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Haftung und Versicherung von Umweltschäden Schriftenreihe des IÖW 8/87 Jan C. Bongaerts, Andreas Kraemer

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Haftung und Versicherung von Umweltschäden

Schriftenreihe des IÖW 8/87

Jan C. Bongaerts, Andreas Kraemer

Schriftenreihe des IÖW 8/87

Jan C. Bongaerts, Andreas Kraemer

Haftung und Versicherung von Umweltschäden

IÖW-eigene Übersetzung

Berlin 1987

Inhaltsverzeichnis

Einführung 1

1. Gesetzliche Regelungen der Umwelthaftung in der Bundesrepublik 3

2. Die Theorie der Haftungsregeln 5 2.1 Risiko-Neutralität 6

2.1.1 Das Sorgfaltsniveau 6 2.1.2 Der Umfang der Tätigkeit 8

2.2 Risiko-Aversion 12 2.2.1 Das Sorgfaltsniveau 12 2.2.2 Der Umfang der Tätigkeit 14

2.3 Freiwillige Versicherung und die Sorgfalt 16 2.4 Obligatorische Umwelthaftpflichtversicherung 19 2.5 Zusammenfassung 21

3. Merkmale von Umweltschäden 22 3.1 Ein Vergleich von gradueller Schädigung

und Unfällen 24 3.2 Umweltschäden dauern lange an und reichen weit 26 3.3 Viele Schädiger und komplexe Kausalität 28 3.4 Die Rolle des wissenschftlichen

und technischen Fortschrittes 30

4. Versicherung von Umwelthaftung 31 4.1 Die Diskussion um die Umwelthaftpflicht-

versicherung in der Bundesrepublik 31 4.2 Umwelthaftpflichtversicherung in den

Niederlanden 34 4.3 Haftpflichtversicherung als Instrument

der Umweltpolitik 37 4.4 Graduelle Emissionen 39 4.5 Eine Vielzahl von Schädigern 40 4.6 Eine weit gefasste Definition

von Umweltschäden 41

5. Schlussfolgerungen 44

Literaturangaben 46

Einführung

In fast allen Industriestaaten findet heute eine Reihe von recht-lichen Instrumenten Anwendung, die das Verhalten Einzelner und auch industrieller Firmen dahingehend beeinflussen sollen, dass der durch Umweltverschmutzung verursachte Schaden an der natürlichen Umwelt begrenzt bzw. minimiert wird. Vorschriften bezüglich indu-strieller Herstellungsverfahren und die dadurch hervorgerufenen Emissionen bestehen aus Genehmigungsverfahren, einschliesslich Vorschriften, die die Auswahl der zu verwendenden Techniken ein-schränken, aus Verschmutzungsgenehmigungen oder -bewilligungen und Grenzwerten, die, wie im Falle des Abwasserrechts, auch mit Abgaben verbunden sein können. Darüberhinaus werden Verletzungen solcher Vorschriften durch das Strafgesetz geahndet. Die Überlegung, auf der solche Massnahmen beruhen, ist, dass die sozialen Kosten der Umweltverschmutzung internalisiert und minimiert werden sollen. Der Begriff "Verursacherprinzip" bringt es auf den Punkt.

Die herkömmlichen Instrumente der Umweltpolitik scheinen geeignet zu sein, bekannte Emissionen zu kontrollieren, die ein fester Bestandteil der meisten industriellen Tätigkeiten sind, vorhersehbar und in gewisser Weise sogar beabsichtigt. Andere Gesetze betreffen die Umweltverschmutzung infolge von Unfällen oder Störfällen. Mit der Verschärfung dieser Gesetze sowie der Ausweitung der Geltung auf immer mehr Emittenten entstehen offensichtliche Probleme bei der Überwachung durch Umweltbehörden: Regierungen werden daher ver-suchen, andere Instrumente in der Umweltpolitik einzusetzen. Eine Möglichkeit ist die Gestaltung der Haftung für Umweltschäden*.

Am 11. März 1987 erklärte der damalige Bundesminister für Umwelt,

Naturschutz und Reaktorsicherheit, Walter Wallmann, dass er

beabsichtige, die Rolle des Haftungsrechts in der Umweltpolitik zu stärken. Er zeigte vier Punkte auf, in denen in der Regierungs-

2 koalition Einigkeit herrsche .

vg l . Hartje (1981); Spiller (1981); Zimmermann (1984); Adams (1985);

2 Umwelt, Nr. 3, 1987

1. Erweiterung der Gefährdungshaftung, wie sie im Wasserrecht bereits existiert, auf Schäden durch Luft- und Bodenver-schmutzung.

2. Einführung einer obligatorischen Umwelthaftpflichtversicherung.

3. Festlegung klarer Verantwortlichkeiten für Umweltschutz auf der Leitungsebene der Unternehmen.

4. Deutliche Erhöhung des Bussgeldrahmens für Umweltverschmu-tzungen, besonders im Gewässerschutz.

Die Reaktionen der verschiedenen Interessengruppen wie Haftpflicht-Unterstützungskassen-Verband (HUK-Verband) der Versicherungswirt-schaft und Deutscher Versicherungs-Schutzverband der Versicherungs-nehmer waren lebhaft. Während der HUK-Verband jeden Versiche-rungsschutz für Schäden, die nicht das Ergebnis eines Unfalles sind, ablehnt bekundete der Deutsche Versicherungsschutzverband seine Bereitschaft, mehr Haftung zu übernehmen, solange dafür

3 Versicherungsschutz angeboten würde .

Einige Monate später, am 5. Juni 1987, nahm der neue Bundes-minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktor Sicherheit, Klaus Töpfer in einer Rede vor dem Bundesrat^ dieses Thema wieder auf. Der Minister erkannte an, dass der ursprüngliche Vorschlag eine Fülle

von schwierigen Fragestellungen aufwerfe und dass eine solide und 5

gründliche Aufbereitung des ganzen Komplexes notwendig sei .

So ist die anfängliche Begeisterung für eine baldige Regelung dieser Fragen einer langsameren Gangart gewichen, die genügend Zeit für Konsultationen mit den beteiligten Interessengruppen lässt. Zu diesem Zweck wurde am 3. Dezember 1986 eine Interministerielle Arbeitsgruppe aus Vertretern des Bundesjustiz- und des Bundes-umweltministeriums eingesetzt, die ihren Bericht jedoch nicht vor Ende des Jahres 1987 vorlegen soll. Deswegen hat vieles in dem

3 Handelsblatt, 11. Mai 1987 4

Der Minister wählte die Ländervertretung anscheinend deswegen, weil Nordrhein-Westfalen und Hessen eigene Gesetzesvorschläge für Umwelthaftung eingebracht hatten.

5 Umwelt, Nr. 4, 1987

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vorliegenden Aufsatz vorläufigen Charakter; aber auch vor der Verabschiedung der endgültigen Gesetze liegen Erfahrungen mit Umwelthaftpflicht und deren Versicherung vor.

Der Aufsatz ist wie folgt gegliedert: Teil 1 enthält eine Übersicht der gesetzlichen Regelungen von Haftung für Umweltschäden in der BRD. In Teil 2 stellen wir in groben Zügen eine ökonomische Theorie von Haftungsregeln vor. In Teil 3 betrachten wir die Eigenschaften von Schäden, wie sie aus der Umweltverschmutzung entstehen. Teil 4 ist der Frage gewidmet, ob, und in welchem Umfang, eine Haft-pflicht für diese Schäden durch einen Versicherungsvertrag gedeckt werden kann. Bei der Betrachtung dieser Frage beziehen wir uns auf den gegenwärtigen Stand der Diskussion in der BRD und auf eine in den Niederlanden bereits existierende Versicherungspolice. In Teil 5 fassen wir zusammen und ziehen einige Schlüsse.

1. Gesetzliche Regelungen der Umwelthaftung in der BRD

Im Prinzip kann jede natürliche oder juristische Person nach einer Reihe Paragraphen der deutschen Gesetze für Umweltschäden haftbar g gemacht werden , von denen wir hier nur zwei genauer betrachten wollen. Das erste ist ein allgemeines Gesetz, das die Pflicht zur Wiedergutmachung oder Entschädigung begründet. Ähnliche Rege-lungen existieren auch in anderen Ländern unabhängig von deren Rechtsstruktur. (Es ist also unabhängig davon, ob es sich um kodifiziertes Recht oder Richterrecht aufgrund von Präzedenzfällen handelt.) Der § 823 (1) des Bürgerlichen Gesetzbuches lautet wie folgt:

Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersätze des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

Spiller, 1981, Seite 243 f f .

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Neben diesem Paragraphen des BGB gibt es eine spezielle Haftungs-regel für Umweltschäden, die durch den § 22 (1) des Gesetzes zur

•7 Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz - WHG) begündet wird. Dieser Paragraph lautet wie folgt:

Wer in ein Gewässer Stoffe einbringt oder einleitet oder wer auf ein Gewässer derart einwirkt, dass die physikalische, chemische oder biologische Beschaffenheit des Wassers verändert wird, ist zum Ersatz des daraus einem anderen entstandenen Schadens verpflichtet. Haben mehrere die Einwirkung vorgenommen, so haften sie als Gesamtschuldner.

Der Begriff "Gewässer" wird in § 1 WHG als oberirdische Gewässer, Küstengewässer und das Grundwasser definiert. Zwei andere wichtige Begriffe, "Einbringen" und "Einleiten", beziehen sich auf den § 3 WHG, in dem die durch das WHG geregelten Benutzungen aufgelistet sind. Nach § 2 (1) WHG bedarf eine solche Benutzung, also auch das Einbringen und das Einleiten, der behördlichen Erlaubnis oder Bewilligung. Nach § 8 (2) WHG darf für das Einbringen und Einlei-ten nur eine Erlaubnis nach § 7, nicht aber eine Bewilligung erteilt werden. Der § 22 (1) WHG begründet eine Haftung für Umweltschäden an Gewässern, und zwar auch dann, wenn eine Erlaubnis für die Emission erteilt wurde.

Normalerweise können die Geschädigten keine Schadensersatzansprü-che für Schäden geltend machen, die aufgrund einer bewilligten Nutzung entstanden sind (§ 11 WHG). Nach § 22 (3) WHG findet dieser Ausschluss jedoch keine Anwendung für Schäden wegen einer Gewässerverschmutzung, wodurch eine Gefährdungshaftung begründet wird, und zwar selbst dann, wenn der Schaden nicht auf Einlei-

Q tungen oder Einbringungen zurückgeht .

Es sei darauf hingewiesen, dass sich der § 823 BGB und der § 22 WHG grundsätzlich unterscheiden, da der letztere weder Fahr-lässigkeit noch Vorsatz erwähnt. Dadurch wird im WHG eine Gefähr-

7 Schulz (Nr. 440) g Dies wird gut illustriert in der Entscheidung des Bundesgerichts-

hofs vom 30. Mai 1974 - I I I ZR 190/71 - ; Burhenne und Dietrich, (Nr. 20 000 38)

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dungshaftung, im BGB eine Verschuldenshaftung für Umweltschäden begründet. Im Falle der Gefährdungshaftung haftet der Schädiger für alle Schäden, unabhängig von seinen Vorsorgeaufwendungen (seinem Sorgfaltsniveau), und zwar auch dann, wenn seine Sorgfalt den Schaden hätte vermeiden können. Eine Verschuldenshaftung bedeutet eine Haftung nur für solche Schäden, die normalerweise hätten vermieden werden können, hätte der Schädiger die allgemein anerkannten Regeln der Sorgfalt eingehalten. Mit anderen Worten: Die tatsächliche Sorgfalt wird mit einem Sorgfaltsstandard vergl i -chen. Wenn es, zum Beispiel, in der Industrie üblich ist, eine bestimmte Substanz von anderen Substanzen getrennt zu lagern und das Lager mit Feuermeldern und Sprinklern auszurüsten, hätte ein Betreiber einer Anlage, der diese Substanz zusammen mit anderen lagert oder auf die Sicherheitseinrichtungen verzichtet, seine Sorgfaltspflicht verletzt.

Der Unterschied zwischen beiden Haftungsregeln ist klar: Bei einer Verschuldenshaftung sind nur solche Betreiber haftbar, die die Sorgfaltspflicht nicht erfüllt haben, bei einer Gefährdungshaftung auch solche, die genügend Sorgfalt haben walten lassen. Es ist auch deutlich, dass die Erweiterung des Kreises der haftbaren Personen, die durch die Einführung der Gefährdungshaftung beab-sichtigt ist, gewichtige Konsequenzen haben kann.

Für eine Vertiefung dieser Argumente werden wir im folgenden Teil die wichtigsten Teile einer theoretischen Analyse von Haftungsregeln zu entwickeln. Dies wird uns dann in die Lage versetzen, den Einfluss der Einführung einer Gefährdungshaftung auf - unter anderem - das Sorgfaltsniveau aufzuzeigen.

2. Die Theorie der Haftungsregeln

Eine ganze Reihe von Autoren hat sich mit Haftungsregeln und Regu-9

lierungen für die verschiedensten Bereiche beschäftigt . Wir werden

5 B r o w n (1972); Green (1976); Shavell (1980a), (1980b), (1982), (1987); Landes (1982); Faure und Van den Bergh (1987)

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uns hingegen auf einige Aspekte beschränken, die für den Grad der Verschmutzung der Umwelt von Bedeutung sind. Wir betrachten ins-besondere solche Fälle, in denen das Verhalten des Opfers (Öko-systeme) keine Auswirkungen auf die Schadenshöhe hat. In diesem Zusammenhang wollen wir die Auswirkungen des Übergangs von einer Verschuldenshaftung zu einer Gefährdungshaftung erläutern. Wir unterscheiden daher zunächst zwischen zwei unterschiedlichen Einstellungen zum Risiko, der Risiko-Neutralität und der Risiko-Aversion. In beiden Fällen betrachten wir das Sorgfaltsniveau, das mit der jeweiligen Haftungsregel verbunden ist, nachdem ein Unternehmen sich für eine Tätigkeit entschieden hat. In einem dritten Schritt bestimmen wir den Umfang der Tätigkeit, der sich aus dem Sorgfaltsniveau (der Höhe der Vorsorgeaufwendungen) ergibt. Der Umfang einer Tätigkeit und das Sorgfaltsniveau sind die wichtigsten Determinanten der Umweltverschmutzung.

2.1 Risiko-Neutralität

Eine Person wird risiko-neutral genannt, wenn sie ein unsicheres Einkommen oder einen unsicheren Verlust durch Multiplikation der absoluten Höhe des Betrages mit der Wahrscheinlichkeit des Eintritts des auslösenden Ereignisses bewertet. Mit anderen Worten: Ihr ist es egal, ob ein Verlust von 100 mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,1, oder ein Verlust von 2000 mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,005 eintritt.

2.1.1 Das Sorgfaltsniveau

Bei einer Gefährdungshaftung muss der Schädiger für alle Schäden aufkommen und wird nur dann versuchen sie zu verringern oder zu vermeiden, wenn sich dies auch lohnt. Solange die Grenzkosten der Schadensprävention nicht höher sind als die Erwartungswerte der vermiedenen Schäden, wird ein potentieller Schädiger die Kosten der Schadensprävention aufwenden. Liegen die Grenzkosten der Präven-tion höher, wird der Schädiger es vorziehen, auf die Prävention zu

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verzichten und die Schäden zu kompensieren. Eine solche Entschei-dung ist sozial optimal, da die Gesamtkosten der Prävention und der Schäden minimal sind. Entsprechend dem Verursacherprinzip sind alle Kosten internalisiert.

Für eine Verschuldenshaftung ist eine Definition von Fahrlässigkeit bzw. des Sorgfaltsniveaus notwendig. Jemand kann als fahrlässig bezeichnet werden, wenn er einer Tätigkeit nachgeht und geringere als sozial optimale Aufwendungen der Schadensprävention aufbringt. Die Sorgfaltspflicht ist dann immer erfüllt, wenn die Gesamtkosten der Prävention und der Schäden minimal sind. Potentielle Schädiger haben einen Anreiz, eben diese Sorgfalt aufzuwenden, wenn sie andernfalls aufgrund ihrer Fahrlässigkeit haften. Mag eine Aussage zunächst als trivial erscheinen, so soll jedoch nicht ausser Acht gelassen werden, dass potentielle Schädiger bei einer solchen Defi-nition von Fahrlässigkeit keinen Anreiz haben, weniger als sozial optimale Sorgfalt (aus Furcht vor der zu zahlenden Kompensation für Schäden), oder mehr als sozial optimale Sorgfalt aufzuwenden (da sie für die zusätzliche Sorgfalt nicht belohnt werden).

In der Realität wird das tatsächliche Sorgfaltsniveau bei einer Verschuldenshaftung allerdings geringer sein als bei einer Gefährdungshaftung, und dies aus zwei einfachen Gründen: Erstens werden nicht alle Schäden an Dritten zu erfolgreichen Klagen vor Gericht führen, denn nicht alle Kläger werden die Fahrlässigkeit auch beweisen können. Der Erwartungswert der Schäden für den Schädiger ist also geringer als die sozialen Kosten. Genauer: die Kausalität muss unter beiden Haftungsregeln bewiesen werden, der Beweis der Fahrlässigkeit oder des Vorsatzes muss aber nur bei Verschuldenshaftung geführt werden. Zweitens wirkt eine Festlegung des Sorgfaltsniveaus durch die Rechtsprechung oder exekutive Organe als ein konservatives Element, das den technischen Fort-schritt in der Schadensprävention behindert. Festlegungen des Sorgfaltsniveaus, die auf überholten, allgemein anerkannten Regeln der Technik, und nicht auf dem neuesten Stand der Technik beruhen, werden daher zu sub-optimalen Präventionsaufwendungen führen. Aus Gründen der Klarheit und der Überschaubarkeit gehen wir hierauf jedoch nicht weiter ein.

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Als erstes Ergebnis können wir festhalten, dass potentielle Schädi-ger unabhängig von der geltenden Haftungsregel angemessene Sorg-falt aufbringen, wenn angemessene Sorgfalt mit sozial optimaler Sorgfalt gleichgesetzt ist. Ob wir also eine entsprechend definierte Sorgfaltspflicht oder eine Gefährdungshaftung haben, hat keinen Einfluss; die tatsächlichen Aufwendungen der Schadensprävention und die zu erwartenden Schäden sind gleich. Da jedoch bei einer Verschuldenshaftung der Teil der Schäden, der nicht lohnend ver-mieden werden kann, nicht kompensiert wird, ist das Verursacher-prinzip in diesem Falle verletzt.

2.1.2 Der Umfang der Tätigkeit

Wir kommen nun zur Frage nach dem Umfang der Tätigkeit, wenn die oben bestimmten Aufwendungen für Schadensprävention getätigt werden^. Wir gehen zunächst davon aus, dass der soziale Nutzen der Ausweitung einer Tätigkeit nicht linear ansteigt, da die Ausweitung den Bedarf nach den Produkten der Tätigkeit mehr und mehr deckt und die Gemeinschaft immer weniger Wert auf eine weitere Ausweitung legt. Daher wird der Grenznutzen für die Gemeinschaft abnehmen, auch wenn der Gesamtnutzen weiterhin zunimmt. Bild 1, in dem die Kurve N, die den sozialen Nutzen einer Tätigkeites bei wachsendem Umfang (gemessen in Geldeinheiten) zeigt, konkav gezogen ist, zeigt dies.

Bei einer Gefährdungshaftung müssen Schädiger nicht nur für die Kosten der Schadensprävention aufkommen, sondern auch für alle Schäden, unabhängig von ihrer Sorgfalt. Die Kurve P ^ und die Kurve S ^ zeigen die Kosten der Prävention und die Kosten der Schäden. Wir zeichnen sie als Geraden und setzen dabei linear ansteigende Kosten voraus, was jedoch keinen Verlust an Allgemein-gültigkeit bedingt. Die Summe der Kosten bei einer Gefährdungs-

Der Umfang der Tätigkeit wird hier als von dem Sorgfaltsniveau abhängige Variable bestimmt. Tatsächlich aber spielen hier viele Größen eine Rolle, und der Umfang der Tätigkeit hat einen umge-kehrten Einfluß auf das Sorgfaltsniveau.

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haftung wird durch die Gerade G ^ repräsentiert. Der optimale Umfang der Tätigkeit befindet sich in Punkt UQpt auf der Abszisse, wo der Abstand zwischen der Gerade G ^ und der Nutzenfunktion N maximal ist.

Die Gemeinschaft hat einen Nutzen von der Tätigkeit, den der poten-tielle Schädiger in Form von Verkaufserlösen erwirtschaften kann. Er wird diese Tätigkeit in dem durch gekennzeichneten Umfang

betreiben, da dieser Umfang maximalen Gewinn garantiert. Die Einführung der Gefährdungshaftung gewährleistet daher einen sozial optimalen Umfang der Tätigkeit, da der soziale Nutzen gegen die Kosten der Schadensprävention und die Kosten der zu erwartenden Schäden bestmöglich abgewogen werden.

Bild 1:

Gefährdungshaftung: Minimale Kosten der Prävention und minimale Schäden

bei sozial optimalem Umfang der Tätigkeit.

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Die Gefährdungshaftung ist daher die perfekte Haftungsregel. Sie führt zu sozial optimaler Schadensprävention und sozial optimalem Umfang der Tätigkeit. Dies gilt unter der Voraussetzung von Risiko-Neutralität.

Wie bereits erwähnt bedarf es im Fall einer Verschuldenshaftung einer Definition des Sorgfaltsniveaus. Wir nehmen die oben beschrie-bene Definition angemessener Sorgfalt als das Aufbringen von sozial optimalen Aufwendungen der Schadenprävention. Betrachten wir Bild 2, in dem die Kurve P ^ die Präventionskosten bei Verschuldens-haftung unter dieser Definition der Sorgfaltsnorm repräsentiert, so sehen wir, dass ein potentieller Schädiger seine Tätigkeit in einem Umfang ( U ^ auf der Abszisse) betreibt, der grösser als der sozial optimale Umfang U t ist. Dies geschieht, da bei Verschul-denshaftung die Kosten der Schäden nicht vom Schädiger getragen werden, solange er die notwendige Sorgfalt walten lässt.

Der potentielle Schädiger betreibt seine Tätigkeit dabei in einem überhöhtem Umfang, bei dem der Abstand zwischen der Sozialnutzen-kurve N und der Gerade maximal ist, da er grösser ist als der sozial optimale Umfang (der unter Gefährdungshaftung ermittelt wurde). Beim Vergleich mit dem sozial optimalen Umfang wird auch deutlich, dass die zusätzlichen Kosten der Tätigkeit grösser sind als der zusätzliche Nutzen (die Strecke AB ist länger als die Strecke CD). Für die Gemeinschaft wäre es wünschenwert, den Umfang der Tätigkeit und somit die Kosten der zu erwartenden Schäden zu verringern.

Es mag interessant sein, die Grössenordnung des Unterschieds zwischen U0pt und U^^ im Bild 2 und damit die Auswirkungen der beiden Haftungsregeln zu bestimmen. U . und U„„ fallen zusammen, opt V H wenn die zu erwartenden Schäden gleich Null sind. Der Unterschied verkleinert sich, wenn entweder der Wert der zu erwartenden Schäden oder die Wahrscheinlichkeit des Eintritts des Schadens sich verringert, oder wenn beides zusammenkommt.

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Bild 2:

Verschuldenshaftung: Wenn Schadenskosten nicht interhalisiert werden,

werden Tätigkeiten in überhöhtem Umfang betrieben.

Eine Verschuldenshaftung mit der oben dargelegten Definition von Fahrlässigkeit setzt einerseits Anreize für ein sozial optimales Sorgfaltsniveau, andererseits aber auch für die Ausweitung der Tätigkeit über das sozial optimale Niveau hinaus. Das Problem wird durch praktische Schwierigkeiten in der Durchsetzung einer Sorg-faltsnorm verstärkt.

Die Auswirkungen, die beide Haftungsregeln (unter Voraussetzung der Risiko-Neutralität auf der Seite des potentiellen Schädigers) auf das Sorgfaltsniveau und den Umfang der Tätigkeit haben, können daher in tabellarischer Form wie folgt zusammengefasst werden:

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Tabelle 1: Auswirkungen der Gefährdungs- und der Ver-schuldenshaftung bei Risiko-Neutralität auf Sorgfaltsniveau und Umfang der Tätigkeit.

1 Gefährdungshaftung 1

Verschuldenshaftung | 1

1 Sorgfalts- | sozial optimal 11 (sozial optimal) | niveau j

1 1 1 Tätigkeits-| sozial optimal überhöht \

umfang | 1

1 1

2.2 Risiko-Aversion

Wir führen nun die gleiche Betrachtung unter der Annahme durch, die potentiellen Schädiger seien risiko-avers. Eine Person wird risiko-avers genannt, wenn sie die erwarteten Einkommen oder Ver-luste nicht allein anhand des mathematischen Erwartungswertes bewertet, sondern darüber hinaus die absoluten Werte eines mögli-chen Verlustes vergleicht. Risiko-Aversion heisst also, dass ein Verlust von 100 mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,1 als ein kleine-res Risiko angesehen wird als ein Verlust von 2000 mit einer Wahr-scheinlichkeit von 0,005.

2.2.1 Das Sorgfaltsniveau

Welchen Einfluss hat Risiko-Aversion auf das Sorgfaltsniveau, die Höhe der Aufwendungen für Schadensprävention, eines potentiellen Schädigers? Setzen wir eine Gefährdungshaftung voraus, so finden wir, dass das Sorgfaltsniveau nicht sozial optimal ist.

^ Die Klammern deuten die Schwierigkeiten bei der Durchsetzung einer Verschuldenshaftung an.

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Ein risiko-averser potentieller Schädiger wird erhöhte Aufwendungen für Schadensprävention tätigen, um sich vor der Haftpflicht zu schützen: die Kurve P ^ in Bild 3 gibt dies an. Die zu erwartenden Schäden (Kurve S ^ ) sind niedriger als im sozial optimalen Refe-renzfall bei Risiko-Neutralität, da zusätzliche Prävention die Schäden vermindern wird. Dagegen sind die Gesamtkosten eines risiko-aversen potentiellen Schädigers mit Kurve G ^ höher als im sozial optimalen Falle Ggjj. Der Nettonutzen liegt unter diesen Bedingungen ebenfalls niedriger: die Strecke AB für risiko-averse Personen ist kürzer als die sozial optimale Strecke CD für risiko-neutrale Personen bei Gefährdungshaftung. Der Umfang, in dem ein risiko-averser potentieller Schädiger seine Tätigkeit betreibt auf derv Abszisse) ist daher niedriger als U

Bild 3:

Risiko-Aversion: überhöhte Aufwendungen für Schadensprävention

führen zu vermindertem Umfang der Tätigkeit.

V üppt

Umfang der Tätigkeit

13 -

Um dennoch zu sozial optimalen Aufwendungen für Schadensprä-vention zu kommen, mag es nötig sein, die Haftung auf einen Betrag zu begrenzen, der kleiner ist also die gesamten Schadenskosten. Dann werden einige Geschädigte jedoch nicht entschädigt und es hängt von der Risiko-Einstellung der Geschädigten ab, zu welchen Wöhlfahrtsverlusten dies führt.

2.2.2 Der Umfang der Tätigkeit

Die Gefährdungshaftung hat auch Einfluss auf den Umfang der Tätigkeit einer risiko-aversen Person. Die Neigung zu erhöhten Aufwendungen für die Schadensprävention kann potentielle Schädiger ganz von einer Tätigkeit abgeschrecken, selbst wenn sie einen sozialen Nutzen hat. Dies wird der Fall sein, wenn grosse, aber äusserst unwahrscheinliche Schäden zu erwarten sind. Allgemein gi l t , dass der Umfang einer Tätigkeit niedriger als im sozial optimalen Referenzfall sein wird.

Obwohl die Gefährdungshaftung bei Risiko-Neutralität zu sozial optimaler Sorgfalt und zu einem sozial optimalen Umfang der Tätig-keiten führt, erweist sie sich als sub-optimal unter der Voraus-setzung, dass potentielle Schädiger risiko-avers sind. In diesem Fall sind die Aufwendungen für die Schadensprävention erhöht und die Tätigkeit wird in vermindertem Umfang betrieben.

Betrachten wir die Verschuldenshaftung: Schädiger müssen lediglich für die Schäden aufkommen, die aufgrund von nachgewiesener Fahrlässigkeit entstehen (wenn also die tatsächliche Sorgfalt niedriger ist als die sozial optimale) und wir finden ein Ergebnis, das dem in Bild 2 schon beschriebenen ähnlich ist. Die Tatsache, dass nicht alle Kosten einer Tätigkeit internalisiert sind, führt dazu, dass sie in überhöhtem Umfang betrieben werden.

Welche Risiko-Einstellung auch vorausgesetzt wird, bei einer Ver-schuldenshaftung wird es ein sozial optimales Sorgfaltsniveau geben, aber der Umfanjg der Tätigkeiten ist überhöht. Dieses Sorgfalts-

- 14 -

niveau wird sigkeit auch gelegte Defin

Es gibt aber

potentielle ni geringer, als

jedoch nur erreicht, wenn alle Geschädigten Fahrläs-nachweisen können. Darüberhinaus ist die zugrunde-tion von Fahrlässigkeit von Bedeutung.

einen Unterschied auf der Seite der Geschädigten. Sind diese risiko-neutral, ist der Wohlfahrtsverlust, den sie durch

:ht kompensierte Schäden zu tragen haben, deutlich wenn sie risiko-avers sind. Sind sie risiko-avers, so

mag das überhöhte Sorgfaltsniveau risiko-averser Schädiger dennoch effizient sein.

Die Auswirkun der Risiko-Av das Sorgfalts daher in tabe

Tabelle 2;

gen, die beide Haftungsregeln (unter Voraussetzung ersion auf der Seite des potentiellen Schädigers) auf niveau und den Umfang der Tätigkeit haben, können llarischer Form wie folgt zusammengefasst werden:

Auswirkungen der Gefährdungs- und der Ver-schuldenshaftung bei Risiko-Aversion auf das Sorgfaltsniveau und den Umfang der Tätigkeit.

| Gefährdungshaftung 1

Verschuldenshaftung |

Sorgfalts- 1 | überhöht (sozial optimal) | niveau 1

1 1

Tätigkeits- 1 | vermindert 1

überhöht | umf ang 1

1 1

Gibt es sowohl risiko-averse als auch risiko-neutrale Personen, so kann die Wohlfahrt erhöht werden, indem ein Risiko von einer risiko-aversen Person auf eine mit geringerer Risiko-Aversion oder Risiko-Neutralität verlagert werden kann. Eine solche Erhöhung der Wohlfahrt kann mit Hilfe von Versicherungsverträgen erreicht werden und es mag daher angebracht sein, die Bereitstellung von Versiche-

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rungsschutz du fördern. Wir be Umfang der Tat

ch eine geeignete Auswahl der Haftungsregeln zu trachten daher nun das Sorgfaltsniveau und den igkeit, wenn Versicherungsschutz angeboten wird.

2.3 Freiwillige Versicherung und die Sorgfalt

Versicherungsve

Zunächst stellen wir fest, dass das Angebot von Versicherung schütz nur unter der Annahme von Risiko-Aversion seitens der potentiellen Schädiger von Bedeutung ist, da eine risiko-neutrale Person keinen

rtrag abschliessen würde; die Frage einer obligatori-schen Haftpflichtversicherung für Umweltschäden betrachten wir weiter unten. Dann folgt das Problem des Nachweises der Kausalität, welches mehr beinhaltet als nur die Verfügbarkeit von Informationen für Schädiger oder Geschädigten. Besonders bei Umweltschäden gibt

es Fälle mit mehreren Schädigern und Fälle mit zweifelhaften 12

Ursachen . Wir müssen zwischen Situationen unterscheiden, in denen die Wahrscheinlichkeit des Eintritts und die Grösse eines Schadens von der Sorgfalt eines potentiellen Schädigers abhängt, und solchen, wo dies nicht der Fall ist. Kann der Versicherer das Sorgfaltsni-veau des Versicherungsnehmers nicht beobachten, so wird der Versi-

seine Präventionsaufwendungen vermindern, ohne die zu müssen, denn das Risiko ist durch den Versiche-

bgedeckt. Es handelt sich hier um eine moralische Risikos, das "moral-hazard".

cherungsnehmer Folgen fürchten rungsvertrag a Komponente des

Welchen Einflus s haben die beiden Haftungsregeln auf die Nachfrage risiko-averser Personen nach Versicherungsschutz? Wenn kein Versicherungsschutz zur Verfügung steht, tätigt ein risiko-a verser potentieller Schädiger bei Gefährdungshaftung erhöhte Aufwendungen, um sich vor einer eventuellen Haftpflicht zu schützen. Genau dieses Haftungsrisiko aber könnte von einer Versicherung übernommen werden, so dass der potentielle Schädiger in die Lage versetzt wird, seine Präventionsaufwendungen zu vermindern. Wenn wir annehmen, dass Versicherungsunternehmen keine Verwaltungskosten

12 Siehe Shave 11, 1985

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haben, wird eine Prämie in Höhe des mathematischen Erwartungs-

wertes der Schäden berechnet. Diese Prämie ist bei Risiko-Aversion niedriger als einer Versicherung verringern sich so die Gesamtkosten des potentiellen

Der Versicher der Klauseln Ergebnis dem ist: sowohl d Tätigkeit sin^ ohne Versiehe Aufwendungen Schädigern u unternehmen es mag durch

sr wird nun ein optimales Niveau an Sorgfalt mit Hilfe der Versicherungspolice durchsetzen, so dass das mit Hilfe des Bildes 1 oben diskutierten sehr ähnlich

ie aufgewandte Sorgfalt als auch der Umfang der

sozial optimal. Anders als unter Gefährdungshaftung rungsschutz, wird in diesem Fall die optimale Höhe der

für Schadensprävention nicht von vielen potentiellen nabhängig voneinander, sondern von Versicherungs-;rmittelt, die dies für eine Reihe von Kunden tun, und aus sein, dass es hier Skalenerträge gibt.

Im Falle eine das Risiko in Die Vers icher« Sorgfalts-Vors gleiches Sorg wie ohne Vers könnte, ist d wenn bei der Schadenspräv die nicht gen versichern wc Durchsetzung

gross, wie si

die überhöhten Präventionskosten; mit dem Abschluss

chädigers.

r Verschuldenshaftung hat der potentielle Schädiger folge einer Nichtbeachtung der Sorgfaltsnorm zu tragen. :r, die dieses Risiko abdecken, werden die gesetzlichen chriften in die Policen übernehmen, und es werden ?altsniveau und gleicher Umfang der Tätigkeit erzielt icherung. Das einzige Risiko, das versicherbar sein as Risiko für Schäden haftbar gemacht zu werden, Ermittlung der optimalen Höhe der Aufwendungen für

;ntion Fehler gemacht wurden. Potentielle Schädiger, ug über die Sorgfaltsnorm wissen, können dieses Risiko llen. Die Schwierigkeiten der Definition und der eines optimalen Sorgfaltsniveaus bleiben genau so ; ohne Versicherungschutz waren.

In der Tabelle und der Umfa sicherungssch gegenüberges Versicherungs

3 werden die Höhe der Aufwendungen für Prävention ng der Tätigkeit unter beiden Haftungsregeln ohne Ver-utz (wie in Tabelle 2 oben) und mit Versicherungschutz

teilt. Es wird klar, dass die Verfügbarkeit von schütz nur bei Gefährdungshaftung zu einem besseren

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Sorgfaltsniveau Gefährdungshaft positive Wohlfa

Tabelle 3;

Freiwilli Sor

und besseren Umfang der Tätigkeit führt. Die ung ist daher eine notwendige Voraussetzung für irtseffekte einer Umweltversicherung.

ge Versicherung für risiko-averse Personen: gfaltsniveau und Umfang der Tätigkeit ohne und mit Versicherungsschutz.

Ohne Versicherungsschutz

1 1

Gef ährdungshaftung Verschuldenshaftung | 1

1 Sorgfalts- | niveau |

1 überhöht 1 (sozial optimal) |

1 1

1 Tätigkeits- | umfang j

erniedrigt 1 überhöht | 1 1

Mit Versicherungsschutz

1 1

Gefährdungshaftung Verschuldenshaftung | 1

1 Sorgfalts- | (sozial optimal) 1 (sozial optimal) | niveau j

1 1 1

1 Tätigkeits- | (sozial optimal) 1 überhöht |

umfang | 1

1 1

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2.4 Obligatorische Umvelthaftpflichtversicherung

alle Opfer zu

Umweltschäden, die von einem kleinen Unternehmen verursacht werden, können leicht das Vermögen des Schädigers übersteigen. Ohne Versicherung ist dann nicht genügend Masse vorhanden ist, um

entschädigen. Aus diesem Grund mögen Gesetze verab-schiedet werden, die eine Versicherung solcher Schäden zwingend vorschreiben, auf die aufge

unter der Bedingung, dass eine obligatorische Umwelthaftpflicht-versicherung

Versicherungsindustrie Wettbewerb herrscht, und dass Versicherer insbesondere

Gibt es bei e dann muss de aufwendungen bestimmen. Hi< Sorgfalt nicht der Versichere Versicherungs men diese Au che Sorgfalts Versicherung. Sorgfaltsnorm sacher getrag rungsprämie)

Wir diskutieren daher im Folgenden die Auswirkungen wandte Sorgfalt und auf den Umfang der Tätigkeit

besteht. Wir gehen dabei davon aus, dass in der

in der Lage sind, Versicherungsschutz abzulehnen.

iner Gefährdungshaftung keinen Versicherungsschutz, r potentielle Schädiger die optimale Höhe der Vorsorge-und damit den optimalen Umfang seiner Tätigkeit

er stellt sich die Frage nach der Beobachtbarkeit der Gibt es dagegen eine Plichtversicherung, so ermittelt

r einen Sorgfaltsstandard und setzt ihn mit Hilfe der Verträge durch. Die Versicherungsunternehmen überneh-gabe von allen Versicherungsnehmern. Dieser vertragl i-

Standard ist der gleiche wie das Sorgfaltsniveau ohne Im Unterschied zu einer gesetzlich festgelegten müssen die Kosten der Schäden an Dritten vom Verur-

en werden (wenn auch indirekt durch die Versiche-so dass der Umfang der Tätigkeit sozial optimal ist.

Auch bei Ver$chuldenshaftung mit Pflichtversicherung fällt es den Versicherungsunternehmen zu, einen Sorgfaltsstandard anzuwenden. Sie werden hier die, bei Verschuldenshaftung weiterhin bestehende, gesetzliche Norm als Teil der Versicherungspolicen übernehmen, so dass die Situation für die Pflichtversicherungsnehmer mit der Situation ohne Versicherungspflicht identisch ist (wie in Tabelle 1 oben). Das Sprgfaltsniveau und der Umfang der Tätigkeit verändern sich nicht, so dass festgehalten werden kann: Eine Versicherungs-pflicht für risiko-neutrale potentielle Schädiger hat keine Auswir-kungen auf den Umfang der Schäden. Durch die Einführung einer

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Versicherungspflicht kann der Gesetzgeber sicherstellen, dass Mittel 13

zur Entschädigung aller Opfer zur Verfügung stehen . In der Tabelle k werden die Höhe der Aufwendungen für Prävention und der Umfang der Tätigkeit unter beiden Haftungsregeln ohne obligatori-sche Umweltschadensversicherung (wie in Tabelle 1 oben) und mit Versicherungsobligatorium gegenübergestellt.

Tabelle 4;

Obligatorische Versicherung für risiko-neutrale Personen: Sorgfaltsniveau und Umfang der Tätigkeit

ohne und mit Versicherungsschutz.

Ohne Pflichtversicherung

Gefährdungshaftung Verschuldenshaftung | 1

Sorgfalts-niveau

sozial optimal 1

(sozial optimal) | 1

Tätigkeits-umfang

sozial optimal 1

überhöht | 1 1

Mit Pflichtversic

1 Gefährdungshaftung

herung

Verschuldenshaftung | 1

Sorgfalts-niveau

(sozial optimal) 1

(sozial optimal) | 1 1

Tätigkeits-umf ang

(sozial optimal) 1 überhöht | 1 1

Hierfür genügt es, den Abschluss von Versicherungsschutz für den Teil der Schäden vorzuschreiben, der das Vermögen des Schädi-gers übersteigt. Eine solche Regelung hülfe auch das "moral-hazard"-Problem zu vermeiden.

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Versicherungsverträge, die es ermöglichen, sozial optimale Aufwendungen für Prävention und einen sozial optimalen Umfang der Tätigkeit zu erreichen, können nur dann abgeschlossen werden, wenn das Sorgfaltsniveau auch beobachtet werden kann. Ist dies nicht der Fall, so wird der Versicherer keinen vollen Versicherungs-schutz anbieten, um zu vermeiden, dass die Versicherungsnehmer keinen Aufwand zur Schadensprävention mehr betreiben.

Im Gegenteil, indem der Versicherungschutz so begrenzt wird, dass die zu erwartenden Schäden höher liegen als die Deckungssumme, wird der Versicherungsnehmer gezwungen, das tatsächliche Sorgfalts-niveau offenzulegen, um so bessere Vertragsbedingungen auszuhan-deln. Von Fall zu Fall wird dies zu einer Reduktion der Prämie, oder zu einer Erweiterung des Versicherungsschutzes führen. Ange-sichts langfristiger Geschäftsbeziehungen zwischen dem Versiche-rungsunternehmen und dem Versicherungsnehmer mag der Preis, die Prämie, eine weniger wichtige Grösse sein; anstatt Deckungssumme und Prämie zu variieren, können sich beide Parteien auf bestimmte sicherheits- oder betriebstechnische Bedingungen einigen, deren Erfüllung Voraussetzung für Versicherungsschutz ist. Im Ergebnis ist dies ähnlich einer Sorgfaltsnorm.

2.5 Zusammenfassung

Als Zwischenergebnis halten wir fest: Die Verfügbarkeit von Versi-cherungschutz bringt Nutzen für risiko-averse potentielle Schädiger im Falle der Gefährdungshaftung, nicht jedoch für risiko-neutrale potentielle Schädiger. Die Gefährdungshaftung ist eine Voraussetzung für positive Wohlfahrtseffekte einer Umweltversicherung, der soziale Nutzen wird bei Gefährdungshaftung, nicht aber bei Verschuldens-haftung erhöht. Es ergeben sich Komplikationen besonders, wenn mehrere Schädiger oder unbekannte (natürliche) Ursachen einen Schaden hervorrufen. Wir wenden uns in den folgenden Teilen der Frage zu, inwieweit diese Theorie auf Umweltschäden anwendbar ist und beginnen mit einer Beschreibung der Eigenschaften von Umwelt-schäden.

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3. Merkmale von Umweltschäden

Umweltschäden unterscheiden sich von physisch-ökonomischen, priva-ten Schäden in vielerlei Hinsicht. Einige Umweltschäden sind räumlich begrenzt oder betreffen eine leicht bestimmbare Gruppe von Opfern und behalten dadurch privaten Charakter, während andere soziale Kosten, also nicht auf eine bestimmte Gruppe von Menschen beschränkte Kosten, nach sich ziehen. Diese Schäden haben Eigen-schaften eines "public bad", eines öffentlichen Gutes mit negativem Wert. Da es für diese keinen Markt und folglich keinen Marktpreis gibt, kann über sie normalerweise nicht durch privater Verträge verfügt werden. Es sind jedoch Rechtsprinzipien vorstellbar, wonach jemand (der Staat) die Interessen von Natur und Öffentlichkeit (der heutigen, und der künftigen) vertreten dürfte. Es gibt aber auch Schäden, die nicht auf das Territorium einer politischen Einheit beschränkt sind, sondern in ihrem Ausmass global sind.

Verwandt mit der Frage der räumlichen Ausdehnung ist die der zeit-lichen Ausdehnung. Die Entstehung von Umweltschäden dauert im allgemeinen lange und es vergeht noch mehr Zeit, bis sie bemerkt und in ihrem ganzen Umfang erkannt werden. Und sie sind für lange Zeit beständig. Selbst wenn Schäden räumlich eng begrenzt sind und die Entschädigung der direkt betroffenen Opfer möglich ist, betreffen die Schäden aufgrund der Irreversibilität auch zukünftig lebende Generationen. Der Umweltschaden hat also die Eigenschaften eines public bad in der Zeit.

Es gibt Umweltschäden, die entweder durch die Selbstregulierung der Natur oder durch den helfenden Eingriff des Menschen rückgängig gemacht werden können. Ist eine Wiederherstellung des ursprüngli-chen Zustandes nicht möglich, ist der Schaden irreversibel und dauert für alle Zeiten an. Eine Wiederherstellung ist jedoch immer nur bei relativ geringen Schäden möglich. Wenn zum Beispiel eine Art infolge von Umweltschädigung ausstirbt, so kann die Evolution eventuell eine andere Art so adaptieren, dass sie die erste ersetzt. Wenn jedoch zu viele Arten gleichzeitig aussterben, mag die Fähig-

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keit der Natur zu experimentieren und auszuwählen so weit einge-schränkt werden, dass eine Wiederherstellung der alten Vielfalt nicht mehr möglich ist.

Ein grosser Teil der Umweltschäden läßt sich in Geldeinheiten ausdrücken. Die Schwierigkeiten beginnen bei der monetären Bewer-tung der Optionskosten infolge des Verlusts der Gelegenheit in einem bestimmten See zu schwimmen (option value), und enden bei der

14 Bewertung der langfristigen Kosten des Aussterbens von Arten Umweltschäden können also nicht hinreichend als soziale oder private, physisch-ökonomische oder moralische Kosten ausgedrückt werden. Ein Indiz für ökologische Schäden könnte dagegen das Vor-handensein einer Substanz an einem Platz, wo sie nicht hingehört, oder das Fehlen eines Organismus an seinem angestammten Platz sein, was sich nur durch einen vorher-nachher-Vergleich feststellen lässt. Im weitesten Sinne schliesst dies alle Zustände der Umwelt ein, die nicht die natürlichen sind oder eine Rückkehr zu dem vorherigen Zustand unmöglich machen.

Eine weitere Besonderheit dieser Schäden liegt in der Komplexität von Kausalitäten. Die natürliche Umwelt wird oft nach den Medien Luft, Wasser und Boden gegliedert; für eine vollständige Beschrei-bung des Weges der schädigenden Substanzen von der Emission zum Schaden müssen jedoch auch Ökosysteme, Nahrungsketten und einzelne Organismen (wie zum Beispiel Menschen) betrachtet werden. Die Substanzen wechseln von einem Medium in das andere, werden verändert und wirken gleichzeitig, um zum Schluss einen merkbaren Schaden hervorzurufen.

Für die Versicherungswirtschaft besonders wichtig ist die Tatsache, dass die Substanzen unterschiedlicher Herkunft sein können. Dadurch kann häufig nicht festgestellt werden, wer von einer Gruppe von potentiellen Schädigern einen bestimmten Schaden verursacht hat. Zur Komplexität der Kausalität kommt die Vielzahl von Schädigern.

^ vg l . Rowe et al. (1980); Hartje (1985); Fenn (1987)

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Daher bleibt ein grosser Teil der Umweltschäden im Bereich der Unsicherheit - und dies obwohl das Ausmass in vielen Fällen für alle klar sichtbar ist.

3*1 Ein Vergleich von gradueller Schädigung und Unfällen

Die Versicherungswirtschaft beschäftigt sich im allgemeinen mit der Bereitstellung von Versicherungsschutz für Schäden, die durch Unfälle entstehen; ein Unfall ist definiert als ein Ereignis, das plötzlich eintritt, nicht vorhersehbar und auch nicht beabsichtigt ist. Diese Definition tri f f t auf einen grossen Teil der Umweltschä-digung, die wir heute beobachten, nicht zu. Anstelle einer plötz-lichen Explosion oder eines Feuers handelt es sich um kontinuier-liche oder sich wiederholende Emissionen, die über Jahre oder Jahr-zehnte andauern. Häufig sind Emissionen die unvermeidbare Konse-quenz einer bestimmten Tätigkeit, so dass die Entscheidung, dieser Tätigkeit nachzugehen, die Intention beinhaltet, die Schädigung zu verursachen. Die Schädigung ist daher auch vorhersehbar.

In der Entstehung eines Umweltschadens lassen sich einige wichtige Zeitpunkte unterscheiden. Zunächst gibt es den Zeitpunkt des Scha-densereignisses (date of the event), der Beginn der schädigenden Emission als Resultat einer möglicherweise fahrlässigen Handlung. Dies kann zum Beispiel das Übersehen eines Risses in einer unter-irdischen Leitung sein, der eine graduelle Vergiftung des Bodens und des Grundwassers zur Folge hat. Der Zeitpunkt der fahrlässigen Handlung und der Beginn der Emission müssen nicht zusammenfallen, da einige Zeit zwischen der Inspektion der Leitung und ihrer nächsten Benutzung verstreichen kann. Der Zeitpunkt des Schadens-ereignisses zerfällt dann in zwei voneinander getrennte Daten, das der fahrlässigen Handlung und das des Beginns der Emission. Die Inbetriebnahme einer Industrieanlage, die eine bestimmte Emission verursacht, kann auch als Zeitpunkt des Schadensereignisses verstanden werden.

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Der nächste Zeitpunkt ist das date of the exposure als der Zeit-punkt, zu dem Ansprüche geltend gemacht werden können, und der angibt, wann das Grundwasser tatsächlich verschmutzt wird. Dies hängt natürlich von der Definition des Begriffes "Schädigung" ab. Im Falle von graduellen Schädigungen kann der Boden im Nachhin-ein von dem Zeitpunkt an, da die Konzentration eines Schadstoffes die Nachweisgrenze übersteigt, als geschädigt gelten; genauso kann aber auch das Überschreiten von festgelegten Grenzwerten als Voraussetzung des Tatbestandes der "Schädigung" bestimmt werden. Viele Substanzen rufen keinen sofort sichtbaren Schaden hervor, sondern akkumulieren in einem Medium oder einem Organismus, bis sie ein kritisches Niveau erreichen.

Es bleibt daher schwierig, das date of the exposure festzulegen. Selbst wenn dies im Nachhinein geschieht, wenn der Umweltschaden offensichtlich geworden ist. Der Zeitpunkt, zu dem der Schaden erkennbar wird, ist das letzte Datum, das der ersten Feststellung des Schadens (date of the manifestation). Nehmen wir die Anwesen-heit eines Schadstoffes oder das Aussterben einer Art als das erste Zeichen eines Schadens, so wäre dies das date of the manifestation. Es kann nun noch immer einige Zeit verstreichen, bevor private, physisch-ökonomische Schäden auftreten, aus denen Ansprüche gegen den Schädiger geltend gemacht werden können.

Bei Unfällen (als dem traditionellen Objekt von Versicherung) liegen all diese Daten relativ nah beieinander und fallen häufig in nur eine Vertragsperiode, so dass die vertragliche Situation zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer klar ist, wenn auch die Fragen der Kausalität und Begründung der Haftung schwierig bleiben. Schauen wir uns aber Fälle von gradueller Schädigung über Jahrzehnte hinweg an, so kann die betreffende Industrieanlage den Eigentümer und der Versicherungnehmer das Versicherungsunter-nehmen gewechselt haben. Hier ist die vertragliche Situation alles andere als klar, besonders wenn die relevanten Zeitpunkte nicht genau bestimmt werden können.

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3.2 Umveltschäden dauern lange an und reichen weit

Der wichtigste Aspekt der zeitlichen Ausdehnung von Umweltschäden ist aber die lange Dauer. Die mittleren Aufenthaltszeiten von Stoffen reichen von wenigen Sekunden bis zu einigen hundert Jahren für Gase in der Luft, und bis zu mehreren tausend Jahren für Substan-zen im Grundwasser. Als Beispiel betrachten wir eine Klasse von Chemikalien, die halogenierten Kohlenwasserstoffe, manchmal auch Fluor-Chlor-Kqhlenwasserstoffe (FCKW's, oder CFC's) nach einer Unterklasse genannt. Diese Chemikalien werden als Kühlmittel bzw. als Treibgase eingesetzt und in der Produktion von Kunststoffen verwendet. Während die Verbindung Trichlormethan (CHCl^) für etwa 0.7 Jahre in der Atmosphäre verbleibt, ist die mittlere Verweilzeit für die beiden wichtigsten, das Trichlor-Fluormethan (CCL^F oder CFC 11) 56 Jahre, und für Dichlor-difluormethan (CC12F2 oder CFC 12) 110 Jahre. Auf diese beiden Chemikalien allein entfallen etwa 80 Prozent der Weltproduktion von halogenierten Kohlenwasserstoffen.

Aber andere verbleiben noch länger: Monochlor-trifluormethan (CCIF^ oder CFC 13) für etwa 400 Jahre und Hexafluorethan (C2C6 oder CFC 116) für mehr als 500 Jahre^. Die Tatsache, dass eine Substanz aus dem betrachteten Medium verschwindet, he isst noch nicht, dass nun keine Gefahr mehr von ihr ausgeht. Andere Luftschadstoffe werden oft mit dem Regen ausgewaschen und schädigen dann Boden und Gewässer, und wenn ein Organismus stirbt, werden die Substanzen, die sich in ihm angereichert haben, wieder in die Umwelt entlassen.

In manchen Fällen ist die Dauer der Schäden sogar noch länger als 500 Jahre. Das Grundwasser erneuert sich alle 300 bis 8000 Jahre; aber selbst wenn das Wasser ausgetauscht wird, können die schä-digenden Substanzen für weitere Jahrtausende im Boden verbleiben.

239 Das radioaktive Element Plutonium Pu hat eine Halbwertszeit von 24360 Jahren und verursacht Schäden lange darüber hinaus.

^ Cumberland (1982) und Bach (1987)

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Neben der zeitlichen Ausdehnung von Umweltschäden gibt es die räumliche, die sich auf den ganzen Planeten erstreckt. Dies wird durch die Tatsache belegt, dass Luftschadstoffe im antarktischen Eis nachgewiesen wurden. Daher können auch Kausalketten von Umwelt-schäden die ganze Erde umspannen, was von Lovelock (1979) beschrieben wird, der die Gaia-Hypothese entwickelt, nach der die gesamte Biosphäre ein kybernetisches System zur Erhaltung von lebensfreundlichen Bedingungen ist. Innerhalb eines solchen Systems kann eine lokale Ursache in einem Teil Konsequenzen in einem weit entfernten Teil der Welt hervorrufen. Bis jetzt gibt es lediglich Indizien für die Richtigkeit dieser Hypothese, aber auch kleinräu-mige Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge können wichtige Implikationen für Gesetzgeber und Schädiger beinhalten.

Der Transport von Schadstoffen über lange Distanzen durch die Atmosphäre, Flüsse oder die Ozeane kompliziert die Identifikation des ursprünglichen Emittenten. In vielen Fällen werden eine oder mehrere staatliche Grenzen überschritten, was eine Reihe von Fragen aufwirft, die nicht nur die Regierungen (in ihrer Aufgabe Bürger und Wähler) zu schützen, sondern auch industrielle Emittenten betreffen. Bis jetzt beschränken sich internationale Konventionen auf die Koordinierung der Verminderung der Emissionen der Unter-zeichnerstaaten. Ein Beispiel ist die Konvention der Economic Commission for Europe der Vereinten Nationen (ECE-Commission) über weiträumige, grenzüberschreitende Luftverschmutzung aus dem Jahre 1979 mit dem Protokoll über die Reduktion der Schwefelemissionen oder ihrer grenzüberschreitender Ströme aus dem Jahre 1985^. Solche Konventionen haben zwar einen gewissen Einfluss auf die Politik der einzelnen Staaten, begründen aber noch keine Haftung für grenzüberschreitende Umweltschädigung.

Es ist auch möglich, den Bürgern anderer Staates den Zugang zu den Gerichten und anderen Institutionen im Rahmen einer gegensei-tigen Vereinbarung zu gewähren. Eine solche Übereinkunft ist die Skandinavische Konvention zum Schutze der Umwelt, die den Bürgern Dänemarks, Norwegens, Schwedens und Finnlands in Umweltverfahren

16 Vygen, (1985)

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den Zugang zu den Gerichten in all diesen Ländern erlaubt. Ein

ähnliches Beispiel ist der Transboundary Pollution Reciprocal Access Act, der von verschiedenen US Bundesstaaten und einigen kanadi-

17 sehen Provinzen verabschiedet wurde

In dem Masse, in dem Opfer grenzüberschreitender Umweltschädi-gungen kraft solcher Gesetze in die Lage versetzt werden, erfolg-reich Kompensationen (oder Unterlassungen) zu erstreiten, sehen sich potentielle Schädiger einem gesteigerten Umwelthaftungsrisiko gegen-über, wofür sie eventuell eine Versicherung abschliessen wollen.

3.3 Viele Schädiger und komplexe Kausalität

Zunächst gibt es den Fall, dass zwei oder mehr Emittenten des gleichen Stoffes das gleiche Medium verschmutzen und so einen Schaden verursachen. Finden wir also ein Flussediment, das durch Schwermetalle stark verschmutzt ist, dann mag es möglich sein, die jeweiligen emittierten Mengen einer Reihe von Galvanik betrieben am Fluss zuzuordnen und so die Basis für eine Proportionalhaftung zu schaffen. Wenn aber einige dieser Firmen schon seit sehr langer Zeit operieren, wird es fast unmöglich sein, den jeweiligen Umfang der Tätigkeiten und das Mass der Schädigung zu bestimmen. Wenn einige Unternehmen nicht mehr existieren, muss bei einer gesamt-schuldnerischen Haftung (wie im WHG) die Last der Kompensation von der willkürlichen Teilmenge der Unternehmen getragen werden, die noch bestehen oder die noch Geld haben.

Der zweite Fall ist der, dass mehrere Stoffe in der Kausalität eines Schadens eine Rolle spielen. Wenn zwei oder mehr relativ harmlose Substanzen vermischt werden, können neue, giftige Verbindungen entstehen. Der Effekt, dass zwei oder mehr Substanzen einen Schaden hervorrufen, der grösser ist als die Summe der Schäden, die beobachtet werden wenn die Substanzen einzeln vorliegen, he isst Kombinationseffekt. Zurückzuführen ist er auf die sogenannten

17 Rosencranz, (1985)

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Synergien. Wenn Stoffe, die einen solchen Schaden verursachen, nun von verschiedenen Firmen emittiert werden, ist eine einfache Proportionalhaftung nicht anwendbar. Dies gilt besonders dann, wenn einige davon sonst als absolut harmlos zu gelten hätten.

Eine ganze Reihe von Substanzen wird auf dem Weg von der Emis-sion zum Ort des Schadens verändert. In manchen Fällen, wie der Umwandlung von Schwefeldioxid zu Saurem Regen, sind diese Modifi-kationen recht gut bekannt, in anderen, wie den oben erwähnten Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffen, die die Zerstörung des Ozonschutz-schildes zur Folge haben, sind sie es nicht.

Aber nicht alle Schäden müssen von Emittenten als Schädigern verursacht werden, weil es auch andere Ursachen gibt bzw. geben kann. Kehren wir zurück zu dem Beispiel des schwermetallver-schmutzten Flussbettes. Vielleicht ergeben sich durch das vergiftete Sediment nur geringe ökonomische Konsequenzen, zum Beispiel wenn wir annehmen, dass in dem Fluss nicht gefischt wird. Wenn aber ein Hochwasser den Fluss über die Ufer treten lässt, so dass das Sediment auf die umliegenden landwirtschaftlichen Flächen verteilt wird, werden die ökonomischen Schäden sehr viel grösser. Die Frage ist hier, ob in einer Kette von Ereignissen, von denen einige nicht vom Schädiger beeinflusst werden können, dieser noch haftbar gemacht werden kann. Ist dies der Fall, so fragen potentielle Schädiger für dieses Risiko eventuell Versicherungsschutz nach.

Es gibt aber auch den Fall, dass mehrere Schädiger mit grundsätz-lich unterschiedlichen Charakteristika eine Rolle spielen. Das Hochwasser kann ja nicht nur natürliche Ursachen haben. Nehmen wir einmal an, es wird durch den Bruch eines Damms hervorgerufen, oder durch einen Erdrutsch, der wiederum auf das Waldsterben zurückzuführen ist. Hier können die Galvanikbetriebe entlang des Flusses entsprechend ihrer Emissionen zur Haftung herangezogen werden, oder diejenigen, die für das Hochwasser verantwortlich sind, oder beide Seiten. Zu ihrer Verteidigung können beide sagen, dass ihre Tätigkeit den Schäden nicht hervorgerufen hätte, wären da nicht die anderen gewesen.

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Alles in allem finden wir, dass die Kausalität von Umweltschäden als Resultat von gradueller Verschmutzung nicht leicht nachzuweisen ist. Viele Substanzen von verschiedenen Emittenten finden auf einer ganzen Reihe von Wegen zu einer Vielzahl von Opfern, die dann als Ergebnis ganz unterschiedliche Symptome entwickeln. Bevor eine bestimmte Kausalität bekannt wird und Unsicherheit über die Haftung besteht, wird es sehr schwierig sein, Versicherungsschutz anzubieten. Ist die Kausalität aber in einem Präzedenzfall einmal nachgewiesen, kommt wie bei dem sprichwörtlichen Eisberg ein weiterer bis dahin nicht erkennbarer Teil an die Oberfläche und kann zu einem versicherbaren Risiko werden.

3.4 Die Rolle des vissenschaftlichen und technischen Fortschritts

Während der Zeit zwischen dem Beginn einer Emission, ihrer Entdek-kung oder der Feststellung, dass sie nicht harmlos ist, und der Kette von Ansprüchen, die daraus hervorgehen, geht der wissen-schaftliche und technische Fortschritt weiter. Zunächst schreitet der Stand der Technik in der Emissionskontrolle und -Verminderung ständig voran, wodurch sich auch das sozial optimale Sorgfalts-niveau ständig verändert. Probleme bei der Festlegung eines Sorg-faltsstandards ergeben sich besonders dann, wenn die Zeitspanne zwischen zwei technologischen Generationen kürzer ist als die technische und wirtschaftliche Lebensdauer der Installationen. Ist dies nämlich der Fall, so müssten die Installationen nachgerüstet oder abgerissen werden, bevor sie abgeschrieben sind.

Zweitens werden mit Spurenanalysegeräten immer niedrige Nachweis-grenzen erreichbar und immer mehr Substanzen voneinander unter-scheidbar. Dies könnte wiederum einen Einfluss auf den Sorgfalts-standard haben und zu einem besseren Verständnis der Schadens-kausalitäten beitragen.

Je mehr über Kausalitäten bekannt ist, desto mehr Risiken werden versicherungstechnisch erfassbar und damit versicherbar. Daher ist der wissenschaftliche und technische Fortschritt notwendig, um die

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Möglichkeiten zu eröffnen, die sich der Versicherungswirtschaft bieten. Auf der anderen Seite wird die bessere Kenntnis der Kausa-litäten auch zu mehr Klagen gegen die Schädiger führen. Einige , dieser Klagen werden auf Wissen basieren, das erst nach dem Beginn der Emission oder sogar erst nach Bekanntwerden des Schadens an der Umwelt oder der menschlichen Gesundheit erworben wurde. Die Risiken einer solchen rückwirkenden Haftung sind nicht leicht von vornherein abzuschätzen.

4. Versicherung von Umwelthaftung

Nach unserer ökonomischen Theorie der Haftungsregeln und der Beschreibung der Charakteristika von Umweltschäden untersuchen wir nun die Möglichkeiten, Versicherungsschutz für Umwelthaftung bereitzustellen. Wir beginnen mit einer Zusammenfassung der gegen-wärtigen Diskussion in der Bundesrepublik über die Umweltver-sicherung als ein Instrument der Umweltpolitik. Wir geben auch einige Informationen über eine im Jahre 1985 eingeführte nieder-ländische Versicherungspolice. Zuletzt diskutieren wir die Eignung einer Umwelthaftpflichtversicherung als Instrument der Umweltpolitik.

4.1 Die Diskussion um die Umwelthaftpflichtversicherung in der Bundesrepublik.

Zu Beginn ist es wichtig zu verstehen, warum neuerdings die Bundesregierung der Umwelthaftpflichtversicherung als Instrument der Umweltpolitik eine grosse Bedeutung beimisst. Herkömmliche Umweltpolitk zeichnet sich durch den Gebrauch von Regulierungen aus, was einem command-and-control-approach gleichkommt. Mit dem Wechsel der politischen Mehrheiten im Jahre 1982, der mit den Wahlen von 1983 und 1986 bestätigt wurde, entwickelte die Regierung eine liberalere Einstellung gegenüber der Wirtschaft. Anstatt neue Regulierungen in Kraft zu setzen, wollte sie für die Unternehmen Anreize schaffen, den Umweltschutz als einen Bestandteil in die

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(betriebliche) Entscheidungsfindung zu integrieren. Nach den Worten des früheren Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-sicherheit Walter Wallmann stand dieses Ziel ganz oben auf der

18 Liste der Koalition

Dennoch wurden Umweltregulierungen nicht abgeschafft, im Gegenteil, 19

einige wurden verschärft . Aber zur gleichen Zeit gab es eine Tendenz zur Einführung neuer Instrumente, die auf der Kooperation zwischen Regierung und Industrie beruhten. Beispiele sind die "freiwilligen Vereinbarungen" und die Haftung für Umweltschäden. Das Interesse der Bundesregierung für die Versicherung von Umwelt-schäden muss daher vor dem Hintergrund einer wirtschaftsliberalen Politik gesehen werden.

Bis jetzt gibt es noch keine Übereinkunft zwischen den beteiligten Parteien über die Einführung einer Gefährdungshaftung für Umwelt-schäden. Die Diskussion dreht sich hauptsächlich um die Frage, auf welche Weise Versicherungsschutz bereitzustellen wäre. Am 6. Juli 1987 erklärte der jetzige Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und

Reaktorsicherheit Klaus Töpfer in einem Interview, dass er Vorschlä-20 ge von der Versicherungswirtschaft erwarte . Die Antwort kam in

der Form eines Versicherungsmodells vom Haftpflicht-Unterstützungs-21

kassen-Verband, HUK-Verband, am 6. August 1987 . Die wichtigsten Punkte des Modells sind:

1. Deckung wird angeboten für Umweltschäden infolge plötz-licher, unfallartiger Betriebsstörung.

2. Keine Deckung gibt es für Schäden, die durch graduelle Emissionen im Rahmen der normalen Betriebstätigkeit her-vorgerufen werden.

Umwelt, Nr. 3, (1987)

19 Die Novellen des Gesetzes zur Ordnung des Wasserhaushaltes

(WHG) und des Gesetzes über die Vermeidung und Entsorgung von Abfällen (AbfG) können zu neuen Regulierungen führen. 20 Handelsblatt, 10. und 11. Juli 1987 12 HUK-Verband, Presse-Information, Bonn, 6. August 1987

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3. Keine Deckung wird angeboten für Summationsschäden, bei denen die Kausalität nicht aufgeklärt werden kann.

k. Keine Deckung wird angeboten für Schäden an einem Allge-meingut, wie einem Ökosystem. Deckung gibt es daher nur für Personen- und Sachschäden.

5. Massgeblich für die Versicherung ist die erste Feststellung des Personen- oder Sachschadens (date of the manifestation in Teil 3). Diese Regelung hat für den Versicherungsnehmer den Vorteil, dass er mit seiner gegenwärtigen Versicherung zu den gegenwärtigen Bedingungen verhandeln kann. (Auf einer "claims-made"-Basis)

6. Drei weitere Punkte sind der Erwähnung wert:

- Deckung wird angeboten für Aufwendungen für die Abwendung oder Minderung von Personen- oder Sach-schäden, auch wenn die Aufwendungen auf behördliche Intervention getätigt werden. (Rettungskosten)

- Keine Deckung gibt es für den Besitz und Betrieb von Deponien.

- Es gibt keine Pauschaldeckung, sondern jedes Risiko muss im Einzelfall geprüft werden.

Diese Modell muss den Umweltminister enttäuschen, denn es unter-scheidet sich nur wenig von den Versicherungsverträgen, die bereits Deckung für Haftung für Umweltschäden nach Paragraph 22 des Was-serhaushaltsgesetzes bieten. In einem Interview hatte der Minister die Hoffnung geäussert, es möge sich eine neuer Markt entwickeln und es werde eine Welle von Innovationen in der Umwelttechnik geben, da die Versicherungsunternehmen den Versicherungsnehmern

Anreize geben würden, ihre Prämien durch höhere Sorgfalt zu 22

reduzieren . Der Minister hatte offensichtlich auch Schäden infolge gradueller Verschmutzung im Auge, da seine Interministerielle Arbeitsgruppe angeblich über Haftung für Schäden infolge normalen Betriebs nachdenkt. Seiner Meinung nach ist es notwendig, die Verletzung eines Rechts, wie jenes auf Gesundheit, durch eine solche betriebliche Tätigkeit zu berücksichtigen.

Handelsblatt, 10. und 11. Juli 1987

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Das Modell erfüllt auch nicht die Erwartungen des Deutschen Versicherungs-Schutzverbandes, in dem Versicherungsnehmer organi-siert sind. Sie fürchten, dass eine Erweiterung der Umwelthaftpflicht das Risiko für Industriebetriebe erhöht, solange kein Versicherungs-schutz angeboten wird. Falls die Versicherer nicht bereit sind, Deckung bereitzustellen, wäre deren Glaubwürdigkeit in Frage gestellt.

Die gegenwärtige Debatte über die Umsetzung einer Umwelthaftungs-regel hat also noch zu keinem Ergebnis geführt. Das Hauptproblem ist und bleibt die Entwicklung eines Versicherungsmodells, dass beide Seiten, die Versicherer und die Versicherungsnehmer zufrie-denstellt. Für die letzteren ist es wichtig, diejenigen Umweltschäden zu identifizieren, die durch angemessene Sorgfalt vermeidbar sind und für die kein Versicherungsschutz nötig ist. Für die Versiche-rungswirtschaft ist es wichtig, Mittel und Wege zu finden, die Schäden und Risiken so abzuschätzen, dass die finanzielle Sicherheit des Kompensationssystems garantiert ist. Je grösser das "moral-hazard"-Problem ist, desto geringer ist diese Stabilität.

Umwelthaftpflichtversicherung in den Niederlanden

Ursprünglich enthielten die Versicherungsverträge in den Nieder-landen keine besonderen Klauseln zu Umweltschäden. Im Prinzip wurde daher Deckung angeboten, allerdings innerhalb des weiten Rahmens, dass nur Gesundheitsschäden und Schäden am Eigentum von Dritten gedeckt sind. Anscheinend war es egal, ob die Schäden auf ein plötzliches Ereignis oder auf graduelle Schädigung zurück-zuführen waren.

Aufgrund der wachsenden Kenntnis um die Grössenordnungen und die Eigenschaften von Umweltschäden wurden die Umwelthaftpflichtpolicen geändert. Seit dem Jahre 1971 schlossen spezielle Klauseln die Deckung für Umwelthaftpflicht aus, es sei denn, die Schäden seien auf ein plötzliches, unerwartetes Ereignis zurückzuführen. Dadurch

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wurde Deckung für Schäden infolge gradueller Emissionen ausge-schlossen, war aber für langsam entstehende Schäden nach einem plötzlichen Unfall verfügbar.

Seit einiger Zeit hat eine Gruppe niederländischer Versicherungs-unternehmen einen Umwelthaftungs-Kooperations-Verband (Milieu Aansprakelijkheids Samenwerkingsverband MAS) gegründet, um Erfahrungen auszutauschen und Rückversicherung anzubieten. Die gemeinsamen Anstrengungen der Versicherungswirtschaft und der industriellen Versicherungsnehmer haben zu einer neuen Umwelthaft-pflichtversicherungspolice geführt, die seit dem 1. März 1985 angeboten wird. Die Merkmale dieser Police werden von Wansink (1985) beschrieben.

Die Versicherungsnehmer schliessen keine separate Umwelthaftpflicht-versicherung ab, sondern erwerben zusätzliche Deckung innerhalb einer allgemeinen Haftpflichtversicherung. Diese Police wurde umgeschrieben und enthält jetzt drei Teile, "A", "B" und "C". Der Teil "A" enthält alle Regelungen einer allgemeinen Haftpflichtver-sicherung, die anderen beiden Teile sind der Umweltversicherung gewidmet, wobei Versicherungsnehmer zwei Wahlmöglichkeiten haben:

1) Im Teil "B" wird Deckung für Umweltschäden infolge plötzlicher Ereignisse angeboten. (Im Originaltext heisst es, dass Umweltschäden ausgeschlossen sind, es sei denn, sie enstanden aufgrund eines plötzlichen Ereignisses, das nicht wiederum auf graduelle Verschmutzung zurückzuführen ist. )

2) Im Teil "C" können die Versicherungsnehmer zusätzliche Deckung für Umweltschäden infolge gradueller Verschmutz-ung erstehen. Im Originaltext heisst es, dass Deckung für Umwelthaftpflicht unabhängig davon, ob es sich um eine plötzliche oder eine graduelle Ursache handelt, angeboten wird. Das Risiko aufgrund gradueller Emissionen ist daher nicht ausgeschlossen, wenn auch die Deckungssumme begrenzt ist. Deckung wird nur bis zu 5 Millionen Gulden (4.5 Millionen DM) pro Jahr gewährt, was in vielen Fällen viel zu niedrig liegen dürfte.

Es müssen aber noch einige Einschränkungen dieser beiden Optionen genannt werden:

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- Deckung unter den Teilen "B" und "C" wird nur für Schäden angeboten, die aufgrund von Emissionen bekannter Quellen an bekannten Orten entstehen.

- Deckung wird nur für rechtmässige Emissionen angeboten, dass heisst Emissionen, die in den Betriebsgenehmigungen der Behörden gebilligt oder erlaubt wurden.

- Die Deckung unter dem Teil "C" wird unter der Massgabe der ersten Feststellung des Schadens (claims-made) angebo-ten. Um hier unfaire Handhabungen seitens der Versicherer zu vermeiden, bestimmt eine Klausel, dass der Versicherer alle Ansprüche, die in einem Zeitraum von bis zu einem Jahr nach Beendigung des Vertrages durch den Versicherer eingehen, übernehmen muss. Es ist klar, dass keine Deckung angeboten wird für Schäden, die aufgrund von Tätigkeiten auftreten, denen vor Beginn des Vertrages nachgegangen wurde.

- Unter Teil "C" ist die Schadensdefinition weiter gefasst als die übliche Definition von Gesundheitschäden und Verlusten am Eigentum. Die Definition schliesst Minderungen des Nutzwertes von Eigentum ein und deckt Sanierungskosten und wirtschaftliche Verluste infolge der Umweltschädigung.

Beim Vergleich des deutschen und des niederländischen Modells fäl lt auf, dass sie sehr ähnlich sind, bis auf einen grossen und einen kleinen Unterschied. Der grosse Unterschied liegt in der Bereit-stellung von (niedriger) Deckung für Schäden infolge von gradueller Verschmutzung in den Niederlanden. Der Grund für die Einführung solcher Deckung in den Niederlanden ist wohl pragmatischer Art:

Erstens ist es so möglich, das Marktpotential für eine Umwelthaft-pflichtversicherung zu testen. Zweitens ist es bei einem geringen Umweltschaden nicht notwendig, den genauen Schadenshergang zu rekonstruieren. Auch ist es möglich, erst einmal Erfahrungen zu sammeln. Es mag noch einen grundsätzlichen Grund für die Zwei-teilung der Deckung geben: Ist der Schaden höher als die 5 Millionen Gulden unter Teil "C", werden Schäden unter Teil "B" nur dann gedeckt, wenn die Ursache ein unvorhersehbares, plötzliches Ereignis war. Dies setzt einen Anreiz, die graduellen Emissionen zu kontrollieren.

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Der kleine Unterschied zwischen den beiden Modellen liegt in der Behandlung von Sanierungskosten, die in der deutschen Version ausdrücklich ausgeschlossen werden, in der niederländischen hingegen unter einer Klausel des Teils "C", die sich mit Rettungskosten beschäftigt, gedeckt werden. Wenn also eine Behörde die sofortige Sanierung einer Giftmülldeponie aus Gründen der Sicherheit der allgemeinen Gesundheit verfügt, so sind diese Kosten durch den Vertrag versichert. Da jedoch nur sehr bescheidene Deckungssummen angeboten werden, ist unwahrscheinlich, dass die Versicherungswirtschaft grosse Teile der Altlastensanierung finanziert. Die Klausel kann aber Bedeutung erlangen in Fällen von mehreren identifizierten Schädigern, die alle Versicherungsschutz unter dem Teil "C" abgeschlossen haben. Dann kann die gesamte Deckungssumme recht hoch liegen.

Das niederländische Versicherungsmodell kann daher als Experiment verstanden werden, um Erfahrungen am Markt mit praktischen Fällen zu sammeln. Die zweigeteilte Struktur schafft für die Versicherungs-nehmer Anreize, Schäden aufgrund gradueller Emissionen zu begren-zen, und hat daher einen Einfluss auf die aufgewandte Sorgfalt.

Haftpflichtversicherung als Instrument der Umweltpolitik

Schwierigkeiten bei der Einführung einer Gefährdungshaftung für Umweltschäden und einer Umwelthaftpflichtversicherung in der Bun-desrepublik bereiten nicht nur die versicherungstechnischen Probleme (der Definition von Haftung, der Auswahl der Klauseln in den Ver-trägen), sondern auch die Furcht auf der Seite der Versicherungs-wirtschaft, zu tief in die Umsetzung der Umweltpolitik eingebunden zu werden. Da die Prämien und die Bereitstellung von Deckung von den jeweiligen Aufwendungen zum Schutze der Umwelt abhängen,

müssten Versicherungsunternehmen die Rolle einer "Umweltpolizei" 23

übernehmen, was sie nicht wollen . Nach der gegenwärtigen "command-and-control"-Politik werden diese Aufgaben von den

Der Wirtschaftsredakteur, Interview mit Dr. Grell, (1987)

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Umweltbehörden ausgeübt, und die Versicherungswirtschaft hat schon deutlich gesagt, dass sie nicht über die Mittel verfügt, sie zu übernehmen.

Es ist natürlich wichtig, das Verhalten individueller Emittenten zu überwachen, egal ob dies im Rahmen e iner "command-and-control"-Politik oder durch Einführung einer Gefährdungshaftung geschieht. Es ist darüberhinaus klar, dass die Versicherer von technischen Risiken nützliches Wissen ansammeln über die Technologien, deren Risiken sie übernehmen. Das he isst aber nicht, dass sie genau das gleiche Wissen erwerben wie die Ingenieure, die die einzelnen Anlagen betreiben. Es mag durchaus preiswertere Möglichkeiten der Risikoabschätzung geben, die auf Sicherheits- und Betriebsdaten von vergleichbaren Anlagen beruhen. Aber solches Wissen kann anfangs nur durch ein Deckungsangebot erworben werden, wenn die Anzahl der versicherten und überwachten Versicherungsnehmer genügend hoch ist. Ist der Markt am Anfang zu eng, so bietet sich der Austausch relevanter Informationen zwischen den Versicherern als Alternative an. Dies erklärt auch die Einrichtung des Umwelt-haftungs-Kooperations-Verbandes durch die niederländischen Versi-cherungsunternehmen.

Der Erwerb von Informationen über Umweltrisiken ist daher für die Versicherungswirtschaft keine unlösbare Aufgabe, auch wenn ihre Mittel begrenzt sind. Es gibt aber einige Eigenschaften von Umwelt-schäden, die versicherungstechnische Schwierigkeiten bereiten, und mit diesen werden wir uns jetzt beschäftigen. Erstens ist da das Problem der Schäden, die aus graduellen Emissionen entstehen; zweitens das einer Vielzahl von Schädigern; und drittens besteht Bedarf an einer weiter als die gegenwärtig üblich gefasste Defini-tion von Schaden.

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4.4 Graduelle Emissionen

Wie Schmidt-Salzer (1985) erwähnt, muss in diesem Zusammenhang zwischen Schäden aufgrund rechtmässiger Emissionen einerseits und unrechtmässiger Emissionen andererseits unterschieden werden. Eine Emission ist rechtmässig, wenn sie durch eine Betriebsgenehmigung bewilligt oder durch einen Emissionsbescheid erlaubt ist, oder die Bedingungen nach dem Polizeirecht erfüllt. Nicht rechtmässige Emissionen sind solche, die nicht auf diese Weise legitimiert werden. Risiken aufgrund rechtmässiger Emissionen sind normaler-weise nicht versicherbar, da von dem potentiellen Schädiger erwar-tet werden kann oder muss, dass er in der Lage ist, die Konse-quenzen seines Handelns zu erkennen. (Das wäre - in einem anderen Kontext - der Fall bei Krebs bei Rauchern). In der Praxis ist der Fall jedoch etwas schwieriger.

Wenn der Schaden nämlich offensichtlich wird, werden die Gerichte nach den polizeirechtlichen Gegebenheiten zu diesem späten Zeit-punkt entscheiden, und nicht nach der Gesetzeslage zum Zeitpunkt der Emission. Im deutschen Recht wurde eine entsprechende Haf-tungsregel, die Zustandsstörerhaftung eingeführt, die unabhängig von einer zivilen Haftung ist und letztere sogar unterdrückt. Ein Schädiger wird also nicht nach der zivilen Haftung zum Zeitpunkt der Emission herangezogen, sondern nach der polizeirechtlichen Haftungsregel zu dem viel späteren Zeitpunkt. Die Frage ist von grosser Bedeutung im Falle von Schäden an Dritten, die von Alt-lasten ausgehen. Der deutsche Haftpflicht-Unterstützungs-kassen-Verband hat sich dieses Problems entledigt, indem er Deckung für solche Haftung ausdrücklich ausschliesst. Das Problem der Finanzierung der Sanierungskosten bleibt dadurch ungelöst.

Dank des wissenschaftlichen und technischen Fortschritts können in der Zukunft andere Schäden auftauchen, die nichts mit Altlasten zu tun haben. Beispiele wären Emissionen von "Industrieanlagen" wie Tankstellen oder chemischen Reinigungen. Da das Interesse an den Umweltauswirkungen solcher Betriebe schnell wächst, mögen sich die Betreiber eines Tages Ansprüchen aufgrund von heute noch unbe-

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kannten Risiken gegenübersehen. Es ist fraglich, ob sie künftig jede Verantwortung werden ablehnen können mit der Begründung, sie hätten heute nichts gewusst.

Die deutsche Zustandsstörerhaftung ist in vieler Hinsicht der ex-post-Haftung ähnlich, die von Calabresi und Klevorick (1985) diskutiert wurde. Der Unterschied zu einer "normalen" Haftungsregel besteht darin, daß Informationen, die nach dem Bekanntwerden des Schadens erworben wurden, im Gericht zur Beweisführung zugelassen werden. Es bleibt in dem genannten Aufsatz unklar, ob die Zustandsstörerhaftung einer "normalen" (ex-ante) Haftungsregel überlegen ist. Der Grund für diese Vermutung liegt auf der Hand: Gilt eine ex-post-Haftungsregel, so mögen potentielle Schädiger aus Furcht vor eventuellen Ansprüchen davon abgehalten werden, bestimmte Aktivitäten zu verfolgen.

4.5 Eine Vielzahl von Schädigern

Wenden wir uns nun den Problemen zu, die entstehen, wenn eine grosse Anzahl von Schädigern beteiligt ist. Ein bekanntes Konzept ist das der gesamtschuldnerischen Haftung, eine andere Möglichkeit ist eine Proportionalhaftung. Im Falle der Umweltschäden werfen beide Haftungsregeln unüberwindbare Probleme auf, und praktische Lösungen kann es nur geben, solange alle an einem Schaden betei-ligten Schädiger identifizierbar sind. Dies ist bei Umweltschäden aber selten der Fall. Wegen des Mangels an Wissen, wegen der Synergien, wegen der Zeit, die zwischen der Emission und dem Bekanntwerden des Schadens vergeht, wegen der mangelnden Sorgfalt des Opfers (was einem Mitverschulden gleichkommt) wird es selten gelingen, alle Schädiger einwandfrei zu identifizieren. Solange also nicht genügende wissenschaftliche Methoden zur Verfügung stehen, bleibt die Aussicht, die Haftpflichtversicherung als Instrument der Umweltpolitk einzusetzen, gering. Auch bei einem schnellem Fort-schritt in der Mess- und Regeltechnik gibt es wenig Grund zu der Annahme, dass sich diese Situation bald bessern wird.

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Das Problem wird von Shavell (1987) in einem Aufsatz über die Unsicherheit in Bezug auf die Kausalität und über die Frage der Allokation von Haftung diskutiert. Er behandelt eine Reihe von praktischen Kriterien zum Nachweis von Kausalität. Eine Möglichkeit ist die Verwendung einer "Grenzwahrscheinlichkeit" für die Verant-wortung eines Schädigers, eine andere Möglichkeit ist die Verwen-dung "proportionaler Wahrscheinlichkeiten". Wird die Grenzwahr-scheinlichkeit als Kriterium verwandt, so ist ein Schädiger haftbar, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass er den Schaden verursacht hat, diesen Grenzwert überschreitet. Wird das Kriterium der proportiona-len Wahrscheinlichkeit herangezogen, ist der Schädiger immer haft-bar, jedoch nur entsprechend seiner relativen Wahrscheinlichkeit.

Wegen des Mangels an Informationen über solche Wahrscheinlich-keiten kann die Haftung vieler Schädiger nicht allein mit Hilfe der oben genannten Kriterien begründet werden. Es ist aber vorstellbar, ein weiteres Kriterium zu entwickeln, wonach ein Schädiger dann haftbar ist, wenn der Schaden ohne seine Tätigkeit nicht entstanden wäre. Ein solches Kriterium würde ebenfalls Ja-Nein-Entscheidungen herbeiführen.

4.6 Eine weit gefasste Definition von Umweltschäden

Herkömmlicherweise gilt die Haftung lediglich für Personen- oder Sachschäden. Im Falle von Umweltschäden ist eine solche Einschrän-kung nicht angebracht und eine ganze Reihe von Punkten sind der Betrachtung würdig.

Als erstes ist die Kategorie der wirtschaftlichen Verluste zu nennen. Dies sind Verluste an Einkommen als Resultat eines Umweltschadens. Als Beispiel kann der Einkommensverlust von Fischern, Hotel- und Restaurantbesitzern infolge der Verschmutzung eines Strandes mit Öl nach einem Tankerunfall gelten. Da die Strände gewöhnlich nicht zu den Hotels oder den Restaurants gehören, liegt kein Schaden am Eigentum vor. Wenn die Touristen nicht mehr kommen, entstehen

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doch Schäden, die auf die Strandverschmutzung zurückgehen. Die Frage ist, ob diese Schäden zu weit von der Ursache entfernt sind, als dass sie entschädigt werden könnten.

In der Bundesrepublik gibt es eine gewisse Duldungspflicht für Umweltschäden infolge von Emissionen, da private Unterlassungs-klagen in vielen Fällen nicht zugelassen sind. Ansprüche auf Kompensation als Resultat von Luftverschmutzung können aufgrund

9 / des Paragraph 14 des Bundes-lmmisionsschutzgesetzes - BlmSchG geltend gemacht werden. Danach kann nicht auf Unterlassung auf der Grundlage des Privatrechts geklagt werden, wenn die Tätigkeit aufgrund einer unanfechtbaren Genehmigung erfolgt. Massnahmen zur Abwehr der Schädigung können nur verlangt werden, wenn dies nach dem Stand der Technik wirtschaftlich vertretbar ist. Andernfalls besteht ein Anspruch auf Schadensersatz. Eine entsprechende Regelung findet sich auch im Wasserhaushaltsgesetz. Da diese Einwirkungen vom Gesetz ausdrücklich gestattet werden, ist es unmöglich, hierfür Versicherungsschutz zu erwerben. In Fällen jedoch, in denen Schäden, die weit von der Ursache entfernt sind, nicht ausdrücklich von Kompensationen ausgeschlossen sind, wäre eine Erweiterung der Schadensdefinition wünschenswert.

Das nächste Problem ist das der Schäden an Ökosystemen, die als eine besondere Art öffentlicher Güter angesehen werden können, wie zum Beispiel eine Atmosphäre oder ein Ozean frei von künstlicher Radioaktivität. Da radioaktive Strahlung alle Lebensformen mehr oder minder schädigt, sind nicht nur die Menschen, sondern auch Flora und Fauna von der Belastung der Atmosphäre betroffen. Es mag schwierig sein, den Nutzeffekt einer sauberen Umwelt für das natürliche Leben in der räumlichen und in der zeitlichen Ausdeh-nung zu erfassen, aber es ist sicher unmöglich, einzelne Schad-effekte individualistisch einzelnen Opfern zuzuordnen. Es kann daher keine zivile Haftungsregel angewandt werden, und Versiche-rung für solche Schäden kann solange nicht angeboten werden, wie es kein identifiziertes Opfer gibt.

U Schulz (Nr. 600)

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Dennoch können, wie auch bei den wirtschaftlichen Verlusten, reale Schäden an Ökosystemen entstehen, unabhängig davon, ob die gegenwärtige Rechtspraxis jemanden dafür haftbar macht oder nicht. Je nach der Natur des Schadens können die Kosten der Wiederher-stellung oder die Optionskosten infolge einer Irreversibilität alles Vorstellbare übersteigen. Die Frage ist daher, wie Anreize für potentielle Schädiger gesetzt werden können, die Ökosysteme so gut wie möglich zu schützen.

Anstatt auf eine zivilen Haftung kann entweder auf technische Regu-lierungen zurückgegriffen oder eine öffentliche Institution ermächtigt werden, Ansprüche im Namen von Ökosystemen geltend zu machen. Es gilt also zu entscheiden, welche Institutionen vor Gericht auftreten dürfen. Ein Fall, der die Schwierigkeiten in der Zulassung zum Gericht und in der Bewertung von Schäden, einschliesslich des Ver-lustes von Mikroorganismen und einer Landschaft, gut illustriert, ist Commonwealth of Puerto Rico v . SS Zoe Colocotroni vor dem First

25 Court of Appeals in den Vereinigten Staaten von Amerika .

Der Fall zeigt, dass Ansprüche für Schäden gegen einen Schädiger immer dann aufgrund einer Haftungsregel geltend gemacht werden können, wenn eine öffentliche Körperschaft (hier die lokale Regierung) vor Gericht zugelassen wird. Vielleicht ist es aber notwendig, eine Zulassung vor Gericht gesetzlich zu regeln. Von diesem und anderen oben diskutierten Punkten abgesehen, mag ein grosser Teil der Umweltschäden versicherbar sein, und es ist unklar, warum der deutsche HUK-Verband eine Deckung kategorisch abgelehnt hat.

5. Schlussfolgerungen

In diesem Aufsatz haben wir eine Reihe von Fragen der Haftung für Umweltschäden behandelt. Eine Schlüsselstellung nimmt im Zusammen-hang mit alternativen Haftungsregeln die Frage ein, welche Sorg-

2 5 (628 F.2d 652)(Ist Cir. Aug. 12, 1980)(10 ELR 20882)

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faltsniveaus und welche Umfange von Tätigkeiten die unterschied-lichen Haftungsregeln zur Folge haben. Nur wenn es, wenn auch nur theoretisch, möglich ist, das Sorgfaltsniveau unter den verschie-denen Haftungsregeln vorherzusagen, kann über eine Rolle der Haftungsregeln als Instrumenten der Umweltpolitik, neben den schon bestehenden Sicherheitsauflagen und technischen Vorschriften, nach-gedacht werden.

Wir stellten daher eine ökonomische Theorie der Haftungsregeln vor, die von Steven Shavell entwickelt wurde. Zunächst gilt es die beste-hende Haftungsregel zu betrachten, danach ist zwischen Risiko-Aversion und Risiko-Neutralität zu unterscheiden, und drittens hängt das Sorgfaltsniveau auch von der Verfügbarkeit von Versicherungs-schutz ab. Angesichts dieser drei Determinanten ist nicht deutlich, ob eine Verschärfung der bestehenden Haftungsregeln dem Ziel, öko-logisch vertretbare Sorgfaltsniveaus zu erreichen, dient oder nicht. Für eine Vorhersage des Einflusses einer solchen Politik ist es daher nötig, die Bedeutung der Veränderung von Haftungsregeln für das Sorgfaltsniveau zunächst genau zu analysieren.

Der dritte Teil des Aufsatzes beschreibt die Eigenschaften von Umweltschäden, wobei es viele Definitionsprobleme gibt, die für die Versicherbarkeit von Umweltschäden von Bedeutung sind. Eine her-ausragende Eigenschaft liegt darin, dass Umweltschäden über lange Zeiträume entstehen und sehr lange andauern. Beides führt zu Pro-blemen für die Versicherungsunternehmen. Zusätzlich ist es im Falle von mehreren Schädigern schwierig, die Identität und die anteilige Schuld jedes einzelnen zu bestimmen. Die letzte Frage betrifft die Definition von Umweltschäden als solche. Da herkömmliche Schadens-definitionen nur Schäden am Körper und am Eigentum einschliessen, würde deren Anwendung auf Umweltschäden alle Schädigungen der Natur und wirtschaftliche Verluste ausschliessen. In diesem Zusam-menhang bleibt abzuwarten, ob öffentliche Körperschaften als Ver-walter von Ökosystemen vor Gerichten zugelassen werden werden.

Wir stellen ausserdem zwei Versicherungsmodelle für eine Umwelt-haftpflichtversicherung vor, von denen das erste im Jahre 1985 auf dem niederländischen Markt eingeführt wurde, während das andere

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1987 in der Bundesrepublik vorgeschlagen wurde. Die beiden Modelle unterscheiden sich, da in der niederländischen Police Deckung für Schäden infolge gradueller Emissionen angeboten wird, während dies in dem deutschen Vorschlag ausgeschlossen ist. Dieser Unterschied illustriert ein wichtiges Problem der Einführung einer Umwelthaft-pflicht als Instrument der Umweltpolitik: die Verfügbarkeit von Versicherungsschutz. Die Frage, ob es möglich sein wird, hier Deckung anzubieten, kann am besten der Markt beantworten. Das geht aber nur, wenn erst Erfahrungen mit (geringen) Deckungssum-men gesammelt werden. Vor diesem Hintergrund ist das niederlän-dische Modell ein Schritt in die richtige Richtung.

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Ausgabe 2/2010

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