Konstitution und Wirkung biologisdi aktiver...

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This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution 4.0 International License. Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschung in Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht: Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz. unerwartet. Die pharmakologische Wirksamkeit vie- ler Präparate läßt nach, wenn man Substitutionen vornimmt, die das Mol.-Gew. wesentlich erhöhen. Vergleicht man die Wirkung der Thiazol-Verbindun- gen mit der der entsprechenden Pyridin-Verbindun- gen, so wird deutlich, daß die Unterschiede nur quantitativ sind. In Tab. 4 sind die Wirkungen einiger Pyridin- und Thiazol-Verbindungen mitein- ander verglichen. Der Einfachheit halber werden die Derivate des Pyridins mit Py., die des Thiazols mit Th. abgekürzt. Die für die Pyridin-Verbindungen angegebenen Werte sind der Arbeit von ROHMANN und ZIETAN 7 entnommen. Dem 2-Methyl-pyridin ent- sprechen zwei verschiedene Thiazole, nämlich das 2-Methyl-thiazol und das 5-Methyl-thiazol. Daher muß bei diesem Vergleich die Wirkung der beiden Thiazol-Verbindungen auf dasselbe Pyridin-Derivat bezogen werden. Wir danken Herrn Dr. GOUZON vom pharmakologi- schen Institut der Universität Marseille für die Durch- führung eines Teiles der Tierversuche sowie Frl. Dipl.- Chem. H. MEYER für die Ausführung der Stickstoff- bestimmungen. Unser besonderer Dank gilt Herrn Pro- fessor Dr. G. KOLLER, der es ermöglichte, die Arbeit im Zoologischen Institut der Universität des Saarlandes zu Ende zu führen. Konstitution und Wirkung biologisdi aktiver Verbindungen III. Mitt.: Weitere phosphorhaltige Insektizide Von WERNER PERKOW Aus dem Forschungslaboratorium der Norddeutschen Affinerie, Hamburg (Z. Naturforschg. 12 b. 33—37 [19571 ; eingegangen am 21. August 1956) Eine übereinstimmende, charakteristische Ladungsverteilung wird für die insektiziden Eigen- schaften weiterer Ester der Phosphorsäuren verantwortlich gemacht. Sie ist als Voraussetzung für den Wirkungseintritt aufzufassen, während die Phosphorylierung von Esterasen durch die Hemmstoffe von sekundärer Natur sein dürfte. Wir hatten in Überlegungen über die Zusammen- hänge zwischen Konstitution und Wirkung des DDT (Dichlordiphenyltrichloräthan) auf eine typische Elektronenverteilung als Grundlage dieser Beziehun- gen hingewiesen 1 . Ebenso haben wir am Beispiel des Diäthyl-p-nitrophenylthiophosphates (E 605) und seiner homologen Verbindungen zu zeigen versucht, daß auch hier eine charakteristische Ladungsvertei- lung mit der insektiziden Wirksamkeit in Zusammen- hang steht 2 . Wir nehmen an, daß primär ein struk- turelles und energetisches Komplementär-Verhältnis der Wechselwirkung zwischen Gift und Ferment im Organismus zugrunde liegt. Im folgenden sei an weiteren Beispielen aus der Gruppe der Phosphor- säureester gezeigt, daß sich dieselbe, typische Kon- figuration auffallend bei den insektizid wirksamen Verbindungen der Gruppe wiederholt. Beim E 605 halten wir eine Anordnung für maß- geblich, die durch folgende Formulierung angedeu- tet wird: C2H5O © © p^oK C2H5O 1 Sl© Nn Es mag bei dergleichen Betrachtungen zweckmäßig sein, zwischen semipolaren oder polaren Ladungs- Verschiebungen z. B. mesomerer Natur und anderer- seits Dichteverteilungen von Elektronen-Anordnun- gen zu unterscheiden, wie sie durch induktiven Ein- fluß der Substituenten zustande kommen. Entscheidend für die biologische Aktivität dürfte also die Gruppierung P 0 C sein, die einen mit erhöhter Elektronendichte versehenen Brückensauer- stoff enthält, dessen Nachbarn P und C beide eine besonders geringe Ladungsdichte aufweisen. Dem „positivierten" Phosphoratom mag dabei die maß- gebliche Funktion als „biologisch aktives Zentrum" zufallen. Wir finden die gleiche Ladungsverteilung anschaulich abgestuft und parallel laufend mit ihrem insektiziden Charakter bei der Gruppe der Vinyl- 1 W . PERKOW, Z. Naturforschg. IIB, 389 [1956], 2 W. PERKOW, Z. Naturforschg. IIB, 460 [1956],

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This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution4.0 International License.

Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschungin Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung derWissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht:Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz.

unerwartet. Die pharmakologische Wirksamkeit vie-ler Präparate läßt nach, wenn man Substitutionen vornimmt, die das Mol.-Gew. wesentlich erhöhen. Vergleicht man die Wirkung der Thiazol-Verbindun-gen mit der der entsprechenden Pyridin-Verbindun-gen, so wird deutlich, daß die Unterschiede nur quantitativ sind. In Tab. 4 sind die Wirkungen einiger Pyridin- und Thiazol-Verbindungen mitein-ander verglichen. Der Einfachheit halber werden die Derivate des Pyridins mit Py., die des Thiazols mit Th. abgekürzt. Die für die Pyridin-Verbindungen angegebenen Werte sind der Arbeit von R O H M A N N

und Z I E T A N 7 entnommen. Dem 2-Methyl-pyridin ent-

sprechen zwei verschiedene Thiazole, nämlich das 2-Methyl-thiazol und das 5-Methyl-thiazol. Daher muß bei diesem Vergleich die Wirkung der beiden Thiazol-Verbindungen auf dasselbe Pyridin-Derivat bezogen werden.

Wir danken Herrn Dr. G O U Z O N vom pharmakologi-schen Institut der Universität Marseille für die Durch-führung eines Teiles der Tierversuche sowie Frl. Dipl.-Chem. H. M E Y E R für die Ausführung der Stickstoff-bestimmungen. Unser besonderer Dank gilt Herrn Pro-fessor Dr. G. KOLLER, der es ermöglichte, die Arbeit im Zoologischen Institut der Universität des Saarlandes zu Ende zu führen.

Konstitution und Wirkung biologisdi aktiver Verbindungen III . Mitt. : Weitere phosphorhaltige Insektizide

V o n W E R N E R P E R K O W

Aus dem Forschungslaboratorium der Norddeutschen Affinerie, Hamburg (Z. Naturforschg. 12 b. 33—37 [19571 ; eingegangen am 21. August 1956)

Eine übereinstimmende, charakteristische Ladungsverteilung wird für die insektiziden Eigen-schaften weiterer Ester der Phosphorsäuren verantwortlich gemacht. Sie ist als Voraussetzung für den Wirkungseintritt aufzufassen, während die Phosphorylierung von Esterasen durch die Hemmstoffe von sekundärer Natur sein dürfte.

Wir hatten in Überlegungen über die Zusammen-hänge zwischen Konstitution und Wirkung des DDT (Dichlordiphenyltrichloräthan) auf eine typische Elektronenverteilung als Grundlage dieser Beziehun-gen hingewiesen1. Ebenso haben wir am Beispiel des Diäthyl-p-nitrophenylthiophosphates (E 605) und seiner homologen Verbindungen zu zeigen versucht, daß auch hier eine charakteristische Ladungsvertei-lung mit der insektiziden Wirksamkeit in Zusammen-hang steht 2. Wir nehmen an, daß primär ein struk-turelles und energetisches Komplementär-Verhältnis der Wechselwirkung zwischen Gift und Ferment im Organismus zugrunde liegt. Im folgenden sei an weiteren Beispielen aus der Gruppe der Phosphor-säureester gezeigt, daß sich dieselbe, typische Kon-figuration auffallend bei den insektizid wirksamen Verbindungen der Gruppe wiederholt.

Beim E 605 halten wir eine Anordnung für maß-geblich, die durch folgende Formulierung angedeu-tet wird:

C2H5O © © p ^ o K

C2H5O 1 Sl©

N n

Es mag bei dergleichen Betrachtungen zweckmäßig sein, zwischen semipolaren oder polaren Ladungs-Verschiebungen z. B. mesomerer Natur und anderer-seits Dichteverteilungen von Elektronen-Anordnun-gen zu unterscheiden, wie sie durch induktiven Ein-fluß der Substituenten zustande kommen.

Entscheidend für die biologische Aktivität dürfte also die Gruppierung P — 0 — C sein, die einen mit erhöhter Elektronendichte versehenen Brückensauer-stoff enthält, dessen Nachbarn P und C beide eine besonders geringe Ladungsdichte aufweisen. Dem „positivierten" Phosphoratom mag dabei die maß-gebliche Funktion als „biologisch aktives Zentrum" zufallen. Wir finden die gleiche Ladungsverteilung anschaulich abgestuft und parallel laufend mit ihrem insektiziden Charakter bei der Gruppe der Vinyl-

1 W . PERKOW, Z . N a t u r f o r s c h g . I I B , 3 8 9 [ 1 9 5 6 ] , 2 W . PERKOW, Z . N a t u r f o r s c h g . I I B , 4 6 0 [ 1 9 5 6 ] ,

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phosphate und verwandter Verbindungen, deren Herstellung und Eigenschaften wir früher beschrie-ben 3 . Das Diäthyl-vinylphosphat (I) wirkt nur schwach insektizid, das Diäthyl-chlorvinylphosphat

(II) schon sehr deutlich, das Diäthyl-dichlorvinyl-phosphat (III) stark und das Diäthyl-1.2.2.2-tetra-chloräthylphosphat (IV) am stärksten in dieser Reihe.

C2H50 I

C2H50 P - 0 - C H ^ C H 2 insektizid schwach wirksam

C2H5O ' 1 Y

0 C2H-0

II C2H-0

P - 0 —CH —CHC1 ,, deutlich ,, C2H5O ' i

0

C2H5O III

C2H5O p - 0 —CH=CC1, „ stark „

C,H5O 1 0

C2H5O IV

C2H5O >p-- 0 -CHC1-CC13 ,, sehr stark ,,

C2H5O ' 1 Y

-CHC1-CC13

0

Betrachten wir den Einfluß der halogenhaltigen Estergruppe, so fällt der mit der biologischen Wirk-samkeit zunehmende Elektronensog auf, der die Ladungsdichte des dem Brückensauerstoff benach-barten Kohlenstoffatoms verringert. Die Elektronen-konfiguration stimmt also an der Gruppe P — 0 — C weitgehend mit der beim E 605 beschriebenen An-ordnung überein.

Die C = C-Doppelbindung begegnet uns unter den insektiziden Phosphorsäureestern häufiger in dieser Position. Ihre Elektronenanordnung ist dabei stets durch Substituenten in der beschriebenen Richtung einseitig verschoben. In dem „systemisch" wirkenden 0,0- Dimethvl - 2 -carbomethoxy-1 - methyl vinylphos-

CH3(X

CH,0

CH,

P—0—C=CH—CO—OCH,

O

phat (V) (CASIDA4) übernimmt die Carboxylgruppe diese Funktion. Ebenso steht im Dimedonring des 5.5-Dimethyl-3-ketocyclo-hexenyl-phosphorsäurediäthyl-esters (VI) 5 die Carbonylgruppe in der gleichen konjugierten Stellung zur Doppelbindung. Beim 3-Methylpyrazolyl- (5) -phosphorsäurediäthylester (Pyrazoxon, VII ) und beim 2-Isopropyl-4-methyl-

3 W . PERKOW, K . ULLERICH u . F R . M E Y E R , N a t u r w i s s e n s c h a f t e n 39, 353 [1952] ; W . PERKOW. Chem. Ber. 87, 755 [1954] ; W . PERKOW, E . W . KROCKOW u . K . KNOEVENAGEL, C h e m . B e r . 88. 662 [1955] .

pyrimidyl- (6) -thiophosphorsäurediäthylester (Diazi-non, VIII, G Y S I N 6 )

0 / C

C2H50

C,H,O

HC

p - o - c

CH,

c CH3

CH,

C2H50

CO H - 0

C2H50

C,H,0

° H 2

VI

HC C - C H S II II

P - O - C N

0 H V I I

CH3 I

/c\ HC N

II I P - O - C C-CH(CH3)O

\ N / V I I I

s

haben wir die Wahl, das konjugierte System, den gesamten heterocyclischen Ring oder die Möglich-keit zu einer intermediären A^-Oxydbildung für den prinzipiell gleichen Effekt verantwortlich zu machen.

4 J. E. CASIDA, Science [Washington] 122. 597 [1955] . 5 DBP 864 252, Ref . : C. 1 9 5 4 , 10 571. 8 H. GYSIN, Chimia [Zürich] 8. 221 [1954] .

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Eine Ausnahme von dieser für die insektiziden Phosphorsäureester charakteristischen Konfiguration der P — 0 —C-Gruppe macht nur scheinbar der 1-Hydroxy-2.2.2-trichloräthyl-phosphonsäuredimethyl-ester (Dipterex, I X , L O R E N Z , H E N G L E I N und S C H R Ä -

D E R 7 ; B A R T H E L , G I A N G u n d H A L L 8 ) .

CH 3 O

C H , 0 P - C H C l - C C l a

C H O O

C H O O

O H

P - C H - C C l a

O

I X

Seine insektizide Wirkung dürfte durch eine primäre Umlagerung des Phosphonsäureesters in einen Phos-phorsäureester nach fermentativer Chlorwasserstoff-Abspaltung verursacht sein. Diese Umlagerung ver-läuft auch im alkalischen Medium leicht ( L O R E N Z ,

H E N G L E I N u n d S C H R Ä D E R 7 ; B A R T H E L , A L E X A N D E R ,

G I A N G und H A L L 9 ) und kann zur Herstellung des Insektizids Dimethyl-dichlorvinyl-phosphat ( X ) ver-wertet werden:

O H CH3O | CH3O

P OH -CCI3 - H C l P - 0 - C H = C C l 2 . C H 3 O / 4, > CH3O |

o o X

Die fermentative HCl-Abspaltung ist von den chlo-rierten Kohlenwasserstoffen her als häufige intra-zelluläre Reaktion bekannt. Allerdings hat diese Ab-baustufe hier nicht wie sonst eine Entgiftung der Fremdsubstanz im Organismus zur Folge, sondern das Gegenteil. Die Fähigkeit zur Chlorwasserstoff-Abspaltung wird bei verschiedenen Organismen un-terschiedlich sein, womit — neben variierenden Permeabilitäts-Verhältnissen — die kleinere insekti-zide Wirkungsbreite des „Dipterex" ( X ) und auch seine relativ geringe Toxizität gegen Warmblüter (LZ)50 oral für Ratten ca. 450 mg/kg) zusammen-hängen dürfte. Nimmt man der Verbindung die Möglichkeit zur Umlagerung des Phosphonsäure-esters in den Phosphorsäureester durch Austausch der Hydroxylgruppe gegen Chlor, so erhält man den insektizid unwirksamen 1.2.2.2-Tetrachloräthyl-phos-phorsäure-dimethylester (XI ) 10.

O X f

Englische und amerikanische Forscher haben den Mechanismus der Inaktivierung esterspaltender Fer-mente durch organische Phosphorverbindungen ein-gehend untersucht. J A N S E N und andere 11 konnten bei der Reaktion von Chymotrypsin mit Diisopropyl-fluorphosphat (DFP) das inaktivierte Ferment kristallin erhalten. Das Produkt war frei von Fluor und enthielt auf eine aktive Gruppe des Ferments zwei Isopropylgruppen und ein Phosphoratom. Das Chymotrypsin war demnach durch das Spaltstück (iso C 3 H 7 0 ) 2 P ( 0 ) phosphoryliert worden. S U M M E R -

SON11 und andere erweiterten diese Untersuchungen auf Tetraäthylpyrophosphat (TEPP) und H A R T L E Y

und KILBY1 1 auf Diäthyl -p-nitrophenylphosphat ( E 6 0 0 ) . A L D R I D G E 11 bestätigte die Phosphorylie-rungstheorie durch Reaktionen mit radioaktiv mar-kierten Estern und kam zu dem Schluß, daß der Hemmungsprozeß aller Esterase-Inhibitoren identisch ist, soweit die Gruppe ( R 0 ) 2 P ( 0 ) gleiche Alkyl-reste trägt. In jedem Fall entsteht nach A L D R I D G E

dasselbe z. B. dimethylphosphorylierte Ferment, des-sen Reaktivierungsdauer bei Versuchen mit verschie-denen Giften auch übereinstimmte.

Es erscheint naheliegend, diese Beobachtungen auf den insektiziden Wirkungsmechanismus zu über-tragen, zumal man häufig die Hemmung der Cholin-esterase (ChE) durch organische Phosphorverbin-dungen sowohl mit deren Warmblüter-Toxizität wie auch mit ihrer insektiziden Wirksamkeit gleichsetzt. Für eine solche Vereinfachung der Biochemie der Phosphorsäureester spricht in gewisser Weise der Befund, daß diese Giftklasse in ihrer Wirkung nur in geringem Maße stereospezifisch ist. Wenn wir die vorstehend geäußerten Ansichten über die Be-deutung der Ladungsverteilung mit der Phosphory-lierungs-Theorie in Einklang bringen wollen, so kann dies derart geschehen, daß die beschriebene charakteristische Anordnung der Elektronendichten lediglich dazu dient, die Gruppierung P — 0 — C so aufzulockern, daß die Abspaltung des phosphorylie-renden Restes ( R 0 ) 2 P ( 0 ) erleichtert wird.

' W . LORENZ, A . HENGLEIN U. G . SCHRÄDER. J . Amer. chem. Soc . 77, 2554 [1955] .

8 W . F . BARTHEL. P . A . GIANG U. S . A . H A L L , J . A m e r . c h e m . Soc. 76. 4186 [1954] .

9 W . F . BARTHEL, B . H . ALEXANDER. P . A . GIANG U. S . A . H A L L , J. Amer . ehem. Soc. 77, 2424 [1955] .

10 W . PERKOW, Die Versuche werden an anderer Stelle ver-öffentlicht.

11 Zit. nach W . N. ALDRIDGE, Chem. Ind. 1954. 473.

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Wir sind jedoch der Ansicht, daß die Struktur der intakten Moleküle auf Grund ihrer oben genannten Eigenschaften erste Voraussetzung für die Insektizid-Wirkung ist. Anders ist insbesondere die Selektivi-tät vieler Gifte kaum zu erklären. Die Phosphorylie-rungs-Reaktion in einem späteren Stadium wird da-durch nicht ausgeschlossen. Vielleicht ist sie eine von o mehreren Folgereaktionen, vielleicht wirkt sie sich in verschiedener Richtung aus. Es ist unwahrschein-lich, daß sowohl die Warmblüter-Toxizität wie der insektizide Effekt einheitlich und ausschließlich durch die Hemmung der Cholinesterase hervorgeru-fen sind. Vieles spricht gegen diese oft vertretene Ansicht. So sind zahlreiche starke ChE-Hemmstoffe von hoher Giftigkeit für Warmblüter bekannt, die sowohl als Berührungsgift wie nach Injektion bei In-sekten keine Wirkung zeigen. Man kennt anderer-seits starke ChE-Hemmstoffe, die als Warmblüter-gifte nur wenig gefährlich und trotzdem hochwirk-same Insektizide sind. Unterschiedliche Permeabili-täts-Verhältnisse im Zellmedium mögen nur in eini-gen Fällen als Erklärung dienen. Acetylcholin fun-giert — im Gegensatz zum Warmblüter — beim In-sekt nicht als Überträgersubstanz an den Synapsen des Nervensystems. Die beim Warmblüter als Gegen-gift gegen Phosphorester-Vergiftungen geeigneten Substanzen sind bei Insekten im allgemeinen un-wirksam. Durch Phosphorester werden Insekteneier getötet, die jedoch kein Nervensystem besitzen. Diazinon (VIII) zeigt mit einer zwischen LD50 75 bis 300 mg/kg variierenden Warmblüter-Toxizität eine relativ geringe Giftigkeit im Vergleich zu E 605 (LD50 etwa 5 — 20 mg/kg) , obwohl es die Cholin-esterase rund 10-mal stärker hemmt. Ahnliche Ver-gleiche lassen sich zwischen Malathion [ 0 , 0 - D i -methyl-S-(1.2-dicarbäthoxyäthyl) -dithiophosphat X I I ] , das je nach Versuchstier und Verabreichung eine LD-0 zwischen 500 und 1500 mg/kg aufweist,

CH30 > P - S - C H - C O O C 2 H 5

CHGO I I S CH0-COOC0H5

XII

und E 605 anstellen. Diazinon und E 605 besitzen auch den gleichen, nach obiger Theorie phosphory-lierenden Rest ( C 2 H 5 0 ) 2 P ( S ) , der sich beim Ma-lathion durch die beiden Methylgruppen nur un-wesentlich unterscheidet. Man darf beim Malathion nicht entgegenhalten, daß Dithiophosphate grund-

sätzlich für Warmblüter weniger giftig seien, da man ähnliche Verbindungen dieser Klasse mit einer LD50 von 10 mg/kg und weniger kennt. Man kann die Unterschiede in der Toxizität auch nicht auf eine verschiedene Resttoxizität der Hydrolysen-Spalt-stücke Isopropyl-methyl-pyrimidin, p-Nitrophenol und Bernsteinsäureester zurückführen. Denn es müßte dann das Tetraäthyl-dithiopyrophosphat ( X I I I ) , das nach H E C H T 1 2

C 2 H 5 0 O C 2 H 5

P - O - P C , H 5 0 | | O C , H 5

S S

XIII

eine LD-M von etwa 8 mg/kg (Maus, subcutan) auf-weist, nahezu ungiftig sein. Schließlich wären, wenn wir die Fermentphosphorylierung im obigen Sinne als alleinige Grundlage des insektiziden Wirkungs-mechanismus annehmen, eine viel weitgehendere Übereinstimmung der Wirkungsbreite und -Spezifi-tät verschiedener, aber mit gleichen Alkylgruppen substituierter Ester zu erwarten, als es der Fall ist.

Aus einer anderen insektiziden Verbindungs-gruppe kann man gewisse strukturelle Analogien mit den halogenhaltigen Phosphorsäureestern I bis IV entnehmen, die ebenfalls auf eine Mitwirkung des intakten Gesamtmoleküls hinweisen. Bei den im U.S.-Patent 2 502 355 genannten Dichlorvinyl- (XIV) und 1.2.2.2-Tetrachloräthyl-äthern ( X V ) substituier-ter Phenole liegt eine Ladungsverteilung vor, die mit der für die Ester II und IV als maßgeblich bezeich-neten weitgehend übereinstimmt. Eine Gegenüber-stellung der Formeln zeigt die Ähnlichkeit:

R - 0 - C H = CClo

XIV

RO\

RO P - 0 - C H = CClo Y

o RO

> - 0 - C H C l - C C l 3 P - O - C H C l - C C l s Y V RO I x\ 0

Ob die genannten Äther die Cholinesterase hemmen, ist unseres Wissens noch nicht untersucht worden. Da beide Verbindungsgruppen insektizid wirksam sind, darf man auf gewisse Parallelen im Wirkungs-Mechanismus schließen. Ein der Fermentphosphory-lierung analoger Vorgang ist bei den chlorierten Äthern jedoch unwahrscheinlich.

12 G . HECHT, zit . nach G . SCRADER. D i e E n t w i c k l u n g neuer In-sektizide auf Grundlage organischer Fluor- und Phosphor-Verbindungen. 2. Aufl., W'einheim 1952.

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Die charakteristische Verteilung der Elektronen-dichten in beiden gegenübergestellten Insektizid-gruppen fällt in weiteren, ebenfalls wirksamen Ver-bindungen auf. Im U.S.-Patent 2 508 916 werden als Insektizide u. a. der 2-Chloräthyl-1.2.2.3-tetra-chlorbutyläther ( X V I ) , der Benzyl-1.2.2.3-tetra-chlorbutyläther (XVII ) und der Allyl-1.2.2.3-tetra-chlorbutyläther (XVIII ) genannt.

C 1 C H , - C H , - 0 - C H C1-CC12-CH C1-CH3

X V I

—CH,—0—CHC1—CCL—CH C1-CH3 \ / - - 3

X V I I

C H , = C H - C H 2 - 0 - C H C l - C C l 2 - C H C l - C H 3

X V I I I

Diese Substanzen sind in ihrem strukturellen Aufbau und in der Verteilung der Ladungsdichten vergleich-bar mit den folgenden, ebenfalls wirksamen Estern ( P E R K O W 3 ) :

R O P—0 —CHC1—CHC1—CH2C1

RO ; o

RO P —O —CH=C C I - CH C I - CH3

RO V O

RO P - O - CH C I - C CII — CHC1- CH3

RO I O

Wir sind also der Ansicht, daß die beschriebene, charakteristische Verteilung der Ladungsdichten in den insektiziden Verbindungen der Phosphorsäuren in erster Stufe die Wechselwirkung mit Fermenten auf der Basis struktureller und energetischer Kom-plementär-Verhältnisse einleitet. Diese Struktur der intakten Moleküle wird damit zur Voraussetzung der insektiziden Wirkung. Im weiteren Verlauf des Vergiftungsprozesses ist eine Phosphorylierung denkbar, wie sie von verschiedenen Autoren an iso-lierten Fermenten nachgewiesen wurde. Man wird indessen kaum die Hemmwirkung der Phosphor-säureester auf die Cholinesterase sowohl als Wir-kungsprinzip des insektiziden Effektes wie auch der Warmblüter-Toxizität verallgemeinern dürfen.

Enzymatischer Abbau von Anthocyanen V o n E . B A Y E R u n d K . W E G M A N N

Aus dem Forschungs-Institut für Rebenzüchtung, Abteilung Biochemie und Physiologie, Geilweilerhof über Landau/Pfalz

(Z . Naturforschg. 12 b , 37—40 [1957] ; e ingegangen am 17. September 1956)

Die Anreicherung und die Eigenschaften eines Enzyms aus Coleus hybridus, das Anthocyane mit zwei oder mehr benachbarten phenolischen OH-Gruppen oxydativ abbaut, wird beschrieben. Nach dem Verhalten des Fermentes handelt es sich um eine kupferhaltige o-Phenoloxydase, die nur bei Gegenwart von o-Phenolen als Aktivatoren Anthocyane abbaut. Die mögliche Beteiligung der Oxy-dase und der aktivierenden Phenole bei der Entrötung junger Blätter, der Herbst-Rotverfärbung , grüner Blätter und bei der genetischen Entstehung der Blutvarietäten wird diskutiert.

Die genetische Entstehung der Blutvarietäten aus den grünen Pflanzen, z. B. der Blutbuche aus der normalen Buche, kann man sich nach P A E C H und E B E R H A R D T 1 durch den mutativen Wegfall eines „En-zyms" deuten, das in den grünen Pflanzen Antho-cyane abzubauen vermag. Auch bei den in frühem Entwicklungsstadium stark anthocyan-haltigen Blät-tern von Paeonia officinalis 2, Cyclonia maulei 1, Vit is vinifera3 und Rosa gallica wird das rote Pigment im Verlauf des weiteren Wachstums zerstört.

Während N O A C K 3 diesen Anthocyanabbau auf en-zymatische Hydrolyse des Glykosids und anschlie-

1 K . PAECH U. F . EBERARDT, Z . N a t u r f o r s c h g . 7 b . 6 6 4 [ 1 9 5 2 ] . 2 K . NOACK, Z . B o t . 1 0 , 5 6 1 [ 1 9 1 8 ] .

ßende Oxydation des Aglucons zurückführt, wider-sprechen P A E C H und E B E R H A R D T 1 dieser Ansicht, ohne allerdings nähere Aussagen über die Natur des fraglichen Enzyms machen zu können.

Es wurde nun gefunden, daß die Blattpreßsäfte von Coleus hybridus in starkem Maße Anthocyane zu gelbgefärbten Produkten abbauen und daß die Zerstörung der Pigmente in erhitzten Preßsäften un-terbleibt. Vor allen anderen untersuchten Pflanzen erschien daher Coleus zur Anreicherung und näheren Charakterisierung des anthocyan-abbauenden En-zyms der grünen Pflanzen besonders geeignet. Bei

3 G . DE LATTIN, u n v e r ö f f e n t l i c h t .