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SCHULE und BERATUNG Fachinformationen aus der Landwirtschaftsverwaltung in Bayern Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten „DiBe-Online“ in der Personalverwaltung Bildung braucht Zeit! ELER Förderperiode 2007 bis 2013 – Was bewirkten die KULAP-Fördermittel? Fair führen – Erfolgreich mit Gerechtigkeit 5-6/2017

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SCHULE und BERATUNG

Fachinformationen aus der

Landwirt schafts verwaltung

in Bayern

Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten

→ „DiBe-Online“ in der Personalverwaltung → Bildung braucht Zeit! → ELER Förderperiode 2007 bis 2013 – Was bewirkten die KULAP-Fördermittel? → Fair führen – Erfolgreich mit Gerechtigkeit

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INHALT

VERWALTUNG

BILDUNG

ÖKOLOGISCHER LANDBAU

UNTERNEHMENSFÜHRUNG

ENERGIE

FLÄCHENVERBRAUCH

WALD UND FORST

FÜHRUNG

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INHALT

4 „DiBe-Online“ in der Personalverwaltung 7 Gesund und fit durch den Arbeitsalltag – Gesundheitsmanagement am AELF in Kulmbach 10 Bewegung und körperliche Aktivität – Das Wundermittel im Alltag für die Gesundheit

14 Bildung braucht Zeit! – Warum nach der „Meisterschule“ noch die „Höhere Landbauschule“ besuchen? 18 Natur und Technologie – Hand in Hand! – Berufsausbildung Pflanzentechnologe/Pflanzentechnologin 20 Alltagskompetenz für die Kleinsten – Professionelle Hauswirtschaft in der Kindertagesbetreuung 23 Gemeinsame Berufswerbung in der Hauswirtschaft 25 Tablets im Schul- und Versuchsbetrieb – Welches Gerät ist für den Unterricht an den Lehrzentren geeignet?

30 Nord-Süd-Gefälle bei bioregio in Bayerns Großküchen 33 Öko-Modellregionen im Portrait – Waginger See – Rupertiwinkel und Oberes Werntal – Teil 4

36 ELER Förderperiode 2007 bis 2013 – Was bewirkten die KULAP-Fördermittel? 41 Buchführungsergebnisse bayerischer Haupterwerbsbetriebe 49 Regionales Bayern – Komm hin, wo’s herkommt! – Vor Ort einkaufen, erleben und wertschätzen 52 Milch und Pferde im Allgäu – passt das? 54 Mit Digitalisierung zu mehr Wissenstransfer 56 Gewusst wie: QR-Codes im Unterricht

57 Lebensmittelverschwendung ist auch Energieverschwendung 60 Sorghum-Anbau unter extremen Witterungsbedingungen – Vergleich der Jahre 2015 und 2016 64 Niedrigenergie-Gewächshaus mit LED-Pflanzenbelichtung

68 Kompensationsmaßnahmen: Konfliktpotenzial oder Einnahmequelle für Landwirte? 70 Flächenbereitstellung für Naturschutz und Landwirtschaft – Beispiele aus Nordrhein-Westfalen 72 Flächenmanagement am Beispiel der Achentalgemeinden

75 Hand in Hand für die Waldbauern – Mit Unterstützung der Behörden gehen Privatwaldbesitzer neue Wege 77 Wohnbauprojekt in Holzsystembauweise – Minister Brunner besichtigt Wohnanlage einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft

79 Glaubwürdigkeit – das höchste Gut einer Führungskraft 81 Kurzinfo: Kommunikation als Lebenskunst – Philosophie und Praxis des Miteinanderredens 82 Fair führen – Erfolgreich mit Gerechtigkeit

87 Der Beobachter

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„DiBe-Online“ in der PersonalverwaltungWorkflows bestimmen den Erstellungsablauf dienstlicher Beurteilungen

von MARTIN MÜLLER: In den „Amtsstuben“ vollzieht sich immer mehr ein Wandel weg von Formblättern und Formularen hin zur papierlosen Abwicklung der Dienstaufgaben mittels EDV-Programmen. Gerade in den Personalverwaltungen im Geschäftsbereich des Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten wird dies gegenwärtig verstärkt präsent am Beispiel der periodische Beurteilung von ca. 1 100 Beamten und Beamtinnen der 4. Qualifikationsebene (QE) in der Landwirtschafts- und Forstverwaltung. Eine einzigartige WEB-Anwendung namens „DiBe-Online“, von der FüAk konzipiert und programmiert, hilft diesen Arbeitsablauf komfortabel, effektiv und vor allem nahezu fehlerfrei zu erledigen.

Bereits vor 20 Jahren wurde an der Führungsakademie eine Datenbankanwendung auf Microsoft-Access-Basis zur verein-fachten Erstellung von dienstlichen Beurteilungen entwickelt. Die Einführung des neuen Beamtenrechts 2011, das auch bei der dienstlichen Beurteilung umfangreichere Änderungen mit sich brachte, erforderte eine Neuprogrammierung, dies-mal als WEB-Anwendung mit zentraler Datenhaltung. Der Ein-satz im gesamten Geschäftsbereich des StMELF stellt hohe Anforderungen an das Programm hinsichtlich Datenschutz, wie auch gegenüber den unterschiedlichen rechtlichen Vor-gaben der einzelnen Verwaltungen (Landwirtschaft, Forst-

bereich und Ländliche Entwicklung). Inzwischen hat sich „DiBe-Online“ zu einer komplexen, aber dennoch unkompli-zierten Software für die Personalverwaltung entwickelt.

Arbeitsschritte unterteilen den ErstellungsprozessDie Erstellung einer dienstlichen Beurteilung in „DiBe-On-line“ erfolgt je nach Beurteilungsart in inhaltlich verschie-denen Eingabeseiten, dargestellt als Registerkarten (siehe Abbildung 1). Der Bearbeitungsstatus einer jeden Seite wird mit den Ampelfarben der Registerreiter und der Freigabe-zeile am Fuß der Registerseite angezeigt. So steht grün für

eine fertige und freigegebene Seite, rot für eine noch gesperrte Seite und gelb dafür, dass diese Seite zwar bearbeitet werden kann aber noch nicht freigegeben ist. Bestimmte Seiten erfordern zuerst deren Freigabe, bevor in der Bearbeitung zur nächsten Eingabeseite weitergegangen wer-den kann. Mit der Freigabe verbunden ist eine Plausibilitätsprüfung der eingegebenen Daten. Erst wenn alle Seiten – mit Ausnahme der letz-ten Seite – freigeben sind, ist die Beurteilung er-öffnungsreif und kann in Reinschrift ausgedruckt werden. Dadurch ergibt sich bereits in der Beur-teilungserstellung ein kleiner Workflow.

Arbeitsteilige Eingabe durch VorgesetzteDie Neuerstellung einer Beurteilung erfolgt grundsätzlich durch den Personalsachbearbeiter an der jeweilig für die Beurteilung zuständigen Dienststelle. Hierbei gibt dieser die entsprechen-den Grunddaten, sofern diese nicht durch einen Datenimport aus „VIVA“ vorgegeben sind, für die zu beurteilende Person ein (siehe Abbildung 1). Bei

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→ Abbildung 1: Registerkarten unterteilen die Dateneingabe in getrennte Arbeits-

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der Angabe der für den zu Beurteilenden zuständigen Vor-gesetzten können gleichzeitig an diese Bearbeitungsrechte (Lese- bzw. Schreibzugriff) auf bestimmte Registerseiten der Beurteilung vergeben werden (siehe Abbildung 2). Damit ha-ben dann die betreffenden Vorgesetzten die Möglichkeit selbst direkt in „DiBe-Online“ die eigentliche Beurteilung vorzunehmen, sei es die Punktevergabe zu den entspre-chenden Beurteilungsmerkmalen mit deren Gewichtung oder aber auch, wenn gewünscht, die Beschreibung der Tätigkeitsgebiete. Die abschließenden Angaben beispiels-weise zur Leistungsfeststellung oder zur Eröffnung erledigt dann wieder die Personalsachbearbeitung.

Gegenseitiger Datenaustausch mit „VIVA“Eine unmittelbare Schnittstelle mit direktem Datenzugriff zu „VIVA“, dem bayernweiten Personalverwaltungssystem für den öffentlichen Dienst, konnte leider aus technischen Gründen nicht realisiert werden. Um dennoch gewisse Grunddaten, wie zum Beispiel Teilzeitbeschäftigungen, aus „VIVA“ zu übernehmen oder die Beurteilungsdaten dann nach „VIVA“ wieder zurück zu übertragen, ging man in

„DiBe-Online“ den Umwegen über den Down- bzw. Upload von CSV-Dateien. Trotzdem bringt dieser Datentransfer, wenn auch nicht mehr ganz zeitgemäß, eine bedeutende Arbeitszeitersparnis für die Personalsachbearbeiter und ist vor allem fehlerfrei.

Prüfworkflow durch vorgesetzte DienstbehördeVor drei Jahren wurde „DiBe-Online“ mit einem zusätzli-chen Workflow für Beurteilungen von Beamten der Land-wirtschaftsverwaltung an den Ämtern für Ernährung, Land-wirtschaft und Forsten (siehe Abbildung 3) eingeführt. Dieser ermöglicht eine Vorüberprüfung während der Beurteilungs-erstellung durch die Dienstaufsichtsbehörde, in diesem Fall für die Ämter durch die Führungsakademie. Ein Ausdrucken der Beurteilung in Reinschrift und die damit verbundene Er-öffnung ist hierbei erst möglich, wenn diese den Richt linien entspricht und von der vorgesetzten Behörde freigegeben wurde. Ist dies nicht der Fall, geht die Beurteilung im Work-flow wieder zur Nachbesserung an die beurteilende Dienst-stelle zurück. Auch hier sorgen beidseitig Sperren und Freigaben für ei-nen reibungslo-sen Ablauf dieses übergeordneten Workflows. Er-reicht wird da-mit eine erhöhte Rechtssicherheit der Beurteilung, verbunden mit einer erheblichen Kosten- und Zeit-ersparnis.

→ Abbildung 2: Rechtevergabe an Vorgesetzte

Im Frühjahr 2013 wurde diese einzigartige Anwendung am Staatsministerien für Finanzen einem größeren Kreis von Verant-wortlichen aus den Personalverwaltungen verschiedenster Ministerien Bayerns vorgestellt. Obwohl das Interesse an dem Pro-gramm stark war, ist dessen bayernweiter Einsatz in anderen Ressorts, was umfangreiche Programmanpassungen und -erwei-terungen erfordert hätte, leider nicht zukunftsweisend. So stellt zwar „DiBe-Online“ momentan für die Personalverwaltungen in unserem Geschäftsbereich eine praxisgerechte, maßgeschneiderte Ergänzung und Abrundung zu „VIVA“ dar. Damit ist unsere Landwirtschaftsverwaltung in Sachen Digitalisierung des Beurteilungsverfahrens gegenüber anderen Ressorts, die mit Word-vorlagen und PDF-Formularen arbeiten, einen gewaltigen Schritt voraus.

Ziel und Vision sollte dennoch sein, den Erstellungsablauf einer dienstlichen Beurteilung in dem ressortübergreifenden Personal-verwaltungssystem „VIVA“ selbst zu integrieren. Dadurch wäre eine bayernweite und ressortübergreifende Lösung für die Erstel-lung von Beurteilungen gegeben, auch wenn dann vielleicht zum Teil auf die von „DiBe-Online“ gewohnte Benutzerfreundlichkeit, gepaart mit einem hohem Maß an Funktionalität verzichtet werden muss.

Infobox: Interesse bei anderen Ministerien geweckt

→ Abbildung 3: Statusverlauf des Prüfworkflows

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Digitaler VergleichWährend der Beurteilungs-erstellung können zurück-liegende Beurteilungen, auch wenn diese von an-deren Dienststellen erstellt wurden, zu Vergleichszwe-cken als PDF-Dokument gleichzeitig neben der Ein-gabeseite mit angezeigt werden. Absolutes Novum ist seit kurzem eine tabella-rische Auflistung der einzel-nen Beurteilungsmerkmale mehrerer Beurteilungen in einer Vergleichsansicht (siehe Abbildung 4). Diese kann zurückliegende Beur-teilungen von der zu beur-teilenden Person oder aber auch Beurteilungen von Kollegen innerhalb einer Be-soldungsgruppe enthalten. Mit dieser Innovation wird ge-rade den Vorgesetzten die Punktevergabe zu den einzelnen Beurteilungsmerkmalen und deren Gewichtung sowie zu dem Gesamturteil erheblich erleichtert. Eine gleichzeitige komfortable Bearbeitung mehrerer aktueller Beurteilun-gen in dieser Vergleichstabelle ist hierbei zusätzlich gege-ben. Sehr nützlich ist diese Vergleichsmöglichkeit, wie sich mehrfach herausgestellt hat, bereits für die Erstellung der sogenannten Vorübersichten. Letztendlich ist eine Einsicht-nahme in die Personalakten dazu nur noch in Ausnahmefäl-len notwendig.

Datenschutz hat oberste PrioritätDieses hohe Ausmaß an Digitalisierung in der Beurteilungs-erstellung fordert aber auch den Einsatz umfangreicher moderner Programmiertechnologien in der Anwendungs-entwicklung. Da es sich hierbei um die EDV-technische Be-arbeitung und Speicherung personenbezogener Daten höchst vertraulicher Art handelt, ist dem Datenschutz vor-rangig Genüge zu tun:

→ So ist „DiBe-Online“ datenschutzrechtlich selbstver-ständlich freigegeben.

→ Eine eigene integrierte Benutzer- und Rechtever-waltung mit abgestimmtem Zuständigkeitsbereich nach Dienststellen und hierarchischer Rechtever-gabe verhindert wirkungsvoll einen Missbrauch dieses Programms.

→ Der Programmstart erfolgt mit Windows-Authentifi-zierung. Es ist kein programmeigenes Passwort zur Anmeldung notwendig.

→ Ein spezielles Session-Management blockiert zu-dem unzulässige direkte Aufrufe von ausgewählten Seiten der WEB-Anwendung aus dem Browserver-lauf heraus durch nicht autorisierte Personen.

→ Für zusätzliche Sicherheit gegen unerlaubten direk-ten Datenzugriff sorgt ein eigenentwickeltes Ver-schlüsselungssystem in Verbindung mit bewährter Kryptologie.

→ Bei längerer Arbeitsunterbrechung sperrt ein pro-gramminterner Inaktivitätsschutz die Anwendung. Ein Weiterarbeiten an der gleichen Stelle ist nur durch den aktuellen Benutzer mit erneuter Anmel-dung möglich.

MARTIN MÜLLER STAATLICHe FÜHrUNgSAKADeMIe FÜr erNÄHrUNg, LANDwIrTSCHAFT UND [email protected]

→ Abbildung 4: Beurteilungsmerkmale in der Vergleichsansicht

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Gesund und fit durch den Arbeitsalltag Gesundheitsmanagement am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Kulmbach

von KATHARINA FRANK: „Low Carb“, „Super Foods“ und viele weitere Trends rund um die ge-sunde Ernährung sorgen für Schlagzeilen in Fachzeitschriften und der regionalen Presse. Oft fehlt jedoch die Zeit sich am Arbeitsplatz gesund und ausgewogen zu ernähren. Das denken zumindest die meisten Arbeitnehmer in Deutschland. Am Amt für Ernährung Landwirtschaft und Forsten (AELF) Kulmbach brachte das Thema „Gesund und fit durch den Arbeitsalltag“ einen Tag voller Ideen und Erkenntnisse rund um das ausgewogene Ess- und Bewegungs-verhalten im Berufsalltag. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konnten die Bedeutung einer gesunden, regionalbezogenen Ernährung kombiniert mit Bewegungstipps erleben und probieren. Die Veranstaltung fand im Rahmen des Gesundheitsmanagements statt, das in der Behörde einen hohen Stellenwert hat.

Sich am Arbeitsplatz gesund und ausgewogen zu ernähren ist leichter als man denkt. Ein Frühstück ist für den richti-gen Start in den Tag hierbei ein echtes Muss. Ernährungs-experten der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfehlen hierfür eine Kombination aus Milchprodukten und vollkorn- oder getreidehaltigen Lebensmitteln. Auch Gemüse oder Obst sind wichtige Vitaminlieferanten. Für die weitere Nahrungsaufnahme des Tages gibt es keinen wis-senschaftlich abgesicherten Rat. Viele Menschen kommen mit drei Mahlzeiten zurecht, andere wiederum besser mit fünf kleineren Mahlzeiten. Statistiken zeigen: Jeder vierte Deutsche isst mittags nicht zu Hause. Besonders im Büro ist oft eine ausgiebige Mahlzeit in der Mittagspause üblich. Empfohlen wird grundsätzlich auf fettreiche Lebensmittel zu verzichten und auf Speisen mit einer hohen Nährstoffdichte

zurückzugreifen. Ballaststoffreiche Lebensmittel verhindern, die Leistungsfähigkeit am Nachmittag zu drücken. Um kon-stant leistungsfähig zu bleiben, empfehlen sich kleinere Zwi-schensnacks. Je nach Jahreszeit eine Handvoll Nüsse oder ein Stück Obst eignen sich sehr gut. Schokoriegel und Kekse hingegen treiben den Blutzuckerspiegel nur für kurze Zeit in die Höhe.

Ein Muss mit Genuss – saisonal und regional Am 29. November 2016 drehte sich am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Kulmbach alles um die gesunde Ernährung am Arbeitsplatz. Zum Start in den Tag wurde ein gemeinsames Frühstück vorbereitet, welches die Bandbreite regional und saisonal bezogener Produkte verdeutlichte. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren erstaunt über die

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→ Bild 1: Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Gesundheitstages am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (beide Fotos: AELF Kulmbach).

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vielen Möglichkeiten, sich ausgewogen zu ernähren, und gaben an, nicht mit diesem Angebot gerechnet zu haben. Dabei standen ausschließlich Lebensmittel mit hoher Nähr-stoffdichte und Produkte der Saison auf der Einkaufsliste. Die Botschaft ist angekommen: Frühstücken ist ein abso-lutes Muss. Mit einem Smoothie aus Rote-Bete und Äpfeln oder einer Scheibe magerem Schinken auf Vollkornbrot wird diese wichtige Mahlzeit zum echten Genuss. Aus finanziellen und ernährungsphysiologischen Gründen wurden die Mit-arbeiterinnen und Mitarbeiter motiviert, ihr Knuspermüsli in Zukunft nach Vorlieben selbst herzustellen und somit die Zusammensetzung selbst zu bestimmen (Rezept siehe Infobox 1).

Aufklärung in der Ernährungs- und BewegungsinselAls Botschafterinnen für die beiden Informationsinseln standen Hauswirtschaftsre-ferendarin Christiane Kohler und Fachlehreranwärterin Katharina Frank, derzeit zur Ausbildung am AELF Kulm-bach, zur Verfügung. Nach dem ausgewogenen Früh-stücksprogramm ging es an der Ernährungsinsel weiter: Die Teilnehmer konnten ihr Wissen an einem Quiz-Rad testen und erhielten Ant-worten auf viele Fragen,

z. B. die Vor- und Nachteile verschiedener Verpackungs-möglichkeiten hinsichtlich des Umweltschutzes. Für Per-sonen, die an mehreren Standorten eingesetzt sind oder viel im Außendienst arbeiten, ist es wichtig, sich nicht auf Heißhungerattacken einzulassen. Kleinere Snacks helfen, dies gezielt vorzubeugen. Eine ausgewogene Ernährung allein reicht jedoch nicht aus, um den Arbeitsalltag ge-sund und fit zu gestalten. Bewegung gehört dazu! Für das persönliche Wohlbefinden und den Ausgleich zum stress-geplagten Berufsalltag ist eine aktive Freizeitgestaltung entscheidend. Aus arbeitsmedizinischer Sicht sollte je ein Viertel der Arbeitszeit im Stehen und in Bewegung erle-digt werden und nur die Hälfte im Sitzen. Der Wechsel vom Sitzen zum Stehen regt den Kreislauf an und beugt Ver-spannungen vor. Tipps für mehr Schwung am Arbeitsplatz wurden an der Bewegungsinsel praktisch durchgeführt.

→ Bild 2: Vielfältiges Frühstück – Ein Muss mit Genuss.

• Arbeitsmittel, die nicht ständig benötigt werden, außer Griffweite lagern;• E-Mail oder Telefonat an den Kollegen im Büro nebenan durch einen Besuch ersetzen;• Schrankfächer im oberen Abteil mit Ordnern bestücken, dadurch wird die Wirbelsäule

gestreckt;• längere Telefonate oder Besprechungen mit Kollegen im Stehen abhalten;• vor gemeinsamen Besprechungen eine zweiminütige Bewegungsübung im Sitzen

durchführen zur Förderung der Konzentrations- und Leistungsfähigkeit;• Drucker und Kopierer nicht direkt am Schreibtisch aufstellen.

Infobox 2: Tipps für die tägliche Bewegung am Arbeitsplatz

Rezept zur Vorratshaltung

500 g Haferflocken200 g Nüsse oder Kerne nach Belieben

Portionsweise ohne Fett in einer Pfanne goldgelb anrösten

15 g Zucker darüber streuen und karamellisieren

Fertig!

Infobox 1: Knusper-Müsli

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Eine örtliche Krankenkasse stellte kostenfrei für jeden Teilnehmer einen Igelball und Informationsmaterial bereit. Außerdem erhielten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Check-liste, um eventuelle Fehl-haltungen am Arbeitsplatz zu überprüfen. Da der Kör-per durch die Nahrungsauf-nahme schon einen Teil des Flüssigkeitsbedarfes deckt, sind zusätzlich zwischen 1,5 und 2 Liter täglich empfeh-lenswert. Mit Kardamom, Orangescheiben oder fri-schen Kräutern aufgepepp-tes Wasser sorgte an der Bewegungsinsel für neue Geschmacks erlebnisse.

Gesundheitsmanagement ohne großen AufwandDas Gesundheitsmanagement umfasst Maßnahmen, die zum Erhalt und zur Förderung der Gesundheit von Mitarbei-terinnen und Mitarbeitern organisiert werden. Das behörd-liche Gesundheitsmanagement teilt sich in zwei Bereiche:

→ Verhältnisprävention: Wie können die Verhältnisse im Arbeitsleben gesundheitsfördernd gestaltet werden?

→ Verhaltensprävention: Wie kann ich das Verhalten des Einzelnen verändern?

Gerade die Verhaltensprävention findet bei den Mitarbei-terinnen und Mitarbeitern starkes Interesse.

Um gesundheitsmanagement im Amt durch­zuführen bedarf es keiner großen finanziellen Hilfestellungen

guido winter Behördenleiter des AeLF Kulmbach

Das Engagement der Mitarbeiter sei ausschlaggebend. In Kulmbach findet z. B. einmal wöchentlich in den Räumlich-keiten des Amtes zum Teil auf Dienstzeit eine Rückenschule statt.

Positive Resonanz und Wunsch nach FortführungDie Evaluation am Ende des Gesundheitstages zeigte, dass die Erwartungen der Kolleginnen und Kollegen erfüllt wur-den und jeder die Wichtigkeit einer gesunden Ernährung und Bewegung im Arbeitsalltag erleben konnte. Der Ge-sundheitstag hatte eine teamfördernde Wirkung und wirkt immer wieder mit positive Gedanken und Erinnerungen nach. Um nachhaltig dieses Thema zu verfolgen, sind re-gelmäßige wiederkehrende Veranstaltungen dieser Art ge-wünscht und geplant. Ein monatliches gemeinsames Früh-stück oder ein zusammen hergestelltes Mittagessen sind Möglichkeiten diese Grundgedanken weiterzuführen und auszubauen.

KATHARINA FRANKAMT FÜr erNÄHrUNg, LANDwIrTSCHAFT UND FOrSTeN [email protected]

09:00 – 10:00 Uhr „Ein Muss mit Genuss!“: Das vielfältige Frühstück

10:00 – 10:45 Uhr Gruppe 1

ErnährungsinselGesund und lecker durch den Tag

• Vortrag• Ernährungsquiz

Gruppe 2

BewegungsinselAktive Pausengestaltung gegen die negativen Auswirkungen im Büroalltag

• Blitz-Entspannungs-Kurs

10:45 – 11:30 Uhr Gruppenwechsel Gruppenwechsel

11:30 – 11:45 Uhr Teamfördernde Konzentrationsübung

11:45 – 12:00 Uhr Abschluss Blitzlicht & Evaluation

• „Was setze ich in Zukunft um?“• „Was hat mir gut gefallen?“

Infobox 3: Ablauf des Gesundheitstages

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Bewegung und körperliche Aktivität Das Wundermittel im Alltag für die Gesundheit

von EVELINE RIEG: Bewegung ist ein allumfassendes und zudem kostenloses, überall zu er-haltendes Wundermittel. Schon in minimaler und regelmäßiger Dosierung über den Tag hin-weg verteilt, versprüht es seine positiven Auswirkungen auf die Gesundheit in jeder Alters-stufe. Diese Erkenntnis ist nicht neu und dennoch wichtig wie nie zuvor. Denn die Menschen bewegen sich immer weniger in ihrem ganz normalen Alltag. Die Veränderungen der Bewe-gungsgewohnheiten und der daraus resultierende Bewegungsmangel haben negative Aus-wirkungen auf die Gesundheit.

In den letzten Jahren hat die Eindeutigkeit zur Wirkung von Bewegung und einer aktiven Lebensführung zugenommen. Es gibt immer mehr Studien, die die positive Wirkung von Bewegung und körperlicher Aktivität auf die Gesundheit auf hohem Evidenzniveau sichern. Man weiß:

Bewegung tut gut, aber nur wenn man es tut! [6]

Demzufolge kann Bewegung als „Wunderpille“ für die Ge-sundheit bezeichnet werden. Die nachgewiesenen Wirkun-gen sind kostengünstig, nebenwirkungsfrei und rezeptfrei überall erhältlich. Man würde meinen, sie findet reißenden Absatz, aber: Bewegungsmangel nimmt rasant zu.

Im Laufe der letzten Jahrzehnte hat sich der Lebens-stil markant geändert. Die mobilisierte und bequeme Welt macht es uns leicht, sich nicht zu bewegen. Die sich rasant wandelnde moderne digitale Technik, neue Fortbewegungs- und Transportmittel, Aufzüge, Rolltreppen erleichtern ver-meintlich den Alltag. Die Veränderungen der Bewegungs-gewohnheiten in allen Altersstufen haben eine drastische Reduktion täglich aktiv zurückgelegter Wegstrecken hervor-gerufen. Die Sitzzeiten nehmen zu, aktive Bewegungszeiten nehmen ab, mit fatalen Folgen.

regelmäßige Bewegung ist eine Voraussetzung zur Aufrechterhaltung körperlicher Funktionen und ein wichtiger Baustein für die gesundheit.

Ein aktiver Lebensstil, Bewegung und körperliche Aktivi-tät haben nachfolgende positive Wirkungen [1, 6, 10]:

→ das Gesamtsterblichkeitsrisiko kann um 30 Prozent entscheidend gesenkt werden,

→ das Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist um 20 bis 33 Prozent geringer,

→ die Reduktion der Blutfettwerte und des Blutdrucks wird positiv beeinflusst,

→ das Risiko an Übergewichtig zu erkranken verrin-gert sich,

→ Vorbeugung von Einschränkungen des aktiven und passiven Bewegungsapparates,

→ Stärkt die psychische Gesundheit, wirkt dem Auf-treten von Depressionen entgegen und reduziert depressive Symptome,

→ vermindert das Risiko an Diabetes Mellitus Typ 2 zu erkranken,

→ stärkt das Immunsystem und das Risiko für das Auftreten verschiedenen Tumorarten kann gesenkt werden,

→ trägt zur Knochengesundheit und Prävention von Osteoporose bei.

Bewegungsempfehlungen für Erwachsene – so geht’s!Entsprechend dieser positiven Erkenntnisse wurden aus Stu-dien Bewegungsempfehlungen abgeleitet, die das Maß an Aktivität definieren, die nötig ist um die Gesundheit zu er-halten oder zu fördern (siehe Abbildung 1) [3].

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt Perso-nen zwischen 18 und 64 Jahren eine wöchentliche Mindest-aktivitätsdauer von 150 Minuten bei mittlerer Intensität oder 75 Minuten bei höherer Intensität [11]. Die Bewegung sollte

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idealerweise 30 Minuten pro Tag betragen und kann auf drei Einheiten mit je 10 Minuten am Stück verteilt werden.

Bei sehr inaktiven Erwachsenen können auch Bewegungs-einheiten sinnvoll sein, die kürzer als zehn Minuten sind, da sie einen Einstieg in einen aktiven Lebensstil begünstigen können [10].

Bewegung mit mittlerer Intensität bedeutet, Bewegun-gen auszuführen, die im Vergleich zu ruhigem Sitzen 3- bis 5,9-mal intensiver sind. Als Faustregel gilt, dass man wäh-rend körper licher Aktivitäten mit mittlerer Intensität noch sprechen, aber nicht mehr singen kann.

Bewegung mit höherer Intensität bedeutet, Bewegun-gen auszuführen, die im Vergleich zu ruhigem Sitzen zu-mindest 6-mal intensiver sind. Als Faust regel gilt, dass man während körper licher Aktivitäten mit höherer Intensität kein durchgehendes Gespräch mehr führen kann [1].

Die körperliche Aktivität rückt immer mehr in den HintergrundLaut aktuellem DKV Report (Deutsche Krankenversicherung) bewegten sich 2015 nur noch 45 Prozent aller Deutschen im empfohlenen Umfang. Das bedeutet, dass über die Hälfte aller Deutschen sich nicht ausreichend bewegt. Hierbei sind Frauen und Männer in ihrem Verhalten ähnlich. Nur 14 Pro-zent der Menschen bewegen sich weder beim Transport

noch in Ihrer Freizeit. Mit steigendem Bildungsstatus ver-ringert sich die körperliche Aktivität bei der Arbeit. Weiterhin wurde festgestellt, je älter die Menschen sind, desto weniger intensiv ist ihre körperliche Aktivität [4].

Sitzender Lebensstil / Sedentary LifestyleWährend jahrzehntelang der Fokus der Forschung auf den Wirkungen körperlicher Aktivität lag, befassen sich seit eini-gen Jahren Wissenschaftler auch mit der Erforschung der In-aktivität bzw. des Sitzens, das inzwischen eine eigene, neue Forschungsrichtung darstellt.

Im Laufe der Jahre verdichteten sich die Hinweise darauf, dass langes, ununterbrochenes Sitzen ein Gesundheits risiko darstellt, das auch durch Training in mittlerer und höherer Intensität nicht kompensiert werden kann [6].

Wie definiert sich Sitzen? Unter einem sitzenden Lebensstil werden alle Tätigkeiten im Wachzustand verstanden, die mit einem niedrigen Energieverbrauch zwischen 1,0 und 1,5 MET1)

einhergehen und im Sitzen oder Liegen stattfinden [4].

Die Menschen sitzen im Durchschnitt sieben Stunden am Tag – am häufigsten während der Arbeit und vor dem Fernseher.

Das Sitzen hat Einzug in den Alltag gehalten. Besonders be-sorgniserregend sind die zunehmenden Sitzzeiten bei Kin-dern und Jugendlichen in Schule und Freizeit. Europäische Jugendliche sitzen 70 Prozent ihrer Wachzeit [8].

Ein hohes Arbeitspensum beeinträchtigt einen be-wegungsreichen Alltag. Der Berufsalltag von erwachse-nen Erwerbstätigen ist im Normalfall von hohen Sitzzei-ten gekennzeichnet. Insgesamt verbringen Frauen im Durchschnitt eine Stunde weniger im Sitzen. Je höher der Bildungsgrad und je höher das Einkommen, desto mehr Zeit wird während der Arbeit im Sitzen verbracht. Junge Menschen zwischen 18 und 29 Jahren sitzen mit 9 Stunden pro Tag am längsten bei der Arbeit und beim Transport und gewöhnen sich einen inaktiven Lebens-stil an, der langfristig negative Auswirkungen auf ihre Gesundheit hat [4].

Sitzen als Co-AktivitätDas Sitzen ist meistens eine Co-Aktivität. Im Vordergrund steht eine andere eigentliche Zieltätigkeit, die im Sitzen ausgeführt wird: am Computer arbeiten oder spielen, an

→ Abbildung 1: Bewegungsempfehlungen für Erwachsene (©Fonds

Gesundes Österreich 2016)

1) MET – Metabolisches Äquivalent: Im Ruhezustand benötigt jeder Mensch Energie um die vitalen Funktionen des Körpers zu erhalten, dies ist als Grund-

umsatz bekannt. Für jede Bewegung braucht der Körper zusätzliche Energie. Das Metabolische Äquivalent (englisch „metabolic equivalent of task“ – MET)

wird verwendet, um den Energieverbrauch verschiedener Aktivitäten zu vergleichen. Sitzende Verhaltensweisen werden als alle Tätigkeiten mit ≤ 1,5 MET

definiert, moderate körperliche Aktivitäten haben einen Energieverbrauch von etwa 3 – 6 MET, intensive Anstrengungen hingegen über 6 METs. [8]

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der Uni studieren, in der Schule lernen, sitzender Arbeits- oder Schulweg, TV-Konsum. Ein weiterer Faktor ist die „positive“ psychologische Bedeu-tung und Bewertung des Sitzens: sich ausruhen, erholen, entspannen, Lesen auf der Couch, sich was Gutes tun, der Besitz von luxuriösen Stühlen, Sesseln und Sofas. Auch sonstige Freizeitaktivitä-ten wie soziale Kontakte beim geselligen gemein-samen Essen und Trinken in einem Restaurant oder Café, einem kulturellen Abend im Theater oder Kino finden meistens im Sitzen statt und prä-gen so das Bewegungsverhalten [4,8].

All diese Faktoren gemeinsam führen zu Inak-tivität und langen Sitzzeiten über den Tag verteilt.

Gesundheits-Risiko vorwiegend sitzender Lebensstil Negative Zusammenhänge zwischen sitzendem Lebensstil und der Gesundheit bestehen bereits im Kindes- und Ju-gendalter. Sie können zu einem höheren Risiko für Über-gewicht, Stoffwechselerkrankungen, geringere körperliche Fitness, geringe motorische und intellektuelle Leistungs-fähigkeit, einer verringerten Knochendichte, sowie einem häufigerem Aufkommen von aggressiven Verhaltensweisen führen [9].

Neue wissenschaftliche erkenntnisse zeigen: Unabhängig vom Ausmaß sonstiger körper­licher Aktivität und selbst bei ausreichender Bewegung ist langes Sitzen ein eigenständi­ger risikofaktor für die gesundheit! [6]

Ein inaktiver Lebensstil erhöht unter anderem das Risiko für bestimmte Krebsarten, kardiovaskuläre Erkrankungen, Os-teoporose, Diabetes mellitus, fehlende Entzündungshem-mung, metabolische Dysfunktion, muskuläre Dysbalance, psychische Erkrankungen wie z. B. Depressionen und Burn-out, (siehe Abbildung 2) [8].

Es besteht ein deutlicher Zusammenhang zwischen lan-gem Sitzen und Zunahme der Sterblichkeitsrate. Überlanges Sitzen steht im Verdacht, das Risiko für die Gesamtsterblich-keit zu erhöhen. Bei Personen, die bereits 7 Stunden pro Tag sitzen, führt zum Beispiel jede weitere Stunde Sitzen zu einer 5-prozentigen Erhöhung der Gesamtsterblichkeit [4].

Aufbrechen von Bewegungsmangel und Sitz- GewohnheitenIn vielen Lebensbereichen hat das Sitzverhalten eine sehr große Gewohnheitskomponente. Wir neigen häufig dazu, uns in verschiedenen Situationen automatisch hinzuset-

zen, ohne darüber nachzudenken. Es bedarf gezielter ver-haltens- und verhältnispräventiver Maßnahmen, um das Sitzverhalten zu reduzieren, zu unterbrechen und diese Au-tomatismen zu unterbrechen. Eine Veränderung der Umge-bung kann somit das Verhalten positiv beeinflussen. Auch regelmäßige Aufforderungen, das Sitzen über längere Zeit hinweg zu unterbrechen, können diese Angewohnheiten auflösen und dazu beitragen, das häufigere Aufstehen zu verinnerlichen [4].

Die Vermeidung von inaktiven Sitzzeiten, schon der Übergang von Sitzen zum Aufstehen, regelmäßige Unter-brechungen des Sitzens und bereits kleine Bewegungen im Alltag wirken sich äußerst positiv auf die Gesundheit aus (siehe Abbildung 3) [2, 7].

Bewegter Alltag – die gesunde Basis!Um die empfohlenen Bewegungseinheiten leicht in den Tagesablauf einzubauen bietet, es sich an, den Alltag als gesunde Basis zu betrachten und bewegt zu gestalten. All-

→ Abbildung 3: Dosis-Wirkungskurve (©hepa.ch, 2013)

→ Abbildung 2: (© nach Peb-Transfer Nr. 1/2013)

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tagsbewegungen sind mit wenigen Ausnahmen für jeden geeignet, risikoarm und niedrigschwellig [6].

Alltagsbewegungen sind diejenigen körperlichen Ak-tivitäten, die im Alltag verrichtet werden. Dazu zählen un-ter anderem Bewegungsaktivitäten im Kontext der Familie, der Hausarbeit sowie Aktivitäten zum Zwecke der Fortbe-wegung und Mobilität [5]. Alltagsaktivitäten leisten einen positiven Beitrag zum Erhalt und zur Verbesserung der kör-perlichen Leistungsfähigkeit und der Gesundheit: Betten machen, Wohnung putzen und staubsaugen, im Garten ar-beiten, zu Fuß oder mit dem Fahrrad zur Arbeit oder zum Einkaufen fahren, Treppen steigen, mit den Kindern spie-len, sich an- und ausziehen, Schuhe binden und vieles mehr.

Zu viele und zu lange Sitzzeiten bei der Arbeit, der Frei-zeit und beim Transport sollten vermieden oder reduziert und mit häufigen kurzen, aktiven Pausen unterbrochen wer-den.

Am Arbeitsplatz können folgende Aktivitäten zu mehr Bewegung führen: Treppe nehmen statt Aufzug, zu Kolle-gen gehen statt E-Mails zu schreiben, Aktenordner außer Reichweite platzieren, kurze Gehpausen einlegen, beim Te-lefonieren aufstehen, zentralen Druckerraum einrichten, viel trinken für häufigere Toilettengänge, Mülleimer außer Reich-weite platzieren, Meetings im Stehen durchführen sowie die Anschaffung von Stehpulten [4].

Die Positive Botschaft: Beginnen Sie, werden Sie aktiv! Es ist nie zu spät!

Betrachten und bewerten Sie Bewegung als positiv und freuen Sie sich, dass Sie sich bewegen können und dürfen. Der Nutzen für Ihre gesundheit ist enorm!

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Vermeiden und unterbrechen sie das Sitzen, gestalten sie den Alltag aktiv! Schon eine relativ geringe Steigerung der körperlichen Aktivität führt zu deutlichen Verbesserungen im Gesundheits- und Fitnesszustand bei anfangs inaktiven und unfitten Personen.

Ein aktiver Lebensstil mit ausreichend Bewegung stellt einen Schutzfaktor gegen eine Vielzahl von Krankheiten dar [8].

Bewegung und körperliche Aktivität in jeglicher Art und Weise ist gesünder als gar nichts zu machen und inaktiv auf dem Sofa zu verweilen. Nutzen Sie Bewegung als Wunder-pille! Schon kleine Änderungen bewegen viel! Jede Bewe-gung ist besser als keine Bewegung!

Literatur[1] BUNDESMINISTERIUM FÜR GESUNDHEIT, GESUND-

HEIT ÖSTERREICH GMBH UND GESCHÄFTSBEREICH FONDS GESUNDES ÖSTERREICH. (2012): Österreichi-sche Empfehlungen für gesundheitswirksame Bewe-gung. Band Nr. 8, Reihe WISSEN, Wien

[2] BUNDESAMT FÜR SPORT BASPO,(2013): Netzwerk Ge-sundheit und Bewegung Schweiz. www.hepa.ch. Gesundheitswirksame Bewegung bei Erwachsenen, Magglingen

[3] FONDS GESUNDES ÖSTERREICH (HRSG) (2016): Bewe-gung. Gesundheit für Alle!, Wien

[4] FROBÖSE, WALLMANN-SPERLICH (2016): Der DKV Re-port „Wie gesund lebt Deutschland?“ 2016, DKV Deut-sche Krankenversicherung, Düsseldorf

[5] GEUTER, G. (2010): Bewegung, Bewegungsförderung und Gesundheit – Befunde aus der Wissenschaft. In: Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit des Lan-des Nordrhein-Westfalen (Hrsg.). Alltagsnahe Bewe-gungsförderung 60+. Wissenschaftliche Grundlagen und Praxisimplikationen. Dokumentation der Regi-onalkonferenz „Bewegung im Alter“. LIGA.Fokus 6 (Seite 19 – 29). Düsseldorf: LIGA.NRW.

[6] GEUTER G., HOLLEDERER.(HRSG.) (2012): Handbuch Be-wegungsförderung und Gesundheit. Huber, Bern

[7] LANDESZENTRUM GESUNDHEIT NORDRHEIN-WESTFA-LEN (LZG.NRW)(2016): Prävention und Gesundheit: Risikofaktoren. Faktenblätter: Sitzende Lebensweise.

[8] PEB-TRANSFER NR. 1/2013: Plattform Ernährung und Be-wegung (peb) (Hrsg.) (2013): „Generation S“ – Sitzen-der Lebensstil bei Kindern und Jugendlichen, Berlin

[9] EMPFEHLUNGEN AN POLITIK UND GESELLSCHAFT ZUR REDUZIERUNG DES SITZENDEN LEBENSSTILS (PEB) (HRSG.) (2013): Plattform Ernährung und Bewegung Sitzender Lebensstil von Kindern und Jugendlichen, Berlin

[10] RÜTTEN A., PFEIFER K.(HRSG.) (2016): Nationale Emp-fehlungen für Bewegung und Bewegungsförderung. FAU Erlangen-Nürnberg

[11] WORLD HEALTH ORGANIZATION (2010): Global Recom-mendations for physical activity for health. Elektro-nisch veröffentlicht unter der URL: http://whqlibdoc.who.int/publications/2010/9789241599979_eng.pdf

EVELINE RIEG KOMPeTeNZZeNTrUM FÜr erNÄHrUNg FreISINg [email protected]

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Bildung braucht Zeit! Warum nach der „Meisterschule“ noch die „Höhere Landbauschule“ besuchen?

Nach dem Abschluss der Landwirtschaftsschule und der erfolgreichen Meisterprüfung sind die landwirtschaftlichen Betriebsnachfolger gut gerüstet für ihre berufliche Zukunft. Den-noch lohnt es sich weitere Zeit und Energie in Bildung zu investieren. Hierfür gibt es gute Gründe, die Dr. Michael Karrer, Leiter des Referates Bildung und Schulwesen in der Agrarwirt-schaft und im Gartenbau im Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, darlegt. Ehemalige Studierende der Höheren Landbauschule Rotthalmünster erklären, was der Schulbesuch aus ihrer Sicht gebracht hat.

Herr Dr. Karrer, Sie werben verstärkt dafür, Zeit in die Bildung zu investieren, warum?Karrer: Die Anforderungen im Berufsleben steigen ständig. Dies gilt im Besonderen auch für die Landwirtschaft, bei der verstärkt marktwirtschaftliche, gesellschaftliche und recht-liche Aspekte berücksichtigt werden müssen. Wenn es um die Leitung eines landwirtschaftlichen Betriebes geht, halte ich es für den falschen Weg, möglichst schnell als Unterneh-mer oder Unternehmerin ins Berufsleben zu starten, ohne die weitgehend kostenfreie Möglichkeit zur Fortbildung an unseren Fachschulen genutzt zu haben.

Ist Bayern für die Anforderungen, die an eine hoch-wertige Fortbildung gestellt werden, richtig aufgestellt?Kein Bundesland in Deutschland nimmt für die landwirt-schaftliche Fortbildung so viel Geld in die Hand wie Bayern und ermöglicht an so vielen Standorten den Besuch einer kostenfreien Fachschule, mit engagierten Lehrerinnen und Lehrern und modernster Technik. Wir wissen, dass sich In-vestition in Bildung für die Betriebe rechnet. Aber mit dem Wissen und dem Angebot allein ist es nicht getan. Seitens der jungen Menschen und ihrer Eltern gilt es, das Angebot auch anzunehmen und Zeit dafür zu investieren.

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Warum sind Sie nach der Winterschule an die HLS gegangen?Ich hatte das Gefühl, dass ich noch nicht “ausgelernt“ habe. Irgendwas hat noch gefehlt. Ausschlaggebend war auch, dass mein Vater und andere Absolventen die Schule empfohlen haben. Es wurde nur Positi-ves berichtet. Ich habe an der Winterschule keinen Meister gemacht. Um ausbilden zu können, blieb mir auch keine andere Wahl.

Warum haben Sie die HLS in Rotthalmünster gewählt?Für mich als Oberbayer ist es die nächste Schule. Viele Berufskollegen, die ich kenne waren in Rotthalmünster. Die Frage nach einer anderen Schule hat sich nie gestellt.

Wie beurteilen Sie Ihren Wissenszuwachs?Der Wissenszuwachs war enorm. Berufsschule und Winterschule sind die Grundbasis, die aber für mich nicht gereicht hat. Von der Winterschule zur Höheren Landbauschule ist es nochmal ein großer Sprung vom Wissensstand her. Alles wird viel intensiver be-handelt. Das gilt für alle Bereiche, egal ob Pflanzenbau, Tierproduktion oder Betriebslehre. Mir hat die HLS für die Zukunft viel ge-holfen. Ich kann es jedem nur empfehlen diese Schule zu besuchen und nach der Winterschule nicht zu denken dass das reicht.

Absolventen der HLS sind unter Berufskollegen nicht unumstritten, wie gehen Sie damit um?Es wird von den Höheren Landbauschulen behauptet, dass alle auf „Vollgas“ getrimmt werden und nur Wachstum, Wachstum, Wachstum kennen. Das kann ich nicht bestätigen. An der Schule wird jeder individuell betreut, egal ob es um eine Optimierung oder um Wachstum geht. Meiner Meinung nach liegt es am Typ Mensch oder Unternehmer, ob man wachsen will. Mit dem Ab-schluss hängt das nicht zusammen. Ich werde meinen Betrieb erst arbeitswirtschaftlich optimieren und später vielleicht schritt-weise erweitern. Dabei ist mir wichtig, dass ich mit den anderen Berufskollegen ein gutes Auskommen habe. Ein Vorbild ist mir dabei mein Vater, für den betriebliches Wachstum und fairer Umgang mit anderen kein Widerspruch ist.

Infobox 1: Aussagen von Absolventen über die HLS Sebastian Kaltner Gemeinde Seeon70 Kühe mit 9 700 kg Milchleistung

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Eltern sollten ihre Kinder und Hofnachfolger möglichst gut vorbereitet in die Eigenverantwortung gehen lassen. Mit dem Wissen, eine hervorragende fachliche und persönliche Bildung als Fundament zu haben, fällt dies leichter. Aber Bil-dung braucht Zeit!

Hat der Beruf Landwirt Zukunft?Der Beruf des Landwirts zählt für mich zu den absolut schönsten Berufen. Es ist ein Beruf in und mit der Natur, der sich nicht zuletzt durch seine Vielseitigkeit auszeichnet und der es ermöglicht, Familie und Beruf zu vereinbaren. Auch die Wege zur Arbeit sind in der Regel sehr kurz. Und gerade in seiner Vielseitigkeit stecken auch Chancen für die Zukunft.

Wie schlägt sich diese persönliche Einschätzung in Zahlen nieder?Die Attraktivität der grünen Berufe ist in Bayern ungebro-chen hoch. 1 300 junge Menschen erwerben in Bayern jähr-lich den Berufsabschluss zum Landwirt. 700 ausgebildete Landwirte und Landwirtinnen melden sich an eine unserer kostenfreien Fachschulen in Bayern an und lassen sich in der Unternehmerschule fit machen für ihre Aufgaben land-wirtschaftlicher Unternehmer. Der vor- und nachgelagerte Bereich in der Agrarwirtschaft zeigt zudem hohes Interesse an den Absolventen unserer Fachschulen. Gerade die pra-xisorientierte Ausbildung an unseren Fachschulen macht unsere Absolventen für den Arbeitsmarkt interessant, auch weil sie schnelle Akzeptanz beim Kunden schafft. Die Meis-

ter, Techniker oder Agrarbetriebswirte sind dabei ebenso als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Ämtern für Ernäh-rung, Landwirtschaft und Forsten gefragt.

Durch die Integration der Meisterprüfung in die Landwirtschaftsschule sind die Studierenden im dritten Semester oft extrem gefordert.Mit der Möglichkeit, Teile der Meisterprüfung bereits in der Landwirtschaftsschule ablegen zu können, haben wir das Niveau unserer Fortbildung nochmals erhöht. Allerdings mit der Konsequenz, dass der Leistungsdruck vor allem im drit-ten Semester stark gestiegen ist. Wir wissen das und haben reagiert. An sechs Landwirtschaftsschulen in Bayern testen wir in diesem und nächsten Jahr Möglichkeiten, das dritte Semester zu entlasten, ohne Abstriche in der Qualität der Fortbildung.

Das Fachschulniveau soll also erhalten bleiben?Im Gegenteil, wir wollen bei der Qualität nochmals zule-gen. So werden an diesen sechs Standorten die Studieren-den bereits im ersten Semester für Stärken und Schwächen des eigenen Betriebes sensibilisiert. Die Familien der Stu-dierenden werden früher und intensiver bei Überlegungen zur Weiterentwicklung des Betriebes eingebunden. Und es wird Raum geschaffen für Wiederholungen von wichtigen Lerninhalten im 3. Semester.

Daneben werden wir uns in unseren Fachschulen zukünf-tig in der Zielplanung noch mehr auf die Verbesserung der

Warum sind Sie nach der Winterschule an die HLS gegangen?Weil sich durch die HLS für mich ganz neue Jobchancen eröffnen und der Meister alleine zu wenig ist. Auf die vorherige Ausbildung wollte ich on Top noch etwas daraufsetzen um die fachlichen Kenntnisse zu vertiefen. Mein Lehrherr und meine Eltern haben mir diesen Weg empfohlen.

Warum haben Sie die HLS in Rotthalmünster gewählt?Diese Schule hat einen sehr guten Ruf. Freunde von mir besuchten auch diese Schule und sprachen nur positiv davon. Zudem wollte mein Vater damals auch nach Rotthalmünster und konnte aus familiären Gründen nicht gehen.

Wie beurteilen Sie Ihren Wissenszuwachs?Betriebswirtschaftlich hat mich die Schule enorm weitergebracht. Der Dialog mit Mitschülern und Lehrern förderte den Weit-blick. In Punkto Rhetorik, Auftreten und Persönlichkeit habe ich das Gefühl weitergekommen zu sein. Alle Fragen die im Un-terricht gestellt worden sind konnten von den Lehrern beantwortet werden. Auf den Lehrfahrten hat man auch mal was ganz anderes gesehen, zum Beispiel Tomaten- oder Paprikaanbau. Für meine zukünftige Tätigkeit als stellvertretender Betriebsleiter auf einem großen Gutsbetrieb ist die Ausbildung eine gute Basis.

Absolventen der HLS sind unter Berufskollegen nicht unumstritten, wie gehen Sie damit um?Man muss im Umgang mit Kollegen fachlich argumentieren und das Ganze mit Zahlen hinterlegen können. Die Berufserfahrung von Kollegen ist viel wert. Als frischer Schulabgänger weiß ich mit Sicherheit nicht alles besser. Es hilft nicht, die Ellenbogen aus-zufahren und zu sagen jetzt komme ich von der HLS. Ein Miteinander und gegenseitiger Respekt ist notwendig.

Infobox 2: Aussagen von Absolventen über die HLS Johannes ScheidlerGemeinde Dießen am AmmerseeKein elterlicher Betrieb

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Qualität der Betriebe konzentrieren. Das Wachstum in die Größe ist dabei nur ein Weg von mehreren möglichen We-gen. Ab dem Wintersemester 2018/2019 werden bewährte Teile aus den Pilotschulen für alle 27 Landwirtschaftsschu-len, Abteilung Landwirtschaft umgesetzt. Wichtig erscheint mir auch, dass die Lehrkräfte den Betrieb kennen, der hinter jedem, hinter jeder Studierenden steht.

Sie werben intensiv für den Besuch einer Höheren Landbauschule. Zeit ist für viele Betriebe ein kostbarer Faktor geworden angesichts des Arbeitsanfalles. Ein zusätzliches Jahr Vollzeit in einer Höheren Landbau-schule sei nicht mehr „drin“.Wer 40 Jahre einen Betrieb leiten will, sollte nicht argumen-tieren, dass er ein zusätzliches Jahr in die Fortbildung nicht investieren kann, unabhängig vom Arbeitsanfall auf dem Betrieb. Natürlich fehlt der Sohn oder die Tochter dieses eine Jahr, genau sind es zehn Monate, im Betrieb. Aber es gibt auch dafür Lösungen. Und ich kann versichern, dass es oft die Eltern in Betrieben mit großem Arbeitsanfall sind, die es ihrer Tochter oder ihrem Sohn ermöglichen, eine Höhere Landbauschule zu besuchen. Ich habe großen Respekt für diese Unterstützung seitens der Eltern.

Dass es eine richtige Entscheidung ist, bestätigen mir die Studierenden selbst, wenn ich in den Klassen mit ihnen diskutiere. Ich bin immer wieder überrascht, mit welchem Nachdruck die Studierenden der Höheren Landbauschulen mir mitteilen, wie sehr sie persönlich profitieren, dass sie die-

sen Weg eingeschlagen haben. Dies gilt im Übrigen ebenso für die Studierenden aller landwirtschaftlicher Fachschulen, der 27 Landwirtschaftsschulen, der drei Technikerschulen und der zwei Fachschulen für Ökologischen Landbau. Of-fenbar ist, wie so oft, der erste Schritt der schwerste, danach wird schnell vieles leichter und klarer.

Was kann die Höhere Landbauschule einem Meister in der Landwirtschaft noch bieten?Ich möchte es zunächst ganz pragmatisch beantworten: Wir bieten seitens des Staates hier kostenfrei zusätzlich eine In-vestition von 1 3oo Stunden in die Bildung. An der Land-wirtschaftsschule waren es ca. 1 6oo Stunden. Wichtiger als diese Stundenzahlen ist, dass die jungen Menschen in dieser Zeit eine Vertiefung der betriebswirtschaftlich und produk-tionstechnisch orientierten Unternehmerbildung erhalten. Durch Lehrfahrten, Projekte, Seminare, Spezialisierung nach Betriebsschwerpunkten weiten und schärfen sie ihren Blick auf viele Dinge. Das Einschätzungsvermögen für betriebli-che und persönliche Entscheidungsprozesse wird deutlich geschärft, weil sich an den Höheren Landbauschulen ein sehr breites Spektrum von Betriebstypen, Personen und Regionen mit ihren oft sehr unterschiedlichen Besonderheiten zusam-menfindet. Das ergibt fachliche Diskussionen, Denkanstöße und Impulse für eigene Ideen und Perspektiven. Durch die größeren räumlichen Entfernungen zwischen den Studie-renden können konkrete betriebliche Daten sehr offen dis-kutiert werden. In gemeinsamen Projektarbeiten bilden sich

Warum sind Sie nach der Winterschule an die HLS gegangen?Nach der Winterschule war ich sechs Jahre am elterlichen Betrieb. Ich hatte nach der Winterschule keine Lust mehr zu lernen und am Betrieb war genug Arbeit vorhanden. Nachdem ich immer mehr in den Be-trieb hineingewachsen bin habe ich festgestellt, dass mir noch einiges fehlt. Vor allem im Bereich Betriebswirtschaft und Steuern.

Warum haben Sie die HLS in Rotthalmünster gewählt?Die Schule hat einen sehr guten Ruf. Sie ist mit 100 Kilometern Entfernung die nächste Schule zu meinem Betrieb. Für betriebli-che Engpässe wie zum Beispiel Silieren während der Schulzeit ist das ideal.

Wie beurteilen Sie Ihren Wissenszuwachs?Der Wissenszuwachs war enorm finde ich. Im Unterricht ist das was ich mir erhofft habe ausführlich behandelt worden. Der Blick in andere Betriebe, durch Unterricht, Lehrfahrten und den Austausch mit anderen Schülern, hat mir viel gebracht. Super fand ich auch den Bereich Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation.

Absolventen der HLS sind unter Berufskollegen nicht unumstritten, wie gehen Sie damit um?Im beruflichen Umfeld bin ich schon kritisch angesprochen worden. Hier kann ich entgegnen, dass an der Schule sehr viel Wert auf die Individualität des Betriebs gelegt wird. Es wird nicht, wie oft behauptet, blindes Wachstum und Intensivierung ohne Rücksicht auf Verluste gepredigt. Die Aussage dass man die HLS nur als Großbetrieb gebrauchen kann stimmt nicht. Ich plane für die nächste Zukunft keine Aufstockung, sondern eine Modernisierung des bestehenden Stalles und die weitere Optimie-rung der Produktion.

Infobox 3: Aussagen von Absolventen über die HLS Josef Willberger Gemeinde Piding35 Kühe, Naturlandbetrieb

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Netzwerke, aus denen nicht selten lebenslange Freundschaf-ten entstehen. Sie dürfen nicht vergessen, dass die Studie-renden in aller Regel auch nach dem Unterricht am Schul-standort bleiben und auch dort übernachten. Außerdem hilft dieses zusätzliche Jahr bei der Persönlichkeitsbildung. Auch ein erstklassiger Wein braucht Reifezeit. Dabei steht nicht, wie oft unterstellt, das Wachstum der Betriebe im Vordergrund, sondern das Besserwerden des eigenen Betriebes. Um zu-sätzlich die Abstimmung zwischen Landwirtschaftsschule und Höherer Landbauschule zu verbessern, wurde 2016 eine Arbeitsgruppe mit Schulleitern und Lehrkräften aus beiden Fachschulen gebildet.

Wer heute seinen Betrieb übernehmen will, soll er studieren oder den Weg über die Aus- und Fortbildung gehen?Beide Wege sind gute Wege. Ich habe im Staatsministerium als Leiter des Referates Bildung und Schulwesen in der Ag-rarwirtschaft und im Gartenbau Verantwortung übernom-men für die berufliche Aus- und Fortbildung. Dieser Weg zeichnet sich durch seine hervorragende Praxisnähe aus, nicht zuletzt durch den hohen persönlichen Einsatz der Bil-dungsberater, Ausbilder, Prüfer und Lehrkräfte. Wer sich die Zeit nimmt und sich Fragen der Abschlussprüfungen näher anschaut, wird erkennen, dass unsere Absolventen und Ab-solventinnen fachlich niemanden zu fürchten brauchen. Un-sere Ausbilder, Ausbilderinnen und Lehrkräfte achten dabei

darauf, dass wir unseren Studierenden Werte vermitteln zum Nutzen der eigenen Familie und der Gesellschaft. Wir stre-ben Betriebsleiter und Betriebsleiterinnen an, die fachlich fundiert in Verantwortung gegenüber ihrer Familie, ihren Mitmenschen und der Natur ihren Betrieb führen.

Was haben Sie sich bei den Höheren Landbauschu-len zum Ziel gesetzt?Von den etwa 500 jungen Menschen, die in Bayern jährlich eine Fortbildung an den 27 Landwirtschaftsschulen und zwei Fachschulen für Ökologischen Landbau beginnen, gehen derzeit nur etwa 75 anschließend auf eine der drei Höheren Landbauschulen. Noch mehr junge Betriebsleite-rinnen und Betriebsleiter sollten von diesem einzigartigen Bildungsangebot profitieren. Hier ist aus unserer Sicht noch Luft nach oben. Daran arbeiten wir und wollen Eltern wie Studierende dafür gewinnen. Wir meinen: Die HLS ist das perfekte Finish!

Herr Dr. Karrer, vielen Dank für das Interview.

DIE INTERVIEWS FÜHRTE:FABIAN WERNERHÖHere LANDBAUSCHULe rOTTHALMÜNSTerfabian.werner@hls­rm.bayern.de

Warum sind Sie nach der Winterschule an die HLS gegangen?Mein Vater war vor 25 Jahren in Rotthalmünster. Bei der Berufswahl hat er zu mir gesagt: „Wenn du Landwirtschaft lernst, dann bis zur HLS!“ Zudem haben Ehemalige die Schule gut beworben. Die Winterschule war mir für die Betriebsleitung und als Qualifikation in Hinblick auf Jobsuche nicht ausreichend.

Warum haben Sie die HLS in Rotthalmünster gewählt?Empfehlung durch meinen Vater. Das Versuchsfeld und die jährlichen Versuchsberichte für die Ehemaligen waren ein weiterer Grund.

Wie beurteilen Sie Ihren Wissenszuwachs?Als sehr groß. Vor allem in Hinblick auf Tierproduktion, Betriebswirtschaft und Steuern. Gerade in diesen Bereichen wurde das Grundwissen aus der Meisterausbildung vertieft, es wurde deutlich etwas draufgesetzt. Jetzt verstehe ich viele Hintergründe besser als vorher. Mit Tierarzt, Banker und Steuerberater kann ich nun ganz anders reden als vorher. Durch die Ausbildung bin ich breiter aufgestellt. Steuerliche, familiäre und arbeitswirtschaftliche Gesichtspunkte sowie die Akzeptanz im Dorf und in der Bevölkerung sind oft wichtiger als nur der Deckungsbeitrag.

Absolventen der HLS sind unter Berufskollegen nicht unumstritten, wie gehen Sie damit um?Absolventen der Höheren Landbauschule hören oft: „Für den Doppelzentner Weizen bekommst du auch nicht mehr als andere“. Das stimmt natürlich, aber als Rotthalmünsterer weiß ich, wie hoch die Produktionskosten sind. Davon hängt ab, ob sich meine Verfahren am Betrieb rechnen und ob es mich in Zukunft noch geben wird.

Infobox 4: Aussagen von Absolventen über die HLS Alexander PetschkoGemeinde Mengkofen75 Zuchtsauen im Nebenerwerb

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Natur und Technologie – Hand in Hand!Berufsausbildung Pflanzentechnologe/Pflanzentechnologin

von JOSEF GÜRSTER: Der Ausbildungsberuf „Pflanzentechnologe/Pflanzentechnologin“ er-öffnet jungen Leuten die Möglichkeit, sich vom Labor bis hin zum Versuchsfeld ausbilden zu lassen. Das Berufsbild gibt es seit August 2013, ein sogenannter Allrounder in der Pflanzen-zucht ist das Ergebnis. Anlass für die Modernisierung der früheren Ausbildung zum Landwirt-schaftlich-technischen Laboranten waren Nachwuchsprobleme.

Die massiven Nachwuchsprobleme im Bereich der Pflanzenzüchtung führten dazu, dass sich Züchterfirmen für prak-tische Tätigkeiten mit der Einstellung ausgebildeter Landwirte bzw. Agrar-technischer Assistenten behalfen. Die Landwirte können zwar mit den Ver-suchsmaschinen gut umgehen, haben aber kein Wissen über Pflanzenzüch-tung. Die Agrartechnischen Assisten-ten dagegen erlangen zwar in der Ausbildung viel Wissen über Pflan-zenzüchtung im Labor und Gewächs-haus, wissen jedoch nichts über den Umgang mit Maschinen und die An-lage von Feldversuchen. Der Beruf des Pflanzentechnologen vereint deshalb alle Anforderungen an einen Mitarbei-ter für Betriebe im Bereich der Pflanzenzüchtung.

ZugangsvoraussetzungenWer diesen Beruf erlernen möchte, sollte mindestens einen Hauptschulabschluss vorweisen. Empfohlen wird aber die mittlere Reife, da die naturwissenschaftlichen Fächer Ma-thematik, Physik, Biologie und Chemie einen Schwerpunkt in der theoretischen Ausbildung darstellen. Derzeit haben 30 Prozent der Berufsanfänger Hochschulreife, 60 Prozent mittlere Reife und 10 Prozent einen Hauptschulabschluss.

Ablauf der AusbildungDa es sich bei der Ausbildung zum Pflanzentechnologen um eine klassische duale Ausbildung handelt, ergänzt die praktische Ausbildung im anerkannten Betrieb eine theo-retische Wissensvermittlung an der Berufsschule. Als Aus-

bildungsbetrieb kommen alle privaten oder öffentlichen Betriebe, die in der Pflanzenzüchtung tätig sind, in Frage. Der Auszubildende schließt mit dem Betrieb für die ge-samte Ausbildungsdauer einen Berufsausbildungsvertrag und ist dadurch berechtigt die Berufsschule zu besuchen. Weil in Niedersachsen bisher die meisten Auszubildenden lernen, gibt es in Einbeck eine Bundesfachklasse. Dort wer-den die Auszubildenden im Blockunterricht beschult, mit Unterbringung in angegliederten Wohnheimen. Außerdem finden im Rahmen der Berufsschulblöcke sämtliche über-betrieblichen Ausbildungsmaßnahmen und auch die Prü-fungen statt.

Die Ausbildungsdauer beträgt drei Jahre. Eine Lehrzeit-verkürzung auf zwei Jahre kann beantragt werden, sofern eine abgeschlossene Berufsausbildung oder Hochschul- bzw. Fachhochschulreife vorliegt.

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→ Bild 1: Azubi legt mit dem Ausbilder einen Parzellenversuch im Freiland an (alle Fotos: StMELF).

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AusbildungsinhaltePflanzentechnologen/innen planen und führen zu Vermeh-rungszwecken von Kulturpflanzen Versuche und Untersu-chungsreihen im Freiland (siehe Bild 1), im Gewächshaus oder im Labor durch. Sie bereiten das Substrat vor, wählen das Vermehrungsmaterial aus und setzen es ein. Um die Entwicklung der Pflanzen zu dokumentieren, bonitieren sie diese regelmäßig (siehe Bild 2), entnehmen Pflanzen-proben, welche sie im Labor chemisch bzw. biotechnisch analysieren (siehe Bild 3). Um zu überprüfen, ob die ange-bauten Jungpflanzen über die gewünschten Eigenschaften verfügen, bestimmen sie beispielsweise den genetischen Fingerabdruck einer Pflanze. Außerdem dokumentieren sie den gesamten Versuchsverlauf und bereiten die gewonne-nen Daten auf.

Die Ausbildung erfolgt in Abhängigkeit des Ausbil-dungsbetriebes in mindestens einer Kultur und in mindes-tens zwei der folgenden Einsatzgebiete:

→ Feldversuchswesen, → Gewächshaus, → Kulturlabor, → Pflanzenschutzversuchswesen, → Saatgutwesen, → Untersuchungslabor, → Zuchtgarten.

Möglichkeiten nach der AusbildungAbsolventen finden Anstellung in öffentlichen Einrichtun-gen oder privaten Betrieben der Pflanzenzüchtung, des Versuchswesens und der Pflanzenvermehrung. Außerdem bieten agrarwirtschaftliche Untersuchungslabore oder Saatgutfirmen gute Anstellungschancen. Wer sich nach der Ausbildung weiterbilden möchte, dem bieten sich folgende Möglichkeiten:

→ Meisterprüfung in einem grünen Beruf (Meisterfort-bildung im Bereich des Pflanzentechnologen wird derzeit entwickelt),

→ Fachagrarwirte (Qualifikation in Spezialgebieten).

Aktuelle Ausbildungszahlen in BayernDerzeit befindet sich in Bayern jeweils ein Auszubildender im ersten Ausbildungsjahr und im zweiten Ausbildungsjahr. Da die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen stark zunimmt, wer-den nach und nach Ausbildungsbetriebe anerkannt. Aktuell sind drei Betriebe anerkannte Ausbildungsbetriebe. Bei drei weiteren Betrieben läuft zurzeit das Anerkennungsverfahren.

JOSEF GÜRSTERAMT FÜr erNÄHrUNg, LANDwIrTSCHAFT UND FOrSTeN STrAUBINg josef.guerster@aelf­sr.bayern.de

Das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Straubing ist zuständig für ganz Bayern mit folgenden Aufgaben:• Anerkennung der Ausbildungsstätten, • Anerkennung der Ausbilder,• Beratung von interessierten Jugendlichen,• Eintragung von Ausbildungsverträgen, • Betreuung der Jugendlichen und der Unternehmen

während der Ausbildung,• Prüfungsanmeldung und Prüfungszulassung,• Überstellung der Prüflinge an die LWK Niedersachsen

zur gemeinsamen bundesweiten Zwischen- und Abschlussprüfung.

Infobox: Zentrale Betreuung am Amt in Straubing

→ Bild 2: Die Ausbilderin zeigt dem Azubi wie eine Pflanze bonitiert wird. → Bild 3: Ein Azubi analysiert eine Pflanzenprobe unter dem Mikroskop.

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Alltagskompetenz für die KleinstenProfessionelle Hauswirtschaft in der Kindertagesbetreuung

von MICHAELA SCHÜLEIN: Staatsminister Helmut Brunner, zuständiger Minister für die Belange der Hauswirtschaft, besuchte im Februar 2017 das Evangelische Haus für Kinder Messestadt-West der Inneren Mission München und informierte sich über ein innovatives pädagogisches Konzept: Die Kinder erwerben, angeleitet durch Fachkräfte, spielerisch haus-wirtschaftliche Kompetenzen. Die von „diakonia inhouse“ bewirtschaftete Einrichtung liefert damit ein Beispiel, wie professionelle Hauswirtschaft und Pädagogik Hand in Hand arbeiten können, um Kindern wichtige Fähigkeiten und Fertigkeiten für ihr späteres Leben zu vermit-teln. Um Grundlagen für eine systematische Vermittlung hauswirtschaftlicher Grundkompe-tenzen zu erarbeiten, hat der Minister eine Projektstelle in seinem Ressort geschaffen. Ihm ist es ein großes Anliegen, dass dieses Konzept an möglichst vielen Einrichtungen für Kinder genutzt und umgesetzt werden soll.

Gespannte Erwartung liegt in der Luft. Die Kin-der des Evangelischen Hauses für Kinder Messe-stadt-West der Inneren Mission München sind neugierig auf Staatsminister Helmut Brunner, für den extra ein Parkplatz vor der Eingangstür ab-gesperrt wurde. In diesem Haus für Kinder gibt es eine bisher noch seltene Kooperation der profes-sionellen Hauswirtschaft mit dem pädagogischen Fachpersonal. Die Kinder der Einrichtung lernen im laufenden Alltag ganz selbstverständlich, dass sich der Tisch nicht von selbst deckt und der Bo-den gekehrt werden muss, wenn er schmutzig ist (siehe Bild 1).

Häuser für Kinder als LernorteViele Kinder erleben Kochen, Backen und viele andere hauswirtschaftliche Tätigkeiten zu-hause eher selten. Durch eine vermehrte Au-ßer-Haus-Verpflegung und -Betreuung fehlt den Kindern die Hauswirtschaft im Familienalltag. Hier sind Häuser für Kinder wichtige Lernorte, um Alltagskompetenz zu er-werben. Hauswirtschaft schafft Atmosphäre – das ist in der Messestadt-West deutlich zu spüren. Blumen auf dem Tisch, ein Obstkorb zum Knabbern (siehe Bild 2), fröhliche Gesichter und sogar Taschentücher für die Schleckermäu-ler liegen bereit. Die Vielfalt und der Facettenreichtum hauswirtschaftlicher Tätigkeiten und die Organisation der Abläufe die dahintersteht, werden jeden Tag vermittelt.

Messer, Gabel, Schere, Licht …… sind für kleine Kinder notwendig, um den richtigen Um-gang damit von klein auf trainieren und erfahren zu kön-nen. Beim täglichen Tischdecken und gemeinsamen Essen ist dafür genügend Zeit und Raum. Ebenso wird bereits bei den Krippenkindern die Handhabung mit Schere und Co geübt (siehe Bild 3). Bei der großen Grundreinigung des Hau-ses helfen alle zusammen: hauswirtschaftliches und päda-gogisches Fachpersonal genauso wie die Eltern und Kinder der Einrichtung. Die Kinder sind hautnah dabei, wenn die

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→ Bild 1: Ein tägliches Ritual: Die Kinder decken den Tisch für das gemeinsame

Mittagessen (alle Fotos: Michaela Schülein).

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Lieblingspuppe gebadet oder gereinigt wird und entschei-den mit, welches Spielzeug entsorgt werden muss oder re-pariert werden kann.

Wie funktioniert Leben? Das erfahren die Kinder des Hauses für Kinder Messe-stadt-West im Jahreskreislauf. Sie erleben live und in Farbe wie aus dem Samen im Frühjahr der erste Schnittlauch im selbstbewirtschafteten Gärtchen wird. Im Herbst stellen sie aus Äpfeln im Garten Mus und Apfelsaft her. Dabei werden

alle Arbeitsabläufe mit den Kindern zusammen besprochen und durchgeführt. Die Kooperation zwischen dem pädago-gischen und hauswirtschaftlichen Fachpersonal garantiert dabei die professionelle und fachkundige Anleitung. Ein multikulturelles Team vermittelt den Kindern gelebte Inte-gration und den wertschätzenden Umgang mit sich selbst und der Umwelt.

Was Hänschen nicht lerntStaatsminister Helmut Brunner stellt in seiner Rede die Wichtigkeit und Notwendigkeit der Hauswirtschaft he-raus. Denn was sie im Kindesalter nicht erlernen, lernen Erwachsene nur schwer oder überhaupt nicht mehr. Ge-rade im hauswirtschaftlichen Bereich zeigen sich deutliche Defizite. Damit Kinder wieder lernen sich selbst zu helfen, braucht es die Hauswirtschaft als Lernfeld von Alltagskom-petenzen. Das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) hat diesen Mangel an Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten registriert und eine Projektstelle geschaffen, die ein Konzept zum Thema All-tagskompetenzen bei Kindern in Kindertageseinrichtungen entwickeln soll [3].

Gelebte Hauswirtschaft Hauswirtschaft rührt an den elementaren Grundpfeilern des Menschen. Wenn Kinder von Beginn an erleben und erfahren können, den Wert der Hauswirtschaft zu schätzen und diese Wertschätzung auf sich selbst und ihr Umfeld zu übertragen, hat unsere Gesellschaft eine Chance sich selbst zu helfen.

Professionelle Hauswirtschaft schafft die Voraussetzung, dass Kinder, Pädagogen und Pädagoginnen und Eltern sich in der Einrichtung wohl fühlen. So wird fachkundig und pro-fessionell für eine gesundheitsförderliche und genussvolle Verpflegung sowie für hygienische Bedingungen im Haus gesorgt. Ganz nach dem Motto der diakonia inhouse: Haus-wirtschaft und Pädagogik Hand in Hand [2].

→ Bild 2: Selbstbedienung: Gesunde Knabbereien stehen für die Kinder

immer bereit.

→ Bild 3: Die Krippenkinder üben gemeinsam mit Staatsminister Helmut

Brunner die Handhabung mit Schere und Papier.

Häuser für Kinder stellen eine Kombination von Krippe, Kindergarten und Hort unter einem Dach dar. Das Konzept eines Betreuungsangebotes für verschiedene Altersgrup-pen (Betreuung der Kinder von 0 – 12 Jahren) bietet die Chance für Kinder, Eltern und pädagogisches Fachpersonal die Bildungs- und Erziehungspartnerschaft sorgfältig zu entwickeln und zu pflegen. Das Kind steht im Zentrum der pädagogischen Arbeit [1].

Infobox 1: Ein Haus für Kinder

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Das Anliegen des StMELF ist es Grundlagen zu erarbei-ten, mit denen solche Konzepte multipliziert und in alle Kin-dereinrichtungen transportiert werden können.

Literatur[1] BAYERISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR ARBEIT UND

SOZIALES, FAMILIE UND INTEGRATION (2017): Häu-ser für Kinder. Online verfügbar unter: http://www.st-mas.bayern.de/kinderbetreuung/haeuserfuer/index.php (20. Februar 2017).

[2] DIAKONIA INHOUSE (2017): Pressemappe 16. Februar 2017.

[3] BAYERISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR ERNÄHRUNG, LANDWIRTSCHAFT UND FORSTEN (2017): Professi-onelle Hauswirtschaft in der Kindertagesbetreuung. Rede von Staatsminister Brunner, 16. Februar 2017.

MICHAELA SCHÜLEINFOrTBILDUNgSZeNTrUM FÜr HAUSwIrT-SCHAFT TrIeSDOrFmichaela.schuelein@fbz­td.bayern.de

→ Bild 4: Staatsminister Helmut Brunner unterstützt Teresa Damiao

(Hauswirtschafterin, diakonia inhouse) und Stefanie Lindner

(Hauswirtschafterin, diakonia inhouse) bei der Essenszubereitung.

Die diakonia ist eine gemeinnützige Tochtergesellschaft der Inneren Mission München zur Förderung beruflicher Integration und Beschäftigung. Wertschätzung fühlen und dadurch die eigenen Ressourcen sichtbar und nutzbar ma-chen ist das System nachdem Menschen mit schwierigen Berufsbiographien im Arbeitsalltag gefördert und begleitet werden. Seit 2002 werden über die diakonia inhouse Kin-dertageseinrichtungen (zurzeit 20) bewirtschaftet und ver-pflegt. Ein besonderes Anliegen ist der diakonia inhouse die Ausbildung von Hauswirtschafterinnen in ihren Einrich-tungen. Wichtige Ausbildungsinhalte wie hauswirtschaftli-che Betreuungsleistungen können den Auszubildenden in diesen Häusern optimal vermittelt werden. (Bild 4)

Nähere Informationen unter: www.diakonia.de [2]

Infobox 2: diakonia inhouse

Die Studierenden des dritten Semesters der Landwirtschaftsschule Straubing waren

Landwirtschaftsschule Straubing besucht Landtag

mit ihrer Semesterleiterin Dr.  Anita Lehner- Hilmer und der Lehrkraft für Rechtslehre,

Stephanie Aumer, auf Einla-dung von Josef Zellmeier, MdL, zu Besuch im Maximilianeum.

Politik in der Theorie kann nie so spannend sein wie ein Besuch des Landta-ges und das „live miterle-ben“ des politischen Alltags der Abgeordneten. Beein-druckt waren die angehen-den Landwirtschaftsmeister von der Vielfalt der Themen,

die ein Ausschuss behandelt. Sie ver-folgten gespannt die Sitzung des Aus-schusses für Wissenschaft und Kunst.

Anschließend stellte sich Landtagsab-geordneter Josef Zellmeier, den Fragen der Studierenden und diskutierte mit ihnen die aktuellen Entwicklungen in der Agrar politik. Nach der Besichtigung des Plenarsaals ergab sich die Möglichkeit zu einem kurzen Gespräch mit Finanzmi-nister Markus Söder und Hans Ritt, MdL aus dem Landkreis Straubing-Bogen.

Dr. Anita Lehner-Hilmer, AELF Straubing

→ Bild: Die Landwirtschaftsschüler aus Straubing im Plenarsaal

des Bayerischen Landtags (Foto: Dr. Anita Lehner-Hilmer).

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Gemeinsame Berufswerbung in der HauswirtschaftAuftaktveranstaltung für Verbände, Ämter und Bildungsberaterinnen

von MICHAELA SCHÜLEIN: Mit vielfältigen Werbemaßnahmen sollen Schülerinnen und Schüler in den nächsten Monaten angesprochen und über die hauswirtschaftlichen Berufe informiert werden. Ziel ist es, wieder mehr Auszubildende für die Hauswirtschaft zu gewin-nen. Das Referat Bildung und Schulwesen in der Hauswirtschaft im Bayerischen Staatsminis-terium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten lud deshalb die Bildungsberaterinnen und Mitarbeiterinnen aus der Abteilung Bildung und Beratung der Ämter für Ernährung, Land-wirtschaft und Forsten sowie Vertreterinnen hauswirtschaftlicher Verbände zu einer Auftakt-veranstaltung ein.

Hauswirtschaft hat ZukunftMinisterialrätin Gisela Miethaner betonte, dass die hauswirtschaftlichen Berufe ein zukunftsfä-higer Arbeitsmarkt erwartet. Prognosen zur Be-völkerungsveränderung in Bayern zeigen einen deutlichen Anstieg der Personengruppe 65 plus und die Zunahme an demenziellen Erkrankun-gen. Senioren einrichtungen aber auch Einrich-tungen der Kinderbetreuung haben einen erhöh-ten Bedarf an hauswirtschaftlichen Fachkräften. Haushaltsnahe Dienstleistungen z. B. für junge Fa-milien und Singles bilden ein weiteres zukunftsfä-higes Beschäftigungsfeld für die Hauswirtschaft. Die Pflegestärkungsgesetze ermöglichen es, qua-litätsgesicherte Entlastungsleistungen über die Pflegekasse abzurechnen.

Berufsbildung – eine gemeinsame Aufgabe Sinkende Ausbildungszahlen in der Hauswirt-schaft erfordern ein aktives Werben um Nach-wuchs. Die Werbetrommel für den dualen Weg der Ausbil-dung zum Hauswirtschafter oder zur Hauswirtschafterin zu rühren, sind alle beteiligten Gruppen der Ausbildung Haus-wirtschaft aufgerufen. Alle jungen Menschen, die vor der Berufswahl stehen, sollen die hauswirtschaftlichen Berufe kennen [1].

Werbemaßnahmen zur BerufswerbungIn der Nachwuchswerbung erleichtert ein einheitliches Auftreten aller Akteure der Hauswirtschaft die Wiederer-kennung. Die Informationsmaterialien und Messeauftritte tragen dazu bei.

Niemand muss das Rad neu erfindenEs sind bereits zahlreiche Vorlagen und Ideen im Mitarbei-terportal MAP eingepflegt. Über die interne Startseite kön-nen Themen der Öffentlichkeitsarbeit und Berufswerbung aufgerufen werden. In Kürze entsteht über ein Icon auf der Startseite des MAP ein direkter Zugriff [2].

Mit wenigen Mitteln kann für einen attraktiven On-lineauftritt auf der jeweiligen Internetseite der Ämter ge-sorgt werden. Aktuelle Veranstaltungen und Aktionen können an dieser Stelle leicht einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Begeisterung für das Thema Hauswirtschaft und keine Angst vor Durststrecken sind wichtige Faktoren in der Werbung um Auszubildende.

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→ Bild 1: Aktive Berufswerbung in der Hauswirtschaft– Barbara Schmid, Bildungsbe-

raterin am AELF Weilheim stellt die gestalteten Werbemittel und unterschiedliche

Werbemöglichkeiten vor (beide Fotos: Michaela Schülein).

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„Aktiv sein und dran bleiben“ Berufswerbung in der Hauswirtschaft zahlt sich erst nach einiger Zeit aus. Schülerinnen und Schüler, die in den Schul-jahren 7 und 8 angesprochen werden, bewerben sich erst in ein bis zwei Jahren. Umso schöner ist es, wenn bekannte Namen von Berufswerbemaßnahmen an Schulen, bei der Bildungsberaterin in Ausbildungsverträgen auftauchen. Barbara Schmid vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Weilheim in Oberbayern berichtete von ersten Erfolgen in der Berufswerbung Hauswirtschaft (siehe Bild 1). Es lohnt sich aktiv den Kontakt zu Schulen zu suchen und dort den Beruf Hauswirtschaft vorzustellen. Wenn die Ansprechpartnerin des Amtes bei Lehrkräften und Schülern bekannt ist, sinkt die Hemmschwelle direkt Fragen zu stel-len. Ein weiterer Vorteil ist, dass mit vorhandenen Vorurteilen gegenüber der Hauswirtschaft aufgeräumt werden kann.

Gemeinsam zum Erfolg Die Teilnehmerinnen nutzten die Veranstaltung zum ge-meinsamen Brainstorming in Kleingruppen (siehe Bild 2). Dabei entstanden für die einzelnen Regierungsbezirke erste Ideen zur Gewinnung von Auszubildenden. So kann eine Woche der offenen Ausbildungstür Neugierige anlocken, die sich direkt vor Ort in den Ausbildungsbetrieben informie-ren können. Präsenz an Ausbildungsmessen von Schulen, Termine direkt in Schulklassen oder Mitmachaktionen rund um das Thema Hauswirtschaft sind Zugangsmöglichkeiten zu potenziellen Auszubildenden.

Bildungsberaterinnen können Angebote wie „Busi-ness-Knigge – Gute Umgangsformen für das Praktikum“ als Eintrittskarte nutzen, um über den Beruf der Hauswirtschaft in Schulen zu informieren [3].

Berufswerbung auf der Altenpflegemesse In Gesprächen mit Leiterinnen und Leitern von Seniorenein-richtungen, Auszubildenden, Hauswirtschaftsleitungen und vielen Interessierten konnten auch auf der Altenpflegemesse 2017 die Berufe der Hauswirtschaft präsentiert werden. Nä-

here Informationen bietet die Internetseite des Staatsminis-teriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Weiterführender Link: www.berufe.hauswirtschaft.bayern.de

Chance der Vielseitigkeit nutzen Kaum ein Berufsbild ist so vielseitig wie das der Hauswirt-schaft. Als Ausbildungsberuf und Tätigkeitsfeld bietet sich den Auszubildenden zukünftig ein breites Spektrum an Möglichkeiten. Das können sich Auszubildende aber nur erschließen, wenn sie überhaupt vom Beruf der Hauswirt-schaft erfahren. Ministerium, Ämter, Verbände, Ausbildungs-betriebe und Bildungsberaterinnen sind angesprochen, trotz schwieriger Rahmenbedingungen Geschlossenheit zu demonstrieren [1]. Hauswirtschaft ist ein moderner Dienst-leistungsberuf, der an Bedeutung in unserer Gesellschaft gewinnen wird.

Literatur[1] BAYERISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR ERNÄH-

RUNG, LANDWIRTSCHAFT UND FORSTEN (2017): Kick-off-veranstaltung Berufsnachwuchswerbung. Ansprache Ministerialrätin Gisela Miethaner 23. März 2017.

[2] BAYERISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR ERNÄHRUNG, LANDWIRTSCHAFT UND FORSTEN (2017): Präsenta-tion Berufswerbung Hauswirtschaft. Yvonne Zwing-ler, Barbara Schmid, Judith Regler-Keitel.

[3] FBZ TRIESDORF (2017): Präsentation zum Thema Knigge. Judith Regler-Keitel.

MICHAELA SCHÜLEINFOrTBILDUNgSZeNTrUM FÜr HAUSwIrT-SCHAFT TrIeSDOrFmichaela.schuelein@fbz­td.bayern.de

→ Bild 2: Gemeinsam zum Erfolg – Brainstorming der regionalen Akteure

für eine übergreifende Berufswerbung in der Hauswirtschaft.

Entdecke wie gut du bist. Info-Kurzfilm der Ausbildung Hauswirtschaft: http://www.stmelf.bayern.de/berufsbil-dung/berufe_hauswirtschaft/157886/index.php

Broschürenportal Freistaat Bayern: www.bestellen.bayern.de

Mitarbeiterportal mit Hinweisen zu Bereichen Öffentlich-keitsarbeit und Berufswerbung Hauswirtschaft: https://map.stmelf.bybn.de

Infobox: Hilfreiche Internetlinks

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Tablets im Schul- und VersuchsbetriebWelches Gerät ist für den Unterricht an den Lehrzentren geeignet?

von THOMAS ANGERMEIER: Die überbetriebliche Ausbildung an den Lehr, Versuchs- und Fachzentren und den Landmaschinenschulen bietet Schülern einen Überblick über verschie-dene Systeme, z. B. in der Melk- und Fütterungstechnik. Auch die verschiedenen Möglichkei-ten der vor- und nachgelagerten Datenverarbeitung und -aufbereitung zu demonstrieren, ist Sache der überbetrieblichen Ausbildungsstätten. Können doch heute über Tablets bereits direkt vor Ort die Kraftfuttergaben gesteuert oder Tierleistungsdaten und Pflanzenschutz-maßnahmen dokumentiert werden. Eine „Zwischenspeicherung“ von Daten auf Zetteln wird zunehmend überflüssig. Deshalb sollten auch entsprechende Systeme vorgehalten werden. Doch welches Tablet eignet sich für den ständigen Einsatz in einer Umgebung, wie man sie im Stall oder auf dem Traktor vorfindet, und wie oft kann ein Schüler ein Tablet fallen lassen, be-vor es kaputt geht?

Die Nutzung in einem landwirtschaftlichen Betrieb stellt speziellere Anforderungen an elektronische Systeme und tragbare Geräte als im konventionellen Gebrauch. Bei der Benutzung eines Tablet-PC auf dem Schlepper sollte das Ge-rät nach Möglichkeit staubgeschützt sein. Mit größeren Was-sermengen wird es hier nicht in Berührung kom-men, so dass die Wasserdichtigkeit eine geringe Rolle spielt. Ein gewisser Stoßschutz sollte aber nicht außer Acht gelassen werden. Im Stallbereich kommt noch der Faktor „Wasser“ hinzu, ob nun als Spritzwasser beim Waschen der Tränkeimer oder durch eine hohe Luftfeuchtigkeit. Durch ins Ge-rät eindringende Feuchtigkeit können ein Kurz-schluss ausgelöst werden oder Kontakte oxidie-ren. Dies bedeutet in den meisten Fällen einen Totalschaden an den Geräten.

Genormter SchutzFür verschiedene Anwendungsansprüche bie-tet der Markt verschiedene Lösungsansätze. Um nicht unnötig Geld auszugeben und sich den Frust mit defekten Geräten zu sparen, sollte man sich vor der Anschaffung über die gewünschten Eigenschaften eines Tablets im Klaren sein. Einen ersten Überblick kann hier die entsprechende DIN EN 60529 geben. Mit ihr werden die Schutzarten von elektrischen Geräten klassifiziert und geprüft. Die Schutzarten mit den so genannten IP-Codes, welche sich aus zwei Zahlen zusammensetzen, sind in Tabelle 1 aufgelistet.

Ein Gerät für die Verwendung auf einem Schlepper könnte demnach mit der Schutzart IP 53 auskommen. Bei stärkeren Belastungen auf dem Schlepper sollte ein Tab-let die Schutzart IP 65 erfüllen. Bei der Arbeit im Außen- und im Stallbereich ist ein wasserdichtes, oder zumindest

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→ Tabelle 1: IP-Schutzart-Codes

IP 5X IP 6X

Schutz gegen: Staubablagerungen Vollständig gegen Eindringen von

Staub

IP X3 Schräg fallende Wassertropfen

(60°)IP 53

IP X4 Spritzwasser ausallen Richtungen

IP 54

IP X5 Wasserstrahl ausbeliebiger Rich-

tungIP 55 IP 65

IP X6 Starker Wasser-strahl

aus beliebiger Richtung

IP 66

IP X7 Zeitweises Eintau-chen (30 Minuten)

IP 67

IP X8 DauerhaftesEintauchen

IP 68

IP X9 Dampfstrahlreini-gung (80 – 100 bar, 80 °C) aus beliebi-

ger Richtung

IP 69

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spritzwassergeschütztes Gerät von Vorteil (siehe Tabelle 2 und 3).

Bezüglich der Stoßfestigkeit bzw. der mechanischen Krafteinwirkung kann ebenfalls eine DIN (EN 62262) Aus-kunft geben. Die Schutzarten IK 00 bis IK 10 legen fest, wie-viel Joule ein Gerät oder Material aushält, ohne Schäden da-von zu tragen. Die Belastungen reichen von 0 bis 20 Joule. Ein Joule entspricht dabei der Kraft, die man aufwenden muss, um z. B. einen Gegenstand mit 100 Gramm um einen Meter anzuheben. Da diese Angaben für Anwender schwer greifbar sind, wird in Bezug auf die Stoßfestigkeit häufig der vom US- Militär entwickelte MIL-STD-810G angegeben. Die-ser Standard ist den Deutschen Normen nicht unähnlich. Auch hier werden Wasser- und Staubdichte mitgetestet.

Der Stoßfestigkeitstest wird treffenderweise als „Drop-Down“-Test bezeichnet. Das Gerät wird aus einer Höhe von vier Fuß (122 cm) auf alle sechs Seiten, acht Ecken und zwölf Kanten fallen gelassen. Nach jedem Sturz wird die Funktion überprüft. Nach 26 Stürzen ist der Test beendet und das Ge-rät nach MIL-STD-810G zertifiziert. Oft wird der Test mit grö-ßerer Fallhöhe wiederholt, bis das Gerät zerstört ist und die maximale Fallhöhe ermittelt wurde.

Die Kandidaten für den HausgebrauchWer seine EDV nur um ein Mobilgerät erweitern möchte, um mit der Schlagkartei oder dem Herdenmanager mobil zu ar-

beiten, hat eine Vielzahl an Wahlmöglichkeiten. Die aktuell einzigen konventionellen Tablets, welche zertifiziert wasser- und staubdicht (IP 68) sind, sind die der „Xperia Z“-Reihe von Sony. Sie sind vollkommen staubdicht und dürfen nur nicht mit dem Dampfstrahler gewaschen werden. Leider fehlt der

→ Bild: Nicht jedes Tablett eignet sich für die besonderen Umgebungs-

bedingungen, wie man sie im Stall oder auf dem Traktor vorfindet

(Foto: Thomas Angermeier).

→ Tabelle 2: Vergleich der Ausstattung herkömmlicher Tablets

Hersteller Produkt Betriebs-system

Speicher [MB]

Größe WiFi LTE4G

Schnitt-stellen

Akku-laufzeit

[h]

Tempe-ratur[°C]

Ge-wicht

[g]

Schutz-art

Preis

[€]

Apple iPad mini 4 Wi-Fi iOS 128 7,9“ X Lightning, BT4.2

10 0 bis 35 299 539

iPad mini 4 LTE iOS 32 7,9“ X X Lightning, BT4.2

10 0 bis 35 299 549

iPad Air 2 Wi-Fi iOS 32 9,7“ X Lightning, BT4.2

10 0 bis 35 437 429

iPad Air 2 LTE iOS 32 9,7“ X X Lightning, BT4.2

10 0 bis 35 444 549

Sony Xperia Z3 Com-pact

Android 16 (bis 128 mit microSD)

8“ X microUSB, BT4.0

14 N. N. 270 IP 68 379

Xperia Z3 Com-pact

Android 16 (bis 128 mit microSD)

8“ X X microUSB, BT4.0

14 N. N. 270 IP 68 479

Xperia Z4 Android 32 (bis 128 mit microSD)

10,1“ X microUSB, BT4.1

17 N. N. 393 IP 68 579

Xperia Z4 Android 32 (bis 128 mit microSD)

10,1“ X X microUSB, BT4.1

17 N. N. 393 IP 68 680

Samsung S2 (SM-T819) Android 32 (bis 128 mit microSD)

9,7“ X X microUSB, BT4.1

8 N. N. 386 ~530

S2 (SM-T815) Android 32 (bis 128 mit microSD)

9,7“ X X microUSB, BT4.1

8 N. N. 392 ~490

Tab A (SM-T580) Android 16 (bis 200 mit microSD)

10,1“ X microUSB, BT4.2

13 N. N. 525 ~250

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Stoßschutz. Um diesen zu gewährleisten benötigt man eine zusätzliche Schutzhülle. Geräte der anderen gängigen Her-steller werden ohne Staub-, Wasser- oder Stoßschutz ange-boten. Hier können Schutzhüllen Abhilfe schaffen. Diese bieten aber selten einen kompletten Schutz, da bestimmte Öffnungen wie das Mikrophon frei bleiben müssen. Ist man sich dessen bewusst, kann aber auch mit diesen Geräten lange Zeit gearbeitet werden.

Mobiler Datentransfer und SpeicherplatzZwei große Kostenfaktoren sind zum einen der verfügbare interne Speicherplatz und zum anderen das LTE/4G Modul für die mobile Datennutzung.

Die meisten Geräte werden mit verschieden großen Speichern angeboten. Die Spannweite der Angebote reicht von 16 GB bis 128 GB internem Speicher und kann, außer bei den iPads von Apple, noch mit microSD-Karten erwei-tert werden. Hierbei zu erwähnen ist, dass Apple bereits große Speicher in seinen Geräten verbaut (siehe Tabelle 2). Sollen mit dem Gerät hauptsächlich Applikationen (Apps) und Webanwendungen (Anmeldung im Internet) verwen-det werden und keine größeren Tabellen, Präsentationen oder Texte gespeichert werden, reichen 16 GB bis 32 GB meist völlig aus.

Ein LTE/4G-Modul ermöglicht schnellen Datenempfang über das Mobiltelefonnetz. Ist in dem Bereich, in dem das Tablet verwendet werden soll, WLAN (WiFi) vorhanden, kann man sich bei der Anschaffung rund 100 Euro sparen. Dies entspricht etwa den Kosten der Technik für die mobile Da-

tenverbindung via Handynetz. Ohne LTE-Modul werden oft größere Speicherkapazitäten angeboten. Verzichtet man auf den größeren Speicher ebenfalls, kann sich die Kostener-sparnis noch verdoppeln.

Die ganz HartenFür den täglichen Einsatz unter schwierigen Bedingungen und mit dem vollen Leistungsumfang eines Laptop oder PC wurden sogenannte „ruggedized“ (engl. robust) Tablets ent-wickelt (siehe Tabelle 3). Sie haben eine ausreichende Wasser- und Staubschutzklasse und sind nach dem MIL-STD-810G fall- und stoßzertifiziert.

Ein Wort zum BetriebssystemNeben einigen Systemen, die mit dem Betriebssystem An-droid arbeiten, laufen viele dieser „ruggedized“ Tablets un-ter Windows. Während die androidbasierten Geräte etwa 1 000 Euro billiger sind als ihre windowsbasierten Kollegen, können diese aber auch nur Android-Apps und Weban-wendungen ausführen. Zwar gibt es für viele Windows-programme auch eine mobile Android- oder iOS-Version, volle (Windows-) Programme verarbeiten kann aber nur das Windowssystem.

Soll das Gerät im Behördennetz verwendet werden, so ist das Windowssystem sogar unumgänglich. Zwar muss die IT-Abteilung das Gerät etwas „verbiegen“, um Win 7 statt der meist von den Herstellern angebotenen Win 8 oder Win 10 zu installieren, aber danach ist es möglich, sich in das Behör-dennetz einzuwählen.

→ Tabelle 3: Vergleich von Industrie/Ruggdized Tablets

Hersteller Produkt Betriebs-system

Speicher

[MB]

Größe WiFi LTE4G

Schnittstellen Akku-laufzeit

[h]

Tempe-ratur[°C]

Ge-wicht

[g]

Schutzart Preis

[€]

Panasonic FZ-B2 Android 32 7“ Ja 3G USB3.1 8 oder 16

N. N. 540 IP 65, 1,5 m Fallhöhe

~1 000

FZ-M1 Windows 128 7“ Ja 3G USB3.0, RFID, RS232, LAN,

Barcode

9 oder 20

N. N. 540 IP 65, 1,5 m Fallhöhe

~2 300

Xplore Xslate D10

Android 64 10,1“ Ja Ja 2xUSB3.0, microHDMI,

LAN

8 bis 20 –10 bis +50

1 090 IP 65, 1,2 m Fallhöhe

~1 200

Acturion Durios R10B

Windows 120 oder 240

10,1“ Ja Ja USB3.0, microHDMI,

LAN, Barcode-scaner, RFID,

6,5 bis 13

–20 bis +60

1 360 IP 65, 1,0 m Fallhöhe

3 150

Getac T800 Windows 64 oder 128 8,1“ Ja Ja USB3.0, microHDMI,

LAN Barcodescaner,

RFID,

8 –21 bis +50

880 IP 65, 1,8 m Fallhöhe

1 600

Siemens SIMATIC ITP1000

Windows >= 128 10,1“ Ja Ja USB3.0, Seriell, LAN, WiFi, RFID,

Barcode

5 0 bis 45 1 600 IP 40 N. N.

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Ein weiterer Vorteil dieser Windows-Tablets, sowohl für den Landwirt, als auch im Versuchsbetrieb oder an den Lehr-, Versuchs- und Fachzentren (LVFZ), ist die Möglichkeit der vollwertigen Nutzung als Arbeitsplatzrechner. Über eine Docking-Station (Gerät wird am Schreibtisch mit Monitor, Tastatur, LAN, usw. verbunden) kann das Tablet schnell und bequem umfunktioniert werden. Vorteilhaft ist das Vorhan-densein eines LAN-Anschlusses (RJ 45), um das Gerät zentral synchronisieren und ansteuern zu können (für Fernwartung und Softwareverteilung der IT-Abteilung). Für den Lehr-gangsbetrieb ist eine Videoschnittstelle wünschenswert. Angeboten werden hier meist Mini-HDMI-Anschlüsse zur Verbindung des Tablets mit einem Beamer oder TV via Kabel. Diese Verbindung ist stabiler und einfacher herzustellen als eine drahtlose Verbindung.

Weitere Schnittstellen, die von den Herstellern meist optional oder zum Anschluss an einen der vorhandenen USB-Anschlüsse angeboten werden, sind 2D/3D Barcode-scanner und RFID-bzw. NFC-Antennen. Mit letzteren kann eine Datenübertragung im Nahbereich stattfinden und so-genannte Tags ausgelesen werden (und teilweise Transpon-der ausgelesen und programmiert werden). 3D-Kameras, welche beispielsweise beim Body-Condition-Scoring (BCS) Einsatz finden könnten, werden ebenfalls angeboten.

Wunschlos glücklich mit Zubehör Das Zubehör zu den „ruggedized“ Geräten ist ebenfalls vielfältig. Von Wechselakkus und Mehrfachladestationen, über Trageriemen oder Handschlaufen, bis zu verschiede-nen Docking-Stationen bleibt kein Wunsch offen. Bei den meisten Geräten kann ein sogenannter „hotswapp“ (engl. „heißes Tauschen“), also ein Akkuwechsel im laufenden Be-trieb durchgeführt werden. Laut Herstellerangaben haben die meisten Geräte zwar eine Akkulaufzeit von mindestens acht Stunden, aber die Laufzeit ist stark von der aktuellen Belastung abhängig. Der Wechselakku kann mit externen Ladegeräten geladen werden, sodass ein reibungsfreier Dauerbetrieb möglich ist.

Im Forstbereich werden von den ÄELF meist Tough-books oder Toughpads von Panasonic verwendet (siehe Tabelle 3).

Anwendungen bedingen das BetriebssystemBei der Fülle an angebotenen Geräten ist es schwierig die richtige Lösung zu finden. Der spätere Nutzer muss sich folgende Fragen stellen:

→ Was will ich mit dem Gerät arbeiten? → Wo werde ich es einsetzen? → Wie lange ist das Gerät im Dauereinsatz?

Bei überwiegenden Leseaufgaben wie etwa das Abrufen der letzten Tankmilchproben mit der App „mpr-mobil“ kann

bereits ein Smartphone ausreichen. Bei der Verwendung von Applikationen oder auch Webanwendungen, wie das „RDV-mobil“ vom LKV-Herdenmanager, die einen größeren Informationsgehalt zur Verfügung stellen, ist das größere Display eines Tablets von Vorteil. Wird mit Apps gearbeitet, also werden Eingaben und Auswertungen getätigt, ist das Tablet unumgänglich. Einige Beispiele hierfür sind die Apps „OptiBull“ vom LKV, die mobilen Versionen verschiedener Schlagkarteien und Herdenmanagementprogramme, wie die von „FarmFacts“, „365FarmNet“ oder „UniformAgri“. Mit einem externen GPS-Empfänger kann das Gerät auch als Spurführassistent genutzt werden.

Die meisten dieser Produkte gibt es sowohl für das An-droid-System als auch für iOS-Systeme. Webanwendungen, also Produkte die man über das Internet aufruft, sind auf je-dem System verwendbar, da der Webbrowser unabhängig vom Betriebssystem arbeitet. Als Anwendungsmöglichkei-ten seien hier „FleckScore“ (Rinderbeurteilung) oder das Klauenpflege-Dokumentationssystem „Schlaue-Klaue“ ge nannt. Die Internetangebote zu den vorher erwähnten

Ein Tablet ist ein flacher, 7“ bis 12“ großer PC ohne Tasta-tur. Eingaben werden über ein berührungsempfindliches Display getätigt. Es stehen verschiedene Betriebssysteme zur Verfügung, auf welchen betriebssystemspezifische Ap-plikationen (Apps) gestartet werden können.

Apps sind Programme die auf einem Tablet installiert wer-den. Manche sind ohne Internetzugang nutzbar. Viele Ap-plikationen greifen auf das Internet zu, um auf dem Gerät weniger Speicher zu belegen oder Datenbanken abzuglei-chen. Webbasierte Anwendungen hingegen werden über einen Browser aufgerufen und funktionieren nur mit einer bestehenden Internetverbindung.

Für Mobilgeräte gibt es verschiedene Betriebssysteme. Die gängigsten sind Android von Google, iOS von Apple und Windows von Microsoft. Die Applikationen für die ver-schiedenen Systeme sind untereinander nicht kompatibel.

Der Zugang zum Internet kann über eine bestehende WLAN-Verbindung erfolgen. Solange es sich hierbei nicht um einen freien Hotspot handelt, benötigt man zum Ver-binden ein Passwort. Optional wird bei Tablets ein SIM-Kar-ten-Slot angeboten. Mit der SIM-Karte in Verbindung mit einem Datentarifvertrag bei einem Telekommunikations-anbieter kann der Internetzugang über das Mobilfunknetz erfolgen.

Infobox: Begriffe kurz erklärt

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Apps (z. B. „RDV-Herdenmanager“) sind erfahrungsgemäß auch umfangreicher als ihre mobilen Vertreter.

Bei Profianwendungen wie dem Programm „Klaue“ (Klau-enpflege dokumentieren) von dspAgrosoft gibt es oft keine Apps. Das Programm wird auf einem windowsbasierten Sys-tem installiert. Vorteil solcher Programme ist, dass sie pro-blemlos offline eingesetzt werden können. Vor allem im ländlichen Raum ist eine gute Netzabdeckung nicht immer gegeben.

Wartung und Pflege physikalisch und digitalBei der physikalischen Pflege der Geräte ist nichts Spezi-elles zu beachten. Sie sollten, wie jedes andere elektroni-sche Gerät auch, sorgfältig behandelt werden. Kontakt mit scharfen oder harten Gegenständen ist nach Möglichkeit ebenso zu vermeiden wie der Kontakt mit Säuren oder Laugen.

Die digitale Pflege gestaltet sich etwas schwieriger. Während für die Windows-Geräte im Behördennetz Rou-tinen für die Wartung vorhanden sind, müssen diese für Android-Geräte außerhalb des Behördennetzes (nur Windows ist im Behördennetz zugelassen) erst geschaffen werden. Letztere sind außerhalb des Behördennetzes auch jeglichen Bedrohungen aus dem Internet ausgesetzt. Sie müssen regelmäßig auf Schadsoftware überprüft werden. Die Installation neuer Apps sollte nicht auf jedem Gerät einzeln stattfinden, sondern über eine Remote-Wartung (Fernbedienung) gesammelt von statten gehen. Die Firma Kensington z. B. bietet für Apple iPads, speziell für Schu-len, ein Synchronisations-Kabinett an. Dies ist eine Art Safe mit einigen Anschlusskabeln und kleinen Fächern, in die die Geräte gelegt werden. Über die Kabel sind die Geräte miteinander verbunden. Es können Arbeitsblätter auf alle Geräte geladen werden oder Updates installiert werden. Gleichzeitig werden die Akkus geladen. Das Kabinett hat eine eigene Stromversorgung über die auch ein Lüfter be-trieben wird, der sicherstellt, dass die Tablets nicht zu warm werden.

Zugriffsrechte der Schüler auf bestimmte Websites müs-sen ebenso eingeschränkt werden, wie die Möglichkeit der Manipulation der Einstellungen des Gerätes selbst.

Diese Aufgaben kann kaum eine Schule selbst stemmen. Man sollte sich vor der Anschaffung mit seiner angeglieder-ten IT-Abteilung in Verbindung setzen und eine Pflegestra-tegie ausarbeiten. Da es nicht möglich ist Android- oder iOS-Geräte im Behördennetz zu betreiben, muss die Soft-

warepflege dezentral an den Schulen erfolgen. Bei genü-gend großer Nachfrage könnten dies aber vielleicht doch die IT-Abteilungen übernehmen.

Die Zukunft hat begonnenNiemand kann sich vor neuen Entwicklungen am Arbeits-platz oder im Unterricht verschließen. Der Einsatz von Ta-blets im Unterricht ist unumgänglich, werden doch schon jetzt eine Vielzahl an Applikationen z. B. von LKV, MPR und anderen Anbietern in der Praxis eingesetzt. Bei allen vor-genannten Wägbarkeiten zeichnen sich die folgenden Schlüsse ab:

Auf dem Feld oder in der Werkstatt reichen handelsübli-che Tablets mit Schutzhüllen und Stoßschutz aus. Ein Staub-schutz wäre wünschenswert. Auch im geschützten Stallbe-reich (z. B. Büro, Futtertisch) oder im praktischen Schulalltag am Tier, z. B. bei Übungseinheiten zur Tierbeurteilung, rei-chen Schutzhüllen aus. Hierfür sollten aber Trageriemen an-geschafft werden. Die Gefahr, dass Tablets in Güllespalten fallen, ist zu groß. Auch für den Schulbetrieb werden han-delsübliche Tablets ausreichen.

Im Versuchs- aber auch im Normalbetrieb an den Ver-suchsgütern erfasst man Daten am Tier oder an der Pflanze mit schmutzigen Händen. Bei der Klauenpflege oder im Melkstand hat man ein staubiges Umfeld mit hoher Luft-feuchtigkeit und hoher Schmutzbelastung. Landwirte und Versuchsbetriebe, die ihre Geräte intensiver nutzen wollen, sind gut beraten, etwas mehr Geld auszugeben und ein In-dustrie- oder Outdoor-Tablet anzuschaffen.

Für die Softwarepflege von Tablets, welche Schülern zur Verfügung gestellt werden, braucht es noch eine Routi-ne-Prozedur. In absehbarer Zeit wird aber jeder Schüler ein eigenes Gerät mitbringen und per WLAN auf einen Schul-server zugreifen.

THOMAS ANGERMEIER LeHr-, VerSUCHS-UND [email protected]

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ÖKOLOgISCHer LANDBAU

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Nord-Süd-Gefälle bei bioregio in Bayerns GroßküchenStudie zu bayerischen Bio-Produkten in der Gemeinschaftsverpflegung

von ALEXANDER HUGEL: Beim Angebot bayerischer Bio-Produkte und der Beschaffung bioregionaler Ware liegt in Bayern ein deutliches Nord-Süd-Gefälle vor: In Oberbayern und Schwaben gibt es mehr Bio-Erzeugung als in den fränkischen Regierungsbezirken und der Oberpfalz. Auch die Lieferstrukturen – über die Caterer und Großverbraucher regionale Bio-Produkte aus Bayern beziehen können – sind vor allem in ländlichen Regionen noch aus-baufähig. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Studie zur Beschaffungssituation bioregionaler Lebensmittel in der Gemeinschaftsverpflegung, welche das Forschungsinstitut für biologi-schen Landbau im Auftrag des Kompetenzzentrums für Ernährung durchgeführt hat.

Die Nachfrage nach biologisch und regional produzierten Lebensmitteln wächst – auch in der bayerischen Gemein-schaftsverpflegung (GV). In der Praxis sehen sich Küchen-chefs und Verantwortliche, die regional und nachhaltig produzierte Lebensmittel einsetzen wollen, jedoch oft mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert. Beispiels-weise sind diese häufig nicht in der benötigten Qualität verfügbar, und wenn doch, können sie in vielen Fällen nicht über die gewohnten Lieferstrukturen bezogen wer-den. Gerade im saisonalen Jahresverlauf und in den Men-gen, wie sie in der Gemeinschaftsverpflegung permanent benötigt werden, stehen viele Lebensmittel nicht zur Ver-fügung.

Erstmals Daten für GesamtüberblickBisher lagen jedoch keine Daten vor, die einen Gesamtüber-blick über die Verfügbarkeit regionaler Bio-Ware für die Gemeinschaftsverpflegung in Bayern zugelassen hätten. Folglich konnten sowohl die Hürden, aber auch die Möglich-keiten des bio-regionalen Wareneinsatzes in der GV in Bay-ern bisher nur abgeschätzt werden. Daher beauftragte das Kompetenzzentrum für Ernährung (KErn) das Forschungs-institut für biologischen Landbau (FiBL) mit der Durchfüh-rung einer Studie zur Erfassung der Beschaffungssituation im Freistaat.

Hierfür wurde zunächst anhand einer flächendeckenden Marktbeschreibung untersucht, welche Faktoren den Absatz und auch gleichzeitig den Einsatz ökologisch produzierter, regionaler Ware einschränken.

Qualitative Interviews mit Bioküchen aus allen bayeri-schen Regierungsbezirken dienten dem Abgleich der ak-tuellen Marktsituation mit den Ansprüchen und Bedürf-nissen der GV-Einrichtungen. Hierzu wurden 20 Betriebe

aus den Bereichen Business (z. B. Kantinen), Education (z. B. Schulmensen) und Care (z. B. Seniorenheime) befragt. Der Gastronomiesektor wurde aufgrund unterschiedlicher Kos-tenstrukturen in der Beschaffung ausgeschlossen. Von den 20 Einrichtungen befinden sich je vier in Oberbayern und Niederbayern, je drei in Mittelfranken, Unterfranken und der Oberpfalz, zwei in Oberfranken sowie eine in Schwa-ben.

Abgeleitet aus den Ergebnissen der Marktanalyse so-wie der Befragungen wurden abschließend Szenarien und Optionen aufgezeigt, die sowohl zur Steigerung der Ver-fügbarkeit als auch zum erhöhten Einsatz regionaler Bio-produkte in der GV beitragen können. Der Schwerpunkt liegt hier vor allem auf den absatzschwachen nördlichen Regionen Bayerns.

Große Unterschiede in BayernDie Ergebnisse der Marktbeschreibung zeigen deutliche Un-terschiede bei der Verfügbarkeit bioregionaler Lebensmittel in den einzelnen Regierungsbezirken auf:

Der Schwerpunkt bei der Bio­erzeugung liegt im Süden des Freistaats.

Oberbayern und Schwaben nehmen in fast allen Bereichen die Spitzenpositionen ein. Auch was die Distribution der Bio-Ware angeht, hat Südbayern klar die Nase vorne. So sind in Oberbayern, Schwaben und Niederbayern ausreichend Bio-Großhändler mit regionalem Sortiment vorhanden, wo-mit die Warenverfügbarkeit gewährleistet ist. In den nördli-chen Gebieten (Franken und Oberpfalz) ist die Beschaffung

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von bioregionalen Produkten über den Großhandel jedoch erschwert. Vor allem in ländlichen Gebieten ist die Versor-gung durch Großhändler enorm eingeschränkt, in Ballungs-räumen ist die Problematik nicht so stark ausgeprägt.

Praxis-Interviews bestätigen Nord-Süd-GefälleDa trotz umfassender Recherchen im Vorfeld keine Über-sicht über bio-zertifizierte GV-Einrichtungen in Bayern ge-funden werden konnte, wurde zunächst eine solche Liste, basierend auf eigenen Erhebungen, erstellt. Hierfür wurde bei verschiedensten Online-Datenbanken sowie den Fach-zentren Ernährung/Gemeinschaftsverpflegung der Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und den bayeri-schen Öko-Modellregionen recherchiert. Insgesamt konn-ten so 72 bio-zertifizierte Verpflegungseinrichtungen in Bayern identifiziert werden. Aus dieser Gesamtmenge wur-den 20 potenzielle Interviewpartner ausgewählt, die einen möglichst guten Querschnitt der bayerischen GV-Land-schaft darstellen sollen. Abbildung 1 zeigt die Verteilung al-ler ausfindig gemachten Bioküchen sowie die Standorte der Befragungsteilnehmer.

Praxis-Interviews bestätigten die Einschätzungen der Marktbeschreibung:

Je weiter ländlich ein Betrieb angesiedelt ist und je weniger Bio­ware direkt vor Ort produziert wird, desto schwieriger empfinden die Teilnehmer die Beschaffung.

Für neun der 20 Einrichtungen stellen Direktvermarkter die wichtigste Bezugsquelle für regionale Bio-Produkte dar. Die restlichen Küchen beziehen diese hauptsächlich über Bio-Großhändler oder betriebseigene Landwirtschaft, selte-ner wird zum Bezug der Bio-Fachhandel oder der konventi-onelle Großhandel genutzt. Gerade kleinere Einrichtungen haben häufig Probleme den mitunter hohen Mindestbestell-wert der Bio-Großhändler zu erreichen, ohne eine zu hohe Lagerhaltung in Kauf nehmen zu müssen.

Auch Abbildung 2 verdeutlicht, dass nach dem Preis vor allem das unzureichende Warenangebot und der Mangel an

Anbietern die größten Hemmfaktoren darstellen.

Bio vor allem im Norden fördernUm die in der Studie identifizierten Hemmnisse zu minimieren und somit durch eine Verbesserung der Beschaf-fungssituation den Anteil an bioregi-onalen Lebensmitteln in der bayeri-schen Gemeinschaftsverpflegung zu erhöhen, raten die Autoren der Studie, den biologischen Landbau in Bayern weiterhin zu fördern – insbesondere in den nördlichen Regierungsbezirken – sowie den Auf- und Ausbau von bio-regionalen Lieferstrukturen zu unter-stützen. Auch die Sensibilisierung des verantwortlichen Küchenpersonals und nicht zuletzt die Bewusstseins-bildung des Endverbrauchers spie-len eine große Rolle. Denn nur durch eine höhere Nachfrage nach bioregio-nalen Lebensmitteln wird sich mittel- bis langfristig auch das Angebot der Bio-Großhändler erhöhen und die Be-schaffungssituation auch in den bisher schwächeren Gebieten entspannen.→ Abbildung 1: Verteilung der bio-zertifizierten Gemeinschaftsverpflegungseinrichtungen über

das bayerische Staatsgebiet (Quelle: FiBL)

Ergebnisbericht BioRegio Beschaffungssituation in der GV in Bayern Seite 37

Abbildung 15: Verteilung der biozertifizierten Gemeinschaftsverpflegungseinrichtungen über das bayerische Staatsgebiet, eigene Darstellung auf Basis eigener Recherche

4.3 Ergebnisse

Allgemeine Angaben zu den Einrichtungen

Wie die Abbildung 15 zeigt, verteilen sich die befragten Einrichtungen wie folgt auf die Regie-rungsbezirke: 3 x Unterfranken, 2 x Oberfranken, 3 x Mittelfranken, 3 x Oberpfalz, 4 x Nieder-bayern, 4 x Oberbayern, 1 x Schwaben.

Bei fünf der Einrichtungen handelt es sich um Betriebsrestaurants, fünf verpflegen Kinder von der Krippe bis zur letzten Gymnasialstufe, vier Einrichtungen sind der Kranken- und Senioren-verpflegung zuzuordnen. Außerdem sind unter den Befragten vier Tagungshäuser und zwei Studentenverpflegungseinrichtungen.

20 befragte Einrichtungen

Biozertifizierte GV- Einrichtungen

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Vermitteln und aufklärenErgebnis war auch, dass oftmals Angebot und Nachfrage bioregionaler Ware nicht zueinander finden. Hier bedarf es einer Vermittlung, die sowohl den Kontakt zwischen bei-den Parteien herstellt, aber ebenso auf die Bedürfnisse der jeweils anderen Seite aufmerksam macht. Hier könnte eine Plattform-Lösung nach dem Vorbild der bereits bestehen-den Regionalplattform www.wirt-sucht-bauer.de angestrebt werden, die speziell auf die Bedürfnisse der Gemeinschafts-verpflegung zugeschnitten ist.

Auch schrecken die Verantwortlichen häufig vor den ver-meintlich hohen Kosten und dem vermuteten Aufwand für die Bio-Zertifizierung und Verarbeitung der Bio-Ware zurück. Oft ist dies jedoch weniger problematisch als zunächst an-genommen. Die Skepsis der Küchenleitung muss in solchen Fällen durch gezielte Aufklärung zerstreut werden. Die Ein-richtungen müssen verstärkt über die verschiedenen Mög-lichkeiten der Zertifizierung aufgeklärt werden: Stellt eine Küche beispielsweise einen Rohstoff, wie z. B. Kartoffeln, Rindfleisch, Eier o. ä. komplett auf Bio-Qualität um, entfällt die getrennte Lagerhaltung, was die Kontrollen vereinfacht und Kosten spart. Auch Seminare oder Coachings zeigen

den Verantwortlichen die diversen Möglichkeiten auf, wie bioregionale Lebensmittel ohne großen Mehraufwand ein-gesetzt werden können.

Ein ebenso wichtiger Baustein ist die Kommunikation an den Endkunden, welche vielmals nicht konsequent genutzt wird. Einerseits können in Kantinen, Mensen, Krankenhäu-sern und sonstigen Verpflegungseinrichtungen viele ver-schiedene Menschen erreicht und für die Thematik „bioregi-onale Lebensmittel“ sensibilisiert werden, andererseits kann sich der Verpflegungsanbieter mit gezielter Mehrwertkom-munikation von eventuellen Konkurrenten absetzen.

Die ausführliche Gesamtstudie sowie eine Zusammen-fassung der wichtigsten Ergebnisse finden Sie unter:http://www.kern.bayern.de/wirtschaft/130363/index.php

ALEXANDER HUGELKOMPeTeNZZeNTrUM FÜr erNÄHrUNg [email protected]

→ Abbildung 2: Hemmnisse bei der Beschaffung bioregionaler Ware (Quelle: FiBL)

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Öko-Modellregionen im PortraitWaginger See – Rupertiwinkel und Oberes Werntal – Teil 4

von KATHARINA NIEMEYER und CHRISTIAN NOVAK: Fast drei Jahre wird in der Öko-Modell-region Waginger See – Rupertiwinkel schon gearbeitet. Daher kann dieses Gebiet im Süd-osten Bayerns schon auf viele erfolgreiche Projekte blicken. Die Öko-Modellregion Oberes Werntal in der Mitte von Unterfranken ist seit November 2015 aktiv. Auch hier konnten trotz der relativ kurzen Zeit schon geplante Maßnahmen wie die Etablierung eines Regionalmark-tes umgesetzt werden. Diese beiden sehr unterschiedlichen Regionen sind gute Beispiele für die Vielfältigkeit der Öko-Modellregionen und damit der Projekte, die für die Förderung des Ökolandbaus in den Regionen wichtig sind und umgesetzt werden.

Die Öko-Modellregion Waginger See – Rupertiwinkel hat als eine der ersten Modellregionen im Frühjahr 2014 die Arbeit aufgenommen. Hier kann auf jahrelange Erfahrung im Be-reich Boden- und Gewässerschutz und in der kommunalen Zusammenarbeit zurückgegriffen werden. Dies trifft auch auf das Obere Werntal zu, eine lange bestehende und sehr gut funktionierende ILE-Region.

Die Öko-Modellregion Waginger See – RupertiwinkelIm Südosten Bayerns haben sich zehn Gemeinden mit zahl-reichen Biopionieren, kreativen Unternehmern und enga-gierten Bürgern zur Öko-Modellregion zusammengeschlos-sen und wollen die Region weiter entwickeln. Durch gezielte Vernetzung aller Beteiligten, neue Arbeitsgruppen und ak-tive Begleitung Umstellungsinteressierter sollen biologische Produktion und regionale Vermarktung weiterentwickelt und realisiert werden. Viele Landwirte und Bürger bringen durch ihre Mitwirkung neue Ideen ein und beteiligen sich aktiv an der Umsetzung von Projekten.

Anbau von Bio-Qualitätsbraugerste voranbringenObwohl die Öko-Modellregion Waginger See – Rupertiwin-kel eine grünlanddominierte Region ist, drehen sich einige der Projekte um das Thema Ackerbau. Die Öko-Modellregion hat in kurzer Zeit mehrere neue Kooperationen zwischen Biolandwirten und regionalen Verarbeitern organisiert.

Die Brauerei Stein hat sich als hervorragender Partner für die Öko-Modellregion erwiesen. Seit über zehn Jahren stellt die Brauerei Biobiere, aber auch regionale konven-tionelle Biere her. Durch die Kooperation mit der Region Waging konnte 2015 erstmals ein Biobier aus regionalem Anbau gebraut werden. Die Öko-Modellregion organisiert den Lieferzusammenschluss aus einem Dutzend beteiligter Biolandwirte, die Brauerei zahlt einen überdurchschnittlich hohen, fairen Preis an die beteiligten Landwirte, so können auch Risiken abgesichert werden. Der Anbau von Bio-Qua-litätsbraugerste in einer Ackerbaugrenzregion stellt hohe Anforderungen an die Bauern (siehe Bild 1). 2016 bewegt

sich die gelieferte Menge an Biobraugerste bereits auf die notwendige Gesamtmenge für die Brauerei zu.

Um das Problem der Lagerhaltung für die Braugerste zu lösen, wurde ein Modell in Kooperation mit der Brauerei Stein gefunden: Die Brauerei pachtet auf Vermittlung der Öko-Mo-dellregion seit 2016 ein Lagerhaus, das biozertifiziert wurde und für die separate Lagerung von Biogetreide zur Verfü-gung steht. Im Gegenzug stellt die Brauerei das gepachtete Lagerhaus auch für die Einlagerung von Dinkel und mögli-chen anderen Druschfrüchten zur Verfügung, die die Land-wirte für weitere Projekte der Öko-Modellregion benötigen.

Regionaler Biodinkel und Biohafer für das MüsliSchon 2014 startete die Öko-Modellregion Verhandlungen mit der Firma Barnhouse in Mühldorf, einem großen Her-steller von Bioknuspermüsli. Wegen der hohen benötigten Vertragsmengen holte die Region Waginger See die nahe gelegene Öko-Modellregion Isental als Partner mit ins Boot. Nach langen Verhandlungen gelang im Herbst 2015 ein dreijähriger Preisabschluss mit Barnhouse für je 500 Tonnen regionalen Biodinkels und Biohafers. Unterstützt durch die

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→ Bild 1: Landwirte der Öko-Modellregion kontrollieren gemeinsam

mit dem Braumeister der Brauerei Stein, Markus Milkreiter, den

Braugersten bestand (Foto: Manfred Peter).

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beiden Öko-Modellregionen wurde eine Erzeugergemein-schaft gegründet. Beiden Seiten, Landwirten und Verarbei-tern, war es wichtig, einen fairen Preis für das Biogetreide zu erzielen, damit Betriebe in der Region eine Zukunftsper-spektive haben, und der Biolandbau für Neuumsteller eine Perspektive bietet. Die Landwirte aus der Erzeugergemein-schaft unterstützen Barnhouse aktiv bei Werbe- und Marke-tingaktionen auf ihren Höfen, um auf die besondere regio-nale Qualität der Produkte aufmerksam zu machen.

Biosenf aus regionalem AnbauIn Zusammenarbeit mit der Mühldorfer Firma Byodo wurde 2015 der erste Senf aus Biosaat aus der Öko-Modellregion hergestellt, eine echte regionale Neuheit vom Waginger See. Der Anbau von Biospeisesenf ist in Jahren mit vielen Raps-schädlingen, die auch verwandte Arten wie Senf schädigen, mit einem hohen Anbaurisiko verbunden. Die ersten fünf Betriebe, die den Senf anbauen, bauen ihn deshalb nicht als Hauptfrucht in Monokultur, sondern im Gemenge mit Hül-senfrüchten oder weiteren Mischpartnern wie Buchweizen an (siehe Bild 2). Für die Landwirte ist ein fairer Preis entschei-dend, der das Ausfallrisiko mit absichert, Byodo investiert in das Vorzeigeprojekt. Ziel es ist, demnächst eine Biosenflinie rein aus regionalem Anbau aufzubauen.

Kooperation für Laufener LandweizenEine fast vergessene Spezialität aus dem Rupertiwinkel ist der Laufener Landweizen, eine jahrhundertealte Weizensorte, die zwar ertragsschwach, aber hervorragend an das regenreiche Klima im Rupertiwinkel angepasst und genetisch interessant ist. Extensiv angebauter, hochwüchsiger Laufener Landwei-zen bietet bedrohten heimischen Tieren und Pflanzen einen Rückzugsraum und soll als Sympathieträger für die Region an Bedeutung gewinnen. Die Öko-Modellregion unterstützt den Anbau des Landweizens und arbeitet mit Partnern aus dem Rupertiwinkel und Österreich am Aufbau einer neuen Kooperation zwischen Landwirten und heimischen Bäckern.

Kommunales Engagement groß geschriebenDie Gemeinden und Bürgermeister unterstützen die Öko-Modellregion in vielen Bereichen. Ein Meilenstein wurde im April 2015 erreicht: Die ersten sieben Kommunen haben im Grundsatz ein Beschlusspaket mit zehn binden-den Beschlüssen und weiteren optionalen Beschlüssen zur Ökologisierung auf verschiedenen Handlungsfeldern der Gemeinde verabschiedet.

So sollen die Gemeindeflächen bei Neuverpachtung bevorzugt an Öko- oder extensiv wirtschaftende Bauern verpachtet werden. Die Gemeinde wird die Anlage von Streuobst, Wildobst und seltenen Baumarten unterstützen, einen zukunftsfähigen Waldbau in den kommunalen Wald-flächen vorantreiben und die kommunalen Grünflächen, wo

es möglich ist, in der Pflege extensivieren. Hier zeigt sich die wichtige Verbindung zwischen Integrierter Ländlicher Ent-wicklung und Öko-Modellregion. Ein Konzept zur Vernetzung neu anzulegender Feld-, Wald- und Gewässerränder wurde so als ILE-Projekt gestartet.

Von BioRegio Coaching bis extensive ObstangerDie Arbeitsgruppe Ernährungsbildung in der Öko-Modell-region arbeitet intensiv daran, den Absatz regionaler Bio-produkte in heimischen Einrichtungen voranzutreiben und Verbraucher und Schulen über gesunde Ernährung zu infor-mieren. Ein wichtiger Erfolg ist die durch das BioRegio Coa-ching unterstütze Teilumstellung der kommunalen Salzach-klinik in Fridolfing, die auch die Mittelschule mit Essen versorgt und seit Ende 2015 definiert 20 Prozent heimische Bioprodukte verwendet. Im Oktober 2016 hat das Waginger Seniorenheim im Gespräch mit der Öko-Modellregion erste Bioprodukte in die Verpflegung eingeführt.

In der Zusammenarbeit mit Landwirten, die (noch) nicht auf Bio umstellen wollen, haben sich mehrere Themen her-auskristallisiert. Ein wichtiges ist dabei das Thema Streuobst. Im Oktober 2016 wurde der 500. Streuobsthochstamm in der Ökomodellregion gepflanzt; Ziel ist es, 1 500 neue Bäume zu pflanzen und extensive Obstanger wiederzubeleben, ge-meinsam mit den Landschaftspflegeverbänden Traunstein und Berchtesgadener Land. Wichtig bleibt auch die Zusam-menarbeit mit den Seenberatern des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Traunstein, insbesondere beim Thema Erosionsschutz, Mulchsaat, Gewässerrandstreifen, Blühstreifen oder weitere KuLaP-Maßnahmen.

Die Öko-Modellregion Oberes WerntalDie Interkommunale Allianz Oberes Werntal ist eine Region in Unterfranken, die bereits auf einen langjährigen und erfolgrei-chen Erfahrungsschatz in der regionalen Zusammenarbeit zu-rückblicken kann. Die zehn Gemeinden der Integrierten Länd-lichen Entwicklung (ILE) liegen in den Landkreisen Schweinfurt

→ Bild 2: Eine innovative Kooperation für regionalen Senf (Foto: Byodo).

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und Bad Kissingen – eine ländliche Region mit Schwerpunkt Ackerbau. Der Anteil der ökologisch bewirtschafteten Flächen ist im Vergleich zum bayerischen Durchschnitt hoch und liegt bei 15,8 Prozent. Eine Besonderheit sind zudem zwei hier be-heimatete Bio-Legehennen-Betriebe, die immerhin 70 Prozent aller Bio-Eier in Unterfranken produzieren.

Die Öko-Modellregion möchte die Nähe zum regionalen Absatzmarkt Schweinfurt stärker nutzen und entsprechende Vermarktungspotenziale identifizieren und ausschöpfen. Auch für die Streuobstbestände in der Region erwartet man sich wichtige Impulse.

In der Region liegt viel Potenzial: Die erfolgreiche lang-jährige Zusammenarbeit auf interkommunaler Ebene und die bereits bestehenden Bio-Strukturen, von Anbau bis Ver-arbeitung, bieten eine gute Basis, um weitere Entwicklungs-möglichkeiten zu identifizieren und zu nutzen.

Verbraucherbildung in der RegionBeim Thema Bildung und Verbraucherinformation sollen nicht nur neue Angebote geschaffen werden, sondern auch etablierte Veranstaltungen genutzt werden, um interessier-ten Bürgerinnen und Bürgern den Ökolandbau nahe zu brin-gen. Sehr erfolgreich waren in diesem Jahr die Biohöfe-Tou-ren, die im Rahmen des „Radelspaßes im Oberen Werntal“ bzw. des „Wanderspaßes in Wasserlosen“ angeboten wur-den. Dabei besuchten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer verschiedene Bio-Höfe und Bio-Verarbeiter in der Region und erfuhren auf jedem Betrieb Besonderheiten und Wis-senswertes über den Ökolandbau.

Ein neues Angebot für Verbraucherinnen und Verbraucher des Oberen Werntals wird mit der Etablierung von regiona-len Biomärkten geschaffen. Der erste Markt dieser Reihe fand Ende Oktober 2016 statt. Den Auftakt bildete am Vorabend ein Vortrag zum Thema „Gesunde Böden“ mit anschließen-dem Schlemmermenü mit Bioprodukten aus der Region. Der Markt am nächsten Tag bot den Besuchern die Möglichkeit zum Kennenlernen, Einkaufen und Essen (siehe Bild 3).

Wertschätzungskampagne für StreuobstEin weiteres wichtiges Thema der Öko-Modellregion ist der Erhalt von Streuobstflächen. Das Landschaftsbild der Region ist geprägt von Streuobstwiesen. Regionale Verar-beitungsstrukturen sind in den Dörfern und Gemeinden noch vorhanden. Allerdings kann dieses prägende Land-schaftselement und Kulturgut nur durch Pflege und auch Neuanpflanzungen erhalten werden. Durch Kooperationen mit regionalen Keltereien und Vernetzung der Akteure kann eine höhere Wertschöpfung erzielt werden. Diesen Prozess möchte die Öko-Modellregion anstoßen und begleiten. Der erste Schritt ist eine Wertschätzungskampagne für Streuobst in der Region.

Öko-Landbau und -Verarbeitung fördernUnd natürlich bietet die Öko-Modellregion Oberes Werntal auch umstellungsinteressierten Landwirten Unterstützung. In Kooperation mit den weiteren zwei unterfränkischen Öko-Mo-dellregionen Rhön-Grabfeld und Waldsassengau im Würzbur-ger Westen und gemeinsam mit dem Fachzentrum für öko-logischen Landbau am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Bamberg und dem Bayerischen Bauernverband fand im Winter 2016/2017 eine Schulungsreihe zum Thema „Umstellung“ statt. Bei Infoabenden in den Regionen konn-ten sich interessierte Landwirte bereits vorab informieren und herausfinden, ob und insbesondere wie die Umstellung auf ökologische Landwirtschaft gelingen kann und welche Per-spektiven diese für sie bietet. Die Veranstaltung in der Öko-Modell region Oberes Werntal beim Naturlandbetrieb Sauer mit anschließender Feldbegehung war auch für kommunale Vertreter eine Möglichkeit zu erfahren, wie ein Öko-Betrieb arbeitet und welchen Herausforderungen er sich dabei stellt.

Mit bestehenden Bio-Betrieben identifiziert die Projekt-managerin der Öko-Modellregion die Möglichkeiten, regio-nal erzeugtes Getreide auch regional zu verarbeiten und in diesem Bereich mehr Wertschöpfung in der Region zu gene-rieren. Dazu wird eine Bestandsaufnahme der Kapazitäten und Bedarfe bezüglich Reinigung, Lagerung und Aufberei-tung bei den Landwirten durchgeführt. In einem nächsten Schritt soll auf regionale Verarbeiter zugegangen werden.

KATHARINA NIEMEYER BereICH ZeNTrALe AUFgABeN Der BAYerISCHeN VerwALTUNg FÜr LÄNDLICHe [email protected] NOVAK BAYerISCHe LANDeSANSTALT FÜr LANDwIrTSCHAFTINSTITUT FÜr ÖKOLOgISCHeN LANDBAU, BODeNKULTUr UND [email protected]

→ Bild 3: Erster Regional- und Biomarkt in Werneck (Foto: S. Feddersen).

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ELER Förderperiode 2007 bis 2013Was bewirkten die KULAP-Fördermittel?

von IRIS GERHARD, DR. MANFRED GEISSENDÖRFER, PHILIPP MENNIG: KULAP – das Baye-rische Kulturlandschaftsprogramm bildet nach wie vor den Kern der bayerischen Agrarum-weltpolitik und war in der vergangenen Förderperiode die finanziell stärkste Maßnahme des „Bayerischen Zukunftsprogramm Agrarwirtschaft und Ländlicher Raum“. Mehr als eine Milliarde Euro Fördermittel wurden von 2007 bis 2013 für die zahlreichen Einzelmaßnahmen ausgezahlt. Damit ist KULAP von großer Bedeutung für die Landwirte in Bayern, führt in der Umsetzung aber auch zu beträchtlichem Aufwand für die Verwaltung auf allen Ebenen.

Das KULAP wird zu einem bedeutenden Anteil mit EU-Mitteln aus dem Europäischen Landwirtschafts-fonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) finanziert. Damit diese Mittel zur Verfügung gestellt werden können, muss für jede Förderpe-riode ein Entwicklungsprogramm für den Ländli-chen Raum (EPLR) erstellt und von der EU-Kom-mission genehmigt werden. Das EPLR der Jahre 2007 – 2013 trug den Titel „Bayerisches Zukunfts-programm Agrarwirtschaft und Ländlicher Raum“ (BayZAL), das aktuelle Programm wird kurz als „EPLR Bayern 2020“ bezeichnet.

Die Programmplanung für den ELER-Fonds in Bayern wird federführend von Referat G6 im StMELF durchgeführt, unterstützt von verschiede-nen Fachreferaten (des StMELF und des StMUV), die für die jeweiligen Fördermaßnahmen zustän-dig sind. Im Rahmen des ELER-Begleitausschusses bringen auch Interessenvertreter, wie z. B. Bauern-verband, Bund Naturschutz, kirchliche Organisationen, Städ-tetag oder Handwerkskammer, ihre Vorstellungen in die Pro-grammplanung ein. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) koordiniert die Programme der Länder (siehe auch Abbildung 1).

Das genehmigte EPLR (ca. 670 Seiten) ist eine der förder-rechtlichen Grundlagen für alle ELER-geförderten Maßnah-men wie z. B. KULAP, AFP, LEADER oder Dorferneuerung. Jede Änderung im EPLR muss dem ELER-Begleitausschuss vorge-legt und erneut von der EU-Kommission genehmigt werden.

Für die Zeit von Programmentstehung bis zum Pro-gramm abschluss ist eine ganze Reihe von Berichtspflich-ten zum EPLR zu erfüllen. Zum Teil werden diese Berichte StMELF-intern erstellt. Die EU-Kommission fordert aber auch unabhängige Bewertungen durch externe Evaluato-

ren, die in Bayern durch die Forschungsgruppe Agrar- und Regionalentwicklung Triesdorf (ART) und ihren Kooperati-onspartnern erstellt werden. Zum Programmabschluss im Jahr 2016 entstand die Ex post-Bewertung, aus der auch der folgende Auszug zum KULAP stammt. Weitere Informatio-nen zur ELER-Förderung, auch die Gesamtfassung des ak-tuellen EPLR Bayern 2020 und die Ex post-Bewertung der Forschungsgruppe ART sind zu finden unter http://www.stmelf.bayern.de/eler

Ziele des Bayerischen KULAPMit dem KULAP gewährt Bayern teilnehmenden Landwir-ten bereits seit 1988 Ausgleichszahlungen für umweltscho-nende Bewirtschaftungsmaßnahmen und rückt Belange des Umweltschutzes in das öffentliche Bewusstsein.

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→ Abbildung 1: Programmplanung eines Entwicklungsprogrammes für den

ländlichen Raum – EPLR

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Angesichts des hohen Anteils der landwirtschaft-lich genutzten Fläche an der bayerischen Landesfläche (44,5 Prozent, Stand 2013) nehmen die Landwirte er-heblichen Einfluss auf die Umweltsituation im Frei-staat. Um den gesellschaftlichen Herausforderungen Rech-nung zu tragen, wurden die Maßnahmen der Förderperiode 2007 – 2013 gezielt auf Gewässer-, Boden- und Klimaschutz, auf Biodiversität und auf den Erhalt der Kulturlandschaft ausgerichtet. Vielfältige Kombinationsmöglichkeiten sorg-ten dafür, dass maßgeschneiderte Lösungen für die unter-schiedlichsten Betriebstypen möglich waren. Das KULAP der Förderperiode 2007 – 2013 verfolgte im Wesentlichen die folgenden Ziele:

→ Förderung einer umweltverträglichen Landbewirt-schaftung;

→ Verbesserung der Umweltwirkung, insbesondere durch Verminderung der Stoffeinträge in Boden, Gewässer und Luft;

→ Förderung einer nachhaltigen, flächendeckenden Landbewirtschaftung zum Erhalt einer typischen regionalen Kulturlandschaft.

Maßnahmen und Volumen Das breite Maßnahmenpaket des Kulturlandschaftspro-gramms unterteilte sich in die gesamtbetriebliche Maß-nahme „Ökologischer Landbau“ sowie in betriebs- bzw. ein-zelflächenbezogene Acker- und Grünlandmaßnahmen und Maßnahmen für spezielle Bewirtschaftungsformen.

Insgesamt standen für das KULAP in der Förderperiode 2007 – 2013 rund 1,1 Mrd. Euro zur Verfügung. Damit stellte das KULAP die volumenstärkste Teilmaßnahme des gesam-ten BayZAL dar. Mit einem Anteil von etwa 29 Prozent an den gesamten KULAP-Ausgaben entfielen auf die betriebszweig-bezogenen Grünlandmaßnahmen die meisten Fördermittel, gefolgt vom „Ökologischen Landbau“ mit rund 25 Prozent und den betriebszweigbezogenen Ackermaßnahmen mit etwa 17 Prozent.

Reichweite des KULAPWie in Tabelle 1 ersichtlich, wurden zwischen 2007 und 2013 insgesamt rund 1,23 Mio. Hektar (physische Fläche) geför-dert. Das im BayZAL angestrebte Ziel lag bei 1,25 Mio. Hek-tar, es wurde somit ein Realisierungsgrad von knapp 99 Pro-zent erreicht. Bei den Grünlandmaßnahmen konnten mit 527 014 Hektar nur 66 Prozent des Ziels gefördert werden. Auffällig war insbesondere bei den betriebszweigbezoge-nen Grünlandmaßnahmen der im Vergleich zur vorangegan-

genen Förderperiode deutlich gesunkene Flächenumfang. Die gegenüber den alten Förderbedingungen angepassten Maßnahmen fanden bei den Landwirten weniger Akzep-tanz. Das Maßnahmenangebot hatte sich hier stark verän-dert, sowohl bezogen auf die Auflagen (GV-Besatz, Nut-zungszeitpunktauflagen) als auch auf die Prämienhöhe. So wurde die Viehbesatzobergrenze von vormals 2,0 (bzw. in Ausnahmen sogar von 2,5 GV/ha) auf 1,76 GV/ha HFF (Maß-nahme A22) bzw. 1,4 GV/ha HFF (Maßnahme A23) herab-gesetzt. Die Prämien sanken zugleich von 205 €/ha auf 130 €/ha (A22) bzw. 180 €/ha (A23). Die „alte“ Maßnahme K33 wurde durch die Maßnahme A21 ersetzt. Als zusätzli-che Auflagen wurden bei der „neuen“ Maßnahme A21 eine 5 prozentige Nutzungsbeschränkung des Grünlandes (keine Nutzung vor dem 15. Juni) und eine Aufzeichnungspflicht für die Gülleausbringung eingeführt. Die Prämienhöhe ver-ringerte sich auch hier von vormals 100 €/ha auf 50 €/ha.

Im Gegensatz dazu überstieg der Flächenumfang für Ackermaßnahmen mit 705 049 Hektar die gesteckten Ziele für den Zeitraum 2007 – 2013 deutlich. Ein Grund hierfür könnte in der bei der Neukonzeption des Programmes deut-lichen Ausdehnung des Maßnahmenangebots für Ackerflä-chen liegen.

Zwischen 2007 und 2013 wurden insgesamt 61 052 landwirtschaftliche Betriebe über 139 166 Einzelverpflich-tungen im Rahmen des KULAP gefördert. Wie Abbildung 2 zeigt, deckten sich die Schwerpunktregionen von Grünland- und Ackermaßnahmen größtenteils mit den traditionellen bayerischen Grünland- und Ackerbaugebieten. Während im Alpenvorland, im Alpenraum und im Bayerischen Wald die Milchviehhaltung mit einem hohen Anteil an Dauergrün-land vorherrscht, bewirtschaften im Tertiären Hügelland und den Gäugebieten, aber auch in Teilen des Jura und der Fränkischen Platten überwiegend Marktfruchtbetriebe das Ackerland.

Bewertung der Wirksamkeit der FördermaßnahmenEine hohe Wirksamkeit hinsichtlich der Schutzziele hängt jedoch nicht allein von der Anzahl der teilnehmenden Be-triebe oder vom Umfang der geförderten Fläche ab, son-dern mehr noch vom Inhalt der Maßnahmen. Der Mehrzahl der Maßnahmen kann bei konsequenter und langfristi-ger Durchführung ein hoher Wirkungsgrad zugesprochen

→ Tabelle 1: Eingeplanter und tatsächlich geförderter Flächenumfang KULAP

Geförderte Fläche 2007 – 2013 (ha)

Geplanter Flächenum-fang laut BayZAL (ha)

Realisierungsgrad

Insgesamt 1 232 063 1 250 000 98,57 Prozent

Grünlandflächen 527 014 800 000 65,87 Prozent

Ackerflächen 705 049 450 000 156,68 Prozent

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werden. Vielfach wurde die Wirksamkeit von Agrarumwelt-maßnahmen in der agrarwissenschaftlichen Forschung im Rahmen von Experimenten und Feldversuchen nachgewie-sen. So belegt etwa eine von der Landesanstalt für Land-wirtschaft (LfL) veröffentlichte Studie die positive Wirkung von Blühflächen auf Artenreichtum und Abundanz verschie-dener Tiergruppen in der Agrarlandschaft (WAGNER ET AL. 2014). Derlei Evaluierungen von Einzelmaßnahmen sind zur Wirksamkeitskontrolle und im Sinne einer fundierten Be-wertung wünschenswert. Sie sind jedoch mit einem hohen finanziellen und personellen Aufwand verbunden und folg-lich nicht für sämtliche Maßnahmen des KULAP durchführ-bar. Bei der Evaluierung von Agrarumweltprogrammen wird deshalb, falls möglich, auf bereits verfügbares Datenmate-rial zurückgegriffen. Es liegt in der Natur der Sache, dass dieses Datenmaterial nicht immer den Bedürfnissen der Evaluatoren entspricht, wurde es doch mit anderer Zielset-zung erhoben. Oftmals handelt es sich um aggregierte Da-ten, die keinen Bezug zur Einzelfläche erlauben, auf der eine bestimmte KULAP-Maßnahme ihre Wirkung entfalten sollte. Erschwerend kommt hinzu, dass die verschiedensten, für das Evaluationsteam nicht beobachtbaren Einflussfaktoren den Erfolg oder Misserfolg einer Maßnahme bestimmen können. Hierzu zählen etwa standortabhängige Faktoren wie Boden-beschaffenheit und Wetterverhältnisse, aber auch betriebs-individuelle Charakteristika wie die persönliche Einstellung des Betriebsleiters. Wie bei allen Politikmaßnahmen, bei denen die Teilnahme auf einer Selbstselektion beruht, wird eine Ex post-Evaluierung durch das Fehlen einer direkten Kontrollgruppe erschwert. Die Entwicklung eines spezifi-

schen Indikators eines bestimmten Betriebes ist entweder nur für den Teilnahme- oder nur für den Nichtteilnahme-Fall beobachtbar. Wie sich der Indikator beim gleichen Betrieb in der gegensätzlichen Situation entwickelt hätte, kann nicht abgeschätzt werden.

Wie diese Schwierigkeiten die Programmbewertung be-einflussen und welche Aussagen sich hinsichtlich der Errei-chung der Umweltziele ableiten lassen, soll im Folgenden anhand zweier Beispiele aus den Bereichen Biodiversität und Wasserqualität dargestellt werden.

Beispiel: Artenvielfalt auf GrünlandDie LfL führt im Rahmen des „Grünlandmonitoring“ bayern-weite Vegetationsaufnahmen auf Grünlandflächen durch. Die Aufnahmeflächen lassen sich hinsichtlich ihrer standört-lichen Lage und der Flächennutzung in Bezug auf eine Teil-nahme am KULAP differenzieren. Die durchschnittliche Artenvielfalt auf einer Fläche wird außer von den standört-lichen Voraussetzungen (Vegetationsdauer, Niederschlag, Bodenverhältnisse) auch von den Nutzungsbedingungen beeinflusst.

6 108 Vegetationsaufnahmen im Rahmen des Grün-landmonitorings erfolgten im ersten Durchgang zwischen 2002 und 2008 (HEINZ et al. 2015). Im zweiten Durchgang zwischen 2009 und 2012 erfolgte eine gezielte Flächenaus-wahl für weitere Erfassungen. Hierbei wurden alle Flächen aus dem ersten Durchgang mit einer Förderung im Rahmen einer flächenbezogenen KULAP-Maßnahme oder im Rah-men der Maßnahme Ökolandbau erneut ausgewählt. Zu-sätzlich erfolgte die Auswahl von möglichst nahe gelegenen

→ Abbildung 2: Schwerpunktregionen von Grünland- und Ackermaßnahmen anhand der Auszahlungsbeträge auf Gemeindeebene 2012 (ohne

Maßnahme „Ökologischer Landbau“)

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Flächen ohne KULAP-Maßnahme oder mit betriebsbezoge-nen Maßnahmen.

Den LfL-Ergebnissen zufolge zeigte sich die Vegetations-zusammensetzung im Durchschnitt über alle untersuchten Flächen sehr konstant. Die mittlere Artenzahl der Flächen unterschied sich zwischen dem ersten und zweiten Monito-ringdurchgang bayernweit nicht. Im zweiten Durchgang lag die durchschnittliche Artenzahl in Bayern bei 20 auf 25 m2

Fläche. Die geringste Artenzahl wiesen Flächen auf, die nicht über das KULAP gefördert wurden. Dieses Ergebnis liefert allerdings noch keinen direkten Beweis für die Wirkung des Kulturlandschaftsprogramms, da nicht ausgeschlossen wer-den kann, dass auf den erprobten Flächen bereits vor KU-LAP-Teilnahme eine erhöhte Artenzahl vorgefunden wurde. Die LfL untersuchte jedoch auch die Entwicklung der durch-schnittlichen Artenzahl bei fortgeführter, wechselnder und endender Teilnahme an KULAP-Maßnahmen zwischen dem ersten und dem zweiten Durchgang des Monitorings. Dabei kam sie zu folgendem, in Abbildung 3 dargestellten Ergebnis:

Die Artenzahl nahm a) bei konstanter Teilnahme oder b) Nicht-Teilnahme an KULAP-Maßnahmen bis auf voran-gehende Maßnahmen, die einen flächendeckenden chemi-schen Pflanzenschutz (CP) nicht zuließen (A21 und Altmaß-nahme K33) und zusätzlich ein Mineraldüngerverbot und einen Viehbesatz von 1,76 GV/ha HFF vorschrieben (A22), zu. Die positive Wirkung der Grünlandmaßnahmen auf die Artenvielfalt zeigt sich vor allem angesichts des Artenverlus-tes auf ehemaligen KULAP-Flächen, die beim zweiten Un-tersuchungsdurchgang nicht mehr gefördert wurden. Die

Anwendung und Beibehaltung einer Grünlandmaßnahme erhöht die Artenvielfalt somit langfristig.

Beispiel: WasserqualitätIm Rahmen der landwirtschaftlichen Flächennutzung ent-stehen diffuse Stickstoff- und Pflanzenschutzmitteleinträge. Oberflächengewässer wie auch das Grundwasser sind folg-lich verschiedenen Gefahren ausgesetzt. Besonders zu er-wähnen sind dabei Stickstoffverbindungen (v. a. Nitrat) und Pflanzenschutzmittel (PSM), die aufgrund ihres flächenhaf-ten Eintrags eine wesentliche Beeinträchtigung der Gewäs-ser- und Grundwasserqualität bewirken können. Gemäß EG-Grundwasserrichtlinie und Grundwasserverordnung gilt im Grundwasser ein Schwellenwert für Nitrat von 50 mg/l, für Pflanzenschutzmittel von 0,1 μg/l für den Einzelwirkstoff wie für relevante Abbauprodukte (Metaboliten) bzw. von 0,5 μg/l für die Summe aller PSM-Wirkstoffe und relevanter Me-taboliten (LFU 2014: S. 4). Sanierungen bereits eingetretener Grundwasserbelastungen sind mit einem hohen Aufwand verbunden. Das KULAP spielt deshalb eine wichtige Rolle im vorbeugenden Grundwasserschutz.

Seit 1983 wird die Belastung des Grundwassers durch Nitrat in Form von Berichten beschrieben, seit 1990 auch die Belastung durch Pflanzenschutzmittel. Quantitative und qualitative Daten zu den Parametern Nitrat und PSM bilden die Datengrundlage des zu Trinkwasserzwecken geförder-ten Grundwassers.

Die Untersuchungsergebnisse des Landesmessnetzes zeigen über die letzten Jahre weder eine abnehmende

noch eine ansteigende Tendenz hin-sichtlich der Nitratbelastung. Auch die PSM-Belastung des Grundwassers bewegt sich in Bayern in den vergan-genen Jahren auf konstantem Niveau. Es ließe sich schlussfolgern, dass trotz sämtlicher dem Wasserschutz dienen-der KULAP-Maßnahmen keine Verbes-serung der Wasserqualität eingetre-ten ist. Allerdings wohnt dem Thema Wasserschutz eine besondere Kom-plexität inne. Bayernweit zeigen sich teils deutliche regionale Unterschiede hinsichtlich der Grundwasserbelas-tungen, zu denen neben der Land-nutzung auch die Faktoren Klima und Bodenbeschaffenheit beitragen. So sind die Unterschiede hinsichtlich der Belastung des Rohwassers zwischen nördlichen und südlichen Regionen Bayerns auch eine Folge der Nieder-schlagssituation. Zudem beeinflusst

→ Abbildung 3: Mittlere Artenzahldifferenz zwischen den beiden Durchgängen des Grünland-

monitorings bei identischen (blaue Säulen) oder veränderten Agrarumweltmaßnahmen (grün);

orange: Aufgabe einer Agrarumweltmaßnahme; alle Maßnahmenübergänge („à“) mit n ≥ 25

ausgewählt (inklusive Altmaßnahmen)

Kulturlandschaftsprogramms, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass auf den erprobten Flächen bereits vor KULAP-Teilnahme eine erhöhte Artenzahl vorgefunden wurde. Die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft untersuchte jedoch auch die Entwicklung der durchschnittlichen Artenzahl bei fortgeführter, wechselnder und endender Teilnahme an KULAP-Maßnahmen zwischen dem ersten und dem zweiten Durchgang des Monitorings. Dabei kam sie zu folgendem, in Abbildung 3 dargestellten Ergebnis:

Abbildung 3: Mittlere Artenzahldifferenz zwischen den beiden Durchgängen des Grünlandmonitorings bei identischen (blaue Säulen) oder veränderten Agrarumweltmaßnahmen (grün); orange: Aufgabe einer Agrarumweltmaßnahme; alle Maßnahmenübergänge („“) mit n ≥ 25 ausgewählt (inkl. Altmaßnahmen)

Quelle: Heinz et al. 2015CP = chemischer Pflanzenschutz, VNP = Vertragsnaturschutzprogramm, AUM = Agrarumweltmaßnahme, MD = Mineraldünger

Die Artenzahl nahm a) bei konstanter Teilnahme oder b) Nicht-Teilnahme an KULAP-Maßnahmen bis auf vorangehende Maßnahmen, die einen flächendeckenden chemischen Pflanzenschutz (CP) nicht zuließen (A21 und Altmaßnahme K33) und zusätzlich ein Mineraldüngerverbot und einen Viehbesatz von 1,76 GV/ha HFF vorschrieben (A22), zu. Die positive Wirkung der Grünlandmaßnahmen auf die Artenvielfalt zeigt sich vor allem angesichts des Artenverlustes auf ehemaligen KULAP-Flächen, die beim zweiten Untersuchungsdurchgang nicht mehr gefördert wurden. Die Anwendung und Beibehaltungeiner Grünlandmaßnahme erhöht die Artenvielfalt somit langfristig.

Wasserqualität

Im Rahmen der landwirtschaftlichen Flächennutzung entstehen diffuse Stickstoff- und Pflanzenschutzmitteleinträge. Oberflächengewässer wie auch das Grundwasser sind folglich verschiedenen Gefahren ausgesetzt. Besonders zu erwähnen sind dabei Stickstoffverbindungen (v.a. Nitrat) und Pflanzenschutzmittel (PSM), die aufgrund ihres flächenhaften Eintrags eine wesentliche Beeinträchtigung der Gewässer- undGrundwasserqualität bewirken können. Gemäß EG-Grundwasserrichtlinie und Grundwasserverordnung gilt im Grundwasser ein Schwellenwert für Nitrat von 50 mg/l, fürPflanzenschutzmittel (PSM) von 0,1 μg/l für den Einzelwirkstoff wie für relevante

Beispiel zum Verständnis: Die Aufgabe einer KULAP-Maßnahme mit Verbot des flächendeckenden chemischen Pflanzen-schutzes (fld. CP) resultiert durchschnittlich im Verlust einer Art

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die Bodenbeschaffenheit die Ergebnisse in der Weise, dass leicht durchlässige oder wenig mächtige Böden höhere Einträge gegenüber mächtigen und weniger durchlässi-gen Böden begünstigen. Folglich kann es in bestimmten Gebieten trotz Umsetzung grundwasserschonender land-wirtschaftlicher Maßnahmen zu einem Anstieg von Nitrat- und PSM-Gehalten kommen. Ferner muss beachtet wer-den, dass die zeitliche Verzögerung der Auswirkungen der Stickstoffdüngung und des PSM-Einsatzes aus der Vergan-genheit auf das Grundwasser in der Zukunft je nach Mäch-tigkeit und Durchlässigkeit der Grundwasserüberdeckung sehr unterschiedlich ausfallen kann. Eine direkte Wirkung von KULAP-Maßnahmen ist aufgrund der Aufenthaltsdauer des Sickerwassers im Untergrund mancherorts möglicher-weise erst in einigen Jahren zu erwarten. Allein die Tatsa-che, dass sich PSM-Wirkstoffe, die bereits seit vielen Jahren nicht mehr verwendet werden, örtlich nach wie vor in er-höhten Konzentrationen im Rohwasser nachweisen lassen, zeigt, dass natürliche Ressourcen zur Regeneration entspre-chend Zeit benötigen. Generell ist es insbesondere eine dem Wasser eigene Besonderheit, die eine große Hürde bei der Bewertung von Wasserschutzmaßnahmen darstellt: es fließt. Und dabei nimmt es Pfade, die nur mittels komplexer hy-drologischer Untersuchungen entdeckt und nachvollzogen werden können. Selbst wenn flächenspezifische Daten zur Verfügung stünden, könnten etwaige Grundwasserbelas-tungen aufgrund unbekannter Wasserläufe, Fließ- und Si-ckergeschwindigkeiten nicht zweifelsfrei dem Verursacher zugeordnet werden. Bei der Evaluierung von KULAP-Maß-nahmen mit dem Ziel Wasserschutz muss deshalb vielfach auf Erkenntnisse aus der Wissenschaft zur Wirkung solcher Maßnahmen zurückgegriffen werden.

FazitDie positiven Wirkungen von Agrarumweltmaßnahmen, wie sie im KULAP angeboten werden, sind wissenschaftlich im Rahmen von Experimenten vielfach belegt. Bei korrekter Anwendung wird ein Nutzen für Umwelt und Kulturland-schaft erzielt, der im Rahmen der Ex post-Evaluierung an vielen Stellen aufgezeigt wurde (siehe Grünlandmonitoring). Bestehende Schwierigkeiten bei der Erfassung von Umwelt-wirkungen (Datenbedarf, geophysikalische Prozesse etc.) lassen Aussagen genereller Art über Effektivität und Effizi-enz einzelner Maßnahmen auch mangels Referenzflächen kaum zu. Zwar liegen genaue monetäre Informationen über den Aufwand (finanzielle Mittel) vor, selten aber objektive Messungen über das erreichte Ergebnis (Verbesserung der Umweltsituation, Erhalt der Kulturlandschaft). Methodische Möglichkeiten kollidieren hier auch mit finanziellen Restrik-tionen.

Im Sinne einer nachhaltigen Landnutzung müssen Um-weltbelange in der Landwirtschaft in zunehmendem Maße berücksichtigt werden. Durch das KULAP wird die zusätz-liche, über die gesetzlichen Mindeststandards hinausge-hende und auf Freiwilligkeit beruhende Bereitstellung von Umweltgütern durch die Landwirte seitens der Gesellschaft gezielt honoriert und so ein wichtiger und vorzeigbarer Bei-trag zum Schutz unserer natürlichen Ressourcen geleistet.

Um den Schutz der Umweltgüter stetig zu verbessern, wird das KULAP von Förderperiode zu Förderperiode zielge-richtet weiterentwickelt. So wurden etwa die KULAP-Richt-linien für zahlreiche Wasserschutzmaßnahmen für den Pro-grammzeitraum 2014 bis 2020 dergestalt überarbeitet, dass für diese bestimmte Gebietskulissen maßgeblich sind. Im Bereich Biodiversität wurde mit der Maßnahme B40 – „Er-halt artenreicher Grünlandbestände“ einer häufigen Emp-fehlung nach ergebnisorientierten Maßnahmen Rechnung getragen. Die finanzielle Unterstützung wird auf diese Art di-rekt an den Maßnahmenerfolg gebunden und erfolgt nicht länger handlungsorientiert – ein erster Schritt in Richtung einer langfristig anzustrebenden Kosten-Nutzen-Analyse, der aus Umsetzungssicht allerdings neue Herausforderun-gen mit sich bringt.

LiteraturHEINZ, S., MAYER, F. UND KUHN, G. (2015): Grünlandmonito-

ring Bayern. Evaluierung von Agrarumweltmaßnah-men. Freising: LfL.

LFU (2014): Grundwasser für die öffentliche Wasserversorgung: Nitrat und Pflanzenschutzmittel. Berichtsjahre 2008-2012. Augsburg: Bayerisches Landesamt für Umwelt.

WAGNER, C., BACHL-STAUDINGER, M., BAUMHOLZER, S., BURMEISTER, J., FISCHER, C., KARL, N., KÖPPL, A., VOLZ, H., WALTER, R., WIELAND, P. (2014): Faunisti-sche Evaluierung von Blühflächen. Schriftenreihe der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft 1/2014. Freising: LfL.

IRIS GERHARDBAYerISCHeS STAATSMINISTerIUM FÜr erNÄHrUNg, LANDwIrTSCHAFT UND [email protected]. MANFRED GEISSENDÖRFER FOrSCHUNgSgrUPPe ArTmanfred.geissendoerfer@fg­art.dePHILIPP MENNIGTeCHNISCHe UNIVerSITÄT MÜ[email protected]

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Buchführungsergebnisse bayerischer Haupterwerbsbetriebe Ergebnisse im Wirtschaftsjahr 2015/2016 nicht zufriedenstellend

von DR. EVA-MARIA SCHMIDTLEIN und PETER HAUSHAHN: Im Wirtschaftsjahr 2015/2016 ergaben sich für die meisten bayerischen Haupterwerbsbetriebe keine zufriedenstellenden Betriebsergebnisse. Wegen der Hitze und Trockenheit fielen die Ernteerträge 2015 durchwegs niedriger aus. Aber auch die EU-Direktzahlungen und die Investitionszuschüsse lagen unter dem Vorjahr. Im Durchschnitt erzielten die Haupterwerbsbetriebe 37 915 Euro Gewinn, rund sieben Prozent weniger als im Vorjahr. Die finanzielle Lage war in vielen Betrieben deutlich angespannt.

Am Institut für Betriebswirtschaft und Agrarstruktur der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft wurden rund 2  200 Buchführungsabschlüsse aus repräsentativ ausge-wählten bayerische Testbetrieben des Testbetriebsnetzes des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) erfasst. Die Buchführungsergebnisse dieser Testbe-triebe stellen Stichproben für die Grundgesamtheit aller bayerischen Betriebe dar.

Durchschnittsergebnisse im mehrjährigen VergleichZunächst wurden die Testbetriebe anhand ihrer be-trieblichen Rahmendaten typisiert und in Gruppen mit verschiedenen Betriebsformen unterteilt. Die Buchfüh-rungsdaten dieser Betriebe wurden anschließend zu betriebswirtschaftlichen Kennwerten verrechnet und daraus hochgerechnete Durchschnittswerte als Gruppen-ergebnisse ermittelt. Die Anwendung der Freien Hoch-rechnung ermöglicht, dass die Ergebnisse bestimmter Gruppen repräsentativ und miteinander vergleichbar sind. Die in diesem Beitrag dargestellten Gruppenergeb-nisse wurden am BMEL für alle Bundesländer einheitlich basierend auf den Daten der Agrarstrukturerhebung 2010 berechnet. Nachfolgend sind die Auswertungs-ergebnisse aus rund 1 800 bayerischen Haupterwerbs-betrieben dargestellt. Sie sind zu Gruppenergebnissen der spezialisierten Ackerbau-, Weinbau-, Futterbau- und Veredelungsbetriebe sowie der Gemischtbetriebe ver-rechnet und repräsentieren rund 42  900 bayerische Haupterwerbsbetriebe. Im Kontext zu den Auswertungs-ergebnissen aus früheren Jahren werden wichtige be-

triebswirtschaftliche Kennzahlen des Wirtschaftsjahres 2015/2016 betrachtet (siehe Tabelle 1).

Gewinnentwicklung und Eigenkapitalveränderung Im Wirtschaftsjahr 2015/2016 weisen die Buchführungs-ergebnisse der bayerischen Haupterwerbsbetriebe einen durchschnittlichen Gewinn (laut Bilanz) von 37 915 Euro aus. Im Vergleich zum Vorjahr ging der Gewinn um 2 973 Euro je Unternehmen bzw. 7 Prozent zurück (siehe Abbildung 1). Ausschlaggebend für den Gewinnrückgang waren niedri-gere Umsatzerlöse für pflanzliche Erzeugnisse, Milch und Schweine sowie ein Rückgang der EU-Direktzahlungen und Investitionszuschüsse.

Im Wirtschaftsjahr 2015/2016 bewirtschafteten die bay-erischen Haupterwerbsbetriebe bei unverändertem AK-Be-satz durchschnittlich 54,4  Hektar LF. Die Direktzahlungen und Zuschüsse lagen um 4 Prozent unter dem Vorjahres-niveau (–1 130 Euro). Dies kann maßgeblich auf den Rück-gang der EU-Direktzahlungen (–1 150 Euro bzw. –6 Prozent) und die geringeren Investitionszuschüsse (–806  Euro bzw. –6 Prozent) zurückgeführt werden. Die Zahlungen für Ag-rarumweltmaßnahmen nahmen um 463 Euro bzw. 13 Pro-zent zu, die Ausgleichszulage und die Agrardieselvergütung erhöhten sich um jeweils 5 Prozent. Wie im Vorjahr trugen die Beihilfen mit 13 Prozent zum Unternehmensertrag bei.

Im Wirtschaftsjahr 2015/2016 nahm das durchschnittli-che Eigenkapital (laut Bilanz) der Haupterwerbsbetriebe um 733 Euro je Unternehmen zu (siehe Abbildung 1). Der mehr-jährige Vergleich zeigt, dass im Wirtschaftsjahr 2015/2016 in den Haupterwerbsbetrieben die Eigenkapitaländerung

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deutlich niedriger als in den vorangegangenen Wirtschafts-jahren ausfiel.

Fremdkapitaleinsatz gestiegenDie vergleichsweise geringe Zunahme des Eigenkapitals in den Bilanzen landwirtschaftlicher Betriebe hat verschiedene Ursachen:

→ fehlende bzw. geringere Zugänge an Finanzmitteln (Umsatzeinbußen, geringere Direktzahlungen und Zuschüsse),

→ gestiegener Einsatz von Fremdkapital (deutliche Ausweitung der Betriebsmittelkredite),

→ Rückgang der Rentabilität (bereits im Vorjahr stark rückläufige Gewinnentwicklung),

→ Entnahmen für die Finanzierung von Investitionen außerhalb des landwirtschaftlichen Betriebes, z. B. in weiteren von der Landwirtsfamilie geführten ge-werblichen Betrieben,

→ Entnahmen zur Finanzierung von bestehenden Steuerschulden und -vorauszahlungen,

→ Entnahmen zur Finanzierung der privaten Alterssi-cherung (Riester-Rente) und privaten Anschaffun-gen in der Unternehmerfamilie,

→ verschlechterte Aussichten auf die Erzielung von zukünftig akzeptablen Gewinnen im landwirt-schaftlichen Betrieb (insbesondere bei der Erzeu-gung von Milch und Schweinen).

→ Tabelle 1: Entwicklung der durchschnittlichen Betriebsgrößen und Wirtschaftsergebnisse bayerischer Haupterwerbsbetriebe1)

   Wirtschafts-jahr

2010/2011 2011/2012 2012/2013 2013/2014 2014/2015 2015/2016

Betriebe Zahl 1 825 1 933 1 891 1 877 1 891 1 808

Repräsentierte Betriebe Zahl 43 240 43 077 43 023 42 839 42 926 42 901

Faktorausstattung    

Betriebsgröße Standardoutput 1 000 € 145 146 145 147 148 149

Landwirtschaftlich genutzte Fläche (LF) ha 55 54 54 54 54 54

dar.: Landwirtsch. Ackerfläche ha 35 35 35 35 34 34

Arbeitskräfte AK 1, 76 1, 75 1, 77 1, 75 1, 77 1, 78

dar.: nicht entlohnte Arbeitskräfte nAK 1,52 1,50 1, 50 1,49 1,48 1,47

Viehbesatz VE/100 ha LF 137 140 138 141 142 145

Verbindlichkeiten €/ha LF 1 850 1 878 1 930 2 075 2 204 2 328

dar.: Verbindl. bei Kreditinstituten €/ha LF 1 601 1 626 1 669 1 806 1 946 2 083

Bruttoinvestitionen €/Untern. 37 157 37 036 38 165 41 044 41 256 34 876

Nettoinvestitionen €/Untern. 10 228 9 268 9 732 12 008 10 086 6 411

Wirtschaftliches Ergebnis              

Gewinnje Unternehmen €/Untern. 47 457 49 586 51 301 51 277 40 888 37 915

  je ha LF €/ha LF 866 913 942 946 753 697

  je Fam-AK €/FAK  31 299 33 037 34 173 34 423 27 697 25 870

Ordentliches Ergebnis €/Untern. 44 524 47 561 49 222 49 767 40 518 35 891

Cashflow II €/Untern. 34 211 36 312 35 965 35 027 31 517 27 332

Einkommen (Gewinn + Personalaufwand) €/AK 29 297 30 912 31 785 32 201 26 457 25 174

Eigenkapitalveränderung(laut Bilanz) je Untern. €/Untern. 9 862 11 121 10 252 8 805 6 826 733

je ha LF €/ha LF 180 205 188 162 126 13

1) am BMEL hochgerechnete Durchschnittswerte

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Im Wirtschaftsjahr 2015/2016 betrug der Cashflow II in den Betrieben durch-schnittlich 27 332 Euro je Unternehmen (siehe Tabelle 1). Dieser für die Finanzie-rung im Betrieb verfügbare Betrag lag um 4 185 Euro bzw. 13 Prozent unter dem Vorjahreswert. Gegenüber dem Fünfjahresmittel der Vorjahre wich der Cashflow II sogar um 7 275 Euro nach unten ab. Dies zeigt, dass die finanzi-elle Lage in vielen Betrieben deutlich angespannter war als in den Vorjahren.

Im Wirtschaftsjahr 2015/2016 setz-ten die Landwirte mehr Fremdkapital für die Finanzierung der Investitionen und Betriebsmittel als im Vorjahr ein (siehe Tabelle 1). Dies ist einerseits eine Folge der derzeit kostengünstigen Kre-ditkonditionen bei den Banken. Ande-rerseits sind die Anlageninvestitionen in landwirtschaftlichen Betrieben im-mer umfangreicher geworden. In Einzelunternehmen führt dies meistens dazu, dass diese nur mit hohen Fremdkapi-talanteilen finanziert werden können. Allerdings wurden im Wirtschaftsjahr 2015/2016 weniger größere Investiti-onsvorhaben als in den Jahren davor realisiert, und damit ging auch der Fremdkapitalbedarf für derartige Investitio-nen deutlich zurück.

Im Wirtschaftsjahr 2015/2016 ist die Zunahme des Fremdkapitals in den Betrieben hauptsächlich auf eine deut-liche Ausweitung der Betriebsmittelkredite zurückzuführen. Infolge der seit mindestens zwei Jahren andauernden Um-satzeinbußen zum Beispiel beim Milch- bzw. Schweinever-kauf kam es in vielen Betrieben zu Liquiditätsengpässen. Die davon betroffenen Betriebe nahmen Kredite auf, um die Betriebsmittelzukäufe für die laufende Produktion zu finan-zieren. Aus der eigenen Bewirtschaftung hatten die Land-wirte im Wirtschaftsjahr 2015/2016 weniger Finanzmittel als in den beiden Vorjahren zur Verfügung. Wichtige Indizien für die Kapitalknappheit vieler Betriebe sind der deutlich zu-rückgegangene Cashflow II (siehe Tabelle 1) und der höhere Zinsaufwand (siehe Tabelle 2).

Immer mehr Landwirte führen neben ihren landwirt-schaftlichen Betrieben auch Gewerbebetriebe. Für die Fi-nanzierung der dort erforderlichen Investitionen benötigen sie ebenfalls eigene Finanzmittel. Viele Landwirtsfamilien verwenden auch bedeutende Kapitalbeträge für die private Alterssicherung (Riester-Rente), zur Bezahlung von Steuer-schulden und -vorauszahlungen sowie für größere private Anschaffungen.

Zurückhaltung bei InvestitionenÜber die Verwendung des erwirtschafteten Finanzkapitals entscheiden die Landwirtsfamilien frei. Sie wägen dabei zwischen verschiedenen Einsatzmöglichkeiten inner- und außerhalb ihrer landwirtschaftlichen Betriebe ab. Die Erfah-rung zeigt, dass sich Kapitaleinsätze immer dann als rentabel erweisen, wenn sie für Vorhaben mit guten Gewinnaussich-ten verwendet werden. Nach zwei Jahren mit ungünstiger Preisentwicklung bei wichtigen Agrarerzeugnissen und den unterdurchschnittlichen Erntemengen in 2015 beurteilen die Landwirte die Gewinnaussichten zunehmend kritischer. Bei vielen Landwirten setzt sich die Erkenntnis durch, dass die Schwankungsbreite bei den Verkaufspreisen wichtiger Agrarprodukte zunimmt und die Phasen mit niedrigen Pro-duktpreisen auch über längere Zeiträume hinweg andau-ern können. Hinzu kommt, die unsichere Erwartung der künftigen Produktionskosten als Folge von gegebenenfalls erforderlich werdenden Maßnahmen zur Einhaltung künf-tiger Produktionsstandards (z. B. tiergerechtere Haltungs-verfahren, Grundwasserschutz). Die Entscheidungen der Landwirte über die Durchführung von Investitionen in land-wirtschaftlichen Betrieben werden dadurch erschwert oder zumindest – in Erwartung besserer bzw. klarer absehbarer Rahmenbedingungen – verzögert. Dies zeigt auch der sehr deutliche Rückgang der Nettoinvestitionen (siehe Tabelle 1). Im Wirtschaftsjahr 2015/2016 betrugen die Nettoinvestitio-nen im Mittel der Betriebe 6 411 Euro, während sie im Durch-schnitt der vorangegangenen fünf Wirtschaftsjahre bei 10 265 Euro lagen.

→ Abbildung 1: Entwicklung des durchschnittlichen Gewinns und des Eigenkapitals in bayerischen

Haupterwerbsbetrieben (am BMEL hochgerechnete Durchschnittswerte)

- 1 -

Abbildung 1: Wirtschaftsergebnis der Haupterwerbsbetriebe in Bayern1) Daten für Abb

1) Hochgerechnete Durchschnittsergebnisse der BMEL-Testbetriebe, verrechnet am BMEL

47 457 49 586 51 301 51 277

40 888 37 915

9 862 11 121 10 252 8 805 6 826 733

0

10 000

20 000

30 000

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70 000

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2010/2011 2011/2012 2012/2013 2013/2014 2014/2015 2015/2016

Gewinn lt. BilanzEigenkapitaländerung lt. Bilanz

Euro/Unternehmen

47 457 49 586

51 301 51 277

40 888 37 915

9 862 11 121 10 252

8 805 6 826

733 0

10 000

20 000

30 000

40 000

50 000

60 000

2010/2011 2011/2012 2012/2013 2013/2014 2014/2015 2015/2016

Gewinn lt. Bilanz Eigenkapitaländerung lt. Bilanz

Poly. (Gewinn lt. Bilanz) Poly. (Eigenkapitaländerung lt. Bilanz)

Euro/Unternehmen

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Zurückgehende betriebliche ErträgeBei den betrieblichen Erträgen setzte sich im Wirtschaftsjahr 2015/2016 die rückläufige Entwicklung aus dem Vorjahr fort (siehe Abbildung 2). Die Umsatzerlöse der landwirtschaftli-chen Pflanzenproduktion gingen um 11 Prozent zurück. In der Tierproduktion fielen die Umsatzerlöse um 5 Prozent ge-ringer als im Vorjahr aus, und die sonstigen betrieblichen Er-

träge gingen um 4 Prozent zurück. Der Viehbesatz erhöhte sich in den Betrieben im Mittel um 1,6 Vieheinheiten (VE) auf 144,6 VE pro 100 Hektar LF (+2 Prozent).

Umsatzerlöse niedriger als im VorjahrDie Umsatzerlöse der landwirtschaftlichen Pflanzen-produktion gingen im Wirtschaftsjahr 2015/2016 um

→ Tabelle 2: Buchführungsergebnisse bayerischer Haupterwerbsbetriebe in ausgewählten Betriebsformen1)

   Alle HE-Betriebe Ackerbau betriebe Weinbau betriebe Futterbau-

betriebe

Veredlungs-

betriebe

Gemischt betriebe

Einheit 2014/

2015

2015/

2016

2014/

2015

2015/

2016

2014/

2015

2015/

2016

2014/

2015

2015/

2016

2014/

2015

2015/

2016

2014/

2015

2015/

2016

Betriebe 1 891 1 808 189 192 40 41 1 169 1 104 181 183 256 238

Repräsentierte Betriebe 42 926 42 901 4 330 4 315 307 322 28 974 28 930 2 898 2 911 5 145 5 152

Betriebsgröße

Standardoutput 1 000 € 148 149 166 169 104 103 127 127 267 261 163 169

Ldw. genutzte Fläche (LF) ha 54 54 89 89 10 10 48 48 55 56 73 75

Arbeitskräfte AK 1, 8 1, 8 2, 2 2, 2 2, 4 2, 3 1, 6 1, 6 1, 7 1, 7 1, 7 1, 7

dar.: Nicht entlohnte AK (Fam.-AK) nAK 1, 5 1, 5 1, 4 1, 3 1, 5 1, 4 1, 5 1, 5 1, 5 1, 5 1, 5 1, 5

Umsatzerlöse €/Untern. 173 103 165 863 203 785 183 596 145 536 149 827 146 772 137 282 298 660 285 851 199 063 199 862

Ldw. Pflanzenproduktion €/Untern. 33 729 30 156 181 231 162 588 1 857 1 175 9 964 8 413 25 235 22 710 56 999 53 157

Tierproduktion €/Untern. 120 604 114 837 9 050 9 396 0 0 128 700 120 680 264 189 253 578 124 912 127 255

Weinbau und Kellerei €/Untern. 1 434 1 510 173 186 131 553 134 170 28 51 127 53 2 594 2 548

Handel, Dienstleist. u. Nebenbetriebe €/Untern. 7 116 7 654 9 650 7 819 11 658 11 861 5 490 5 775 6 073 7 279 11 470 13 591

Lohnarbeit, Maschinenmiete €/Untern. 4 196 3 791 7 911 6 363 7 013 6 991 3 353 3 156 4 347 4 752 5 672 4 940

Biogas €/Untern. 752 822 2 0 0 0 629 517 471 366 2 463 3 740

Sonstige betriebliche Erträge €/Untern. 51 352 49 329 71 744 76 128 30 909 30 876 46 635 43 463 62 085 57 829 60 450 59 586

Direktzahlungen und Zuschüsse €/Untern. 28 092 26 961 37 225 36 900 4 333 5 452 27 086 25 613 25 812 24 959 34 545 33 999

Betriebsprämie/EU-Direktzahl. €/Untern. 17 940 16 789 28 760 27 587 2 222 3 047 16 084 14 809 18 119 17 277 23 761 22 783

Zins- und Investitionszuschüsse €/Untern. 2 033 1 227 52 50 681 584 2 689 1 725 1 089 204 1 030 291

Agrardieselvergütung €/Untern. 1 811 1 899 2 851 3 043 269 302 1 633 1 706 1 769 1 935 2 344 2 366

Ausgleichszulage €/Untern. 2 278 2 381 914 941 9 11 2 801 2 920 1 013 1 028 1 881 2 034

Zahlungen Agrarumweltmaßn. €/Untern. 3 487 3 949 4 243 4 951 734 846 3 396 3 730 2 434 2 913 4 873 5 861

Sonstiger Betriebsertrag €/Untern. 18 716 18 348 24 347 28 947 22 038 22 744 15 640 14 640 31 241 28 197 22 044 22 060

Materialaufwand €/Untern. 91 467 88 809 91 108 85 309 39 009 39 159 73 096 69 607 209 294 201 471 125 347 126 570

Ldw. Pflanzenproduktion €/Untern. 18 521 18 008 49 951 48 640 7 456 7 481 10 963 10 324 20 026 19 465 26 299 25 949

Tierproduktion €/Untern. 45 650 45 156 5 409 5 165 0 0 38 839 37 950 157 945 152 600 68 543 72 221

Handel, Dienstleist. u. Nebenbetriebe €/Untern. 1 134 1 142 1 474 1 177 1 955 1 644 506 630 1 389 2 045 1 451 1 252

Sonstiger Materialaufwand €/Untern. 25 780 24 097 33 961 30 021 13 812 13 387 22 577 20 485 29 682 27 159 28 484 26 545

Personalaufwand €/Untern. 5 808 6 933 13 554 17 400 19 041 19 596 2 895 3 037 4 504 4 215 4 137 4 424

Abschreibungen €/Untern. 26 791 26 262 32 671 33 074 19 066 19 160 25 459 24 388 34 259 32 802 26 060 26 441

Sonstige betriebliche Aufwendungen €/Untern. 56 406 51 423 76 983 75 562 46 500 47 828 50 593 44 239 71 301 67 471 63 131 61 408

dar.: Pacht für l.u.f. Flächen €/Untern. 9 078 9 684 21 043 22 751 7 001 6 157 6 291 6 485 12 759 13 205 14 171 16 410

Zinsaufwand €/Untern. 3 342 3 326 2 356 2 781 3 493 3 145 3 112 3 008 6 310 5 529 2 953 3 039

Gewinn €/Untern. 40 888 37 915 61 290 46 676 50 091 48 312 38 371 36 078 34 766 31 522 37 973 35 507

Einkommen (Gewinn + Personalaufw.) €/AK 26 457 25 174 34 384 29 054 29 323 29 875 25 993 24 757 23 055 21 479 25 490 23 742

Ordentliches Ergebnis €/Untern. 40 518 35 891 57 243 41 097 46 398 46 321 38 616 34 817 32 853 28 191 36 693 32 627

Eigenkapitaländerung lt. Bilanz €/Untern. 6 826 733 8 899 1 350 14 412 7 787 6 429 1 155 9 892 -9 406 7 220 3 868

1) Auszüge aus der Gewinn- und Verlustrechnung; am BMEL hochgerechnete Durchschnittswerte

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3  572  Euro bzw. 11  Prozent zurück. Aufgrund der trockenen und heißen Witterung im Sommer 2015 fielen die Ernteerträge durchwegs niedriger als im Vorjahr aus (Weizen –9  Prozent, Gerste –5  Prozent, Raps –8  Prozent, Kartoffeln –13 Prozent, Zuckerrüben –23  Prozent). Als Ausgleich für die geringeren Erntemengen kam es bei wichtigen Erzeugnissen zum Preis-anstieg (Raps +10 Prozent, Kartoffeln +30  Prozent, Zuckerrüben +29  Pro-zent). Die Getreidepreise gaben leicht nach (-2 Prozent). Bestimmend für den Rückgang der Umsatzerlöse aus der Tierproduktion um 5 766 Euro waren vor allem die Einbußen beim Milchver-kauf (–5 302 Euro bzw. –9 Prozent). Die Entwicklung der Umsatzerlöse in den einzelnen Betriebsformen verlief jedoch unterschiedlich (siehe Tabelle 2).

Bei den Ackerbaubetrieben waren die Umsatzrückgänge (–20 189 Euro bzw. –10 Prozent; siehe Abbildung 3) besonders ausgeprägt. Wegen der anhaltenden Hitze und Trockenheit fielen die Erntemengen 2015 spürbar niedriger aus (Weizen: 72 dt/ha, –14 Prozent; Gerste: 63 dt/ha, –10 Prozent, Raps: 38,1 dt/ha, –11 Prozent). Besonders markant waren die nied-rigeren Ernteerträge der Ackerbaubetriebe bei Kartoffeln (375 dt/ha, –12 Prozent) und Zuckerrüben (734 dt/ha, –20 Pro-zent). In diesen Betrieben war ein Ausgleich der geringeren Erntemengen durch höhere Produktpreise nur teilweise möglich (Weizen: 17,60 €/dt, –5 Prozent; Gerste: 17,20 €/dt, –1 Prozent; Raps: 38,10 €/dt, +10 Prozent; Kartoffeln: 11,30 €/dt, +25 Prozent; Zuckerrüben: 4,60 €/dt, +26 Prozent).

Die Weinbaubetriebe konnten ihre Umsätze gegenüber dem Vorjahr um 4 290 Euro bzw. um 3 Prozent steigern, weil in diesen Betrieben häufig der Produktverkauf auch auf den Traubenmosterträgen aus früheren Ernten basiert.

Die Futterbaubetriebe verzeichneten deutliche Umsatz-rückgänge (–9 490 Euro bzw. –7 Prozent), weil beim Milch-verkauf die Erlöse um 7 082 Euro bzw. 8 Prozent niedriger als im Vorjahr ausfielen. Witterungsbedingt fielen auch in diesen Betrieben die Ernten niedriger aus, und die Umsatz-erlöse aus der landwirtschaftlichen Pflanzenproduktion ver-minderten sich um 1 550 € bzw. 16 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der Milchpreis lag bei 32,6 Cent je kg und damit um 4,4 Cent unter dem Durchschnittspreis des Vorjahres (–12 Prozent).

In den Veredelungsbetrieben gingen die Umsatzerlöse im Wirtschaftsjahr 2015/2016 um 12 809 Euro bzw. 4 Prozent ge-

genüber dem Vorjahr zurück. Damit setzte sich in diesen Be-trieben die seit drei Jahren anhaltende negative Umsatzent-wicklung weiter fort.

Die Gemischtbetriebe verzeichneten im Wirtschaftsjahr 2015/2016 eine insgesamt stabile Umsatzentwicklung. Sie konnten die witterungsbedingten Umsatzeinbußen in der Pflanzenproduktion durch höhere Umsätze in der Tierpro-duktion ausgleichen.

Geringere Direktzahlungen und ZuschüsseIm Wirtschaftsjahr 2015/2016 fielen die EU-Direktzahlungen um durchschnittlich 1 150 Euro bzw. 6 Prozent niedriger als im Vorjahr aus. Ebenso lagen die Investitionszuschüsse um 806 Euro unter dem Vorjahreswert (–40 Prozent). Einen teil-weisen Ausgleich für die niedrigeren EU-Direktzahlungen und Zuschüsse erhielten die Betriebe durch höhere Zahlun-gen für Agrarumweltmaßnahmen (+463 Euro bzw. +13 Pro-zent). Auch die Zahlungen für die Ausgleichszulage und die Agrardieselvergütung lagen um jeweils 5 Prozent über dem Vorjahr.

In Abhängigkeit von der jeweiligen Betriebsform fielen die Zahlungen an die Landwirte sehr unterschiedlich aus. Es zeigt sich, dass insbesondere die Betriebsformen mit hö-herer Flächenausstattung höhere EU-Direktzahlungen und Agrardieselvergütungen erhalten. Auffällig niedrig sind die Direktzahlungen und sonstigen Zuwendungen in den Wein-baubetrieben. Bei den Futterbaubetrieben gingen die In-vestitionszuschüsse gegenüber dem Vorjahr sehr deutlich zurück, während in allen Betriebsformen die Zahlungen für Agrarumweltmaßnahmen höher als im Vorjahr lagen. Mit Ausnahme der Ackerbau-, Weinbau- und Gemischtbetriebe

→ Abbildung 2: Betriebliche Erträge bayerischer Haupterwerbsbetriebe (am BMEL hochgerech-

nete Durchschnittswerte)

Abbildung 2: Betriebliche Erträge bayerischer Haupterwerbsbetriebe1

1) am BMEL hochgerechnete Durchschnittswerte

33 729 30 156

120 604 114 837

7 116 7 654

11 566 13 215

51 352 49 329

224 959 214 977

0

50 000

100 000

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200 000

250 000

2014/2015 2015/2016

Sonstige betrieblicheErträge

SonstigeUmsatzerlöse

Umsatzerlöse Handel,Dienstleist. undNebenbetriebe

UmsatzerlöseTierproduktion

Umsatzerlöse ldw.Pflanzenproduktion

Euro/UnternehmenEuro/Unternehmen

33 729 30 156

120 604 114 837

7 116 7 654

11 566 13 215

51 352 49 329

224 959 214 977

0

50 000

100 000

150 000

200 000

250 000

2014/2015 2015/2016

Sonstige betrieblicheErträge

Sonstige Umsatzerlöse

Umsatzerlöse Handel,Dienstleist. undNebenbetriebe

UmsatzerlöseTierproduktion

Umsatzerlöse ldw.Pflanzenproduktion

Euro/Unternehmen

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→ Abbildung 3: Entwicklung der Gewinne bayerischer Haupterwerbsbetriebe in ausgewählten

Betriebsformen (am BMEL hochgerechnete Durchschnittswerte)

LfL-IBA, AG 3b, Dr. SchmidtleinStand: 7.12.2015

Daten für Abbildung 3 und Abbildung 4

2010/2011 2011/2012 2012/2013 2013/2014 2014/2015 2015/2016 EinheitAlle Betriebe 47 457 49 586 51 301 51 277 40 888 37 915 €/Untern.Ackerbau 69 311 65 499 96 072 71 766 61 290 46 676 €/Untern.Weinbau 36 044 43 030 38 558 45 512 50 091 48 312 €/Untern.Futterbau 46 029 47 865 43 478 49 892 38 371 36 078 €/Untern.Veredlung 35 285 45 590 57 329 50 744 34 766 31 522 €/Untern.Gemischt 46 057 37 393 53 176 40 438 37 973 35 507 €/Untern.

1) am BMEL hochgerechnete Durchschnittswerte

1) am BMEL hochgerechnete Durchschnittswerte

Abbildung 3: Entwicklung der Gewinne bayerischer Haupterwerbsbetriebe inausgewählten Betriebsformen1

Abbildung 4: Entwicklung der durchschnittlichen Gewinne in bayerischen Haupterwerbsbetriebe bei ausgewählten Betriebsformen1

0

20 000

40 000

60 000

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Ackerbau Weinbau Futterbau Veredlung Gemischt

2010/2011 2011/2012 2012/20132013/2014 2014/2015 2015/2016

Euro/Unternehmen

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2010/2011 2011/2012 2012/2013 2013/2014 2014/2015 2015/2016

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Ackerbau Weinbau Futterbau Veredlung Gemischt

2010/2011 2011/2012 2012/20132013/2014 2014/2015 2015/2016

Euro/Unternehmen

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2010/2011 2011/2012 2012/2013 2013/2014 2014/2015 2015/2016

Ackerbau

Weinbau

Futterbau

Veredlung

Gemischt

Alle Betriebe

Euro/Unternehmen

blieb der sonstige Betriebsertrag unter den Vorjahreswerten (siehe Tabelle 2).

Kosteneinsparungen wurden genutzt Im Wirtschaftsjahr 2015/2016 betrugen die betrieblichen Aufwendungen durchschnittlich 173 428 Euro. Vielfältige betriebliche Anpassungen führten zu Kosteneinsparungen um durchschnittlich 7 045 Euro bzw. 4 Prozent. Der Mate-rialaufwand reduzierte sich um 2 658  Euro (–3  Prozent). Spürbare Kosteneinsparungen ergaben sich beim Kauf von Treib- und Schmierstoffen (–1 597 Euro bzw. –18 Prozent). Ebenfalls unter dem Vorjahresniveau blieben die Kosten für Lohnarbeit und Maschinenmiete (–6 Prozent).

Bedeutende Kosteneinsparungen waren bei den sonsti-gen betrieblichen Aufwendungen (–4 983 Euro bzw. –9 Pro-zent) möglich. Auffällig stark ging der zeitraumfremde Auf-wand (–2 360 Euro bzw. –32 Prozent) zurück. Bei dem von den Landwirten vorwiegend angewandten Verfahren der Umsatzsteuerpauschalierung lässt dies auf einen deutlichen Rückgang der Investitionen beim Anlagevermögen schlie-ßen. Diese Einschätzung wird durch die Entwicklung der Brutto- bzw. Nettoinvestitionen (siehe Tabelle 1) bestätigt.

Wirtschaftsergebnisse der Betriebsformen im VergleichIn Bayern sind die Futterbaubetriebe, vor allem die spezia-lisierten Milchviehbetriebe, zahlenmäßig deutlich stärker als die Betriebe der übrigen Betriebsformen vertreten, und deshalb ist die Gewinnentwicklung der Futterbaubetriebe auch für den mittleren Gewinn aller bayerischen Haupter-werbsbetriebe prägend (siehe Abbildung 3). Im Wirtschafts-

jahr 2015/2016 lagen die Gewinne der Betriebe aus allen Betriebsformen un-ter dem Vorjahr. Die Gewinndifferen-zen zwischen den Betriebsformen gin-gen weiter zurück.

Starke Gewinneinbußen in Ackerbaubetrieben

Im Wirtschaftsjahr 2015/2016 er-zielten die Ackerbaubetriebe im Mit-tel einen Gewinn von 46 676  Euro. Der Gewinn fiel um 14 614 Euro bzw. 24 Prozent geringer als im Vorjahr aus und erreichte damit im sechsjährigen Vergleich den niedrigsten Wert. Im Ver-gleich zu den anderen Betriebsformen waren bei den Ackerbaubetrieben die Gewinneinbußen sehr ausgeprägt. Die Ursache dafür waren geringere Umsat-

zerlöse (–20 189 Prozent bzw. –10 Prozent), hauptsächlich bedingt durch die geringeren Ernteerträge 2015. Auch die Einnahmen aus Lohnarbeit und Maschinenmiete fielen ge-ringer aus.

Gutes Ergebnis für Weinbaubetriebe In den Weinbaubetrieben verlief die Gewinnentwicklung vergleichsweise günstig. Diese Betriebe erwirtschafteten in 2015/2016 im Mittel einen Gewinn von 48 312 Euro. Er lag nur geringfügig unter dem Vorjahresergebnis (–1 779 Euro bzw. –4 Prozent). Bei einer Betriebsgröße von durchschnitt-lichen 10  Hektar LF erzielten die Weinbaubetriebe damit einen Spitzenwert. Traditionell haben diese Betriebe einen vergleichsweise hohen Direktvermarktungsanteil, und die Wertschöpfung aus der Produktvermarktung blieb damit weitgehend in den Betrieben. Beim Weinverkauf profitierten sie auch von den guten Traubenmosternten der Vorjahre.

Nochmals rückläufige Gewinne in Futterbaubetrieben Bei den Futterbaubetrieben lag der mittlere Gewinn im Wirtschaftsjahr 2015/2016 bei 36 078 Euro je Unterneh-men und damit um 2 293 Euro (–6 Prozent) unter dem Vor-jahresergebnis. Nach der sehr deutlichen Gewinneinbuße des Vorjahres (–11 521 Euro bzw. –23 Prozent) setzte sich damit die ungünstige wirtschaftliche Entwicklung fort. Bei weitgehend gleichbleibenden Erlösen aus dem Verkauf von Rindern, deutlich niedrigeren Erlösen aus dem Milchverkauf und einem Rückgang der Investitionszuschüsse kam es in den Futterbaubetrieben je nach ihren Produktionsschwer-punkten zu unterschiedlichen wirtschaftlichen Auswirkun-gen.

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Bei den spezialisierten Milchviehbetrieben ging der Gewinn im Wirtschaftsjahr 2015/2016 um 2 460 Euro auf 36 907 Euro (–6 Prozent) zurück. Bereits im Wirtschaftsjahr 2013/2014 verzeichneten die spezialisierten Milchviehbe-triebe Gewinneinbußen von 24 Prozent (–12 617 Prozent), weil der Milchpreis und damit die Umsatzerlöse aus dem Milchverkauf stark zurückgegangen waren. In der Milch-viehhaltung waren Produktivitätssteigerungen möglich. Die spezialisierten Milchviehbetriebe hielten durchschnitt-lich 41 Kühe (+0,5 Stück). Die Milchleistung erhöhte sich um 214 auf 7 166 kg Milch je Kuh. Bei den sonstigen Futterbau-betrieben lag der Gewinn im Wirtschaftsjahr 2015/2016 bei durchschnittlich 30 571 Euro (–1 199 Euro bzw. –4 Prozent). Bereits im Vorjahr fielen in dieser Betriebsgruppe die Gewinn-einbußen (–4 547 Euro bzw. –13 Prozent) geringer als bei den spezialisierten Milchviehbetrieben aus.

Gewinne in Veredelungsbetrieben nicht akzeptabelDie Veredlungsbetriebe erwirtschafteten im Wirtschafts-jahr 2015/2016 einen durchschnittlichen Gewinn von 31 522 Euro. Dieser lag um 3 244 Euro bzw. 9 Prozent unter dem Vorjahresergebnis und erreichte damit im sechsjähri-gen Vergleich einen Tiefstwert.

Bereits im Vorjahr verzeichneten die Veredlungsbe-triebe sehr ausgeprägte Gewinneinbußen (–31 Prozent bzw. –15 978 Euro), weil die Verkaufspreise für Schweine stark gesunken waren. Im Wirtschaftsjahr 2015/2016 gingen auch in dieser Betriebsgruppe die Investitionszuschüsse stark zu-rück (–885  Euro). Die Veredlungsbetriebe nutzten Möglich-keiten zur Kosteneinsparung, insbesondere beim Material-aufwand (–7 823 Euro bzw. –4 Prozent) und den sonstigen betrieblichen Aufwendungen (–5 Prozent). Dennoch bleibt die finanzielle Lage dieser Betriebe deutlich angespannt.

In den Veredlungsbetrieben ging der Viehbesatz bei Schweinen um 6 VE pro 100 Hektar zurück. Gleichzeitig kam es zu einer Ausweitung der Mastschweinehaltung um 7 VE auf 297  VE pro 100 Hektar LF, während die Bedeutung der Sauenhaltung weiter zurückging. Die Veredlungsbetriebe vergrößerten ihre mittlere Erzeugungsmenge bei den Mast-schweinen um durchschnittlich 45 Stück. In der Ferkeler-zeugung waren Produktivitätssteigerungen möglich. Die Zahl der geborenen Ferkel je Sau erhöhte sich um 0,2 auf 23,7 Ferkel je Sau.

Gemischtbetriebe mit GewinneinbußenDie Gemischtbetriebe erwirtschafteten 2015/2016 im Mit-tel einen Gewinn von 35 507 Euro. Auch in diesen Betrie-ben kam es im Vergleich zum Vorjahr zu Gewinneinbußen (–2 466 Euro bzw. –7 Prozent). Die Gemischtbetriebe konn-ten die Umsatzeinbußen aus dem Verkauf pflanzlicher Er-zeugnisse weitgehend durch höhere Umsatzerlöse in der Tierproduktion (Eier, Geflügel +5  259  Euro) ausgleichen. Durch die Ausweitung der Tierproduktion ergab sich in die-sen Betrieben ein höherer Materialaufwand (Futtermittel-zukauf).

Resümee und ZukunftsaussichtenIm Wirtschaftsjahr 2015/2016 weisen die hochgerechneten Buchführungsergebnisse der bayerischen Haupterwerbs-betriebe einen durchschnittlichen Gewinn von 37 915 Euro je Unternehmen aus. Im Mittel der Haupterwerbsbetriebe lag der Gewinn um 7 Prozent unter dem Vorjahreswert. Das wirtschaftliche Ergebnis war geprägt von den durchwegs niedrigeren Erntemengen infolge der Hitze und Trocken-heit im Sommer 2015 und den niedrigen Verkaufspreisen für Milch und Schweine.

Die erwirtschafteten Gewinne wa-ren nicht zufriedenstellend. Diese Ein-schätzung trifft – mit Ausnahme der Weinbaubetriebe – für alle Betriebs-formen zu. Mit Blick auf das Vorjah-resergebnis und dem damals sehr deutlichen Gewinnrückgang ist die wirtschaftliche Lage in vielen, vor allem kleineren Betrieben stark angespannt.

Aufgrund der geringeren Umsatz-erlöse und sonstigen Betriebserträge kam es in vielen Betrieben zu Liqui-ditätsproblemen. Die Landwirte re-agierten auf bestehende oder sich ab-zeichnende Liquiditätsengpässe mit Kosteneinsparungen und einer ver-stärkten Inanspruchnahme von Bank-krediten. Auch die Umsetzung von

→ Abbildung 4: Entwicklung der durchschnittlichen Gewinne bayerischer Haupterwerbsbetriebe

bei ausgewählten Betriebsformen (am BMEL hochgerechnete Durchschnittswerte)

LfL-IBA, AG 3b, Dr. SchmidtleinStand: 7.12.2015

Daten für Abbildung 3 und Abbildung 4

2010/2011 2011/2012 2012/2013 2013/2014 2014/2015 2015/2016 EinheitAlle Betriebe 47 457 49 586 51 301 51 277 40 888 37 915 €/Untern.Ackerbau 69 311 65 499 96 072 71 766 61 290 46 676 €/Untern.Weinbau 36 044 43 030 38 558 45 512 50 091 48 312 €/Untern.Futterbau 46 029 47 865 43 478 49 892 38 371 36 078 €/Untern.Veredlung 35 285 45 590 57 329 50 744 34 766 31 522 €/Untern.Gemischt 46 057 37 393 53 176 40 438 37 973 35 507 €/Untern.

1) am BMEL hochgerechnete Durchschnittswerte

1) am BMEL hochgerechnete Durchschnittswerte

Abbildung 3: Entwicklung der Gewinne bayerischer Haupterwerbsbetriebe inausgewählten Betriebsformen1

Abbildung 4: Entwicklung der durchschnittlichen Gewinne in bayerischen Haupterwerbsbetriebe bei ausgewählten Betriebsformen1

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Ackerbau Weinbau Futterbau Veredlung Gemischt

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Ackerbau

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Ackerbau Weinbau Futterbau Veredlung Gemischt

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Investitionsvorhaben (Nettoinvestitionen) in den Betrieben ging um mehr als ein Drittel zurück. Das Eigenkapital in den landwirtschaftlichen Bilanzen der Haupterwerbsbetriebe er-höhte sich um durchschnittlich 733 Euro. Seit mindestens sechs Wirtschaftsjahren erreichte die Eigenkapitalverände-rung damit einen Tiefstwert.

Die Ackerbaubetriebe verzeichneten vergleichsweise starke Gewinneinbußen (–24 Prozent) aufgrund der gerin-geren Ernteerträge in 2015 (Hitze, Sommertrockenheit). Der mittlere Gewinn lag in diesen Betrieben bei 46 676 Euro und erreichte damit den niedrigsten Wert seit mehr als sechs Wirtschaftsjahren. Aufgrund der guten Wirtschaftsergeb-nisse aus früheren Jahren und einer durchschnittlichen Ernte im Jahr 2016 bestehen im laufenden Wirtschaftsjahr in den Ackerbaubetrieben gute Chancen auf eine deutliche Verbes-serung ihrer Wirtschaftsergebnisse.

Nach einem erneuten Rückgang der Umsatzerlöse aus dem Verkauf von pflanzlichen Erzeugnissen und Milch er-reichten die Futterbaubetriebe nicht zufriedenstellende Betriebsergebnisse. Im Wirtschaftsjahr 2015/2016 ging der mittlere Gewinn auf 36 078 Euro zurück. Für das laufende Wirtschaftsjahr ist erkennbar, dass es zu einer Stabilisierung auf dem Milchmarkt kommen wird. Voraussichtlich wird sich die schwierige wirtschaftliche Lage in den spezialisierten Milchviehbetrieben nicht weiter verschärfen. Positiv wirken auch die weitgehend gleichbleibenden Preise beim Verkauf von Rindern.

Im laufenden Wirtschaftsjahr werden in den Veredlungs-betrieben verbesserte Exportchancen bei Schweinefleisch und davon ausgehende positive Effekte auf die Preisent-wicklung bei Schweinen zu einer leichten Verbesserung der wirtschaftlichen Lage führen.

Für die Gemischtbetriebe ergab sich im Wirtschaftsjahr 2015/2016 ein relativ stabiles Wirtschaftsergebnis, weil es in diesen Betrieben in den Vorjahren zu einer Ausweitung der Tierproduktion kam und die Umsatzerlöse insbesondere aus dem Verkauf von Eiern bzw. Geflügel gestiegen sind. Diese Betriebe werden ihre wirtschaftliche Entwicklung weitge-hend stabil fortsetzen können.

In den spezialisierten Milchviehbetrieben und ebenso in den Veredelungsbetrieben hält die ungünstige Umsatz-entwicklung bereits zwei bzw. drei Wirtschaftsjahre an. Vor allem in vielen kleineren Betrieben mit Milchvieh- und Schweinehaltung konnten keine ausreichenden Gewinne erwirtschaftet werden. Aufgrund der nicht akzeptablen Gewinnentwicklung überdenken viele Landwirte ihre Un-ternehmensstrategie und richten ihre Betriebsführung neu aus. Die unterschiedlichen Rahmenbedingungen in den Betrieben führen dazu, dass beim Wechsel der Unterneh-mensstrategie und deren Umsetzung unterschiedliche Ef-

fekte auf die Buchführungsergebnisse entstehen. Ein Teil der Betriebe wird die Produktion ausweiten (Senkung der Produktionskosten; niedrigere Stückkosten für die Erzeug-nisse). Ein anderer Teil der Betriebe wird aus der Produktion ausscheiden, weil in diesen Betrieben unrentabel gewor-dene Betriebszweige (oder auch ganze Betriebe) aufgege-ben und neue Geschäftsfelder innerhalb und außerhalb der landwirtschaftlichen Erzeugung aufgebaut werden. Viele Landwirte, vor allem mit kleineren Betrieben, werden ihre Betriebsorganisation ändern und verstärkt zum Nebener-werb übergehen oder vorhandene Erwerbskombinationen weiter ausbauen.

In der Buchführungsauswertung führen die wirtschaftli-chen Folgen aus dem Strategiewechsel der Einzelunterneh-men zum Teil zu gegensätzlichen Effekten auf die Gruppen-ergebnisse. Allerdings sind im Wirtschaftsjahr 2015/2016 in vielen Betrieben die Anzeichen für einen Strategiewechsel auch in deren Buchführungen und ebenso in der Grup-penauswertung deutlich erkennbar. So kam es in den Ver-edelungsbetrieben im Wirtschaftsjahr 2015/2016 zu einer Ausweitung der Schweinemast, obgleich der Viehbesatz in der Schweinehaltung abnahm. Bei den Gemischtbetrieben führte die Ausweitung der Tierproduktion zu einem deut-lichen Anstieg der Umsatzerlöse aus dem Eier- bzw. Geflü-gelverkauf.

Die zunehmende Finanzmittelknappheit in den Be-trieben ergab im Zusammenwirken mit den schlechter gewordenen Gewinnaussichten bei der Erzeugung von Milch und Schweinen einen deutlichen Rückgang der In-vestitionstätigkeit und der Kapitaleinsätze in landwirt-schaftlichen Betrieben. Die weitere Entwicklung der Kapi-taleinsätze hängt entscheidend ab von der Einschätzung der künftigen Gewinnperspektiven durch die Landwirte. Wichtige Aspekte dabei sind die Absatzbedingungen und die später erzielbaren Produktpreise sowie die Beurtei-lung der zukünftigen Produktionskosten unter sich än-dernden Rahmenbedingungen (Tierwohl, Grundwasser-schutz etc.).

DR. EVA-MARIA SCHMIDTLEIN PETER HAUSHAHNBAYerISCHe LANDeSANSTALT FÜr LANDwIrTSCHAFTINSTITUT FÜr BeTrIeBSwIrTSCHAFT UND AgrArSTrUKTUreva­[email protected]@lfl.bayern.de

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Regionales Bayern – Komm hin, wo’s herkommt! Vor Ort einkaufen, erleben und wertschätzen

von ANKE WEHKING und KATRIN BRAUN: Das Internetangebot www.regionales-bayern.de ist eine Informationsplattform für Verbraucher, die regionale Angebote von Erzeug-nissen und Dienstleistungen aus der bayerischen Landwirtschaft bündelt. Unter www.regionales-bayern.de finden interessierte Verbraucher Hofläden, landwirtschaftliche Produkte, traditionelles Handwerk, Bauernmärkte und vieles mehr, auch Aktionen und Veranstaltungen rund um das Thema Landwirtschaft und Landleben – und das alles direkt nebenan.

Das bayernweite Portal bietet dem Verbraucher umfangreiche Informationen, veranschaulicht regionale Strukturen und macht diese für den Verbraucher sichtbar. Erzeuger und Verbraucher treten auf möglichst direktem Weg miteinander in Kontakt. Der Blick über die Schulter der Erzeu-ger verdeutlicht Abläufe und besondere Produk-tionsweisen und stärkt die Wertschätzung für heimische Erzeugnisse, besondere und unver-wechselbare Produkte und außergewöhnliche Dienstleitungen.

Das Projekt Das Regionalportal wurde 2014 im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) erstellt und wird seitdem durch das Institut für Ernährungswirtschaft und Märkte (IEM) der LfL weiterentwickelt, gepflegt und betreut. Das Projekt ist eine Kooperation mit dem Cluster Ernährung am Kompe-tenzzentrum für Ernährung (KErn) und der dort betreuten Partnerplattform www.wirt-sucht-bauer.de. Die Agentur für Lebensmittel – Produkte aus Bayern (alp Bayern) begleitet die Plattform mit entsprechenden Werbemaßnahmen, um die Bekanntheit des Angebots auf Verbraucher- und Anbieter-seite zu erhöhen. Viele Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (ÄELF) haben durch Ihre Unterstützung maß-geblich v. a. zum Aufbau des Anbieterstamms in der Platt-form beigetragen.

Seit Start des Angebots haben sich fortlaufend neue An-bieter und Initiativen registriert. Nach einem Jahr waren be-reits 1 000 aktive Anbieter in der Plattform eingetragen. In Zusammenarbeit mit den ÄELF, der Interessengemeinschaft

„Einkaufen auf dem Bauernhof“, dem Verein „Mir Allgäuer – Urlaub auf dem Bauernhof“, dem Regionalmanagement Haß-berge, dem Regionalmanagement Neustadt a. d. Aisch-Bad Windsheim, dem Verein „Bayerische Christbaum anbauer“ und vielen anderen Initiativen konnte die Zahl der Anbieter auf mehr als 2 100 gesteigert werden (Stand: März 2017). Neue Direktvermarkter, regionale Verarbeiter und landwirt-schaftsnahe Dienstleiter werden laufend aufgenommen.

Service, Aufgaben und ZieleDas IEM stellt im Auftrag des StMELF eine kostenlose tech-nische Infrastruktur zur verbraucherorientierten Darstellung von landwirtschaftlichen Anbietern zur Verfügung, leistet te-lefonische Hilfestellung bei der Aufbereitung und Eingabe der Informationen und unterstützt bei Problemen und Fragen.

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→ Bild 1: Bei Bedarf bietet das Administratoren-Team des IEM ergänzende

Vor-Ort-Schulungen auf Ämterebene oder auch für Initiativen an wie hier am AELF

Regen (Foto: Katrin Braun, LfL).

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→ Zentrales Ziel des Portals ist es, einen Überblick über regionale Anbieter zu schaffen und Erzeuger, Verarbeiter, Gastronomen und Verbraucher auf möglichst direktem Weg miteinander in Kontakt zu bringen. Damit soll die Wertschätzung für heimi-sche Erzeugnisse gestärkt werden.

→ Jedem interessierten regionalen Anbieter, Erzeuger, Verarbeiter landwirtschaftlicher Rohstoffe sowie Dienstleister mit Bezug zur Landwirtschaft soll die Aufnahme in das Portal möglich sein. Telefonische Unterstützung, Hilfe bei der Dateneingabe oder Lö-sung von technischen Problemen wird bereitgestellt.

→ Zur Verbesserung der Markttransparenz im Bereich regionaler Erzeugnisse und Dienstleistungen wer-den laufend neue Teilnehmer für die Plattformen gewonnen.

→ Kontinuierliche, technische Optimierungen sind Bestandteil des Aufgabenspektrums, um auch zu-künftig das Benutzererlebnis auf den Internetseiten attraktiv zu gestalten.

→ Die bislang erfolgreiche und zielführende Netzwerk-arbeit mit den ÄELF, Erzeugervereinigungen und wei-teren Interessensverbänden soll erweitert werden.

→ Durch die Bündelung unterschiedlicher regionaler Angebote entstehen attraktive Produktportfolios als „Türöffner“ für noch wenig bekannte Angebote.

→ Wer mit wem? Querverweise zu Partnern und Or-ganisationen zeigen regionale Bezüge auf und verdeutlichen die Produktionsabläufe, auch von Verarbeitungsprodukten. Damit wird sichtbar, mit welchen Landwirten beispielsweise die lokale Gastronomie zusammenarbeitet oder woher die ergänzenden Produkte – neben den eigenen – im Hofladen kommen.

Jedem Anbieter eine eigene ProfilseiteIm Portal können Erzeuger von landwirtschaftlichen, regio-nalen Produkten und Dienstleister im landwirtschaftlichen Bereich ganz individuelle Anbieterprofile präsentieren. Das heißt in der Praxis, jeder Betrieb kann sein Profil eigenhändig und mit wenigen Schritten erstel-len: Registrieren, Texte, Bilder und Verknüpfungen eingeben, freigeben, fertig. Ergebnis ist eine ei-gene, individuelle Profil-Seite mit selbst gewähl-ten Inhalten.

Neben einzelnen Betrieben kann man sich über rund 85  Regionalinitiativen in Bayern in-formieren. Hinter einer Initiative steckt oft eine Vielzahl von gebündelten Einzelbetrieben wie z. B. hinter der Interessengemeinschaft „Urlaub auf dem Bauernhof“. Die Verknüpfung von Initi-ativen mit den beteiligten Betrieben macht die Darstellung von lokalen Netzwerken und Partner-

schaften transparenter. In vielen Regionen gibt es Kontakte unter den Direktvermarktern, z. B. auch durch „Produktkom-binationen“ wie der Biersalami. Solche Interaktionen lassen sich auf www.regionales-bayern.de übersichtlich darstellen.

Regionale Produkte – nichts ist naheliegender Immer mehr Verbraucher wollen wissen, wo und wie ihre Lebensmittel hergestellt werden. Mithilfe regionales-bay-ern.de (Abbildung 2) kann jeder Verbraucher ein regionales Angebot an landwirtschaftlichen Produkten und Dienstleis-tungen seiner Wahl finden: Neben Osterbraten, Weihnachts-gans oder Christbaum auch regionales Heu für die Haustiere, ein Bauernhofcafé für die Radltour-Rast, einen Lamahof für den Kindergeburtstag oder Familienausflug sowie informa-tive Führungen für Schulklassen – alles mit landwirtschaft-lichem Bezug und regionaler Herkunft.

Über die Postleitzahl, eine Produktgruppe oder auch Frei-texteingabe kann sich der Nutzer seinen „Wunsch“-Betrieb suchen, Kontakt aufnehmen, gegebenenfalls Plätze reservie-ren oder spontan beim nächsten Hofladen vorbeischauen … (Abbildung 3)

→ Abbildung 2: Startmaske regionales-bayern.de

→ Abbildung 3: Suchmaschine regionales-bayern.de

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Mit dem Regionalportal unterwegs Nach dem Motto „Tue Gutes und sprich darüber“ war das Team von Regionales Bayern und Wirt-sucht-Bauer die letz-ten beiden Jahre gemeinsam in Bayern unterwegs, um die Bekanntheit der beiden Internetangebote zur erhöhen. Wichtig war dabei der unmittelbare Kontakt zu interessier-ten Verbrauchern und Anbietern wie beispielsweise bei der öffentlichkeitswirksamen Präsentation der beiden Portale auf Ausstellungen und Messen. Im laufenden Jahr ist das Team mit dem „Komm hin, wo’s herkommt“-Flipper (Bild 2) bei folgenden Veranstaltungen vertreten:

→ Regionalkongress „Wertschöpfung mit unseren Lebensmitteln“ in Karlshuld am 20. Mai 2017

→ Bauernmarktmeile in Nürnberg am 11. Juni 2017 → Hoffest im Schmuckhof des StMELF am 22. Juli 2017 → Tag der offenen Tür der LfL in Freising am

17. September 2017 → Bauernmarktmeile in München am

24. September 2017

(G)ackern für mehr AufmerksamkeitEin bekanntes Zitat von Henry Ford lautet: „Enten legen ihre Eier in Stille. Hühner gackern dabei wie verrückt. Was ist die Folge? Alle Welt isst Hühnereier.“

Auch fürs Regionalportal wird seit Bestehen fleißig „ge-gackert“. Mit zahlreichen Werbemaßnahmen wie Anzeigen, Gewinnspielen (Abbildung 4), Give-Aways, Pressemeldun-gen, Blog-Beiträgen, Hofladenprämierungen und redak-tionellen Texten wird das Portal das ganze Jahr über be-worben. Auch Anbieter können aktiv zur Vernetzung und

Bekanntheit beitragen, in-dem sie auf ihrer eigenen Homepage auf www.regio-nales-bayern.de verlinken. Auf Anfrage stellt das IEM gerne entsprechende Ban-ner zur Verfügung.

Regionale HighlightsMit dem Obsthof von An-ton Bauer aus Jarzt bei Fah-renzhausen war im Sommer 2016 die 1 000er-Marke bei den eingetragenen Anbie-tern erreicht. Ein gutes Jahr später konnte mit dem De-meter-Hof Martin Ludwig der 2 000. Anbieter gefeiert werden.

Auf dem ZLF präsentier-ten drei Anbieter aus dem Regionalportal ihren Betrieb

und ihr gesamtes Angebotsspektrum beim „Regionaltag“ live auf der Bühne im Zelt des StMELF.

Am besten schmeckt’s vom Hofladen: Drei Direktver-markterbetriebe aus dem Regionalportal wurden im Maga-zin „Servus“ zu den schönsten Hofläden gekürt. Denn das Beste und Schönste gibt’s bekanntlich ums Eck.

Ausblick: „Nichts ist beständiger als der Wandel!“Dieses Zitat, mal dem Philosophen Heraklit, mal dem For-scher Charles Darwin zugeordnet, passt auch auf die zukünftige Entwicklung des Regionalportals. Nach über drei Jahren Laufzeit wird derzeit die Gestaltung und Nutzer-führung überarbeitet. Voraussichtlich im Sommer 2017 er-scheint die Plattform im neuen Gewand. Parallel dazu startet die Evaluierung beider Portale durch eine Befragung bei Ver-brauchern, Portalnutzern und ÄELF. Einen Besuch der neuen Seite und ein Feedback trägt dazu bei, das Internetangebot auch zukünftig attraktiv zu gestalten und zum Nutzen aller Beteiligten weiter zu entwickeln.

Besonders freut sich das Team über eingereichte Infor-mationen für den neuen Bereich „Drauf g‘schaut“ rund um das Thema Regionalität, Einkaufen vor Ort, besondere Ange-bote und Kooperationen aus dem Bereich Ernährung, Land-wirtschaft und Forsten.

ANKE WEHKING BAYerISCHeS STAATSMINISTerIUM FÜr erNÄHrUNg, LANDwIrTSCHAFT UND FOrSTeN [email protected] BRAUNBAYerISCHe LANDeSANSTALT FÜr LANDwIrTSCHAFTINSTITUT FÜr erNÄHrUNgSwIrTSCHAFT UND MÄ[email protected]

→ Bild 2: Ein Publikumsmagnet für Jung und Alt ist der „Komm hin, wo’s

herkommt“-Flipper, erstmals beim Hoffest des Ministeriums 2016 im

Einsatz (Foto: StMELF).

→ Abbildung 4: Infokarte zum

Gewinnspiel

Mitmachen & Gewinnen beim großen

Regio-Gewinnspiel!1. Preis: Ein hochwertiges City-Bike

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Milch und Pferde im Allgäu – passt das?

von DR. PAUL DOSCH: Das Allgäu steht für Milch- und Käseerzeugung in Bayern. Daher le-ben viele der landwirtschaftlichen Familienbetriebe von und mit der Milch. Kein alltägliches Bild fand Minister Brunner deshalb vor, als er den Pensionspferdebetrieb der Familie Josef und Anja Trautwein in Stöttwang-Reichenbach bei Kaufbeuren besucht hat. Hier wird Vielfalt großgeschrieben, denn der Betrieb setzt gleich auf drei Standbeine: Pensionspferde, Milch-vieh und Energiegewinnung durch Photovoltaik. „Passt hervorragend“, befand der Minister, „dieser Hof ist ein schönes Beispiel dafür, wie man gemäß dem Bayerischen Weg in verschie-dene Richtungen wachsen kann und nicht nur in der Mengenausweitung.“

Mit knapp 60 Milchkühen im Laufstall ist die Milch-viehhaltung nach wie vor ein wichtiges Standbein des Betriebes Trautwein. Parallel dazu wurde im Jahr 2000 auf Initiative der Ehefrau erst-mals in die Pensionspferde-haltung investiert und ein Pferdestall mit sechs Boxen errichtet. „Dass die Leiden-schaft der Frau dahinter steckt, habe ich mir fast ge-dacht“, erklärte der Minis-ter augenzwinkernd. Auch der Ehemann teilt diese Leidenschaft und hat seine Frau von Anfang an unter-stützt. Der Bau der notwen-digen Reithalle hat dem Be-triebsleiter gleichzeitig die Möglichkeit eröffnet, sein „Steckenpferd“, die Erneuer-baren Energien zu einem dritten Standbein für den Betrieb konsequent auszubauen. Die Dachflächen der Gebäude werden für Photovoltaik genutzt.

Box mit Paddock für Freizeit- und SportpferdeMittlerweile verfügt der Betrieb Trautwein über 65 Einstell-plätze und bietet den Einstellern ein vielfältiges Angebot von Gruppenhaltung über Offenstall bis hin zur Einzelbox mit Paddock. Eine Longierhalle, eine Reithalle und verschie-dene Reitplätze im Freien stehen für artgerechte Haltungs-

bedingungen und runden die Gesamtausstattung ab. Bereut haben es die Trautweins nie. Vielmehr ist es ihnen gelungen, das Angebot für die Halter von Freizeit- sowie Sportpfer-den gleichermaßen attraktiv und interessant zu gestalten. Insbesondere die Haltungsform Box mit Paddock und di-rekt angrenzender Koppel ist sehr gefragt und kann nicht von jedem Betrieb angeboten werden. Die Nachfrage nach weiteren Einstellplätzen hat letztlich die Familie Trautwein bewogen, eine maßvolle Erweiterung der Paddockhaltung anzugehen.

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→ Bild 1: Reitlehrerin Bernadette Bonczinski und Pferdebesitzerin Daniela Kioza reiten auf dem Reitplatz der

Pferdepension Trautwein (alle Fotos: Tobias Hase, StMELF).

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→ Bild 2: Landwirtschaftsminister Helmut Brunner (links) und das

Betriebsleiterehepaar Anja und Josef Trautwein mit Pferd Dolly.

Dienstleister sieben Tage die WocheKein Geheimnis ist, dass auch für die erfolgreiche Führung eines Pensionspferdebetriebes eine fundierte fachliche Qua-lifikation Grundvoraussetzung ist. Der Landwirt, seine Fami-lie und seine Angestellten müssen allerdings nicht nur mit Pferden, sondern auch mit Menschen umgehen können und Dienstleister sein – sieben Tage die Woche und 365 Tage im

Jahr. Auf der anderen Seite erwarten die Kunden Wertschät-zung und in besonderer Weise Selbstverwirklichung. Dies erfordert einen freundlichen, aber auch einen bestimmten Umgang mit den Einstellern. Eine Sache, die die Trautweins offenbar gut beherrschen. „Dabei galten wir früher fast als streng katholisch“, lacht Frau Trautwein. Mittlerweile ha-ben die Trautweins die Zügel ein wenig gelockert. Es gelten jedoch nach wie vor verbindliche Regeln für alle Kunden; eine Tatsache, die offensichtlich von den Einstellern sehr ge-schätzt wird.

Milchviehhaltung konsequent extensivAusgangspunkt und Motor für die bisherige Entwicklung war die Milchviehhaltung. Deshalb hält die Familie Traut-wein nach wie vor an ihr fest, wenngleich auch mit angezo-gener Handbremse. Ihr Erfolgsrezept ist dabei ganz einfach: die Milchviehhaltung konsequent auf eine extensive Wirt-schaftsweise umstellen und die Feldarbeit komplett an an-dere landwirtschaftliche Betriebe vergeben. Dass dann der Spagat zwischen Pferd und Kuh gemeistert werden kann, haben die Trautweins eindrucksvoll bewiesen. Der Minister und die Familie Trautwein sind sich einig: „Herzblut gehört schon dazu“!

DR. PAUL DOSCHAMT FÜr erNÄHrUNg, LANDwIrTSCHAFT UND FOrSTeN KAUFBeUreNpaul.dosch@aelf­kf.bayern.de

→ Bild 3: Reitschülerinnen nehmen in der Reithalle Unterricht im

Western-Reiten.

Anja und Josef Trautwein, Stöttwang-Reichenbach, Landkreis Ostallgäu

• Der Familienbetrieb liegt im Allgäu mit einer Durch-schnittstemperatur von 7,5 °C und einem Durch-schnittsniederschlag von über 1000 mm pro Jahr.

• Der Betrieb bewirtschaftet 47 Hektar Dauergrünland, davon stehen rund 11 Hektar unmittelbar an der Hoffläche als Koppel- und Weidefläche zur Verfügung.

• 57 Kühe werden im Laufstall gehalten, das Jungvieh wird abgegeben.

• Für Pensionspferde stehen 65 Einstellplätze in verschiedenen Haltungsformen zur Verfügung, u. a. Einzelboxen mit Paddock und Gruppenhaltung.

• Einsteller können eine Reithalle, eine Longierhalle und verschiedene Reitplätze im Freien nutzen.

• Nutzung der Dachflächen mit einer 320 kW-Photo-voltaikanlage.

Infobox: Betriebssteckbrief Trautwein

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Mit Digitalisierung zu mehr Wissenstransfer Anstoß zu einem Paradigmenwechsel in der landwirtschaftlichen Beratung

von DR. KLAUS FLEISSNER: Wissensaustausch und landwirtschaftliche Beratung haben seit jeher in unterschiedlicher Weise zur Weiterentwicklung unserer Landwirtschaft beigetragen. Sie sind eine Voraussetzung für den Wissenstransfer von der landwirtschaftlichen Forschung in die bäuerliche Praxis. Internet, Smartphones und soziale Netzwerke haben unsere Kom-munikation revolutioniert und können zukünftig auch eine wichtige Rolle bei der Übermitt-lung von Beratungsbotschaften in der Landwirtschaft spielen. Dabei wird es wichtig sein, den „richtigen Ton“ zu treffen d. h. kurze und verständliche Botschaften zu formulieren und von einer vertikalen zu einer horizontalen Kommunikationsebene zu kommen, die auch eine Be-teiligung der Zielgruppe erlaubt.

Seit Jahrtausenden betreibt der Mensch Landwirtschaft und die Landwirtschaft hat sich dabei kontinuierlich weiterent-wickelt. Man fragt sich wie, denn ein landwirtschaftliches Beratungssystem, wie wir es heute in Deutschland und an-derswo haben, gab es vor 1 000 Jahren sicher noch nicht. Trotzdem verbreiteten sich Saatgut, neue Technologien und landwirtschaftliches Wissen. Möglich wurde dies durch ei-nen Erfahrungsaustausch zwischen den Landwirten. Land-besitzer und Landwirte haben ihre Betriebssysteme selbst weiterentwickelt und sich über eine horizontale Wissens- und Kommunikationsebene untereinander ausgetauscht und beraten.

Mit Beratung Wissensebenen verbindenMit Beginn der Agrar-„Forschung“ Mitte des 19. Jahrhun-derts (Liebig, Mendel …) entwickelten sich zwei Ebenen der Wissensfindung und des Wissensaustauschs: Forschung und Praxis. Es gibt zwar ältere Literaturquellen mit landwirt-schaftlichem Bezug – dort geht es aber in der Hauptsache um die Beschreibung und Dokumentation von Pflanzen und Anbaupraktiken und nicht um eine Veröffentlichung von Forschungsergebnissen. Es entstand somit die Notwen-digkeit, eine Verbindung für einen Wissenstransfer zwischen den beiden Wissensebenen zu schaffen, welcher durch die landwirtschaftliche Beratung gewährleistet wurde. Mitte des 20. Jahrhunderts etablierten sich so Pflanzenbau als For-schungsdisziplin und Pflanzenbauberatung als Übermittler von Wissen aus der Forschung in die Praxis. Konzepte für einen optimierten Wissenstransfer wurden zum Thema und sind es bis heute.

Als erstes formales Beratungskonzept und als Motor der „Grünen Revolution“ entwickelte sich Mitte des 20. Jahrhun-

derts der ToT Ansatz (Transfer of Technology = Technologie-transfer). Der Ausgangspunkt ist hierbei die landwirtschaft-liche Forschung, wobei Wissenschaftler landwirtschaftliche Innovationen und Forschungsergebnisse entwickeln und bereitstellen. Die landwirtschaftliche Beratung „verpackt“ die Informationen in Beratungspakete, und landwirtschaft-liche Berater bringen sie zum Landwirt. Der Landwirt ist hierbei Empfänger und Anwender, es herrscht ein linea-rer, einseitiger Informationsfluss vom Wissenschaftler über den Berater zum Landwirt. Für die akademische Elite der Landwirtschaftsforschung Anfang und Mitte des 20. Jahr-hunderts war dies der optimale Ansatz. Warum? Er war ein-fach, geradlinig, hierarchisch und erledigt mit Ablieferung des Beratungspakets. Rückfragen gab es nicht. Die Frage, ob die Technologie in das Betriebssystem des Landwirts und das lokale Produktionssystem passt, wurde nicht ge-stellt und musste deshalb nicht beantwortet werden. Bei einem Misserfolg lag die Schuld immer beim Landwirt, weil dieser die Technologie entweder nicht annahm oder nicht richtig anwendete. Dieses Konzept ist noch immer die vor-herrschende und funktionale Methode im Bereich der in-dustrialisierten Produktionslandwirtschaft, heute z. T. aber mit Feedbackschleifen vom Landwirt zurück zum Berater und Wissenschaftler.

Vor allem in den Ländern des Südens (früher: Entwick-lungsländer) setzte sich dieser Ansatz aber nicht durch, denn die durch die Agroindustrie und die Hochschulen in den Ländern des Nordens (=Industriestaaten) vorangetriebene landwirtschaftliche Forschung und die Entwicklung neuer Technologien entwickelten sich so überproportional schnel-ler wie die durch limitierte Ressourcen fast statischen Be-triebssysteme der Subsistenzlandwirte in den Ländern des

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Südens, dass die diesen Entwicklungen nicht folgen konn-ten. Der Graben zwischen Forschung und Praxis wurde für die Beratung dort oft unüberwindbar. Hier fand ein erster Paradigmenwechsel in der landwirtschaftlichen Beratung statt.

Das Für und Wider partizipativer AnsätzePartizipative Ansätze gaben Landwirten eine Stimme bei der Forschung und der Weiterentwicklung ihrer Produktions-systeme. Sie „zwangen“ Wissenschaftler Landwirten zuzu-hören, um die realen landwirtschaftlichen Betriebssysteme besser zu verstehen und bei ihrer Arbeit in Betracht zu neh-men. So wurde versucht, den Graben zwischen Wissenschaft und Praxis zu überbücken. Es gibt verschiedene partizipa-tive Konzepte, die bis heute in der landwirtschaftlichen Forschung und Beratung in den Ländern des Südens eine Anwendung finden, in der einen oder anderen Form und oft unter einem anderen Namen, aber auch in den Ländern des Nordens (z. B. Participatory Plant Breeding: Partizipative Pflanzenzüchtung). Die Vorteile solcher Forschungs- und Beratungskonzepte sind, dass sie durch Multidisziplinari-tät und Partizipation zielgruppen- und betriebssystem-ori-entiert sind. Sie werden dadurch konkret und fassbar und von Wissenschaftlern, Beratern und Landwirten gemein-sam miter-/gelebt. Durch kurze Feedbackschleifen entsteht ein Erfolgsgefühl bei allen Beteiligten und es gibt punktu-ell Fortschritte. Diesem stehen aber auch einige Nachteile gegenüber. Partizipative Ansätze sind aufwendig, ressour-cenintensiv und teuer, sie haben eine geringe Multiplika-tionswirkung und nur eine begrenzte Tauglichkeit für die

einkommens- und produktionsorientierte Landwirtschaft. Durch den bottom-up Ansatz kann es zu einem gefühlten Kontrollverlust staatlicher und wissenschaftlicher Institu-tionen kommen. Außerdem gestaltet sich die Umsetzung der Ergebnisse in nationale Beratungsstrategien schwierig. Nichtsdestotrotz haben partizipative und multi-/interdiszi-plinäre Ansätze die landwirtschaftliche Forschung und Bera-tung nachhaltig verändert und stellen auch heute noch den Schlüssel für praxisorientierte Forschung und Beratung und einen nachhaltigen Wissenstransfer dar.

Fokus auf lokale SystemeSystemorientierung ist ein weiteres Paradigma, das in den 1970er Jahren entwickelt und im Rahmen der partizipativen Konzepte ständig erweitert wurde. Heute rücken die beste-henden lokalen Systeme, in denen die landwirtschaftlichen Betriebe eingebettet sind, in den Fokus. Lokale Systeme müssen bei der modernen landwirtschaftlichen Forschung und Beratung und beim Wissenstransfer berücksichtigt und mit einbezogen werden. Der Fokus auf lokale Systeme ist nö-tig, weil das Erreichen und Aufrechterhalten jeglichen Wis-senstransfers und der damit verbundenen Forschungs- und Beratungserfolge von der Mitwirkung der verschiedenen und mit einander verbundenen Akteure abhängt. Die Ver-besserung der Leistungsfähigkeit eines einzelnen Akteurs oder die Stärkung einer einzigen Beziehung reicht für eine nachhaltige Veränderung nicht aus. Der Fokus muss auf dem System als Ganzes liegen, all seinen Akteuren, ihren Bezie-hungen und den Anreizen, die sie motivieren und antreiben. Nachhaltige Beratungswirkungen werden nur durch eine Steigerung der Kapazitäten aller beteiligten Akteure und der Effizienz ihrer Zusammenarbeit erzielt. Das Aufrecht-erhalten des Erreichten wiederum hängt von der Nachhal-tigkeit des lokalen Systems ab, im speziellen von seiner in-ternen Widerstandsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit, die es seinen Akteuren und ihren Wechselbeziehungen erlaubt Rückschläge und Misserfolge zu kompensieren und sich veränderten Rahmenbedingungen anzupassen. Die United States Agency for International Development (USAID) hat die folgenden zehn einfachen und praktischen Regeln für die Einbeziehung lokaler Systeme für den Wissenstransfer aufgestellt. Sie enthalten die drei Grundprinzipien einer mo-dernen Beratung: Partizipation, Multi-/Interdisziplinarität, Systemorientierung. Die Regeln sollen helfen, eine Vision von Fortschritt zu realisieren, der auf lokaler Ebene (bei den Zielgruppen) akzeptiert und angenommen, angeführt und aufrechterhalten wird (siehe Infobox).

Internet und soziale Netzwerke als neue Pardigmen Die größte Herausforderung für die moderne Landwirt-schaftsberatung besteht aber weiterhin im Out- und

1. Die Existenz lokaler Systeme anerkennen.2. Lokale Systeme auf allen Ebenen einbeziehen

(= Partizipation).3. Die gesammelte Kompetenz von Forschung und

Beratung nutzen (= Multi-/Interdisziplinarität).4. Das lokale Wissen sammeln und nutzen.5. Lokale Systeme beschreiben und kartieren.6. Interventionen ganzheitlich entwerfen

(= Systemorientierung).7. Verantwortlichkeit sicherstellen.8. Flexibilität einbauen.9. Prozessbegleitung mit einbeziehen.10. Nachhaltigkeit beobachten und evaluieren.

United States Agency for International Development (USAID)

Infobox: Zehn Regeln zur Einbeziehung lokaler Systeme beim Wissenstransfer

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56 SUB 5-6/2017

UNTerNeHMeNSFÜHrUNg

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Up-Scaling, der Verbreitungs- und Multiplikationswirkung von Wissen. Hier findet im Augenblick ein weiterer Para-digmenwechsel statt. ICT (Internet und Kommunikations-technologie) wird dabei mehr und mehr zum Medium der landwirtschaftlichen Beratung. In Deutschland macht das Schlagwort „Digitalisierung der Landwirtschaft“ die Runde, die man in diesem Zusammenhang jedoch nicht nur als den Einsatz von Bordcomputern in den Traktoren verste-hen sollte. Fast jeder hat heute Zugang zu mobiler Telefonie, viele Landwirte besitzen zuhause Computer und Internetzu-gang und können somit direkt über ICT angesprochen wer-den. Durch den Einsatz von ICT kann sich die moderne Land-wirtschaftsberatung wieder am erfolgreichen traditionellen Wissensaustausch über die horizontale Wissens- und Kom-munikationsebene orientieren. Die Herausforderung an die Wissenschaft ist es nun, ihre Ergebnisse nicht nur ausführ-lich in der Fachliteratur zu publizieren, sondern diese auch in kompakten, leicht verständlichen Schlüsselbotschaften zusammenzufassen, die durch Apps, die sozialen Netzwerke

oder Nachrichtendienste wie Twitter schnell ihre Zielgruppe erreichen und innerhalb dieser ausgetauscht werden kön-nen.

Weiterführende Literatur:GESELLSCHAFT FÜR INTERNATIONALE ZUSAMMENARBEIT,

Use of ICT for Agriculture in GIZ projects – Status quo, opportunities and challenges, Bonn/Eschborn, 2016

UNITED STATES AGENCY FOR INTERNATIONAL DEVELOP-MENT, Local Systems – A framework for supporting sustained development, Washington, 2014

DR. KLAUS FLEISSNER BAYrISCHe LANDeSANSTALT FÜr LANDwIrTSCHAFTINSTITUT FÜr PLANZeNBAU UND PFLANZeNZÜ[email protected]

Gewusst wie: QR-Codes im Unterricht

QR-Code ist ein zweidimensionaler Code, der mit geeigneten Anwendungen (QR-Code Readern) von Mobilgeräten gelesen werden kann. In den Codes können Text, Geodaten, und Internetadressen verschlüsselt werden. Die QR-Codes können z. B. auf www.goqr.me schnell erstellt, heruntergeladen und in die Textverarbeitung eingefügt werden.

Voraussetzungen für den EinsatzDie Studierenden müssen ein Smartphone oder Tablet mit einer QR-Code-Anwendung installiert ha-ben. Bei vielen Anwendungen ist der Zugriff auf das Internet über WLAN oder mobile Daten erforderlich.

Selbstgesteuertes Lernen mit verschlüsselten TextenIn Übungsstunden können die Studieren-den mit QR-Codes ihre Arbeitsergebnisse selbstständig kontrollieren und verbes-sern. Die Entschlüsselung von Texten ist ohne Internetverbindung möglich.

• Formulieren Sie eine Frage, die von den Studierenden beantwortet werden soll.

• Erstellen Sie einen QR-Code mit der Lösung.

• Formulieren Sie einen Hinweis zur Lösung = Hilfe 1, even-tuell auch noch eine Hilfe 2.

Einfaches Beispiel:1. Ein Weg hat ein Gefälle von sechs Prozent.

Berechnen Sie den Höhenunterschied auf einer Strecke 16,65 Metern?

Hilfe 1: Hilfe 2:

2. Lösung:

Durch die Angabe der Hilfen kommen auch schwächere Studierende zur Lösung. Wenn die Fragestellungen im Schwie-rigkeitsgrad steigen, können sich Ler-nende selbstgesteuert verbessern.

Weitere EinsatzmöglichkeitenDas Prinzip der Fragen mit verschlüs-selten Antworten und Lösungshinwei-sen eignet sich auch für Veranstaltungen mit Publikumsverkehr, z. B. Ausstel-lungen, Tag der Offenen Tür, usw.

Peter Weyman, FüAk

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ENER

GIE

Lebensmittelverschwendung ist auch EnergieverschwendungEnergetische Bewertung der Lebensmittelverluste

von IRMA HÄBERLE: Lebensmittelverlust ist eine Thematik, die vielseitig diskutiert wird. Das bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten förderte deshalb ein Projekt, welches das Energiepotenzial in den weggeworfenen Lebensmitteln aufzeigt. Gleichzeitig wurde untersucht, wie die Lebensmittelverschwendung durch unterschiedliche Ansätze verringert werden kann. Ansatzpunkte dafür sind verschiedene Verpackungen oder eine verbesserte Prognose im Lebensmitteleinzelhandel.

In Bayern werden jährlich 1,3 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen, was 73 000 vollbeladenen LKWs entspricht. Wird die Energie betrachtet, die in den Lebensmitteln durch die Erzeugung und Verarbeitung steckt, so werden durch die Lebensmittelverluste jährlich 4 000 Gigawattstunden an Primärenergie verschwendet. Das ist so viel, wie die Städte Würzburg, Fürth und Erlangen mit ihren insgesamt 330 000 Einwohnern in einem Jahr an Energie verbrauchen.

Seit 2012 steht das Thema Reduzierung von Lebensmittel-verschwendung auf der Agenda des Bayerischen Staatsminis-teriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF). Die erste vom Ministerium geförderte Studie befasste sich mit der strukturierten Erfassung der Verluste über die gesamte Lebensmittelwertschöpfungskette – von der Landwirtschaft, über die Verarbeitung und den Handel bis hin zu den Endkon-sumenten, unterteilt in Privathaushalte und Außer-Haus-Ver-pflegung. Dabei zeigte sich, dass die Privathaushalte mit Ab-stand die meisten Lebensmittel verschwenden.

Die Erzeugung von Lebensmitteln ist mit viel Arbeit und einem hohen Einsatz an Rohstoffen verbunden. Die einzel-nen Produktionsschritte benötigen alle den Einsatz von Energie. Um zu verstehen, welches primärenergetische Po-tenzial in den entstehenden Lebensmittelverlusten steckt, wurde ein Folgeprojekt initiiert, das sich genau mit dieser Fragestellung auseinandersetzte. Gleichzeitig stellten sich die Projektpartner die Frage, wo eine Reduzierung von Le-bensmittelverlusten aus energetischer Sicht am meisten Sinn macht. Dabei wurden schon die ersten Ansätze auf ihre Wirksamkeit bezüglich der Verringerung von Lebensmittel-verschwendung untersucht.

Energetische Bewertung der LebensmittelverlusteDas Institut für Siedlungswasserbau, Wassergüte und Ab-fallwirtschaft (ISWA) der Universität Stuttgart übernahm die Aufgabe, die von ihnen vorab ermittelten Lebensmittelver-luste in energetischer Hinsicht zu bewerten.

Wie erwartet nimmt das energetische Einsparpotenzial im Verhältnis zu den vermeidbaren Lebensmittelverlusten ent-lang der Wertschöpfungskette immer mehr zu (Abbildung 1). Das hohe Potenzial im Konsumbereich (Haushalte bzw. Au-ßer-Haus-Verpflegung) hängt unter anderem mit der Energie zusammen, die den Lebensmitteln durch Transport, Lage-rung und Zubereitung zusätzlich zugeführt wird.

Betrachtet man das primärenergetische Einsparpoten-zial bezüglich der Energie, die in einem Kilogramm Lebens-mittelverlust steckt, so entstehen in Einrichtungen der Au-ßer-Haus-Verpflegung die größten energetischen Verluste (Abbildung 2). Das liegt daran, dass in der Außer-Haus-Ver-pflegung viele Speisen erst nach dem Kochvorgang entsorgt werden. Buffetreste verzeichnen hierbei besonders hohe Energieeinträge, da diese in der Regel noch zusätzlich warm gehalten werden. Hinzu kommt ein oftmals hoher Fleischan-teil im Speisenangebot, bzw. in den entsorgten Lebensmit-telabfällen (Abbildung 3).

eNergIe

→ Abbildung 1: Lebensmittelverluste und primärenergetische Einspar-

potenziale in Bayern – Bezugsjahr 2011 [HAFNER, ET AL. (2016)]

Abbildung: Lebensmittelverluste und primärenergetische Einsparpotenziale in Bayern - Bezugsjahr 2011

Abbildung: Primärenergetisches Einsparpotenzial pro Kilogramm Lebensmittelverlust

 0

1 000

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600 000

Land‐wirtschaft

Lebensmittel‐verarbeitung

Lebensmittel‐handel

Haushalte Außer‐HausVerpflegung

Prim

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ergetisches Einsparpo

tenzial [TJ/a]

Verm

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are Lebe

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ste [t/a]

Primärenergetisches Einsparpotenzial durch vermeidbare Lebensmittelverluste entlang der Wertschöpfungskette in Bayern

Vermeidbare Lebensmittelverluste 2011 [t/a]Primärenergetisches Einsparpotenzial durch Vermeidung von Lebensmittelverlusten 2011 [TJ/a]

3  

9  

10  

12  

22  

0 5 10 15 20 25

Landwirtschaft

Lebensmittelverarbeitung

Lebensmittelhandel

Haushalte

Außer‐Haus‐Verpflegung

Primärenergetisches Einsparpotenzial [MJ/kg]

Primärenergetisches Einsparpotenzial pro Kilogramm Lebensmittelverlust [MJ/kg]

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ENER

GIE

In der Außer-Haus-Verpflegung gibt es zudem – im Ge-gensatz zur Landwirtschaft, Produktion und Handel – die Be-sonderheit, dass sich die Abfallzusammensetzung mitunter deutlich unterscheidet und damit auch das einhergehende primärenergetische Einsparpotenzial. So ist der Energiever-lust pro Kilogramm Lebensmittelabfall z. B. in Alten- und Pflegeheimen deutlich höher als in Hochschulkantinen, in der Betriebsgastronomie oder im Beherbergungsgewerbe.

Aktive Verpackungen vermeiden VerlusteBei Lebensmitteln werden die Qualität und die Haltbarkeit durch chemische, physikalische und biologische Vorgänge beeinflusst. Sind die Lebensmittel nicht optimal verpackt, führt das zu beschleunigtem Verderb im Handel bzw. beim Verbraucher und damit zu einer Zunahme der Lebensmit-telabfälle. Damit verbunden sind immense Energieverluste. Durch produktspezifische Verpackungskonzepte kann die Produktqualität länger erhalten bleiben.

Im Rahmen des Projektes „Potenziale zur Ener-gieeinsparung durch Vermeidung von Lebensmit-telverschwendung“ untersuchte das Fraunho-fer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung anhand der Produktgruppen Kochschinken und Champignons aktive Verpackungssysteme hin-sichtlich ihrer Auswirkung auf die Qualität und damit die Haltbarkeit.

Dabei lagerte das Forschungsteam abgepack-ten Kochschinken unter verschiedenen Bedin-gungen mit und ohne Sauerstoffabsorber (Sau-erstoff-Scavenger). Sie binden den Sauerstoff in der Verpackung. Die Produkte wurden anschlie-ßend hinsichtlich der Sauerstoffkonzentration in der Verpackung, sensorischer Merkmale (rote

Farbe, Aussehen, Geruch, Geschmack), pH-Wert während der Lagerdauer sowie mikrobiologischer Qualität beurteilt. Die oberen Kochschinken in Abbildung 4 (oben/links und oben/rechts) wurden in Standardverpackungen gelagert. Sie zeigen im Gegensatz zu den unteren Beispielen, die mit Sauerstoffabsorber gelagert wurden, eine deutliche Farb-veränderung ins gräuliche.

Insgesamt konnte durch den Einsatz des Sauerstoffab-sorbers bei Kochschinken eine signifikante Veränderung der Produktqualität um etwa vier Tage hinausgezögert werden. Dies entspricht ca. 20 Prozent bezogen auf das Mindest-haltbarkeitsdatum (MHD) des Herstellers. Die zeitlich ver-längerte Produktqualität kann einen positiven Einfluss auf die Lebensmittelabfälle in den Privathaushalten haben. Im Lebensmitteleinzelhandel reicht das derzeitige MHD aus, um kaum Verluste entstehen zu lassen.

Bei Champignons wurden feuchteregulierende Verpa-ckungen getestet. Für die Tiefziehschalen wurden Poly-

meren mit Kochsalz zur Feuchteregulierung ge-mischt, zu Folien extrudiert und anschießend zu Schalen geformt. So ließ sich die überschüssige Feuchte in der Verpackung binden und die Ober-fläche aktiv von Kondenswasser befreien, Da-durch sollte die Entstehung von Braunfärbungen auf den Champignons verhindert bzw. verzögert werden. Zur Beurteilung der Produktqualität wur-den die Gaszusammensetzung im Kopfraum der Schalen, Farbveränderungen, sensorische Merk-male, die Kondenswasserbildung sowie ein Ge-wichtsverlust der Champignons betrachtet. Im Vergleich zu Referenzschalen ergab sich, dass die feuchteregulierende Verpackung mit Salz der Kondenswasserbildung entgegenwirkt. Die farb-liche Veränderung wurde um etwa zwei Tage ver-zögert. Aufgrund der kurzen Haltbarkeit der Pilze bedeuten zwei Tage längere Produktstabilität ei-nen deutlichen Logistik- und Verkaufsvorteil.

→ Abbildung 3: Lebensmittelverluste und primärenergetische Einsparpotenziale in der

bayerischen Außer-Haus-Verpflegung – Bezugsjahr 2011 [HAFNER, ET AL. (2016)]

Abbildung: Lebensmittelverluste und primärenergetische Einsparpotenziale in der bayerischen Außer-Haus-Verpflegung - Bezugsjahr 2011

 0  200  400  600  800 1 000 1 200 1 400 1 600

 0 20 000 40 000 60 000 80 000 100 000 120 000 140 000 160 000

Gemüse und Obst

Fleisch

Milchprodukte

Backwaren

Speisereste

Teigwaren

Sonstiges

Reis

Fisch

Primärenergetisches Einsparpotenzial [TJ/a]

Vermeidbare Lebensmittelverluste [t/a]

Primärenergetisches Einsparpotenzial durch vermeidbare Lebensmittelverluste in der bayerischen Außer‐Haus‐Verpflegung

Primärenergetisches Einsparpotenzial durch Vermeidung von Lebensmittelverlusten 2011 [TJ/a] Vermeidbare Lebensmittelverluste 2011 [t/a]

→ Abbildung 2: Primärenergetisches Einsparpotenzial pro Kilogramm Lebensmittel-

verlust [HAFNER, ET AL. (2016)]

Abbildung: Lebensmittelverluste und primärenergetische Einsparpotenziale in Bayern - Bezugsjahr 2011

Abbildung: Primärenergetisches Einsparpotenzial pro Kilogramm Lebensmittelverlust

0

1.000

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6.000

7.000

0

100.000

200.000

300.000

400.000

500.000

600.000

Land‐wirtschaft

Lebensmittel‐verarbeitung

Lebensmittel‐handel

Haushalte Außer‐HausVerpflegung

Prim

ären

ergetisches Einsparpo

tenzial [TJ/a]

Verm

eidb

are Lebe

nsmittelverlu

ste [M

g/a]

Primärenergetisches Einsparpotenzial durch vermeidbare Lebensmittelverluste entlang der Wertschöpfungskette in Bayern

Vermeidbare Lebensmittelverluste 2011 [Mg/a]Primärenergetisches Einsparpotenzial durch Vermeidung von Lebensmittelverlusten 2011 [TJ/a]

3   

9   

10   

12   

22   

0 5 10 15 20 25

Landwirtschaft

Lebensmittelverarbeitung

Lebensmittelhandel

Haushalte

Außer‐Haus‐Verpflegung

Primärenergetisches Einsparpotenzial [MJ/kg]

Primärenergetisches Einsparpotenzial pro Kilogramm Lebensmittelverlust [MJ/kg]

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GIE

Intelligente Warenprognose- und Disposi-tionssysteme (iPDS)Wissenschaftler der Technischen Hochschule Deggendorf (THD) entwickelten zur selben Zeit ein intelligentes Prognose- und Dispositionssys-tem (iPDS), um die Lebensmittelverluste im Han-del zu reduzieren. Mit Hilfe dieses am Technologie Campus Grafenau entwickelten Systems, das dem Handel in Form einer Filialleiter-App zur Verfü-gung gestellt wurde, hat man für bestimmte Pro-dukte im Bereich der Frischwaren eine deutlich verbesserte Bestellung beobachten können, was zu einer Verringerung der Wegwerfware führte.

Nach Einsatz des iPDS konnte eine filialspe-zifische Reduzierung der Champignonverluste um durchschnittlich 3,2 Prozentpunkte erreicht werden. Da diese Werte z. B. aufgrund unterschiedlicher Ab-verkaufszahlen in den einzelnen Filialen abweichen, sind weitere Tests erforderlich, um das Einsparpotenzial verall-gemeinern zu können. 3,2 Prozentpunkte entsprechen bei einem durchschnittlichen Verlust an Champignons von 550 Kilogramm pro Jahr einer Einsparung an Food Waste um ca. 207 Kilogramm jährlich in den fünf Filialen.

SchlussfolgerungDa Lebensmittel in der Außer-Haus-Verpflegung eine hohe „energetische Aufladung“ haben, besteht hier besonderer Handlungsbedarf bei der Verringerung der Lebensmittel-verschwendung. Dieser Ansatz wird neben anderen in dem

Projekt „Energieeffiziente Küche“ (ENKÜ) in fünf bayerischen Großküchen der Betriebsgastronomie und Schulverpflegung verfolgt. In ENKÜ, einem ebenfalls vom StMELF geförderten Projekt, wird die Energieeffizienz in den beteiligten Pilotkü-chen auf unterschiedlichen Ebenen untersucht und optimiert. Dabei spielt auch die verbesserte Prognose wieder eine wich-tige Rolle – dieses Mal in der Vorhersage der zu erwartenden Essensteilnehmer und deren Konsumverhalten. Schließlich ist schon die Vermeidung einer Überproduktion die beste Stra-tegie, um Lebensmittelverschwendung vorzubeugen. Im fol-genden Heft gibt es detailliertere Informationen über das Pro-jekt ENKÜ, das im August 2016 an den Start ging.

LiteraturAHRENS, D., FERNANDES, M. (2015): Potenziale zur Ener-

gieeinsparung durch Vermeidung von Lebensmittel-verschwendung. Abschlussbericht. Technische Hoch-schule Deggendorf, Technologie Campus Grafenau.

HAFNER, G., LEVERENZ, D., PILSL, P. (2016): Potenziale zur Energieeinsparung durch Vermeidung von Lebens-mittelverschwendung. Endbericht. Universität Stutt-gart, Institut für Siedlungswasserbau, Wassergüte- und Abfallwirtschaft (ISWA).

HAFNER, GEROLD, ET AL. (2014): Lebensmittelverluste und Wegwerfraten im Freistaat Bayern. Stuttgart : Kompe-tenzzentrum für Ernährung (KErn) Bayern.

MURANYI P., GIBIS, D. (2015): Potenziale zur Energieein-sparung durch Vermeidung von Lebensmittelver-schwendung. Optimierungspotenziale durch aktive Verpackungen. Schlussbericht. Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung, Freising.

IRMA HÄBERLEKOMPeTeNZZeNTrUM FÜr erNÄ[email protected]

→ Abbildung 4: Fotodokumentation von Kochschinken bei 5 °C für 18

Tage gelagert oben ohne und unten mit Sauerstoffabsorber: Oben

zeigt sich eine deutlich Verfärbung ins Gräuliche (siehe Markierung)

(Foto: Dr. Peter Muranyi)

→ Abbildung 5: Die Filialleiter-App (Quelle: TCG)

Output:Bestellvorschlag

Input:Restbestand

LieferzyklusMHDGebindegrößeSicherheitsbestandServicelevelPrognose…

Algorithmus

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ENER

GIE

Sorghum-Anbau unter extremen Witterungsbedingungen Vergleich der Jahre 2015 und 2016

von DR. MAENDY FRITZ: Sorghumhirsen werden in Bayern als Biogassubstrat genutzt. Dabei sind die Futtersorten (Sorghum bicolor) mit Wuchshöhen bis über vier Meter am ertragsreichs-ten, aber eher spätreifend und lageranfällig. Hybriden (S. bicolor x S. sudanense) reifen gene-rell früher ab. Die niedrigen Körnersorten (auch S. bicolor) sind optimal für den Drusch, haben dadurch aber auch ein geringeres Biomasse-Ertragspotenzial. Trockentoleranz und Wärme-bedürftigkeit sind für alle Sorghumsorten typische Eigenschaften. Im Folgenden werden die sehr unterschiedlichen Anbaujahre 2015 und 2016 und deren Einfluss auf die Sorghum-erträge vorgestellt.

Seit 2006 wird vom Technologie- und Förderzentrum (TFZ) in Straubing ein jährliches Sorghum-Sortenscreening durchgeführt. In den Anfangsjahren wurden teilweise über 270 weltweit gesammelte Sorghumsorten getestet, um die Anbaueignung von Sorghum unter bayerischen Standort-bedingungen zu prüfen. In den letzten Jahren stand jährlich ein Sortiment von etwa 45 in Deutschland erhältlichen Sor-ten sowie einige ausgewählte Neuzüchtungen im Versuch, über die Züchtungsfortschritte abgebildet werden sol-len. Das Sorghum-Sortenscreening dient den bayerischen Landwirten als Entscheidungshilfe für die Sortenwahl.

VersuchsaufbauDas Sortenscreening bestand aus getrennten Blockanlagen für die Typen Futtersorghum, Körnersorghum und Sorg-humhybriden sowie den Maisreferenzen. Die einzige im Versuch enthaltene Perlhirse-Sorte (Pennisetum glaucum) wurde im Körnersorghum-Block eingeordnet. Als Vergleich dienten die zum optimalen Maistermin gesäten, spätreifen-den Maissorten Atletas und Fernandez sowie die parallel zur Sorghumaussaat etablierten frühreifenden Maissorten Fabregas und Monty. Jede Sorte wurde in Doppelparzellen

in vierfacher Wiederholung angebaut, die Reihenweite be-trug für Mais 75 cm, für alle Sorghumtypen 37,5 cm sowie für die Perlhirse 14,5 cm. Die Beerntung der Kernreihen mit einem reihenunabhängigen Parzellenhäcksler mit Probe-nahmeeinheit umfasste jeweils eine Fläche von 10,5 (2015) bzw. 10,8 m² (2016).

Die Versuche standen auf Parabraunerde aus Lösslehm mit Ackerzahl 72 bis 76 im Straubinger Gäuboden jeweils nach Vorfrucht Winterweizen. Die Unkrautbekämpfung er-folgte standardmäßig mit 1,5 l/ha Certrol B ab BBCH 13 und händischer Beseitigung von Unkrauthirsen (Einsatz von S-Metachlor- und Terbuthylazin-haltigen Mitteln im Wasser-schutzgebiet Straubing nicht zulässig). Die Stickstoffdün-gung (N) erfolgte stets mit Kalkammonsalpeter (KAS) auf einen Sollwert von 130 kg N/ha für Sorghum und Perlhirse und 180 kg N/ha für Mais. Tabelle 1 enthält die Anbaudaten für die Jahre 2015 und 2016.

Die Zielparameter des Sortenscreenings waren der Tro-ckenmasseertrag (TM-Ertrag) und der Trockensubstanz-gehalt (TS-Gehalt). Außerdem wurde der Feldaufgang be-stimmt, wöchentlich das Entwicklungsstadium (BBCH-Skala) ermittelt und das Datum des Rispenschiebens und des

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→ Tabelle 1: Anbauparameter für das Sortenscreening 2015 und 2016

Art und Typ Saatstärke in kf. Kö/m²

Anzahl Geno- typen 2015

Anzahl Geno- typen 2016

Anbauzeitraum 2015

Anbauzeitraum 2016

S. bicolor Futter 20 21 22 27.05. – 28.09.15 27.05. – 28.09.16

S. bicolor Körner 35 12 13 27.05. – 17.09.15 27.05. – 27.09.16

S. bicolor x S. sudanense 40 9 8 27.05. – 21.09.15 27.05. – 26.09.16

P. glaucum 80 1 1 27.05. – 17.09.15 27.05. – 27.09.16

Mais spätreif 10 2 2 22.04. – 28.09.15 29.04. – 27.09.16

Mais frühreif 10 2 2 27.05. – 28.09.15 27.05. – 27.09.16

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Blühbeginns erfasst. Zur Ernte wurden die Pflanzenlänge ge-messen und Abschlussbonituren zu Entwicklungsstadium, Lager sowie Mängeln bei deren Auftreten durchgeführt.

Jahreswitterung 2015 und 2016Das Jahr 2015 war seit Jahresbeginn trocken, bereits bis Ende April fehlten über 90 mm Niederschlagswasser im Ver-gleich zum langjährigen Mittel (siehe Tabelle 2). Der Feld-aufgang verlief aufgrund der warm-trockenen Witterung schleppend, doch die Nachaufläufer sorgten für dichte und ausreichend gleichmä-ßige Sorghumbestände. Die Hauptwachstumsphase war mit hohen Temperaturen ausgesprochen günstig für Sorghum. Dank des tiefgrün-digen Lössbodens in Strau-bing überstanden die Sorg-humpflanzen die extrem trockene Phase mit perma-nent negativer Wasserbilanz ohne gravierende Anzeichen von Trockenstress. Die sehr hohe Sonneneinstrahlung wurde in beeindruckender Ertragsleistung und guter Abreife umgesetzt. Dahin-gegen zeigte der Mais den Wassermangel durch Blatt-rollen deutlich an. Ab Mitte

September wurden die weiterhin trockenen Bedingungen für die Beerntung der Versuche genutzt.

2016 startete mit einem sehr milden Winter. Direkt nach der Saat kam es am 29. Mai zu einem extremen Nieder-schlagsereignis mit Hagel, das auf dem Lössboden zu star-ker Verschlämmung und nachfolgender Staunässe im Ver-suchsfeld führte. Da die Witterung stetig feucht blieb (siehe Tabelle 2), war der Feldaufgang trotzdem hoch und gleich-mäßig. Im Juni und Juli regnete es in kurzen, regelmäßigen Abständen. Bereits Ende Juli wurde an einzelnen Futter- und

→ Tabelle 2: Witterungsdaten 2015 und 2016, Station Piering, Daten des agrarmeteorologischen Messnetzes der Bayerischen Landesanstalt für

Landwirtschaft

Monat Langjährig Durchschnitts -

temperatur

Langjährige Niederschlag-

summe

Abweichung Durchschnitts-

temperatur 2015

Abweichung Niederschlag

2015

Abweichung Durchschnitts-

temperatur 2016

Abweichung Niederschlag

2016

Einheit °C mm K mm K mm

Jan. –2,7 57,0 3,8 –5,5 2,3 6,1

Feb. –0,3 47,1 –0,7 –39,8 4,0 11,0

März 3,9 50,0 1,4 –16,8 0,5 –16,7

April 8,5 50,9 0,3 –29,8 0,3 –26,7

Mai 13,3 76,3 0,1 5,0 0,4 6,6

Juni 16,5 91,2 0,7 –8,8 0,8 43,1

Juli 18,1 85,3 2,9 –37,9 1,1 4,0

Aug. 17,5 86,3 3,7 –21,1 0,9 –15,8

Sept. 13,9 64,3 –0,2 –38,9 2,8 24,9

Okt. 8,4 54,0 –0,3 –7,4 –0,1 –14,6

Nov. 3,2 59,7 2,8 3,5 –0,1 8,2

Dez. –0,5 61,6 4,1 –43,5 0,1 –54,0

→ Abbildung 1: Trockenmasseerträge und Trockensubstanzgehalte der im Sortenscreening 2015 in Straubing

geprüften Sorten und Stämme

0 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 44%0

140150160170180190200210220230

250dt/ha

KWS Santos

JLU Gießen 04

SB0115

KSH 3719

KWS Tarzan

AmiggoKWS Titus

KWS Merlin

JLU Gießen 03

PR 817 F

PR 823 F

KWS Hannibal

NS 201Zeus

HerkulesAristos

KSH 3724

RGT Gguepard

Joggy

GW600 BMR

SBF001

GK Emese

Sweet Susana

Farmsugro 180

GW 9417GW 9460

Sweet Caroline

Vegga

Silo Pro Dwarf BMR

ASM-21-09-14ASM-4-11-14

ASM-5-11-14Lussi

Gardavan

KWS SoleKWS Freya

KWS Sammos

Sweet Six BMR

Sweet Bites

SBS001

Sweet Forever BMR

Fernandez

Atletas

Monty

Fabregas

Troc

kenm

asse

ertra

g

Trockensubstanzgehalt

S. bicolor (Futter) S. bicolor (Körner) S. bic. x S. sud. Mais spätreif Mais frühreif P. glaucum

ADR 500Super Massa

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62 SUB 5-6/2017

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Hybridsorten Lager beobachtet, die Pflanzen richteten sich nach einigen warmen Tagen aber wieder auf. Ab Mitte Au-gust war das Wetter dann trocken-heiß, was der Biomasse-produktion und Abreife zugutekam. Auf weniger tiefgrün-digen Standorten führte diese Trockenheit in Kombination mit den aufgrund der stetig feuchten Witterung zu Beginn nur ungenügend ausgebildeten Wurzeln zu massivem Tro-ckenstress und schnellem Anstieg der Trockensubstanzge-halte (TS). Ein Starkregenereignis im September führte lei-der zu massivem Lager bei den Futtersorten, den Hybriden

und sogar einzelnen Körnersorten. Eine parzellenweise Beerntung in Lagerrich-tung war durch Anordnung der Versu-che in Hauptwind richtung möglich, führte bei stark lagernde Sorten aber zu Ernteverlusten, die sich in den ge-ringen Erträgen an Trockenmasse (TM) widerspiegeln.

Ertragsergebnisse in beiden Jahren im VergleichUnter den günstigen Bedingungen in 2015 wurden im Futtersorghum-Sor-timent sehr hohe TM-Erträge erreicht (siehe Abbildung 1), die durchaus an das Ertragsniveau des deutlich früher gesäten Maises heranreichten. KWS Tarzan, KWS Merlin, Amiggo und KWS Titus sind als diejenigen Sorten hervor-zuheben, die TS-Gehalte deutlich über 28 Prozent erzielten, welche als Mini-

mum für eine verlustarme Silierung angestrebt werden – und das bei Erträgen über 220 dt TM/ha. Trotz der warmen Jahreswitterung blieb die Hälfte der Futtersorten leider weit von der angestrebten Siloreife entfernt. Diese sind für den Anbau in Bayern nur für sehr warme Lagen und frühe Aus-saattermine zu empfehlen.

Im Sortiment der Hybriden wurden in 2015 durchweg sehr hohe TS-Gehalte und damit eine ausreichende Abreife festgestellt. Lussi als insgesamt früheste Sorghumsorte er-zielte 41,1 Prozent TS. Bei Lussi, KWS Freya, KWS Sole und

Sweet Six BMR trat leider frü-hes Lager auf, das zwar bei der Beerntung kaum zu Ver-lusten führte, aber ihre Bio-massebildung behinderte. Sweet Forever BMR, SBS001 und Sweet Bites wurden für nordamerikanische Anbau-bedingungen gezüchtet, sie erreichten hier nicht die ge-forderte Siloreife.

Auch das Körnersorti-ment zeigte in 2015 eine weite Spreizung in der Ab-reife, wobei GK Emese durch Frühreife positiv heraus-stach. Sweet Susana konnte mit 183,7 dt/ha einen relativ hohen TM-Ertrag mit einem ebenfalls hohen TS-Gehalt

→ Abbildung 2: Trockenmasseerträge und Trockensubstanzgehalte der im Sortenscreening 2016 in Straubing

geprüften Sorten und Stämme

0 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 44%0

140150160170180190200210220230

250dt/ha

Advancegrazer

AmiggoAristos

Herkules

JoggyKSH 3724

KSH 4826

KWS Hannibal

KWS JunoKWS Merlin

KWS Santos

KWS TarzanKWS Titus

NS201

NS204

NS212NS401

PR817F

PR832F

RGT GguepardZeus

ASM-21/09

ASM-4/11

ASM-5/09

ASM-BG-1/16 Capello

Farmsugro 180

Fuego GK EmeseGW 9417

Sweet Caroline

Sweet SusannaVegga

Gardavan

KWS Freya

KWS Sammos

KWS Sole Lussi

Super Sugar

Sweet Bites Sweet Six BMR

Atletas

Fernandez

Fabregas

Monty

SuperMassa

Troc

kenm

asse

ertra

g

Trockensubstanzgehalt

S. bicolor (Futter) S. bicolor (Körner) S. bic. x S. sud. Mais spätreif Mais frühreif P. glaucum

→ Bild 1: Sorghumsorten können sehr unterschiedlich aussehen, je nach der Nutzungsrichtung, für

die sie optimiert wurden (Foto: Dr. Maendy Fritz).

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von 31,6 Prozent kombinieren. Alle anderen Körnersorten waren zum Erntetermin noch nicht siloreif, weshalb niedrig-wüchsige Körnersorten (siehe Bild 1) trotz der Optimierung für den Drusch nicht grundsätzlich als eine frühabreifende Alternative zu den hohen Futtersorten oder Sorghum-hybriden zu sehen sind.

Im Futtersortiment war in 2016 Sorte PR817F mit 207,3 dt TM/ha und einem TS-Gehalt von 27,0 Prozent am ertragreichsten (Abbildung 2). Beide Parameter lagen aller-dings deutlich unter den Werten von 2015, was sich auf die ungünstigere Witterung und das ausgeprägte Lager (siehe Bild 2) zurückführen lässt. Nur KWS Santos mit 29 Prozent und KWS Juno mit 28,5 Prozent erreichten den angestreb-ten Mindest-TS-Gehalt. Bei den Maisreferenzen war kein vergleichbarer Ertragsrückgang zu beobachten, die Abreife war sogar noch weiter fortgeschritten als im Vorjahr. Die Er-

tragsstabilität des züchterisch intensiv bearbeiteten Maises ist – von Grenz-standorten abgesehen – höher als bei der in Bayern noch recht neuen Kultur Sorghum.

Bei den Hybriden trat ebenfalls ausgeprägtes Lager auf, trotzdem wa-ren sie nahezu verlustfrei zu beernten. Dies erklärt, weshalb die Hybriden in 2016 einen höheren Durchschnittser-trag erzielten als die Futtersorten. KWS Sammos war mit 221,8 dt TM/ha die er-tragsreichste Sorghumsorte im gesam-ten Screening, dicht gefolgt von KWS Freya mit 212,1 dt TM/ha. Im S. bicolor x S. sudanense-Sortiment wurden na-hezu durchweg hohe TS-Gehalte von 29,6 Prozent aufwärts erreicht, Lussi als am frühesten abreifende Sorghum-sorte erzielte trotz der schwierigen Wit-terung sogar noch 35,7 Prozent TS.

Das Körnersortiment überraschte in 2016 mit teil-weise massivem Lager in einigen Sorten; von einer ge-nerellen Standfestigkeit von Körnersorghum auch unter widrigen Witterungsbedingungen kann anscheinend nicht ausgegangen werden. Nur GK Emese mit 28,3 Pro-zent und Sweet Susana mit 28,4 Prozent erreichten knapp die Siloreife.

Die einzige im Screening enthaltene Pennisetum glaucum-Sorte SuperMassa ADR500 brachte mit knapp 159 dt TM/ha einen akzeptablen Ertrag, allerdings bei mas-sivem Lager und einem unbefriedigenden TS-Gehalt von nur 21,9 Prozent. Bei dieser Art ist es von Vorteil, dass sie keine Blausäure akkumuliert, wie es bei Sorghum in Wachstums-phasen nach Stressereignissen (Hagel, Frost, Blattschäden etc.) auftritt. Dies setzt der Sorghum-Nutzung zu Futter-zwecken enge Grenzen.

DR. MAENDY FRITZTeCHNOLOgIe- UND FÖrDerZeNTrUM IM KOMPeTeNZZeNTrUM FÜr NACHwACHSeNDe rOHSTOFFe (TFZ)[email protected]

→ Bild 2: Massives Lager führt zu Zeitverzögerungen und Verlusten bei der Ernte (Foto: Dr. Maendy

Fritz).

Detaillierte Darstellungen der Ergebnisse aus dem Sorten-screening finden sich auf der TFZ-Internetseite unter

http://www.tfz.bayern.de/rohstoffpflanzen/einjaehrigekul-turen/035021/index.php

Infobox: Ergebnisse

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Niedrigenergie-Gewächshaus mit LED-Pflanzenbelichtung

VON MAXIMILIAN NEUMAIR, RUDOLF RINDER und DR. PETER DOLESCHEL: Mit dem Neu-bau eines Niedrigenergie-Gewächshauses am Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung steht der Landesanstalt für Landwirtschaft nun ein Prototyp zur Verfügung, mit dem effek-tive Lösungen für die energieeffiziente Sanierung der bestehenden Forschungsgewächs-häuser erprobt werden können. Der Neubau orientiert sich an der sogenannten ZINEG-Tech-nologie, die 2014 mit dem deutschen Nachhaltigkeitspreis in der Kategorie Forschung ausgezeichnet wurde. Der Einsatz verschiedener energieeffizienter Breitband-LEDs erlaubt eine Pflanzenbelichtung der neuesten Generation.

Gewächshäuser mit Heizung und Pflanzenbelichtung sind für die moderne Pflanzenzüchtung unverzichtbar, weil sie kontrollierte Klimabedingungen bieten, die eine ganzjäh-rige, jahreszeitenunabhängige Züchtungsarbeit ermög-lichen. Im Verbund mit dem Staatlichen Bauamt Freising, einem Gewächshausplaner, einem Energieberater und ei-nem Statiker wurde der Bau des neuen Gewächshauses im September 2014 auf den Weg gebracht und bereits Ende März 2015 fertiggestellt. Der Standort wurde innerhalb des Instituts für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung gewählt, da hier besonders hohe Anforderungen an den Wärmebedarf und Lichtbedarf der Kulturen bestehen und eine spätere Ver-gleichbarkeit gegeben ist.

Ziel des Projekts „Niedrigenergie-Gewächshaus“ ist es, den Energieeinsatz für Beheizung und Belichtung mög-lichst gering zu halten, ohne jedoch Abstriche bei Pflan-zenqualität oder Kulturdauer in Kauf nehmen zu müssen. Auf diesem Weg sollen nicht nur Energiekosten eingespart, sondern auch die CO2-Bilanz verbessert werden. Weitere Ziele sind:

→ ökologische und ökonomische Bewertung der durchgeführten (Bau-)Maßnahmen,

→ Identifikation der Kostenverursacher und Einspar-potenziale,

→ Erstellung einer Ökobilanz (Life Cycle Assessment), → Überlegungen zur CO2-Einsparung beim Bau und

Betrieb von Gewächshäusern, → konzeptioneller Einsatz energieeffizienter LED-

Belichtungssysteme in der Pflanzenzüchtung, → Untersuchungen zur Photomorphogenese

(Pflanzenreaktionen auf Licht) → Reduktion der Wartungskosten bei der Pflanzen-

belichtung.

Besonderheiten des Gewächshaus-NeubausDer effiziente Einsatz von Wärmeenergie wird vor allem durch eine Reihe von Baumaßnahmen ermöglicht, die sich zum großen Teil an der ZINEG-Technologie (ZukunftsIni-tiative NiedrigenergieGewächshaus) orientieren. So han-delt es sich bei dem neuen Gewächshaus um ein hochiso-liertes, doppelverglastes System mit gedämmtem Sockel, Wärmeschutzglas in den Stehwänden, thermisch getrenn-ten Sprossen und zweilagigem Energieschirm-System im Dachbereich. Auffälligstes Merkmal ist die Bauhöhe des Gewächshauses (Firsthöhe 7,20 m inklusive Sockel, Steh-wandhöhe 5 m), durch die sich sehr gute Klimatisierungs-möglichkeiten im Pflanzenbereich ergeben. So kann die Wärme einerseits an heißen Tagen gut nach oben entwei-chen ohne sich im Pflanzenbereich zu stauen. Andererseits wird bei kalten Außentemperaturen durch das Schließen der beiden übereinanderliegenden Energieschirme der zu

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→ Bild 1: Niedrigenergie-Gewächshaus mit eingeschalteter LED-Pflanzen-

belichtung bei Nacht (Foto: Wolfgang Seemann, LfL).

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heizende Luftraum über den Pflanzen verklei-nert und gleichzeitig ein isolierendes Luftpols-ter geschaffen, das dem Funktionsprinzip einer Thermoskanne ähnelt.

Der Neubau liefert bereits wichtige Erkenntnisse zu den verbauten Materialien und ihren Eigenschaf-ten, zur Abwicklung und Strategie der zukünftigen Gewächshaussanierungen sowie erste Energieeffi-zienz-Maßzahlen an Hand von Herstellerangaben. Verbrauchsmessungen mit kalorischen und elektri-schen Energiezählern im laufenden Betrieb liefern verlässliche Zahlen für vergleichende Berechnun-gen mit Bestands-Gewächshäusern.

Pflanzenbelichtung als Energie- und InformationsquelleUm auch den Elektroener-gieverbrauch zu reduzie-ren, werden zudem hochef-fiziente Breitband-LEDs der finnischen und dänischen Hersteller „Valoya“ und „Fi-onia Senmatic“ eingesetzt, die trotz geringerer Leis-tungsaufnahme mehr pho-tosynthetisch verwertbares Licht produzieren als die herkömmlich verwendeten Natriumdampf-Hochdruck-lampen (HPS).

Licht dient jedoch nicht nur als Energiequelle für die Photosynthese (400 – 700 Na-nometer (nm)), sondern über unterschiedliche Photorezep-toren auch als Signalgeber für verschiedene physiolo-gische und morphologische Prozesse. Die spektralen An-forderungen dieser Rezepto-ren unterscheiden sich dabei zum Teil deutlich vom pho-tosynthetisch wirksamen Lichtspektrum. Man spricht daher auch vom photobio-logisch wirksamen Spektrum (PBAR = photobiologic active radiation = 280 –  800 nm). Durch die Auswahl des „richti-gen“ Lichtspektrums besteht außerdem die Möglichkeit

→ Bild 2: Junge Sojapflanzen im Niedrigenergie-Gewächshaus (Foto: Maximilian

Neumair, LfL).

Rundum isolierte Gewächshaushülle:• Sockel mit Perimeterdämmung 80 mm Expandierter Polystyrol Hartschaum• Dacheindeckung aus hochtransparentem, eisenfreien Weißglas

• Transmissionsgrad Licht/UV: 84/68 Prozent • Stehwände Ost/West und Südgiebel aus Wärmeschutzglas

• Transmissionsgrad Licht/UV: 80/37 Prozent • Nordgiebel aus Isopaneel-Sandwichelemente mit Mineralwolldämmkern • Sprossen aus Aluminium-Spezialprofil zur wärmebrückenfreien Gewächshausisolierung

Energieschirme im Dachbereich und zusätzlich an südlicher Stehwand:• Unterer Energieschirm (Tagesenergieschirm): „Svensson XLS 30 Harmony Revolux“

• Lichtdurchlässigkeit 64 Prozent (diffuses Licht) bis 71 Prozent (direktes Licht)• Oberer Energieschirm: „Reimann PyroSilver ultra weiß“

• Lichtdurchlässigkeit 32 Prozent (diffuses Licht) bis 40 Prozent (direktes Licht)Rollschirm

• Südseite: „Svensson ILS 50 Harmony Revolux“• Lichtdurchlässigkeit 46 Prozent (diffuses Licht) bis 51 Prozent (direktes Licht)

Effiziente Heizungsanlage:• Fernwärme-Nutzung mittels Hocheffizienz-Umwälzpumpen • Pflanzennahe Unter-Tisch-Rohrheizung• Stufenlos regelbarer Lufterhitzer für Umwälzung und Klimatisierung im Dachbereich

Klimasteuerungs- und Messtechnik:• RAM-Klimacomputer für exakte Steuerung der Klimaparameter• Messfühler für Licht, Temperatur und Luftfeuchtigkeit, zwei Klimazonen je Gewächs-

hausabteilung• Strom- und Wärmemengenzähler für die genaue Auswertung des Energieverbrauchs

Weitere Merkmale• Kabeltrassen aufgeteilt in Tisch- und Traufhöhe für geringere Beschattung der Tische• Ausstattung mit Roll-Tischen mit geringen Weganteilen• LED-Pflanzenbelichtung

Infobox 1: Das energieeffiziente Gewächshaus

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zur Steuerung der pflanzlichen Entwicklungsphasen. Für die Pflanzenzüchtung besonders interessant wäre beispiels-weise eine Förderung und dadurch Verkürzung der genera-tiven Phase. Hier liegt gleichzeitig auch die Herausforderung beim Einsatz von LEDs zur Pflanzenbelichtung, denn nicht jede Pflanzenart bevorzugt die gleiche spektrale Verteilung.

Drei verschiedene LED-Lampen im EinsatzWährend Natriumdampf-Hochdrucklampen viel der einge-setzten elektrischen Energie in hohe, aber schmalbandige

Peaks im gelb bis hellroten Wellenlängenbereich investie-ren, kommt es bei den drei verwendeten LED-Spektren zu einer breitbandigen Verteilung des Photonenflusses über einen weiten Wellenlängenbereich (siehe Abbildung), daher die Bezeichnung „Breitband-LED-Lampen“:

→ LED Valoya NS1 hat einen hohen Anteil im grünen Spektralbereich (49 Prozent, also beinahe die Hälfte der von der Lampe emittierten Photonen zwischen 500 und 600 nm) und ist daher besonders für Kei-mung und Jugendentwicklung (juvenile Phase)

UV (< 400 nm)Wirkt in hohen Dosen DNS-schädigend, in geringen Dosen verbessert UV-Licht die Stresstoleranz, führt zu dicken Blättern und kurzen Internodien. Photorezeptor UVR8 reagiert spezifisch auf UV-B (290 – 320 nm). Weitere beteiligte Photorezeptoren bei der Wahrnehmung von UV-Licht sind Cryptochrome, Phototropine und ZEITLUPE, aber auch Phytochrome.

Blau (400 – 500 nm)Öffnet die Stomata (Zeaxanthin, Phototropine), dadurch effektive Transpiration, niedrige Blatttemperatur und effiziente Pho-tosynthese. Phototropine sorgen, je nach Bestrahlungsstärke, für die richtige Ausrichtung der Chloroplasten zum einfallenden Licht. Das Zusammenspiel von Cryptochromen, Phototropinen und Phytochromen verhindert Streckungswachstum und sorgt für kurze Internodien.

Grün (500 – 600 nm)Wirkt den Effekten von blauem Licht entgegen, indem Cryptochrome und Phototropine in die inaktive Form umgewandelt wer-den. Führt zu längeren Internodien sowie höheren Blatttemperaturen durch teilweise Schließung der Stomata (Zeaxanthin).

Rot (600 – 700 nm)Verhindert Streckungswachstum des Hypokotyls und führt zu kompaktem Wuchs mit kurzen Internodien. Wird vor allem vom Phytochromsystem registriert. Die inaktive Form von Phytochrom wird als Pr bezeichnet und hat ein Absorptionsmaximum bei 660 nm. Bestrahlung im roten Wellenlängenbereich führt zur Umwandlung von Pr in die physiologisch aktive Form Pfr. Letztere wandelt sich, entweder bei Dunkelheit (langsame Reaktion) oder durch Bestrahlung im dunkelroten Wellenlängenbereich (Absorptions-maximum bei 730 nm), wieder zurück in Pr. Dieses Phänomen wird auch als Photoreversibilität bezeichnet.

Dunkelrot (700 – 800 nm)Wirkt den Effekten von rotem Licht entgegen indem die Pfr Form des Phytochroms wieder zurück in die inaktive Pr Form umgewandelt wird (siehe oben). Führt zu verlängerten Blattstielen, langen Internodien, verstärktem Streckungswachstum und vorzeitiger Blüte. Diese Wirkungen werden unter dem Begriff „shade avoidance symptoms“ zusammengefasst.

Rot/Dunkelrot VerhältnisWirkt sich auf das Verhältnis von inaktivem Phytochrom Pr und aktivem Phytochrom Pfr aus (siehe oben). In direktem Sonnen-licht herrscht ein relativ hohes Rot/Dunkelrot Verhältnis, daher überwiegen die Reaktionen auf rotes Licht (kurze Internodien, kompakter Wuchs).Im Schatten anderer Pflanzen sinkt der Anteil an rotem Licht, was zu den oben beschriebenen „shade avoidance symptoms“ führt.

Blau/Grün VerhältnisWirkt sich auf die Intensität der Blaulichtreaktion aus. Ein hohes Blau/Grün Verhältnis führt im Allgemeinen zu kurzen Inter-nodien und Blattstielen. Mit steigendem Grünanteil werden diese Pflanzenreaktionen abgeschwächt.

Infobox 2: Wirkung einzelner Wellenlängenbereiche auf Pflanzenphysiologie und -morphologie

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geeignet. Da die Empfindlichkeit des menschlichen Auges im mittleren Wellenlängenbereich am höchs-ten ist, hat das emittierte Licht für unser Empfinden einen hellen, weißen Farbton. Die Leistungsauf-nahme liegt bei 276 W.

→ LED Fionia FL300 grow white hat einen sehr hohen Rotanteil (60 Prozent der emittierten Photonen im Bereich 600 – 700 nm) und eignet sich deswegen gut für das vegetative Wachstum vieler Pflanzenar-ten. Vor allem Bestockung und Verzweigung sollen von dieser spektralen Verteilung profitieren. Die Leistungsaufnahme ist einstellbar von 100-600 W.

→ LED Valoya AP67 unterstützt mit einem relativ hohen Dunkelrot-Anteil (9 Prozent der Photonen zwischen 700 und 800 nm) die Blütenbildung vieler Arten, führt zu Streckungswachstum und fördert den Samenansatz. Vor allem für die generative Ent-wicklung ist es sehr gut geeignet. Die Leistungsauf-nahme liegt bei 276 W.

Wirkung einzelner WellenlängenbereicheEin komplexes Zusammenspiel mehrerer Photorezeptoren sorgt für unterschiedliche morphologische und physiolo-gische Pflanzenreaktionen auf unterschiedliche Wellenlän-genbereiche. Die in Infobox 2 beschriebenen Pflanzenreak-tionen besitzen jedoch keine allgemeine Gültigkeit, da sich die beteiligten Photorezeptoren, deren Absorptionsspek-tren und die ausgelösten Reaktionen zwischen verschiede-nen Pflanzenarten stark unterscheiden können.

Das Modellvorhaben „Niedrigenergie-Gewächshaus“ liefert nicht nur wichtige Details für zukünftige Gewächs-haus-Sanierungsprojekte, neue Kenntnisse und Erfahrungs-werte werden unser Wissen über Pflanzen und ihre Photo-morphogenese erweitern und die Züchtungsforschung in die Zukunft führen.

LiteraturSELLARO, R., CREPY, M., TRUPKIN, S. A., KARAYEKOV, E., BU-

CHOVSKY, A. S., ROSSI, C., AND CASAL, J. J. (2010): Cryptochrome as a sensor of the blue/green ratio of

natural radiation in Arabidopsis. Plant Physiology, Vol. 154, S.401-409

TAIZ, L., ZEIGER, E., MOLLER, I. M., MURPHEY, A., (2015): Plant Physiology and Development, 6th Edition, Si-nauer Associates, Inc.

VALOYA (2015): Light for Plant Breeding, http://www.valoya.com/wp-content/uploads/2017/04/EN_PlantBree-ding-2016.2.pdf

VALOYA (2015): Lighting Guide, http://www.valoya.com/wp-content/uploads/2017/04/EN_LightingGui-de-2016.2.pdf

MAXIMILIAN NEUMAIRRUDOLF RINDER DR. PETER DOLESCHEL BAYerISCHe LANDeSANSTALT FÜr LANDwIrTSCHAFTINSTITUT FÜr PFLANZeNBAU UND PFLANZeNZÜ[email protected]@[email protected]

→ Abbildung: Spektrenvergleich (Quelle: Maximilian Neumair, LfL)

https://www.lfl.bayern.de/schwerpunkte/regenerative_energien/120002/index.php

Infobox 3: Internetauftritt Niedrigenergie- Gewächshaus

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Kompensationsmaßnahmen: Konfliktpotenzial oder Einnahmequelle für Landwirte?

von INGRID MOSER: Der Verursacher eines Eingriffs ist gemäß BNatschG §15 verpflichtet, vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu unterlassen. Unvermeidbare Beeinträchtigungen sind durch Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege auszugleichen oder zu ersetzen. Solche unvermeidbaren Beeinträchtigungen können z. B. durch die Ausweisung von Baugebieten, Straßenbauvorhaben oder das Errichten von Wind-kraftanlagen entstehen. In Hessen kommt dabei das Biotopwertverfahren mit Ökopunkten für Biotop- und Nutzungstypen zum Einsatz. Die paritätisch aus Kommunen, Landwirten und Naturschutzverbänden besetzte Landschaftspflegevereinigung Gießen e. V. setzt bei der Kompensation auf ein enges Miteinander mit den Landwirten.

Einen Eingriff definiert dabei das Bundesnatur-schutzgesetz wie folgt: „Eingriffe in Natur und Landschaft im Sinne dieses Gesetzes sind Verän-derungen der Gestalt oder Nutzung von Grund-flächen oder Veränderungen des mit der belebten Bodenschicht in Verbindung stehenden Grund-wasserspiegels, die die Leistungs- und Funkti-onsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Land-schaftsbild erheblich beeinträchtigen können.“ Die Kompensation teilt sich dabei in Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen. Ein Ausgleich findet immer lo-kal gebunden am gleichen Ort des Eingriffs statt, während ein Ersatz weit entfernt davon, aber i. d. R. im gleichen Naturraum geleistet werden kann.

Biotopwertverfahren mit ÖkopunktenDas Ausmaß des Eingriffs wird durch einen Gut-achter im Vorfeld bestimmt. Für die Bewertung wird in Hessen das Biotopwertverfahren angewandt, wel-ches die Möglichkeit bietet, Biotop- und Nutzungstypen in Form von Wertpunkten einzuschätzen. Die Wertpunkte wer-den im Sprachgebrauch als „Ökopunkte“ bezeichnet. Wird eine Fläche vor einem Eingriff naturschutzfachlich aufge-wertet, wird diese Aufwertung in Ökopunkten bilanziert und die Fläche als „Ökokonto“ einer Kommune gutgeschrieben und kann damit einen später erfolgten Eingriff ausgleichen. Dabei muss die Aufwertung allerdings komplett abgeschlos-sen und der verbesserte Zustand durch eine Abnahme der Genehmigungsbehörde bestätigt sein, um das Ökokonto anrechnungsfähig zu bekommen. Eine weitere Möglichkeit der vorzeitigen Kompensation bieten „Vorlaufende Ersatz-

maßnahmen“, auf die in dieser Darstellung aber nicht weiter eingegangen wird.

Die Interessen aller Parteien berücksichtigenDie Ausweisung von Flächen für Kompensationsmaßnah-men ist in der Vergangenheit oft nachrangig behandelt wor-den, da für die Träger der Bauleitplanung die Bebauung und nicht der Ausgleich im Fokus steht. Dabei wurden Kompen-sationsmaßnahmen oft unter Zeitdruck erarbeitet, Privatflä-chen genutzt, auf welchen die Kompensationsmaßnahmen anschließend oft nicht ausgeführt wurden, und vor allem landwirtschaftlich hochwertige Flächen zum Ausgleich he-ran gezogen.

FLÄCHeNVerBrAUCH

→ Abbildung 1: Drittelparitätische Organisation der Landschaftspflegevereinigung

Gießen e. V.

oft  nicht  ausgeführt  wurden,  und  vor  allem  landwirtschaftlich  hochwertige  Flächen  zum Ausgleich heran gezogen. Die  Landschaftspflegevereinigung  Gießen  e.V.  (LPV  Gießen),  die  Kommunen, Naturschutzverbände und Landwirte unter einem Dach vereint  (siehe Abbildung), setzt seit vielen  Jahren  Kompensationsmaßnahmen  um,  die  die  Interessen  aller  Parteien berücksichtigen und wahren.  

  Abbildung 1: Drittelparitätische Organisation der Landschaftspflegevereinigung Gießen e.V.  Probleme der Kompensation Die Überplanung von Ackerflächen als Kompensationsmaßnahmen erzeugt auf einfache Art und Weise  eine  hohe  Anzahl  an Wertpunkten  (WP),  da  Acker mit  16 WP/m²  (Hessische Kompensationsverordnung)  niedrig  bewertet  ist.  Wandelt  man  diesen  Acker  in Extensivgrünland  um  (44 WP/m²)  kann  eine Aufwertung der  Fläche um  28 WP/m²  erzielt werden. Die Kosten für die Umsetzung und die Erhaltung der Fläche sind dabei sehr gering und  bieten  sich  daher  für  Kommunen  an.  Gleichzeitig  stellt  die  Umwandlung  von hochwertigem Ackerland in Grünland de facto aber eine Vermögensaufgabe dar. Andere Probleme entstehen, wenn große Ackerfläche nur teilweise überplant werden. Wird eine Ackerfläche  zum Beispiel  streifenförmig mit Streuobst bepflanzt, und bleibt  zwischen den  Streuobstreihen  die Ackerfläche  erhalten,  so  ist  diese  für  einen  Landwirt  nicht mehr ertragsorientiert zu bewirtschaften. 

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FLÄCHeNVerBrAUCH

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Die Landschaftspflegevereinigung Gießen e. V. (LPV Gie-ßen), die Kommunen, Naturschutzverbände und Landwirte unter einem Dach vereint (siehe Abbildung), setzt seit vielen Jahren Kompensationsmaßnahmen um, die die Interessen aller Parteien berücksichtigen und wahren.

Probleme der KompensationDie Überplanung von Ackerflächen als Kompensations-maßnahmen erzeugt auf einfache Art und Weise eine hohe Anzahl an Wertpunkten (WP), da Acker mit 16 WP/m² (Hes-sische Kompensationsverordnung) niedrig bewertet ist. Wandelt man diesen Acker in Extensivgrünland um (44 WP/m²) kann eine Aufwertung der Fläche um 28 WP/m² erzielt werden. Die Kosten für die Umsetzung und die Erhaltung der Fläche sind dabei sehr gering und bieten sich daher für Kommunen an. Gleichzeitig stellt die Umwandlung von hochwertigem Ackerland in Grünland de facto aber eine Ver-mögensaufgabe dar.

Andere Probleme entstehen, wenn große Ackerflächen nur teilweise überplant werden. Wird eine Ackerfläche zum Beispiel streifenförmig mit Streuobst bepflanzt, und bleibt zwischen den Streuobstreihen die Ackerfläche erhalten, so ist diese für einen Landwirt nicht mehr ertragsorientiert zu bewirtschaften.

Ausgleichsmaßnahmen auf Ackerflächen stellten und stellen auch aktuell für Landwirte ein großes Konfliktpoten-zial dar, das es zu beseitigen gilt.

Einnahmequelle für die Landwirte Die LPV Gießen arbeitet außer dem Ausgleich für neue Bau-gebiete auch viele Altausgleiche für Kommunen auf und un-tersucht die Ausgleichsplanung auf ihre Nachhaltigkeit im Sinne des Bauherrn, der Landwirtschaft und vordringlich des Naturschutzes. Ackerflächen werden grundsätzlich er-

halten und statt Äckern na-turschutzfachlich wertvolle, aber durch Pflege- und/oder Nutzungsaufgabe bedrohte Areale für Kompensations-maßnahmen genutzt. Da-bei kommen dann wieder die Landwirte ins Spiel, die von dieser Vorgehensweise doppelten Nutzen ziehen können. Ihre Ackerflächen bleiben ihnen erhalten und durch die Pflege der Aus-gleichsflächen kann eine weitere Einnahmequelle ge-neriert werden.

Die Landwirte werden von der LPV in der Landschaftspflege in vielfältigster Art und Weise eingesetzt. Durch naturschutzgerechte Beweidung oder Mahdnutzung für Heu, Grummet oder Silage werden die Flächen naturschutzfachlich aufgewertet und entwi-ckelt. Die Flächen bleiben konsequent in landwirtschaftli-cher Nutzung. Außerdem erhalten die Landwirte eine Ent-lohnung für die geleistete Pflegearbeit. Alle Flächen bleiben Teil des Antrags für Agrarförderung durch die Landwirte mit der damit verbundenen Agrarförderung der EU. Die dafür generierten Zahlungsansprüche (ZA) werden durch die ge-schlossenen Verträge mit der LPV auf der Fläche und damit beim aktuellen Bewirtschafter gehalten.

Durch die Notwendigkeit der Beweidung von AusgIeichs-flächen einer Mitgliedskommune konnte durch die LPV Gie-ßen sogar eine Stadtschäferei aus der Wiege gehoben und damit ein neuer landwirtschaftlicher Betrieb begründet wer-den.

Kompensationsmaßnahmen gemeinsam mit LandwirtenDie Arbeit der LPV stützt sich demnach maßgeblich auf die Einbeziehung von Landwirten, um die Umsetzung von Kom-pensationsmaßnahmen gewährleisten zu können. Hoch-wertige Produktionsflächen werden von der LPV nicht als Kompensationsflächen herangezogen und bleiben der Landwirtschaft erhalten. Darüber hinaus fließen erhebliche Pflegegelder in die Landwirtschaft, die nebenher die Flä-chennutzung als Vorteil erhält. Die LPV hat also Kompensa-tionsmaßnahmen als zusätzliche Einnahmequelle für Land-wirte etablieren können.

INGRID MOSERLANDSCHAFTSPFLegeVereINIgUNg gIeSSeN e. V.lpv­giessen@t­online.de

→ Abbildung 2: Planungsbeispiel der Gemeinde Buseck – Ökokonto entlang des Hachenbaches

                Bildunterschrift:  Planungsbeispiel  der  Gemeinde  Buseck  ‐  Ökokonto  entlang  des Hachenbaches.  

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Flächenbereitstellung für Naturschutz und Landwirtschaft Beispiele aus Nordrhein-Westfalen

von WOLFGANG GANSER: Entscheidend für das Gelingen der Umsetzung und das Errei-chen der erforderlichen Funktionalität von Produktionsintegrierten Kompensationsmaß-nahmen (PIK) ist die langfristige Betreuung durch einen geeigneten Maßnahmenträger wie eine auf Dauer angelegte Stiftung. Ziel ist es, neue Wege bei der Umsetzung von Aus-gleichsmaßnahmen zu finden und landwirtschaftliche Produktionsflächen zu erhalten. In Nordrhein-Westfalen sorgen die Stiftungen Rheinische und Westfälische Kulturlandschaft für eine flächendeckende Betreuung. So können auch für größere, regierungsbezirksüber-greifende Infrastrukturprojekte, z. B. im Rahmen der Energiewende, Ausgleichsmaßnahmen ohne Weiteres umgesetzt werden. Die Stiftungen sorgen einerseits für den Erhalt der land-wirtschaftlichen Flächen, anderseits wird die rechtlich und fachlich erforderliche ökologische Wirksamkeit von Ausgleichsmaßnahmen wesentlich erhöht.

Naturschutz durch NutzungDie Stiftung Westfälische Kulturland-schaft setzt vordringlich Maßnahmen um, bei denen die landwirtschaftliche Bewirtschaftung, wenn auch extensiv, beibehalten werden kann. Naturschutz durch Nutzung ist hier der Leitge-danke. Bundesweit bekannt sind sol-che Maßnahmen unter der Abkürzung PIK, wobei der Begriff etwas in die Irre leitet: Genauer wäre die Formulierung betriebsintegrierte Maßnahmen. Dar-unter versteht man (Ausgleichs-) Maß-nahmen, die in der jeweiligen Region, unter Berücksichtigung der lokalen Fruchtfolge sowie der lokalen Vermarktungsmöglichkeiten in die Abläufe des umsetzenden landwirtschaftlichen Be-triebs integrierbar sind.

Multifunktionalität ist das ZielPIK gibt es bereits seit Beginn der Eingriffsregelung in Form von Extensivgrünland. Vor ca. zehn Jahren wurde die Idee geboren, Ausgleichsmaßnahmen auf Ackerflächen umzu-setzen, die in die landwirtschaftliche Produktion integrierbar sind. So zählen beispielsweise Blühstreifen, Getreideanbau im doppelten Reihenabstand, Lerchenfenster, Selbstbegrü-nungsbrachen oder Ackerrandstreifen zu den PIK. Ziel ist immer, den Acker und seine Umgebung als Lebensraum für

dort heimische Tier- und Pflanzenarten aufzuwerten. Gleich-zeitig strukturiert die Anlage von Blühstreifen oder Brachen das Landschaftsbild und wertet es auf. Die Maßnahmen wir-ken so multifunktional.

Rotation der PIK als Anreiz für LandwirteEine Besonderheit von PIK auf Ackerflächen ist die Um-setzung auf wechselnden Flächen in einem festgelegten, räumlich-funktionalen Suchraum. Ein wesentlicher Vorteil dieser „Rotation“ liegt u. a. in der Möglichkeit auch Pacht-flächen einbeziehen zu können. Bei der Umsetzung von PIK auf wechselnden Flächen wird dieser Suchraum mit den beteiligten Behörden abgestimmt. Auf wechselnden

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→ Bild 1: Auch im Februar bereichern Blühstreifen das Landschaftsbild (alle Fotos: Wolfgang Ganser).

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Ackerflächen ist die Bereitschaft der Landwirte, Flächen zur Verfügung zu stellen und Maßnahmen umzusetzen, erfahrungsgemäß hoch. Sie verpflichten sich gegenüber der Stiftung die Maßnahmen über einen bestimmten Zeit-raum anzulegen. Hierfür erhalten sie eine angemessene Entschädigung, die beispielsweise auf der Berechnung des Deckungsbeitrags beruht. In der Regel beträgt die Laufzeit solcher Verträge fünf Jahre, jedoch kommen auch längere Zeiträume oder der Abschluss von Anschlussverträgen in-frage. Die Möglichkeit, Flächen für einen wirtschaftlich über-schaubaren Zeitraum zur Verfügung zu stellen, erhöht die Bereitschaft der Landwirte sich an PIK-Lösungen zu beteili-gen deutlich.

Seit Herbst 2016 wird nach Novellierung des nord-rhein-westfälischen Landschaftsgesetzes in ein Landesna-turschutzgesetz die Sicherung einer sogenannten Pfand-fläche bzw. Startfläche durch eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit eines geeigneten Flurstücks im jeweiligen Grundbuch verpflichtend. Zahlreiche Beispiele in NRW – in Westfalen-Lippe wie auch im Rheinland – belegen die prak-tikable Umsetzung von Maßnahmen auf wechselnden Flä-chen. Durch die Sicherung der Startfläche ist die „Rotation“

rechtlich nicht zu beanstanden, die notwendige räumliche Funktionalität ist gewährleistet. Begleituntersuchungen können die ökologische Wirksamkeit nachweisen sowie die langfristige Umsetzung der Maßnahmen durch die Arbeit der Stiftungen zuverlässig dokumentieren.

Gemeinsam ist wichtig!Für eine erfolgreiche Maßnahmendurchführung sollten deshalb alle Beteiligten frühzeitig in den Planungsprozess eingebunden werden. Die Beschreibung der Maßnahmen und ihrer Durchführung sollte die notwendigen natur-schutzfachlichen aber auch landwirtschaftlichen Aspekte ausreichend berücksichtigen. Immerhin sollen über den Zeitraum mindestens einer Generation die Ausgleichsmaß-nahmen erfolgreich umgesetzt werden. Ergeben sich beim Bewirtschafter Fragen oder Unsicherheiten, können diese aufgrund der dauerhaften Verantwortlichkeit der Stiftung geklärt und mit Rücksicht auf die Belange der Beteiligten ausgeräumt werden. Denn generell gilt: Nur wenn alle am Prozess Beteiligten wissen, worüber geredet wird und was von Ihnen erwartet wird, lassen sich Missverständnisse ver-meiden und Probleme bereits frühzeitig erkennen und lö-sen.

Bei der Planung und Umsetzung von PIK ist deshalb eine gute Zusammenarbeit aller Beteiligten das Ziel.

WOLFGANG GANSERSTIFTUNg weSTFÄLISCHe [email protected]

→ Bild 3: Extensiver Ackerbau zur Förderung der Ackerwildkräuter.

→ Bild 2: Vielfalt in einem Blühstreifen zur Optimierung eines Rebhuhn-

lebensraums.

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Flächenmanagement am Beispiel der Achentalgemeinden

von WOLFGANG WIMMER: Mit der Gründung des „Ökomodell Achental e. V.“ im Jahr 1999 haben sich die neun Achental-Gemeinden (Bergen, Grabenstätt, Grassau, Marquartstein, Reit im Winkl, Schleching, Staudach-Egerndach, Übersee und Unterwössen) für eine gemeinsame Gestaltung der Zukunft entschieden. Durch diese übergemeindliche Zusammenarbeit bringen sie den Naturschutz voran, unterstützen die regionale Landwirtschaft, stärken den sanften Tou-rismus und bereiten den Weg für Erneuerbare Energien. In allen vier Feldern spielen der Klima-schutz und die Umweltbildung eine entscheidende Rolle. Insbesondere durch den Aufbau einer regionalen und klimafreundlichen Energieversorgung aus lokalen und erneuerbaren Quellen ist das Achental zu einer internationalen Modellregion für klimaschonende Energie geworden und dient zahlreichen Regionen in Deutschland und Europa als Vorbild. In allen neun Ökomo-dell-Gemeinden wurden und werden zahlreiche Maßnahmen und Projekte dazu umgesetzt.

Neue Ideen gemeinsam umsetzenAm Anfang aller gemeinsamen Umwelt-Aktivitäten im Achental stand die Gründung des Ökomodells Achental e. V. im Jahr 1999. Die Gemeinden fördern über den Verein in vorbildlicher Zusammenarbeit, unter besonderer Einbe-ziehung der Bürger, eine umweltverträgliche und zukunfts-fähige Entwicklung der Region. Im Mittelpunkt stehen dabei der Erhalt der Natur- und Kulturlandschaft, die Sicherung der klein strukturierten Landwirtschaft, die Förderung ei-nes naturverträglichen Tourismus und Gewerbes sowie die Nutzung erneuerbarer Energieträger aus der Region für die Region.

Naturschutz, Landwirtschaft, Tourismus und Energie be-einflussen sich gegenseitig und sollen im Einklang mitein-ander und zum gegenseitigen Vorteil weiterentwickelt wer-den. In das Ökomodell Achental sind deshalb Akteure aus Politik, Land- und Forstwirtschaft, Handel und Handwerk, Naturschutzverbänden, Gastronomie und Tourismus sowie regionale Energieversorgung eingebunden. Durch Zusam-menarbeit und Vernetzung entstehen neue Wertschöp-fungsketten und regionale Kreisläufe werden geschlossen.

Umweltbildung als InformationsdrehscheibeAls Region mit großem Anteil hochwertiger Naturlandschaft (allein neun Naturschutzgebiete, weitere Landschaftsschutz-gebiete und geschützte Landschaftsbestandteile) spielen Na-turschutz und Umweltbildung von Anfang an eine entschei-dende Rolle im Ökomodell. Unter der seit 2003 bestehenden Gebietsbetreuung werden die unterschiedlichen Akteure in der Umweltbildung an einem Runden Tisch (Arbeitskreis Um-weltbildung) zusammengeholt. Der Arbeitskreis Umweltbil-dung hat sich zu einer Plattform für Informationsaustausch weiterentwickelt. Seine Mitglieder betreiben Umweltbildung

für alle Bevölkerungsteile: Gäste wie Einheimische, Erwach-sene, Schüler, Kindergärten. Gerade für die Schule wurden eigene Angebote entwickelt, die auf die Lehrpläne der Jahr-gangsstufen 1 mit 4 abgestimmt sind und den Schülern Na-turerfahrungen außerhalb des Klassenzimmers vermitteln. Diese Angebote werden seit Jahren kontinuierlich von den Schulen der Mitgliedsgemeinden in Anspruch genommen.

Umweltbildung zählt zu den wesentlichen Aufgaben der Gebietsbetreuung. Durch vertieftes Wissen über ökolo-gische Zusammenhänge wird manchmal überhaupt erst die Schutzwürdigkeit von Arten und Biotopen verstanden. Der ideale Ort, um hierfür Grundlagen zu legen, ist die Schule. Begleitende Informationen geben Auskunft über die breit gestreuten Umweltbildungsangebote. Die Stelle des Ge-bietsbetreuers wird durch den Bay. Naturschutzfonds, den Bezirk Oberbayern und den Landkreis Traunstein unterstützt.

Im Folgenden werden von den vielfältigen Aspekten des Ökomodells diese zwei ausführlich dargestellt: die Erzeu-gung erneuerbarer Energien aus regionalen Quellen und die Umweltbildung.

Regionale Energieversorgung mit klaren LinienDas Konzept und die Strategie des Achentals haben bereits mehrere Auszeichnungen gewonnen. Im Laufe der Zeit ist auch die Zahl der Fachbesucher stark gewachsen, die we-gen der Zusammenarbeit und den sichtbaren Erfolgen ins Achental kommen. Aus aller Welt strömen jährlich mehrere hundert Besucher zu den Energieanlagen im Achental, um sich von den positiven Effekten für die Region überzeugen zu lassen. Neben Kommunalvertretern, technischen Ex-perten und hochrangingen Politikern sind auch zahlreiche Schulklassen und Lehrergruppen dabei, die anregende Im-pulse für die Umweltbildung suchen.

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Das Achental ist reich an Erneuerbaren Energien und besitzt deshalb ideale Voraussetzungen für einen starken Impuls beim Klimaschutz. Die Gemeinden streben eine Un-abhängigkeit bei der Versorgung mit Strom und Wärme an. Diese Unabhängigkeit sichert die Erhaltung der intak-ten Natur und des hohen Lebenswerts auch für kommende Generationen. Zudem wird die regionale Wirtschaft und Wertschöpfung gestärkt, wenn die für den täglichen Bedarf benötigte Energie vor Ort produziert wird.

Gipfelprojekte für den KlimaschutzEine Kernstrategie sind die sogenannten Bioenergie-„Gip-felprojekte“, deren Namen der regionalen Geographie und dem weithin sichtbaren Modellcharakter entlehnt sind. Gip-felprojekte zeichnen sich dadurch aus, dass sie zum Klima-schutz beitragen, in Dimension und Energiequelle an die Region angepasst sind, eine hohe Effizienz garantieren und auf andere Regionen übertragbar sind. Die interkommunale Zusammenarbeit des Ökomodells hat wesentlich zur gelun-genen Umsetzung von mittlerweile elf Gipfelprojekten bei-getragen, und weitere sind bereits geplant.

Der rote Faden des Achentals in der Energieerzeugung lässt sich an drei großen Bioenergie-Projekten beispielhaft darstellen. Die Gemeinden gründeten gemeinsam mit re-gionalen Investoren im Jahr 2006 den Biomassehof Achen-tal GmbH & Co. KG1). Die Komplementär-Gesellschaft stellt die Gemeinden des Achentals über eine eigens gegründete Achental Betriebs- und Entwicklungs-GmbH. Der Biomasse-hof ist daher ein klassisches Beispiel für eine öffentlich-pri-vate Unternehmenspartnerschaft, die wirtschaftliche Kom-petenz mit einem politischen Auftrag verbindet. Im Herbst 2007 nahm der Biomassehof seinen Betrieb am heutigen Standort in Grassau auf und wächst seither beständig. Aus regionalen Holzresten werden hochwertige Brennstoffe pro-duziert und gehandelt, welche wiederum regional in priva-ten und kommunalen Öfen verbrannt werden. Es zeigt sich: Eine verlässliche Belieferung mit Energieholz ist Grundvor-aussetzung für eine breite Umstellung auf erneuerbare Ener-gieträger. Das Team des Biomassehofs arbeitet stets daran, die Rohstoffe energetisch und ökonomisch optimal aufzu-bereiten und nur über kurze Strecken zu transportieren, um möglichst wenig CO2 bei der Herstellung auszustoßen.

Bereits nach kurzer Zeit hatte sich der Biomassehof als zuverlässiger Versorger für Bio-Brennstoffe und kompetenter Motor für Energieprojekte etabliert. Deshalb begannen die Planungen für ein kommunales Hackschnitzelheizwerk und ein Fernwärmenetz in Grassau, das im Mai 2010 den Betrieb aufnahm. Die Anlage liegt auf dem gleichen Gelände wie der Biomassehof, was eine sichere und günstige Belieferung mit Brennstoffen ermöglicht. Die Gemeinde Grassau betreibt das Netz und das Heizwerk mit 3 MW Leistung als Kommu-nalunternehmen, was bei den Kunden großes Vertrauen in

die Zuverlässigkeit und die Preisgestaltung schafft. So zieht das Fernwärmenetz jedes Jahr mehr Wärmekunden an, die vom privaten Haushalt über Hotels bis zu Industriebetrieben reichen. Mittlerweile beträgt die Leitungslänge über elf Kilo-meter, woran 550 Abnehmer angeschlossen sind.

Der Dreiklang aus Biomassehof, Heizwerk und Holz-vergaser hat viele Regionen zur Nachahmung inspiriert. In mehreren ländlichen Regionen Europas (unter anderem Ost-sachsen, Bulgarien, Irland und Frankreich) wird versucht, ein ähnliches Gesamtkonzept aufzubauen. Auch innerhalb des Achentals gibt es ein Folgeprojekt: das kommunale Wärme-netz Grabenstätt, das im November 2012 in Betrieb ging und von den positiven Erfahrungen in Grassau profitiert.

Messbare Erfolge beim Klimaschutz Die Beiträge zum Klimaschutz durch die in Grassau geschaf-fenen Anlagen sind eindeutig belegbar. So liefern die am Biomassehof Achental verkauften Brennstoffe, das Heizwerk Grassau, der Heatpipe-Reformer von agnion und das Heizwerk Grabenstätt CO2-neutrale Wärme in die Region. Die Bioenergie ersetzt bei den angeschlossenen Haushalten meist Ölheizungen, da es im Achental keine Gasleitung gibt. In einigen Fällen wurden auch besonders energieintensive Stromheizungen ausgetauscht, die einen noch höheren Ein-spareffekt bedingen. Zusätzlich zur Wärme erzeugt der Heat-pipe-Reformer auch klimaneutralen Strom, der im Vergleich zum herkömmlichen Strommix in Deutschland ein hohes Einsparpotenzial aufweist.

Neue Arbeitsplätze durch Entwicklung Neben dem Klimaschutz entscheiden noch andere Faktoren über den Erfolg und die positive Wahrnehmung der Projekte innerhalb und außerhalb des Achentals. Durch den Betrieb der Anlagen entstehen Arbeitsplätze in der Region: Am Bio-massehof sind neun Personen beschäftigt, am Heizwerk zwei und am Vergaser ebenfalls zwei. Indirekt ist der Effekt weitaus

1) http://www.biomassehof-achental.de

→ Bild: Erläuterte den Dreiklang aus Biomassehof, Heizwerk und

Holzvergaser: Wolfgang Wimmer vom Ökomodell Achental (Foto: LfL).

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größer: Mehr als 100 Arbeitsplätze bestehen in der Zuliefe-rung, dem Anlagenbau, der Finanzierung und der Anlagen-wartung. Überdies verzeichnet der Tourismus eine erhöhte Zahl an Übernachtungen, die unter anderem durch den zu-nehmenden Anteil an Fachbesuchern aus dem In- und Aus-land ausgelöst wird. Nicht zu unterschätzen ist außerdem, dass die gemeinsam errichteten und teilweise kommunal finanzierten Anlagen ein starkes Wir-Gefühl hervorrufen, das besonders in der geographisch begrenzten Region des Achentals ein wichtiges Moment für viele Bewohner ist.

Umweltbildung mit Nutzen für die NaturEin großes Anliegen des Ökomodells Achental ist, den Men-schen jeden Alters die Vielfalt und Schönheit der alpinen Landschaft zu zeigen und sie an der regionalen Kultur teil-haben zu lassen. Dafür wurde eine Vielzahl von Angeboten entwickelt. Denn wenn es gelingt, den Menschen die Natur näher zu bringen, kann er sie besser kennen, schätzen und schützen lernen. Dafür ist es wichtig Zusammenhänge in der Natur verständlich zu machen und dadurch eine ganzheit-liche Sichtweise zu fördern. Die Bildungsarbeit trägt daher dazu bei, dass die biologische Vielfalt und das kulturelle Erbe der Heimat bewahrt werden. Nur mit dieser Grundlage ist eine nachhaltige Entwicklung, sowohl für die Gesellschaft als auch für die Wirtschaft, möglich.

Mit einem gebündelten, fachlich hochwertigen Bildungs-angebot wird ein breites Publikum in allen Altersstufen er-reicht. Zu den wesentlichen Strukturen in der Umweltbildung zählen der Arbeitskreis Umweltbildung, der Umweltbildner aus dem Achental versammelt, das Netzwerk Umweltbildung mit ähnlichem Fokus, aber weit größerem Gebiet (Landkreise Traunstein und Rosenheim), die Tourist-Informationen des Achentals sowie der Naturpavillon in Übersee.

Zahlreiche Einzelpersonen und Einrichtungen sind im Chiemgau in der Umweltbildung aktiv: Umweltbildungsein-richtungen, Museen, Naturführer oder Bäuerinnen. Unter der Federführung der Gebietsbetreuung Achental hat sich bereits 2003 der Arbeitskreis Umweltbildung im Ökomodell Achental e. V. etabliert, der Aktivitäten bündelt und Fortbil-dungen für Naturführer und andere Multiplikatoren orga-nisiert, Aktionen und Angebote entwickelt und abstimmt. Insbesondere für Familien, Kinder und Schulklassen werden hier Angebote erarbeitet.

Der Arbeitskreis der Achentaler Touristiker legt seinen Schwerpunkt darauf, den Gästen der Region besondere Na-tur- und Kulturerlebnisse zu ermöglichen. Der Achentaler Veranstaltungskalender führt alle aktuellen Termine der Re-gion auf, wo sowohl Einheimische als auch Gäste Angebote für jeden Geschmack finden. Das Ökomodell bietet zudem immer wieder Fortbildungen für Wanderführer an.

Zentrum der Umweltbildung im Achental und enger Ko-operationspartner des Ökomodells Achental ist der Natur-

pavillon in Übersee am Chiemsee. Dort finden von Mai bis Oktober Ausstellungen, Führungen, Programme für Schul-klassen und Kindergruppen, Fortbildungen für Lehrer und viele weitere Veranstaltungen statt. Um möglichst viele Menschen damit zu erreichen, werden die Kosten vollstän-dig kommunal und über das Ökomodell finanziert, so dass der Eintritt kostenfrei gehalten werden kann.

Das Netzwerk Umweltbildung Chiemgau bündelt die Ak-tivitäten und Angebote in der Region. Es bietet Fortbildun-gen und Erfahrungsaustausch für die Naturführer an. Das Ökomodell Achental ist federführend daran beteiligt. Auch um den Chiemsee besteht eine große Gruppe sehr gut aus-gebildeter Naturführer.

Die Bildung für die Umwelt spielt demnach eine zentrale Rolle am Ökomodell Achental. Alle vier Säulen des Vereins wer-den hier vereint: der Naturschutz wird erlebbar gemacht, die Stärken der regionalen Landwirtschaft werden durch anschau-liche Beispiele verständlich dargestellt, der sanfte Tourismus wird durch die Bildungsangebote direkt umgesetzt und die Wichtigkeit der Versorgung mit regionalen, erneuerbaren Ener-gien aus der reichhaltigen Landschaft wird besser begreifbar.

Finanzierung aus mehreren QuellenEine solide Finanzierung war und ist die Grundlage für die Arbeit des Ökomodells. Insbesondere für den Aufbau der Energieprojekte ist eine tragfähige Konstruktion wichtig. Es gibt drei Wege zur Finanzierung, die je nach Projekt in An-spruch genommen werden können:

→ Private Spenden und Mitgliedsbeiträge → Kommunale Haushaltsmittel → Gewinne aus der Unternehmensführung

(z. B. des Biomassehofs) → Fördermittel

Vorbild weit über die Region hinausIn den fast 17 Jahren des Bestehens hat das Ökomodell be-reits vieles erreicht, was ohne die übergemeindliche Zu-sammenarbeit nicht möglich gewesen wäre. Der Verein ist mittlerweile als zentrale Plattform für Umwelt-Angelegen-heiten und Regionalentwicklung weit über das Achental hinaus bekannt und steht für ein bekanntes Modell der in-terkommunalen Kooperation und der regionalen und kli-mafreundlichen Energieversorgung. Denn die umgesetz-ten Ideen funktionieren nicht nur hier – es gibt zahlreiche Regionen in Deutschland und Europa, die sich bewusst das Achental zum Vorbild nehmen. Das Achental unterstützt ausgewählte Regionen bei der Projektumsetzung im Rah-men von Kooperationen und EU-Programmen.

WOLFGANG WIMMERÖKOMODeLL ACHeNTAL e. V.www.oekomodell.de

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Hand in Hand für die WaldbauernMit Unterstützung der Behörden gehen Privatwaldbesitzer neue Wege

von KERSTIN WALCH: Zeit ist Geld. Dies gilt für die Landwirtschaft wie für die Forstwirt-schaft gleichermaßen. Leider lassen die vorhandenen Besitzstrukturen im Wald oftmals keine rationelle und nachhaltige Bewirtschaftung zu. Es fehlen moderne, ganzjährig befahrbare Waldwirtschaftswege. Die Grenzen zu den Nachbarn sind oftmals nicht klar erkennbar. Ein Flächentausch ist schwer vorstellbar, da die emotionale Bindung an den Wald sehr stark ist: Der Enkel erntet den Baum, den der Großvater gepflanzt hat. Wie es vier Waldbesitzer ge-meinsam mit den Behörden trotzdem schafften, die Bewirtschaftung ihrer Wälder zukunfts-fähig zu gestalten, zeigt das Beispiel aus der Gemeinde Ursensollen.

Der Wald erfüllt vielfältige Aufgaben in unserer Gesellschaft. Er ist Erholungsraum, Lieferant für nachwachsende Roh-stoffe und Lebensraum für die Natur. Damit der Wald seine vielfältigen Aufgaben erfüllen kann, ist eine wirtschaftliche und nachhaltige Waldnutzung notwendig.

Wie komme ich eigentlich in meinen Wald?„Wir konnten unsere Eigentumsflächen nur auf sehr schlecht befahrbaren Wegen erreichen. Teilweise hatten unsere Waldflächen keine eigene Erschließung“, so erinnert sich Thomas Dengler, einer der vier Waldbesitzer im Waldgebiet von Winkl, Gemeinde Ursensollen. Auch Michael Bartl, zu-ständiger Forstrevierleiter beim Amt für Ernährung, Land-wirtschaft und Forsten Amberg, kann sich noch gut an die Ausgangssituation erinnern. Allen Beteiligten war klar, dass sich die Erschließung der Forstflächen für eine wirtschaft-liche Nutzung entscheidend verbessern musste. Das Ziel war ein ganzjährig befahrbarer, lastwagentauglicher Weg für die Holzabfuhr, der die alten Schlepperwege ersetzen sollte.

Die Kosten für einen Waldwirtschaftsweg betragen je nach Schwierigkeitsgrad der Baumaßnahme ca. 50 bis 100 Euro je Meter. Die Bayerische Forstverwaltung unter-stützt die Erschließungsmaßnahme mit einem Zuschuss von mindestens 60 Prozent der Nettobaukosten. Die Rest-

kosten werden anteilig auf die Grundstückseigentümer, deren Waldflächen erschlossen werden, aufgeteilt. Je nach Weglänge, Größe des erschlossenen Waldgebietes und be-sonderen Erschwernissen bei der Baumaßnahme liegt die Höhe der Eigenbeteiligung bei 500 bis 1 200 Euro pro Hektar. Michael Bartl stellt klar, dass der finanzielle Eigenanteil der beteiligten Waldbesitzer zum größten Teil durch den Holz-anfall beim Trassenaufhieb sowie die erste waldbaulich sinn-volle Durchforstung abgedeckt werden konnte.

Die Fläche des neu gebauten Waldweges wurde von den beteiligten Grundstückseigentümern unentgeltlich zur Ver-fügung gestellt, blieb aber in ihrem Eigentum. Die jeweiligen Hinterlieger erhielten eine Überfahrtserlaubnis.

Aus drei Flurstücken mach‘ eins, geht das? Ein weiteres Problem wurde den Waldbesitzern im Zuge des Waldwegebaus immer deutlicher, nämlich die ungünstige Aufteilung ihrer Eigentumsflächen. Die Lösung lieferte das Amt für Ländliche Entwicklung Oberpfalz mit dem Freiwilli-gen Landtausch (siehe Infobox).

„Die vier Waldbauern hatten vor dem Tausch insgesamt 80 Flurstücke, danach nur noch 24. Das Tauschverhältnis von

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→ Bild: Neu gebauter Waldwirtschaftsweg (Foto: Michael Bartl).

Mit dem Freiwilligen Landtausch bietet die Bayerische Ver-waltung für Ländliche Entwicklung eine schnelle, bedarfs-gerechte und kostengünstige Form der Bodenordnung für land- und forstwirtschaftliche Grundstücke nach dem Flurbereinigungsgesetz an. Ziel des Verfahrens ist eine Ver-besserung der Agrarstruktur, die eine wirtschaftliche und nachhaltige Bewirtschaftung der Flächen gewährleistet. Der Freiwillige Landtausch kann auch aus Gründen des Na-turschutzes und der Landespflege durchgeführt werden.

Infobox 1: Der Freiwillige Landtausch

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3,3:1 ist für die Beteiligten ein tolles Ergebnis“, erläutert Ker-stin Walch vom Amt für Ländliche Entwicklung Oberpfalz. Die Waldflächen, die den Eigentümer wechselten, wurden von einem Forstsachverständigen geschätzt. Dieses Wald-wertgutachten war die Grundlage für den nachfolgenden Flächentausch. Neue Grenzen, die im Zuge des Freiwilligen Landtausches notwendig waren, hat das Amt für Digitalisie-rung, Breitband und Vermessung in Amtshilfe aufgemessen. Die Tauschpartner mussten lediglich die Nebenkosten der Vermessung wie z. B. die Grenzsteine übernehmen (Abbil-dungen 1 und 2).

Gehört der Baum mir?„Eine weiteres Problem, das wir lösen wollten, waren die teil-weise nicht mehr klar ersichtlichen Grenzen unserer Wald-flurstücke“, so Thomas Dengler. Dafür hatte Gerhard Baumer,

stellvertretender Leiter des Amtes für Digitalisierung, Breit-band und Vermessung Amberg, die passende Lösung, näm-lich Grenzfeststellungen durch die Katasterneuvermessung. Hierbei wurden alle Grenzen im Bearbeitungsgebiet über-prüft und falls erforderlich abgemarkt. Voraussetzung war zum einen, dass es sich um ein zusammenhängendes Wald-gebiet von mindestens 20 Hektar handelt. Zum anderen, dass ein öffentliches Interesse wie z. B. forstliche Nutzung als Beitrag zur Energiewende bestand. Die Ermäßigung für die Grenzfeststellungen bei den Winkler Waldbauern betrug 50 Prozent. „Die Vorteile für die Waldbesitzer liegen auf der Hand“, so Gerhard Baumer. „Jeder Eigentümer hat nach der Katasterneuvermessung abgemarkte Flurstücke mit exakt berechneten Flächen“.

Was die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Wald-bauern und Behörden gebracht hat, fasst Thomas Deng-ler zusammen: „Wir haben nun größere abgemarkte Wald-grundstücke, die durch den neu gebauten Wirtschaftsweg erschlossen sind. Wir haben damit eine Wertsteigerung un-serer Flächen erreicht. Die rationelle und nachhaltige Bewirt-schaftung unserer Wälder ist gesichert.“

KERSTIN WALCHAMT FÜr LÄNDLICHe eNTwICKLUNg OBerPFALZkerstin.walch@ale­opf.bayern.de

Michael Bartl Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Amberg [email protected]

Gerhard Baumer Amt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung Amberg [email protected]

Infobox 2: Weitere Ansprechpartner

→ Abbildung 1: Freiwilliger Landtausch Winkl – Einlage → Abbildung 2: Freiwilliger Landtausch Winkl – Abfindung

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Wohnbauprojekt in Holzsystembauweise Minister Brunner besichtigt Wohnanlage einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft

von ELISABETH SCHEINBACHER: Ein altes Bauernhaus aus Holz mit üppigem Blumen-schmuck, eine urige Holzhütte im Voralpenland, diese Beispiele zeigen: Holzbau hat Tradi-tion in Bayern! Bei fast jedem fünften neuen Einfamilienhaus entscheiden sich die Bauherren inzwischen für den klimafreundlichen und nachwachsenden Rohstoff Holz. Mehrgeschossige Wohnkomplexe mitten in der Großstadt sind aber oft nicht das Erste, woran die Menschen beim Stichwort Holzbau denken. Dass Holz auch dafür der richtige Baustoff sein kann, davon hat sich Forstminister Brunner bei der Besichtigung einer neuen Wohnanlage der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GEWOFAG in München überzeugt.

Über dem Parkplatz des „Dantebades“ entstanden in Rekordzeit 100 neue Wohnungen. Dabei konnte der Park-platz des Bades weitgehend erhalten werden. Brunner: „Gerade in Städten, wo Bauland Mangelware ist, brauchen wir innovative Lösungen zur Nachver-dichtung. Der Holzbau ist dafür ideal geeignet.“ In dem vierstöckigen Holz-bau leben unter dem Motto „Wohnen für alle“ Studenten, Flüchtlinge und an-dere in kleinen Wohneinheiten.

Bei der an die Besichtigung der Wohnanlage anschließenden Diskus-sion mit Vertretern der GEWOFAG, der Stadt München und Bauexperten be-tonte der Minister, dass das Bauen mit Holz für ihn schon lange ein wichtiges Thema sei. Denn Holzgebäude sind wahre Klimaschützer: Sie speichern CO2 und entziehen es dauerhaft der Atmosphäre. Brunner: „Und das Beste dabei: Holz ist unser wichtigster nach-wachsender Rohstoff in Bayern. Wir nutzen ihn nachhaltig, die Vorräte neh-men zu, ein Mangel ist also auch in der Zukunft nicht zu befürchten.“

Holzbauquote legt zuGleichzeitig ist die Forst- und Holz-wirtschaft ein wesentlicher Wirt-schaftsfaktor in Bayern. Fast 200 000

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• Grundstücksgröße: 4 200 m²• Grundstückseigentümer: Stadt München• Überbauung des öffentlichen Parkplatzes mit 100 Wohnungen,

(davon 86 Einzimmerwohnungen und 14 Wohnungen mit 2,5 Zimmern)• Wohnkomplex steht auf einer Betonrahmenkonstruktion mit Stahlbeton-

decke, die darüber liegenden vier Stockwerke sind in Holzsystembauweise gefertigt

• Projektbeginn: Januar 2016, Fertigstellung: Dezember 2016

Infobox: Grunddaten der Wohnanlage

→ Bild 1: Innovatives Bauen mit Holz: Das Wohnbauprojekt in Holzsystembauweise der Wohnbau-

gesellschaft GEWOFAG am Dantebad in München (alle Fotos: Nicolas Armer, StMELF).

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→ Bild 2: Staatsminister Brunner (Mitte) besichtigt eine Musterwohnung in der

Wohnanlage „Wohnen für Alle“ am Dantebad in München.

Arbeitsplätze und 37 Milliarden Euro Umsatz hängen an der Branche. Etwa 15 Prozent dieses Umsatzes trägt allein die Holzbaubranche dazu bei. Die Holzbauquote in Bayern hat in den ver-gangenen Jahren deutlich zugelegt. Im Woh-nungsbau seit 1983 von vier Prozent auf 19 Pro-zent. Beim mehrgeschossigen Wohnungsbau jedoch stagniert die Holzbauquote seit Jahren zwischen zwei und drei Prozent. Hier sieht der Minister noch großes Wachstumspotenzial für die Zukunft. Sein Ressort wirbt daher nicht nur für Holzbaulösungen, sondern setzt bei geeig-neten Vorhaben Holzbauten um. Dies geschieht beispielsweise beim Erweiterungsbau der Lan-desanstalt für Wald und Forstwirtschaft in Frei-sing, dem Steigerwaldzentrum in Handthal oder bei der Sanierung und Aufstockung des Forstan-wesens in Schweinfurt oder dem Amt für Länd-liche Entwicklung Oberpfalz. Solche Vorhaben sind durchaus als Referenzprojekte anzusehen, die die Leis-tungsfähigkeit des modernen Holzbaus vorbildlich heraus-stellen und so Bauherren die Scheu vor diesem „neuen Bau-material“ nehmen können.

Kurze Bauzeit durch hohen VorfertigungsgradBesonders hob Minister Brunner hervor, wie wichtig es ihm ist, dem fortschreitenden Flächenverbrauch durch innova-tive Ansätze entgegenzuwirken. Dabei bietet sich der Holz-bau als ideale Lösung für die innerstädtische Verdichtung an, denn er ist wirtschaftlich, schnell, sauber und nachhal-tig. Beeindruckt hat den Minister auch die kurze Bauzeit: „Innerhalb eines Jahres entstanden 100 Wohnungen, von der Planung bis zur Ausführung – das ist vorbildlich.“ Mög-lich gemacht hat das der hohe Vorfertigungsgrad des Holz-systembaus. Außerdem profitieren die Anwohner von ver-gleichsweise sauberen und leisen Baustellen. Durch den Holzbau ist zudem die besondere Nachhaltigkeit des Vor-habens, auch unter Klimaschutzaspekten, gewährleistet.

Zum Abschluss des Besuchs bedankte sich der Minister sehr herzlich bei der GEWOFAG, die den interessanten Be-such der Wohnanlage ermöglicht hatte und äußerte den Wunsch, dass dieses innovative Bauprojekt bei anderen Bau-herren hoffentlich Schule macht.

ELISABETH SCHEINBACHERBAYerISCHeS STAATSMINISTerIUM FÜr erNÄHrUNg, LANDwIrTSCHAFT UND [email protected]

→ Bild 3: Im urbanen Bereich ist Holz ein idealer Baustoff: Hohe

Vorfertigungsgrade im Holzssystembau ermöglichen schnellen

Baufortschritt. Gleichzeitig ist Bauen mit Holz durch die langfristige

Speicherung des Kohlenstoffs ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz.

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Glaubwürdigkeit – das höchste Gut einer Führungskraft

von URLICH LIEBERTH: Die aktuellen Diskussionen um den ehemaligen VW-Vorstandsvorsit-zenden Martin Winterkorn, den Stabswechsel von Siegmar Gabriel hin zum neuen SPD-Vor-sitzenden Martin Schulz bis hin zur Inthronisierung des neuen US-Präsidenten Donald Trump zeigen, welch hohe Bedeutung dem Wert „Glaubwürdigkeit“ beizumessen ist. Das gilt in glei-cher Weise für die Vorgesetzten bzw. Führungskräfte jeglicher Organisation – auch unserer Verwaltung. In der politischen Diskussion ist immer wieder vom Wertekanon der Weltord-nung die Rede. Doch wer kennt diesen Wertekanon schon? Ohne konkret diesen Werteka-non zu definieren, bleibt es eine abstrakte (Schein-)Diskussion. Welche Stellung hat der Wert „Glaubwürdigkeit“ innerhalb dieses „Wertekanons“? Ein Blick in die Führungsliteratur bringt Licht in diesen Nebel.

Das Thema „werteorientiere Führung“ bleibt ein leerer Begriff solange man sich nicht der Mühe unterzieht, die beliebtesten und zugleich wichtigs-ten Werte zu definieren, diese zu be-schreiben und zu erklären sowie sie im Anschluss daran in eine Art Rangord-nung zu bringen. KOUZES & POSNER haben sich in ihrem Werk „Leadership Challenge“ der Mühe unterzogen, in mehreren Untersuchungen in der ge-samten Welt die wichtigsten Werte her-auszufiltern und sie in eine Art Ranking zu bringen. Das Ergebnis finden Sie in der Tabelle. Weltweit ist der Wert „Eh-renhaftigkeit“ im Sinne von Glaubwür-digkeit der bzw. einer der wichtigsten Werte.

Wertekanon – Ranking der WerteAus all diesen Werten entsteht ein Wertekanon unter der Voraussetzung, dass die Werte nicht nur lose aneinander gereiht werden, sondern zugleich klar zum Ausdruck ge-bracht wird, welche die wichtigsten Werte für ein Unterneh-men sind. Und zweifelsohne sind alle Organisationen auf der Grundlage dieses eindeutigen Ergebnisses gut beraten, den Wert „Glaubwürdigkeit“ ganz oben oder zumindest weit oben anzusiedeln.

Die glaubwürdigkeit ist die schönste Visitenkarte eines Menschen.

Hubert Joost (*1939) Steuerberater im ruhestand

Vermutlich macht exakt das den Unterschied aus zwi-schen Politikern, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, aber auch Führungskräften in unserer Verwaltungswelt. Menschen spüren (vermutlich eher unbewusst), wer von den zur Wahl stehenden Präsidentschafts- oder Kanzlerkan-didaten glaubwürdig ist. Auch Präsident Trump ist zweifels-ohne glaubwürdig, er löst gerade 1:1 ein, was er verspro-chen hat, oder versucht es zumindest. Aber neben dem Wert „Glaubwürdigkeit“ gibt es eben noch andere Werte wie z. B. „Gerechtigkeit“, „Respekt vor der Würde des Menschen“, „zu-kunftsorientiert“ etc., die ebenfalls sehr wichtig sind.

Die Bedeutung von GlaubwürdigkeitSchon im ersten Kapitel bringen es KOUZES & POSNER auf den Punkt: „Glaubwürdigkeit ist das Fundament“. Sie ist Grundlage jeglicher Führung. Glaubwürdigkeit hat etwas mit Seriosität, Vertrauenswürdigkeit, Zuverlässigkeit zu tun.

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→ Tabelle: Länderübergreifender Vergleich der Merkmale einer bewunderten Führungskraft;

Prozentsatz der Befragten, die das jeweilige Merkmal nannten (aus KOUZES & POSNER, Seite 47)

Land Ehrenhaft Zukunftsorientiert Inspirierend Kompetent

Australien 93 83 73 59

Kanada 88 88 73 60

Japan 67 83 51 61

Korea 74 82 55 62

Malaysia 95 78 60 62

Mexiko 85 82 71 62

Neuseeland 86 86 71 68

Singapur 72 76 69 76

Schweden/Dänemark 84 86 90 53

USA 89 71 69 68

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Ähnlich gelagerte Begriffe sind: Verlässlichkeit, Sicherheit, Ehrenhaftigkeit, Unanfechtbarkeit, Echtheit (= Authentizi-tät) oder Solidität.

Glaubwürdigkeit setzt sich aus den zwei Begriffen „Glaube“ und „Würde“ zusammen, diese haben eine ver-schiedene Herkunft: Das Wort „Glaube“ wurde aus dem In-dogermanischen abgeleitet und meint „begehren“‚ „lieb haben“, „für lieb erklären“. Der Begriff „Würde“ stammt vom lateinischen „dignitas“ ab, was so viel wie Würde, Ehre, An-sehen bedeutet.

Wie entsteht Glaubwürdigkeit?Die Gültigkeit bzw. Wahrhaftigkeit einer Aussage wird durch die Glaubwürdigkeit beschrieben. Sagt jemand etwas und klingt das, als sei es wahr, so schenkt man dieser Aussage Glauben – Glaubwürdigkeit in Bezug auf diese Person ent-steht. Auf diese Weise können Personen an Glaubwürdigkeit gewinnen. Gibt eine Person oft oder immer die Wahrheit von sich, so ist diese glaubwürdig bzw. wird immer glaub-würdiger. Kann man einer Person aber nicht vertrauen, da diese beispielsweise sehr oft lügt bzw. oft spontan ihre Mei-nung ändert, dann ist sie nicht glaubwürdig bzw. verliert an Glaubwürdigkeit. Gelebte und erlebbare Werte können und werden wachsen. Exakt das Gegenteil ist der Fall, wenn Werte eben nicht gelebt werden bzw. erlebbar sind.

glaubwürdigkeit ist doch eine einfache Sache: Man sagt, was man tut und man tut, was man sagt.

Daniel Dagan (*1942) israelischer Journalist und Autor

Bausteine der GlaubwürdigkeitGlaubwürdigkeit ist die Grundlage für erfolgreiche Kommu-nikation und das Fundament für jede zwischenmenschliche Interaktion. Es gibt einige wesentliche Kriterien, aus denen sich der abstrakte Begriff der Glaubwürdigkeit zusammen-setzt:

EhrlichkeitWer kennt nicht das Sprichwort: „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht.“ Unwahrheit zu sagen, setzt Verlässlichkeit aufs Spiel. Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, über alles reden bzw. alles erzählen zu müssen. Es ist das gute Recht von uns allen zu entscheiden, ob oder wann man etwas preisgeben möchte bzw. kann. Die Glaubwürdigkeit nimmt keinen Schaden, wenn jemand sagt, dass er sich momen-tan zu einem bestimmten Thema nicht äußern kann bzw.

möchte. Es gilt zugleich der Satz „Sei wahr in dem was du sagst, aber du musst nicht alles sagen!“

Transparenz Wenn stets verständlich, offen und nachvollziehbar kom-muniziert oder argumentiert wird, wird langfristig Glaub-würdigkeit wachsen und gesichert. Denn erst dadurch, dass eine Führungskraft beispielsweise ihre Ziele oder Interes-sen kundtut, wird diese Person für eine andere Person in gewisser Weise greifbar und „berechenbar“. Die Frage „Für was steht diese Person?“ kann zunehmend beantwortet werden. Man kann ihre Handlungen besser zurechnen. Zur Transparenz gehört auch, dass ein Vorgesetzter gegebenen-falls auch Gefühle oder die innere Stimmung offen und ehr-lich mitteilt.

Authentizität Das Wort stammt aus dem Griechischen und heißt „Echt-heit, Zuverlässigkeit, Glaubwürdigkeit“. Wenn jemand über diese Persönlichkeitsmerkmale verfügt, wirkt er automa-tisch glaubhaft. Authentisch ist, wer die eigenen Stärken und Schwächen sowie Ecken und Kanten nicht nur kennt, sondern auch zu ihnen steht.

Authentizität ist ein Teil der Ausstrahlung von Mensch im zwischenmenschlichen Kontakt und lässt sich nicht dauer-haft vortäuschen. Daher kommt es darauf an, selbst zu sein, statt einem Idealbild hinterherzulaufen. Zugleich geht es nicht darum jedem zu gefallen, d. h. jeder von uns ist ge-fordert – auch nach oben – den Mut zu zeigen, sich nicht zu verbiegen. Andernfalls werden widersprüchliche Signale ausgesendet, die es anderen erschweren, jemandem zu ver-trauen.

Reden und Handeln müssen übereinstimmen!Dazu gehört auch zunächst einmal nichts zu versprechen, was man nicht halten kann oder will. Vorzugeben, jemand zu sein, der man nicht ist, oder etwas zu können, was nicht der Fall ist, sind ebenfalls Kardinalfehler.

Konsistentes Verhalten Damit ist gemeint, dass jemand beständig und wider-spruchsfrei agiert bzw. agieren soll. Wird einer Person dieses und einer zweiten jenes erzählt, wird bzw. kann es schwierig werden. Spätestens wenn sich diese beiden Personen aus-tauschen, stünde die Glaubwürdigkeit unter keinem guten Stern.

Nicht nur rechtlich, sondern auch ethisch korrekt?Ein Politiker bzw. eine Führungskraft kann gesetzes- und regelkonform entscheiden und handeln, aber kann dabei

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alles andere als glaubwürdig wirken: Ist es ethisch korrekt, wenn ein Vorstandsvorsitzender wie Schrempp oder Win-terkorn Milliarden in den Sand setzen, aber dafür nicht haf-ten müssen? Ist es glaubwürdig bzw. ethisch korrekt, wenn diese Persönlichkeiten nach ihrem unrühmlichen Abschied neben millionenschweren Abfindungen auch noch eine ebenso schwere Rente beziehen? Dieses Verhalten ist sicher rechtens, da der Arbeitsvertrag vermutlich so ausformuliert wurde, aber ethisch-moralisch ist dies völlig unakzeptabel. Eine Steigerung ist die gebetsmühlenhafte Behauptung, sie hätten von den „Unregelmäßigkeiten“ nichts gewusst – so-lange nicht das Gegenteil bewiesen ist, sicher rechtlich okay, aber glaubwürdig?

glaubwürdigkeit ist dauerhafter als ruhm.Pavel Kosorin (*1964)

tschechischer Schriftsteller und Aphoristiker

Nicht nur rechtlich, sondern auch ethisch korrekt!Aus meiner Sicht ist es an der Zeit neben den in der Ver-waltung verfügbaren Führungsrichtlinien, die ausschließ-lich Führungsmittel und -instrumente enthalten, Führungs-kräfte auch nach den von ihnen gelebten und erlebbaren Werten zu beurteilen und auszuwählen. Hierzu sind vorab die Werte herauszuarbeiten, nach denen sich innerhalb un-serer Verwaltung ethisch korrektes Verhalten bemisst und orientiert (= Wertekanon oder Ethik-Kodex).

Ich würde mir daher wünschen, in unserer Verwaltungs-welt (und darüber hinaus, z.  B. auch auf der politischen Bühne) nicht nur darauf zu achten, ob jemand rechtlich einwandfrei gehandelt hat, sondern auch und besonders,

ob er gemessen an einem definierten Wertekanon ethisch korrekt gehandelt hat. Und im Zweifel sollte aus meiner Sicht ethisch korrektes Handeln über rechtlich einwandfreiem ste-hen, denn letzteres ist oft nur eine Frage der Vertragsgestal-tung. Nur so kann gewährleistet werden, dass die „Winter-korns und Co.“ für ihr Fehlverhalten auch zur Verantwortung gezogen werden können.

Dass Glaubwürdigkeit für Führungskräfte von elemen-tarer Bedeutung ist, darüber gibt es kaum Streit. Dennoch bleibt diese Einsicht, und mit ihr die Glaubwürdigkeit, im Verwaltungsalltag nicht selten auf der Strecke. Mit fatalen Konsequenzen, denn wenn die Mitarbeiter die Aussagen ihres Chefs nicht mehr ernst nehmen (können), verliert er nicht nur ihren Respekt, sondern weitgehend auch die Mög-lichkeit, sie zu führen. Daher ist es wichtig zu wissen, was Glaubwürdigkeit ausmacht – und was sie beschädigt oder in Gefahr bringt.

Literatur[1] KOUZES & POSNER: Leadership Challenge, deutschspra-

chige Ausgabe, Wiley-VCH Verlag, 1. Auflage 2009[2] https://www.wertesysteme.de/alle-werte-definitio-

nen/g-h-i-j/glaubwürdigkeit/[3] https://www.wirtschaftswissen.de/unternehmensgru-

endung-und-fuehrung/arbeitsorganisation/zeitma-nagement-methoden/die-5-bausteine-der-glaubwu-erdigkeit/

ULRICH LIEBERTHAMT FÜr erNÄHrUNg, LANDwIrTSCHAFT UND FOrSTeN LANDSHUTulrich.lieberth@aelf­la.bayern.de

Warum funktionieren Kommunikations-rezepte nie? Was bedeutet Schweigen? Mit wie vielen Ohren hören wir zu? Wa-rum sind Missverständnisse normal?

Ein Buch über die großen und kleinen Fragen der Kommunika-tion ist aus dem Dialog zwischen dem Psycholo-gen Friedemann Schulz von Thun

Kommunikation als Lebenskunst – Philosophie und Praxis des Miteinanderredens

und dem Medienwissenschaftler Bern-hard Pörksen entstanden. Humorvoll und ernst entblättert es die zentralen Modelle der Kommunikationspsycho-logie und verdeutlicht, wie sich die ver-schiedenenen Modelle und Perspekti-ven in der Praxis bewähren. Zum Schluss des Buches begeben sich die Experten auf die Suche nach der Stimmigkeit in Kommunikation und Leben. Schulz von Thun meint, dass es unser Gegenüber auch immer mit unserer Philosophie zu tun bekommt: dem Reim, den wir uns als Menschen auf dieses Leben machen,

was das Ganze soll und worauf es in un-serer Existenz ankommt. Mit dem Buch bekommt man Lust, diese eigene Wir-kung für sich selbst genauer zu fassen und auch entsprechend einzusetzen.

Friedemann Schulz von Thun und Bern-hard Pörksen, Kommunikations als Lebens-kunst, Carl-Auer-Systeme Verlag, 2014, Heidelberg, 217 Seiten, Kt, 2. Aufl. 2016, 21,95 Euro, ISBN 978-3-8497-0173-4

entnommen aus BDF-Aktuell Heft 4/2017

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Fair führen Erfolgreich mit Gerechtigkeit

von PROF. DR. GÜNTER W. MAIER, DR. BARBARA STEINMANN und SONJA K. ÖTTING: Fair-ness bewirkt etwas – das zeigen seit Jahrzehnten viele Studien im Labor aber auch in vie-len Unternehmen, Organisationen und Branchen. Leistung, Einsatz, Arbeitszufriedenheit, rechtstreues Handeln und vieles mehr kann dadurch erreicht werden, dass die Betroffenen zur Auffassung kommen, dass es bei einer Entscheidung fair zugegangen ist. Gesetzeskonfor-mes Handeln allein bedeutet aber noch nicht automatisch, dass die Betroffenen die Entschei-dung, das Vorgehen oder den Umgang als fair beurteilen. Vielmehr kommt es darauf an, die Grundprinzipien der organisationalen Gerechtigkeit anzuwenden. Denn das Gute ist: Die Wahrnehmung von Gerechtigkeit bei Mitarbeitern, Kunden und Bürgern ist gestaltbar.

Aufgabenzuweisungen, Beförderungen, Beurteilungen, Bürozuteilung und -ausstattung, Dienstbefreiungen, Leis-tungsprämien, Personalauswahl, oder die Teilnahme an Fortbildungen stellen Entscheidungen dar, die täglich im Berufsalltag getroffen werden. Genehmigungen zur Änderung der Nutzungsart, zur Errichtung, Veränderung oder Beseitigung beispielsweise von Brunnen, Hangter-rassen oder Gehölz, die Feststellung des Plans über öf-fentliche Anlagen, oder die Bereitstellung von Geldern zur Umsetzung des Plans – all das sind Fälle, in denen inner-halb einer Verwaltung auch gegenüber Bürgern Entschei-dungen getroffen werden. Häufig stellen sich Personen, die von Entscheidungen betroffen sind, die Frage, ob es dabei fair zugegangen ist.

Fragen zur Fairness in Deutschland nehmen schon seit langer Zeit eine zentrale Rolle in der öffentlichen Diskus-sion ein – nicht nur in Zeiten von Wahlen. So wird beispiels-weise seit 1964 in einer bevölkerungsrepräsentativen Um-frage danach gefragt, ob die wirtschaftlichen Verhältnisse in Deutschland gerecht seien. Seit 1995 dehnt sich die Kluft zwischen der Auffassung, dass es gerecht zugehe vs. der Auffassung, dass es ungerecht zugehe immer weiter aus – bis zum bislang maximalen Unterschied aus der Befragung 2013 (gerecht: 18 Prozent vs. ungerecht: 68 Prozent Zustim-mung: PETERSEN ET AL., 2013). Diese Entwicklung ist des-halb bedenklich, weil soziale Gefüge durch das Erleben von Gerechtigkeit verbunden und erst dadurch leistungsfähig werden (JACOBS & DALBERT, 2008). Mittlerweile liegt für die Wirkung von erlebter Gerechtigkeit auch in Organisationen (Unternehmen, Verwaltungen etc.) eine Vielzahl an Befun-den vor, die eindrucksvoll deren weitreichende Bedeutung unterstreicht. Im Folgenden werden wir darauf eingehen, wo und warum die organisationale Gerechtigkeit wirkt, wel-che Formen unterschieden und wie die Befunde zur organi-sationalen Gerechtigkeit in den beruflichen Alltag integriert werden können.

Wo und warum ist Gerechtigkeit wichtig?In der organisationalen Gerechtigkeitsforschung werden die Begriffe Gerechtigkeit und Fairness meist synonym ver-wendet; dabei beziehen sie sich auf die Wahrnehmung von Gerechtigkeit, also darauf, was Beschäftigte als gerecht an-sehen – nicht auf das, was aus einer normativen Perspektive heraus gerecht ist. Gleichwohl besteht sehr große Einigkeit unter Beschäftigten darüber, wann Entscheidungen als ge-recht angesehen werden. Der Eindruck von Fairness bildet sich meist anlässlich von Entscheidungen in hierarchischen Kontexten (z. B. Vorgesetzter – Mitarbeiter, Richter – Ange-klagter, Polizist – Bürger),

→ an denen Betroffene selbst als diejenigen beteiligt sind, die „Opfer“ (im positiven oder negativen Sinn) dieser Entscheidung sind oder

→ von denen sie in ihrem sozialen Umfeld erfahren haben.

→ Er stellt sich nicht automatisch dann ein, wenn Ent-scheidungen rechtmäßig sind, d. h. rechtmäßiges Handeln kann in einem Fall als fair, im anderen als unfair wahrgenommen werden, je nachdem, wie das Recht angewendet und kommuniziert wird.

Gut untersucht sind die Reaktionen auf das Gerechtigkeits-erleben von Beschäftigten in Organisationen, von Kunden und von Bürgern. Nehmen Beschäftigte Entscheidungen in ihren Organisationen als fair wahr, dann geht dies ein-her mit entsprechend hoher Arbeitsleistung und -einsatz, Vertrauen, Bindung an die Organisation oder einer entspre-chend guten Beziehung zur Führungskraft (COLQUITT ET AL., 2013). Auch Kunden reagieren positiv auf „fairen“ Um-gang mit ihren Beschwerden (GELBRICH & ROSCHK, 2011). Schließlich zeigen Bürger nach fairem Umgang durch Poli-zisten, dass sie sich eher an (rechtliche) Regeln halten, als wenn sie sich unfair behandelt fühlen (z. B. TYLER, 2003). Diese Wirkung organisationaler Gerechtigkeit zeigt sich, weil

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durch deren Erleben ein sozialer Austauschprozess angeregt wird: Die positive Erfahrung von Gerechtigkeit regt die Be-troffenen dazu an, sich im Gegenzug entsprechend positiv zu verhalten.

Formen von GerechtigkeitIn den letzten 50 Jahren der Forschung wurden nach und nach vier Formen organisationaler Gerechtigkeit unter-schieden (siehe Infobox 1). Alle vier Formen organisationaler

Für die Studie von Garland (1973) wurden Teilnehmer damit angeworben, dass ihnen für das Korrekturlesen 30 Cent pro Seite in Aussicht gestellt wurden. Die Interessenten für die Studienteilnahme wurden in drei Gruppen eingeteilt. Die Kontrollgruppe er-hielt den angekündigten Betrag je korrekturgelesener Seite (= gerecht bezahlte Gruppe). Einer weiteren Gruppe wurde mitge-teilt, dass leider nur die Hälfte von dem angekündigten Betrag gezahlt werden könne (= unterbezahlte Gruppe) und die dritte Gruppe erfuhr, dass sie nun die doppelte Bezahlung erhalten würde (= überbezahlte Gruppe). Anschließend begannen die Studienteilnehmer mit dem Korrekturlesen. Die Ergebnisse zeigten, dass die unterbezahlte Gruppe deutlich mehr Seiten bear-beitete, als die gerecht oder die überbezahlte Gruppe (siehe Abbildung (a), allerdings auf Kosten der entdeckten Fehler (siehe Ab-bildung (b). Die Studie zeigt weiterhin, dass auch Überbezahlung zu Problemen führen kann: Zwar entdeckte die überbezahlte Gruppe die meisten Fehler je Seite, allerdings kennzeichnete sie auch Richtiges als falsch (Abbildung (c). Die Studie zeigt also, dass das Erleben von Verteilungsungerechtigkeit sowohl im Fall von Unter- als auch im Fall von Überbezahlung zu unerwünsch-ten Effekten führen kann.

Infobox 2: Einfluss der Bezahlung auf Arbeitsqualität und -quantität

→ Abbildung 1 (a) – (c): Einfluss der Bezahlung auf Arbeitsquantität und -qualität

Art der Gerechtigkeit

Distributive Gerechtigkeit

Prozedurale GerechtigkeitInterpersonale Gerechtigkeit

Informationale Gerechtigkeit

Fokus Ergebnis der Entscheidung

Entscheidungsprozess Kommunikation der Entscheidung

Beispiel Z.B. Vergleich des Verhältnisses von Aufwendung zu Ergebnis

Z.B. Stimme im Prozess, Mög-lichkeit zur Korrektur, Akku-ratheit, Konsistenz, Unvorein-genommenheit, Ethik

Respektvolle und höfliche Kommunikation

Wahrheitsgemäße und angemessene Erklärun-gen und Begründungen

Infobox 1: Formen organisationaler Gerechtigkeit

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Gerechtigkeit können ökonomisch in schriftlichen Befragun-gen auch auf Deutsch erhoben werden (z. B. MAIER ET AL., 2007); dieses Instrument hat sich auch in umfangreichen Studien mit Berufstätigen bewährt (z. B. STREICHER ET AL., 2007). Organisationale Gerechtigkeit kann nicht nur Berück-

sichtigung im persönlichen oder schriftlichen Umgang zwi-schen Menschen finden, sondern auch bei der Interaktion zwischen technischen Systemen und Menschen (ÖTTING ET AL., 2017). Wie die Grundprinzipien organisationaler Gerech-tigkeit angewendet werden können, zeigt Infobox 3.

Worauf achten: Wie?

Distributive Gerechtigkeit

1. Welches Prinzip der Verteilungs-gerechtigkeit legen die beteiligten Personen zugrunde?

Dialog: nachfragen, erläuternBekanntgaben: erläutern

2. Welche Beiträge könnten die be-treffenden Personen für sich selbst sehen? [Gleichgewichtsprinzip]

Erfahrung (Dienstjahre, übernommene Aufgaben etc.), fachliche Ausbildung / Weiter-bildung, Kontakte, Einsatz, Gesundheit, ...

3. Welche Ergebnisse könnten von den betreffenden Personen ge-sehen / wertgeschätzt werden? [Gleichgewichts prinzip]

Vergütung, interessante Aufgaben, best. regionale Verantwortung, kurze Pendelzeit, Ausstattung (Möbel, techn. Geräte etc.), abwechslungsreiche Aufgaben, Teilnahme an Weiterbildungsveranstaltungen, Teilnahme an Tagungen, etc.

Prozedurale Gerechtigkeit

1. Welche Bedeutung hat die proze-durale Gerechtigkeit?

Ein besonderes Augenmerk sollte auf diese Form gelegt werden, weil alle (vor der Be-kanntgabe der Ergebnisse von Entscheidungen) mit dem Verfahren konfrontiert sind.

2. Wo kann die Verfahrensgerechtig-keit zur Anwendung kommen?

Anweisungen zu Verfahrensabläufen (z. B. Personalauswahl, Entscheidungen zu Res-sourcenzuteilung etc.), Bekanntgaben, Informationsschreiben, Bescheiden, telefoni-schen oder mündlichen Auskünften, Besprechungen etc.

3. Was kann dabei gestaltet werden? Entscheidungsregeln transparent machen, den Betroffenen die Möglichkeit geben, sich zu der Entscheidung zu äußern, Entscheidungsgrundlage darstellen, ausführlich begründen etc.

4. Wer ist dafür verantwortlich? I. d. R. bezieht sich die Verfahrensgerechtigkeit auf Vorgänge, die in der Verantwor-tung größerer Einheiten liegen. Mit umgesetzt werden müssen sie von den direkten Vorgesetzten oder den Zuständigen für Vorgänge.

Interpersonale und informationale Gerechtigkeit

1. Wo kommt die interpersonale Gerechtigkeit zum Tragen?

Dialog: mit Mitarbeitern, Kollegen, BürgernBekanntgaben: schriftlich und mündlich

2. Was kann vorbereitend / beglei-tend getan werden, diese Formen der Gerechtigkeit zu ermöglichen?

z. B. vorab ausreichend informieren (aus Anfragen systematisch lernen), um Anfrage-spitzen zu minimieren und möglicher Überlastung der Mitarbeiter vorzubeugen, durch „Job Rotation“ Monotonie, Abstumpfung und Burnout vorbeugen, gegebenen-falls Super vision anbieten

3. Wie kann die interpersonale Gerechtigkeit gestaltet werden?

Integrität und Wertschätzung gegenüber dem „Gesprächspartner“ zum Ausdruck bringen, ausführlich und spezifisch begründen, zeitnah informieren, Sachverhalte korrekt darstellen (nicht: „wird noch geprüft“), zeigen, dass man zugehört hat (gege-benenfalls paraphrasieren)

Infobox 3: Grundprinzipien der organisationalen Gerechtigkeit

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Distributive Gerechtigkeit Bei der distributiven Gerechtigkeit handelt es sich um die Frage, inwieweit das Ergebnis einer Entscheidung als fair

angesehen wird, wie etwa die Zah-lung einer Leistungsprämie oder die Einschätzung bei einer Beurteilung. Der Fairnesseinschätzung können unterschiedliche Fairnessprinzipien zugrunde liegen, woraus sich ab-weichende Einschätzungen erklären lassen. Ein verbreitetes Prinzip ist das Gleichgewichtsprinzip: Eine Entschei-dung wird demnach dann als gerecht wahrgenommen, wenn das Verhältnis zwischen dem eigenen Beitrag (z. B. ei-

gene Leistung, Kenntnisse etc.) und dem Ergebnis (z. B. Leistungsprämie, Einschätzung bei der Beur-teilung etc.) dem Verhältnis von Vergleichspersonen, oftmals

innerhalb der eigenen Organisation, entspricht. Neben diesem Prinzip können aber auch andere Prinzipien zur Anwendung kommen (siehe Info-box 4). Das Erleben von Ungerechtigkeit hat je nach Ausprägung als Über- oder Unterbezahlung unterschiedliche Auswirkungen, wie die beispiel-haft dargestellte Studie in Infobox 1 illustriert.

Prozedurale GerechtigkeitBei dieser Form der Gerechtigkeit geht es um die Frage, inwieweit der Entscheidungsprozess selbst als gerecht wahrgenommen wird. Wenn einige Grundprinzipien eines fairen Entschei-dungsprozesses gegeben sind, wird der Pro-zess als fair angesehen. Zu diesen Grundprin-zipien gehört beispielsweise, dass diejenigen, die von einer Entscheidung betroffen sind, eine „Stimme im Prozess“ haben, oder Entscheidun-gen unvoreingenommen getroffen werden. Mit der „Stimme im Prozess“ ist gemeint, dass Perso-nen im Entscheidungsprozess ihre Meinungen, Ansichten und Argumente zu der anstehenden Entscheidung äußern können; es bedeutet nicht notwendigerweise auch Einflussmöglichkeit auf die Entscheidung. Die Wirkung prozeduraler Ge-rechtigkeit veranschaulicht beispielhaft die Stu-die in der Infobox 2. Wichtig zu erwähnen ist, dass Personen sehr genau zwischen den Ergebnissen und dem Zustandekommen von Entscheidun-gen und dementsprechend zwischen den je-weiligen Gerechtigkeitsformen unterscheiden können.

In einer Studie mit Studierenden bearbeiteten die Teilnehmer über vier Wochen wöchentlich je eine Kreativitätsaufgabe unter zwei unterschiedlichen Bedingungen (STREICHER, JONAS, MAIER, FREY & SPIESSBERGER, 2012). Die kreativsten Lösungen sollten am Ende von einer Jury bewertet werden. Unter der prozedural fairen Bedingung hatten die Probanden die Möglichkeit einem Jurymitglied ihre kreativen Produkte zu erläutern (= eine Stimme haben im Prozess). Unter der prozedural unfairen Bedingung hatten die Probanden keine Erläuterungsmöglichkeit (= keine Stimme haben im Prozess). Die Ergebnisse zeigten (siehe Abbildung 2), dass unter unfairen Bedingun-gen die kreative Leistung signifikant abnahm. In die gleiche Richtung gingen Ergebnisse einer Vignettenstudie mit Studierenden und Berufstätigen (STREICHER, JONAS, MAIER & FREY, 2012).

→ Abbildung 2: Prozedurale Gerechtigkeit und Kreativität

Prozedurale Gerechtigkeit und Kreativität

Zeitverlauf

Kre

ativ

ität

03.

03.

54.

04.

55.

0

Woche 1 Woche 2 Woche 3 Woche 4

Stimmekeine Stimme

Infobox 5: Eine Stimme oder keine Stimme haben im Prozess

Prinzipien Erläuterung

Gleichgewichts-prinzip

Verhältnis von Input / Output ist bei allen Mitarbeiter/innen (MA) gleich

Leistungsprinzip MA werden entsprechend ihres Beitrags zur Organisation bezahlt (z. B. Vorstandsbezüge)

Gleichheitsprinzip Alle MA erhalten das gleiche Gehalt

Bedürfnisprinzip Alle MA erhalten ihr Gehalt entsprechend ihrer persönlichen Bedürfnisse

Infobox 4: Prinzipien der Distributiven Gerechtigkeit

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Interpersonale und informationale GerechtigkeitDie nächsten beiden Gerechtigkeitsformen beziehen sich auf die Kommunikation der Entscheidung. Die interperso-nale Gerechtigkeit bezieht sich auf den Umgang einer Au-torität (z. B. Führungskraft, Behördenmitarbeiter) mit von Entscheidungen betroffenen Personen (z. B. Mitarbeiter, Bür-ger). Eine hohe interpersonale Gerechtigkeit zeichnet sich durch eine respektvolle und höfliche Kommunikation – aus der Sicht der Betroffenen – aus.

Zur informationalen Gerechtigkeit gehören wahrheits-gemäße (d. h. weitgehender Verzicht auf alternative Fakten), zeitnahe und angemessene Erklärungen und Informationen zum Entscheidungsprozess und -ergebnis. Auch diese As-pekte können in der schriftlichen Kommunikation mit Be-troffenen zum Ausdruck kommen, wie die Studie in der In-fobox 3 unterstreicht.

Der Beitrag basiert auf einem Vortrag im Rahmen der Lands-huter Führungsgespräche im November 2016 an der Staat -lichen Fürhungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.

Literatur bei den Autoren.

PROF. DR. GÜNTER W. MAIERDR. BARBARA STEINMANN SONJA K. ÖTTINGUNIVerSITÄT BIeLeFeLD FAKULTÄT FÜr PSYCHOLOgIe UND SPOrTwIS-SeNSCHAFT, ArBeITS- UND OrgANISATIONS-PSYCHOLOgIeg.maier@uni­bielefeld.debarbara.steinmann@uni­bielefeld.desoetting@uni­bielefeld.de

In einem Feldexperiment mit australischen Steuerzahlern sollte geprüft werden, ob die Compliance zur rechtzeitigen Abgabe der Steuererklärung durch informational und interpersonal faire Erinnerungsschreiben im Vergleich zu den konventionellen schriftlichen Mahnungen erhöht werden kann (WENZEL, 2006). In dem informational fairen Schreiben wurde ergänzend zu dem konventionellen Schreiben auf folgende Fragen eingegangen:

Fragen Antworten

• Warum schicken wir Ihnen diesen Brief?

Die Aufgabe der Finanzbehörde ist es, Steuern einzutreiben, um kommunale Aufgaben zu finanzieren.

• Warum können wir Ihnen in diesem Schreiben nicht mehr Unterstützung anbieten?

Erläuterung des allgemein gehaltenen Stils des Briefs und den Bedarf von mehr Infos, um besser unterstützen zu können.

• Warum kündigen wir Strafen an?

Erläutert wird, dass durch die Strafen gesamtgesellschaftlich ein einheitliches Steuersystem erreicht werden soll.

In dem interpersonal fairen Schreiben wurde ergänzend zum konventionellen Schreiben auf folgende Aspekte eingegangen:

Aspekte Erläuterung

• Wir glauben an Ihre Ehrlichkeit! Versicherung, dass die Finanzbehörde nicht der Auffassung sei, der Steuerzahler wäre vorsätzlich unehrlich.

• Wir verstehen, dass es auch schwierige Zeiten geben kann.

Verständnis dafür äußern, dass eine schwierige Situation verantwortlich für die Verzögerung sei.

• Wir bedauern, Ihnen Unan-nehmlichkeiten zu bereiten.

Verständnis dafür äußern, dass Ankündigungen von Strafen Unannehmlichkeiten bereiten.

Die Ergebnisse zeigten, dass die fairen Schreiben gemeinsam eine signifikant höhere Anzahl von Personen dazu brachten, ihre Steuererklärung zeitnah einzureichen; es gab keine Unterschiede in der Wirkung beider Gerechtigkeitsformulierungen. Die Ant-wortrate bei denjenigen, die mit einem interpersonal fairen Anschreiben erinnert wurden, war so z. B. um fünf Prozent höher als bei denjenigen, die mit dem konventionellen Anschreiben gemahnt wurden.

Infobox 6: Einfluss informational und interpersonal fairer Erinnerungsschreiben

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Sind wir gut aufgestellt?Von einem bekannten und hoch dotierten Organisationsberater habe ich einmal gehört, dass sich eine Führungskraft in der Wo-che wenigstens vier Stunden, d. h. mindestens ein Zehntel seiner Arbeitszeit, die Frage stellen muss, ob er und seine Organisations-einheit gut aufgestellt sind. Bei einer Führungskraft auf einer unteren Organisationsebene kann der Zeitanteil geringer ausfallen, auf der „Vor-standsebene“ sollte weit mehr Zeit dafür investiert werden. Letztlich geht es darum, das System regelmäßig kritisch zu hinterfragen und weiterzuentwickeln. Das ist die Basis einer „lernenden Organisation“, von der immer so gerne gesprochen wird.

Was heißt das konkret? Zum einen geht es darum, ob wir uns um die wesentlichen und zugleich zukunftsträchtigen Fragen und Aufgaben kümmern. Zum anderen stellt sich die Frage, ob das Verfahren, bis diese Aufgaben entschieden, beantwortet und bearbei-tet sind, effektiv und effizient ist. Es geht also um einen prüfenden Blick auf die Abläufe und die stetige Weiterentwicklung dieser. Der Aufbau der Organisation, die diese The-men bewältigt, sollte ebenfalls regelmäßig überprüft und gegebenenfalls angepasst werden: Wird das richtige Personal am richtigen Ort eingesetzt? Wird das verfügbare Personal auf neue Herausforderungen vorbereitet und begleitet?

Unabdingbare Voraussetzung ist, dass Führungskräfte auf allen Hierarchieebenen auch die Möglichkeit haben, aus dem Hamsterrad des Tagesgeschäfts auszusteigen. Mit an-deren Worten: Sie sollten den Kopf dafür frei haben, um sich die Zeit für eine konstruk-tive „Systemkritik“ nehmen zu können. Und zweite Voraussetzung: Es muss von oben auch gewollt und vorgelebt werden.

Wie sieht es damit in unserer Verwaltung aus? In der Theorie gibt es einige Indikato-ren, die darauf hinweisen, ob diese regelmäßige Systemkritik aus der Hubschrauber-perspektive zum Führungsverständnis und zur Kultur einer Verwaltung gehört: Werden Instrumente wie Mitarbeiterbefragungen und Feedback-Methoden aller Art angewen-det? Werden Veränderungsprozesse aus eigenem Antrieb initiiert? Ist die Organisation schlank, oder besteht in Bezug auf die Personalausstattung ein Missverhältnis zwischen dem Overhead und den nachgeordneten Behörden? Wie sieht es mit den Führungs-spannen auf den unterschiedlichen Organisationseinheiten und -ebenen aus? Und wenn offensichtlich ist, dass eine Führungskraft eine zu große oder eine zu kleine Füh-rungsspanne hat, wird reagiert und falls ja, in welcher Form? Wie viele Führungsebenen gibt es innerhalb einer bestehenden Organisation – drei wären gesund, zwei besser. Was passiert, wenn mehr Hierarchieebenen bestehen? Sind Abläufe und Entschei-dungswege für die wesentlichen Kernaufgaben innerhalb der Organisation und zwi-schen diesen beschrieben und – falls ja – werden diese laufend fortentwickelt?

Auch unsere Verwaltung ist gut beraten, diese absolut notwendige stetige evolutionäre Weiterentwicklung von innen heraus nicht zu vernachlässigen bzw. als Daueraufgabe zu begreifen. Verwaltungen sind zwar auf Dauer angelegt, und politische geführte Sys-teme halten lange stand. Es droht aber die Revolution von außen, wenn Weiterentwick-lung aus eigenem Antrieb und von innen heraus nicht stattfindet.

Ihr B.Obachter

Der BeOBACHTer

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IMPRESSUM

Herausgeber: Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und ForstenISSN: 0941-360X

Internet:www.stmelf.bayern.de/SuB

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Redaktionsschluss für Heft 8-9/2017: 1. Juni 2017

Titelbild: Spargelspitze (Foto: Thomas Schuster, AELF Augsburg)