man ein Hochmoor nicht mehr für den Torfabbaunutzt, kommt es aber doch zu einem ökonomischen Verlust. Das stimmt so nicht! Ich kann nicht nur Nutzwerte monetarisieren. Wenn auf die Nutzung des Hochmoors bewusst verzichtet wird, weil die Menschen die ethische Position vertreten, dass die Lebewesen des Moors geschützt werden müssen, wird der Nutzwert zum Verzichtswert. Die moralische Relevanz, die dem Hochmoor entgegengebracht wird, lässt sich so in Geldwerten ausdrücken – immer vorausgesetzt, der Verzicht kann ethisch begründet werden. Gleichzeitig hat das Moor einen Langzeitwert, weil spätere Generationen vom Torfabbau jederzeit profitieren
Der Philosoph Gérald Hess war wissenschaftlicher Mitarbeiter beim BAFU, wo er die Kontaktstelle für ethische Fragen betreute, insbesondere im Bereich Biotechnologie und Artenmanagement. Seit Januar 2010 ist er Oberassistent an der Faculté des géosciences et de l’environnement der Universität Lausanne und unterrichtet Umweltethik.Bild: Christian Koch
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KONTAKTEvelyne Marendaz Guignet, siehe Seite 22
können. Und schliesslich ist ein intaktes Moor eine Kohlenstoffsenke, die dem Klimawandel entgegenwirkt, der vor allem die armen Länder treffen wird. Man kann zudem berechnen, was es die Wirtschaft kosten würde, wenn wir keine Schutzmassnahmen träfen. Insgesamt haben wir hier eine schöne Kombination aus ökonomischen und ethischen Argumenten.
Würden denn ethische Argumente nicht genügen, um die Biodiversität zu schützen? Wir leben in einer Kultur, in der die Wirtschaft zur Basis unseres täglichen Lebens geworden ist. Wir sind auf die Vermehrung des Nutzwertes ausgerichtet – und handeln entsprechend. Ob uns das passt oder nicht: Ethische Argumente über den Eigenwert der Natur allein reichen nicht aus, um die Biodiversität zu bewahren. Allerdings ist es ein Irrtum anzunehmen, nachhaltiges Wirtschaften und ethisches Verhalten würden sich ausschliessen. Mit einem breit verstandenen moralischen Anthropozentrismus kann eine gute Umwelt und Ressourcenpolitik betrieben werden.
Braucht unsere Gesellschaft eine Diskussion über moralische Werte?Unbedingt! Das beginnt bei der Vermittlung von Grundwerten und Wertehaltungen in der Erziehung und in der Umweltbildung. Wir müssen den Kindern bewusst machen, dass uns mit den anderen Lebewesen auf dieser Erde viele Millionen Jahre Evolution verbinden. In den Schulen muss etwa die Frage diskutiert werden, ob Blumen einen Eigenwert haben. Muss ich sie respektieren? Und wenn ja, warum? Welche individuelle Verantwortung trage ich als Konsumentin oder Nutzer? Wieso handeln wir so, wie wir handeln?
Weil die einzelnen Entscheidungssituationen oft viel komplexer sind als die Musterwelt? Es passiert tatsächlich viel zu häufig, dass der Mensch nicht im Einklang mit seinem Wissen handelt. Bei der Biodiversität und beim Klima wissen wir, dass wir dringend etwas tun sollten. Doch das Handeln bleibt weitgehend aus. Dabei muss man nicht einmal Biozentrist sein, um die Natur zu bewahren. Es sollte der Hinweis genügen, dass die natürlichen Ressourcen samt Biodiversität grundsätzlich nicht ersetzbar sind; wir müssen sie jetzt schützen, damit auch
zukün ftige Generationen davon profitieren können.
Müssen wir unser Verhalten überdenken?Es ist allgemein anerkannt, dass unsere Zivilisation so nicht weitermachen kann. Wir werden in naher Zukunft lernen müssen zu verzichten. Wir brauchen unbedingt eine Veränderung unserer Grundwerte: Wir müssen beispielsweise unsere Vorstellung von Glück hinterfragen. Wir müssen unsere moralische Verantwortung als Konsumentinnen und Konsumenten wahrnehmen, genauso wie es auch Unternehmen tun sollten. Wir müssen auch nicht jeden Flecken Erde nutzen, und wir müssen nicht überall hinfliegen.
Das klingt sehr fortschrittsfeindlich.Eben nicht! Wir waren noch nie so stark auf neue Technologien angewiesen wie heute. Diese müssen aber nachhaltig sein. Wir sollten bei Innovationen versuchen, die Technik quasi zu naturalisieren, und nicht umgekehrt die Natur durch Technik zu imitieren. Beispielsweise wäre
es sinnvoller, Feuchtgebiete zu renaturieren oder neu anzulegen, statt teure Trinkwasseraufbereitungsanlagen zu bauen. Für unerlässlich halte ich auch eine Veränderung unserer poli tischen Institutionen, zum Beispiel mit der Einsetzung eines Nachhaltigkeitsrates, der eine grosse Entscheidungsbefugnis haben sollte und auf mindestens zehn Jahre gewählt werden muss. Wir benötigen eine ökologische Demokratie, in der die Politikerinnen und Politiker nicht schon nach zwei Jahren auf die nächsten Wahlen schielen und kurzsichtige Entscheidungen treffen, die langfristig auf Kosten der Umwelt gehen und uns damit selbst schaden. Wer Naturwerte zerstören will, sollte die Beweislast tragen. Dazu müssten Gesellschaft und Politik offen für patho oder biozentrische Positionen sein, so wie es zumindest das Umweltschutzgesetz und das Tierschutzgesetz eigentlich vorsehen.
Interview: Gregor Klaus
«Wir sollten bei Innovationen versuchen, die Technik quasi zu naturalisieren, und nicht umgekehrt die Natur durch Technik zu imitieren.»
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Gemeinsamer Nutzen – gemeinsame Verantwortung
ZUSAMMENARBEIT DER SEKTOREN
Die Anstrengungen zur Erhaltung, Förderung und nachhaltigen Nutzung der Biodiversität können nur dann erfolgreich sein, wenn alle Bereiche der Gesellschaft zusammenspannen. Jeder einzelne Sektor muss dabei seine Verantwortung wahrnehmen. Die Biodiversität hat in den letzten Jahren erfreulicherweise in sämtlichen Politikbereichen eine höhere Priorität erhalten. Dies zeigen die folgenden Gastbeiträge von acht Bundesämtern.
ASTRA Die Schweiz besitzt eines der dichtesten Strassennetze Europas. Verkehrswege sind die Lebensadern des mobilen Menschen. Für Wildtiere sind sie jedoch Barrieren, welche die Wander und Ausbreitungsmöglichkeiten stark einschränken. Vor allem Autobahnen mit ihrem hohen Verkehrsaufkommen und den Absperrungen durch Wildschutzzäune stellen für grössere Tiere wie Rothirsch und Reh unüberwindbare Hindernisse dar.
Mobilität ist für Wildtiere überlebenswichtig. Sie dienen der saisonalen Wanderung, dem genetischen Austausch zwischen Populationen und der Ausdehnung von Verbreitungsgebieten. Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass von den 303 wichtigen Wildtierkorridoren – den «Verkehrswegen» der Wildtiere – nur rund ein Fünftel ungehindert benutz bar ist. Mehr als die Hälfte ist in ihrer Funk tionalität erheblich beeinträchtigt; der Rest ist gar vollständig unterbrochen.
Das Bundesamt für Umwelt und das Bundesamt für Strassen haben aufgrund dieser Erkenntnisse Grundlagen für die Wiederherstellung von Wildtierkorridoren erarbeitet. Vor allem Wildtierpassagen können mithelfen, dass Populationen untereinander verbunden bleiben und die Biodiversität nicht gefährdet ist. 2001 wurden entlang des schweizerischen National und Hauptstrassennetzes neben den bereits geplanten Bauwerken zusätzliche 51 Standorte von zukünfti
gen Wildtierpassagen bestimmt. Seither sind 12 Korridore wieder durchlässig gemacht worden; 5 weitere Projekte stehen in der Realisierungsphase. Ziel ist es, in den nächsten 20 Jahren alle 51 Korridore im Rahmen von Unterhaltsarbeiten oder Ausbauprojekten der National und Hauptstrassen wildtiergerecht zu sanieren.
Die Wildtierpassage NeuIschlag im Kanton Bern (Bild) wurde im Zuge der Ausbauetappe der Bahn 2000 errichtet. Sie überspannt auch die A1 mit einer einzigen, 60 Meter breiten und 54 Meter langen Überführung. Eine Erfolgskontrolle hat gezeigt, dass der neue Korridor rege genutzt wird. Vor allem für den Rothirsch hat das Bauwerk die Verbindung Emmental–Mittelland/Jura wiederhergestellt. Auch für kleinere Tierarten erfüllt die Brücke eine wichtige Vernetzungsfunktion. In den Teichen auf dem Bauwerk laichen sogar Kreuz und Erdkröten.
Marguerite Trocmé Maillard Bundesamt für Strassen (ASTRA)
Wie alle Verkehrsflächen zerschneiden auch Bahnlinien Lebensräume. Neubaustrecken wie die Bahn 2000 oder die NEAT werden deshalb möglichst umweltschonend angelegt: häufig unterirdisch oder mit Brücken und Durchgängen für Wildtiere.
Zum Ausgleich der unvermeidlichen Störungen der Natur werden bei der Neuen EisenbahnAlpentransversalen (NEAT) zahlreiche Kompensationsmassnahmen ergriffen. Beispielsweise wurde beim Bau des LötschbergBasistunnels ein Areal von 0,67 Hektaren im Gebiet Bireloui bei Mitholz (BE) als Ausgleichsfläche ausgeschieden. Dank diverser Massnahmen konnte das bedrohte Schmetterlings und Ameisengebiet aufgewertet werden. Mit Erfolg: Bei einer Zählung im Frühling 2008 wurden dort 76 Schmetterlingsarten nachgewiesen.
Im Urnersee bei Flüelen (Bild Seite 30) wurden mit Ausbruchmaterial aus dem GotthardBasistunnel die vom Kiesabbau zerstörten Flachwasserzonen in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzt und sechs Inseln aufgeschüttet. Drei davon sind für Badegäste bestimmt, die übrigen drei sind Schutzinseln für die Tier und Pflanzenwelt. Bereits haben sich etliche Pflanzen der Roten Liste angesiedelt, ebenso zahlreiche Vogelarten.
Am südlichen Ende des Gotthard Basistunnels wurde als NEATAusgleichsmassnahme der vernachlässigte Kasta
BAV
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nienhain von Santa Petronilla oberhalb von Biasca (TI) mit Pflegemassnahmen aufgewertet. Das Projekt erhielt im Jahr
2005 den 1. Preis der Tessiner Sektion der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz.Auch entlang bestehender Bahnstrecken gibt es Lebensräume für Tiere, insbesondere für Reptilien und Insekten. Ökologisch besonders wertvolle Areale wie Brachflächen liegen häufig mitten in grossen Städten. Künstlich angelegte Kies und Sandflächen, blumenreiche Magerwiesenböschungen sowie Holz und Steinhaufen bieten zahlreichen Arten Unterschlupf. Zudem werden bei den laufenden Arbeiten zur Lärmsanierung der Bahnstrecken beim Bau von Lärmschutzwänden an potenziellen Reptilienstandorten in regelmässigen Abständen Steinkörbe unter der Wand eingebaut. Damit werden die Wände für die Tiere durchlässiger und stellen einen zusätzlichen Lebensraum dar.
Gregor SaladinBundesamt für Verkehr (BAV)
BFEAngesichts des weltweiten Booms der erneuerbaren Energien verschärfen sich die Interessenkonflikte zwischen Nutzung und Schutz der Umwelt. Mit geeigneten Massnahmen ist es jedoch möglich, neue Anlagen zu errichten und gleichzeitig einen Beitrag zur Förderung der Biodiversität zu leisten.
In der Schweiz prallen gegenwärtig die Anliegen der Promotoren erneuerbarer Energien und der Umweltseite aufeinander. Es wird befürchtet, dass der derzeitige Vormarsch der erneuer
baren Energien die letzten unversehrten Gewässer zerstört, die Landschaften mit Windturbinen verschandelt oder die Ökosysteme übernutzt. Doch der Ansatz «entweder – oder» ist falsch. Entweder verfehlen wir damit das Ziel, unsere Energieversorgung mit erneuerbaren Energien abzudecken, oder wir zerstören irreversibel natürliche Ressourcen. Gefragt ist vielmehr ein «sowohl als auch». Viele gute Projekte zeigen, dass dieser Ansatz durchaus erfolgreich sein kann.
Beim neuen Speicherkraftwerk «Linth Limmern» im Kanton Glarus – u. a. mit einem Höherstau des Muttsees (Bild) – wurde in einer gemeinsamen Planung zwischen Nutzern und Umweltorganisationen vorgemacht, wie dies im Bereich der Wasserkraft aussehen müsste: Mit der deutlich erhöhten Restwasserfüh
rung der Linth zwischen Linthschlucht und Linthal, der Aufgabe einer Wasserfassung, mehreren Flussaufweitungen, vier Fischtreppen und der Wiederbelebung zweier Wasserfälle konnte ein Gewinn für Natur und Landschaft erzielt werden. Das Erfolgsrezept ist bekannt und auf viele weitere Anlagen und Standorte anwendbar: schonende Einpassung der Anlagen, Verbindung von Schutzmassnahmen mit baulichen Massnahmen, Schaffen von ökologischen Ausgleichsbereichen bis hin zu klar geschützten Ökosystemen sowie weitergehende Schutzmassnahmen am Standort oder in der Umgebung der Anlage. So lässt sich oft eine Verbesserung gegenüber dem vorherigen Gesamtzustand erreichen. Der Ansatz mag anspruchsvoll sein, und er bedarf des Zusammenspiels der Behördenmassnahmen auf verschiedenen Ebenen. Aber er ist eine Chance.
Michael KaufmannVizedirektor Bundesamt für Energie (BFE)
BLWSeit 1999 müssen Landwirte 7 Prozent ihrer landwirtschaftlichen Nutzfläche als ökologische Ausgleichsflächen bewirtschaften, um Direktzahlungen zu erhalten. Für spezielle Landschaftselemente wie Buntbrachen und HochstammFeldobstbäume erhalten die Landwirte sogenannte ÖkoBeiträge.
Allerdings haben diese Massnahmen nicht in allen Regionen zur Förderung der Artenvielfalt und zur Ausbreitung bedrohter Arten geführt.
Im Jahr 2001 trat deshalb die ÖkoQualitätsverordnung (ÖQV) in Kraft. Seither bezahlen Bund und Kantone zusätzliche Beiträge für die ökologische Qualität und die Vernetzung von Ausgleichsflächen. Wenn eine Fläche bestimmte Qualitätskriterien erfüllt, kann der Landwirt sie anmelden. Zusätzliche Beiträge für eine optimale Vernetzung der Fläche mit anderen wertvollen Lebensräumen werden dagegen nur im Rahmen eines regionalen Konzepts ausgeschüttet.
Ein besonders gelungenes Beispiel für ein Vernetzungsprojekt stammt aus dem Kanton Appenzell Ausserrhoden (Bild). Das Landwirtschaftsamt, die Fachstelle Naturschutz und Vertreter aus Landwirtschaft, Jagd und Wald sowie von Naturschutzorganisationen haben gemeinsam ein Konzept erarbeitet, welches das gesamte Kantonsgebiet abdeckt. Seither werden HochstammObstgärten und Waldränder aufgewertet und Flächen entlang von Fliessgewässern extensiv bewirtschaftet; die Verbuschung von artenreichen Waldlichtungen wird verhindert. Feuchtgebiete und Trockenwiesen erhalten Pufferzonen
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31Dossier Biodiversität > umwelt 2/2010
gegen den Nährstoffeintrag und werden untereinander vernetzt. Die Laichgewässer von Amphibien werden gezielt mit den Winterquartieren verbunden. Die Beteiligung der Landwirte an diesem Vernetzungsvorhaben ist erfreulich hoch. Sie demonstrieren damit, dass sie sich der Idee einer multifunktionalen Landwirtschaft verpflichtet fühlen.
Patricia Steinmann Bundesamt für Landwirtschaft (BLW)
BVETNeben dem Lebensraumverlust ist der internationale Handel eine wichtige Ursache für das Aussterben von Arten. Am 3. März 1973 wurde das CITESAbkommen (Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen) unterzeichnet. CITES ist eine Handelskonvention im Interesse des Artenschutzes, welche die weltweite Erhaltung und nachhaltige Nutzung der Tier und Pflanzenpopulationen zum Ziel hat. Arten sollen nur in dem Mass gehandelt werden, wie es ihre natürlichen Bestände erlauben. Heute werden mehr als 5000 Tier und 28 000 Pflanzenarten in den Anhängen von CITES aufgeführt.
Die Schweiz hat das Vertragswerk als eines der ersten Länder unterzeichnet und ist Depositarstaat des Abkommens. Das Sekretariat von CITES hat seinen Sitz in der Schweiz. Als Vollzugsbehörde von CITES leistet das BVET einen wichtigen Beitrag zum Schutz und zur Erhaltung von Tier und Pflanzenarten und ihren Lebensräumen. Es stellt jährlich über 90 000 CITESAusfuhr und mehr
als 20 000 Einfuhrbewilligungen aus und führt an den Grenzen die physischen Kontrollen der Importsendungen durch. Weitere Kernaufgaben sind Inlandkontrollen, die fachliche Unterstützung der Behörden und die Information der Öffentlichkeit bei artenschutzrelevanten Fragen.
Ein Grossteil der ausgestellten CITESBewilligungen entfällt auf die Uhren und Luxusartikelindustrie. Aus dieser Branche stammen rund 80 000 Gesuche pro Jahr, die überwiegend die Ein und Wiederausfuhr von Produkten aus Reptilleder geschützter Arten betreffen. Noch vor gut 30 Jahren waren alle Krokodilarten (Bild) vom Aussterben bedroht. Heute haben sich die meisten Populationen wieder erholt. Dass teilweise beachtliche Mengen an Produkten von geschützten Arten umgesetzt werden können, ohne deren Fortbestand zu gefährden, ist unter anderem der konsequenten Anwendung des CITES Abkommens zu verdanken. Die Erholung der Krokodilbestände gilt als eine der grössten Erfolgsstorys von CITES und ist ein Paradebeispiel für die nachhaltige Nutzung von natürlichen Reichtümern durch einen kontrollierten Handel.
Mathias Lörtscher, Mirjam Walker Bundesamt für Veterinärwesen (BVET)
DEZA«Es ist paradox, dass vielerorts in Bolivien, wo die Landbevölkerung unter bitterster Armut leidet, der Artenreichtum am grössten ist», sagt der bolivianische Umweltexperte Gonzalo Mérida. Für ihn ist entscheidend, dass diese schlummernden Reichtümer einerseits bewahrt, andererseits für einen Markt erschlossen werden. Dabei geht es nicht nur um einen geordneten Holzschlag in den bereits stark dezimierten Wäldern. Man will neue Einnahmequellen erschliessen: wild wachsende tropische Früchte, Knollengewächse, Wolle von Lamas und Alpakas oder Heilpflanzen, über deren Wirkung die Bauern einschlägiges Wissen besitzen. Nicht zuletzt soll der Anbau von Futterpflanzen und einheimischen Nahrungsmitteln
wie Kartoffeln oder Mais gefördert werden, um die Ernährungssicherheit des Landes zu verbessern.
Seit 20 Jahren fördert die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) in Bolivien mit ihren Projekten die Produktion von Saatgut für wichtige lokale Nutzpflanzen wie etwa die Kartoffel (Bild), von der es in Bolivien 230 Sorten gibt. Im Vordergrund steht dabei die Reproduktion und Zertifizierung einheimischer Sorten. Die Produktion von zertifiziertem Saatgut stieg von knapp 7000 Tonnen im Jahr 1987 auf 60 000 Tonnen im Jahr 2005. Dank der Projekte der DEZA vermochten lokale Partner dezentralisierte Strukturen aufzubauen, indem sie einheimische Sorten und die Bedürfnisse der Kleinbauern, deren Höfe oft extremen klimatischen Bedingungen ausgesetzt sind, in den Vordergrund
stellten. Über 100 genossenschaftlich organisierte Unternehmen mit rund 1500 Saatgutproduzenten tragen mittlerweile zur Vermehrung des Angebots an Kartoffeln, Bohnen und Weizen bei.
Profitieren vom verbesserten Saatgut können vor allem arme Kleinbauern im Altiplano und in den trockenen Hochtälern, wo lokale Sorten zu verschwinden drohten. In unterschiedlichen Höhen lagen und unter vielfältigen ökolo gischen Bedingungen wird nun sorgfältig ausgewähltes Saatgut systematisch – meist auf kleinen Parzellen – angepflanzt. Eine ausgeklügelte Wertschöpfungskette ermöglicht es den Landwirten, ihr Saatgut auf regionalen und nationalen Märkten zu verkaufen.
Richard Bauer und Hans Peter Reiser Direktion für Entwicklung
und Zusammenarbeit (DEZA)
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umwelt 2/2010 > Dossier Biodiversität32
SECODas Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) engagiert sich für die nachaltige Ausrichtung des Welthandels, der sich als wichtiger Motor der wirtschaftlichen Entwicklung und Armutsreduktion erwiesen hat. Zusammen mit der UNKonferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) fördert das SECO die Entwicklung von Exportprodukten, die auf der lokalen, nachhaltig bewirtschafteten Biodiversität von Entwicklungsländern basieren: Viele Länder mit einer besonders hohen Bio diversität liegen im Süden – ihre natürliche Vielfalt ist der Ursprung gefragter Ausgangsstoffe für Nahrungsmittel, Kosmetika, Kunsthandwerk, Heilkräuter, Bekleidung, Ökotourismus und vieles mehr. Dies entspricht
einem der Ziele der Biodiversitätskonvention: Schützen dank Nutzen! Denn die Nutzung fördert die wirtschaftliche Bedeutung und damit den Erhalt und den längerfristigen Schutz.
Wo genetische Ressourcen ausserhalb ihres Herkunftslandes kommerziell genutzt werden, sollte zumindest ein Teil der Gewinne der armen Bevölkerung in den Entwicklungsländern wieder zugutekommen. Exemplarisch wird dieses Prinzip des «Access and Benefit Sharing» in einem Abkommen zwischen der Migros und Bolivien umgesetzt: Bisher in der Schweiz unbekannte farbige bolivianische Kartoffelsorten werden seit Kurzem von Schweizer Landwirten angebaut und durch die Migros vermarktet. Ein vereinbarter Anteil des Umsatzes fliesst dabei zurück nach Bolivien.
Die Schweiz ist eine bedeutende globale Handelsdrehscheibe für verschiedene agrarische Rohstoffe wie Baumwolle,
Kaffee und Kakao (Bild). Das SECO unterstützt deshalb für wichtige Rohstoffe – auch für Soja und Agrotreibstoffe – internationale Runde Tische, an denen unter Beteiligung von Produzenten, Handel, NGOs und Regierungen Nachhaltigkeitsstandards entwickelt werden. Solche Standards sind ein wichtiges Instrument zum Schutz der globalen Biodiversität und zur Bekämpfung der illegalen Abholzung des Tropenwaldes.
Die Pflege und Erhaltung der Ökosysteme leistet oft gleichzeitig einen willkommenen Beitrag zum Klimaschutz. Als bedeutender Geber der Internationalen Tropenholzorganisation (ITTO) sowie in Zusammenarbeit mit der Weltbank trägt das SECO zur Verbreitung nachhaltiger Forstpraktiken in Entwicklungsländern bei, was den Erhalt der Biodiversität mit einschliesst. Dies dient den Plänen der Staatengemeinschaft, künftig unter der Klimakonvention der UNO vorbildlich agierende Entwicklungsländer für ihre Waldschutzleistungen finanziell zu entschädigen.
Hans-Peter Egler Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO)
VBSDie vom Souverän vor rund 20 Jahren angenommene RothenthurmInitiative zum Schutz der Moore suggerierte, dass eine verletzliche Natur vor einer bis an die Zähne bewaffneten Armee zu schützen sei. Mittlerweile anerkennen Naturschutzbehörden und verbände den stetig gewachsenen Beitrag militärischer Waffen, Schiess und Flugplätze zur Erhaltung der Biodiversität in der Schweiz. Diese Areale beherbergen beispielsweise die grössten Trockenwiesen des Mittellandes, die grössten Laubfroschbestände des Kantons Aargau und die meisten Schwarzkehlchen der Alpennordseite.
Der fortschreitende Artenschwund im Agrargebiet durch Nutzungsintensivierung oder durch das Vordringen des Waldes fand auf militärischem Gelände nämlich nicht oder nur begrenzt statt. Mehr noch: Auf 70 von 90 Waffen, Schiess und Flugplätzen wurde der Schutz von Naturwerten an Runden Tischen auf die Nutzungsinteressen von
Armee, Landwirtschaft und Erholung abgestimmt. Der Umsetzungsgrad der vereinbarten Ziele und Massnahmen wird jährlich überprüft.
Das Bild zeigt einen Pflegeeinsatz zugunsten von Amphibiengewässern in Thun. In Bière (VD), dem ältesten und grössten Schweizer Waffenplatz (10 km2), gelten 50 Prozent der offenen Flächen als schützenswert. Die Hälfte aller Brutvogel und Amphibienarten
und ein Viertel aller Pflanzenarten der Schweiz kommt hier vor, darunter überdurchschnittlich viele Arten der Roten Liste. 32 Bauernbetriebe, ein ziviler Forstbetrieb und Mitarbeiter der Logistikbasis der Armee sorgen für den naturnahen Flächenunterhalt. Schnittzeitpunkte und Düngebeschränkungen sind in den Pachtverträgen definiert.
Die weltweit einzige Simulator anlage für fünf Panzerhaubitzen in Bière erlaubte eine Halbierung der Fahrten und Schusszahlen. Eine unerwünschte Begleiterscheinung der Schonung von Umwelt und Bevölkerung ist indes der Vormarsch des Waldes in die national bedeutenden Trockenwiesen der Blindgängerzone. Der Verbuschung wird seit fünf Jahren mit einem von spezialisierten WKSoldaten ferngesteuerten Entminungsfahrzeug und neu auch mit Ziegenbeweidung Einhalt geboten. Mit Erfolg: Auf entbuschten Flächen verdoppelte sich die Anzahl Pflanzenarten innerhalb von drei Jahren.
David Külling, armasuisse, VBSwww.umwelt-schweiz.ch/magazin2010-2-08
KONTAKTSandra LimacherProjektleiterin Biodiversitätsstrategie Schweiz, Abt. Artenmanagement, BAFU031 322 92 [email protected]
TransFair e. V. / Didier Gentilhomme
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33Dossier Biodiversität > umwelt 2/2010
Unser Appetit auf Fisch wächst. Derzeit kommen in der Schweiz pro Kopf der Bevölkerung jährlich 8,5 Kilogramm Fisch und Meeresfrüchte auf den Tisch. Drei Viertel davon sind Meerfische. Das mag gesund sein. Weniger bekömmlich ist der wachsende Fischkonsum für die Fauna der Meere: Jährlich landen etwa 84 Millionen Tonnen Fisch und Meeresfrüchte in den Netzen der Fischerei. Das sind viermal mehr als vor 50 Jahren – und bei manchen Arten auch mehr, als die Populationen verkraften können. Gemäss Welternährungsorganisation (FAO) sind zurzeit 80 Prozent der kommerziell genutzten Fischbeständeüberfischt oder bis an ihre Grenzen ausgebeutet.
Labels garantieren Nachhaltigkeit. Rasant gewachsen sind in letzter Zeit auch die Erträge der Meerestierzuchten. Sie decken inzwischen nahezu die Hälfte des menschlichen Konsums an Fischen, Krebsen und Weichtieren. 1970 waren es erst 4 Prozent. Doch die Zuchten mindern den Druck auf die wild lebenden Arten nicht – im Gegenteil: Die Zuchtfische werden vielfach ihrerseits mit eigens dafür gefangenen Wildfischen gefüttert. Bis zu 5 Kilo Fisch braucht es für 1 Kilo Speisefisch oder Krustentiere aus Zuchten.
Ohne fahlen Beigeschmack sind hingegen Gerichte mit einheimischen Wildfischen oder Zuchtfischen aus biologischer Produktion. Und falls es dennoch Meerfisch sein soll, empfiehlt es sich, auf das Label des Marine Stewardship Coun
cil (MSC) zu achten. Dieses Gütesiegel garantiert die Herkunft aus nicht überfischten Beständen. Derzeit beträgt der Marktanteil von MSCFisch schätzungsweise 5 Prozent. Anbieter der vom WWF gegründeten Seafood Group verpflichten sich, schrittweise auf Fisch aus nachhaltig befischten Beständen und umweltverträglichen Zuchten umzustellen. Vom Aussterben bedrohte Arten werden nicht mehr angeboten.
Partnerschaft mit der Branche. Der WWF setzt in verschiedenen Bereichen auf solche Branchenlösungen, die den Markt bewegen können. In der Seafood Group sind nebst Migros und Coop auch verschiedene Gastronomielieferanten vertreten. Sie decken zusammen rund 70 Prozent des Angebots in der Schweiz ab.
Palmöl ist ein ähnlicher Fall. Die Nachfrage steigt. Indonesien, mittlerweile der weltgrösste Produzent, hat seine Anbaufläche zwischen 1998 und 2007 von 3 auf 7 Millionen Hektaren erweitert, vielerorts auf Kosten des Waldes. Palmölanbau ist auch in anderen Ländern ein Treiber bei der Zerstörung von tropischen Regenwäldern.
Palmöl steckt in vielen Nahrungsmitteln und Kosmetika. Man sieht es ihnen nicht an, und die klein gedruckten Angaben über Inhaltsstoffe werden oft zu wenig berücksichtigt. Darum sucht der WWF auch beim Palmöl die partnerschaftliche Lösung. Auf seine Initiative wurde 2004 der Roundtable on Sustainable Palm Oil (RSPO) gegründet. Zusammen mit den Umweltschutzverbänden sind Firmen und Institutionen aus der gesamten Wertschöpfungskette im Boot, angefangen bei den Plantagenbetreibern über die Händler und industriellen Abnehmer bis zu den Detaillisten.
Der RSPO definiert Kriterien für einen nachhaltigen Palmölanbau. Diese basieren auf Standards, die der WWF Schweiz unter anderem zusammen
mit der Migros erarbeitet hat. Im Zentrum stehen dabei die Walderhaltung, der Schutz von bedrohten Arten, faire Arbeitsbedingungen und die Achtung von Landrechten lokaler Gemeinschaften. Seit November 2008 ist RSPOPalmöl auf dem europäischen Markt erhältlich.
Nachfrage noch zu gering. Nebst der Migros macht auch Coop beim RSPO mit. In einem Rating gab
Den Markt bewegenBIODIVERSITÄT UND KONSUM
Die ökologischen Spuren unserer Einkäufe reichen bis in ferne Kontinente. Was können wir tun, damit es keine Spuren der Zerstörung sind?
Keinen fahlen Beigeschmack haben Gerichte mit einheimischen Wildfischen oder Zuchtfischen aus biologischer Produktion.
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der WWF ihnen unlängst gute Noten. Sie steigern den Einkauf von zertifiziertem Palmöl kontinuierlich. Noch sei aber die Nachfrage zu gering, sagt Matthias Diemer vom WWF Schweiz. Die Anbieter von RSPOPalmöl konnten deshalb nur einen Viertel ihrer Produktion zum höheren Preis absetzen, den das Label verspricht: «Hier besteht grosser Nachholbedarf, denn viele Unternehmen verwenden immer noch Palmöl, das weder umwelt noch sozialverträglich produziert wurde.»
Saisongerecht, aus der Region und Labels wie Bio oder TerraSuisse lauten die Devisen für eine biodiversitätsschonende Ernährung. Dass biologisch bewirtschaftete Böden eine höhere Artenvielfalt aufweisen, ist wissenschaftlich belegt. Produkte aus der Schweiz oder gar aus der näheren Umgebung haben den ökologischen Vorteil kurzer Transportwege. Zudem gelten für die Schweizer Landwirtschaft gewisse ökologische Standards. Allerdings kommt längst nicht alles, was die hiesige Landwirtschaft produziert, auch vollständig aus dem Inland. Der derzeit ausgewiesene Selbstversorgungsgrad von 69 Prozent bei Fleisch und gar 107 Prozent bei Milch und Milchprodukten täuscht darüber hinweg, dass die Tiere in Schweizer Ställen zu einem grossen Teil mit importierten Futtermitteln gefüttert werden.
Appetit auf Fleisch zügeln. Unser Land importiert jährlich 250 000 Tonnen Soja, 80 Prozent davon als Viehfutter. Es stammt grösstenteils aus Südamerika, wo sich die Sojaproduktion in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt hat. Immer tiefer stossen die Felder in den Tropenwald und in artenreiche Savannen vor.
Inzwischen ist in Sachen Sojaanbau ein ähnlicher Prozess wie beim Palmöl angelaufen. Ein Roundtable on Responsible Soy, der sich 2005 in Brasilien erstmals traf, soll weltweit gültige Standards für einen natur und sozialverträglichen Anbau definieren. Er stützt sich dabei auf Kriterien, die der WWF zusammen mit dem Handel erarbeitet hat. Doch auch wenn sich dereinst solche Methoden durchsetzen sollten, ist beim Fleischkonsum Zurückhaltung angezeigt. Der Flächenbedarf für die Gewinnung von einer Kalorie Fleisch ist zwei bis siebenmal grösser als derjenige für die Produktion einer pflanzlichen Kalorie.
Waldschutz beim Holzkauf. Tropenholz war das erste Produkt auf unseren Märkten, bei dem sich die breite Öffentlichkeit des Zusammenhangs mit der Zerstörung von Biodiversität bewusst wurde. Schon zu Beginn der 1980erJahre schlugen Umweltorganisationen Alarm, kritisierten den Kahlschlag der Regenwälder und riefen zum Verzicht auf Tropenholz auf. Nicht ohne Erfolg: Die Importe in der Schweiz sanken von rund 70 000 Tonnen im Jahr 1980 auf
Montage: Christian Koch
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10 000 bis 20 000 Tonnen in den 1990erJahren. 2007 waren es ziemlich genau 15 000 Tonnen.
Inzwischen ist auch im Tropenwald Holznutzung ohne Raubbau möglich, und es gab auch Versuche, am Erdgipfel 1992 in Rio de Janeiro Grundsätze für eine nachhaltige Forstwirtschaft in einem Abkommen vergleichbar mit der Klima oder der Biodiversitätskonvention verbindlich festzulegen. Doch man konnte sich nicht einigen – zu stark divergierten die Begehrlichkeiten im Waldbereich. Der Forest Stewardship Council (FSC) war eine Antwort auf die blockierte Situation. In ihm sind die Umweltorganisationen, die Bewohner der Waldgebiete und Unternehmen der Wald und Holzwirtschaft vertreten. Der FSC definiert die weltweiten Anforderungen an eine umwelt und sozialverträgliche Waldbewirtschaftung.
In dieselbe Richtung zielt das «Programme for the Endorsement of Forest Certification
Schemes» (PEFC). Es basiert auf den Vereinbarungen, die durch die Europäischen Ministerkonferenzen zum Schutz der Wälder in Europa festgelegt wurden. Die Standards von FSC und PEFC sind ähnlich. Beide Institutionen vergeben Labels an Betriebe aufgrund von Kriterien, die jeweils auf nationaler Ebene konkretisiert werden.
Ende 2009 waren weltweit 118 Millionen Hektaren Wald nach FSC und rund 200 Millionen Hektaren nach PEFC zertifiziert. Das sind zusammen 8 Prozent der globalen Waldfläche. Doch nur etwa 10 Prozent davon befinden sich in den tropischen Ländern. Immerhin habe der FSC auch im Süden richtige Signale gesetzt und einigen Exporteuren von waldverträglich produziertem Tropenholz Märkte in Ländern offen gehalten, wo zuvor Boykottstimmung geherrscht habe, sagt Damian Oettli vom WWF Schweiz.
Weitgehend durchgesetzt haben sich die beiden Labels hingegen auf der nördlichen Halbkugel. In der Schweiz sind derzeit etwa 60 Prozent der Waldfläche nach FSC und/oder PEFC zertifiziert. Die hiesigen Standards beziehen sich auf standortgerechte Baumartenmischungen und möglichst natürliche Verjüngung, aber auch auf Alt und Totholz sowie Reservatsflächen.
Vorreiterrolle der öffentlichen Hand. Die Eidgenossenschaft fördert Hölzer aus naturnahem Waldbau nicht zuletzt über ihre Beschaffungspolitik. Beim Bund und bei den vom ihm subven
tionierten Projekten sollen nur noch diejenigen An gebote berücksichtigt werden, welche Holz und Holzprodukte aus nachweislich nachhaltig bewirtschafteten Wäldern enthalten, heisst es in den einschlägigen Empfehlungen des Bundesamtes für Bauten und Logistik (BBL). Dabei wird explizit auf die beiden Holzlabels verwiesen.
Der Bund nimmt bei seinem Konsumverhalten eine Vorbildfunktion ein, indem er im Rahmen seiner Beschaffungstätigkeit Produkte nachfragt, die wirtschaftlich, umweltschonend und sozialverträglich sind, lautet ein Grundsatz der Strategie Nachhaltige Entwicklung des Bundes. Dabei gilt es, das im WTOÜbereinkommen verankerte Diskriminierungsverbot einzuhalten. Es darf bei einer öffentlichen Bauausschreibung zum Beispiel nicht zur Bedingung gemacht werden, dass nur Holz aus Schweizer Wäldern verwendet wird. Hingegen ist es zulässig, ökologische Kriterien zu berücksichtigen – voraus
gesetzt, diese sind in den Ausschreibungen klar definiert.
Auch Kantone und Gemeinden versuchen, diese Vorbildfunktion wahrzunehmen. Die Hemden der Zürcher Stadtpolizei bestanden bisher aus einem Mischgewebe aus konventioneller Baumwolle und Polyester. Baumwolle gehört zu den pestizidintensivsten Agrarprodukten. Doch auch hier gibt es Alternativen: Von der Entwick lungsorganisation Helvetas auf die Idee gebracht, kommandierten die Stadtbehörden Polizisten zum Tragtest von Biobaumwollhemden ab. Das Ergebnis war positiv, weshalb in der Folge die ganze Zürcher Stadtpolizei entsprechend eingekleidet wurde.
«Um den Konsum nachhaltiger zu gestalten, ist es wichtig, dass der Verbrauch an Ressourcen und Energie sowie die Umweltbelastung, die an Produkten haften, in transparenter Weise offengelegt werden», sagt Christoph Rotzetter von der Sektion Konsum und Produkte im BAFU. «Labels liefern dazu wertvolle Hinweise und können helfen, bewusste Kaufentscheide zu fällen. Noch besser wäre es, wenn Produkte mit schlechtem Umwelt und Sozialausweis gar nicht erst im Verkaufsregal stünden. In diesem Sinn sucht der Bund das Gespräch mit der Branche und fördert die Entwicklung von entsprechenden Produktstandards.»
Hansjakob Baumgartnerwww.umwelt-schweiz.ch/magazin2010-2-09
KONTAKTChristoph RotzetterSektion Konsum und Produkte, BAFU031 323 27 [email protected]
Von der Entwicklungsorganisation Helvetas auf die Idee gebracht, kommandierten die Zürcher Stadtbehörden Polizisten zum Tragtest von Biobaumwollhemden ab.
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In den Tieflagen des Wallis sterben seit den 1990erJahren immer mehr Föhren ab. Wie auch in anderen inneralpinen Trockentälern setzt den ortstypischen Nadelbäumen vor allem die starke Klimaerwärmung im Alpenraum zu. Insbesondere Hitzeperioden wie im Rekordsommer 2003 erhöhen den Trockenstress und führen zu einer allgemeinen Schwächung der Waldföhren, während sie gleichzeitig deren Parasiten begünstigen – so etwa die Mistel. Unterhalb von etwa 1000 Metern über Meer wird die Nadelbaumvegetation daher zunehmend durch resistentere Laubbäume wie die submediterrane Flaumeiche verdrängt.
Fachleute der Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL), die das Phänomen des Föhrensterbens im Wallis jahrelang untersucht haben, gehen mittelfristig von e iner Umwandlung der heute noch vorhandenen Mischbestände in Flaumeichenwälder aus. Der Waldföhrengürtel dürfte sich weiter bergwärts verschieben. Sollte sich die Trockenheit im Zuge einer raschen Klimaerwärmung weiter verschärfen, würde aber auch die Flaumeiche darunter leiden. «Versteppung wäre dann ein mögliches Szenario», warnen die Forschenden. Käme es so weit, wären auch vielfältige Ökosystemleistungen wie etwa der Schutz von Siedlungen und Verkehrswegen vor Naturgefahren nicht mehr gewährleistet.
Beschränkte Anpassungsfähigkeit. Pflanzen und Tiere sowie ihre Lebensräume reagieren seit je empfindlich auf Klimaveränderungen wie steigende Temperaturen oder abnehmende Niederschläge. Geschehen solche Wechsel langsam und dauerhaft, so können sich viele Arten den neuen Umweltbedingungen anpassen – sei es durch ein Ausweichen in Gebiete mit idealeren Verhältnissen oder durch natürliche Selektion. Die
Geschwindigkeit des vom Menschen verursachten Klimawandels – in Kombination mit dem anhaltenden Nutzungsdruck auf zahlreiche Naturräume – droht jedoch die Anpassungsfähigkeit zahlreicher Arten zu überfordern. Bei einem Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um 2 bis 3 Grad Celsius gegenüber den vorindustriellen Werten würde das Aussterberisiko für etwa 20 bis 30 Prozent der Pflanzen und der höheren Tierarten zunehmen, mahnt eine Studie des wissenschaftlichen Fachrats der UNO für Klimafragen (IPCC).
Eine gefährliche Störung verhindern. Um die Auswirkungen der unvermeidlichen Erwärmung möglichst abzuschwächen, hat sich die Staatengemeinschaft an der UNOKonferenz für Umwelt und Entwicklung von 1992 in Rio de Janeiro auf die Klimakonvention geeinigt. Der zeitgleich mit dem internationalen Übereinkommen zum Schutz der Biodiversität ausgehandelte Vertrag soll die Treib hausgaskonzentration in der Atmosphäre auf einem Niveau stabilisieren, das eine gefährliche Störung des Klimasystems verhindert. «Inzwischen herrscht Einigkeit, dass die Temperaturzunahme auf höchstens 2 Grad Celsius begrenzt werden sollte, damit unsere natürlichen Lebensgrundlagen – und damit die Nahrungsmittelproduktion sowie die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung – nicht durch das Verschwinden bestehender Ökosysteme gefährdet werden», erklärt Xavier Tschumi Canosa von der Abteilung Internationales beim BAFU. «Dieses Ziel will das Abkommen nicht nur durch eine Reduktion der klimarelevanten Emissionen erreichen, sondern auch durch den besseren Schutz und die Förderung natürlicher Senken, die Treibhausgase speichern.»
Die natürlichen Senken erhalten. Neben dem Plankton in den Weltmeeren binden vor allem Wälder, Böden und Moore grosse Mengen des wichtigsten
Biodiversitätsschutz ist Klimaschutz – und umgekehrt
SYNERGIEN MIT DER KLIMAPOLITIK
Eine wirksame Klimapolitik und die weltweite Erhaltung der Biodiversität gehen Hand in Hand. Natürliche oder naturnahe Ökosysteme speichern grosse Mengen an Treibhausgasen und können dadurch den Klimawandel abschwächen.
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Treibhausgases Kohlendioxid (CO2). So enthalten alle Wälder der Erde rund 80 Prozent des in der Landvegetation gespeicherten Kohlenstoffs. Sie absorbieren pro Jahr schätzungsweise 5 Milliarden Tonnen CO2 oder etwa 15 Prozent der vom Menschen weltweit verursachten Emissionen dieses Gases. Damit leisten sie einen zentralen Beitrag zur Abschwächung des Klimawandels, wie eine 2009 veröffentlichte Studie des internationalen Projekts TEEB festhält (siehe Seite 12).
Am Beispiel der durch wärmere Wassertemperaturen stark bedrohten Korallenriffe zeigt sich, in welchem Ausmass die Degradation von Ökosystemen auch die Anfälligkeit des Menschen gegenüber dem Klimawandel verschärft. So schützen intakte Riffe die Bevölkerung in den Küstengebieten etwa vor Sturmfluten. Als natürliche Fischzuchtanlagen bieten sie zudem Millionen von Menschen eine Existenzgrundlage. Mit dem Verschwinden dieser Ökosysteme würden auch deren wirtschaftliche Leistungen im Wert von bis zu 170 Milliarden USDollar pro Jahr wegfallen, mahnt denn auch die TEEBStudie.
Ähnlich wie die Korallenriffe erfüllen artenreiche Ökosysteme häufig eine Pufferfunktion, indem sie die negativen Auswirkungen der globalen Erwärmung abfedern und dadurch die Widerstandsfähigkeit von Wirtschaft und Gesellschaft gegenüber den Folgen des Klimawandels stärken. «Wir müssen den Biodiver sitätsverlust
und den vom Menschen beeinflussten Treibhauseffekt deshalb gemeinsam bekämpfen», sagt Xavier Tschumi Canosa. «Eine intakte Biodiversität mit ihren vielfältigen Möglichkeiten zur Anpassung an sich verändernde Umweltbedingungen ist nämlich die günstigste Versicherung gegen unerwünschte Auswirkungen des Klimawandels wie extreme Wetterereignisse.»
Die Synergien nutzen. Im Rahmen der Strategien zur Anpassung an die Klimaerwärmung kommt der Erhaltung der Ökosysteme und ihrer biologischen Vielfalt daher eine Schlüsselrolle zu. So sind zum Beispiel standortgerechte und naturnah aufgebaute Wälder resistenter gegenüber Störungen wie Stürmen, Trockenheit oder Insektenbefall und können sich nach solchen Ereignissen besser erholen (siehe Kasten Seite 39).
Im 2008 veröffentlichten Positionspapier «Biodiversität und Klima – Konflikte und Synergien im Massnahmenbereich» zeigt die Akademie der Naturwissenschaften Schweiz (SCNAT) auf, wo sich Anstrengungen besonders lohnen. Die Revitalisierung von hart verbauten und eingeengten Fliessgewässern zum Schutz vor Hochwasserereignissen vereint beispielsweise den Biodiversitätsschutz mit Massnahmen zur Dämpfung der Auswirkungen der Klimaänderungen. Auch die Wiedervernässung und Renaturierung von trockengelegten Mooren dient laut der SCNAT
«Wir müssen den Verlust an Biodiversität und den vom Menschen beeinflussten Treibhauseffekt deshalb gemeinsam bekämpfen.» Xavier Tschumi Canosa, BAFU
KONTAKTXavier Tschumi CanosaSektion Rio-KonventionenBAFU031 323 95 [email protected]
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben darauf aufmerk-sam gemacht, dass Korallenriffe durch den Klimawandel gross- flächig vernichtet werden könnten. Korallenriffe liefern pro Jahr Ökosystem- leistungen im Wert von 170 Milliarden US-Dollar und sind Existenzgrund-lage für rund 500 Millio-nen Menschen.Bild: Fisheries and Oceans Canada
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sowohl dem Klimaschutz als auch der Erhaltung von naturnahen Lebensgemeinschaften. Intakte Torfmoore sind der weltweit wichtigste oberirdische Langzeitspeicher für organisch gebundenen Kohlenstoff und binden doppelt so viel CO2 wie die Biomasse aller Wälder der Erde. Obwohl die Schweiz durch Entwässerung, Torfabbau und Kultivierung inzwischen mehr als 90 Prozent ihrer ursprünglichen Moorflächen verloren hat, lagern in diesen organischen Böden noch immer etwa 176 Millionen Tonnen Kohlendioxid oder rund das Dreieinhalbfache der landesweiten Treibhausgasemissionen pro Jahr.
Vereinzelte Interessenkonflikte. Neben diesen Synergien gibt es aber auch einzelne Bestrebungen zum Schutz des Klimas, die im Widerspruch zu den Anliegen der Biodiversitätserhaltung stehen. Als problematisch erachtet die SCNAT insbesondere den Intensivanbau von Energiepflanzen für Agrotreibstoffe, die Nutzung von bisher naturnahen Fliessgewässern für die Stromproduktion, eine Reduktion der Restwassermengen bei Wasserkraftwerken oder einen allfälligen Betrieb von Energieholzplantagen im Forstbereich.
Insgesamt schätzen die Fachleute der SCNAT im Positionspapier die Chancen jedoch als weit bedeutender ein als die denkbaren Konflikte: «Je besser es gelingt, die Vielfalt des Lebens auf der Ebene der Gene, Arten und Ökosysteme zu erhalten, desto besser sind auch die Aussichten, dass unsere Gesellschaft mit den klimatischen Bedingungen der Zukunft zurechtkommen wird.»
Beat Jordi www.umwelt-schweiz.ch/magazin2010-2-10
Das Alpenschneehuhn ist bereits heute eine seltene Art. Eine Modellrechnung über die zukünftige Verbreitung dieser Charakterart der Alpen zeigt: Steigen die Temperaturen im Vergleich zu heute massiv an, verliert das Alpenschneehuhn fast die Hälfte seines Verbreitungsgebietes. Bild: Claude Morerod
Vielfalt macht Wälder stabiler
(hjb) Wälder,indenenmehrereBaumartenvorkommen,seienRein-beständenvorzuziehen,denninihnen«könnenwederInsektennochStürmestarkeSchädenanrichten»,schriebderdeutscheForstwissen-schafterHeinrichCotta.Daswar1828.ImHinblickaufdiestürmi-schenZeiten,dieunsderKlimawandelverheisst,gewinntdiesealteErkenntnisneueBedeutung.«DieFähigkeiteinesWaldes,sichunterverändertenBedingungenzubehauptenundsichvonStörungenzuerholen,hängtabvonderBiodiversitätaufallenEbenen»,fassteineStudiederBiodiversitätskonventiondasweltweit verfügbareErfah-rungswissenzudiesemThemazusammen.
Dass sie sich dem Klimawandel anpassen können und langfris-tig stabil bleiben,wünschtman sich vorallemvondenSchutzwäl-dern. Mit dem BAFU-Projekt «Nachhaltigkeit im Schutzwald» wur-denHandlungsanleitungenerarbeitet,umdieszugewährleisten.DieBaumartenvielfaltzuerhöhen,istdabeieineKernforderung.MöglichistdiesnurbeiderVerjüngung.«Darummüssenwirmehrverjüngenunddabei jeweilsdie standörtlichenMöglichkeitenvollausnutzen,das heisst, möglichst alle Arten einbringen, die am fraglichen Ortaufkommenkönnen»,sagtArthurSandri,ChefderSektionRutschun-gen, Lawinen und Schutzwald im BAFU. So ist am besten gewähr-leistet,dassderSchutzwaldheuteseinenDiensttut,dassaberauchmorgennochüberallWaldseinwird,woesihnbraucht.
KONTAKTArthur SandriSektionschef Rutschungen, Lawinen und SchutzwaldBAFU031 323 93 [email protected]
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TG
Eine Plattform fürs Wasser
Die Plattform www.bachseefluss.ch des Am-
tes für Umwelt Kanton Thurgau und der Päd-
agogischen Hochschule Thurgau widmet sich
den Themen Gewässer, Wasserhaushalt und
Na turgefahren. Dazu gibt es allgemeinver-
ständliche Informationen und News zur Erarbei-
tung der Naturgefahrenkarten in den Thurgauer
Gemeinden. Darüber hinaus lassen sich Daten
zu Abflussmengen, Wasserständen, Nieder-
schlagsmengen und Naturgefahrwarnungen
abrufen. Schliesslich finden sich auch Unter-
richtsideen für Lehrpersonen der Sekundar-
stufe 1 zu den Themen Naturgefahren und
Gewässer.
> Anita Enz, Amt für Umwelt Kanton Thurgau,
Frauenfeld, 052 724 24 73, [email protected],
www.bachseefluss.ch
BE / CH
Orientierungshilfe für GemeindenEine Kommune, die prosperieren will, kommt
um eine ganzheitliche Standortbestimmung
nicht herum. Mit einem vom Kanton Bern ent-
wickelten Gemeindeprofilografen, einem Excel-
Instrument, lässt sich der Ist-Zustand einer
Gemeinde aus Sicht der nachhaltigen Entwick -
lung relativ einfach beurteilen. Aufgrund von
132 Indikatoren aus den Bereichen Gesell-
schaft, Wirtschaft und Umwelt erstellt das
Excel-Programm ein Stärken-Schwächen-Profil.
Der Gemeindeprofilograf (in D und F) lässt sich
auf der Homepage des Amtes für Umweltkoor-
dination und Energie des Kantons Bern (AUE)
gratis herunterladen. Eine fachliche Begleitung
wird empfohlen.
> Monique Kissling-Abderhalden, Kompetenz-
zentrum für Nachhaltige Entwicklung, AUE, Bern,
031 633 36 55, [email protected],
www.be.ch/aue
BS
Mehr Transparenz für Mieterinnen und Mieter
Für die energetische Sanierung von Gebäuden
erhalten die Hausbesitzenden Fördergelder von
Bund und Kantonen. Danach werden nicht sel-
ten die Mietzinse erhöht. Und nicht immer ist
klar, ob die Besitzer die staatlichen Beiträge
abziehen, wie dies das Mietrecht verlangt. Nun
können Mieterinnen und Mieter in der Stadt
Basel beim Amt für Umwelt und Energie (AUE)
erfahren, ob für die energetische Sanierung ih-
res Gebäudes Förderbeiträge geleistet worden
sind. Mit diesem Einsichtsrecht (telefonisch,
schriftlich und im Internet), das in der neuen
Verordnung zum Energiegesetz festgehalten
ist, geht der Kanton Basel-Stadt schweizweit
neue Wege. Nur der Kanton St. Gallen kennt
eine ähnliche Regelung.
> Thomas Fisch, Leiter Abteilung Energie, Amt für
Umwelt, Basel, 061 225 97 30, [email protected]
ZH
Sonnenenergie steckt an
Der pensionierte Drucker Georges Betto sini
ist ein engagierter Mann. «Ich bin einfach mo-
tiviert, etwas für die Umwelt zu tun», sagt er.
Deshalb beobachtete er mit wachsendem In-
teresse, wie der Besitzer eines nahen Einfami-
lienhauses eine Solaranlage aufs Haus bauen
liess. Das Resultat überzeugte Bettosini. Eine
solche Anlage wollte er auch auf seinem nach
Süden ausgerichteten Dach. Mehr noch: Betto-
sini warb für die Idee bei weiteren Eigentüme-
rinnen und Eigentümern der Winterthurer Einfa-
milienhaussiedlung (Bild) und stiess auf offene
Ohren. Also liessen sich diese gemeinsam Son-
nenkollektoren aufs Dach montieren und spar-
ten dadurch Kosten. Jetzt werden im Jahr
70 Prozent des Warmwasserbedarfs auf nach-
haltige Weise gedeckt.
> Georges Bettosini, Winterthur, 052 242 62 75,
CH / VS
Leben mit dem WaldbrandForscher der Eidgenössischen Forschungs-
anstalt für Wald, Schnee und Landschaft
(WSL) haben zusammen mit der Dienststelle
für Wald und Landschaft des Kantons Wallis
einen Leitfaden zum Umgang mit Waldbrän-
den herausgegeben. Am Beispiel des Wald-
brands von Leuk (VS) im Sommer 2003 werden
die Auswirkungen solcher Ereignisse auf die
Natur aufgezeigt. Der Bericht enthält u. a. eine
Vor Ort
zVg
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Dokumentation des Brandes und der Sofort-
massnahmen, dazu eine Bestandesaufnahme
des Verjüngungserfolgs des Waldes und der
Entwicklung der Biodiversität. Mit Blick auf den
Klimawandel werden zukünftige Brandrisiken
und Beispiele für präventive Massnahmen dar-
gestellt.
> Eidg. Forschungsanstalt WSL, Birmensdorf (ZH),
044 739 21 11, Download unter
www.wsl.ch > Neues / Medien (in D, F, I)
CH
Gegen Littering ansingen
Der 1. Anti-Littering-Song-Contest der IG sau-
bere Umwelt hat ein grosses Echo ausgelöst:
Knapp 200 Interpretinnen und Interpreten
produzierten Songs gegen den im öffentli-
chen Raum achtlos weggeworfenen Abfall. Die
Hip-Hop-Crew Churchhill (Bern), die Popband
Ringo (Zürich/Luzern) sowie die Sängerin Onésia
Rithner (Wallis, im Bild) haben die Jury am meisten
überzeugt. Sie alle gewannen je 5000 Franken.
2010 läuft ein Comic-Wettbewerb zum gleichen
Thema.
> Saubere Umwelt, Zürich, 044 387 50 10;
die Songs hören auf www.igsu.ch (in D, F, I, E)
CH
Schnelltest für TreibstoffeAgrartreibstoffe gelten als mögliche Alternative
zu fossilen Treibstoffen, wenn es um eine CO2-
arme Mobilität geht. Doch nicht alle von ihnen
überzeugen bei Einbezug von Herstellung und
Vertrieb mit einer positiven Ökobilanz. Damit
auch kleinere Produzenten aus Entwicklungs-
ländern Agrartreibstoffe auf dem Weltmarkt an-
bieten können, sind erschwingliche Instrumente
zur Beurteilung von deren Nachhaltigkeit nötig.
Die Eidgenössische Materialprüfungsanstalt
(EMPA) hat dazu im Auftrag des Staatssekre-
tariats für Wirtschaft (SECO) das weltweit erste
und kostenlose Webtool «Sustainability Quick
Check for Biofuels» entwickelt.
> www.sqcb.org (in Englisch, Spanisch, Portugiesisch);
EMPA, Dübendorf (ZH), 044 823 55 11,
www.empa.ch
CH
Mehr Ruhe in der NachtDie Weltgesundheitsorganisation (WHO) wertet
seit einigen Jahren wissenschaftliche Studien
zu den Auswirkungen von Nachtlärm auf die
Gesundheit der Bevölkerung aus. Nun hat sie –
u.a. in Zusammenarbeit mit dem BAFU – Emp-
fehlungen für einen maximalen Nachtlärmpegel
formuliert. Dieser (durchschnittliche) Grenzwert
während der Nachtstunden beträgt 40 Dezibel
(dB), was einer normalen Gesprächslautstärke
oder auch dem Flüstern am Ohr entspricht. Die
WHO empfiehlt diesen Wert als längerfristiges
Ziel; kurz- und mittelfristig sollen 55 dB erlaubt
sein. In der Schweiz gilt derzeit in Gebieten der
Empfindlichkeitsstufe 2 (Wohnzone) bereits ein
gesetzlicher Grenzwert von 45 dB für neue An-
lagen und von 50 dB für bestehende. «Damit
befindet sich unser Land auf gutem Weg», sagt
Gilberte Tinguely vom BAFU.
> Gilberte Tinguely, Abteilung Lärmbekämpfung,
BAFU, 031 322 92 54,
TI
Millionen für die Umwelt
147 Millionen Franken will der Kanton Tessin in
den nächsten 10 bis 20 Jahren für den Schutz
der Umwelt zusätzlich ausgeben. Der neue
kantonale Umweltbericht führt einen Katalog
von insgesamt 101 Massnahmen an. Ganz
oben auf der Prioritätenliste stehen Projek-
te, mit denen im verkehrsgeplagten Kanton die
Emissionsgrenzwerte eingehalten werden kön-
nen. Die Energieoptimierung von bestehenden
oder neuen Gebäuden und Anlagen hat ebenso
Priorität wie die vermehrte Kontrolle von Bau-
stellen zum besseren Schutz des Bodens. In
die Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitenden
sollen ebenfalls mehr Mittel fliessen.
> Giovanni Bernasconi, Leiter Abteilung
Luftreinhaltung, Boden- und Gewässerschutz,
Amt für Umwelt, Bellinzona, 091 814 37 51,
www.ti.ch/Rapporto-ambiente
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Wald-Weidenröschen im Brandgebiet von Leuk Bild: B. Moser, WSL
zVg
Blick ins Sottogeneri, hinten links Lugano zVg
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umwelt 2/2010 42
International
Franz PerrezChef Sektion GlobalesBAFU031 322 93 [email protected]
Daniel ZiegererSektion GlobalesBAFU031 323 45 [email protected]
Umwelt-Gipfel 2012: BAFU koordiniert die Schweizer Vorbereitungen
Globale Umwelt und Nachhaltigkeitskonferenzen haben in der Vergangenheit wichtige Impulse für
die internationale Umweltpolitik gegeben. Die erste wurde von der UNO 1972 in Stockholm durch
geführt. In deren Nachgang wurde etwa UNEP, das Umweltprogramm der UNO, ins Leben gerufen.
Es folgte der Weltgipfel über Umwelt und Entwicklung (Rio, 1992), an welchem wichtige Grundsätze
wie das Vorsorgeprinzip oder das Konzept der nachhaltigen Entwicklung formuliert sowie die Klima
und die Biodiversitätskonvention begründet wurden. Dann kam derjenige zur nachhaltigen Entwick
lung selbst (Johannesburg, 2002). An diesem wurden die Institutionen gestärkt und für spezifische
Themen wie Chemikalien konkrete Ziele festgelegt. Trotz aller Bemühungen und punktueller Erfolge
ist indes die Welt von einer nachhaltigen Entwicklung noch weit entfernt. Deshalb findet 2012 in Rio
ein vierter UNOUmweltgipfel statt. Die Schwerpunkte lauten: «Grüne Wirtschaft» (Green Economy)
und die institutionellen Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Entwicklung.
Die Schweiz will aktiv an den Verhandlungen teilnehmen. Die aus Fachleuten verschiedener
Departemente zusammengesetzte Delegation wird vom BAFU angeführt. Dabei will man sich unter
anderem für die Förderung einer ressourcenschonenden Wirtschaft einsetzen, welche die Wohlfahrt
und soziale Gerechtigkeit langfristig gewährleistet und gleichzeitig die natürlichen Lebensgrund
lagen erhält. Dazu gehört auch der Transfer von umweltfreundlichen Technologien in Entwicklungs
und Schwellenländer. Grundsätzlich sollen Strukturen und die konkrete, internationale Zusammen
arbeit in allen Teilen der nachhaltigen Entwicklung verbessert werden.
Thunfisch-Streit: BAFU-Mitarbeiter entscheidet mit
Die Thunfische gehören weltwirtschaftlich zu den bedeutendsten Speisefischen. Wegen ihres quali
tativ hochstehenden Fleisches werden sie unter anderem für das ursprünglich japanische Gericht
Sushi verwendet. Mexiko hat nun im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) gegen die USA eine
Klage wegen Benachteiligung von mexikanischen Thunfischimporten eingereicht. Dabei geht es um
umstrittene Fangmethoden, bei denen vorab andere Hochseefische (u. a. Delfine und Haie) als Beifang
in Mitleidenschaft gezogen und getötet werden. Aus diesem Grund haben die USA für den Import von
Thunfischfleisch ein entsprechendes Label erlassen («Dolphin Safe» / «Delfinsicher»). Mexiko fühlt
sich dadurch diskriminiert: Das Land halte sich an die entsprechenden Standards der interamerika
nischen Thunfischkommission (InterAmerican Tropical Tuna Commission, IATTC) und werde vom
Handel in den USA trotzdem ausgeschlossen.
Franz Perrez, Leiter der Sektion Globales beim BAFU, wurde in das nötig gewordene Streitbeile
gungsgremium der WTO berufen. Der Konflikt betrifft grundlegende WTOrechtliche und völker
rechtliche Fragen in Bezug auf das Verhältnis von Handel und Umweltstandards. Deshalb sind Argen
tinien, Australien, Brasilien, China, Ecuador, Guatemala, Japan, Kanada, Korea, Neuseeland, Taiwan,
Thailand, die Türkei, Venezuela und die Europäische Kommission dem Fall als Drittparteien beige
treten. Mit einem Entscheid ist im Laufe des Jahres 2010 zu rechnen.
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43Ökonomie > umwelt 2/2010
Im Idealfall sorgen freie Märkte für eine möglichst effiziente Nutzung von knappen Ressourcen. Am Beispiel von nicht erneuerbaren Rohstoffen zeigt sich aber, dass die Realität nicht immer dem Modell folgt. Hier hat die öffentliche Hand deshalb eine Mitverantwortung, um das Marktversagen zu korrigieren. Eine neue Studie im Auftrag des BAFU skizziert mögliche Lösungswege.
Der freie Markt kann es nicht alleine richten
EFFIZIENTE RESSOURCENNUTZUNG
Seit Jahren unterliegt der Erdölpreis extremen Schwankungen. Kostete ein Fass Rohöl auf dem Spotmarkt im Dezember 2001 noch 19 USDollar ($), so waren es im Juli 2006 74 $, zwei Jahre später 146 $, im Zenith der weltweiten Wirtschafts und Finanzkrise vom Februar 2009 schliesslich nur noch 39 $ und knapp ein Jahr danach mit 83 $ wieder mehr als das Doppelte. Eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst das dramatische Auf und Ab. Dazu gehören etwa eine tendenziell steigende Ressourcennachfrage von bevölkerungsreichen Schwellenländern wie insbesondere China und Indien, die jeweiligen Konjunkturzyklen, die Kapazität des Angebots sowie politische Unruhen in wichtigen Förderländern. Dabei können die Rohstoffbörsen dominierende Preistrends jeweils drastisch verstärken. «Aus volkswirtschaftlicher Sicht wirken sich die in beiden
Richtungen übertriebenen Preisausschläge nachteilig aus», stellt Rolf Gurtner von der Sektion Ökonomie beim BAFU fest. «Weil Investitionen von Unternehmen, Privathaushalten und der öffentlichen Hand primär dort erfolgen, wo sie den grössten Nutzen versprechen, führt jede Verzerrung der Rohstoffpreise zu Wohlfahrtsverlusten für die Gesellschaft.» Idealer für einen längerfristigen Investitionshorizont wären somit Ressourcenpreise, die sich innerhalb einer gewissen Bandbreite stabil entwickeln.
Fragezeichen zur Effizienz der Märkte. In der ökonomischen Theorie vermögen freie Märkte den Verbrauch von Ressourcen über den Preis so zu steuern, dass auf lange Sicht eine optimale Nutzung erfolgt. Angesichts des laufend steigenden Ressourcenverbrauchs mit seinen negativen Auswirkun
Der Erdölpreis unterliegt drama-tischen Schwankungen, die kaum etwas mit den Kosten für die Gewinnung des Rohstoffs zu tun haben.Bild: gettyimages
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gen auf die Umwelt und vor dem Hintergrund der enormen Preisschwankungen erscheint es allerdings zweifelhaft, ob diese Kernaufgabe von den realen Märkten auch tatsächlich erfüllt wird. Lucas Bretschger, Professor für Ressourcenökonomie an der ETH Zürich, ist der Frage im Auftrag des BAFU nachgegangen. Für die kürzlich veröffentlichte Studie Preisentwicklung bei natürlichen Ressourcen. Vergleich der Theorie und Empirie hat sein Team untersucht, welche Faktoren ein optimales Funktionieren der Märkte – im Sinn einer effizienten Nutzung – verhindern und über welche Möglichkeiten der Staat verfügt, um seine Aufgabe als Regulator wahrzunehmen.
Keine optimale Nutzung. Da die weltweiten Vorräte von nicht erneuerbaren Rohstoffen wie Erdöl laufend abnehmen, sollte sich die Knappheit solcher Ressourcen in einem gemäss Lehrbuch funktionierenden Markt eigentlich angemessen im Preis widerspiegeln. Nach der ökonomischen Regel von Angebot und Nachfrage müssten sich abzeichnende Engpässe folglich zu steigenden Preisen führen, welche die Marktakteure motivieren, begrenzte Ressourcen entweder effizienter zu nutzen oder durch andere zu ersetzen.
In der Realität folgt die Preisentwicklung oft nicht diesem einfachen Schema. Bei allen Schwankungen ist beispielsweise für die in der Studie un
tersuchten Rohstoffe Erdöl, Kupfer und Indium über die letzten Jahrzehnte kein langfristig ansteigender Preistrend auszumachen, wie dies zu erwarten wäre. Dafür gibt es vielfältige Gründe. Im Fall des Erdöls wird etwa der Zeitpunkt einer Erschöpfung der Vorkommen durch die Entdeckung neuer Ölfelder und den Abbau von Ölsanden hinausgezögert. Zudem können die Besitzer der Ressourcen die künftige Preisentwicklung nur ungefähr abschätzen, wobei in vielen Ländern auch die Eigentumsrechte längerfristig nicht garantiert sind. Dadurch werden die Rohstoffvorkommen tendenziell rascher abgebaut und konsumiert, als dies im Hinblick auf eine effiziente Nutzung wünschbar wäre.
Nicht berücksichtigte externe Effekte. Eine Folge davon ist zum Beispiel die gemessen am Wirtschaftswachstum überdurchschnittliche Zunahme des motorisierten Individualverkehrs mit seinen negativen Folgen für Umwelt und Gesundheit. Dazu gehören der Bodenverbrauch, die Zerschneidung von Lebensräumen, Emissionen von Lärm und Luftschadstoffen oder der Ausstoss an Treibhausgasen, die das globale Klima schädigen. «Weil der Preis für Erdöl nicht sämtliche Kosten seiner Nutzung umfasst, wird im Vergleich zur sozial optimalen Menge zu viel davon konsumiert», erklärt Rolf Gurtner. «Solange der Marktpreis diese externen Effekte
nicht berücksichtigt, ist ohne Korrektur solcher Verzerrungen auch kein Optimum möglich.»
Das Ziel der Generationengerechtigkeit. Die Politik muss sich unter anderem der Aufgabe stellen, dieses Marktversagen durch ordnungspolitische Massnahmen oder marktwirtschaftliche Anreize zu korrigieren. So, wie der Staat einen fairen Wettbewerb gewährleistet, indem er etwa Monopole unterbindet, steht er auch in der Mitverantwortung, die externen Kosten in die Rohstoffpreise einzubinden. Überdies sollte er für eine nachhaltige Ressourcennutzung sorgen, die auch den Bedürfnissen künftiger Generationen gerecht wird.
Die Fairness gegenüber kommenden Generationen erfordert es, dass der heutige Ressourcenverbrauch in Zukunft nicht zu einer zunehmenden Einschränkung der Produktionsmöglichkeiten und damit zu einer Reduktion des Lebensstandards führt. Diese Bedingung ist erfüllt, wenn durch den Einsatz von nicht erneuerbaren Rohstoffen ein für spätere Generationen mindestens ebenso wertvoller Ersatz geschaffen wird. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn aus Erdöl Kunststoffe für Rotorblätter von Windkraftanlagen oder Bauteile für Leichtfahrzeuge entstehen.
Weil sich im Falle der Schweiz die zumeist ausländischen Besitzer der Rohstoffe dem Einflussbereich der öffent lichen Hand normalerweise entziehen, besteht die Möglichkeit staatli
«Weil der Preis für Erdöl nicht sämtliche Kosten seiner Nutzung umfasst, wird im Vergleich zur sozial optimalen Menge zu viel davon konsumiert.»
Rolf Gurtner, BAFU
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cher Eingriffe vorab beim Konsum und bei der Produktion im Inland – etwa durch eine höhere Besteuerung des Verbrauchs. «Wichtig sind dabei kontinuierliche und verlässliche Signale, die ressourcenschonende und energieeffiziente Produktionsverfahren, Güter und Dienstleistungen gezielt begünstigen», erklärt Rolf Gurtner. «Wir müssen diesen Strukturwandel zu einer grünen Wirtschaft so steuern, dass Unternehmen und Haushalte ihren Ressourcenverbrauch zu möglichst geringen Kosten auf ein ökologisch nachhaltiges Niveau reduzieren können.» Diesen Weg einer nachhaltigen Entwicklung kann der Staat zusätzlich fördern, indem er beispielsweise vielversprechenden Umwelttechnologien zum Durchbruch verhilft.
Herausforderung bei nicht marktgängigen Ressourcen. Doch nicht nur gehandelte Rohstoffe sind Ressourcen, sondern auch natürliche Güter ohne konventionellen Markt – wie etwa saubere Luft, die Biodiversität oder ein intaktes Klima. Ihnen ist gemeinsam, dass für sie die üblichen Preissignale fehlen und dass keine privaten Eigentumsrechte bestehen. Vielmehr handelt es sich um lokale oder sogar globale Gemeinschaftsgüter mit unsicherer Bewertung.
Um eine Übernutzung zu vermeiden, konzentrierten sich die Eingriffe der öffentlichen Hand zum Schutz dieser Ressourcen bisher denn auch hauptsächlich auf Gebote und Verbote. «Als Ergänzung dazu kann der Staat
jedoch auch einen neuen Markt für bisher nicht marktgängige Ressourcen schaffen, um auf diesem Weg den Preis der externen Umweltkosten durch den Handel bestimmen zu lassen», erläutert Rolf Gurtner. Diesen Weg haben die Schweiz und die Europäische Union gewählt, um den Ausstoss des wichtigsten Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) durch den Handel mit entsprechenden Emissionsrechten zu senken. Letztere ermächtigen die Firmen, eine bestimmte Menge an CO2 auszustossen. Sofern ein Unternehmen seine Limite nicht ausschöpft, kann es die überschüssigen CO2Rechte verkaufen. Umgekehrt muss ein Betrieb, der die ihm zugestandenen Emissionen überschreitet, zusätzliche Emissionsrechte erwerben. Steigen deren Preise, so drosseln die beteiligten Firmen im Idealfall ihren Verbrauch an fossilen Energieträgern wie Erdöl, Kohle und Erdgas. Sie setzen dann vermehrt erneuerbare Brenn und Treibstoffe ein, investieren in technologische Neuentwicklungen und gestalten dadurch ihre Verfahren und Produkte ressourceneffizienter. «Künftig planen die Regierungen, laufend weniger Emissionsrechte zuzuteilen; entsprechend sollte der klimaschädliche Kohlendioxidausstoss kontinuierlich sinken», sagt Rolf Gurtner.
Die Grenzen der Marktlogik. Das Instrument eines neuen Marktes eignet sich aber nicht gleichermassen für alle Ressourcen ohne Geldwert. So wird etwa die Biodiversität durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst, die oft nur schwer einzugrenzen sind. Häufig ist unklar, wer entsprechende Leistungen nutzt oder durch sein Handeln die Biodiversität beeinträchtigt und wem die Eigentumsrechte zuzuordnen sind. Um möglichst viele Einflussfaktoren zu berücksichtigen, ist es daher wichtig, einen Mix aus marktwirtschaftlichen und planerischen Instrumenten sowie Vorschriften und freiwilligen Massnahmen einzusetzen.
Felix Würsten, Beat Jordiwww.umwelt-schweiz.ch/magazin2010-2-11
KONTAKTRolf GurtnerSektion ÖkonomieBAFU031 322 57 [email protected]
«Wir müssen diesen Strukturwandel zu einer grünen Wirtschaft so steuern, dass Unternehmen und Haushalte ihren Ressourcenverbrauch zu möglichst geringen Kosten auf ein ökologisch nachhaltiges Niveau reduzieren können.» Rolf Gurtner, BAFU
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GEBÄUDEPROGRAMM VON BUND UND KANTONEN
Ein zentraler Pfeiler der Klimapolitik
Die Erwartungen an das Gebäudeprogramm sind hoch. Es soll pro Jahr rund 10 000 Gebäudesanierungen und Gesamtinvestitionen von über 1 Milliarde Franken auslösen. Damit wird aus heutiger Sicht angestrebt, den jährlichen Kohlendioxidausstoss bis ins Jahr 2020 um zirka 2,2 Millionen (Mio.) Tonnen zu reduzieren. Bei einer Verminderung der CO2Emissionen um insgesamt 20 Prozent entspricht dies rund der Hälfte der im Inland angestrebten Einsparungen. Ob auch wirklich genügend Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer für eine energetische Haussanierung und für den Einsatz erneuerbarer Energien motiviert werden können, hängt jedoch
neben dem finanziellen Anreiz durch das Gebäudeprogramm auch von externen Faktoren ab. So sind die Entwicklung des Ölpreises und die konjunkturelle Lage ebenso entscheidend.
Die Grundlage für das Gebäudeprogramm ist vor knapp einem Jahr gelegt worden. Nach jahrelangem politischem
Tauziehen haben die eidgenössischen Räte im Sommer 2009 eine Teilzweckbindung der CO2Abgabe auf Brennstoffen beschlossen. Damit wird ab 2010 während 10 Jahren ein Drittel der entsprechenden Einnahmen – maximal aber 200 Mio. Franken (CHF) pro Jahr – für CO2Massnahmen bei Gebäuden eingesetzt. Mindestens 133 Mio. CHF stehen jährlich für Sanierungen der Gebäudehülle zur Verfügung, das heisst für besser gedämmte Dächer, Wände, Fenster, Decken und Böden. Bis zu 67 Mio. CHF werden für erneuerbare Energien, Abwärmenutzung und Gebäudetechnik aufgewendet. Diese Gelder erhalten die Kantone, wenn sie mindestens gleich
viele Mittel für eigene Programme einsetzen. Bereits sind in den Kantonen Programme in der Höhe von jährlich 80 bis 100 Mio. CHF geplant.
Grosser Handlungsbedarf im Gebäudebe-reich. Das Gebäudeprogramm setzt den Hebel am richtigen Ort an, sind
doch hierzulande rund 1,5 Mio. Häuser energetisch dringend sanierungsbedürftig. Heute wird jährlich nur gerade 1 Prozent der bestehenden Liegenschaften erneuert. Rein rechnerisch würde es bei gleichem Tempo somit 100 Jahre dauern, bis in der Schweiz jedes Haus einmal energetisch saniert wäre. Der CO2Austoss im Gebäudebereich ist auch deshalb hoch, weil 60 Prozent aller Immobilien mehr als 25 Jahre alt sind und grösstenteils aus der Zeit vor der ersten Erdölkrise stammen. So liegt zum Beispiel das Sparpotenzial eines durchschnittlichen Einfamilienhauses aus den 1970erJahren bei etwa 2 Tonnen CO2 pro Jahr, was einem Drittel der schweizerischen Emissionen pro Person entspricht.
Energieeffiziente Neubauten. Auch bei Neubauten will man künftig mehr Energieeffizienz und eine Reduktion des CO2Ausstosses erreichen. Dazu hat die Energiedirektorenkonferenz bereits 2008 Mustervorschriften der Kantoneim Energiebereich verabschiedet. Sie beschränken den Energiebedarf für Heizungen und Warmwasser bei Neubauten. Zudem regeln sie die Einführung eines schweizweit einheitlichen, freiwilligen Gebäudeenergieausweises der Kantone. Damit ist gewährleistet, dass
Der CO2-Ausstoss im Gebäudebereich ist auch deshalb hoch, weil 60 Prozent aller Immobilien mehr als 25 Jahre alt sind.
Mit dem Gebäudeprogramm haben Bund und Kantone gemeinsam ein Paket zur energetischen Sanierung von bestehenden Liegenschaften geschnürt. Bis 2020 stehen jährlich 280 bis 300 Millionen Franken bereit, um den Gebäudepark Schweiz klimafreundlicher zu gestalten.
Von Bruno Oberle, Direktor BAFU (links), undStefan Engler, Bündner Regierungsrat und Präsident der Konferenz der kantonalen Energiedirektoren
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Die Internetseite www.dasgebaeudeprogramm.ch dient als zentrale Plattform für Hausbesitzerinnen und Hauseigentümer, die ihre Liegenschaft energetisch sanieren oder erneuerbare Energien einsetzen wollen. Sie finden dort die nötigen Informationen zum Gebäudeprogramm und erfahren, welche zusätzlichen Förderprogramme es in ihrem Kanton gibt und wo sie sich beraten lassen können. In wenigen Schritten gelangt man zum Gesuchsformular.
Kontakt Dienstleistungszentrale Gebäudeprogramm:044 395 12 [email protected]
im Inland künftig nur noch Neubauten mit niedrigen CO2Emissionen entstehen.
Beratung durch die kantonalen Energiefachstellen. Damit die umfangreichen Investitionen auch ihre Wirkung zeigen, braucht es eine gute Zusammenarbeit aller Beteiligten, also von Bund, Kantonen, Hausbesitzern, Planern sowie Finanzbranche und Bauwirtschaft. Ebenso gilt es, eine kompetente Beratung sicherzustellen. Im Gebäudeprogramm bringen die Energiefachstellen der Kantone diese Fachkompetenz ein. Eine nationale Dienstleistungszentrale koordiniert die Realisierung des Programms. Die Gesuchstellung für Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer ist unkompliziert und wird über eine gemeinsame Internetplattform abgewickelt (siehe Kasten rechts).
Vom Gebäudeprogramm profitieren in erster Linie die Hauseigentümer. Es kommt aber auch denjenigen Unternehmen zugute, die sich auf Haussanierungen und moderne Gebäudetechnik spezialisiert haben und nachhaltig bauen. Damit verleiht das Programm der Wirtschaft wertvolle Impulse, was gerade in konjunkturell schwierigen Zeiten besonders wichtig ist.
KONTAKTNic KaufmannKommunikation GebäudeprogrammBAFU031 322 92 [email protected]
1990 2000 2007 2010 2020
PROGNOSEN FÜR DIE WIRKUNG DER KLIMASCHUTZMASSNAHMEN IN DER SCHWEIZ
Ohne Klimapolitik würde der CO2-Ausstoss im Inland bis 2020 um rund 5 Prozent steigen. Die bis 2009 getroffenen Massnahmen bewirken eine Reduktion um 6 Prozent. Dazu trägt der Gebäudesektor mit Abstand am meisten bei. Um die klimapolitischen Ziele zu erreichen, braucht es jedoch weitere Schritte.
100 %
+ 5 %
– 6 %
Quelle: BAFU
Wirkungsanteile im Inland
im Jahr 2020
Das Gebäudeprogramm
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KLIMARELEVANZ DES GEBÄUDEPARKS
Klimaschutz hinter der HaustürDamit die Schweiz ihre globalen und nationalen Klimaschutzziele erreichen kann, braucht sie einen sparsameren Gebäudepark. Zu den wirksamsten Massnahmen, um den CO2-Ausstoss zu senken, gehören die Sanierung von Häusern und der Einsatz erneuerbarer Energien im Gebäudebereich.
«Verbrauchten die Wohnungen vor der Sanierung noch umgerechnet 20 000 Li ter Heizöl pro Jahr, sind nun Energiekosten von null Franken das Ziel», sagt der Architekt Karl Viridén. Er hat 2009 zwei Mehrfamilienhäuser an der Basler Feldbergstrasse saniert und ist dafür mit dem Preis «Watt d’Or» des Bundesamtes für Energie (BFE) ausgezeichnet worden.
Das Architekturbüro Viridén + Partner AG liess Dach und Fassade dämmen, installierte eine dreifache Isolierverglasung und neue Balkone. Zudem baute es die Haustechnik um: Eine LuftWasserWärmepumpe, kombiniert mit zwei Solaranlagen und einem riesigen Wassertank als Wärmespeicher, sorgen für Wärme und Warmwasser. So verringern die Bewohnerinnen und Bewohner ihren CO2Ausstoss um fast ein Drittel.
Die Sanierung leistet einen kleinen, aber wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Im KyotoProtokoll hat sich die Schweiz verpflichtet, ihre jährlichen Treibhausgasemissionen im Zeitraum von 2008 bis 2012 gegenüber dem Ausgangsjahr 1990 im Durchschnitt um 8 Prozent zu verringern. Mittelfristig soll auch der Gebäudesektor einen wichtigen Beitrag zur Schweizer Klimapolitik leisten.
Der Erdölverbrauch steht im Zentrum. Weil CO2 in der Schweiz das mit Abstand wichtigste Treibhausgas darstellt, konzentriert sich die nationale Klima politik in erster Linie auf die Verringerung des Verbrauchs von fossilen Brenn und Treibstoffen. Mit dem CO2Gesetz gibt das Parlament ein Reduktionsziel von 10 Prozent vor. Für Brennstoffe hat es die Latte mit einem Rückgang um
15 Prozent höher gelegt als für Treibstoffe, muss doch der Strassenverkehr seine Emissionen im Durchschnitt der Jahre 2008 bis 2012 nur um 8 Prozent senken.Um Bevölkerung und Wirtschaft zum Energiesparen anzuspornen, haben die eidgenössischen Räte per 1. Januar 2008 eine Lenkungsabgabe auf Brennstoffe eingeführt. Diese CO2Abgabe istAnfang 2010 verdreifacht worden und
beträgt heute 9 Rappen pro Liter Heizöl. Die Einnahmen fliessen zu zwei Dritteln an die Haushalte und Unternehmen zurück. Das verbleibende Drittel wird für die Finanzierung des Gebäudeprogramms eingesetzt (siehe auch Seite 46).
Wenig Bewegung beim Verkehr. Wie steht unser Land zu Beginn der KyotoPeriode da? Zwar lagen bei Redaktionsschluss noch keine bereinigten Daten zum Jahr 2008 vor. «Laut den jüngsten Perspektiven dürfte die Schweiz die im KyotoProtokoll eingegangene Verpflichtung knapp erfüllen können, wenn der Kauf ausländischer Emissionszertifikate und die Senkenleistungen des Waldes berücksichtigt werden», sagt aber Andrea Burkhardt, die Chefin der Abteilung Klima beim BAFU. « Weitaus schwieriger ist die Einhaltung der Reduktionsziele im CO2Gesetz.» Einen Rückgang erwartet sie nur bei den Brennstoffen. Demgegenüber staut sich der Verkehr auf der
klimapolitischen Kriechspur – dieser Sektor wird die Ziele kaum erreichen, obschon das individuelle Sparpotenzial hier grösser wäre als beim Wohnen.
Doch die KyotoPeriode ist nur die Startphase auf dem langen Weg zu einer klimaverträglicheren Gesellschaft. Während die internationalen Verhandlungen in Kopenhagen bloss einen kleinen Schritt vorwärts kamen, hat der Bun
desrat mit dem revidierten CO2Gesetz bereits den Weg bis 2020 vorgezeichnet. So will er den Treibhausgasausstoss der Schweiz im Vergleich zu 1990 um 20 bis 30 Prozent senken. Im Unterschied zur laufenden Periode soll auch der Verkehr substanziell zu diesem Reduktionsziel beitragen.
Wichtigster Eckpfeiler der inländischen Klimaschutzpolitik bleibt aber der Gebäudesektor. Gemäss Berechnungen der Bundesämter BAFU und BFE soll 2020 allein das Gebäudeprogramm rund 2,2 Millionen Tonnen CO2 vermeiden. Im Lauf der Zeit kumulieren sich die Effekte, denn eine energetisch sanierte Wohnung wirkt über Jahrzehnte zugunsten des Klimaschutzes. Die Sanierung der beiden Mehrfamilienhäuser in Basel wird bis 2020 rund 660 Tonnen CO2 vermieden haben – so viel, wie 110 Menschen hierzulande jährlich verursachen.
Mike Weibelwww.umwelt-schweiz.ch/magazin2010-2-12
Gemäss Berechnungen des Bundes soll im Jahr 2020 das Gebäudeprogramm rund 2,2 Millionen Tonnen CO2 vermeiden.
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Hauskatzen jagen, was sie kriegen – auch wenn sie gut gefüttert sind. Vor allem in städtischen Gebieten mit hoher Katzendichte können die räuberischen Haustiere dadurch zur Bedrohung für einzelne Arten werden. Es gibt aber einige Mittel, um die Beutetiere besser zu schützen.
Der Schmusekater bleibt ein RaubtierJAGDDRUCK DURCH KATZEN
Schnurrli ist ein guter und meist nützlicher Jäger. Seit der prächtige Kater im Haus von ClaireLise Suter in Murzelen (BE) am Wohlensee residiert, leben die Mäuse der Umgebung sehr gefährlich. An manchen Tagen verspeist er gleich mehrere davon. Aus dem Haus sind die Nagetiere vollständig verschwunden – im Gegensatz zu früher knabbern sie heute nicht mehr an der Gebäudeisolation, und auch die Ratten wagen sich kaum mehr in den Keller. Denn selbst mit diesen kämpferischen Nagern stattlicher Grösse nimmt es Schnurrli ohne Weiteres auf. Sogar eine Krickente erwischte er. «Wir konnten sie gerade noch rechtzeitig befreien und unverletzt wieder in die Freiheit ent
lassen», erzählt ClaireLise Suter. Als Jagdtrophäen hat Schnurrli auch schon seltene Tierarten wie Hermeline und gar eine Wasserralle ins Haus gebracht. Von diesem Wasservogel gab es damals lediglich einen einzigen Nachweis am Wohlensee. Nur die Zauneidechsen und Blindschleichen im Hausgarten blieben bislang verschont.
Angeborener Jagdinstinkt. Hauskatzen sind hervorragende Jäger. Sie können stundenlang im Ansitz verharren, schleichen sich, den Bauch dicht an den Boden gepresst, an ihre Opfer heran, springen, packen die Beutetiere mit den Vorderpfoten und töten sie dann mit einem gezielten Biss in den Nacken.
Dieses Verhalten übt die Katze schon in ihren ersten Lebenstagen. Auch wenn Katzenmütter ihren Jungen einiges an Jagdkunst beibringen, so sind Hauskatzen auch ohne diese Ausbildung ausgezeichnete Jäger – der Jagdinstinkt ist ihnen angeboren. Daran hat auch die schon vor 9500 Jahren einsetzende Domestizierung der nordafrikanischen Wild oder Falbkatze in Ägypten nichts geändert.
Unübertroffener Beutegreifer. So kuschelig sich Schnurrli gegenüber dem Menschen gebärden mag, als Beutegreifer bleibt er unübertroffen. Nichts kann ihn aufhalten, auch ein praller Futternapf nicht. Im Gegenteil: Gut genährte
www.glanzbilder.org
Klimaschutz hinter der Haustür
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Katzen sind topfit und dürften als Jäger eher noch erfolgreicher sein. Auch die immer wieder empfohlenen Glöckchen am Halsband ändern am Jagderfolg nichts, sagt der deutsche Ornithologe Jochen Hölzinger. «Solange die Katze im Versteck verharrt, ist ja sowieso nichts zu hören. Und wenn sie zum Sprung auf die Beute ansetzt, ist es meistens schon zu spät.» Er hat im Rahmen des Forschungsprogramms «Wildvögel und Vogelgrippe» in BadenWürttemberg untersucht, welche Rolle Hauskatzen bei der Übertragung des Vogelgrip pe virus spielen. Die Datenerhebung zeigte Erstaunliches. Nicht weniger als 125 der insgesamt 420 Vogelarten im südwestlichen Bundesland stehen auf dem Speiseplan der Hauskatzen, darunter Vogelexoten wie Flussuferläufer und Zitronenzeisig oder stark bedrohte Arten wie Wiedehopf und Rotkopfwürger. Hauskatzen ihrerseits werden von verschiedenen Greifvögeln – unter ihnen Steinadler, Rotmilan und Uhu – gejagt.
Am häufigsten erlegen Hauskatzen Amseln, Haussperlinge, Kohlmeisen, Grünfinken, Hausrotschwänze und Blau
meisen. Vögel werden zu allen Jahreszeiten gejagt. Der Schwerpunkt liegt aber in der Brutzeit. Dann haben es die Katzen auf den besonders leicht zu schnappenden Nachwuchs abgesehen. Generell hätten Vögel aber gute Chancen, um gegen Katzen zu bestehen, sagt Jochen Hölzinger. «Meistens erwischen sie bereits geschwächte Tiere.» Vögel sind indes nicht die Hauptbeute der Hauskatze. Sie jagt vorwiegend kleine Säuge
tiere, vor allem Nager, wobei Wühlmäuse den Hauptanteil stellen. Kleinsäuger machen rund 70 Prozent der Beute aus, Vögel um die 20 Prozent, und der Rest setzt sich aus kleinen Reptilien – vor allem Blindschleichen, Molchen und Fröschen – sowie Insekten zusammen.
Effiziente Jäger auf dem Bauernhof. Hauskatzen haben von Natur aus alle Anlagen, die sie für ihre Beutetiere zu gefährlichen Jägern machen: scharfe Krallen, sprungkräftige Hinterbeine, ein Gehör, das jenes des Hundes übertrifft, und Augen, deren Sehkraft sogar bei Nacht noch besser ist als die des Menschen bei Tageslicht. Doch auch ihre Beutetiere sind alles andere als wehrlos. Sie sind zum Teil wieselflink und wissen sich durchaus zu wehren, wie etwa die Mäuse mit ihren scharfen Zähnen. Die meisten Vögel entwischen dem Räuber mit einem eleganten Flügelschlag. Grosse, einzelgängerisch jagende Raubkatzen wie der Tiger brauchen zehn Versuche
für einen Jagderfolg. Bei Hauskatzen dürfte das Verhältnis ähnlich sein.
Katzen auf dem Land erwischen weit mehr Beute als ihre Artgenossinnen in städtischen Gebieten. Die besten Bauernhofkatzen, welche in der Regel nicht gefüttert werden, kommen jährlich auf über 1000 Beutetiere, in Städten und Agglomerationen liegt der Durchschnitt bei einem guten Dutzend. Denn dort bewegen sich die Katzen vorwiegend in ih
rer unmittelbaren Umgebung und meiden deshalb weite, offene Ackerflächen und den Wald. Gejagt wird umso mehr in Gärten und Wiesen. Katzen sind am liebsten in der Morgen und Abenddämmerung am Jagen. Grosse Hitze und Kälte meiden sie. Auch wenn die Reviergrössen von Katern stattliche Ausmasse von bis zu 900 Hektaren erreichen können, beschränkt sich der Aktionsbereich der meisten Katzen auf eine Fläche von weniger als 10 Hektaren.
Rascher Anstieg der Katzenpopulation. In den Industriestaaten ist die Zahl der Katzen in den vergangenen Jahrzehnten sprunghaft angestiegen. Lebten in Grossbritannien zu Beginn der 1970erJahre noch rund 4,5 Millionen Hauskatzen, so schätzte der Verband der Futterproduzenten die Population im Jahr 2003 aufgrund der stark gestiegenen Verkäufe auf das Doppelte. Für die Schweiz schwanken die Angaben zwischen 1,3 und 1,5 Millionen Tieren. Vor allem in städtischen Gebieten ist die Katzendichte hoch. Für die Stadt Zürich rechnen Fachleute mit 40 000 bis 50 000 Hauskatzen, während dort – zum Vergleich – 1200 Stadtfüchse leben.
Gegenüber der wilden BeutegreiferKonkurrenz haben Hauskatzen gleich drei Wettbewerbsvorteile. Sie erfreuen sich bester Pflege, werden regelmässig gefüttert, sind gegen Krankheiten geimpft und werden sonst noch medizinisch betreut. Bestandesschwankungen bei den Beutetieren lassen sie deshalb völlig unbeeindruckt, denn ihre Hauptnahrungsquelle versiegt nie.
Zudem leben Hauskatzen im Gegensatz zu vielen anderen wilden Beute
Katzen auf dem Land erwischen weit mehr Beute als ihre Artgenossinnen in städtischen Gebieten.
Katzen jagen wahllos alles, was ihnen unter die Krallen kommt: Kater Schnurrli und sein inzwischen ausgestopftes Opfer Hermelin. Bilder: Claire-Lise Suter, BAFU
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greifern nicht territorial und brauchen interne Konkurrenz nicht zu fürchten. In städtischen Quartieren bilden Hauskatzen eigentliche Kolonien und leben in familienähnlichen Verbänden. Sie haben ein Sozialverhalten wie Löwen. Kätzinnen säugen auch die Jungen anderer Weibchen, während Kater den Nachwuchs eines rudelfremden Konkurrenten töten. In einer Gruppe etabliert sich eine relativ stabile Rangordnung. Doch anders als die Löwen bleiben die Hauskatzen beim Jagen Einzelgänger.
Eine Landschaft der Angst. Wie viele Beutetiere tatsächlich von Hauskatzen erlegt werden, ist unbekannt. Es gibt nur grobe Schätzungen, so aus dem USBundesstaat Wisconsin: Auf einer Fläche von der vierfachen Grösse der Schweiz leben hier 5,5 Millionen Personen. Die von ihnen gehaltenen Hauskatzen sollen jährlich rund 40 Millionen Vögel erlegen. Für die USA gibt es eine Schätzung von 1 Milliarde Kleinsäugern pro Jahr, die Hauskatzen zum Opfer fallen. Insbesondere für die Bestände von gefährdeten Arten sind die räube rischen Haustiere damit eine Bedrohung. Jochen Hölzinger glaubt trotzdem nicht, dass der Jagderfolg der Katzen einen signifikanten Einfluss auf das Vorkommen einzelner Arten hat. «Für Vögel etwa sind Stromleitungen und Fensterscheiben viel gefährlicher. Hier machen die jährlichen Verluste allein in BadenWürttemberg Millionen aus.»
Auch in den Agglomerationen, wo Katzen weit weniger effizient jagen als in ländlichen Gebieten, dürften sie kaum direkt für die in ganz Europa beobachtete starke Schrumpfung der Bestände – zum Beispiel der Haussperlinge – verantwortlich sein; indirekt aber schon, denn Fachkreise sprechen von einer
«Landschaft der Angst». Alleine die Anwesenheit der Katzen beeinträchtigt den Bruterfolg, wenn sich die Vogeleltern nicht mehr getrauen, ihre Verstecke für die Nahrungssuche zu verlassen. Modellrechnungen zeigen, dass dieser Einfluss erheblich ist und durchaus verantwortlich sein könnte für das lokale Aussterben von Arten. Unbekannt ist der Einfluss der Katzen auf die Bestände von Eidechsen und Blindschleichen, die insbesondere vor und nach der Winterstarre eine leichte Beute darstellen. Er dürfte jedoch lokal beträchtlich sein.
Die Chancen der Wildtiere verbessern. Damit ergibt sich ein klassischer Zielkonflikt. So erstrebenswert es für das Wohl der Hauskatze ist, dass sie Auslauf hat und lästige Mäuse jagt, so erwünscht wäre es, die Tiere hielten sich vor allem beim Jagen von seltenen oder gar bedrohten Arten etwas zurück. Doch dies ist reines Wunschdenken, fangen Kat
zen doch grundsätzlich alles, was ihnen unter die Krallen kommt. Schützen können sich die Beutetiere allenfalls selbst. Mit einfachen Massnahmen kann ihnen indes geholfen werden (siehe Kasten). Dadurch lässt sich etwa die kostbare, besonders verletzliche Vogelbrut wirk sam schützen und auch die Überlebenschancen von kleinen Reptilien steigen, wenn sie über genügend Verstecke und Unterschlupfmöglichkeiten verfügen. Vielleicht lässt sich der Jagdtrieb der Katzen damit wenigstens zum Teil auf die ihnen zugewiesene klassische Aufgabe als Kammerjäger lenken.
Urs Fitzewww.umwelt-schweiz.ch/magazin2010-2-13
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KONTAKTReinhard SchnidrigLeiter der Sektion Jagd, Wildtiere und Waldbiodiversität, BAFU031 323 03 [email protected]
Tipps für den Schutz kleiner Wildtiere vor Katzen
(fi)Umden JagddruckaufVögel,ReptilienundKleinsäugerdurchHauskatzen zureduzieren,empfehlensichfolgendeMassnahmen:> Hinterfragen Sie denWunsch, eineHauskatze anzuschaffen. Einhoher Popula-
tionsdruckkannauchdenKatzenselbstProblemebereiten.> DieHaltungvonWohnungskatzenistnurinseltenenFällenartgerecht.DenAus-
laufinsFreiesolltemanihnendeshalbnichtverwehren.DraussenhateineKatzeauch genug Sozialkontakte zu Artgenossen und kann problemlos als Einzeltiergehaltenwerden.
> UmeineunkontrollierteVermehrungzuverhindern, solltenHauskatzen immerkastriertwerden.DasAussetzenderTiereistverboten.
> AuchaufBauernhöfenistdieFortpflanzungderKatzenzukontrollieren.> VerwilderteoderhäufigimWaldjagendeHauskatzenmüsseneingefangenund
entferntoderdemWildhütergemeldetwerden.> LandwirtesolltenBuntbrachennichtdirektangrenzendanSiedlungenanlegen,
damitauchBodenbrüterwieFeldlerchenihreJungtiereaufbringenkönnen.> Kunststoff-oderDrahtmanschettenanBaumstämmenverhindern,dassKatzenzu
Vogelnesternvordringenkönnen.NistkästensindmitDrahtanSeitenästenoderanFassadeninmindestens1,5MeterHöheanzubringen.
> EngmaschigeDrahtgitter schützenEidechsenundandereReptilienaufTrocken-mauern.
> VogelbäderundFutterhäuschensindaneinerübersichtlichenStellezuplatzieren.> Halten Sie die Katze von noch lebenden, unverletzten Beutetieren, die sie nach
Hausebringt,fernundlassenSiedieWildtierefrei.AllerdingssindderenÜber-lebenschancenoftgering.
> TötenSieverletzteBeutetiereschmerzlosmiteinemSchlaginsGenick.
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Auf den Schweizer Seen verkehren immer mehr Passagierschiffe mit Partikelfiltern. Die effiziente Technik hält über 99 Prozent der gefährlichen Dieselrusspartikel in den Abgasen zurück. Damit werden die Atemwege von Fahrgästen und Mannschaft auf den beliebten Aussendecks wirkungsvoll entlastet.
Russfreie Atemluft auf DeckABGASREINIGUNG VON SCHIFFSMOTOREN
Die schweizerischen Schifffahrtsunternehmen erhalten heute kaum noch Reklamationen von Fahrgästen, die sich über schwarze Russflecken an ihren hellen Hosen ärgern, weil die Sitzbank auf dem Aussendeck unbemerkt den Dieselabgasen ausgesetzt war. Zwar sind die vom Bund konzessionierten knapp 150 grösseren Fahrgastschiffe auf unseren Seen und Flüssen nach wie vor zu 90 Prozent mit den als besonders sicher geltenden, leistungsfähigen und relativ sparsamen Dieselmotoren ausgerüstet. «Doch inzwischen arbeiten die Antriebssysteme viel sauberer als noch vor einigen Jahren, und zudem hat die Technologie der nachträglichen Abgasreinigung enorme Fortschritte gemacht», erklärt Harald Jenk von der Abteilung Luftreinhaltung und NIS beim BAFU. Deshalb bilden schwarze Rauchwolken mittlerweile die unrühmliche Ausnahme. Der Fortschritt lässt sich beziffern. Stiessen die Kamine der Passagierschiffe – gemäss der Offroad Datenbank des BAFU – im Jahr 2000 etwa 27 Tonnen Dieselruss aus, so sind es gegenwärtig noch rund 20 Tonnen. Bei einer ungefähr konstanten Fahrleistung von jährlich rund 2,5 Millionen Kilometern dürften die Emissionen bis 2015 auf 11 Tonnen und 2020 schliesslich auf 7 Tonnen abnehmen.
Zerstörung der Russpartikel. Hauptgrund der positiven Entwicklung ist die Verschärfung der Abgasvorschriften für Schiffsmotoren auf schweizerischen Gewässern (SAV). Seit Juni 2007 gilt für alle neuen Schiffe mit Dieselantrieb
im gewerbsmässigen Einsatz eine Partikelfilterpflicht. Was dies bedeutet, erfahren die Passagiere zum Beispiel auf dem 2009 in Betrieb genommenen Katamaran «Cirrus», der von Luzern aus Küssnacht am Rigi oder Vitznau am Vierwaldstättersee ansteuert. Auf den beliebten Aussendecks können die Gäste selbst dann durchatmen, wenn der Wind die Abgase der Dieselmotoren für
einmal direkt in ihre Richtung bläst. Die effizienten Partikelfilter halten nämlich über 99 Prozent der gesundheitsschädigenden Dieselrussteilchen zurück, die vom Abgasreinigungssystem anschliessend sporadisch abgebrannt und dadurch zerstört werden.
Bei den meisten älteren Schiffsmotoren hingegen entweicht der Dieselrauch heute noch ungereinigt in die Umgebungsluft und kann den Passagieren bei ungünstigen Windverhältnissen unangenehm in die Nase stechen. «Das Einatmen von Russ ist aber mehr als nur lästig, denn die winzigen Partikel dringen bis in die feinsten Verästelungen der Lunge ein und können dort unter anderem Entzündungen verursachen», sagt Harald Jenk. Neben den Fahrgästen betrifft dies insbesondere Schiffsangestellte wie das Servierpersonal und Matrosen, die täglich stundenlang auf Deck
arbeiten. Das von den mikroskopisch kleinen Russteilchen ausgehende Krebsrisiko war denn auch der wichtigste Grund für die vom Bundesrat erlassenen strengeren Abgasvorschriften.
Gute Erfahrungen mit Nachrüstungen. Bei einer Auswechslung der Dieselmotoren sind grundsätzlich auch ältere Passagierschiffe mit Partikelfiltern auszustat
ten, sofern diese Nachrüstung technisch möglich und wirtschaftlich tragbar ist. Trotz der vielfach engen Platzverhältnisse im Motorenraum lässt sich eine Umrüstung sogar bei bestehenden Motoren realisieren, wie die positiven Erfahrungen der Zürichsee Schifffahrtsgesellschaft (ZSG) zeigen. Mit Ausnahme der «Zimmerberg», die erst im kommenden Winter einen neuen Motor erhält und bei dieser Gelegenheit auch abgastechnisch saniert wird, hat die ZSG inzwischen ihre gesamte übrige Flotte von 14 Schiffen auf Zürichsee und Limmat mit Partikelfiltern ausgerüstet. Die entsprechenden Eigenentwicklungen der auf die Abgasreinigung von leistungsstarken Motoren spezialisierten Schweizer Firma Hug Engineering funktionieren technisch einwandfrei und führen auch nicht zu einem merklich höheren Treibstoffverbrauch.
Auf den Aussendecks können die Gäste selbst dann durchatmen, wenn der Wind die Abgase der Dieselmotoren für einmal direkt in ihre Richtung bläst.
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Neben der ZSG und dem Betreiber der ZürichseeFähre Horgen – Meilen zählt die Schifffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees (SGV) ebenfalls zu den Vorreitern bezüglich Luftreinhaltung. Auch ihre seit 11 bis 47 Jahren im Einsatz stehenden grossen Motorschiffe «Waldstätter», «Europa», «Gotthard» und «Winkelried» verfügen seit einiger Zeit über Partikelfilter. Als Magnete für den Schweizer Schiffstourismus ziehen die beiden Seen mit dem lufthygienisch besten Angebot auf den einheimischen Gewässern fast die Hälfte der jährlich mehr als 12 Millionen Passagiere an, die hierzulande eine Schiffsreise unternehmen. Weil die gute Luft auf Deck nicht zuletzt ein überzeugendes Verkaufsargument ist, haben inzwischen auch die grösseren Betreibergesellschaften CGN auf dem Genfersee und BLS auf dem Thuner und dem Brienzersee vereinzelt nachgezogen
oder entwickeln Projekte für die abgastechnische Sanierung ihrer Flotte.
Solarantrieb ohne Abgase. Für grössere Schiffe sind wirtschaftliche Alternativen zum Dieselmotor gegenwärtig noch nicht in Sicht. Trotzdem verkehren auf einzelnen Schweizer Seen schon heute Boote, die keine Abgasreinigung benötigen, weil sie ganz ohne Verbrennungsmotor auskommen. So steht auf dem Bielersee mit dem «MobiCat» seit 2001 das weltweit grösste Solarschiff im Einsatz. Der nur von Elektromotoren angetriebene Grossraumkatamaran fasst immerhin 150 Leute. Und dank neu installierten Solarzellen gondeln nun auch die einstigen Dieselboote der Gesellschaft Mouettes Genevoises Navigation abgasfrei über das Genfer Seebecken.
Beat Jordiwww.umwelt-schweiz.ch/magazin2010-2-14
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KONTAKTHarald Jenk
Sektion VerkehrBAFU
031 322 93 [email protected]
Hans-Jürgen GottetSektion Schifffahrt, Bundesamt für
Verkehr (BAV)031 324 12 06
Bodensee● EuregiaGenfersee● ValaisHallwilersee● SeetalVierwaldstättersee● Cirrus● Europa● Gotthard● Waldstätter● Winkelried
Zugersee● Rigi (ab Frühjahr 2011)Zürichsee-Fähre Horgen – Meilen● Schwan● Zürisee
Zürichsee● Albis● Bachtel● Forch● Helvetia● Limmat● Linth
● Panta Rhei● Pfannenstiel● Säntis● Uetliberg● Wädenswil● Zimmerberg (ab Frühjahr 2011)Limmat● Felix● Regula● Turicum
Passagierschiffe mit PartikelfilternDer neue Katamaran «Cirrus» auf dem Vierwald-stättersee stösst dank Partikelfiltern keinen Russ aus. Bild: SGV Luzern
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Auch gut zehn Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (NISV) ist die Schweiz mit ihren Vorsorgegrenz-werten weltweit führend. Diese Feststellung macht Jürg Baumann, Chef der Sektion NIS beim BAFU, im Interview mit «umwelt».
Die Schweiz gehört noch immer zu den Vorreitern
SCHUTZ VOR ELEKTROSMOG
«umwelt»: Was ist Nichtionisierende Strahlung (NIS)?Jürg Baumann: Im Geltungsbereich der NISVerordnung versteht man unter NIS oder Elektrosmog elektrische und magnetische Felder, die von der Stromversorgung sowie von Funkanwendungen ausgehen. Bei der Produktion, Übertragung und Nutzung von Elektrizität entstehen diese Felder als Nebenprodukt. Im Funkbereich werden sie jedoch gezielt als Trägermedium zur Übermittlung von Informationen eingesetzt.
Welche negativen Auswirkungen hat dieseStrahlung?Bei den Folgen für die menschliche Gesundheit tappen wir zum Teil noch im Dunkeln. Bekannt ist die Wärmewirkung von sehr intensiver Hochfrequenzstrahlung, wie sie im Alltag aber kaum auftritt. Wird viel Strahlung absorbiert, was etwa bei seltenen Berufsunfällen vorkommen kann, erwärmt sich das Körpergewebe. Im Extremfall ist dieser Effekt mit der Funktion eines Mikrowellenofens vergleichbar. Auch bei tieferen Belastungen gibt es Hinweise aus der Forschung auf körperliche Auswirkungen – so zum Beispiel auf veränderte Hirnströme, eine Beeinflussung biochemischer Signalwege in und zwischen Zellen oder auf reversible Veränderungen der Erbsubstanz. Die gesundheitliche Relevanz solcher Effekte ist aber häufig unklar oder die Ergebnisse sind widersprüchlich.
Weitere Hinweise stammen aus epidemiologischen Studien, die mehr oder weniger exponierte Bevölkerungsgruppen miteinander vergleichen. So besteht ein wissenschaftlich begründeter Verdacht,
dass Kinder, die den Magnetfeldern der Stromversorgung überdurchschnittlich stark ausgesetzt sind, häufiger an Blutkrebs erkranken. Zum Glück sind solche Krankheitsfälle und die relevante Exposition selten. In der Schweiz erkranken pro Jahr ungefähr 60 Kinder an Leukämie. Von diesen wäre etwa ein Fall auf Magnetfelder zurückzuführen, sofern sich der genannte Verdacht bestätigen sollte.
Wie stark ist die Bevölkerung in der Schweiz dem Elektrosmog ausgesetzt?Die Belastungssituationen sind individuell sehr verschieden und können je nach Aufenthaltsort bis zu einem Faktor 1000 voneinander abweichen. In der Nähe von Versorgungsanlagen misst man höhere Immissionen, die mit zunehmender Entfernung abnehmen. Auch wenn wir die Exposition einzelner Personen im Tagesablauf verfolgen, variiert diese im Tagesmittel um das 50 bis 100Fache. Dies hängt entscheidend davon ab, wo jemand wohnt, in welchem Umfeld er sich bewegt und welche eigenen Elektro und Funkgeräte er betreibt, die ebenfalls strahlen. Die gemessenen Werte liegen im Allgemeinen deutlich unter den geltenden Grenzwerten, können diese punktuell aber auch erreichen.
Besteht ein Zusammenhang zwischen dem Ausmass des Elektrosmogs und der Häufung von Sendeanlagen?Es gibt dazu noch keine systematischen Untersuchungen. Generell lässt sich feststellen, dass in ländlichen Regionen häufig die Strahlung von Radio und Fernsehsendern dominiert, während in städtischen Gebieten eher die Mobilfunk
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strahlung überwiegt. Die jeweilige Exposition hängt stark von der Verteilung der Emissionsquellen und ihrer Leistungsstärke ab.
Geht die Hauptbelastung mehrheitlich von Versorgungsanlagen aus oder eher von den im Alltag genutzten Geräten und Einrichtungen?Wenn jemand dauernd strahlende Geräte – zum Beispiel Schnurlostelefon oder WirelessLAN – betreibt, dann übertreffen deren Immissionen in der Regel diejenigen von typischen Mobilfunkanlagen. Strahlt eine MobilfunkBasisstation hingegen in Richtung des obersten Stockwerks eines Nachbarhauses, macht sich diese Emission dort wahrscheinlich stärker bemerkbar. Aber im Grossen und Ganzen ist ein beträchtlicher Teil der NISBelastung unserer Bevölkerung hausgemacht. Die höchsten Belastungen gehen dabei von Geräten aus, die sehr nahe am Körper betrieben
werden – wie Handy, Schnurlostelefon, Haarföhn oder Elektrorasierer. Die entsprechende Bestrahlung des Kopfs ist jedoch meistens nur kurzzeitig. Im Gegensatz zu den Versorgungsanlagen unterstehen diese Geräte im Haushalt oder am Arbeitsplatz nicht der NISVerordnung. Es gibt dafür aber international
harmonisierte Normen. Die Schweiz hat kaum eine Möglichkeit, hier strengere Vorschriften zu erlassen.
Wo steht die Schweiz im internationalen Umfeld mit ihren Grenzwerten für NIS?Zum einen stützen wir uns auf Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und ihrer Partnerorganisationen, die in Europa mehrheitlich angewandt werden. Diese international harmonisierten Grenzwerte basieren auf den wissenschaftlich anerkannten Schädigungsschwellen und sehen zusätzlich eine gewisse Sicherheitsmarge vor. Weil bereits vor gut zehn Jahren eine Grau zone des Unwissens bestand, sind wir damals zum Schluss gekommen, dass die WHOGrenzwerte bei Langzeitexposition nach Möglichkeit nicht ausgeschöpft werden sollten. Als eines von wenigen Ländern hat die Schweiz deshalb für Elektrosmog das im Umweltschutzgesetz (USG) verankerte Vorsorgeprinzip angewandt. Demnach sollen Anlagen so wenig Strahlung abgeben, wie dies technisch möglich und wirtschaftlich tragbar ist. Das Vorsorgeprinzip soll Technologien aber nicht verhindern. Was technisch möglich und wirtschaftlich tragbar ist, hat der Bundesrat in der NISV in Form der sogenannten Anlagegrenzwerte rechtsverbindlich festgelegt.
Inzwischen haben auch weitere Staaten Vorsorgegrenzwerte eingeführt, die jedoch meistens nicht eins zu eins mit unseren Limiten vergleichbar sind, weil zum Beispiel anders gemessen wird. Bezogen auf die rechtsverbindlichen Regelungen gehört die Schweiz beim
«Die gemessenen Werte liegen im Allgemeinen deutlich unter den gelten-den Grenzwerten.» Jürg Baumann
Bild: AURA
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vorsorglichen Schutz vor Elektrosmog – zusammen mit Italien, Luxemburg und Belgien – nach wie vor zu den Vorreitern.
Welche Auswirkungen hat die NISV auf den Bau von Versorgungsanlagen?Der geltende Anlagegrenzwert für neue Hochspannungsleitungen erfordert im Siedlungsgebiet zum Teil eine andere Linienführung, als dies vor Inkrafttreten der NISV der Fall gewesen wäre. Im Einzelfall sind Ausnahmen zulässig, etwa wenn eine Elektrizitätsgesellschaft nachweisen kann, dass keine Alternative besteht. Die Limiten gelten indes nicht für bestehende Leitungen, weil der Bundesrat entschieden hat, ein Abbruch solcher Anlagen – um nicht nachgewiesenen, sondern nur eventuellen Gesundheitsrisiken vorzubeugen – wäre unverhältnismässig. Sollte sich jedoch zum Beispiel der Leukämieverdacht bei Kindern erhärten, wären wir in einer anderen Situation. Ein erwiesener schädlicher Effekt würde gemäss USG eine Anpassung der Grenzwerte erfordern.
Beim Mobilfunk hingegen macht die NISV keinen Unterschied zwischen neuen und bestehenden Anlagen.
Inwiefern hat die strenge Vorsorgeregelung zur Entwicklung von neuen strahlungsarmen Technologien beigetragen?Im Bereich der Stromtransformatoren hat die Industrie neue Konzepte für strahlungsarme Anlagen entwickelt. Auch bei Abschirmungen – zum Beispiel für Trafostationen oder Kabelleitungen – gibt es interessante Ansätze. Dagegen fehlen solche Erfolge beim Mobilfunk weitgehend. Hier wären Konzepte für Funknetze gefragt, die insgesamt, aber auch lokal mit weniger Strahlung auskommen.
Generell lässt sich sagen, dass die Funknetze immer dichter werden, was tendenziell geringere Sendeleistungen bedingt. Kommt jedoch eine ganze Funkgeneration neu hinzu – wie jetzt im Fall
der UMTSFrequenzen zum bestehenden GSMNetz –, entspricht dies quasi einer Verdoppelung der Emissionen.
Elektrosensible Personen klagen trotz ein-gehaltener Anlagegrenzwerte über gesundheitliche Störungen durch NIS. Was ist über dieses Phänomen bekannt?Es gibt leidende Personen, was auch ihre Ärzte attestieren. Allerdings existiert für das Phänomen der Elektrosensibilität keine medizinische Diagnose. Wie Pilotprojekte mit Betroffenen zeigen, stehen bei etwa zwei Dritteln aller Fälle andere Krankheitsursachen im Vordergrund. Bei immerhin rund einem Drittel kommen elektromagnetische Felder als plausibler Grund in Frage. Obwohl die WHO einen Wirkungszusammenhang verneint und von Einbildung spricht, sind solche Klagen nicht völlig von der Hand zu weisen.
In der Schweiz haben die Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz ein Beratungsnetz aufgebaut, bei dem sich Betroffene untersuchen lassen können. Auch das BAFU erhofft sich davon mehr Klarheit.
Zum Schutz von elektrosensiblen Personen und im Interesse der Vorsorge verlangen ver-schiedene Ärzte eine weitere Verschärfung der Anlagegrenzwerte.Ein Restrisiko bleibt auch mit den schweizerischen Vorsorgegrenzwerten, denn wir wissen letztlich nicht, ob diese Limiten ausreichen, obwohl sie 10 bis 300mal strenger sind als die aufgrund des gesicherten Wissens als notwendig erachteten Vorgaben der WHO. Wollte man wirklich jedes Risiko ausschliessen, müsste auf bestimmte Technologien ganz verzichtet werden. Nach heutiger Einschätzung würden deutlich tiefere Vorsorgegrenzwerte wohl das Aus für gewisse Technologien – wie beispielsweise den Mobilfunk – bedeuten. Es wäre nämlich schwierig, flächendeckende, leistungs fähige Netze mit einem Zehntel
oder sogar einem Hundertstel der heutigen Anlagegrenzwerte der NISV zu betreiben. Macht die technische Entwicklung jedoch weitere Fortschritte, sodass sich Mobilfunkanlagen und andere Anwendungen mit weniger Strahlung betreiben lassen, dann können wir einen Schritt weiter gehen.
Was rät das BAFU den Leuten zur Reduktion ihrer persönlichen NIS-Belastung?Für Geräte im eigenen Haushalt heisst die erste Regel Abstand halten. So ist etwa das Magnetfeld eines Radio weckers in einem Meter Entfernung vom Bett kaum mehr messbar. Wer sich im Schlafzimmer durch den Elektrosmog der Elektroinstallation gestört fühlt, kann einen Netzfreischalter einbauen lassen, der die elektrische Spannung unterbricht, sobald zum Beispiel die Nachttischlampe ausgeschaltet wird. Neuerdings sind auch Schnurlostelefone verfügbar, deren Basisstation nur noch während des Gesprächs strahlt. Beim Kauf eines Mobiltelefons empfiehlt sich ein Gerät mit möglichst tiefem Strahlungsbelastungswert (SAR). Zudem besteht die Möglichkeit, mit Kopfhörern zu telefonieren, was die Belastung des Kopfes ebenfalls reduziert.
Wer sich hingegen durch Versorgungsanlagen belästigt fühlt, obschon die Grenzwerte eingehalten sind, dem bleibt oft nur ein Wohnungswechsel, denn sofern Abschirmungen technisch überhaupt möglich sind, kommen sie meist ziemlich teuer zu stehen.
Interview: Beat Jordiwww.umwelt-schweiz.ch/magazin2010-2-15
KONTAKTJürg BaumannChef der Sektion Nichtionisierende Strahlung, BAFU031 322 69 [email protected]
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Bildung
Wo gebaut wird, entstehen nicht nur neue Bauwerke,
sondern auch Abwasser, Lärm und Luftverschmutzung.
Mit entsprechenden Schutzmassnahmen lassen sich
allfällige Folgeschäden eingrenzen. Zu diesem Zweck
bietet sanu (Bildung für nachhaltige Entwicklung) im
Auftrag des BAFU praktische Kurse auf Baustellen und
Werkhöfen an. Ziel der Kurse ist es, die Bauakteure
und Baukontrolleure in der Umsetzung des Gewäs-
serschutzes und der Luftreinhaltepolitik sowie in der
Harmonisierung der Kontrollen zu unterstützen. Das
nächste Praxisseminar «Luftreinhaltung auf Baustel-
len» findet am 22. Juni 2010 im Kanton Waadt statt.
Das Seminar richtet sich primär an Personen, die
entsprechende Kontrollaufgaben haben. Ein zweiter
Kurs – für eine erweiterte Zielgruppe – wird im Herbst
organisiert.
Schulzimmer NaturIn der Biosphärenschule im Luzerner Entlebuch wird das Moor zum Chemielabor. In Reagenzgläsern werden Cocktails geschüttelt, Essenzen gemischt und Erdproben auf ihren Säuregehalt getestet. Die Erlebnisschule widmet sich den Themen Natur, Wirtschaft und Gesellschaft und eignet sich für Klassenlager, Exkursionen und Schulreisen. > UNESCO Biosphäre Entlebuch, Biosphä-renzentrum, 041 485 88 50, [email protected], www.biosphaerenschule.ch
KMU fürs Klima gewinnenWie können Gemeinden, Wirtschaftsförderung und Wirtschaftsverbände die Kleinen und Mittleren Unternehmen (KMU) auf dem Weg zu mehr Energieeffizienz unterstützen? Konkrete Antworten auf diese und andere Fragen gibt die Fachtagung «Gemeinden gewinnen KMU fürs Klima» des WWFBildungszentrums. > 8. Juni 2010 in Bern (Restaurant zum Äusseren Stand, Zeughausgasse 17), CHF 220.–; Anmeldeschluss: 28. Mai 2010; Infos und Anmeldung: www.wwf.ch
Der Umwelt auf der Spur www.umweltdetektive.ch ist eine Plattform für Schülerinnen und Schüler der 4. – 6. Klasse. Ab August 2010 wird während eines Jahres monatlich ein Wimmelbild zu einem aktuellen Umweltthema aufgeschaltet. Das Internetportal bietet zudem eine Themenseite für Jugendliche, einen Monatswettbewerb, Reporterseiten für den Austausch von Entdeckungen sowie Begleitmaterial für Lehrpersonen.> www.umweltdetektive.ch
Zündende Ideen zum WaldDie Aktion «Zündholz, Tout Feu – Tout Flamme, In Fiamma – Nachhaltige Waldprojekte Schweiz» will in der Bevölkerung die Freude am Wald und eine lebendige Beziehung zum Wald und seinen Produkten fördern. Dazu gehören konkrete Vorschläge, wie nachhaltige Waldprojekte initiiert und realisiert werden können. > www.aktionzuendholz.ch > Kontakt-personen (je eine für D, F, I)
NOTIZBLOCK
Die biologische Vielfalt stellt eine Lebensgrundlage
der Menschheit dar. Dieses Bewusstsein will auch der
Schulverlag plus fördern – und zwar nicht nur im lau-
fenden Internationalen Jahr der Biodiversität. Er bietet
verschiedene Unterrichtsmaterialien zum Thema an.
Zum Beispiel ein Lehrmittel für alle Stufen der Volks-
schule (1.–9. Schuljahr): «Biodiversität ist Leben –
Unterrichtsvorschläge für alle Stufen». Die Broschüre
für Lehrpersonen klärt den Begriff und die Bedeu-
tung von Biodiversität und führt hin zu Unterrichts -
ange boten von über 20 Institutionen sowie zu stufen-
spezifischen Arbeitsmaterialien für Schülerinnen und
Schüler, die auf der Mediendatenbank zu finden sind.
In der Broschüre enthalten sind die Nutzungslizenz zur
Mediendatenbank und die CD-ROM «Gentiana – Bio-
diversität im Gebirge» der Pädagogischen Hochschule
Bern für die Sekundarstufe 1. Beigelegt ist zudem das
«Feldbuch NaturSpur» für die 1.– 4. Klasse.
Bauen, ohne zu zerstören
«Biodiversität ist Leben»
> Zu bestellen bei: www.schulverlag.ch/82704, ISBN-Nr. 13 978-3-292-00592-2, CHF 33.–; weitere Materialien zum Thema Biodiversität: www.schulverlag.ch/biodiversitaet
> Weitere Informationen: www.sanu.ch > Bildungsangebote > Integraler Bauprozess > Umweltbaubegleitung UBB. Nebst den offiziellen Veranstaltungen bietet sanu für Unternehmungen auf Anfrage auch massgeschneiderte Praxis-seminare an. Auskünfte bei: Enrico Bellini, sanu, Biel, 032 322 14 33, [email protected]
zVg
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Asbest in Gebäuden ist kein Altlastenproblem Der Staat ist laut einem Entscheid des Bundes-gerichts nicht verpflichtet, für die Sanierung von asbestbelasteten Gebäuden zu sorgen.
Die Gesellschaft A hatte von der Gesellschaft B eine Liegenschaft erworben. Nachträglich wurde eine Asbestbelastung festgestellt. Die Verkäuferin ersuchte beim zuständigen kantonalen Departement um einen Schlüssel für die Verteilung der Dekontaminierungskosten. Dieses war der Auffassung, die Bestimmungen im Umweltschutzgesetz (USG) betreffend Sanierung belasteter Standorte seien nicht anwendbar – und der Kanton deshalb nicht zuständig. Die letzte kantonale Instanz, das Verwaltungsgericht, hiess den fälligen Rekurs gut: Das Beifügen des krebserregenden Asbests in Baustoffe sei in Unkenntnis von dessen Toxizität erfolgt. Darum sei es angebracht, diese Substanz als Abfall zu erachten. Die Liegenschaft gelte demnach als belasteter Standort gemäss der eidgenössischen Verordnung über die Sanierung von belasteten Standorten (AltlV) und dem USG. Also müsse sich das kantonale Departement an einem Entscheid bezüglich der Sanierungskosten beteiligen.
Das BAFU reichte beim Bundesgericht eine zivilrechtliche Beschwerde ein, da der Entscheid des Verwaltungsgerichts eine krasse Verletzung des Umweltschutzrechts des Bundes und einen schwerwiegenden Präzedenzfall darstelle. Das Gericht hiess die Beschwerde gut.
Das Bundesgericht untersuchte in erster Linie, ob die strittige Liegenschaft als Ablagerungsstandort im Sinne der AltlV erachtet werden könne. Gemäss gängiger Lehre handelt es sich bei Ablagerungsstandorten um Orte, an denen Abfälle in Kenntnis der Sachlage deponiert wurden. Das Bundesgericht hielt fest, dass in diesem Fall nicht von einem durch Abfälle belasteten Standort die Rede sein könne, denn Asbest sei wissentlich als Bausubstanz verwendet worden.
Insgesamt folgerte das Bundesgericht, die Sanierungspflicht bei asbesthaltigen Gebäuden könne nicht ausschliesslich auf einer extensiven Auslegung des USG und der AltlV gründen. Die Asbestfrage sei anlässlich der Vorbereitungsarbeiten zur Verabschiedung von Artikel 32c USG nicht deutlich zur Sprache gebracht worden. Deshalb lasse sich daraus auch keine Absicht des Gesetzgebers ableiten, für asbesthaltige Gebäude eine allgemeine Sanierungspflicht einzuführen.
Juliane Eismann Billet, Abteilung Recht, BAFU, 3003 Bern, 031 322 93 21, [email protected], Bundesgericht: Urteil Nr. 1C_178/2009
Recht
Publikationen
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59umwelt 2/2010
AbfallwirtschaftPhosphorflüsse in der Schweiz. Stand, Risiken und Handlungs-optionen. 163 S.; D; keine gedruckte Ausgabe; Download: www.umwelt-schweiz.ch/uw-0928-d.
Rückgewinnung von Phosphor aus der Abwasserreinigung. Eine Bestandesaufnahme. 198 S.; D; keine gedruckte Ausgabe; Download: www.umwelt-schweiz.ch/uw-0929-d.
Raw materials from waste. «environment» 3/2009. 43 S.; E; kos-tenlos; Bestellnummer der gedruckten Ausgabe: 810.500.3-09eng; Bezug und Download: www.environment-switzerland.ch/mag2009-3.
BiodiversitätBiodiversität ist Leben. Faltblatt zum Internationalen Jahr der Biodi-versität 2010. D, F; kostenlos; Bestellnummer der gedruckten Ausgabe: 810.400.042d; Bezug und Download: www.umwelt-schweiz.ch/ud-1018-d.
Kippkarte «Biodiversität». Wechselbildkartenset mit 5 Motiven zum Inter-nationalen Jahr der Biodiversität 2010. Format A6; D/F/I gemischt. CHF 6.–; Bestellnummer des Sets: 810.400.044; Bezug unter: www.umwelt-schweiz.ch/ud-1021. Ein Motiv liegt diesem Heft bei.
Das Dossier «Biodiversität» dieses Hefts ist als eigenständige Broschüre in Italienisch und Englisch erhältlich. 40 S.; I, E; kostenlos; Bezug und Download unter: www.ambiente-svizzera.ch/rivista bzw. www.environment-switzerland.ch/mag.
ChemikalienPolychlorierte Biphenyle (PCB) in Gewässern der Schweiz. Daten zur Belastung von Fischen und Gewässern mit PCB und Dioxinen, Situationsbeurteilung. 103 S.; D, F; CHF 20.–; Bestellnummer der ge-druckten Ausgabe: 810.300.114d; Bezug und Download: www.umwelt-schweiz.ch/uw-1002-d.
ElektrosmogNiederfrequente Magnetfelder und Krebs. Bewertung von wissen-schaftlichen Studien im Niedrigdosisbereich. Stand: August 2008. 118 S.; D; keine gedruckte Ausgabe; Download: www.umwelt-schweiz.ch/uw-0934-d.
GentechnologieBiosicherheit im Bereich der ausserhumanen Gentechnologie. Er-gebnisse des BAFU-Forschungsprogramms 2004–2008. 74 S.; D; keine gedruckte Ausgabe; Download: www.umwelt-schweiz.ch/uw-0932-d.
GewässerschutzStrukturen der Fliessgewässer in der Schweiz. Zustand von Sohle, Ufer und Umland (Ökomorphologie); Ergebnisse der ökomorpholo-gischen Kartierung. Stand: April 2009. 100 S.; D, F; keine gedruckte Ausgabe; Download: www.umwelt-schweiz.ch/uz-0926-d.
Isotope im Grundwasser. Methoden zur Anwendung in der hydro-geologischen Praxis. 123 S.; D; CHF 20.–; Bestellnummer der gedruckten Ausgabe: 810.300.112d; Bezug und Download: www.umwelt-schweiz.ch/uw-0930-d.
KlimaSchweizer Klimapolitik auf einen Blick. Kurzfassung des klima-politischen Berichts 2009 der Schweiz an das UNO-Klimasekre-tariat. 19 S.; D, F, E, I; kostenlos. Bestellnummer der gedruckten Ausgabe: 810.400.043d; Bezug und Download: www.umwelt-schweiz.ch/ud-1017-d. Die Broschüre erklärt anschaulich die zahlreichen Facetten der Klimapolitik anhand von Illustrationen zu Treibhausgasen, Politik und Geldströmen. Dabei kommen wichtige Akteure zu Wort. Zielpublikum: breite Öffentlichkeit, insbe-sondere Schulen.
ÖkonomiePreisentwicklung bei natürlichen Ressourcen. Vergleich von Theorie und Empirie. 81 S.; D; keine gedruckte Ausgabe; Download: www.umwelt-schweiz.ch/uw-1001-d. Umwelt allgemeinDas BAFU in Kürze. Bundesamt für Umwelt 2010. Faltblatt. D, F, I, E; keine gedruckte Ausgabe; Download: www.umwelt-schweiz.ch/ud-1015-d.
Sämtliche BAFUPublikationen sind elektronisch verfügbar und lassen sich als PDF kostenlos herunterladen unter www.umweltschweiz.ch/publikationen.
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Tel. +41 (0)31 325 50 50, Fax +41 (0)31 325 50 58
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Auf vergessenen PfadenDer neue Führer «P’tits sentiers – Pfädeli» be-
schreibt 41 vergessene Wege durch den Ber-
ner Jura. Die abenteuerlichen Wanderungen
sind in vier Schwierigkeitsstufen unterteilt und
mit detailliertem Kartenmaterial und Hinweisen
auf ÖV-Anbindung versehen.
> Bestellung unter: [email protected],
Preis: CHF 15.– (in D/F)
Die Welt der Tierstimmen
Wie tönt unsere heimische Vogelwelt? Wie
hören sich die Vögel Europas an, wie Greif vögel
oder Seevögel im Wind? Und wie klingt die
Natur, wenn sich im Regenwald ein Gewitter
ankündigt? Auf www.tierstimmen.de gibt es
dazu eine umfangreiche Sammlung mit Hör-
und Lern-CDs und -DVDs.
> www.tierstimmen.de (in D)
Der KlimablogIn der Schweiz steckt das wissenschaftliche Blog-
gen noch in den Kinderschuhen. Die ETH Zürich
macht nun aber einen Versuch: Der ETH-Klima-
blog will die aktuelle Debatte zum Klimawan-
del aufnehmen und einer breiten Öffentlichkeit
vermitteln. Die behandelten Themen sind u. a.:
Klimaentwicklung, Umweltauswirkungen, Ener-
gie und Mobilität, Wohnen und Städtebau, Er-
nährung und Landwirtschaft. Zum Autorenteam
gehören rund 20 Professorinnen und Professoren
der ETH Zürich aus allen klimarelevanten Fach-
gebieten, aber auch Studierende und Gäste aus
Politik, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft.
> www.klimablog.ethz.ch (in D)
Ausgezeichnete Wanderwege
Die Organisation Schweizer Wanderwege prä-
miert jährlich «qualitativ herausragende Wan-
derwege, -routen, -netze oder -planungen». Die
Gewinner 2010 sind der Weinweg (VS), die Alte
Averserstrasse (GR) und der Jungfrau Klima-
guide (BE). Ein Nachwandern lohnt sich. Dies gilt
auch für die Wanderwege, die sich vergebens
um den Preis bemüht haben. Eine Übersicht
über Gewinner und Nichtgewinner mit detaillier-
ten Wanderinfos bietet die Homepage.
> Schweizer Wanderwege, Bern, 031 370 10 20,
www.wandern.ch > Prix Rando 2010 (in D, F)
Erleben, wie die Erde bebtErdbeben stehen für mitunter schreckliche
Katastrophen, die auf einen Schlag Hundert-
tausende von Menschenleben fordern können.
Erdbeben – wenn auch schwächere – gibt es
auch in der Schweiz. Der Erdbebensimulator
der ETH Zürich will dafür sensibilisieren. Mit
dem über drei Tonnen schweren Gerät lassen
sich Bodenbewegungen von Erdbeben bis Ma-
gnitude 8 simulieren. Der Simulator ist eine Art
Containerraum, der mit Tischen und anderen
beweglichen Gegenständen eingerichtet ist.
Besucherinnen und Besucher können anhand
von real aufgezeichneten Erdbebensignalen
das Phänomen «Erdbeben» gefahrlos am eige-
nen Körper erleben.
> Focus Terra, Zürich, 044 632 62 81,
www.focusterra.ethz.ch (in D, E), Vorführungen des
Simulators jeweils an Sonntagen (11, 13, 15 Uhr)
Sitzen auf Schweizer Holz
Der Hocker «hockab!» (40 cm breit, 40 cm tief
und 45 cm hoch, 6 kg schwer) ist aus Emmen-
taler Weisstanne gefertigt. Das BAFU unter-
stützt die Herstellung des Produkts als Beispiel
einer «vollständigen Wertschöpfungskette in
der kleinstrukturierten Wald- und Holzbranche
in der Schweiz».
> Bestellen bei: Kulturmühle Lützelflüh,
034 461 36 23, www.kulturmuehle.ch > Aktuell,
Preis: CHF 280.–
Tipps
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Alte Averserstrasse zVg
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61umwelt 2/2010
Junge UmweltpolitikEin Lexikon mit Begriffen aus der Umwelt-,
Verkehrs- und Energiepolitik, ein Quiz, Artikel
zu Umweltthemen, Diskussionsmöglichkeiten:
www.youvek.ch ist eine Website, die Schüle-
rinnen und Schüler des Basler Gymnasiums
Bäumlihof auf Anregung von Bundesrat Moritz
Leuenberger entwickelt haben. Sie behandelt –
auf schülergerechte Art – politische Themen aus
dem Departement für Umwelt, Verkehr, Energie
und Kommunikation (UVEK).
Wertvolle Korken
Ist der Wein erstmal getrunken, landen die
Korken im Abfall. Eigentlich schade. Denn sie
könnten problemlos wieder verwendet wer-
den: Kork ist leicht, flüssigkeits- und gasdicht
und brennt nicht. Dies schützt nicht nur edle
Weine, sondern macht Kork auch zu einem ide-
alen Material für Dämmungen und Isolationen.
Die Korkenfabrik Schlittler in Näfels (GL) sam-
melt, reinigt und mahlt die Zapfen zu Schrot,
der als Schüttisolation und im Lehmbau wieder
zum Einsatz kommt.
> Korkenfabrik Schlittler, Näfels, 055 618 40 30,
www.korken.ch (in D)
Erlebnis Geologie
Woher kommt das Trinkwasser? Gehört das
Matterhorn zu Afrika? Lebten einmal Nashörner
in der Schweiz? Gibt es hierzulande auch Gold?
Oder: Steht mein Haus auf sicherem Grund? Am
Freitag und Samstag, 28. und 29. Mai 2010,
finden im Rahmen von «Erlebnis Geologie» in
der ganzen Schweiz zahlreiche «GeoEvents»
statt. Dazu und zu ständigen Geologie-Exkur-
sionen finden sich Infos auf der Homepage
www.erlebnis-geologie.ch (in D, F, I).
Der Boden als LebensgrundlageDer Boden ist weit mehr als nur Dreck. Er stellt
ein kostbares Gut dar, zu dem Sorge getragen
werden muss. In Steinhausen (ZG) wird auf die
Bedeutung des Bodens aufmerksam gemacht:
mit einem Rundweg in der freien Natur, einer
Broschüre und einer Internetseite sowie Exkur-
sionsunterlagen. Der Bodenpfad eignet sich für
Schulklassen, aber auch als Ausflugsziel für
Familien. Es können auch Gruppenführungen
gebucht werden.
> Amt für Umweltschutz, Bodenpfad Steinhauser-
wald, 041 728 53 70, www.bodenpfad.ch
Karton in der StubeEine Babyschaukel für die Puppenecke, ein
CD-Regal, ein Sessel oder ein kleiner Tisch fürs
Wohnzimmer – und das alles aus Karton. Denn
dieser eignet sich nicht nur als Verpackungs-
material, sondern auch als Baustoff. Und kann
am Schluss erst noch ohne schlechtes Gewis-
sen auf dem Kompost landen oder über die Alt-
papiersammlung entsorgt werden. 90 Prozent
des Materials bestehen nämlich aus wieder-
verwerteten Kartonfasern. Für die erforderliche
Festigkeit und Stabilität des Kartons braucht es
somit ledliglich 10 Prozent Neufasern.
> Kartonshop, 061 361 67 34,
www.kartonshop.ch
Jede Beobachtung zähltÜber die Verbreitung oder das Auftreten vieler
Tier- und Pflanzenarten weiss man auch in der
Schweiz noch viel zu wenig. Alle Beobachtun-
gen und Nachweise können deshalb wichtig
sein. www.natportal.ch versteht sich als Platt-
form, die Hobby-Naturbeobachtenden hilft, ihre
Feststellungen am richtigen Ort einzugeben.
> www.natportal.ch (in D, F, I, E)
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Impressum 2/10, Mai 2010 / Das Magazin umwelt des BAFU erscheint viermal jährlich und kann kostenlos abonniert werden; ISSN 1424-7186. / Herausgeber:
Bundesamt für Umwelt BAFU. Das BAFU ist ein Amt des Eidg. Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK / Projektoberleitung: Bruno
Oberle, Thomas Göttin / Konzept, Redaktion, Produktion: Georg Ledergerber (Gesamtleitung), Kathrin Schlup (Stellvertreterin); Gregor Klaus (gk), Oliver Graf, Sandra Limacher,
Olivier Biber, Jean-Michel Gardaz (Koordination Dossier «Biodiversität»); Hansjakob Baumgartner (hjb), Luc Hutter (Webpublisher), Beat Jordi, Cornélia Mühlberger de Preux,
Lucienne Rey, Valérie Fries (Redaktionssekretariat) / Externe journalistische Mitarbeit: Urs Fitze (fi), Mike Weibel, Felix Würsten; Peter Bader und Nicole Bärtschiger (Rubriken);
Jacqueline Dougoud (Lektorat, Korrektorat, Übersetzungen), Rolf Geiser (Lektorat) / Visuelle Umsetzung: Atelier Ruth Schürmann, Luzern / Redaktionsschluss: 9. April
2010 / Redak tionsadresse: BAFU, Kommunikation, Redaktion umwelt, 3003 Bern, Tel. 031 323 03 34, Fax 031 322 70 54, [email protected] / Sprachen:
Deutsch, Französisch; Italienisch und Englisch nur Dossier «Biodiversität» / Online: Der Inhalt des Magazins (ohne Rubriken) ist abrufbar unter www.umwelt-schweiz.ch/
magazin / Papier: Cyclus Print, 100 % Altpapier aus sortierten Druckerei- und Büroabfällen / Auflage dieser Nummer: 54 000 Expl. Deutsch, 20 000 Expl. Französisch,
6000 Expl. Italienisch, 3000 Expl. Englisch / Druck und Versand: Zollikofer AG, 9001 St. Gallen, www.swissprinters.ch / Gratisabonnemente, Nachbestellungen ein-
zelner Nummern und Adressänderungen: umwelt, Zollikofer AG, Leserservice, 9001 St. Gallen, Tel. 071 272 73 70, Fax 071 272 75 86, [email protected], www.umwelt-schweiz.ch/magazin / Copyright: Nachdruck der Texte und Grafiken erwünscht mit Quellenangabe und Belegexemplar an die Redaktion.
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Intern
Hans-Peter Fahrni – Mitgestalter der Schweizer Abfallpolitik
HansPeter Fahrni, der langjährige Leiter der BAFUAbteilung «Abfall und Rohstoffe», geht Ende
Juni 2010 in Pension. Als er 1977 als wissenschaftlicher Mitarbeiter beim damaligen Bundesamt für
Umweltschutz (BUS) in die Abteilung Gewässerchemie eintrat, bestanden im Bereich Abfall noch
keinerlei gesetzliche Grundlagen. Zur Umsetzung des 1983 in Kraft getretenen Umweltschutzgeset
zes (USG) erarbeitete HansPeter Fahrni – inzwischen Chef der Sektion Abfall und Verfahrenstech
nik – wichtige Grundlagen, unter anderem ein Abfallleitbild und die Technische Verordnung über
Abfäl le (TVA), die Ende 1990 wirksam wurde. 1992 wurde die Sektion zur Abteilung aufgewertet.
Laufend kamen neue Herausforderungen hinzu, so die Entsorgungsgebühren für Papier und Glasre
cycling, die Ökobilanzen, die Verordnung zur Entsorgung von elektrischen und elektronischen Ge
räten, die Altlastensanierung und die biogenen Treibstoffe. Als letzte wichtige Arbeit bereitete Hans
Peter Fahrni eine Totalrevision der TVA vor. Damit hat er während mehr als eines Vierteljahrhun
derts die schweizerische Abfallpolitik in engagierter Weise mitgeprägt.
BAFU-Verlagsauslieferung neu beim BBL
Auf den 1. April 2010 hat das BAFU den Vertrieb seiner gedruckten Publikationen dem Bundesamt
für Bauten und Logistik (BBL) übergeben. Die neue Anschrift für Bestellungen lautet: BBL, Vertrieb
Bundespublikationen, CH3003 Bern, Tel. +41 (0)31 325 50 50, Fax +41 (0)31 325 50 58, verkauf.zivil@
bbl.admin.ch, www.bundespublikationen.admin.ch. Elektronisch können gedruckte Exemplare und
PDFDownloads nach wie vor auch unter www.umweltschweiz.ch/publikationen bezogen werden.
Korrigendum zu umwelt 3/2009, Seite 63: Porträt der Alpenrose
Gemäss dem Zentrum für Bienenforschung der Forschungsanstalt Agroscope LiebefeldPosieux (ALP)
ist der Genuss von Alpenrosenhonig unproblematisch. Die Rostblättrige und die Bewimperte Alpen
rose sowie deren Hybriden enthalten keine Toxine. Wir entschuldigen uns insbesondere bei den
Imkerinnen und Imkern für die Fehlinformation.
Das BAFU informierte im Februar 2010 an den beiden Messen «Natur» in Basel und «Fischen – Jagen – Schiessen» in Bern (Bilder) über das Internationale Jahr der Biodiversität.Bilder: BAFU/AURA, E. Ammon
Hans-Peter Fahrni
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Die Pfauenziege ist eine robuste Gebirgsrasse, die gerne klettert. Sie produziert auch auf hoch gelegenen Alpen noch Milch für die Käseherstellung. Gleichzeitig tragen diese Tiere auch zur Erhaltung und Förderung der Biodiversität bei: Sie halten schwer zugängliche, artenreiche Weiden, die zu verbuschen drohen, offen. Denn die Ziegen futtern auch Weide unkräuter wie Blacken sowie verholzte Zweige und Blätter bis auf zwei Meter Höhe. Im Gegensatz zu den Schafen fressen sie die Pflanzen weniger tief ab. So schonen sie die Blumen und damit die farbige Alpenflora: ein weiterer Beitrag zur Biodiversität.
Ein simpler Schreibfehler stand der Pfauenziege Pate. Ihr Name stammt nämlich nicht vom exotischen Vogel Pfau ab, sondern von den «Pfaven», den seitlichen dunklen Streifen, die vom Ansatz der Hörner über die Augen bis zur Nase hin verlaufen. Der falsche Name war jedoch so einprägsam, dass er sich in den Büchern der Züchter durchsetzte.
1887 wurde die Rasse erstmals in der Schweiz erwähnt, damals noch unter dem Namen Prättigauerziege. Im Zuge der Rassenbereinigung von 1938 betrachtete man sie dann als nicht förderungswürdig. Deshalb gehört sie heute zu den
gefährdeten Rassen mit Schweizer Ursprung. Nur dank einiger Bündner Liebhaberzüchter überlebten ein paar wenige Tiere. Die heutigen Erhaltungs und Förderprogramme des Bundes zielen nun darauf hin, den Tierbestand zu steigern und Tierhalterinnen und Tierhalter für die Zucht dieser attraktiven Ziegenrasse zu gewinnen. Bereits hat sich ein erster Erfolg eingestellt: Zurzeit halten im ganzen Land über 100 Züchterinnen und Züchter etwas mehr als 1000 Pfauenziegen – Tendenz steigend.
Biodiversität ist auch bei den Nutztieren selbst gefragt. In der Schweiz hat die Zahl der verwendeten Nutztierrassen stark abgenommen. Doch die Vielfalt an genetischen Ressourcen ist eine Versicherung, um die künftige landwirtschaftliche Produktion an veränderte Markt, Produktions und Umweltbedingungen anpassen zu können. Auch der Erhalt der Pfauenziege ist Teil unseres biologischen Reichtums. Stolz ist sie kürzlich auf die 85erSondermarke der Schweizerischen Post zum Internationalen Jahr der Biodiversität geklettert (Bild) und findet beim Publikum enormen Anklang.
Georg Ledergerber
www.umwelt-schweiz.ch/magazin2010-2-16
Gelingt der Pfauenziege das Comeback?
Porträt Die temperamentvolle Pfauenziege dient als bewährte Landschaftspflegerin.Bild: Die Schweizerische Post
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> Aktuell auf der BAFU-Website: Internationales Jahr der Biodiversität 2010www.umwelt-schweiz.ch/biodiversitaet2010
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