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Bundesjägertag 2008Weimar, 22. – 23. Mai 2008
Biologische Vielfalt – Kooperation zwischen Landnutzung, Jagd und Naturschutz?!
Prof. Dr. Wolfgang SchumacherGeobotanik und Naturschutz, Universität Bonn
1. Einleitung
2. Was ist Biodiversität?
3. Ziele des Naturschutzes in Kulturlandschaften
4. Ergebnisse integrativer Naturschutzstrategien
5. Konfliktfelder und Lösungsansätze
Bundesjägertag 2008
Bundesjägertag 20081. Einleitung
Der Mensch in Mitteleuropa lebt nicht in einer Natur-, sondern in einer Kulturlandschaft, die vom menschlichen Handeln geprägt ist und ständig Veränderungsprozessen unterliegt.
Sinnvoller, gesellschaftspolitisch tragfähiger Naturschutz gründet auf einer nachhaltigen, vernünftigen Nutzung natürlicher Ressourcen, zu denen auch wildlebende Tiere gehören.
Die Vereinbarkeit von "Schutz und Nutzung" wird im Bundesnatur-schutzgesetz deutlich herausgestellt.
Agrar-Umweltprogramme und Vertragsnaturschutz
Biodiversität
Der Begriff „Biodiversität“ wurde 1985 in die wissenschaftliche und politische Diskussion eingeführt und insbeson-dere durch den Evolutionsbiologen E.O. Wilson durch das 1988 von ihm herausgegebene Buch „Biodiversity“geprägt. Biodiversität ist die Kurzform des Begriffs biologische Vielfalt (engl.: biological diversity oder biodiversity) und hat sich im wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Gebrauch durchgesetzt.
Edward Osborne Wilson
Bundesjägertag 20082. Was ist Biodiversität?
Alpha-Diversität: Biodiversität einer homogenen Fläche (z.B. 1 m², 10 m² oder mehr) einer definierten Pflanzengesellschaft (Punktdiversität, „within-habitat-diversity“)
Ebenen der Biodiversität
Genetische Diversität: genetische Vielfalt (Diversität aller Gene innerhalb einer Art); Variabilität natürlich vorkommender Taxa, Nutzpflanzensorten, Tierrassen
Artendiversität: Vielzahl an Arten in einem Ökosystem
Ökosystem-Diversität: Vielfalt an Lebensräumen und Ökosystemen
Beta-Diversität: Biodiversität entlang von Gradienten/Biotopmosaiken („between-habitat-diversity“, „species-turnover“)
Gamma-Diversität: Biodiversität größerer Landschaftsausschnitten (z.B. Mess-tischblätter, Messtischblatt-Quadranten, Gemeinden, Naturräume, landwirtschaftliche Betriebe usw.)
Räumliche Skalierung der Biodiversität
Auf nur 2,3 % der globalen Landfläche („Hotspots“) leben 42 % der Landwirbeltiere und etwa die Hälfte der weltweiten Pflanzenarten!
Bundesjägertag 20082. Was ist Biodiversität?
Bundesjägertag 20082. Was ist Biodiversität?
Übersicht über die Verteilung der floristischen Diversität (Gesamtartenzahl pro Messtischblatt-Quadrant) in NRW (nach HAEUPLER et al. 2003).
Bundesjägertag 20082. Was ist Biodiversität?
Der Schutz der biologischen Vielfalt ist eine wichtige Aufgabe aller gesellschaftlichen Gruppen, denn
30% aller Pflanzenarten
50% aller Brutvogelarten
70% aller Amphibien und Reptilien
sowie fast 60% aller Säugetierarten Deutschlands
stehen heute auf der Roten Liste. Hauptursachen dieses dramatischen Rückgangs der Biodiversität sind die intensive Landnutzung, der anhaltend hohe Flächenverbrauch von bis zu 120 Hektar je Tag für Industrie, Siedlungs- und Verkehrsflächen sowie sonstige Beeinträchtigungen der Landschaften und ihrer Lebensräume.
Bundesjägertag 20083. Ziele des Naturschutzes in Kulturlandschaften
Bundesjägertag 20083. Ziele des Naturschutzes in Kulturlandschaften
Natürliche Ökosysteme
Bundesjägertag 20083. Ziele des Naturschutzes in Kulturlandschaften
Anthropogene Ökosysteme
Bundesjägertag 20084. Ergebnisse integrativer Naturschutzstrategien
Bundesjägertag 20084. Ergebnisse integrativer Naturschutzstrategien
Populationsentwicklung seltener und gefährdeter Arten in der Eifel zwischen 1970 und 2005(6). Aufgeführt sind für die genannten Zeiträume jeweils die höchsten bekannten Werte1 = blühende Pflanzen, 2 = blühende Triebe, 3 = blühende + vegetative Pflanzen, 4 = Rosetten, - = keine Daten verfügbar, ? = nicht oder vermutlich nicht im Gebiet vorhanden
Art Fundort 1970 -1977
1978 -1984
1985 -1990
1991 -1995
1996 -2000
2001 -2005(6)
Bürvenicher Berg bei Mechernich-Berg - 404 ~ 500 1441 2300 5800
Hühlesberg bei Iversheim 67 - 80 1100 1760 2450Tiesberg bei Iversheim 150 - - 2510 3940 5130Schafberg bei Pesch 8 19 19 1243 1400 1430Kuttenberg bei Eschweiler ? 6 7 46 55 65Halsberg bei Gilsdorf ? ? ? 23 28 95Kalvarienberg bei Alendorf ~ 5001 ~ 5001 - - - 750004
Hämmersberg bei Alendorf ~ 5001 ~ 5001 - - - 750004
Haardt bei Baasem ~ 1500 ~ 1500 10000 10000 - 15000Dahlemer Binz ~ 3000 ~ 3000 10000 10000 - 40000Ehrend bei Baasem ~ 7000 ~ 7000 40000 40000 - 200000Leuwersberg bei Kronenburg ~ 3000 ~ 3000 20000 20000 - 70000Große Jüsch bei Wachendorf 7 - 10 45 73 90Griesbeuel bei Alendorf ~ 40 - 25 ~ 150 100 125Büschelsberg/“Auf Aß“ bei Ripsdorf ~ 15 - >20 - 140 90
Coeloglossum viride (1)
Arnica montana (4)
Antennaria dioica (1)(4)
Aceras anthropophorum(1)
Populationsentwicklung seltener und gefährdeter Arten in der Eifel zwischen 1970 und 2005(6). Aufgeführt sind für die genannten Zeiträume jeweils die höchsten bekannten Werte1 = blühende Pflanzen, 2 = blühende Triebe, 3 = blühende + vegetative Pflanzen, 4 = Rosetten, - = keine Daten verfügbar, ? = nicht oder vermutlich nicht im Gebiet vorhanden
Art Fundort 1970 -1977
1978 -1984
1985 -1990
1991 -1995
1996 -2000
2001 -2005(6)
Genfbachtal bei Nettersheim >800 >900 - - 3400 3700Kalksumpf bei Feusdorf - 600 - - - 780Kreuzfeld bei Sistig >1000 - - - 4700 4080Seidenbachtal bei Blankenheimerdorf - ~ 2000? 3000 3000 3300 3800
Kalksumpf bei Feusdorf - - - - 411 2201
Kalksumpf bei Ripsdorf >10001 - ~ 30001 - 40001 91033
Fuchsloch bei Ahrhütte - 14000 - - - 15110Reinersberg bei Dollendorf - - ~ 10000 - 20000 14000
Gentiana pneumonanthe(2)
Sistiger Heide~ 3000 - 10000 10000 - 60000
Kuttenberg bei Eschweiler ~ 300 >400 >400 3000 3500 4604Lambertsberg bei Holzheim ~ 1000 - - 3000 4000 5782Froschberg bei Blankenheimerdorf ~ 3000 - - 8000 13000Seidenbachtal bei Blankenheimerdorf - >10000 - - - 40000
Gymnadenia conopseassp. densiflora (1)
Hämmersberg bei Alendorf - ~ 3000 - - 2800 3600
Gymnadenia conopseassp. conopsea (1)
Gentianella germanica(1).
Epipactis palustris (1)(3)
Dactylorhiza majalis (1)
4. Ergebnisse integrativer Naturschutzstrategien Bundesjägertag 2008
Populationsentwicklung seltener und gefährdeter Arten in der Eifel zwischen 1970 und 2005(6). Aufgeführt sind für die genannten Zeiträume jeweils die höchsten bekannten Werte1 = blühende Pflanzen, 2 = blühende Triebe, 3 = blühende + vegetative Pflanzen, 4 = Rosetten, - = keine Daten verfügbar, ? = nicht oder vermutlich nicht im Gebiet vorhanden
Art Fundort 1970 –1977
1978 –1984
1985 –1990
1991 –1995
1996 –2000
2001 -2005(6)
Reinersberg bei Dollendorf ~ 250 - - - 600 2200Fuchsloch bei Ahrhütte 96 - - - - 370Seidenbachtal bei Blankenheimerdorf ~ 200 - - - - 160
Himantoglossumhircinum (1)
Klosberg bei Gilsdorf? ? ~ 30 181 377 235
Oleftal bei Hollerath 0,3 Mio 0,5 Mio - 1,5 Mio - 4 MioPerlenbachtal-Fuhrts-bachtal bei Monschau 0,5 Mio 0,5 Mio - 3 Mio - 7,9 Mio
Wachendorfer Mooth 25 30 10 7 65 65Kuttenberg bei Eschweiler ~ 30 40 30 150 300 200Lambertsberg bei Holzheim 15 - - - - 180Bürvenicher Berg bei Mechernich-Berg - 154 - 221 - 192
Orchis militaris (1) Büschelsberg/”Auf Aß” bei Ripsdorf ~ 200 - - 345 540 610
Hänge bei Hammerhütte ~ 2000 ~ 2000 - - 4300 7500Seidenbachtal bei Blankenheimerdorf >300 - 800? 310 - 330
Kuttenberg bei Eschweiler ~ 100 350 353 730 875 1040Hirnberg bei Nöthen ~ 200 - 100? 600 575 1758
Orchis purpurea (1)
Orchis morio (1)
Ophrys apifera (1)
Narcissuspseudonarcissus(3)
Herminium monorchis (1)
4. Ergebnisse integrativer Naturschutzstrategien Bundesjägertag 2008
Populationsentwicklung seltener und gefährdeter Arten in der Eifel zwischen 1970 und 2005(6). Aufgeführt sind für die genannten Zeiträume jeweils die höchsten bekannten Werte1 = blühende Pflanzen, 2 = blühende Triebe, 3 = blühende + vegetative Pflanzen, 4 = Rosetten,- = keine Daten verfügbar, ? = nicht oder vermutlich nicht im Gebiet vorhanden
Art Fundort 1970 –1977
1978 –1984
1985 –1990
1991 –1995
1996 –2000
2001 -2005(6)
„Am Wollweg“ bei Gilsdorf - - >450 1235 1165 2100Schnurtal bei Harzheim ~ 250 300 500 632 563 590Büschelsberg/“Auf Aß“ bei Ripsdorf ~ 50 - 30 398 384 420
Griesbeuel bei Alendorf ~ 100 - - 468 ~ 350 1040Haardt bei Baasem 8 - - 20 70 70„Auf Ehrend“ bei Baasem 15 - 60 60 250 50Leuwersberg bei Kronenburg - 30 100 - 31 80Klosberg bei Gilsdorf ~ 1500 - ~ 2500 5300 5800 7800Kalvarienberg bei Alendorf ~ 500 - - - - 2000Hämmersberg bei Alendorf ~ 1000 - - - - 5700Froschberg bei Blankenheimerdorf - ~ 500 - - - 1900
Gillesbachtal bei Marmagen >10000 - - - - 11700Bürvenicher Berg bei Mechernich-Berg ~ 4000 - - - - 33400
Pulsatilla vulgaris (1)
Pseudorchis albida (1)
Orchis ustulata (1)
4. Ergebnisse integrativer Naturschutzstrategien Bundesjägertag 2008
Bundesjägertag 20084. Ergebnisse integrativer Naturschutzstrategien
Populationsentwicklung von Aceras anthropophorum - Hängender Mensch auf dem Tiesberg/ Iversheim
30 30 50 50 50 8300
550
1000
2510
1785
3940
2450
4419
1360
3850
4330
0
1000
2000
3000
4000
5000
1979 1981 1983 1985 1987 1989 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005
Jahre
blüh
ende
Indi
vidu
en
Blühende Individuen
Bundesjägertag 20084. Ergebnisse integrativer Naturschutzstrategien
Etwa 400 ha schon immer mehr oder weniger extensiv genutzte, artenreiche Wiesen, Weiden und Magerrasen wurden mit erster Priorität in den Vertragsnaturschutz überführt. Mehr als 1000 ha früher halbintensiv bis intensiv genutzte Grünlandflächen wurden im Rahmen des Vertragsnaturschutzes extensiviert.
Rund 1000 ha brach liegende, verfilzte und teilweise verbuschte Magerrasen, Heiden, Berg- und Feuchtwiesen wurden zwischen 1885 und 1993 im Anschluss an die Erstpflege nach Vorgaben des Vertragsnaturschutzes wieder als Heuwiesen genutzt oder mit Rindern bzw. zwei großen Schafherden in Hütehaltung extensiv beweidet.
Auf rund 150 ha ehemaligen Grünlandflächen wurden 10-30-jährige Aufforstungen nicht einheimischer Gehölze (Fichte, Kiefer, Lärche und Grau-Erle) sowie Vorwaldstadien als Pioniergehölzen (Zitter-Pappel, Birke, Eberesche, Fichte und Kiefer) beseitigt und anschließend im Rahmen des Vertragsnaturschutzes wieder als Weide oder Wiese genutzt.
4. Ergebnisse integrativer Naturschutzstrategien Bundesjägertag 2008
Bundesjägertag 20085. Konfliktfelder und Lösungsansätze
These 1:
Jagd ist nicht angewandter Naturschutz, ebensowenig wie Land- und Forstwirtschaft.
These 2:
Der schlechte Zustand von Natur und Umwelt – historisch wie aktuell –hat ökonomische Gründe.
Jagd und Naturschutz
Jagd ist eine traditionelle Nutzung von Teilen der Natur und wird dies immer bleiben. Jäger haben jedoch auch die Möglichkeit, den Naturschutz zu för-dern. Sie können in die Landschaft hinein wirken und haben einen direkten Zugriff auf die Fläche. Denn sie stehen in engem Kontakt zu den Grundeigen-tümern, von denen Sie ihr Jagdrevier gepachtet haben. Durch die langfristige Verpachtung der Reviere können Natur-schutzprojekte über viele Jahre hinweg durchgeführt werden.
Die Jagd kann auch in Schutzgebieten eine legitime Form der Landnutzung sein, sofern sie dem Schutzziel des Gebietes nicht zuwiderläuft.
Bundesjägertag 20085. Konfliktfelder und Lösungsansätze