Int De02 13 Magazin

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FEBRUAR 2013 6 EURO 4 192449 106002 02 FEBRUAR 2013 Hannelore Elsner Die Berührbare In den Nebenrollen: Matthias SCHWEIGHÖFER, Stanley KUBRICK, Tom CRUISE, Steven SPIELBERG und unsere HOT LIST 2013 ( Girls Only ) DAS FILMHEFT

Transcript of Int De02 13 Magazin

februar 2013 6 euro

4 192449 106002

In den Nebenrollen: Matthias ScHwEigHfEr, Stanley KuBricK, Tom cruiSE, Steven SpiElBErg und unsere HoT liST 2013 (girls only)

Die BerhrbareDas FilmheFt

Hannelore Elsner

02

februar 2013 6 euro

In den Nebenrollen: Hannelore ElSnEr Steven SpiElbErg Stanley KubricK Tom cruiSE und unsere HoT liST 2013 (girls only)

4 192449 106002

Er macht SchlussMatthias SchweighferDas FilmheFt

02

YOKO ONO, WALKING ON THIN ICE, VIDEO STILL, 1981, YOKO ONO

YOKO ONO, WALKING ON THIN ICE, VIDEO STILL, 1981, YOKO ONO

YOKO ONO, WALKING ON THIN ICE, VIDEO STILL, 1981, YOKO ONO

YOKO YOKO YOKO ONO ONO ONOEINE EINE EINE RETROSPEKTIVE RETROSPEKTIVE RETROSPEKTIVE

HALF-A-WIND HALF-A-WIND HALF-A-WIND SHOW SHOW SHOW

15. 15. 15. FEB. FEB. FEB. 12. 12. 12. MAI MAI MAI 2013 2013 2013

SCHIRN SCHIRN KUNSTHALLE SCHIRN KUNSTHALLE KUNSTHALLE FRANKFURT FRANKFURT FRANKFURT RMERBERG RMERBERG RMERBERG 60311 60311 FRANKFURT 60311 FRANKFURT FRANKFURT AM MAIN AM MAIN AM WWW.SCHIRN.DE MAIN WWW.SCHIRN.DE WWW.SCHIRN.DE DIENSTAG, DIENSTAG, DIENSTAG, FREITAGSONNTAG FREITAGSONNTAG FREITAGSONNTAG 1019 1019 UHR, 1019 UHR, MITTWOCH UHR, MITTWOCH MITTWOCH UNDUND DONNERSTAG DONNERSTAG UND DONNERSTAG 1022 1022 UHR 1022 UHR UHR

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inhalt

INHALT

Februar 2013

startKleine Gesprche mit groen Leuten: OLGA RODIONOVA, GIANNA NANNINI, ARIANNE PHILLIPS, MARGARETHE TIESEL, BILLY GIBBONS, CHRISTOPH WALTZ & ULLI LOMMEL Seite 29

STORIESDieser Mann will alles und kann alles. Schauspielen, Regie fhren, produzieren. Im Gesprch mit seinem besten Freund verrt Matthias Schweighfer auerdem: Ich will noch mehr Kinder und am Haus auf dem Land rumbauen Von MILAN PESCHEL Seite 74

sMaLLtaLK

MATTHIAS SCHWEIGHFER

trifft das Model IMAN, die Frau, die vom Himmel fiel Seite 34

NaoMi CaMpbeLL

superstars

Schlicht, schn, schwarz, wei Fotograert von PATRICK DEMARCHELIER Seite 82

FASHION

Auf dem Weg nach vorn: LESLIE CLIO, MATTHIAS SCHOENAERTS Seite 38

DaNieL Day -Lewis & steveN spieLbergHollywood liebt Legendenstoffe und wir lieben die Verfilmung des Lebens von Abraham Lincoln, dem Helden von Gettysburg Seite 40

Sie ist eine Knstlerin, die an Grenzen geht. Mit Die endlose Nacht und Die Unberhrbare schrieb Hannelore Elsner deutsche Filmgeschichte. Anlsslich der Berlinale lie sich die Schauspielerin nun von uns in Szene setzen Von HEIKE BLMNER Seite 94

HANNELORE ELSNER

sHiriN NesHat

Die iranische Knstlerin ist Mitglied der diesjhrigen BerlinaleJury. Wir sprachen mit ihr ber Kopftcher, Wodka und Filme im Dienste des Aufstndischen Seite 44

Schne Dinge, toller Schmuck, Retromania, Hollywood privat und die All is pretty-Lounge von INTERVIEW whrend der Berlinale die Gebrauchsanweisung fr den Februar Seite 48

wow!

Vor zwlf Jahren war Bottega Veneta eine Ledermanufaktur, die ihre besten Zeiten lange hinter sich hatte. Dann kam der deutsche Designer Tomas Maier und verocht Handwerkskunst und erwachsenen Glamour zu einer hochintelligenten Weltmarke Von ADRIANO SACK Seite 106

BOTTEGA VENETA

Me, My JeaNs & i

Vorhang auf fr acht Frauen, die Ihnen auf der Leinwand, im Fernsehen und auf der Bhne in diesem Jahr begegnen werden Seite 112

HOT LIST 2013

Die Renaissance der Kultjeans Diesel Saddle Seite 54

spriNg

Der groe Trickser der zeitgenssischen Kunst meldet sich mit dem Sammelband Toiletpaper zurck. Ein Portfolio Seite 120

MAURIZIO CATTELAN

Achtung, Accessoires! Der Frhling lsst gren Seite 56

Now!Foto Patrick demarchelier Styling karl temPler top chlo kette JenniFer meyer

Schlicht, Schn, Schwarz, weiSS

Neue Musik, gute Filme, interessante Ausstellungen und die Leonardo-DiCaprio-Formel Seite 64

riCHarD DawKiNs

Er wollte Teil einer Jugendbewegung sein und grndete kurzerhand selbst eine. In diesem Jahr feiern Dirk von Lowtzow und Tocotronic das 20-jhrige Jubilum und wir den einzigen Pop-Intellektuellen, den man ernst nehmen sollte Von KATHARINA SCHTTLER Seite 130

DIRK VON LOWTZOW

Foto SEBASTIAN MADER Styling NIKI PAULS Kleid PACO RABANNE Body AMERICAN APPAREL

KAROLINE SCHUCH, HOT LIST 2013

Wenn er eine Kirche betritt, kocht das Weihwasser. Ein Gesprch mit dem grten Atheisten unserer Zeit Seite 66

HeLeNe HegeMaNN

Foto links SebaStian mader, Styling klauS StockhauSen, Jacke neil barrett, hemd hugo Foto rechts ralPh mecke, Styling klauS StockhauSen, kleid Prada, ohrringe (privat) cartier, haare & make-up Produkte Von bobbi brown

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EN D: M A K ROTR eich Welt w ird w Tex tu r die Seite 52 : S F R 2K13 K O O 4L e-up! ak M nPuppe Signallippen! llblau! ! Lidst rich, he Beige, Beige Seite 60 : KOLU M N E Flakons s de tu r Die A rch itek Seite 62

beauty

Foto unten: Sunset Boulevard/Corbis

Hooligans, die Milch trinken, und Raumschiffe, die Walzer tanzen: Anlsslich der groen Kubrick-Weltausstellung erinnern zwei Weggefhrten an den wohl schrulligsten und detailversessensten Regisseur des 20. Jahrhunderts Von TOM CRUISE & TERRY SEMEL Seite 142

ULT AUS RA BR KUB UTAL RIC ER M KS C ILC LOC HTR K W I NK E OR K OR: ALEX R AN D e GE L A R

STANLEY KUBRICK

GE

CLASSICS: Die Kolumne ber das, was bleibt Seite 70

Die Dinnerpartys der Italienerin sind so legendr wie ihre Kunstsammlung. Jetzt macht Valeria Napoleone das Beste aus ihrer Doppelbegabung ein Kunst-Kochbuch Von ADRIANO SACK Seite 136

VALERIA NAPOLEONE

PSAuf der INTERVIEW-Party in Mnchen, am Pool whrend der ART BASEL MIAMI, mit Schlange und SUPREME in Berlin Seite 154

PARTY

NASTASSJA KINSKI Seite 164

FLASHBACK

Jedes Bild erzhlt eine Geschichte. Nur welche? Das Fotoalbum des Meisters des Gruselkinos, erklrt von ihm selbst Von JRG HARLAN ROHLEDER Seite 148

TIM BURTON

EDITORI L S. 19 IMPRESSUM S. 22 MIT RBEITER S. 26 BONNEMENT S. 63 HERSTELLERN CHWEIS S. 162

editoriAl

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

hen Filme schwrmen: ich muss kurz von einem der tollsten deutsc seur und Autor Will DIE ENDLOSE NACHT von 1963. Der Regis t, begann die Filmarbeiten jek Pro das fr us Ha sein te nde pf ver er mp Tre pelhof und inszenierte eine ohne ein fertiges Drehbuch am Flughafen Tem nn dichter Nebel ber Tempelhof we t, sier pas s Wa ng: dnu nor hsa suc Ver e ant ras st und man die Nacht in der alle Flge nach Westdeutschland ausfallen ls Frontstadt Westberlin verbringen muss? ORE ELSNER, ganz am Anfang ihrer EL NN HA elt spi m Fil im e sal ick Sch der es Ein Filmsternchen, das gerade von ein elst spi u D r: seu gis Re vom ng isu we An Karriere. Die und darum kein Geld sen ges ver te kar uer ste hn Lo e sein , mt kom eh einem Edgar-Wallace-Dr Hannelore, the original it girl. e. utz zun das sich n che ma gs Jun e bs ei Zw bei sich hat tsches Allheilmittel gegen die deu ein 3 201 h auc ist cht Na lose end Die y, wa (Und, by the Referenzen an New Yorks MA D MEN mit nd abe ner Din en jed s un die , er pie o-S Ne rnd, in denen man zu jeder Tageszeit aue htr nac ten Zei den lt me wie sch ver n; sse m vermasseln n doch brav am nchsten Morgen ihren dan en tell bes sie r abe nk tra on urb Bo en sein laktosefreien Chai Frappuccino to go.) musste zehn Stunden am Flughafen ner Els re elo nn Ha : ter sp re Jah 50 u j-v D Ein kleines Winterchaos stattfindet. im rlin Be h nac g Flu ein h noc ob iss, gew un Dsseldorf ausharren, rlin an, morgens war sie aber schon Be in cht rna tte Mi h nac it we nn wa end irg n Sie kam dan und begeisterte alle am Set cke Me lph Ra af ogr Fot mit g otin Sho WIE bereit fr das INTERV mit ihrer HINGABE und INTENSITT. u Ein Buch) lesen Sie Fra e Ein ( er mn Bl ike He in tor rau elle sts Be Das Gesprch mit der D erschienen und wird whrend der DV auf ich rzl k ist cht Na lose end Die m Fil auf S. 94; der t. Berlinale in der Abflughalle Tempelhofs gezeig vermgen wir es jedoch er leid et, cht pfli ver rt nda Mu hen tsc deu der INTERV IEW ist zwar HI AS SCHW EIGHFER, TT MA rs, sta ver Co n eite zw es ser un ern rlin nicht, das Be stypische Chuzpe hingegen ort Die en. uck udr abz t qua ad , der Ma ian fotografiert von Sebast Theaterschauspieler Milan Peschel, dem , und Fre ten bes em sein mit ch spr Ge im schimmert t, dann gilt die Parole: hte rac bet be sga Au ser die in ts rtr Po e sein durch. Wenn man nun Hollywood, ick hr dir trapsen! S. 74

Y KUBRICK und TOM CRUISE, LE AN ST mit d sin abe usg ma Fil ser die in len Die Nebenrol RTON sowie den acht BU M TI und G ER LB IE SP EN EV ST IS, DA NIEL DAY-LEW t besetzt. Viel Spa beim Lesen! nan mi ful en nn leri pie aus Sch hen tsc deu n hof fnungsvollste

Herzlichst Ihr Joerg Koch19

Foto: Oliver Helbig

Editor in Chief Joerg Koch Executive Editors Jrg harlan RohledeR, Adriano SAcK Art Director Mike MeiR Fashion Director Klaus StocKhAuSen Photography Director Frank Seidlitz Redaktion Editors laura eweRt, harald PeteRS, Beauty Editor Bettina BRenn Assistant Photography dorothea FiedleR , Assistant Fashion caroline leMBl digital Editor nina Scholz, Praktikant Sascha ehleRt International Editor Aliona doletSKAyA International Editor at Large naomi cAMPBell Art tim GieSen hannes AechteR, Agnes GRB Managing Editor und Chef vom Dienst Silke Menzel Textchefin elisabeth SchMidt Schlussredaktion ulrike MAtteRn, Ralph SchnGel, Kerstin SGoninA Mitarbeiter dieser Ausgabe heike BlMneR, Katharina BhM, ludger BooMS, Maurizio cAttelAn, tom cRuiSe, Pierpaolo FeRRARi, Jodie FoSteR, Snke hAllMAnn, Alexandra hecKel, helene heGeMAnn, Jenny hoch, Annette inSdoRF, Alexa KARolinSKi, Max MilleR, eva Munz, niki PAulS, Milan PeSchel, Katharina SchttleR, terry SeMel, Anita tillMAnn, Karl teMPleR Fotografen dieser Ausgabe Michael Avedon, Maxime BAlleSteRoS, Sabine BRAueR, Francesco cARRozzini, Patrick deMARchelieR, Ronald dicK, hadley hudSon, Karl Anton KoeniGS, Robin KRAnz & volker hoBl, Bella lieBeRBeRG, Jonas lindStRM, Sebastian MAdeR, carlotta MAnAiGo, Ralph MecKe, Stefan Milev, nino Muoz, Robi RodRiGuez, Kevin tAchMAn Produktion Lithografie MAx-coloR, wrangelstrae 64, 10997 Berlin Druck Mohn MediA MohndRucK GMBh, carl-Bertelsmann-Strae 161 M, 33311 Gtersloh Manufacturing Director oleg noviKov verantwortlich fr den redaktionellen inhalt Joerg Koch Board of directors interview Publishing house Germany vladislav doRonin, Bernd RunGe BMP Media holdings, llc Chairman Peter M. BRAnt

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Herausgeber und Geschftsfhrer Bernd Runge Publishing Director Anja Schwing Anzeigen Sales Director (Nielsen I, II, IIIa, V, VI, VII) iris gRBneR Tel.: 030/2000 89-120, [email protected] Sales Director (Nielsen II, IIIb, IV, sterreich) Tanja SchRADeR Tel.: 089/35 63 77 44, [email protected] Frankreich Valrie DeSchAMPS-wRighT escalier D, 2 tage gauche, 2527 rue Danielle casanova, 75001 Paris Tel.: 00 33/6/04 65 26 51, [email protected] Italien Fabio MonToBBio Rock Media, Largo cairoli, 2, 20121 Mailand Tel.: 00 39/02/78 26 08, [email protected] Advertising Service Manager Jacqueline ZioB (Ltg.), Susann BuchRoTh Tel.: 030/2000 89-121, [email protected] Director of Marketing & Communications Stephanie FReSLe Project Manager Marketing & Special Projects charlotte wieDeMAnn Project Manager Sales wilkin SchRDeR, Intern Kara woLF Assistenz Kathleen MASSieReR , Tel.: 030/2000 89-165 IT Manager Patrick hARTwig Office Manager hilko RenTeL Verantwortlich fr Anzeigen Atelier Publications Deutschland gmbh & co. Kg Mommsenstrae 57, 10629 Berlin Tel.: 030/2000 89-0, Fax: 030/2000 89-112 Geschftsfhrer Anja Schwing Vertrieb Pressup gmbh, Postfach 701311, 22013 hamburg [email protected] einzelheftbestellungen Preise, Verfgbarkeit und Bestellungen unter www.interview.de/einzelheft, bei weiteren Fragen Tel.: 030/2000 89-164 Abonnentenbetreuung interview-Leserservice, Pressup gmbh, Postfach 701311, 22013 hamburg [email protected], Tel.: 0 40/41 448-480 interview erscheint zehnmal im Jahr in der interview Ph gmbh. Zurzeit gilt die Anzeigenpreisliste vom 1. Januar 2013. Alle Rechte vorbehalten. Fr unverlangt eingesandtes Text- und Bildmaterial wird keine haftung bernommen. Andy warhols interview (TM). All rights reserved. interview germany is published under a sublicense from LLc Publishing house interview; interview is a registered trademark of interview inc. Reproduction in any manner in any language in whole or in part without prior written permission is prohibited. interview Ph gmbh, Mommsenstrae 57, 10629 Berlin, Tel.: 030/2000 89-0

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MITARBEITERAlexa KAROLINSKIvtwob.comFotos: Photoshot; Gerard Malanga; D-foto/Bernd Lammel; Victor Demarchelier; Matt Sayles/Invision/AP

Hollywoodstar, Actionheld, Extremschauspieler. Kampfpilot, Rennfahrer und Fassadenkletterer. Verteidiger gegen Auerirdische, Supergangster und nstere Mchte aller Art. Super-Scientologe, Super-Dad, Superverfhrer und sowieso in jeder Hinsicht super. Cocktail-Jongleur, Rockstar, Kriegsveteran und Autistenbruder, Billardspieler, Rapper und Vampir. Gibt es eigentlich irgendjemanden, den er nicht gespielt htte? Inzwischen ist er auch noch der riesenhaft groe Ermittler Jack Reacher eine Rolle, fr die er eigentlich viel zu klein ist, aber, hey, er fllt sie aus. Er kann einfach alles, sogar einen nervenaufreibenden Dreh mit Stanley Kubrick hat er ausgehalten. Genau darber hat er sich fr uns mit Terry Semel, dem ehemaligen Studioboss von Warner Bros., unterhalten.

Tom CRUISE

Vor einem Jahr erst sa die 28-jhrige Dokumentarlmerin Alexa Karolinski bei der Premiere ihres Debts Oma & Bella mit ihren bezaubernden Hauptdarstellerinnen im Berlinale-Kino. Den Film hatte sie im Rahmen ihres Studiums an der New Yorker School of Visual Arts gedreht. In der Zwischenzeit brachte Karolinski ein Kochbuch zu ihrem Film heraus, wurde vom Filmmaker Magazine zu den wichtigsten neuen Talenten gezhlt und fhrte fr uns ein Gesprch mit Steven Spielberg, dem wiederum wichtigsten Regisseur der letzten 40 Jahre, und Daniel Day-Lewis, dem wohl besten Schauspieler der Gegenwart, ber deren neuen Film Lincoln.

Seite 40

Seite 142

Im Theater fhle er sich zu Hause, sagt Milan Peschel im Gesprch mit Matthias Schweighfer, vor der Kamera msse er sich dagegen immer erst akklimatisieren. Dabei hat er allein mit Schweighfer mindestens sechsmal gemeinsam gedreht und ist auch sonst lngst einer der proliertesten Filmschauspieler des Landes. Fr seine Rolle als strauchelnder Alarmanlagenverkufer in Robert Thalheims Netto wurde er 2005 fr den Deutschen Filmpreis nominiert und bekam die Auszeichnung dann sieben Jahre spter fr die Hauptrolle in Andreas Dresens Film Halt auf freier Strecke, in dem er einen tumorkranken Vater spielt. Nebenbei ist Peschel dem Theater treu geblieben, mittlerweile auch als Regisseur. Aktuell ist am Berliner Maxim Gorki Theater seine Inszenierung von Sein oder Nichtsein zu sehen.

Milan PESCHEL

Oh Boy, What A Man, Schutzengel. Fernsehlme in Grobritannien oder Schweden, Theater in Paris, Polizeiruf 110-Dreh in Deutschland. Katharina Schttler ist viel unterwegs und gilt als eine der interessantesten Schauspielerinnen des Landes. Deswegen hatten wir die 33-Jhrige Anfang 2012 auch zu unseren Screentests geladen, bei denen dieses Bild von Gerard Malanga entstand. Fr diese Ausgabe hat sie ihren alten Bekannten Dirk von Lowtzow interviewt. Und man muss sagen, niemand hat sich bisher so viele und dabei so charmante Fragen ausgedacht, wie die Mutter einer Tochter, die auf den wunderbaren Namen Minze hrt.

Katharina SCHTTLER

Seite 130

Seite 74

Aufhren wolle er, hatte Maurizio Cattelan verkndet, wenige Wochen bevor das New Yorker Guggenheim Museum ihn mit einer Retrospektive ehrte. Whrend andere Knstler eine Einzelausstellung im Guggenheim als Krnung ihrer Weltkarriere feiern wrden, verkaufte Cattelan sie als das Ende derselben. Er wolle sich erst einmal um Toiletpaper kmmern, sein, nun ja, Kunstmagazin, das er gemeinsam mit dem Fotografen Pierpaolo Ferrari verlegt und bespielt. Dieses Versprechen hat der 52-jhrige Knstler jetzt wahr gemacht. Entstanden ist ein Sammelband der ersten Ausgaben von Toiletpaper, die wir als Portfolio prsentieren. Es sind Bilder, die wehtun, surrealistischer Ungehorsam, visuelle Ausrufezeichen. Cattelan eben, der groe Trickser, wie man ihn kennt.

Maurizio CATTELAN

Fr unsere groe Modestrecke haben sich der Fotograf Patrick Demarchelier und Karl Templer, der Creative Director der US-Interview, zusammengefunden, um aufregende neue Gesichter der internationalen Laufstege in den reduziertesten Entwrfen der aktuellen Frhjahrskollektionen vorzustellen. Demarchelier, der sonst auch mal fr den Pirelli-Kalender fotograert, ergnzt die monochromen Outts auf subtile Weise, indem er sie mit natrlich wirkendem Make-up und minimalistischen Hintergrnden kombiniert. brigens zeigt das chinesische Nationalmuseum in Peking gerade in seiner Dior-Retrospektive ebenfalls Bilder des 1943 in Frankreich geborenen Fotografen.

Patrick DEMARCHELIER

Seite 82

Seite 120

Sie wurde mit einem Schlag weltberhmt, als sie 1976 im Alter von 13 Jahren als Prostituierte mit Hut und Plateausandalen in Martin Scorseses Taxi Driver auftrat. Kurz darauf bat Andy Warhol sie fr Interview zum Gesprch, was bei Foster wohl einen derart bleibenden Eindruck hinterlie, dass die Schauspielerin und Regisseurin bis heute immer wieder im Magazin auftaucht, und zwar vor allem als Interviewerin. So fhrte sie zum Beispiel 1983 ein Gesprch mit Nastassja Kinski, das in Auszgen in unserem Flashback nachzulesen ist. Im Kino wird Foster wieder im August zu sehen sein, wenn sie an der Seite von Matt Damon in dem kapitalismuskritischen Science-Fiction-Blockbuster Elysium spielt.

Jodie FOSTER

Yvo n n e Cat t e r f e l d for

Seite 164

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PeOPLe

Kleine Gesprche mit groen Leuten: Olga ROdiOnOva, Gianna nannini, arianne PhiLLiPs, Margarethe TieseL, Billy GiBBOns, christoph WaLTZ & Ulli LOMMeL

SmallTaLK

Was sagt ihr mann dazu?die russische Milliardrsgattin OLGa ROdiOnOva lsst sich gern nackt fotografierenintervieW: Frau Rodionova, Sie sind ja angezogen. Olga rOdiOnOva: Was haben Sie denn erwartet? intervieW: Na ja, wenn man sich Ihre Bcher anschaut, scheinen Sie eher einen lockeren Umgang mit Kleidung zu pflegen. Sie haben Nacktheit zur Kunstform erhoben. Aber dann es ist heute ja auch sehr kalt. rOdiOnOva: Aber wissen Sie: Mir fllt es gar nicht so leicht, mich auszuziehen. Vor allem nicht vor Fremden. Selbst auf einem Set ist es nicht leicht, da stehen ja doch immer sehr viele Menschen rum. intervieW: Was sagt eigentlich Ihr Mann zu den doch eher, sagen wir, expliziten Aufnahmen? rOdiOnOva: Es war seine Idee! intervieW: Seine Idee? rOdiOnOva: Ja, er findet es schn. Sie knnen ihn fragen, er kommt gleich. intervieW: Mit Ellen von Unwerth haben Sie gerade das Buch The Story of Olga verffentlicht, es ist schon der zweite Nacktbildband Ihrer Karriere. Was empfinden Sie, wenn Sie die nackte Frau ansehen, die den armen Holzfller mit einer Reitpeitsche gngelt? rOdiOnOva: Das ist eine andere Frau. Nicht die, die hier sitzt. (Sergej Rodionov betritt die Suite) intervieW: Die meisten Menschen kmpfen ein Leben lang gegen die eigene Hlle an, zweifeln an der Schnheit des eigenen Krpers. rOdiOnOva: Ich nicht. intervieW: In gewisser Weise hebeln Sie mit den Aufnahmen die irdischen Gesetze der Vergnglichkeit aus. rOdiOnOva: Ja, der Krper altert, aber die Bilder nicht. Sie sind mein Vermchtnis und werden noch da sein, wenn ich tot bin. Das finde ich schn. Zumal es nicht nur um Nacktheit geht, sondern auch um das Verhltnis zwischen Mann und Frau, naturgegebene Anziehung, sexuelle Sehnsucht und die Rollenverteilung zwischen den beiden Geschlechtern. In Zeiten der Gleichberechtigung kommt das oft zu kurz. intervieW: Sie glauben, die Emanzipation habe der Sexualitt geschadet? rOdiOnOva: Wenn die moderne Frau einfach nur ein besserer Mann sein will, dann schon. Heute wird manchmal zu sehr auf Gleichberechtigung geachtet, sodass die eigentlich schnen Unterschiede, die Mann und Frau ausmachen, die sie freinander Foto ellen vOn unWerth

Foto: 2012 Ellen von Unwerth, Paris, aus The Story of Olga, TASCHEN 2012

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PEOPLE/SmallTALKgroen Terrors in den 30er-Jahren. Nach dem Sturz der Sowjetunion gab es eine Zeit der Lockerung heute wacht der Staat wieder ber Ideologie, Moral und Kultur. INTERVIEW: Erscheint das Buch in Russland? RODIONOVA: Nein. INTERVIEW: Die Zensurbehrden scheinen sehr aktiv in Russland zu sein. Unser letztes Cover, auf dem Kate Moss und Naomi Campbell nackt zu sehen sind, durfte nicht an den Kiosk. Naomis Brste waren zu viel fr die Zensurbehrde. RODIONOV: Man sollte jede Brust zeigen drfen. Menschen haben nun einmal Brste. Gegen Olga wurde ein Prozess gefhrt, weil sie auf einem Reklamefoto mit nackten Schultern und nacktem Bauch zu sehen war. Das widerspreche Bibel und Koran. In Russland nden Sie immer jemanden, der sich an etwas strt. Wie im Falle von Pussy Riot. Die Heuchelei nimmt wieder zu. Interview JRG HARLAN ROHLEDER THE STORY OF OLGA IST BEI TASCHEN ERSCHIENEN INTERVIEW: Und wie wirkt sich das auf Ihr Schaffen aus? NANNINI: Nach meiner Wiedergeburt in Deutschland, 1983 in Kln, um genau zu sein, habe ich mich mit Stammeskulturen beschftigt. Ich habe erfahren, was es bedeutet, schamanisiert zu werden, verstehen Sie? Jedenfalls habe ich mit deutschen Leuten auf Englisch gearbeitet, weil sie an meine Musik geglaubt haben. In Italien hat man nicht an sie geglaubt. Italiener mgen zwar Rock, sie mgen amerikanische Musik, aber amerikanische Musik von Italienern halten sie fr eine Kopie. In Deutschland ist das ganz anders. INTERVIEW: Da wre ich mir nicht so sicher. NANNINI: Doch, als ich in den Achtzigern mit Conny Plank gearbeitet habe, war es so. Er meinte: Sei du selbst! Das habe ich dann auch gemacht. Ich konnte meiner Kultur treu bleiben, meiner Identitt. Das war fr mich ganz einfach. Vielleicht war es damals auch leichter, kann sein. Heute versucht man oft, Dinge nachzumachen, so zu klingen wie Aber man muss sein, wie man ist. Mit Wein und Essen ist es genauso. INTERVIEW: Mit was? NANNINI: Mit Wein und Essen. Exakt das Gleiche. INTERVIEW: Okay, aber wie sind Sie denn in den Achtzigern in Kln bei Conny Plank gelandet? NANNINI: Das war die Idee meines Managers. Er meinte: Du musst Conny treffen! Ich kannte Connys Arbeit durch DAF und Ultravox. INTERVIEW: Also haben Sie ihn getroffen. NANNINI: Ja, und er meinte: Versuche nicht, das zu machen, was andere schon vor dir gemacht haben. Und versuche nicht, so zu klingen wie Janis Joplin. Janis Joplin war nmlich ein groer Einuss von mir. Er meinte: Du hast eine Stimme wie Joplin, aber du singst besser. Ich hatte es also Conny Plank zu verdanken, dass ich mich fand. Deswegen wurde ich damals in Kln wiedergeboren. Interview HARALD PETERS GIANNA NANNINIS NEUES ALBUM HEISST INNO SONY waren die Sechziger. Also rauchten sie Gras und lasen sich gegenseitig Gedichte vor. Ich war das einzige Kind in der Runde. Manchmal zog ich mir an diesen Abenden Sachen aus dem Koffer an und fhrte improvisierte Tnze auf, whrend mein Vater Jazzmusik spielte. TILLMANN: Sie arbeiten seit 15 Jahren mit Madonna. Was halten Sie von Lady Gaga? PHILLIPS: Ich liebe sie! Sie wagt etwas. Ich erkenne viele ihrer Reverenzen, zum Beispiel Grace Jones. Und sie ist noch so jung! (Ein Kellner bringt eine belgische Waffel) Das liebe ich an Deutschland. All diese Kohlenhydrate! TILLMANN: Ich fhle mich immer schlecht, wenn ich erzhle, dass ich ohne Kohlenhydrate nicht leben kann. PHILLIPS: Wenn ich zu Hause in Kalifornien bin, dann esse ich morgens immer Reis vom Vortag. Dazu mache ich mir Rhrei und Tortillas. Wo waren wir stehen geblieben? TILLMANN: Bei Lady Gaga. Was halten Sie eigentlich von Anna Dello Russo? PHILLIPS: Sie lsst auf Worte auch Taten folgen, das mag ich. Ich bewundere jeden, der sich durch Mode wirklich individuell ausdrckt. Heute kann man der Globalisierung sei Dank berall auf der Welt dasselbe T-Shirt kaufen. An den Schuhen allerdings kann ich in der Regel ablesen, wo ein Mensch herkommt. Insgesamt tragen Europer aber schnere Schuhe als Amerikaner. Fast jeder heterosexuelle amerikanische Mann trgt groe, klobige Treter. TILLMANN: Ich knnte stundenlang ber Schuhe reden, aber ich mchte Sie noch etwas zu Ihrer Arbeit fragen: Sie haben unter anderem A Single Man, W. E. und Walk The Line ausgestattet. Wie beeinussen Ihre Kostme den Charakter einer Filmgur? PHILLIPS: Ein Outt kann verndern, wie sich eine Figur bewegt und welche Beziehung sie zu ihrem Krper hat. Auerdem gibt es Auskunft darber, in welcher Epoche der Film spielt. Kostme sind ein visueller Schlssel fr die Geschichte. TILLMANN: Wie vermeiden Sie, dass ein Kostm die Figur berstrahlt? PHILLIPS: Manchmal muss es das sogar! Und es geht nicht um meinen persnlichen Geschmack. Kostmdesign ist etwas ganz anderes als Mode. Man bentigt sehr viel Feingefhl, damit kein Bruch entsteht zwischen der Figur und dem Outt. TILLMANN: Mussten Sie schon mal mit Regisseuren arbeiten, die sich fr Ihre Arbeit nicht interessieren? PHILLIPS: Regisseure interessieren sich hug nicht allzu sehr fr Mode, also ja. Ich arbeite brigens besonders gerne mit britischen Schauspielern. Sie sind immer interessiert an der Gestaltung ihrer Outts. TILLMANN: Woran liegt das wohl? PHILLIPS: In Amerika bringt man Schauspielern bei, ihre Rolle ber die Emotionen und Erinnerungen ihrer Figur aufzubauen. In Grobritannien ist das ganz anders. Britische Schauspieler lernen, physischer zu denken. Sie mssen als Erstes den Krper ihrer Figur verstehen.

IST DAS JETZT IHR GROSSER DURCHBRUCH?MARGARETHE TIESEL ber ihre Rolle als Sextouristin in Paradies: Liebe und den Erziehungsauftrag europischer Urlauber

OLGA UNCHAINED

attraktiv machen, dahinter verblassen. Sexualitt ist der Antrieb, der uns am Leben erhlt. Das darf man nicht vergessen. INTERVIEW: Erinnern Sie sich an Ihr erstes Nacktbild? RODIONOVA: Das war fr den Playboy, oder? SERGEJ RODIONOV: Nein, es war fr einen Kalender in Russland. Der Fotograf suchte nach Models, und ich schlug Olga vor. Allerdings el es Olga damals noch sehr schwer, sich vor der Kamera auszuziehen. Ich sa gerade in einem wichtigen Business Meeting, als sie mich anrief und sagte: Schnell, schnell, ich bin fast nackt und wei nicht, was ich tun soll. Bitte komm. Ich antwortete nur: Aber darum geht es doch! Das Ergebnis war umwerfend! Es machte Olga berhmt. Ich sah sie auf dem Schreibtisch des damaligen Chefs von Gazprom liegen. Er war damals schon 65. Und fand die Bilder richtig gut. INTERVIEW: Waren Sie stolz oder eiferschtig? Immerhin macht Olga im neuen Band mit einem gut gebauten Holzfller rum. RODIONOVA: Der war so nett! RODIONOV: Okay, okay, das reicht (lacht). Nein, es fhlt sich gut an. Und auf eine Art belebt es auch die Beziehung. Weil man andere Facetten sieht. Allerdings war auch die Reaktion des reichsten Russen in London interessant: Er hatte die Bilder von Olga im Playboy gesehen und meinte nur zu mir: Ist dir eigentlich klar, dass die ganze Welt sich jetzt auf die Bilder einen runterholt? INTERVIEW: Und was haben Sie geantwortet? RODIONOV: Dass so nur ein Mann denkt, der mehrere Jahre in Russland im Gefngnis sa. INTERVIEW: Wie nden denn Ihre Eltern die Aufnahmen? RODIONOVA: Papa besser als Mutter. INTERVIEW: Und was sagt Ihre 16-jhrige Tochter dazu? RODIONOVA: Zuerst war es ihr peinlich. Die anderen Kinder hnselten sie in der Schule, ein Albtraum sie hat sich nichts mehr gewnscht als eine Mutter, die aufrumt, putzt und kocht. Wie die anderen Mtter. Aber das bin ich nun mal nicht. INTERVIEW: Zu Sowjetzeiten wren Sie fr die Aufnahmen verhaftet worden. RODIONOVA: Josef Stalin hat Abtreibung, Erotik und Homosexualitt verboten. Und zwar gleich zu Beginn des

nichts, was Sie nicht wollen. Und dann hab ich mir gedacht: Wenn ich das jetzt nicht mache, dann rgere ich mich mein Leben lang. Und er zwingt einen ja zu nichts, er lsst einem alle Freiheiten, und dadurch geht man viel weiter, als man zunchst dachte. INTERVIEW: Sie waren fr Ihre Rolle fr den Europischen Filmpreis nominiert. TIESEL: Oh ja, das ist toll. INTERVIEW: Ist das jetzt Ihr groer Durchbruch? TIESEL: Wei ich nicht, kann ich nicht sagen. Ich bin ja schon alt. Ich denke mir einfach: Toll, dass ich das erleben durfte. INTERVIEW: Vielen Dank, Frau Tiesel, ich denke, wir sind durch TIESEL: Sie fragen mich nicht ber die Nacktheit? INTERVIEW: Ach, das fragen doch alle. TIESEL: Ja, stimmt, das fragen immer alle! INTERVIEW: Oder wie es ist, Sexszenen vor der Kamera zu spielen. Ich meine, wie solls schon sein? TIESEL: Nicht wahr?! Interview HARALD PETERS

Fotos: 2012 Ellen von Unwerth, Paris, aus The Story of Olga, TASCHEN 2012, dpa Picture-Alliance/Juri Reetz; ddp images/AP Photo/Matt Dunham, Jemal Countess/WireImage for Persol/Gettyimages, Ulrich Seidl Film

WIE SIND SIE IN KLN GELANDET?GIANNA NANNINI spricht ber ihre deutschen WurzelnINTERVIEW: Ihr neues Album trgt den Titel Inno. Inno heit Hymne, oder? GIANNA NANNINI: Ja, inno ist die Melodie, die in dir steckt, etwas, das jeder in sich hat und haben muss. Fr die Wiedergeburt zum Beispiel. INTERVIEW: Ah, verstehe. NANNINI: Warten Sie mal kurz, ich muss kurz meiner Tochter Hallo sagen: TOCHTER!! CIAO! Sie ist gerade zurck aus der Schule. INTERVIEW: Aus der Schule? Ihre Tochter ist doch erst zwei. NANNINI: Entschuldigung, ich war kurz abgelenkt. Was hatten Sie gerade gefragt? INTERVIEW: Ja, wenn ich das noch wsste Ich war bei Ihrer Platte, glaube ich. Wenn man alles mitzhlt, ist es die 27., ungefhr. NANNINI: Aber das sind nur Zahlen. Ich zhle nicht. Die Vergangenheit ist vergangen, die Zukunft ist etwas anderes. Aber ich, ich lebe in der Gegenwart. Ich wurde brigens in Deutschland geboren. Wussten Sie das? INTERVIEW: Das wusste ich jetzt nicht. NANNINI: Doch, das war sehr wichtig fr mein Leben. Meine Musik trgt den europischen Gedanken in sich. Wir mssen an unsere Kulturen glauben. Die Wurzeln sind wichtig, Wurzeln gibt es berall: Wein, Musik und mglicherweise Mode.

PARADIES: LIEBE IST GERADE ANGELAUFEN INTERVIEW: Frau Tiesel, was ist an Sextourismus deprimierender: die Sache an sich oder der Umstand, dass die Leute sich davon mehr versprechen als Sex? MARGARETHE TIESEL: Beides ist traurig. Dass sich die Frauen nach Afrika begeben mssen, um einen Lover zu nden, weil sie hier den Schnheitsvorstellungen nicht mehr entsprechen. Dass die wirtschaftliche Situation dort so ist, dass sich die Mnner darauf einlassen. Und natrlich ist es auch traurig, dass die Sehnsucht nach Liebe sehr oft nicht erfllt wird. INTERVIEW: Selbst die nicht sexuellen Aspekte des Films deprimieren. Es gibt diese Szene, in der Sie mit einer Freundin an der Theke sitzen und versuchen, dem Barmann sterreichische Worte beizubringen. Das konnte ich mir kaum ansehen. TIESEL: Weil es nicht politisch korrekt ist? INTERVIEW: Nein, weil man wei, dass sich Urlauber in Dritte-Welt-Lndern exakt so verhalten. TIESEL: Ja, weil sie sich durch das wirtschaftliche Geflle berlegen fhlen. INTERVIEW: Die Dialoge sind komplett improvisiert. Wie lautete in solch einer Szene denn Ulrich Seidls Regieanweisung? TIESEL: Das wei ich leider nicht mehr. Aber ich kann mich noch genau erinnern, was Ulrich Seidl mir vor der Szene, in der ich mit dem Beachboy aufs Zimmer gehe, gesagt hat, nmlich dass die Sugarmamas aus sterreich und Deutschland dazu neigen, die Jungs zu erziehen. Also habe ich mir gedacht, dass ich ihm zeige, wie man eine Frau berhrt. INTERVIEW: War das eigentlich eine schwere Rolle? TIESEL: Also, leicht war es nicht. Ich sage immer, es war die hrteste, aber auch die schnste Arbeit meines Lebens. INTERVIEW: Sie wussten wahrscheinlich, worauf Sie sich einlassen. Viele Schauspieler wrden zurckschrecken, wenn Seidl anruft. TIESEL: Er hat zu mir gesagt: Frau Tiesel, es passiert

WARUM STEHEN SIE IM KHLSCHRANK?ZZ-Top-Frontmann BILLY GIBBONS ber Haarprobleme und die Zahl neunINTERVIEW: Hallo, wie geht es Ihnen? BILLY GIBBONS: Gut, aber ich fhle mich ein bisschen weird. INTERVIEW: Warum das? GIBBONS: Ach, weil ich das Wort gerade oft benutze. Fr ein Stck schlug unser Tontechniker den Titel Chartreuse vor. Ich wusste, dass es sich dabei entweder um eine Farbe oder um eine Alkoholsorte handelt, und dachte: Irgendwie weird. Aber genau das trifft auch auf ZZ Top zu. INTERVIEW: Und Big Shiny Nine? Ist das etwa die Lieblingszahl des Tontechnikers? GIBBONS: Wir benutzen manchmal eine Geheimsprache des Blues.

WIE WAREN SIE ALS KIND?Kostmdesignerin ARIANNE PHILLIPS im Gesprch mit ANITA TILLMANN, Chen der Modemesse PremiumANITA TILLMANN: Meine Kinder versuchen stndig, unseren Hund oder sich selbst chic zu verkleiden. Wie waren Sie als Kind? ARIANNE PHILLIPS: Ich lebte mit meiner Mutter in der Bay Area, in Berkeley. Meine Mutter und ihre Geschwister waren Knstler, Bohemiens. Sie gingen oft mit mir auf den Flohmarkt. Auerdem hatte meine Mutter einen alten Koffer, der war voll mit Kleidern und tibetanischen Schals eine groe Zauberkiste. Wir hatten hug Freunde zu Besuch, und es

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PEOPLE/SmallTALKBig Shiny Nine ist ein Song, in dem es vordergrndig um eine Sache geht INTERVIEW: Und wovon handelt er eigentlich? GIBBONS: Es knnte eine sexuelle Anspielung sein. Da geht es quasi um Lngen, und eine Neun ist ja schon mal nicht schlecht. Er knnte aber auch von einer Neun-Millimeter-Pistole handeln. Das knnen Sie sich aussuchen. INTERVIEW: Ach, danke. Warum stehen Sie eigentlich im Clip zu I Gotsta Get Paid in einem Khlschrank? GIBBONS: Der Song ist eine Kombination aus Rap und Blues. Ich bin glcklich, dass wir diese beiden ungleichen Partner zusammengebracht haben! Wir wollten damit der Tradition des Houston Ghetto Blues huldigen. Er basiert auf dem Rap-Song 25 Lighters. Entschuldigung, wie lautete Ihre Frage noch? INTERVIEW: Warum Sie in einem Khlschrank stehen. GIBBONS: Ach ja. Ein Whiskeyhersteller hat uns engagiert, um sein Getrnk bekannter zu machen. Der Regisseur des Clips war an Jackass beteiligt der Khlschrank war seine Idee. Wir sollten uns darin verstecken. Ein paar Typen haben ihn aufgemacht und sich ziemlich erschreckt. Denen habe ich dann erst mal einen Drink rausgereicht. INTERVIEW: War der Khlschrank eingeschaltet? GIBBONS: Allerdings. Der Whiskey sollte ausgeschenkt werden, und es wurde gefragt, ob er kalt genug sei. Das konnte ich garantieren. Wir standen einen halben Tag lang da drinnen! INTERVIEW: Haben Sie eigentlich manchmal bad hair days? GIBBONS: Gestern Abend habe ich mir Sushi aufs Zimmer bringen lassen. Ich habe es im Bett gegessen und bin dabei eingeschlafen. Heute Morgen, als ich in den Spiegel sah, habe ich ein paar Reste in meinem Bart entdeckt. Hier, sehen Sie? INTERVIEW: Tatschlich. Sieht aus wie Sojasoe. GIBBONS: Ich dachte nur: Ach, das hebe ich mir fr spter auf. Interview KATHARINA BHM ZZ TOPS NEUES ALBUM HEISST LA FUTURA UNIVERSAL INTERVIEW: Sie spielen diesmal keinen Bsewicht. WALTZ: Darf ich erwhnen, dass ich diese BsewichtDiskussion mittlerweile inationr fhre? Wenn wir der Einteilung in Gut und Bse mal auf den Grund gingen, wrden wir mit Beschmung feststellen, dass wir nicht wirklich wissen, worber wir da reden. Was ist denn das Gegenteil: der Gutewicht? INTERVIEW: Nennen wir es den Gegenpart zum Helden. Vielen Schauspielern haftet der Charakter ihrer Rolle irgendwann an bei Ihnen ist das anders. Sie gelten als sympathisch. Ich wrde sagen, es liegt daran, dass Sie immer etwas Spitzbbisches haben. WALTZ: (lacht) Spitzbub ist ein wunderschnes Wort. Man sagt ja, alles hat zwei Seiten. Und mir gefllt die andere meist besser. INTERVIEW: Um nicht auch noch in die Quentin-Tarantino-Falle zu tappen: Welche Frage ber ihn knnen Sie nicht mehr hren? WALTZ: Ach, eigentlich fast alle. Das heit aber nicht, dass ich sie nicht beantworten knnte. Fragen Sie! INTERVIEW: Ich habe gar keine vorbereitet. WALTZ: Super (lacht). Danke. INTERVIEW: Wie war denn die Premiere gestern? WALTZ: Das war nur ein Screening in New York, aber super. Ich hatte den Film bisher nur in Teilen im Synchronisationsstudio gesehen, ich muss ihn noch ein paar Mal angucken, bevor ich eine Meinung habe. INTERVIEW: Schauen Sie Ihre Filme immer so genau? WALTZ: Nur wenn mich der Dreh interessiert hat. Wenn nicht, ist mir das Ergebnis oft gleichgltig. INTERVIEW: Hat man bei der Synchronisation eigentlich noch mal die Chance, etwas zu verbessern? WALTZ: Natrlich, alles kann man besser machen. INTERVIEW: Entschuldigen Sie diese anbiedernde Frage, aber wie geht man mit Erfolg um? WALTZ: Jeder, wie er kann, nehme ich an. Er ist ja mglicherweise noch dynamischer als der Misserfolg. Man muss mit groer Aufmerksamkeit versuchen, nicht die Bodenhaftung zu verlieren. Das geht aber, man ist da kein Opfer. INTERVIEW: Haben Sie sich mal selbst belohnt? WALTZ: Ich bin nicht der Typ, der sich einen Porsche kauft, weil er ndet, er habe nun etwas geleistet. Ich belohne mich mit der Freude ber das Gelingen. INTERVIEW: Ich mchte Sie nicht in diese Ecke drngen, aber man liest ja von Trends unter HollywoodSchauspielern: eine bestimmte Hunderasse, dieser super Personal Trainer. Sind Sie da dabei? WALTZ: (lacht) Wissen Sie, ich bin irgendwie zu alt dafr. Auch zu stur. Ich interessiere mich nicht so fr Trends, schndlicherweise vielleicht. INTERVIEW: Wenn Sie chten mssten, wohin wre das? WALTZ: Ins Waldviertel. Eine Gegend in sterreich. INTERVIEW: Das klingt gut. WALTZ: Ich bin mir auch nicht sicher, ob es stimmt, aber ich fand auch, das klingt gut. INTERVIEW: Sie htten es eh nicht verraten drfen, sonst htte man Sie ja gefunden. Ich wnsche Ihnen noch einen angenehmen Promotionstag. WALTZ: Ich danke Ihnen, mal sehen, ob wir hier heute noch promovieren. Interview LAURA EWERT

SIND SIE NOSTALGISCH?Fassbinder, Warhol, ULLI LOMMEL: das Leben des Filmemachers als TheaterstckINTERVIEW: Herr Lommel, Sie sind zu rck in Ihrer alten Heimat! ULLI LOMMEL: Ich habe meine Teenagerjahre in Berlin verbracht, aber seitdem war ich immer nur ein paar Tage hier. Ich kann noch gar nichts zur Stadt sagen. Ich bin gespannt! Ich habe jetzt 35 Jahre Los Angeles in mir. LOMMEL 1979 IN INTER VIEW Da schlafen bestimmte Dinge ein, weil sie nicht gebraucht werden. Und andere Dinge, Glamour oder Small Talk, werden stndig abgerufen. INTERVIEW: Haben Sie sich noch nicht umgeschaut? LOMMEL: Doch! Ich habe in einem Antiquariat in Schneberg eine Interview-Ausgabe von 1979 mit einer Geschichte ber mich gefunden. Die hie The Americanization of Ulli. Das Foto ist toll. INTERVIEW: Damals lebten Sie in New York, haben mit Andy Warhol gefeiert und gearbeitet. LOMMEL: Ich kann seitdem nicht mehr ausgehen. Die drei Jahre waren unschlagbar. Seitdem ist jede Party drittklassig. Heute deprimieren mich solche Ansammlungen von Menschen. Mich bekommt in meinem Leben keiner mehr auf eine Party. Deswegen wei ich nicht genau, ob das jetzt so toll war. INTERVIEW: Treffen Sie Ihre alten Freunde noch? LOMMEL: Nein! Die sehen heute so anders aus als damals. Das ist nicht so schn. Bianca Jagger schaue ich mir lieber auf alten Bildern an. Die sieht nicht mehr so gut aus. INTERVIEW: Sind Sie nostalgisch? LOMMEL: Ich mag Nostalgie. INTERVIEW: Haben Sie keine Angst davor, im Gestern stecken zu bleiben? LOMMEL: Ich lebe ja in Los Angeles, und mehr Gegenwart als Los Angeles geht gar nicht. INTERVIEW: Neben Andy Warhol war Fassbinder in Ihrem Leben eine prgende Persnlichkeit. LOMMEL: Mit dem bin ich durch. Das interessiert mich nicht mehr. Die Phase habe ich aufgearbeitet. INTERVIEW: Jetzt inszenieren Sie Ihre Autobiograe an der Volksbhne in Berlin. LOMMEL: Mein Buch ist nur der Ausgangspunkt, mal sehen, wo uns das hinfhrt. Aber es wird schon auch um die Zeit mit Warhol gehen. Interview NINA SCHOLZ ULLI LOMMELS FUCKING LIBERTY! STARTET AM 17. JANUAR IN DER VOLKSBHNE BERLIN

Carsten Nicolai, unidisplay, 2012, Courtesy Galerie EIGEN + ART Leipzig/Berlin und The Pace Gallery, New York Form: Surface

Carsten Nicolaiunidisplay uni(psycho)acoustic

HABEN SIE SICH MAL BELOHNT?CHRISTOPH WALTZ reitet fr Quentin TarantinoINTERVIEW: Herr Waltz, man bat mich, nur Fragen zu Django Unchained zu stellen, allerdings durfte ich ihn noch nicht sehen, wir mssen da jetzt ein wenig improvisieren. CHRISTOPH WALTZ: (lacht) Ach, stellen Sie einfach Ihre Fragen, und wir entscheiden dann, ob sie zum Film passen. DJANGO UNCHAINED STARTET AM 17. JANUAR

Fotos: Sony Pictures (3), Barry McKinley fr INTERVIEW Mai 1979

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Naomi Campbell trifft imaNSie ist die Frau, die alles bekommt, die Frau, der man alles gnnt: die Titelseiten dieser Welt, ein florierendes Kosmetikunternehmen, David bowie. Und eine Schnheit, die nicht von dieser Welt ist. Naomi Campbell sprach mit imaN mohameD abDUlmajiD ber ihren Kampf fr die Gleichberechtigung schwarzer Frauen, den verregneten hochzeitstag in der Toskana und Daddy bowieporTrT

people

Naomi & imaN, im Dezember 2012

miChAel AveDoN

Ein Gesprch mit Iman ist nicht so leicht zu haben. Obwohl sie weltberhmt ist, schtzt sie ihre Privat sphre und hat sich so die Aura des Geheimnisvollen bewahrt. Bei all ihrer Bescheidenheit ist sie eine der ein flussreichsten Personen der Modewelt, insbesondere natrlich fr farbige Frauen. Sie hat den Weg fr eine ganze Generation schwarzer Models geebnet. Un sichtbare Schranken hat sie niedergerissen, nicht zu letzt mit ihrem legendren Werbespot fr den Cog nac Ta Mara. Diese Werbung hat alles verndert. Auf dem Hhepunkt ihres Ruhms hat sie alle ver blfft, indem sie ihre eigene Kosmetiklinie auf den Markt brachte. Und als Unternehmerin war sie ge nauso geschickt wie als Fotomodell. Bald war sie im Wirtschaftsteil der Zeitungen ebenso heimisch wie im Stilressort. Als sie 1992 David Bowie heiratete, wurde sie endgltig zur Legende. Obwohl ich sie schon wahnsinnig lange kenne, war es eine Ehre fr mich, mit Iman ber ihr auer gewhnliches Leben sprechen zu drfen. Das war ein Nachmittag, den ich nicht so schnell vergessen werde.

Naomi Campbell: Iman, du bist in Somalia auf gewachsen. Verbindet dich heute noch viel mit dem Land deiner Eltern? imaN mohameD abDulmajiD: Nicht wirklich. Meine ganze Familie lebt seit mehr als 20 Jahren in Amerika, und Somalia ist heute nicht mehr das Land meiner Kindheit. Das ist ziemlich traurig, da meine Eltern eigentlich dort begraben werden wollen. Egal wie viel Geld ich jemals verdiene, diesen Wunsch werde ich ihnen nicht erfllen knnen. Naomi: Wie bist du aufgewachsen? imaN: Wir hatten wenig Geld, aber wir waren nicht arm. Das Leben nderte sich spter, als mein Va ter Diplomat wurde. Naomi: Bist du mit ihm gereist? imaN: Schon, allerdings boten damals Lnder wie der Sudan und SaudiArabien keine ausreichenden Bildungsmglichkeiten fr Mdchen. Deswegen be suchte ich eine Schule in gypten. An langen Wo chenenden flogen wir dann nach Beirut, ins Paris des Mittleren Ostens. Naomi: Welchen Einfluss hatte deine Mutter auf dich? imaN: Na ja, ich bin in einem muslimischen Land aufgewachsen. Dort gelten Jungs in der Regel mehr als Mdchen das akzeptierte meine Mutter nicht. Sie gab mir immer das Gefhl, dass ich jedwede Dinge mindestens so gut, wenn nicht besser kann als die Jungs. Ihr war es wichtig, dass ich mich nicht unter Wert verkaufe, mich nicht mit weniger zufrieden gebe. Sie sagte immer: Iman, Nein ist ein vollstndi ger Satz. Lerne Nein zu sagen. Als ich 1975 nach Amerika kam und zum ersten Mal hrte, das schwarze Models weniger verdienen als weie, schmerzte es sehr. Deshalb lautete meine erste Ansage: Ich mach den Job nicht, wenn ich auch nur einen Cent weniger bekomme. Naomi: Ja, das war dein Verdienst! imaN: Ich folge einem ganz einfachen Grundsatz: Geh, wenn eine Sache nicht gut fr dich ist. Man darf keine Angst davor haben zu gehen. Naomi: Du bist seit 20 Jahren mit David Bowie verheiratet. Was ist das Geheimnis einer glcklichen Ehe? imaN: Man muss sich toll finden, den anderen be gehren, sich respektieren. Das ist die Grundlage. Da rber hinaus haben wir entschieden, dass wir Presse, Journalisten, all das, nicht bei uns zu Hause haben wollen. Privates und ffentliches trennen wir sehr ge nau. Es ist einfach schwer, jemals Ruhe zu finden, wenn man einmal die Tr zu weit ffnet. Abgesehen davon amsieren wir uns sehr zu zweit. David ist ein echter Gentleman, sehr englisch auf eine Art. Naomi: Eure Hochzeit in der Toskana soll sehr romantisch gewesen sein imaN: es hat geregnet! Naomi: Das soll ja Glck bringen. imaN: Aber man will dennoch nicht, dass es am Hochzeitstag regnet und man alles nach Innen ver legen muss. Die Italiener sagten: Oh, beschwer dich nicht, du wirst 50 Jahre verheiratet sein, du wirst sehr glcklich sein! Und damit hatten sie recht. Naomi: Iman, du warst das erste schwarze Model auf dem Cover der Vogue imaN: nein, das war Beverly Johnson. Naomi: Ach, stimmt, okay, das zweite. Dafr hast du uns allen geholfen: mir, Tyra, Jourdan Dunn imaN: Mir haben Naomi Sims und Beverly John son geholfen. Naomi: Und Donyale Luna.

Iman: Ganz genau. Beverly hat die Tr zu den Editorials fr uns geffnet, ich wollte das, was ich ger ne als Kriegsbeute bezeichne, ich wollte die Kampa gnen, die Anzeigen, das groe Geld. naomI: Das hast du auch bekommen! Iman: Ja, habe ich. naomI: So habe ich dich auch erstmals gesehen: nicht in irgendeinem Editorial, sondern in Anzeigen kampagnen. Du wurdest von Pete Beard entdeckt, ei nem amerikanischen Fotografen. Kannst du die Ge schichte kurz erzhlen, obwohl du sie wahrscheinlich schon sehr oft erzhlt hast? Iman: Ja, ganz kurz. naomI: Schie los! Iman: Ich war in Nairobi auf dem Weg zur Uni, als er mich auf der Strae angehalten hat und fragte, ob ich jemals fotografiert worden sei. Und ich dachte nur: h, wieso denken eigentlich immer alle Leute, dass es in Afrika keine Kameras gibt? naomI: Haha. Iman: Und ich sagte: Natrlich bin ich schon fotografiert worden. Und er darauf: Von wem? Und ich: Meinen Eltern. Und er dann: Professio nell? Und ich dachte, dass er wie ein Typ vom Playboy daherredet so wie ihn stellte ich mir die Leute vom Playboy nmlich vor. Also sagte ich: Ich bin nicht die se Sorte Mdchen. naomI: Haha. Iman: Spter gehrte ich dann aber doch zu die sen Mdchen, weil Richard Avedon mir meine Sachen ausgezogen hat. Jedenfalls meinte Pete Beard, dass er mich gern fotografieren wrde. Aber ich tat so, als wrde ich ihn gar nicht hren, und ging einfach weiter. naomI: Er war ein hbscher Mann, nicht wahr? Iman: Oh, er ist es immer noch Nachdem ich abgelehnt hatte und einfach weiterging, meinte er: Ich zahle auch dafr! Und ich sagte: Was? Wie viel? Ich hatte damals nmlich berhaupt kein Geld, und die Studiengebhren waren fllig. Peter fragte: Wie viel Geld willst du denn haben? 8 000, antwortete ich, das war in etwa der Betrag, den man fr ein einjhriges Stipendium bekam. Und er sagte: 8 000 Dollar? Okay! naomI: Cleveres Mdchen! Iman: Natrlich dachte ich, dass die Sache damit erledigt sei und ich ihn nie wieder sehen wrde. Aber dann kontaktierte er mich ber einen Freund. Er lie mir ausrichten, dass ich am nchsten Tag irgendwo zu erscheinen habe. Dann hatte ich jemanden von der Modelagentur am Telefon: Oh, du musst nach New York kommen, um eine Karriere als Model zu ma chen, bla, bla, bla dabei hatte ich damals noch nie ein Modemagazin gesehen. Also sagte ich: Ja, aber nur, wenn ihr mir das Rckflugticket bezahlt. naomI: Na klar! Iman: Auerdem brauchte ich fr die Reise die Einwilligung meiner Mutter, ich war nmlich noch zu jung. Ich hab dann meine Papiere geflscht. naomI: Hast du nicht! Iman: Doch, hab ich, laut meinen Papieren war ich 19. naomI: Und wie alt warst du wirklich? Iman: Nicht einmal 18. naomI: Also 17. Iman: 17 und ein bisschen. naomI: Du Fuchs! Iman: Natrlich flog die Sache binnen einer Wo che direkt auf, weil meine Fotos pltzlich in Newsweek abgebildet waren. Mein Vater sah die Ausgabe der Zeitschrift zu Hause in Afrika und fragte: Wo ist sie?!

dIe Frau, dIe vom HImmel FIel In New York? Wer hat ihr das erlaubt? Seitdem lebe ich hier. naomI: Hast du rger bekommen? Iman: Ziemlich! naomI: Sehr gut! Den hast du verdient. Iman: So fing es jedenfalls an. Meinen ersten Job an meinem dritten Tag in New York hatte ich mit Ar thur Elgort fr die amerikanische Vogue. naomI: Du hast von Anfang an Geschichte ge schrieben! Und trotzdem hast du vor mehr als 20 Jah ren aufgehrt zu modeln. Iman: Weit du eigentlich, seit wann ich bei kei ner Fashion Show mehr war? Seit 1989! naomI: Als Model oder als Gast? Iman: Die einzige, bei der ich war, ist die deiner Stiftung! naomI: Leute, habt ihr das gehrt? Die einzige

Foto (rechte Seite): Bruce Weber/South Africa/Imans private archive

Ich wollte das, was ich gerne als Kriegsbeute bezeichne, ich wollte die Kam pagnen, die Anzeigen, das groe Geld35

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Iman

Fashion Show, bei der Iman seit 1989 als Gast aufge taucht ist, war Fashion for Relief 2005 zugunsten der Opfer von Hurrikan Katrina. Tausend Dank, dass du da warst. Naomi: Hast du eigentlich irgendwelche neuen Lieblingsdesigner? imaN: Klar. Eine ganze Menge. Alexander Wang, Prabal, Joseph Altuzarra und Jason Wu. Tut mir leid fr Oscar de la Renta, aber das ist der neue Oscar de la Renta. Er ist das neue Blut. Die neue Zeit. Naomi: Deine Firma Iman Cosmetics ist welt weit erfolgreich. Ich jedenfalls tue keinen Schritt ohne deinen Lippenstift. Wie hast du das geschafft? imaN: Die Idee kam mir am allerersten Tag als Model. Ich wurde von Arthur Elgort fr die ameri kanische Vogue fotografiert. Der MakeupArtist, sei nen Namen habe ich leider vergessen, sagte zu mir: Hast du deine eigene Foundation dabei? Ich habe nmlich nichts fr dich. Die Frage stellte er dem anderen Mdchen nicht. Und ich hatte in meinem Leben noch nie Makeup gesehen. Er mixte dann ir gendwas zusammen, und meine Haut sah anschlieend grau aus. Naomi: Das ist so eine Frechheit! Ist mir auch schon passiert. imaN: Als Model ist dein Bild deine Whrung. Es ist das Einzige, was du hast. Niemanden interessiert es, wie du in Wirklichkeit aussiehst. Und hinterher wrde niemand sagen, das der MakeupTyp ein Idiot war. Sie wrden sagen, dass du schrecklich aussahst, und dich nicht wieder buchen. Deswegen habe ich meine eigene MakeupLinie gegrndet. Ich bin in New York durch die Lden gezogen, habe alle Foun dations gekauft, die ich finden konnte. Die habe ich zusammengemixt und Polaroids von mir selbst ge macht, bis ich die richtige Mischung hatte. Ich habe das also vor 20 Jahren erfunden. Und der Laden ge hrt immer noch mir. Naomi: Du hast fr die BBC einen Dokumentar film ber das Leid in Somalia gedreht. Der Film wur de im Weien Haus gezeigt, damit die Amerikaner die Situation besser verstehen. imaN: Und daraufhin haben sie ihre Truppen los geschickt. Naomi: Meinst du, das hat was gebracht? imaN: Auf jeden Fall. Die Armee hat Nahrung ins Land gebracht. War es befreiend? Nein. Aber es hat ein Kapitel abgeschlossen. Als ich dort war, fuhr ich zu meiner alten Schule und zu unserem alten Zuhau se, das ich mitten in der Nacht verlassen hatte, als wir nach Kenia gezogen sind. Fr den Film folgte ich den Lastwagen, die jeden Morgen die Toten einsammel ten, weil die Leute sie vor die Huser legten. Endlose Huserreihen mit Leichen davor. Als ich zurck in die Schweiz kam, wo David und ich damals noch lebten, hatte ich meine Stimme verloren. Der Arzt meinte, es sei der Schock. Ich konnte auch zwei Wochen nicht liegen. Aber der Film war mir wichtig, und ich bin stolz drauf. Naomi: In den Neunzigern hast du Nelson Man dela getroffen, als du fr die amerikanische Vogue in Kapstadt warst. Wie fhlte es sich an, diesen Mann kennenzulernen? imaN: Ich schwebte auf Wolken. Gott sei Dank war Bruce Weber schnell genug, uns zu fotografieren. Es war das erste und einzige Mal, dass David und ich gemeinsam in einer Fotoproduktion waren. Wir sind damals nach Sdafrika gefahren, weil sich das Land gerade ffnete und um die Rainbow Nation von Nelson Mandela zu ehren. Wir blieben einen ganzen

people/Naomi CampbellMonat da und trafen Miriam Makeba, den Knstler Beezy Bailey, den Musiker Hugh Masekela, Desmond Tutu. Ein wahnsinniger Trip. Naomi: Du bist Botschafterin von Raise Hope for Congo. Kannst du mir was darber erzhlen? imaN: Im Osten des Kongo gibt es groe Roh stoffvorkommen, mit denen verschiedene Sldner truppen finanziert werden. Viele von denen benutzen Massenvergewaltigungen als Strategie, um die Bevl kerung einzuschchtern und die Kontrolle ber die Minen und die Handelsstraen zu behalten. Der Br gerkrieg dort ist der schlimmste Konflikt seit dem Zweiten Weltkrieg. Bewaffnete Gruppen verdienen Hunderte Millionen Dollar jedes Jahr mit dem Han del der vier wichtigsten Mineralien: Zink, Tantalum, Wolfram und Gold. Mit dem Geld kauft die Miliz Unmengen von Waffen und terrorisiert die Zivilbe vlkerung. Die schlimmsten Verbrechen geschehen rund um die Minen. Das Problem ist, dass diese Mi neralien fr die Produktion von elektronischen Ger ten wie Mobiltelefonen und Computern gebraucht werden. Die Herkunft von Rohstoffen ist oft nicht bekannt. Westliche Konsumenten knnen nie aus schlieen, dass sie bewaffnete Milizen in Afrika indi rekt untersttzen. Naomi: Du bist sehr aktiv auf Twitter. Was sind deine Erfahrungen damit? Bringt es dir was? imaN: Wenn ich David erwhne, kriege ich sofort tausend Antworten. Wenn ich ber mein Business tweete, nur ein paar. Je persnlicher man wird, desto besser. Naomi: Eure Tochter Lexi ist fast schon ein Teenager wie muss man sich David als Vater vorstel len? imaN: Er ist der Sensible, der Lustige und ber nimmt den entspannteren Part. Ich bin eher die Strenge! Naomi: Verrtst du uns, welcher dein liebster Song von David ist? imaN: Heroes und das gesamte Album Heathen. Naomi: Du bist mit einem der groartigsten Mu siker aller Zeiten verheiratet. Gibt es, abgesehen von Davids Werk, Musik, die du gerne hrst? imaN: Bon Iver, JayZ, Kanye West und Adele. Naomi: Leihst du dir manchmal seine Klamot ten? imaN: Nein! Honey, ich habe Hften! Die wr den niemals passen! Naomi: Was ist das schnste Geschenk, das dir deine Kinder jemals gemacht haben? imaN: Armbnder aus Nudeln, die sie selbst ge bastelt haben. Naomi: David malt gerne zur Entspannung welches Hobby hast du? imaN: Ich sticke!

Bewaffnete Gruppen verdienen Hunderte Millionen Dollar jedes Jahr mit dem Handel der vier wichtigsten Mineralien. Mit dem Geld kaufen sie Waffen und terrorisieren die Zivilbevlkerung Iman

raisehopeforcoNgo.org imaNcosmetics.com imaNhome.com

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Foto (rechte Seite): Imans private archive

SUPERST R

SUPERST R

VOM TRESEN AUF DIE GROSSE BHNE: SINGT HIER DIE DEUTSCHE ADELE?

LESLIE CLIO

MATTHIAS SCHOENAERTSENDLICH MAL WIEDER EIN JUNGER ROBERT DE NIRO

Jacke MAZINE, T-Shirt LOOKY LOOKY

BOXT BIS ZUM OSCAR: MATTHIAS SCHOENAERTS Und was tut Leslie am liebsten? Schreiben, stndig. Wenn es nicht Songs sind, dann denkt sie sich Namen fr ihre Liste potenzieller Kinder (Polly Cracker) oder ktiver Figuren (Imogen Tonic) aus. Oder sie fantasiert Kollaborationen zusammen, auf die man seit Jahren vergeblich wartet. 50 Cent feat. Arielle zum Beispiel. Zurzeit scheint sie allerdings mit ganz anderen Dingen beschftigt zu sein: Erwache gerade aus meinem Jetlag. Es ist neun Uhr morgens in L. A., ich bin direkt in Hollywood. Springe jetzt in meine Hosen und ab auf Safari! So lautet ihr bislang letztes Lebenszeichen. Von KATHARINA BHM Foto BELLA LIEBERBERG Styling ALEXANDRA HECKEL Haare & Make-up EWA CERVENA

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ie steht auf dem Tresen einer berfllten Berliner Weinbar, singend, vor einer Horde selbst ernannter Sommeliers. Der Laden ist voll, die Leute sind es eigentlich auch. Der jungen Frau, die da gerade mit einem Kabel hantiert, schenken sie kaum Beachtung. Hallo, ich bin Leslie Clio, sagt sie knapp ins Mikrofon. Dann fngt sie an zu singen, Tyrone von Erykah Badu. Die Menschen drehen sich zu ihr um, sind erstaunt ber die Stimme, die pltzlich aus dieser zierlichen Person herauskommt und den Raum einnimmt. Bis gerade eben wirkte sie noch etwas schchtern. Ein gutes Jahr spter ndet sich die 26-Jhrige auf einer richtigen Bhne wieder. Das Publikum ist ein anderes, vor allem sind da jetzt viel mehr Leute. Leslie und ihre Band treten als Vorgruppe von Joss Stone

auf. An diesem Abend singt sie ihre eigenen Songs. In denen geht es nicht um Tyrone, sondern zum Beispiel um Francesca. You said forget about Francesca, youll always reign supreme, lautet die erste Zeile ihrer Single Told You So, die seit dem Herbst in den Radios gespielt wird. Mittlerweile wurde der dazugehrige Clip bei YouTube ber eine Million Mal angeklickt. Selbstverstndlich ist die Hamburgerin berzeugt von ihrem Knnen. Aber wenn das mit dem Singen nichts wird, werd ich eben Grtnerin. Ich kann mich fr viele Sachen begeistern. Kurz darauf unterschreibt sie ihren Plattenvertrag. Ihr Debtalbum erscheint im Februar. In Anlehnung an Jeff Buckleys Album Grace soll es den Namen Gladys tragen. Zwischenzeitlich wollte ich es noch Greatest Hits nennen, sagt sie und lacht.

MFoto: CapFSD/face to face

atthias Schoenaerts muss ein talentierter Schauspieler sein. Denn der 35-Jhrige, der da zum Interview erscheint, hat nichts mit diesen bulligen, massiven und krperlich einschchternden Typen gemein, die er in seinen letzten beiden Filmen gespielt hat. In Der Geschmack von Rost und Knochen (im Kino) etwa spielt Schoenaerts an der Seite von Marion Cotillard den Faustkmpfer Ali, der durchs Leben driftet, bis er unerwartet das Sorgerecht fr seinen fnfjhrigen Sohn bekommt. Eine gute Rolle fr Schoenaerts: Der Film lief im Wettbewerb von Cannes und wurde gleich als Oscarkandidat gehandelt. Der gebrtige Belgier, der immer noch in Antwerpen lebt, kommt aus einer Schauspielerfamilie und dreht, seit er 15 Jahre alt ist, eigentlich ununterbro-

chen. Doch erst seit einem Jahr erkennt man ihn auch im Ausland. Und das lag vor allem an Bullhead. Schoenaerts spielte in diesem Film den Sohn mischer Bullenzchter, Jacky, der seit frhester Kindheit mit Testosteron gedopt wird. Fr den Film nahm er imposante 30 Kilogramm Krpermasse zu. Mit Erfolg, im Jahr 2012 war der Film bei den Oscars als bester auslndischer Beitrag nominiert und spielte in Belgien Rekordergebnisse ein. Auf einmal kannte man meinen Namen, jeder wollte mit mir drehen. Der franzsische Regisseur Jacques Audiard (Ein Prophet) hatte fr seinen neuen Film einen Laienboxer gesucht, sah Schoenaerts in der Rolle des massigen Jacky und entschied sich sofort fr ihn. Seinen Krper musste Schoenaerts wieder einmal verndern: Jacques wollte, dass ich aussehe wie je-

mand, der mal t war und sich schon lange nicht mehr um sich selber kmmert. Hatte er fr Bullhead eineinhalb Jahre lang Gewichte gehoben, pendelte er nun zwischen Boxring und Fast-Food-Restaurants hin und her. Seit Schoenaerts mit Jacques Audiard und Marion Cotillard gedreht hat, wird er stndig gefragt, ob er nicht groen Druck verspre. Solche Gefhle darf man gar nicht erst zulassen. Nun heit es, er werde als Nchstes nach Amerika gehen. Was kommt, das kommt, sagt er dazu nur. Die Nerven dafr hat er jedenfalls. Das Talent sowieso. Von NINA SCHOLZ

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PEOPLE

SPIELBERG & DAY-LEWIS

Daniel Day-lewis als abraham lincoln, Der nicht nur reiten, sonDern auch reDen konnte. immer wieDer gern zitiert: wer wirD schon mitten im fluss Das PferD wechseln?

S

eit jeher bemht sich Hollywood um Mythenbildung, am liebsten, wenn es um amerikanische Geschichte geht. Da wurde es auch langsam Zeit, dass sich jemand um Abraham Lincoln kmmert Gespielt wird der 16. Prsident der USA von Daniel DAY-LEWIS (spezialisiert auf imposante Mnnerguren) Regie fhrt Steven SPIELBERG (spezialisiert auf ganz groe Gefhle). Mehr geht nicht? Doch! Mindestens ein OscarAlexa KAROLINSKIvon

ALEXA KAROLINSKI: Ich habe mir gestern Ihren Film ansehen knnen DANIEL DAY LEWIS: Ein schnes Aufnahmegert haben Sie da. Ziemlich beeindruckend. KAROLINSKI: Wie aus einem Science-FictionFilm, nicht wahr? STEVEN SPIELBERG: Es sieht aus wie eine groe Batterie. DAY LEWIS: Was macht man damit? Industriespionage? KAROLINSKI: Ich wrde eher sagen, Low-BudgetFilme. Jedenfalls habe ich mir gestern Ihren Film angesehen, aber nicht in einer Sondervorfhrung, sondern ganz regulr mit Publikum. SPIELBERG: Sehr gut. So muss man sich einen Film ansehen, mit Publikum. DAY LEWIS: Und wie war es? Ich hoffe, gut. KAROLINSKI: Nun, da Lincoln keine Komdie ist,

kann ich schlecht die Anzahl der Lacher als Mastab nehmen, aber was man schon gleich zu Beginn des Films realisiert, ist, dass die Republikaner und Demokraten von damals so gar nicht dem Bild entsprechen, das man heute von ihnen hat mir war das neu, weshalb ich mir auch ein bisschen dumm vorkam. SPIELBERG: Ja, die waren damals ganz anders, vollkommen anders. KAROLINSKI: Offenbar war ich nicht die Einzige, der das neu war, denn ich hrte pltzlich Leute im Publikum tuscheln: Was? Ach, wirklich? Was hat das zu bedeuten? SPIELBERG: Ah, das ist interessant KAROLINSKI: Nun bin ich keine Amerikanerin, was keine Entschuldigung fr meine Ahnungslosigkeit sein soll, aber es hat mich doch berrascht, dass das in dem langen Wahlkampf, den das Land hinter sich hat, nie Thema war. Dabei wurde in den Medien

eigentlich jedes noch so kleine politische Detail immer wieder und wieder durchgekaut. SPIELBERG: Ja, die Republikaner waren die Partei der Abolitionisten, also fr die Aufhebung der Sklaverei. Sie waren die progressive Partei. Die Demokraten hingegen waren die Konservativen. Wie Demokraten und Republikaner quasi die Rollen getauscht haben, ist eine ziemlich lange, langweilige und auch relativ komplizierte Geschichte. Das Wissen darber ist heute nicht mehr so prsent. Andererseits kann ein Film nicht jedes historische Detail erklren. Wir dachten also, dass es eine Art Erweckung fr das Publikum sei, wenn wir zeigen, dass die Parteien damals das Gegenteil von dem waren, was sie heute sind. Wir hofften, dass es auf die Geschichte neugierig machen wrde. KAROLINSKI: In der ersten Szene des Films wirkt Lincoln wie ein Dokumentarlm. Wenn der Soldat zu Lincoln spricht, sieht es zunchst so aus, als wrde

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Fotos: Getty Images; 2012 Twentieth Century Fox

jemand interviewt werden, fr eine Dokumentation vielleicht oder eine Nachrichtensendung. Oder liege ich da falsch? Spielberg: Nein, nein, berhaupt nicht. Ich mag solche Interpretationen. Die sind wichtig, und ich will Ihnen diesen Eindruck auf keinen Fall nehmen. Wenn man darin etwas Dokumentarisches sieht, ist das fr mich ein groes Kompliment. Es bedeutet ja, dass Sie die Inszenierung fr derart authentisch halten, dass sie Sie zumindest bis zu einem gewissen Grad an etwas erinnert, was auerhalb des Kinos existiert. KarolinSKi: Wenn die Kamera dann langsam zurckfhrt und Lincoln ins Bild rckt, merkt man, dass es Lincoln ist, mit dem der Soldat spricht. Das war der Moment, in dem der Film fr mich richtig anfing, vorher war ich mir nicht so sicher, was Ich kannte die Rede vorher auch nicht. Spielberg: Sie meinen die Gettysburg-Rede, nicht wahr? KarolinSKi: Ja, gleich die erste Szene. Spielberg: Die Rede ist ein wunderbares Stck Prosa. Denn Lincoln war nicht nur ein groer Politiker, sondern auch ein groer amerikanischer Autor. KarolinSKi: Wussten das die Soldaten, zu denen er sprach?

PeoPle/Spielberg & Day-LewisSpielberg: Manche drften es gewusst haben, denke ich. Oder was sagst du, Daniel? Day-lewiS: Zumindest gehrte es damals fr jeden, der ein ffentliches Amt bekleidete, zum Alltag, vor Publikum Reden zu halten. Das war Teil des Jobs, entweder im Wahlkampf oder zu den blichen Anlssen. ffentliches Reden war eine Form der Unterhaltung. Jeder Politiker musste auch Rhetoriker sein. Manche von ihnen waren sogar extrem begabte Rhetoriker. Zum Beispiel der Mann, der vor Lincoln in Gettysburg sprach, ich glaube, er hie Everett. Wenn ich mich nicht irre, war er der Direktor von Harvard. Er war der Hauptredner und einer der bekanntesten Rhetoriker des Landes. Angeblich soll seine Rede mehrere Stunden gedauert haben, und er hatte kein Manuskript (lacht). Sie haben tatschlich ohne Notizen gesprochen. Spielberg: Und das zu Tausenden von Leuten. Day-lewiS: Dabei hat man Lincoln erst im letzten Moment eingeladen, ganz nach dem Motto: Hm, vielleicht wrde es nicht schaden, auch den Prsidenten dabeizuhaben. Also hat er sich in den Zug gesetzt und auf dem Weg nach Gettysburg ein paar Zeilen geschrieben. Dann stand er auf, fing an zu reden, und dann war es vorbei. Ich glaube, es dauerte Spielberg: Es dauerte drei Minuten. Day-lewiS: Oder sogar noch krzer. Viele Leute haben automatisch gedacht: Was war denn das? Sie hielten die Rede auch fr nicht besonders wichtig, weil sie ja so kurz war. Andere Leute jedoch, und dazu zhlte auch der Vorredner, erkannten die Tiefe und auch die Schnheit von Lincolns Worten. Die Zeitungen haben dann die Rede am nchsten Tag abgedruckt. Also hat jeder, der nicht dabei war, Lincolns Rede in der Zeitung oder auf Flugblttern gelesen. Zeitungen und Flugbltter waren damals die wichtigsten Medien, was Nachrichten anging. Und das betraf auch die Leute, die bei der Rede anwesend waren die meisten haben nmlich kein Wort von dem verstanden, was Lincoln sagte. Die Menschenmenge war riesig, Lautsprecher gab es noch nicht, und die Mglichkeiten der Stimme sind bekanntlich begrenzt. Heute gilt die Rede als das grte literarische Werk, das dieses Land hervorgebracht hat. KarolinSKi: Ist das so? Day-lewiS: Ja. Seine Antrittsrede ist ebenso bekannt: Die mystischen Klnge der Erinnerung werden ertnen, wenn die besseren Engel der Natur sie wieder berhren es gibt darin etliche Zeilen wie diese. William Seward, der Auenminister unter Lincoln, hatte die Urversion von Lincolns Rede geschrieben, von ihm stammen auch die meisten Ideen. Lincoln hat die Rede dann genommen, sie ein bisschen verndert und sich zu eigen gemacht. Man kann die Urversion und Lincolns Version nebeneinanderlegen und vergleichen, und siehe da: Die eine ist Poesie, und die andere ist (lacht) Spielberg: Politik. Day-lewiS: Politik und Ideen. Man merkt, dass Lincoln hnlich wie Churchill im Zweiten Weltkrieg ein ungeheures Talent fr die englische Sprache hatte. Er sprach ebenso die gebildeten Leute an wie auch die Leute, die am Radio saen. Sein Verstndnis fr Rhythmus und Sprache lsst sich im Kern auf Shakespeare zurckfhren. Und auch Lincoln verstand es, mit seinen Reden eine einzigartige Verbindung zum Volk aufzubauen. Aber das hat wahrscheinlich alles gar nichts mit Ihrer Frage zu tun Spielberg: Haha. KarolinSKi: Kein Problem, ehrlich gesagt kann ich mich schon gar nicht mehr an meine Frage erinnern. War das der Grund, warum Sie Lincoln spielen wollten? Day-Lewis: Was? KaroLinsKi: Der Umstand, dass er ein groer Redner und groartiger Dichter war? Day-Lewis: Nein. Ich meine, das waren selbst verstndlich Qualitten, die ihn fr mich interessant gemacht haben, aber es gab da noch viele andere Dinge. Mein Interesse an ihm lsst sich nicht auf eine einzelne Eigenschaft reduzieren. Es war eher diese erstaunliche Ansammlung von Eigenschaften, die sich in dieser einen Person vereinigt haben. Was mich an gesprochen hat, war der Mann an sich. KaroLinsKi: Und der Mann war uerst kom pliziert. Mir scheint, dass es heute in der Politik fr komplexe Persnlichkeiten wie Lincoln keinen Platz mehr gibt. Die ffentlichkeit scheint fr solche Persnlichkeiten keine Geduld zu haben, vielleicht sind es auch die Medien, denen die Geduld fehlt. Es scheint, als wollten wir alles verstehen und alles ber die Leute, die uns reprsentieren, wissen, was ziem lich traurig ist. Und Widersprche scheinen wir dabei nicht zu dulden. spieLberg: Ja, das ist es, wie wahr. Day-Lewis: Ja, es ist genau so, wie Sie gesagt ha ben. Es ist nicht so, dass die Menschen heute weniger komplex wren. Es ist eher so, dass die Medien die Neigung haben, alles zu vereinfachen und auf einen scheinbaren Kern zu reduzieren, weil die Geschich ten sich angeblich besser verkaufen, wenn sie klar sind und widerspruchsfrei. Meist wird es mit der Verein fachung und der Klarheit derart bertrieben, dass wir in die Irre gefhrt werden, weil man uns nicht die ganze Geschichte erzhlt. Und so bekommen wir Bil der statt der Wahrheit vorgesetzt, inszenierte Bilder. spieLberg: Dabei sind auch die heutigen Poli tiker im Senat, im Reprsentantenhaus und auch im Prsidentenamt unendlich kompliziert. Nur werden sie uns nicht so prsentiert. Day-Lewis: Es ist ein verknappender Prozess. Oft preisen Medien zum Beispiel Interviews an, die so ausfhrlich und tief gehend sein sollen, dass sie der Persnlichkeit auf den Grund gehen, aber das ist Quatsch. Man kann eine Person nicht im Zuge eines einzigen Interviews erklren, auch nicht mit zehn oder zwanzig. Aber oft glauben wir, dass wir dadurch zu einem tieferen Verstndnis fr eine Person kommen oder durch Analysen auf CNN oder die erklrenden Worte eines Nachrichtensprechers. Aber so ausfhr lich die Berichterstattung zu sein scheint, bleibt sie verknappt. Weil es immer schnell gehen muss und zu ein paar Kernpunkten zusammenfassbar, mit denen man dann ein wenig herumspielt. KaroLinsKi: Wir haben jetzt nur noch fr eine letzte Frage Zeit. spieLberg: Shocking! KaroLinsKi: In der Tat. Day-Lewis: Um beim Thema zu bleiben: Stellen Sie uns doch bitte eine besonders tief gehende Frage! (lacht) KaroLinsKi: Ich wollte Sie eigentlich fragen, was Sie gern mal gefragt werden wrden. spieLberg: Das ist s von Ihnen. Aber zu diesem Film sind uns tatschlich jede Menge guter Fragen ge stellt worden. Stattdessen wrde ich gerne noch einen Gedanken zu dem Verhltnis von Kino und Geschichte loswerden. Denn Filme sind heute fr die ganz jungen Leute oft der einzige Zugang zu unserer Geschichte. In dieser Hinsicht haben wir eine gewisse Verantwor tung. Die Verantwortung ist es, historisch so genau wie mglich zu bleiben. Andererseits lsst sich eine Interpretation unsererseits nicht vermeiden. Es gab zu Lincolns Zeit keine Aufnahmegerte, und selbst sei

Die Republikaner waren fr die Auf hebung der Sklaverei. Sie waren die progressive Partei. Die Demokraten hingegen waren die Konservativen Steven Spielberg

Fotos: Nino Muoz/2012 Twentieth Century Fox

Man merkt, dass lincoln hnlich wie Churchill im Zweiten Weltkrieg ein ungeheures Talent fr die englische Sprache hatte Daniel Day-Lewis43

portrts nino Muoz

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ne beiden Sekretre haben nicht jedes einzelne Wort von ihm aufgezeichnet. Also hatten wir eine Menge Spielraum, einen Spielraum, den unser Drehbuch autor Tony Kushner und die LincolnBiografin Doris Kearns Goodwin gewiss nicht hatten. Tony Kushner musste sich dazu die Sprache des 19. Jahrhunderts an eignen und die Leerstellen mit Leben fllen, sodass sie die historischen Fakten tragen. Kunst und Geschichte sind zwei zgerliche Bettgesellen, aber ohne die Arbeit von Historikern und Autoren htten wir Lincoln nicht zum Leben erwecken knnen. KaroLinsKi: Ich befrchte, man will, dass wir das Gesprch jetzt beenden. Vielen Dank fr Ihre Zeit. spieLberg: Wir danken Ihnen. Und viel Erfolg mit Ihrem Magazin. Ich hrte, es ist erst ein Jahr alt. KaroLinsKi: Danke, aber ich arbeite eigentlich gar nicht fr Interview. Ich bin Filmemacherin. spieLberg: Deswegen haben Sie in der Anfangs szene etwas Dokumentarisches gesehen. KaroLinsKi: Kann sein. spieLberg: Doch, bestimmt. Sie sehen Filme an ders.

LINCOLN sTarTeT aM 24. JanUar

Portrt (linke Seite): Francesco Carrozzini/Trunk Archive; Foto (rechte Seite): Shirin Neshat, Rapture, 1999, Production Still, Copyright Shirin Neshat, Courtesy Gladstone Gallery, New York and Brussels

Es lag nicht nur am Wodka, den die iranische Knstlerin und Filmemacherin SHiriN NESHAT mit dem diesjhrigen Juryprsidenten der Berlinale, Wong Kar Wai, trank. Fr Festivalleiter Dieter Kosslick war es leicht, sie zu berzeugen, Mitglied der Jury zu werden, denn diese Frau liebt den Film. Ein Gesprch ber Kopftcher, revolu tionen und die Kraft der Kunstvon

Shirin NESHATRaptuRe, ShIrIn neShat, 1999

pEoplE

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FrAnceSco cArrozzInI

portrt

neShat: Irgendwie bin ich gerade auf dem JuryIntervIew: Sie sind ziemlich umtriebig, Sie machen Filme, Fotos, Ausstellungen und fliegen im Februar Trip. Zuletzt war ich auf dem Doha Film Festival in nach Berlin, um in der Jury der Berlinale zu sitzen. Wo- der Jury. 2010 war ich Vorsitzende beim Filmfestival in Venedig. Und in Locarno und Abu Dhabi war ich mit vertreiben Sie sich gerade die Zeit? ShIrIn neShat: Gerade schneide ich ein Video, auch Jurorin. Mir gefllt das. Aber Berlin ist ehrlich gesagt eine besondere Ehre. das ich mit Natalie Portman gedreht IntervIew: Wegen der Stadt oder habe, anschlieend wende ich mich *DarIuS KhonDjI des Festivals? wieder meinen Fotoarbeiten zu, die Als Kind hat sich der neShat: Ich liebe Berlin. Fr meisich mit etwas ganz anderem beschfFranko-Iraner verkleinen Film Women Without Men habe ich tigen, und dann bereite ich noch einen det, um Filme mit Almit deutschen und franzsischen Proneuen Spielfilm vor. Ich wei gar nicht tersbeschrnkung im duzenten zusammengearbeitet, und mehr, wie das geht, nur eine Sache zu Kino sehen zu knnen. wir haben zum Beispiel die Postpromachen. Ich kenne aber auch kaum Heute gehrt er zu den duktion in Berlin gemacht. Ich habe Leute, die nur sagen wir mal Autobekanntesten Kameraalso viel Zeit in der Stadt verbracht, ren sind. Ich mag diese Abwechslung. mnnern: Delicatessen, habe es aber nie auf das Festival geIntervIew: Was ist das fr ein ViSieben, Evita oder The schafft. Allerdings kenne ich den diesdeo mit Natalie Portman? Beach eine beeindrujhrigen Juryvorsitzenden Wong Kar neShat: Es ist eine Videoinstallackende Liste. Wai ganz gut. tion fr Dior mit dem Titel Through IntervIew: Haben Sie ihn bei einem der Festivals The Abyss. Kein Werbefilm, sondern ein kurzer, circa zehnmintiger Fast-Stummfilm. Eine Arbeit zwi- kennengelernt? neShat: Nein, mein Freund, der Kameramann schen Traum, Fantasie und Fiktion mit einer Frau, die Darius Khondji *, hat uns hier in New York vorgeeinen Nervenzusammenbruch erleidet. IntervIew: Was hoffentlich nicht Ihren derzeiti- stellt. Er hat mit Wong Kar Wai My Blueberry Nights gen Gemtszustand beschreibt. Was reizt Sie an der gedreht, und die beiden waren oft bei uns zu Besuch. Er ist so ein verrckter Typ. Sie haben nonstop diesen Juryarbeit?

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PeoPle/Shirin Neshat*asghar farhadIchinesischen Wodka geDer iranische Drehtrunken, als gbe es kein buchautor und RegisMorgen. Wir mussten sie seur gehrt laut Time irgendwann rauswerfen, Magazine zu den einsonst htte das kein Ende flussreichsten Mengenommen. Richtige Parschen 2012. Mit seinen ty-Monster, die beiden liepolitischen Filmen ben es einfach, zu feiern. gewann er einen Oscar IntervIew: Also hat der erste Oscar fr Wong Kar Wai Sie geeinen Iraner und den fragt, ob Sie mit in der Goldenen Bren der Jury sitzen mchten? Berlinale. neshat: Nein, das war Dieter (Kosslick), der Direktor des Festivals. Die suchen vermutlich nach Leuten aus mglichst unterschiedlichen Kulturen und Bereichen, um mglichst nuancierte Stimmen im Festival zu haben. Ich hoffe, diesmal wird auch wieder eine Reihe starker Filme aus dem Iran oder dem Nahen Osten dabei sein. 2011 lief ja Asghar Farhadis* Nader und Simin. Man muss sagen, der Iran war in den letzten zwei Jahrzehnten recht stark im Kino vertreten. IntervIew: Ja, man denke etwa an die Regisseure SpeechleSS, shIrIn neshat, 1996 des Makhmalbaf-Clans* oder Abbas Kiarostami. neshat: Heute ist brigens Jafar Panahis Film This Is Not A Film in die Shortlist der Oscars fr den besten Dokumentarfilm aufgenommen worden. IntervIew: Viele sehr gute internationale Filme entstehen in Lndern mit schwierigen politischen Si- University in Kairo mit jungen Knstlern gesprotuationen. Man knnte fast auf die Idee kommen, die chen, da kamen wir zu dem Schluss, dass uns am Ende nur die Kunst retten kann. Zensur wrde zu besseren Filmen fhren. IntervIew: Aber oft sind die Filme, die auf interneshat: Darber habe ich krzlich auch mit meinem Mann Shoja (Azari) diskutiert, der ist ja ebenfalls nationalen Festivals hochgelobt werden, im UrFilmemacher und Iraner. Man sollte da sehr vorsich- sprungsland nicht sonderlich populr. Ende der 90ertig sein und Unterdrckung und Diktatur blo nicht Jahre zum Beispiel fanden die meisten Leute in fr gute Kunst verantwortlich machen. Es ist aber oft Hongkong Wong Kar Wais Filme eher langweilig. neshat: Er ist natrlich ein komplett unchinesiso, dass Knstler mit schwierigen Lebensumstnden mehr zu erzhlen haben. Diese Knstler erleben et- scher Filmemacher. Stilistisch ist er international, seiwas sehr Unmittelbares, Persnliches, Dringendes ne Fans in Hongkong sind wahrscheinlich eher Intelund Ehrliches. Persnliches Leiden ist immer ein gu- lektuelle. Dasselbe gilt fr den Iran. Abbas Kiarostami ter Impuls, etwas zu erzhlen. Nehmen wir Jafar Pa- etwa zeigt seine Filme nicht im Iran. IntervIew: Weil er seine Filme nicht im Iran zeinahi beispielsweise. Er wurde 2010 zu einer Haftstrafe verurteilt und erhielt ein Berufsverbot fr 20 Jahre. gen darf. neshat: Erstens darf er nicht, und zweitens ist Und dann verffentlicht er This Is Not A Film, ber sich selbst, eingesperrt in seiner Wohnung, und dar- seine Arbeit ein bisschen zu konzeptuell. Asghar Farber, wie er sich vorstellt, einen Film zu machen. Ich hadi dagegen macht Filme, die sowohl im Iran als finde, das ist brillant. Niemand htte das so erfinden auch auerhalb gezeigt werden. Sie sind beim Publikum und bei den Kritikern erfolgreich. Das ist sehr knnen. IntervIew: Man muss sagen, das kulturelle Erbe ungewhnlich. Und seine Filme knnen trotzdem als hat die zeitgenssische Kunst im Iran sehr beeinflusst. eine Art Protest gesehen werden. IntervIew: Was hat er anders gemacht? neshat: Wir Iraner sind als Volk und Kultur zerneshat: Er hat nicht den Zeigefinger erhoben, rissen. Einerseits gibt es diese grausame Unterdrckung in der modernen Geschichte des Landes, eine und trotzdem sind seine Filme Alles ber Elly und Naentsetzliche Regierung nach der anderen, religise der und Simin sehr kritisch und subversiv. In Elly geht Fanatiker, den Schah, Korruption. Und gleichzeitig es zum Beispiel um die Heuchelei und wie wir gelernt sind wir zutiefst unserer Poesie, dem Mystizismus, der haben, stndig zu lgen, weil die Umstnde uns dazu Philosophie und Musik verbunden. Und deswegen zwingen. IntervIew: Wenn man im Iran ist, antworten Iraner auf Schmerz mit Poist es oft unklar, ob man gerade etwas esie. *MakhMalbafIllegales tut, egal ob man auf eine Party IntervIew: Der iranische Film ist Clan geht oder zu einer Galerieerffnung. ein Zeugnis fr die berlebenskraft Fnf Regisseure brachneshat: Aber die Leute haben der Kunst. te diese iranische Famisich an diese Uneindeutigkeit geneshat: Man kann die Imaginatilie hervor, vier davon whnt. Im Ausland kann man nur on der Menschen nicht unterbinden. weiblich. Vater Mohschwer verstehen, wie die Iraner ihren Gedanken sind frei. Du kannst jemansens Filme wurden in Alltag organisieren. Auf Partys macht den festnehmen, aber du kannst ihm ber 40 Lndern geman sich ber diejenigen lustig, die nicht vorschreiben, was er denken soll. zeigt, Tochter Samira noch nie im Gefngnis waren. Das ist So stellt Kultur immer auch eine groist bisher jngste Teilschwer zu verstehen, wenn man nie da e Bedrohung dar. Ich war gerade in nehmerin von Cannes. war. gypten und habe an der American Sie lebt im Exil in Paris. IntervIew: Wann waren Sie das letzte Mal im Iran? neshat: 1996. IntervIew: Drfen Sie nicht einreisen? neshat: Doch, die USA sind fr mich eher ein selbst auferlegtes Exil. Ich arbeite gerade oft in Marokko und in gypten. Ich habe kein brennendes Verlangen, in den Iran zu reisen. IntervIew: 2009 haben Sie den Silbernen Lwen in Venedig fr Women Without Men gewonnen. Ihre Adaption einer sehr populren Novelle ist ein seltsam prophetischer Film. Er spielt etwa 1953, whrend des CIA-Putsches gegen Mossadegh. Und als er fertig wurde, war die Grne Revolution im Iran im Gange. neshat: Der Film ist, wie das Buch, hoch stilisiert, poetisch und gleichzeitig doch politisch. Ich wollte einen Film machen, der zu den Iranern spricht, der verstndlich ist. Der Durchschnittsiraner hat Angst, Kunst nicht zu verstehen. Man muss leider sagen, dass der Film nur durch den Handel von Raubkopien im Iran so populr werden konnte. Doch so kennen zumindest mehr Leute meinen Spielfilm als meine Kunst. Er konnte kein Kassenhit werden, aber er hat seine Erfllung gefunden, vielleicht auch mehr. IntervIew: Wenn ich mir ansehe, was in gypten und dem Nahen Osten in den letzten beiden Jahren passiert ist, frage ich mich, warum es den Iranern mit ihrer Grnen Revolution nicht gelungen ist, die Regierung zu strzen. neshat: Ich war auch enttuscht. Diese Energie war so inspirierend. Ein bisschen war es wie in gypten, wo wir nun warten, was als Nchstes passiert. Im Iran sitzen seit den Protesten 2009 Tausende in den Gefngnissen. Aber das System beginnt, sich allmhlich selbst zu zerstren. Ahmadinedschad wird frecher, weil er wei, dass er bald gehen muss. Und am Ende hat Ali Khamenei die totale Macht. Er ist nie gewhlt worden, er ist das wirkliche Problem. IntervIew: Wrden Sie in den Iran zurckgehen, wenn die Mullahs nicht mehr an der Macht wren? Wre es nicht aufregend fr Sie, Teil eines neuen Iran zu sein? neshat: Absolut. Das ist auch ein Teil meiner Motivation, jetzt Zeit in gypten zu verbringen. Es ist aufregend, eine Gesellschaft zu erleben, die Geschichte schreibt. Diese Unsicherheit darber, wie es ausgehen wird, ist natrlich auch bengstigend. Ich hoffe instndig, dass die Muslimbruderschaft das Land nicht in ein zweites Iran verwandeln wird. IntervIew: Waren Sie auch am Tahrir-Platz? neshat: Mehrmals. Ich war krzlich mit meiner Freundin Ghada Amer auf einer riesengroen Demonstration, sie ist eine der bekanntesten gyptischen Knstlerinnen hier in New York. Ich war ein wenig nervs, weil ich nicht verschleiert war, anders als die meisten Frauen dort, also habe ich mir einen Schal umgebunden. Ghada war total wtend auf mich. Sie fand, mit dem Tragen des Kopftuchs wrde ich mich der Bruderschaft beugen. Wenn ich in ein muslimisches Land reise, trage ich aus Respekt ein Kopftuch. Aber Ghada wollte deutlich machen, dass Religiositt freiwillig ist und dass man in einer Demokratie nicht dazu gezwungen werden soll. Sie hatte natrlich vllig recht. IntervIew: Aber Sie sind Muslimin. neshat: Ja, ja, ich habe ehrlich gesagt kein Problem mit dem Kopftuch, mir gefllt es sogar, aber jede Frau sollte selbst entscheiden, ob sie eines trgt. IntervIew: Worum geht es eigentlich in Ihrem neuen Spielfilmprojekt? Neshat: Meine neueste Obsession gilt Umm Kulthum. INtervIew: Der berhmten gyptischen Sngerin. Neshat: Ja, sie verkrpert einfach alles, was mich interessiert. Sie ist eine Frau, sie ist Knstlerin, und ihre Karriere war eng mit den politischen Entwicklungen ihres Heimatlandes verbunden. Sie stammt aus einer einfachen Nahost-Familie, ihr Vater war Imam in einer Provinzmoschee, und sie musste sich, bis sie 18 war, als Junge verkleiden, wenn sie in der ffentlichkeit auftrat, weil es fr Frauen nicht erlaubt war, zu singen. Doch irgendwann erregte ihre auergewhnliche Stimme Aufmerksamkeit. INtervIew: Sie hatte diese tiefe Altstimme. Neshat: Im Laufe ihres Lebens freundete sie sich mit Knig Faruk und der Monarchie an und wurde zu einer ausgesprochenen Nationalistin. Whrend des Krieges mit Israel ging sie auf Tournee, um Geld fr die gyptische Armee zu sammeln. Am absoluten Hhepunkt ihrer Karriere starb sie dann. Sie war eine muslimische Frau, die Erfolg hatte in einer Gesellschaft, in der es Frauen untersagt war, populr zu werden. Sie konnte Menschenmengen sogar in einen Zustand der Ekstase versetzen, sie konnte sie manipulieren. Mich interessiert weniger ihr persnliches Leben, sondern wie es ihr gelang, mit ihrem Gesang

Man kann die Imagination der Menschen nicht unterbinden. Gedanken sind frei. Du kannst jemanden festnehmen, aber du kannst ihm nicht vorschreiben, was er denken soll Shirin Neshat

so eine unglaubliche Macht auf ein Volk auszuben. Man erzhlt sich, dass eine einfache Vernderung ihrer Tonlage Menschen willenlos machen konnte. INtervIew: Htten Sie als Knstlerin gerne eine hnliche Macht? Neshat: Knstler heute verstecken sich doch meist hinter ihrer Kunst. Wir haben gar keine unmittelbare Verbindung zu dem Publikum mehr. Umm Kulthum gilt als die bedeutendste Knstlerin der muslimischen Welt des 20. Jahrhunderts. Und das als Frau, das ist doch phnomenal! Und dabei war sie kein Objekt der Begierde, was man als erfolgreiche Sngerin heute ja quasi schon automatisch wird. INtervIew: Ich bin sehr gespannt auf den Film.

Fotos: Shirin Neshat, Speechless, 1996, RC print and ink, Copyright Shirin Neshat, Courtesy Gladstone Gallery, New York and Brussels; Shirin Neshat, Feature Film Still, Women Without Men, 2009, Copyright Shirin Neshat, Courtesy Gladstone Gallery, New York and Brussels

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szeNe aus shIrIN Neshats FIlm Women Without men, 2009

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WOW!MENAGERIE MIT KRISTALLEN, BRILLANTEN UND PERLMUTTPINK FLAMINGO Kommen ja sonst nur in Scharen vor, hier dagegen im Zweierpaar. Flamingo-Ohrringe mit Kristallen von Swarovski. Gibt es auch als Kette.

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WOW!IN DIESER COLLAGE ENTHALTEN: TOPASE, BLAUE DIAMANTEN, BLAUE SAPHIRE UND SWAROVSKI KRISTALLE

Fotos: Serge Lutens; Swarovski; Shourouk/net-a-porter.com; Herms; Patrik Muff; Sabrina Dehoff; Ippolita/net-a-porter.com (2), Tiffany&Co. (3), Cada (2), Sabrina Dehoff (6), Chanel Haute Joaillerie (2), Louis Vuitton (3), Pomellato (2), Swarovski (3); Courtesy of Lwren Scott; Crocodile Original Robert George

CANDY COLOURED EAGLE Das Wappentier, mal farbenfroh. Adler-Manschette mit mehrfarbigen Swarovski-Kristallen von Shourouk (ber net-a-porter.com).

SILVER BEAUTY Als er Pferdekpfe schuf, hatte Gott gute Laune: Perfektion, Eleganz, Proportionen. Pferde-Ring in Silber von Herms. Gibt es auch als Armband. A BUGS LIFE Wie ein Blick durchs Makroobjektiv in die schillernde Welt der Insekten. Kferring in Weigold mit verschiedenfarbigen Brillanten von Patrik Muff.

Selbst fr MNNER wie MICK geeignetSie hat sich diesen fr sein Alter sehr drren Englnder als Begleiter ausgesucht, dennoch verbindet die Mode der Designerin LWren Scott das Monumentale mit dem Madamigen (Jerry Hall meets Bianca Jagger). Nun hat sie eine Sonnenbrillenlinie entworfen: ornamental, glamours, backstagegeeignet. Zur Jubilums-Tour sollte sich Mick Jagger auf seinen amboyanten Stil in den Siebzigern besinnen und sich eine Buttery-Brille gnnen.

SCHMUCK fr KnnerinnenBlau ist, ebenso wie Schwarz, die Farbe der Fehlervermeidung. Fr jeden Hautton geeignet und meist universal diskret. Bei Schmuck allerdings, und nur um den geht es hier, ist diese Farbe etwas fr Knnerinnen: Es fehlt die Signalwirkung des Rubins, der minimalistische Glanz des Diamanten oder auch, seit dem Erstarken der stlichen Luxusmrkte, die Pracht des Rotgolds. Wie aber Ringe und Halsketten mit gletscherblauen Steinen ihre eigene Kraft entwickeln, zeigen diese Glanzstcke aus den aktuellen Kollektionen. Die Assoziation, na klar: Grace Kelly. Eine Prinzessin zwar, aber mit strmischer Vergangenheit in Hollywood. VON OBEN NACH UNTEN: mehrgliedrige Goldohrringe mit Topasen von IPPOLITA (ber net-a-porter.com), rechteckige Ringe mit Diamanten von TIFFANY & CO., mehrreihige Ohrringe mit blauen Saphiren von CADA, vergoldete Armbnder mit Perlmutt (innen) und Ringe (auen) von SABRINA DEHOFF, Ketten mit Quaste aus Diamanten und Saphiren von CHANEL HAUTE JOAILLERIE, Ring mit weien und grauen Diamanten von LOUIS VUITTON, Rosgold-Ringe mit pinken Saphiren und blauen Topasen von POMELLATO, Kette mit Kristallen von SWAROVSKI, mehrgliedrige Ohrringe mit Diamanten und rechteckigen Saphiren von LOUIS VUITTON, vergoldete Armbnder mit Perlmutt von SABRINA DEHOFF, Ring im Insekten-Design mit Kristallen von SWAROVSKI

GOLDEN BEE Bienenring aus vergoldetem Kupfer mit Perlmutt und Swarovski-Kristallen von Sabrina Dehoff. Sweet nur Honig produziert dieser Ring leider nicht.

AMAZONE MIT RAUTENBRUST UND PAPIERSCHWEIF: ISABELLE WEINGARTEN, 1973

aben h E L I D ben e KROKlO L s e g n ein a

Bereits zu Beginn der 60er-Jahre arbeitete Serge Lutens fr die franzsische Vogue, entwickelte Farb- und Bildvisionen fr Christian Dior und drehte bald darauf seinen ersten Kurzlm Les Stars. International bekannt wurde er durch seine Arbeit fr den japanischen Kosmetikkonzern Shiseido. ber zwei Jahrzehnte hinweg prgte er den visuellen Stil des Hauses. Mit Fotograen von fantasievollen Geschpfen mit Haaren wie auf den Kopf lackiert, die Haut wei wie transparentes Papier und das Make-up traditionell japanisch. Keiner prgte den Look einer Marke so wie er. In seinem Buch Berlin Paris zeigt er 176 bislang unverffentlichte Arbeiten von 1967 bis 2008 und gewhrt so Einblick in seine komplexe Ideenwelt. Heute lebt der 70-Jhrige hauptschlich in Marokko und entwickelt unter seinem Namen so abstrakte wie spannende Duftkonzepte. Auch eine Art, seine Kreativitt auszuleben.

HAARE WIE LACKIERT, HAUT WIE TRANSPARENTES PAPIER EIN VISIONR BLICKT ZURCK

tlich kann e b t is oste r und Lac r Art wa hen n