Islam und Christentum so verschieden · Abdul-Muttalib um ihn, doch auch er starb nur zwei Jahre...

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DIE BRÜCKE DIE BRÜCKE TÄUFERISCH-MENNONITISCHE GEMEINDEZEITSCHRIFT · NR. 2/2008 TÄUFERISCH-MENNONITISCHE GEMEINDEZEITSCHRIFT · NR. 2/2008 März/April Jahrgang 2008 4 Euro Islam und Christentum Islam und Christentum So ähnlich und doch so verschieden So ähnlich und doch so verschieden

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Islam und ChristentumIslam und Christentum

So ähnlich und dochso verschieden

So ähnlich und dochso verschieden

Herausgeberin:Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden in Deutschland K.d.ö.R. (AMG)

Vorsitzender: Frieder BollerStauferstraße 43, 85051 IngolstadtTel.: 0841/885 627 15, Fax: 901 849 [email protected]

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Redaktion: Heiko PrasseAm Kuhnberg 6, 74906 Bad RappenauTel. 07268 / [email protected]

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Redaktions- und Anzeigenschlussder nächsten Ausgabe: 17. 3. 2008Erscheint Anfang Mai 2008Die Redaktion behält sich vor, Beiträgezu redigieren und gegebenenfalls zukürzen.

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Nur ausdrücklich als solche gekenn-zeichnete Beiträge geben die Meinungvon Herausgeberin oder Redaktion wie-der. Ansonsten sind die AutorInnen der Artikel bzw. die AuftraggeberInnender Anzeigen für ihre Inhalte verant-wortlich.

inhalt2

DIE BRÜCKE 6/2007

T H E M A

4 Wer war Mohammed? – Ein Moslemerklärt Christen seinen Glauben

8 Im Gespräch mit Moslems

9 Bibel und Koran

30 Zum ersten Mal seit den Tagen des Pro-pheten...

S E R I E N

29 Lyrik-Seite

38 Pontius Puddle

48 Täufer-Ton

R U B R I K E N

10 JugendseiteDer Sommer ist vorbei – jetzt ist EISZEIT!

40 Chronik

40 Personalia

42 Termine

46 Leserpost

DIE BRÜCKETÄUFERISCH-MENNONITISCHE GEMEINDEZEITSCHRIFT

Gegründet 19861974 bis 1985 »Mennonitische Blätter«

und »Gemeinde Unterwegs«bis 1973 »Der Mennonit«

DIE BRÜCKE 3/2008 erscheint Anfang Mai 2008Thema ist der Generationenkonflikt – wie können »Alte mit den Jun-gen loben«?Redaktionsschluss ist der 17. März 2008

DIE BRÜCKE 4/2008 erscheint Anfang Juli 2008Thema ist »Mennoniten und die Kunst«Redaktionsschluss ist der 19. Mai 2008

© AMG 2007, Nachdruck nur mit vorheriger Genehmigung der Redaktion

A K T U E L L

12 Warum ich bei Quest bin...

13 Leiterschaft im Alter

14 »Friede in unserem Land«Konferenz der Historischen Friedenskirchen inIndonesien

15 Menno Simons – Predigtpreis

15 Hoffnung auf Anerkennung für vietna-mesische Mennoniten

16 MCC baut Unterstützung für irakischeFriedensstifter aus

16 MFB und VEF zur Afghanistanfrage

18 »Leadership Practicum« in Hawaii

20 ÖRK-Gemeinschaft feiert Sechzigsten

22 MWK Paraguay – im Herzen Südamerikas

23 Häuser-Quilts für ein Zuhause

24 Erlösung und Frieden.Bericht über das ASM-Seminar

26 Frieden jetzt in Kenia

27 Friedensarbeit am Rande des Völker-mords

28 Russische Evangelische Allianz kommtauf Touren.

34 Anleiten durch Begleiten – Impulstage2008

36 Ökumenische Jubiläen

das Thema Islam ist präsent in den Medien wie kaum ein anderes.Die westliche Welt beschäftigt dabei in erster Linie, ob der eigentli-che Islam eine friedliche oder gewalttätige Bewegung ist. Die Frageist uns in unserer Tradition wohl bekannt, die Täufer halten Gewalt-losigkeit für einen selbstverständlichen und unverzichtbaren Teilder biblischen Botschaft und des christlichen Glaubens, sahen sichaber von Anfang an mit Argumenten für einen gerechten, wennnicht gar heiligen Krieg konfrontiert, die sich ebenfalls auf dieBibel beriefen. Da sollte es uns einleuchten, dass man als Christkaum beurteilen kann, was nun der »eigentliche« Islam und die»tatsächliche« Botschaft des Korans ist; welche Experten rechthaben. Viel eher sollten wir uns die Frage stellen, ob wir lieber einFeindbild oder eine Hoffnung fördern wollen?Unsere Unsicherheit gegenüber Moslems ist natürlich umso größer,je weniger wir von ihrem Glauben wissen. Für mich hatte das Stu-dium auf dem Bienenberg einige Aha-Erlebnisse bereit, als icherfuhr, was im Islam alles gleich gelehrt wird wie bei uns: Dass fürMoslems Jesus ebenfalls der Messias ist, dass der Koran die Lektü-re der Schriften von Juden und Christen empfiehlt… Eine Fülle vonAnknüpfungspunkten, um ins Gespräch mit muslimischen Nach-barn zu kommen!Dabei wird man aber auch schnell an die Punkte stoßen, wo derIslam unserm Glauben widerspricht; Moslems lehnen sowohl diegöttliche Natur Jesu ab wie auch den Gedanken, der Messias könnegekreuzigt worden sein. Stattdessen hat Mohammed für sie eineBedeutung, die nach christlichem Verständnis kein Prophet nachJesus mehr bräuchte – im Grunde genommen ist in unserer Welt-sicht jeder große Prophet nach Jesus überflüssig.

Es scheint jedoch so, dass die Überzeugungen und Interessen vonChristen wesentlich größere Schnittmengen mit muslimischenhaben als mit den Idealen unserer säkularisierten Umwelt, wasinzwischen selbst solche Freikirchen erstaunt feststellen, die tradi-tionell eine besonders ausgeprägte Ablehnung gegenüber anderenReligionen kennzeichnet.Mir scheint es, dass die Herausforderungen des 21. Jahrhundertsviel eher gemeistert werden können, wenn Christen und Moslems,Juden, Hindus und Buddhisten in den Punkten, in denen man einerMeinung ist, auch an einem Strang ziehen, ohne die Unterschiedezu verwischen und kleinzureden.Ich hoffe, dass die Themenbeiträge in diesem Heft dazu beitragenkönnen, ein wenig besser zu verstehen, was die Gemeinsamkeitenund Unterschiede zwischen Christen und Moslems sind. Auf jedenFall wünsche ich allen eine angenehme Lektüre – und bin gespanntauf Reaktionen!

Den Segen des Gottes Abrahams wünscht

Heiko Prasse

DIE BRÜCKE 6/2007

editorial 3

Liebe Leserinnen

und Leser,

thema Islam und Christentum4

DIE BRÜCKE 6/2007

uhammad wurde am 12. Rabi Awwal(beziehungsweise am Montag, dem 20.August) 570 nach Christus in der Handels-stadt Mekka geboren. Seine Mutter warAmina bint Wahab, die aus Medina stamm-te. Sein Vater, Abdallah, war einer der vie-len Söhne von Abdul-Muttalib, Oberhauptder adeligen Familie Banu Haschim, einerLinie des Quraish-Stamms. Abdul-Muttalibwar darüber hinaus der oberste Wächter desHeiligtums von Kaaba, des Hauses Gottesin Mekka, wo sich der heilige schwarzeStein befindet.Muhammad hatte keine glückliche Kind-heit. Sein Vater starb einige Monate vor sei-ner Geburt. Mit sechs Jahren verlor er seineMutter. Dann kümmerte sich sein GroßvaterAbdul-Muttalib um ihn, doch auch er starbnur zwei Jahre später. Mit acht Jahren warMuhammad zum Waisen geworden. Es fehl-te jedoch nicht an Verwandten, die für ihnsorgten. Bald nahm ihn sein Onkel AbuTalib, Abdul-Muttalibs Sohn, zu sich. DerOnkel liebte seinen Neffen und kümmertesich gut um ihn.Muhammad verbrachte seine frühenJugendjahre bei seinem Onkel. Er half ihmbegeistert bei der Arbeit. Muhammad liebtedie Arbeit und wusste sie zu schätzen. Erkonnte jede Art von Arbeit leisten, ohne auf-zubegehren. Er flickte seine Kleidung undseine Schuhe. Er hütete Schafen, Ziegenund Kamele und begleitete seinen Onkel inden Karawanen. Zweimal reiste er nachSyrien, das erste Mal, als er erst zwölf Jahrealt war. Muhammad kam nicht in denGenuss einer ordentlichen Schulbildung. Erkonnte weder lesen noch schreiben. Trotz-dem wurde er als Jugendlicher von den Ein-wohnern von Mekka wegen seiner Aufrich-tigkeit, Ehrlichkeit und seines gutenVerhaltens respektiert und bewundert.Daher wurde ihm der Titel al-Amin (derVertrauenswürdige) verliehen.

Die Gesellschaft, in die Muham-mad hinein geboren wurdeDie Gesellschaft, in der Muhammad vor sei-

ner Sendung lebte, wird jahiliyya genannt –die Epoche der Unwissenheit und Finster-nis. Die Araber waren Polytheisten, diekaum eine Vorstellung von einem höchstenGott – Allah – hatten. Sie beteten einen Pan-theon von Göttern an. Die bedeutendsten,die vom Stamm der Quraish in Mekka aner-kannt wurden, waren jedoch al-Uzza, al-Manat und al-Lat, die man als TöchterAllahs bezeichnete. Die Kaaba (das HausAllahs in Mekka) war durch alle Arten vonbösen Handlungen verunreinigt. Sie beher-bergte nun 360 Götzenbilder, die alle arabi-schen Götter symbolisierten, und an jedemTag des Jahres wurde ein anderer angebetet.Weingenuss, Glücksspiele, Raubüberfälleund Blutrache waren an der Tagesordnung.Die Frauen führten unbekleidet Tänze aufund verfassten Gedichte, die jeden Körper-teil beschrieben. Frauen brachte man keinenRespekt entgegen. Neugeborene Mädchenstanden im Verdacht Unglück zu bringen,und manche von ihnen wurden von ihren

Vätern unmittelbar nach der Geburt leben-dig begraben. Nur Besitz zählte, denn derWert eines Menschen bemaß sich danach,wie viel er besaß. Das war die Gesellschaft,in der Muhammad aufwuchs.Muhammad hasste diese verdorbene Gesell-schaft bereits als Kind. Als Mann mit hohenmoralischen und geistlichen Maßstäben warMuhammad durch die Verkommenheit unddas Elend seines Volks verstört. Er beganneine Höhle im Berg Hira aufzusuchen, eini-ge Kilometer außerhalb von Mekka gele-gen, um dort zu meditieren. Trotzdem arbei-tete er noch weiter, um sich seinenLebensunterhalt zu verdienen.

Muhammads HeiratDa Abu Talib nur über sehr begrenzte Mittelverfügte, schaute er sich nach einer Stellungfür seinen Neffen Muhammad um und nahmKontakt mit einer wohlhabenden Kauffrau,Khadija bint Khawaylid, auf. Sie erklärtesich sofort bereit, den vertrauenswürdigen

Wer war Mohammed?Ein Moslem erklärt Christen seinen Glauben.

Mohammed hat den Islam begründet – das wissen wir. Aber wer war er? Badru D. Kateregga berichtet uns vom Leben und

Wirken des Mannes, der im 6. Und 7. Jahrhundert im heutigen Arabien lebte und die jüngste der drei großen Religionen

begründete, die sich auf den Gott Abrahams berufen.

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DIE BRÜCKE 6/2007

themaIslam und Christentum 5

Muhammad als Karawanenführer einzustel-len. Khadija war bereits zweimal verwitwetund hatte zwei Söhne und eine Tochter.Sie war äußerst wohlhabend. In ihrem neuen Angestellten fand sie einen ehrlichen,freundlichen, verantwortungsvollen, auf-richtigen und tugendhaften Mann. Muham-mad besaß die besten Eigenschaften, dieman sich nur wünschen konnte. Angezogen von Muhammads seltenen Cha-rakterzügen bot ihm Khadija die Ehe an. Erstimmte zu, und die Heirat fand statt. Er warfünfundzwanzig Jahre alt, Khadija vierzig.Das Paar genoss fünfundzwanzig glücklichegemeinsame Jahre bis zu Khadijas Tod.Allah schenkte ihnen sieben Kinder, dochihre drei Söhne starben bereits sehr früh,und nur die vier Töchter überlebten.Schließlich überlebte ihn nur eine einzigeTochter, Fatima, und auch sie nur um sechsMonate.Nach Muhammads Eheschließung mit Kha-dija hatte er mehr Muße, was ihn in die Lageversetzte, seiner geistlichen Suche Zeit zuwidmen. Der Koran bezeugt: »Hat Er dichnicht als Waise gefunden und aufgenom-men; und dich auf dem Irrweg gefunden undrichtig geführt; und dich dürftig gefundenund reich gemacht?« (Koran 93:6–8).

Muhammads Prophetenamt(Risalat)Wie bereits bemerkt, besuchte Muhammadhäufig die Höhle (ghar) von Hira, um dortzu meditieren. Eines Nachts im MonatRamadan geschah es, dass er eine mächtigeStimme hörte, die ihm befahl, im NamenAllahs des Schöpfers zu lesen (Koran96:1–5). An diese Nacht der Offenbarungerinnert man sich in der muslimischenGeschichtsschreibung als die Nacht derKraft (Lailat al-Qadr). Dies geschah um dasJahr 610 n. Chr., als der Prophet Muham-mad etwa vierzig Jahre alt war. Die ersteOffenbarung war durch den Engel Jibril(Gabriel) auf Muhammad herabgekommen.Auf diese Weise wurde Muhammad vonAllah zu Seinem letzten Propheten ernannt(Koran 33:40).Muhammad rannte überwältigt von Furchtnach Hause und berichtete seiner geliebtenKhadija alles, was geschehen war. Sie trös-tete ihn und versicherte ihm, dass er wahr-haftig eine Offenbarung von Allah empfan-gen hatte. Sie war der erste Mensch inMekka, der zum Islam übertrat.Auf die erste Offenbarung folgte sehr baldeine zweite, die Muhammad empfing, als erzitternd in ein Obergewand eingehüllt zu

Hause saß. Der Befehl lautete: »O duBedeckter! Erhebe dich und warne und ver-herrliche deinen Herrn« (Koran 74:1–3).Muhammad war durch Allahs Wort auser-wählt worden, Seine Botschaft zu verbrei-ten.Muhammad begann seinen Auftrag in allerStille. Er predigte den Einen Gott. Er beton-te, dass Allah allmächtig sei: Er ist derSchöpfer des Universums und der Herr amTag des Gerichts. Am Gerichtstag werdendie Gläubigen und Gerechten mit dem Para-dies belohnt werden, während die Ungläubi-gen und die Götzenanbeter in der Hölleenden werden, einem Ort des Leidens undder Qual.Muhammad machte bei seinen Predigtendeutlich, dass er weder übermenschlichnoch eine Inkarnation Gottes, sondernlediglich ein menschliches Wesen und einGesandter Allahs sei. Der Koran bezeugtMuhammads menschliche Natur: »Sprich:‚Ich habe nicht die Macht, mir selbst zu nüt-zen oder zu schaden, es sei denn, Allah willes ... Ich bin ja nur ein Warner und ein Brin-ger froher Botschaft für die Leute, die gläu-big sind‘« (Koran 7:188).In den ersten drei Jahren bekehrte Muham-mad lediglich einige Einwohner Mekkas.Zu ihnen zählten vor allem seine Frau Kha-dija, sein junger Cousin Ali, Abu Bakr,’Uthman und Talha. Sie alle zählten zu sei-nen Freunden. Bald wurde Muhammad vonAllah befohlen, in der Öffentlichkeit zu pre-digen. Daraufhin begab er sich zum BergSabah, gegenüber der Kaaba in Mekka gele-gen, wo er nachdrücklich bekräftigte, dasses nur einen Gott gebe. Er überschüttete dieGötzen, die die Einwohner von Mekkaanbeteten, mit Verachtung und lud die Men-schen dann ein, sich dem einen wahren Gott– Allah – zu unterwerfen. Er warnte alle, diesich nicht unterwerfen wollten, vor GottesGericht: »Nein, sie leugnen die Stunde; unddenen, welche die Stunde leugnen, habenwir einen Höllenbrand bereitet« (Koran25:11).

Widerstand und VerfolgungAn Muhammads Predigten stießen sich vie-le Bürger von Mekka. Sie begriffen, dassseine Predigten ihre Macht beschneiden undihrem ökonomischen Interesse als Wächterder al-Ka’bah schaden würden. Sie bedroh-ten ihn, doch er blieb standhaft. Sie versuch-ten ihn mit Reichtümern, mit Frauen undselbst mit der Königsherrschaft zu beste-chen, wenn er nur seine Predigten aufgäbe,doch es misslang ihnen kläglich, ihn auf

ihre Seite zu ziehen. Offene Verfolgung wardie letzte Möglichkeit, und bald griffen siedanach. Einige von denen, die er zum Islambekehrt hatte, wie Bilal oder Khabbab, wur-den auf den sengend heißen Wüstensandgelegt, ihre Brust beschwerte man mit glü-henden Steinen. Viele Muslime wurden zuTode geprügelt. Selbst der Prophet entgingnicht der Verfolgung. Man streute Dornenüber seinen Pfad und entlud Unrat auf sei-nem Rücken. In der nördlich von Mekkagelegenen Stadt Taif wurde der ProphetMuhammad gesteinigt, bis er blutete.Ungeachtet der Verfolgung nahmen immermehr Menschen den Islam an. Als diebedrohliche Verfolgung andauerte, riet derProphet elf Familien, in das christlicheKönigreich Abessinien zu emigrieren, dasNegus regierte. Sie wurden dort gut aufge-nommen und beschützt. Auf die erste Grup-pe von Exilanten folgten später dreiun-dachtzig weitere Personen, darunter’Uthman bin ‘Affan, der später dritter Kalifdes Islam wurde. Versuche des in Mekkaansässigen ungläubigen Stammes derQuraish, die Muslime repatriieren zu lassen,schlugen völlig fehl. Der Negus weigertesich, den heidnischen Quraish die Muslimeauszuliefern, die an den einen Gott und alleseine Propheten, Jesus eingeschlossen,glaubten.Trotz des Verlustes seiner ergebenen Nach-folger fuhr Muhammad fort zu predigen undBekehrte zu gewinnen. Auch die Offenba-rungen hörten nicht auf. Etwa zu dieser Zeitnahmen zwei bedeutende Gestalten desIslam den Glauben an. Es handelte sich um’Umar, der später der zweite Kalif des Islamwurde, und Hamza, den Onkel des Prophe-ten. ‘Umar, der von allen Quraish respek-tiert und gefürchtet wurde, begann in derKaaba seine Gebete an Allah zu richten.Dies überraschte und störte die Quraish, undsie schworen, die Muslime und ihren Führernoch heftiger zu verfolgen.Die Quraish verlangten von der Banu Has-him (Muhammads Familie), ihn auszulie-fern oder andernfalls die Konsequenzenzutragen. Die Banu Hashim, deren OberhauptMuhammads Onkel, Abu Talib war, weiger-te sich. Als Folge davon wurden sie im Talvon Shu’ab Abu Talib drei Jahre lang boy-kottiert. Kurz nach diesem Nerven aufrei-benden Boykott starb Abu Talib. Obwohl-Abu Talib selbst nie den islamischenGlauben annahm, stand er bis zum Ende zuseinem Neffen und verteidigte ihn. Als obdieser Schicksalsschlag nicht schon genuggewesen wäre, verlor der Prophet zu dieser

thema Islam und Christentum6

DIE BRÜCKE 6/2007

Zeit auch noch seine geliebte Frau Khadija.Der Prophet schilderte diese Erfahrung spä-ter als Jahr des »Kummers«.Der Prophet und die Mir’ajEtwa zu dieser Zeit besuchte eine AnzahlMenschen aus Medina, die vom Islamgehört hatten, den Propheten in Mekka undbekehrten sich zum Islam. Sie luden ihn ein,mit ihnen nach Medina (damals Yathribgenannt) zu kommen und dort zu bleiben,und sie legten den Eid ab, ihn zu beschüt-zen. Der Prophet war für die Einladungdankbar, nahm sie jedoch nicht sofort an.In der Zwischenzeit wurde der Heilige Pro-phet auf einer nächtlichen Reise (isra) inden Himmel geführt. Er wurde auf einemTier namens al-Buraq von Mekka nachJerusalem gebracht und stieg von hier in densiebten Himmel auf (Mir’aj). Die Mir’ajwar sowohl eine körperliche wie auch einegeistliche Reise. Dem Propheten, dem Allaheine außerordentliche Ehre erwiesen hatte,wurde alles gezeigt, was im Himmel und imgesamten Universum war. Er sah das Lichtund die Herrlichkeit Gottes. Dies war dasgrößte Geschenk, das Gott einem Menschenmachen konnte.Es geschah während der Mir’aj, dass Allahden Muslimen die fünf täglichen Gebetebefahl. Dem Propheten wurde die Ehreerwiesen, allen seinen prophetischen Vor-gängern zu begegnen und sie im Gebet zuleiten. Diese Erfahrung schenkte dem Pro-pheten Hoffnung und Kraft in diesem Jahrdes Kummers, das er in Mekka verbrachte.

Die Wanderung des ProphetenMuhammadAls Muhammad durch die Erfahrung gött-licher Führung einsah, dass die Quraish ent-schlossen waren, die Muslime auszumer-zen, gestattete er zweihundert seinerAnhänger, Zuflucht in Yathrib (Medina) zusuchen, wohin man sie bereits eingeladenhatte. Er selbst folgte einige Zeit später und ent-ging so der wütenden Verfolgung durch dieQuraish. Er wurde von seinem GefährtenAbu Bakr begleitet. Am 24. September 622n. Chr. traf er in Yathrib ein. Die Übersied-lung von Mekka nach Yathrib ist unter derBezeichnung Hijra bekannt.Die Ankunft des Propheten in Yathrib lösteunter der Bewohnern der Stadt großen Jubelaus. Man änderte sogar den Namen derStadt von Yathrib in Madinatu ‘an-nabi –Stadt des Propheten. Die Kurzform lautetMedina. Sechzehn Jahre später ordnete derKalif ‘Umar an, dass das Jahr der Hijra als

offizieller Beginn der muslimischen Zeit-rechnung gelten solle. Die Hijra ist ein höchst bedeutungsvollesEreignis. Der Koran lehrt: Und damalsschmiedeten die Ungläubigen gegen dichPläne, dich gefangen zu nehmen oder dichzu ermorden oder dich zu vertreiben. Sieschmiedeten Pläne, (aber) auch Allahschmiedete Pläne, und Allah ist der bestePlanschmied. (Koran 8:30). So war die Hij-ra der Beginn einer neuen Ära.Die Muslime, die Mekka verließen, wurdenMuhajirun (Emigranten oder Anhänger)genannt, und diejenigen, die sie in Medinawillkommen hießen, wurden als Ansar (Hel-fer) bezeichnet. Muhajirun und Ansar warennun unter dem islamischen Glauben und derFührerschaft des Propheten vereinigt. Aufdiese Weise entstand die erste muslimischeGemeinschaft (Umma). In Medina war derProphet nicht nur der Leiter der muslimi-schen Gemeinde, sondern auch der Nicht-Muslime. Jetzt war er Prophet und Staats-mann, und er empfing auch weiterhinOffenbarungen, die sich im besonderen umFragen der Gesetzgebung und der Verwal-tung drehten. Zum Beispiel wurde derRamadan als Fastenmonat vorgeschrieben,und die Qibla (Gebetsrichtung) wurde vonJerusalem auf Mekka gedreht.Die neue Gemeinschaft wurde mit vielenProblemen konfrontiert, die von den Fein-den des Islam verursacht wurden. Es han-delte sich dabei um Feinde, die unter denMuslimen oder sogar außerhalb von Medina

lebten. Viele Menschen arbeiteten in verrä-terischer Absicht mit den Quraish zusam-men, um die Muslime zu vernichten. Ange-sichts dieser bedrohlichen Situation war diemuslimische Gemeinde wachsam undergriff Maßnahmen, sich der Feinde zuerwehren.Die Quraish von Mekka brannten immernoch vor Verlangen, die Muslime auszulö-schen, und sandten ihre eintausend Mannstarke Armee aus, um den Muslimen ent-gegenzutreten. Dies geschah im Jahr 624 n.Chr. (2 nach der Hijra). Die Muslime konn-ten lediglich dreihundert Soldaten aufstel-len. Die beiden Armeen trafen bei Badr auf-einander, und durch Allahs Willen brachtendie Muslime unter der inspirierenden Füh-rung des Propheten den Kämpfern aus Mek-ka eine rasche und vernichtende Niederlagebei. Dies bedeutete für die Muslime einenmoralischen und geistlichen Sieg.Ein Jahr darauf griffen die Quraish die Mus-lime in der berühmten Schlacht von Uhuderneut an. Dieses Mal errangen die Ungläu-bigen den Sieg in der Schlacht, hattenjedoch so viele Tote zu beklagen, dass sieaus ihrem Sieg kein Kapital schlagen konn-ten. Schließlich konnten die Muslime siezurücktreiben. Und doch griffen die Quraish627 n. Chr. Medina an und belagerten es.Allah war mit den Muslimen, denn späterzogen sich die Quraish zurück.628 n. Chr. führte der Prophet eintausend-vierhundert Muslime in seine HeimatstadtMekka, um dort zu beten. Er schloss mit den

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Das regelmäßige Gebet ist Moslems sehr wichtig. Sie wenden sich dabei an den »gleichenGott« wie Juden und Christen, haben aber andere Vorstellungen von ihm

DIE BRÜCKE 6/2007

themaIslam und Christentum 7

Quraish von Mekka den Vertrag von Hudai-biyya. Dieser Vertrag sah vor, dass die Ein-wohner von Mekka und Muslime gleichbehandelt werden sollten. Darüber hinauserklärten sich die Einwohner von Mekkaeinverstanden, die Stadt für drei Tage zuräumen, während die Muslime kamen, umanzubeten. Der Vertrag enthielt noch vieleweitere komplizierte Artikel. Die Bedingun-gen für die Ungläubigen aus dem StammQuraish waren sehr milde.Allerdings brachen die Quraish den Vertrag,und der Prophet zog mit muslimischenTruppen nach Mekka. Er nahm die Stadt imJanuar 630 n. Chr. (8 nach der Hijra) ein,ohne auf Widerstand zu stoßen. Beim Ein-zug in die Stadt rezitierte er den Koranvers:»Gekommen ist die Wahrheit und dahinge-schwunden ist die Falschheit; wahrlich, dasFalsche verschwindet bestimmt« (Koran17:81). Dann zertrümmerte er die 360 Göt-zenbilder, die die Kaaba umgeben hatten.Zu seinen Feinden, die Angst um ihrSchicksal hatten, sagte er: »Auf euch lastetan diesem Tag keine Schuld. Geht nachHause, denn ihr seid alle frei.« Dies lehrtedie Muslime, wie sie besiegte Feinde behan-deln sollten.Am 23. Februar 632 n. Chr. (10 nach derHijra) begab sich der Prophet, begleitet vonvierzehntausend Muslimen, auf seineAbschiedspilgerfahrt nach Mekka. In seinerletzten Predigt in Arafat behandelte er fünf-zehn Aspekte des sozialen Lebens, diejedermanns zwischenmenschliche Bezie-hungen betrafen. Er betonte, dass Gott Einersei, die Bedeutung von Allahs Botschaft,den Tag des Gerichts, die Heiligkeit desLebens, Respekt gegenüber den Propheten,Respekt gegenüber Frauen, Respekt gegen-über Sklaven und die Wichtigkeit der musli-mischen Bruderschaft. Er teilte der Ummamit, dass er ihnen zwei Dinge hinterließe:das Buch Gottes und die Sunna (Praxis) Sei-nes Gesandten. Etwa um diese Zeit empfinger seine letzte Offenbarung, die wir bereitserwähnten (Koran 5:3).Genau drei Monate nach dieser Abschieds-pilgerfahrt geschah es, dass der Propheterkrankte. Am Montag, dem 8. Juni 632 n.Chr. (dem 12. Rabil Awwal 11 nach der Hij-ra), starb der letzte Prophet und GesandteAllahs genau zur Mittagsstunde, während erbetete. Sein Tod war ein schrecklicherAugenblick für alle Muslime.Abu Bakrs Bemerkung zum Tod des Pro-pheten war bedacht und wirkungsvoll. Dertrauernden muslimischen Gemeinde sagteer: »Wenn ihr Muhammad angebetet habt,

dann ist er in der Tat tot; doch wenn ihr Gottanbetet – er lebt und kann niemals sterben.«

Muhammad – das Siegel der Pro-phetenWie bereits erwähnt, sagen sowohl derKoran wie auch Muhammad selbst in allerDeutlichkeit, dass er ein menschlichesWesen ist. Er ist weder Gott noch SeinSohn, sondern lediglich der letzte ProphetGottes, der gesandt wurde, um der ganzenMenschheit Führung und Leitung zu geben.Der Koran sagt: Sprich: »O ihr Menschen,ich bin für euch alle ein Gesandter Allahs,Dessen das Königreich der Himmel und derErde ist ... Darum glaubt an Allah und anSeinen Gesandten, den Propheten, der desLesens und Schreibens unkundig ist, ... undfolgt ihm, auf dass ihr rechtgeleitet werdenmöget.« (Koran 7:158)Darüber hinaus lernen wir aus dem Koran,dass der Prophet Muhammad allenGeschöpfen Gottes, menschlichen undnicht-menschlichen, aus Barmherzigkeitgesandt wurde: »Wir entsandten dich nuraus Barmherzigkeit für alle Welten« (Koran21:107).Muhammads Botschaft war die logischeVollendung und Vervollkommnung allervorhergehenden Offenbarungen. Gott hatdurch den Koran und den Propheten dieEndgültigkeit von Muhammads Propheten-amt betont. Der Koran sagt: »Muhammadist nicht der Vater eines eurer Männer, son-dern der Gesandte Allahs und der letzte allerPropheten, und Allah besitzt die volleKenntnis aller Dinge« (Koran 33:40). Allahlehrt uns, dass Muhammad die lange ReiheSeiner Apostel beschließt (besiegelt).Wer ist in der Lage, sich der Lehre desKoran entgegen zu stellen? Als Muslimeglauben wir an den Koran und daran, dassalles, was er sagt, absolut wahr ist. Nun, dadie Zeit der Propheten endgültig vorbei ist,brauchen wir keine weiteren Propheten,sondern fromme Männer und Denker, dieden Glauben wieder beleben und reformie-ren.

Badru D. Kateregga

Vize-Kanzler der Kampa-

la University und

Gastprofessor an der

Makerere University in

Kampala, Uganda

Eine christliche Entgegnung vonDavid W. Shenk

Die christliche Sicht des ProphetenMuhammad sollte sich vom gesamtenbiblischen Zeugnis bestimmen lassen,das Jesus den Messias betrifft. Christenund Muslime sind sich einig, dass Jesusder Messias ist. Was genau bedeutet dasaber? Die Bibel bezeugt, dass der Messi-as die Vollendung der Schriften und derPropheten ist. Christen glauben, dass erder Erretter der Menschheit ist. DerMessias selbst sagte: »Ich bin der Wegund die Wahrheit und das Leben«(Johannes 14,6; Luther 1984). Daherglauben Christen, dass Jesus der Messiasden Prüfstein jeglicher Wahrheit dar-stellt. So lautet das biblische Zeugnis.Wenn ein Christ also den ProphetenMuhammad betrachtet, ist es notwendig,dass er ihn im Licht des gesamten bibli-schen Zeugnisses beurteilt, das in Jesusdem Messias gipfelt.

Eine muslimische Klarstellung BadruD. Katereggas

Muslime respektieren den Messias.Allerdings glauben sie nicht, dass erallein aus diesem Grund höher steht alsalle anderen Propheten. Tatsächlichbekräftigt der Koran sogar, dass Jesusdas Kommen des Siegels der Prophetenvoraussagte. Der Koran sagt, dass Jesuskam als »Bringer der frohen Botschafteines Gesandten, der nach mir kommenwird. Sein Name wird Ahmad [bzw. ,derGesandte‘ oder ,Muhammad‘] sein«(Koran 61:6).

Dieser Text ist ein Auszug aus dem Buch

»Woran ich glaube – Ein Muslim und ein

Christ im Gespräch«, das Badru D. Katereg-

ga und David W. Shenk gemeinsam ver-

fasst haben. In je 12 Kapiteln stellen sie ein-

ander – und dem Leser – die wichtigsten

Aspekte des christlichen bzw. islamischen

Glaubens vor. Die Deutsche Ausgabe ist im

Neufeld Verlag erschienen:

Badru D. Kateregga und David W.

Shenk

Woran ich glaube – Ein Muslim und

ein Christ im Gespräch

Neufeld Verlag, Schwarzenfeld 2005

255 Seiten, EUR 14,90

ISBN 978-3-937896-15-1

o waren wir beispielsweise kürzlicheine Woche zu Gemeindeseminaren inGambia (Westafrika). Unsere Gastgeber inPerong, einer Stadt mit ein paar tausendEinwohnern, waren Gary und Denise Willi-amson, die für Eastern Mennonite Missionsarbeiten. Es gibt keinen elektrischen Strom,70 % sind Analphabeten, die meisten Men-schen sind Moslems. Gary und andere Mit-arbeiter aus dem Ort begleiteten uns zurEinführung über die verschiedenen Wegeder Stadt. Es war gerade Fastenmonat undfeuchtwarm bei Temperaturen um die 38Grad, darum waren die Menschen ziemlichträge und unterhielten sich gerne mit uns.Unsere Begleiter stellten uns vor mit denWorten: »Das sind Dauda und Grace, dieJesus nachfolgen und Moslems lieben.« Aufdiese Weise machten wir Bekanntschaft mitdem Ort. Unsere Gastgeber verbreiteten dieNachricht, dass Dauda am späten Nachmit-tag, vor dem Fastenbrechen, beim Baum sit-zen würde, um Gespräche zu führen. Wäh-rend Grace zu einem Frauengebetstreffenging, hockte sich David also auf eine Wur-zel des großen Feigenbaumes in der Mittedes Ortes. Daneben war auch das Haus desBürgermeisters, der dort Brot verkaufte. Sosetzten sich Brotkäufer, der Imam derMoschee mit seinen Schülern und einigeandere Männer und Jungen zu David unterden Baum; schließlich brachte sogar jemandBänke, als die Wurzeln des Baumes vollbesetzt waren.David forderte sie auf: »Ich bin ein Nachfol-ger von Jesus, dem Messias. Habt ihr Fra-gen an mich?«Die meisten der Anwesenden waren Anal-phabeten, und die Fragen sprudelten nur so.Es waren ganz besondere 90 Minuten, aufden Wurzeln des großen Baumes neben demBürgermeisterhaus zu sitzen, nicht weit vonder recht baufälligen Synagoge, und überGlauben, Jesus, das ewige Leben und Frie-densarbeit zu reden.Ein paar Tage später nahmen David undGrace die Einladung des Imams an, zueinem Gespräch zu ihm nach Hause zu

kommen. Einige seiner Schüler saßen dabeiund brachten ihre Gedanken ein. Davidmerkte an, dass der Koran Moslems den Ratgibt, das »Volk des Buches« (die Christen)zu fragen, was ihre Schriften sagen. Ererwähnte, dass es einige Christen in derStadt gäbe, die sehr gerne Fragen zu ihrenSchriften beantworten. Wir sagten auch,dass Gott die Menschen erschaffen hat mitder Freiheit, sich für oder gegen Gott zu ent-scheiden; für Muslime ist es kaum vorstell-bar, das man die Freiheit haben könnte,einen anderen Glauben zu wählen. Daviderwähnte auch, dass wir aus einer Gemein-detradition stammen, die nur Erwachsenetauft. Das erinnert uns daran, dass Gottjedem Menschen die freie Wahl gibt.Zu unserer Reise nach Westafrika gehörtenauch zwei Wochen in Burkina Faso, wo wirbei Loren und Donna Entz zu Gast waren,Mitarbeitern des Mennonite Mission Net-work. Sie brachten uns nach Tin, einemabgelegenen Dorf, wo wir uns unter einenBaum neben der Moschee setzten. Als dieGebete beendet waren, kamen die Dorfäl-testen recht zurückhaltend zu uns herüberund wollten wissen, was wir machen. Davidsagte: »Als ein Nachfolger von Jesus, demMessias, will ich ein Segen für andere sein.«»Wie segnest du Menschen?« fragten sie

nachdenklich. David antwortete: »Eine Art,Menschen zu segnen, ist wenn ich für siebete.«Sofort sagten diese Dorfältesten, von deneneiner mit okkulten Utensilien behangenwar: »Dann bete jetzt um Gottes Segen füruns.« Also beteten wir im Namen des Mes-sias für das Dorf und seine Ältesten. AlsGrace sich vorstellte, sagte der älteste Mannin der Runde: »Ich brauche die Gnade(Engl.: grace) Gottes. Darum bitte ich dich,Grace, mich jetzt zu segnen!« Er war derVater eines der beiden Christen im Dorf undhatte sich vom seinem Sohn abgewandt,weil dieser an Jesus glaubte. Dass dieserbetagte muslimische Patriarch eine christli-che Großmutter um ihr Gebet bat, warbeeindruckend.

Dann baten sie uns eindringlich, »Bittekommt immer wieder zurück, um für uns zubeten!«Wir meinten: »Es gibt zwei Männer in die-sem Dorf, hier unter diesem Baum, dieNachfolger Jesu sind. Sie können einenGebetsdienst einrichten.« Es waren die bei-den einzigen Christen in diesem muslimi-schen Ort.Einige Tage später stellten diese Brüder fest,dass die Gebetszeit die Stimmung der Stadtzu verändern begann. Wir beten immer wie-der, dass wir eine Ermutigung sein könnenfür Geschwister, die in schwierigen Grenz-regionen dienen; wir glauben, dass Gott inTin dieses Gebet erhört hat.Das waren jetzt nur zwei Fenster in einenHerbst voller Aktivität, in sieben anderenLändern (Deutschland, Schweiz, Gambia,Burkina Faso, Marokko, Aserbaidschan undMoldawien) ebenso wie bei zahlreichenAnlässen in Nordamerika. Sie reichen voneinem Missionskonferenz-Wochenende inder Brüder-in-Christo-Kirche in Manor biszu mehreren Tagen in der PennState-Uni-versität, zu der uns die islamische undchristliche Studentenvereinigung gemein-sam eingeladen hatten.Diverse Aufgaben werden uns 2008 in einDutzend Länder führen. Wenn wir nichtunterwegs sind, wird David versuchen, Zeiteinzuplanen, um substantiell zu schreiben.Wir wollen unsere Tage gut einteilen in denDiensten des Königreiches, in das uns Gottberufen hat. Wir danken Gott für eureUnterstützung und Gebete!

David und Grace Shenk, wohnen in Salunga, Pennsylvania (USA). Sie habenjahrzehntelang in Tansania, Somalia und

Kenia gelebt.

Übersetzung: Heiko Prasse

thema Islam und Christentum8

DIE BRÜCKE 6/2007

Im Gespräch mit MoslemsDavid und Grace Shenk berichten von ihrer Westafrikareise

Manchmal haben wir es mit moslemischen Entscheidungsträgern zu tun, wie bei den Gesprächen im »Conrad Grebel Colle-

ge«, von denen wir in unserem Juni-Rundbrief berichtet haben. Viel häufiger aber unterhalten wir uns mit einfachen Men-

schen; Paulus erinnert uns daran, dass »nicht viele Angesehene« ins Himmelreich kommen (1. Korinther 1,26)

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DIE BRÜCKE 6/2007

themafürchtet euch nicht! 9

a, dabei wird es bleiben. Weder wird dieBibel im Koran noch der Koran in der Bibelaufgehen können. Auch Allah wird nichtdurch Jahwe und Jahwe nicht durch Allahersetzt werden können, mögen die Namenauch so weit austauschbar sein, wie sie fürden einen Gott stehen, der alleine anbe-tungswürdig ist. Auch dies wird nicht hel-fen, dass Muslime hier und Christen dort dieOffenbarung bemühen, die ihren Anspruchrechtfertigt, es mit dem rechten Gott zu tunzu haben. Nimmt doch die Abwicklung derOffenbarungen einen sehr unterschiedlichenVerlauf, entsprechend unterschiedlich istdann auch das, was bei uns ankommt. Fürden Muslim ist klar: Der Koran ist GottesWort, vom Erzengel Gabriel an Mohammedgerichtet, als dieser 40 Jahre alt war.Unmittelbar trafen den Mittler GedankenGottes, die ungeschaffen, durch keinerleiBearbeitung des Menschen also verborgenund entstellt sind. 22 Jahre lang wurdenMohammed Offenbarungen zuteil, bis zuseinem Tod im Jahre 632. So wurde GottesWort Buch, ein Buch, das Gott als den aus-weist, der der Hohe ist, der Erhabene, derBarmherzige, der Ewige, der Eine, denweder Schlummer noch Schlaf ergreift, derweder zeugt noch gezeugt wird. In der Rei-he der Begriffe, die Gott kennzeichnen, feh-len die Ausdrücke »Liebe« und »Vater«.Mitnichten ist etwa auch davon die Rede,dass der Mensch ein Bild Gottes sei, derMensch geht allein aus sich selbst hervor.Das reicht. Bleibt der Mensch doch einWesen mit Vernunft, die ihren Ursprung inGott hat. So können Menschen ihr Verhält-nis zu Gott aus eigenen Kräften regeln.

Gehorsam aus eigener Kraft gegenüber dengöttlichen Verordnungen sichert den Erwerbewigen Lebens. Im Lichte des Erhabenendarf »keiner in den Himmeln und keiner aufErden sich dem Erbarmer anders nahendenn als Sklave« (Sure 19,99). Man bekenntsich zum Islam, zur Unterwerfung. Nichtsist dem Schöpfer des Himmels und der Erdegleich. Ein Buch also bleibt der Mittler zwi-schen dem Schöpfer und der Schöpfung. Soscheint der Abstand zwischen Gott und derMenschheit noch größer, ja unüberbrückbar.Auch die Christen sprechen von Offenba-rung, dies umso dringlicher, als Gott sichihnen nahe bringt in Gestalt eines Men-schen, der ganz und gar keinen Rückschlussauf den unsichtbaren Gott zulässt. Da mussder Sinn erst geweitet werden, da muss esihnen erst wie Schuppen von den Augen fal-len, ehe sie im Wanderer den Auferstande-nen erkennen. Wir merken: Etwas völliganderes spielt sich hier ab. Das Wort wirdFleisch, nicht Buch, wohl ein Fleisch, dassichtbar ist, zu dessen göttlicher Herkunftaber nicht unsere Vernunft ausreicht, um inihm, zumal dem leidenden Gottesknecht,Gottes heilsames Wirken an uns zu erken-nen. »Lasst euch ändern durch Erneuerungeurer Sinne!« lautet der Ruf des Gottesbo-ten, der mehr ist als nur Mittler. Kühn pro-klamiert er: Ich und der Vater sind eins. Nie-mand kommt zum Vater denn durch mich.Worte, die über die Jahrhunderte hinweg bishin zu den Zeiten Mohammeds heillose Ver-wirrung anrichteten. Der vordere Orient wargespalten in Gruppen, von denen die einenmeinten, Christus sei aufgeteilt in eine gött-liche und eine menschliche Person, andere

meinten, Christus sei nur von göttlicherNatur. Erst in Chalcedon wurde 451erreicht, in Christus menschliche und göttli-che Natur in einer Person zu sehen. Nichterst den Christen, auch den Juden schonging es darum, Gott den Schöpfer glaubhaftauf Erden zu bekunden; daher denn auchdarf der Mensch sich als Ebenbild Gottesdeuten, insoweit er etwas von dem lieben-den Gott widerspiegelt, sich selbst also alseinen Menschen definiert, der den Mitmen-schen liebt. So tut es der Größe Gottes auchkeinen Abbruch, wenn »Gott am 7. Tageruhte von seinen Werken.« Menschengestal-tig nennt man derartige Anmerkungen zumVerhalten Gottes, Ausdruck dafür, wie sehrder Mensch bereits im frühen Stadium sei-nes Nachdenkens über den unsichtbarenGott dennoch Rückschlüsse von sich, demGeschöpf, auf seinen Schöpfer ziehen darf.Fleischwerdung Gottes, so kann man wohlformulieren, gibt es im Ansatz von Anbe-ginn der Schöpfung. Koran und Bibel: ZweiBücher – zwei Welten. Dabei bleibe es;dabei kann es bleiben, wenn ihre Vertretersich auf den kleinsten gemeinsamen Nennereinigen: Respekt voreinander.

Oskar Wedel

Hohnhorst

Lehrer im Ruhestand

Ältester der

Gemeinde Hannover

Bibel und KoranZwei Bücher – zwei Welten

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berichte24

DIE BRÜCKE 6/2007

anchmal hört man in Gottesdiens-ten die Worte »Jesus wurde geboren, um zusterben«. Die Formulierung ist selbstredendsehr zugespitzt. Darin ist eine bestimmteSicht auf Jesus und die immense Bedeutungseines Todes für unser Christsein – eineOpfertheologie – enthalten, die auch imApostolischen Glaubensbekenntnis vor-

kommt. Das Bekenntnis springt von derGeburt Jesu unmittelbar zu seiner Verhaf-tung unter Pontius Pilatus mit der Konse-quenz seines Todes. Wie Jesus gelebt hat,was er uns gelehrt hat, wie er Menschen umsich gesammelt hat, – dies alles hat keinevergleichbare Bedeutung. Er ist geboren,um zu sterben. Nichts ist wichtig im Ver-gleich mit dem Bekenntnis, dass unsereSünden durch das Kreuz getilgt wurden. In einem der allerersten Dokumente der frü-hen Kirche gibt es eine ganz andere Sichtder Dinge. Paulus sagt: »Ist aber Christusnicht auferstanden, so ist unsere Predigt ver-geblich, so ist auch euer Glaube vergeblich«(I Kor 15,14). Dort finden wir den Kerneiner Botschaft, die nicht das Kreuz, son-dern die Auferstehung ins Zentrum desGlaubens rückt. Man könnte sagen, für Pau-lus ist Jesus geboren, um aufzuerstehen, umüber den Tod und das Böse zu siegen.Am 9. und 10. Februar veranstaltete dieASM ein Seminar für Mitarbeitende in denGemeinden mit dem Titel: »… hingegebenfür uns« – das Kreuz Christi und unsere

Erlösung. Wir waren über 40 Leute und hör-ten gebannt zu, als unsere ReferentinAndrea Lange uns das Thema Kreuz undErlösung aus dieser anderen biblischenSicht näher brachte. Wir sind überzeugt,dass Gott mit uns Menschen Frieden undVersöhnung schließen möchte, weil erwesentlich ein friedliebender, versöhnenderGott ist: »Denn ich habe Lust an der Liebeund nicht am Brandopfer« (Hos 6,6). Daherist es beunruhigend zu denken, dass Gottvon unserer Sünde so sehr erbost ist, dass erein ultimatives Todesopfer verlangt, um mituns versöhnt zu werden. Kann das sein?Wenn das der Fall wäre, besteht ein Wider-

spruch zwischen Jesu Gewaltfreiheit undGottes Zorn und Bestrafung. Ein solcherTod kann doch nicht gerecht sein. Andrea Lange wies darauf hin, dass Jesusdamals nicht den gemeinen Tod eines Räu-bers oder Gauners starb. Er starb den grau-samen, zur öffentlichen Schau gestelltenKreuzestod, der für politische Verbrecherreserviert war: für Desertierende, Geheim-nisverräter und Anstifter zum Aufruhr. Essoll hier betont werden: Die Römer erkann-ten in ihm einen, der eine Bedrohung für dieBesatzungsmacht darstellt, »Der König derJuden«.

Durch seinen Einsatz für gerechte Verhält-nisse, durch seine konsequente Ablehnungaller Mächte und Gewalten, die sich demFriedensreich Gottes widersetzten, forderteJesus die Römer und die mit ihnen liierten,lokalen politischen Größen heraus. Nachder Logik von Macht und Gewalt beendetesein Tod die Gefahr. Schluss, fertig, aus.Doch war sein Tod nicht das Ende. Durchseine Auferstehung überwand er seine Geg-ner und das gesamte System von Herrschaftund Nötigung, von Unfreiheit und Unrecht.Er ist »Christus Viktor«, der Sieger Chris-tus. Was heißt dann nach diesem Christus-

Viktor-Modell die Erlösung? Das ganzeWirken Jesu ist erlösendes und befreiendesWirken. Über die Erlösung von unsererSchuld sagt Jesus, es ist zuerst ein gnädigesTun Gottes. Gott sucht unsere Nähe, fordertaber auch, dass wir umkehren (also Jesusnachfolgen). Merke: In den Worten Jesuspielt sein eigener Tod als Mittel für die Ver-gebung keine Rolle! Das fehlt.Wird dann das, was in den Worten Jesufehlt, durch die Autoren des Neuen Testa-ments ergänzend mitgeteilt? In einer span-nenden Einheit zeigte die Referentin, wieunterschiedlich die Bücher des Neuen Tes-

Erlösung und FriedenBericht über das ASM-Seminar für Mitarbeitende in den Gemeinden

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In Kleingruppen wurden die Fragen vertieft

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Andrea Lange gestaltete das Thema derSeminartage

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taments die Erlösung durch Christus dar-stellen. Der Entwurf, wie er in der Tabelledargestellt wird, basiert auf Anselm GrünsBuch, »Biblische Bilder von Erlösung«Luthers große Sorge war, »Wie bekommeich einen gnädigen Gott?« Schade, dass ernicht genauer gesehen hat, dass schon imAlten Testament (Hebräische Bibel) Gott im

innersten Wesen gnädig ist und die Initiativeergreift, seinen Bund mit den Menschen zuerneuern. Als Abraham seinen Sohn opfernwill, greift Gott ein und verbietet Men-schenopfer. Abraham ist wie wir. Ja, wirhaben in uns den inneren Zwang, das nagen-de Gefühl, etwas opfern zu müssen, weil wiruns selbst als schuldig und sündhaft und

schmutzig vorkommen. Gott dagegen willuns von der Vorstellung befreien, dassGewalt eine erlösende Wirkung habenkönnte. Sein Blick richtet sich nicht aufStrafe, sondern auf die Herstellung von ver-söhnten Beziehungen.Nach der Opfertheologie kann ich nichts zumeiner Rettung beitragen, außer glauben.Das Opfer bringt ein anderer. Doch diesbedeutet, dass ein Sklavenbesitzer (auchheute gibt es Sklavenbesitzer) gnädig weiterals glaubender Christ Sklavenhalter bleibenkann. Welch eine abscheuliche Vorstellung.Glaube wird von Ethik getrennt.Dagegen nimmt uns die andere Sichtweisein die Pflicht. Die Erlösung Christi schließtunser Handeln mit ein. Erlösung ist Befrei-ung (Markusev.) von Sinnlosigkeit undUnrecht und Befreiung zum aufrechtenLeben. Erlösung ist, Gott allmählich ähnlichwerden (Joh.ev.). Erlösung ist das Betreteneines neuen Lebensweges als Gemeinde(Luk.ev). Erlösung so verstanden ist nichtindividuell, sondern wesentlich ein gemein-schaftliches Erlebnis. Und es passiert nichtnur einmal (wie bei einem Bekehrungser-lebnis), sondern bleibt ein progressiverWeg, auf dem die Gemeinde geht. Wir wer-den erlöst: Wir werden handelnde Mitge-stalter von Gottes Frieden. Wir haben am Wochenende nicht alle Fra-gen zum Thema Erlösung aufgearbeitet.Aber wir haben ein Verständnis dafürgewonnen, dass Erlösung nicht eindimen-sional verstanden werden muss und dass siedurchaus zu unserer Friedenstheologiegehört. Vielleicht gibt es so viele unter-schiedliche Bilder von der Erlösung durchJesus Christus, weil das Heil Gottes einunbeschreibliches Geheimnis ist, auf daswir unterschiedlich blicken dürfen.

Dr. Jakob J. Fehr

Pastor der Mennoniten-

gemeinden Monsheim

und Obersülzen

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Biblische Bilder von Erlösung nach dem gleichnamigen Buch vonAnselm Grün

Matthäus-Evangelium: Erlösung als Vergebung der Schuld

Markus-Evangelium: Erlösung als Befreiung (Freikauf)

Lukas-Evangelium: Erlösung als der neue Weg Gottes

Johannes-Evangelium: Erlösung als Vergöttlichung (Gott ähnlich werden)

Paulusbriefe: Erlösung als Befreiung und Rechtfertigung

Kolosserbrief: Erlösung als Versöhnung des Kosmos

Epheserbrief: Erlösung als Friede

Titusbrief: Erlösung als Erscheinung der Menschlichkeit Gottes

Pastoralbrief: Erlösung als Epiphanie Gottes

Petrusbrief: Erlösung als Licht im Dunkel

Hebräerbrief: Erlösung als Zugang zu Gott

von Heiko Prasse

Dass er diese Meinung öffentlich vertretenhabe, war der letzte, aber nicht unwichtigsteder neun Anklagepunkte, mit denen MichaelSattler im Frühjahr 1527 vor Gericht kon-frontiert wurde. Nun war es in dieser Zeitnatürlich praktisch unvorstellbar, dass »dieTürken« friedlich ins Land kommen undmehr oder weniger integriert in unsereGesellschaft wohnen, leben und arbeitenwürden. Wenn man mit Türken rechnete,dann als Eroberer, und das Thema war sehrakut:Sechs Jahre zuvor hatte das OsmanischeReich Ungarn in einer Schlacht besiegt undBelgrad eingenommen, und zwei Jahre spä-ter sollte Wien nur hauchdünn der Erobe-rung durch ein riesiges türkisches Heer ent-gehen. Vor dem Szenario »Die Türken vorWien« hatte man im Jahr des Prozesses inganz Mitteleuropa große Angst. Im Jahr1527 zu sagen, man wolle »lieber an derSeite der Türken in den Krieg ziehen, wennkriegen recht wäre« ist als hätte man 1967gesagt, man wolle sich im Falle eines Atom-krieges freiwillig für die Sowjetarmee mel-den – oder 2007, man wolle lieber Al Kaidaunterstützen als die Bundeswehr, die imKampf gegen den Terrorismus Deutschlandam Hindukusch verteidigt.Eine ungeheuerliche Äußerung, die manihm da vorwarf, die jedem um sein Lebenbesorgten Bürger den kalten Schweiß aufdie Stirn treiben musste. Anders als bei dreianderen der neun Anklagepunkte bestrittMichael Sattler aber nicht, so aufrührerischgeredet zu haben. Er hätte ja auch abschwä-chen können, dass er es so drastisch nicht

gemeint habe und für die unglücklicheWortwahl um Verzeihung bitte. Stattdessenerklärte er seinem Richter, auf welche Argu-mente sich seine verräterische Meinungstützte:»Christen dürfen niemandem das Lebennehmen, sie können nur Gott um ihrenSchutz anrufen. Wenn die Türken gegenChristen in den Krieg ziehen, so liegt es dar-an, dass sie es nicht besser wissen. Men-schen, die sich Christen nennen und Türkentöten, sind Türken nach dem Geist«Mir kommt es so vor, dass Sattler keinebesonders differenzierte Meinung von denTürken hat; das Klischee von einem aggres-siven, wilden und kulturlosen Volk, das daschristliche Abendland bedroht, stellt er nichtin Frage. »Türken nach dem Geist« zu seinsetzt er gleich mit skrupellosem Töten.Umso erstaunlicher ist es, wie er sich aufihre Seite schlägt. Oder tut er das gar nicht?Denn schließlich setzt er ja die Bedingung»wenn kriegen recht wäre« voran. Und die-se Voraussetzung trifft nach seiner Meinungauf keinen Fall jemals zu.Auch wenn Gott für die ganze Schöpfungein friedliches Zusammenleben vorgesehenhat, sollte man nach Sattlers Meinung dochin dieser Hinsicht von denjenigen mehrerwarten dürfen, die sich zum FriedefürstJesus Christus bekennen und seine Worteals Richtschnur für ihr Leben bezeichnen.Um das deutlich zu machen, greift er zusolch provokanten Worten, selbst vorGericht. Und die Provokation zeigte Folgen:Sattler wurde zu einer grausamen Hinrich-tung verurteilt, die der Gerichtssekretär amliebsten selbst vollstreckt hätte.Inwiefern es die richtige Sache war, seine

Richter so zu provozieren, oder was ihmeine unterwürfige und dennoch ehrlicheHaltung gebracht hätte, kann ich nicht beur-teilen. Neben seinem Mut – oder ist esSehnsucht nach Martyrium – beeindrucktmich jedenfalls, wie er auf die drohendeGefahr des feindlichen Heeres mit konse-quentem Gewaltverzicht antwortet. Wienachvollziehbar wäre es gewesen, hätte ergesagt, zwar eigentlich gegen Gewalt alsMittel der Konfliktlösung zu sein. AberAngesichts dieser Bedrohung durch einenGegner, mit dem Verhandeln nicht möglichscheint muss man sich doch verteidigen,oder? Nein sagt Michael Sattler, und wenn,dann würde ich mich noch eher auf die Sei-te des Feindes schlagen. Er lässt sich nichtvon der Angst benebeln.Heute steht kein türkisches Heer vor Wien.Aber manchmal kann man doch hören oderlesen von Angst vor eine Art feindlichenÜbernahme durch diese Fremden, die inDeutschland Moscheen bauen und mehrKinder haben als die deutsche Durch-schnittsfamilie; die nicht nach Wien, aberStraßburg und Brüssel wollen. Wo dieseÄngste geschürt werden, wo Abwehr gefor-dert und Gewalt geübt wird – wäre es da fürNachfolger Jesu an der Zeit, sich gegen alleÄngste friedlich an die Seite der Türken zustellen?

Heiko Prasse

Bad Rappenau

Theologischer Mitarbei-

ter der Gemeinde

Hasselbach und

Redakteur der BRÜCKE

Täufer aus vergangener Zeit im O-Ton und warum sie uns heute noch etwas zu sagen haben: EinFenster in unsere Geschichte, nicht um der Asche zu huldigen, sondern um die Glut zu schüren.

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Wenn die Türken ins Land kommen, so soll man ihnen keinen Widerstand tun; und wenn kriegen recht wäre, so wollte ich lieber

wider die sogenannten Christen ziehen denn wider die Türken!