Grundkenntnisse der Genetik - vdh.de · Grundkenntnisse der Genetik VDH-Akademie am 30. Oktober in...
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Grundkenntnisse der Genetik
VDH-Akademieam 30. Oktober in Dortmund
Helga Eichelberg
Hund: 39 Chromosomenpaare
Begriffspaare:dominant – rezessivhomozygot - heterozygot
Zelle
Zellkern
Chromosomen
Gene
Begriffserklärungen
Genpool – die Gesamtheit der Gene einer Population
Genom – der gesamte Genbestand einer Art
Genotyp – der Genbestand des Individuums
Phaenotyp – das äußere Erscheinungsbild des Individuums
Anlageträger – ein rezessives Merkmal ist heterozygotvorhanden, aber nicht sichtbar
Merkmalsträger – ein rezessives Merkmal ist homozygot und somit sichtbar
Mutation – Veränderung eines Gens
Mutationen sind die Voraussetzung für die genetische Vielfalt
A aAllele: Verschiedene Gene am gleichen Genort
Spontane MutationenDurch Mutagene ausgelöste Mutationen
Strahlen, Chemikalien
Zellteilung: MitoseVoraussetzung für Wachstum und Reparatur
Die Chromosomern verdoppeln sich. Die nach der Teilung entstandenen Zellen müssen den gleichen
Chromosomensatz wie den der Ausgangszelle besitzen
Reifung der Geschlechtszellen (Meiose )
Befruchtung
neues Individuum
Zellteilung: Meiose (Reduktionsteilung)Voraussetzung für die Befruchtung
Die nach Teilungen entstandenen reifen Geschlechtszellen besitzen nur je einen Paarling der Chromosomenpaare
Reifung der Geschlechtszellen (Meiose )
Befruchtung
neues Individuum
Erbgänge
dominant rezessiv Monogen ein Gen bestimmt intermediär das Merkmal
Polygen mehrere Gene sind an derMerkmalsausprägung
beteiliegt
Multifaktoriell Polygenie + Umwelt
Monogener rezessiver Erbgang
B B x b b
B B b bF1: B b
B b x B b
B b B b
F2: B B B b B b b b Genotyp 1 : 2 : 1Phänotyp: 3 : 1
Neufundländer B? und bb
Rückkreuzung
B B x b b alle Nachkommen sind schwarz
B b x b b
B b b b
B b B b b b b b
schwarz : braun = 1 : 1
Progressive Retina-Atrophie (PRA)
PRA – rezessiver Erbgang mit rassespezifischen GenortenP gesund p erblindet
P p X P p
P p P p
P P P p P p p p !
Merkmalsträger treten auf: Beide Eltern sind Anlageträger!
Zwei Merkmale auf zwei verschiedenen ChromosomenDihybride Kreuzung
4 verschiedene Haplotypen:
A BA ba Ba b
A B
a b
Zwei Merkmale auf zwei verschiedenen ChromosomenDihybride Kreuzung
Haarlänge: A - Kurzhaar a - LanghaarHaarfarbe: B - schwarz b - braun
A a B b X A a B b
A B A b a B a b A B A b a B a b
Je 4 verschiedene Eizellen und Spermien sind möglich Es gibt also 16 verschiedene Kombinationsmöglichkeiten
A B A b a B a b
A B A B A b a B a b 9 Kurzhaar schwarzA B A B A B A B 3 Langhaar schwarz
3 Kurzhaar braunA b A B A b a B a b 1 Langhaar braun
A b A b A b A b
a B A B A b a B a ba B a B a B a B
a b A B A b a B a ba b a b a b a b
Punnett‘sches Quadrat
Intermediäre Vererbung – Ko-Dominanz
Gemischte Merkmalsausprägung,von beiden Allelen beeinflusst
Beispiel: Rote x Weiße japan. Wunderblume
F1: Rosa
Intermediäre Vererbung – Ko Dominanz
Merle-FaktorKodiert eine typische Weißfärbung
MM MM voll ausgefärbtMM Mm gewünschte FärbungMm Mm Weißling
Homozygote Merle-Hunde neigen in vielen Rassen zu Defekten der Sinnesorgane
Taubheit, Blindheit, Gleichgewichtsstörung
Geschlechtschromosomen X und Y
Hündin: X X Rüde: X Y
X X x X Y
X X X Y
X X X X X Y X Y1 : 1
Schema geschlechtsgekoppelte Vererbung
X gesund X irgendwie krank
Überträgerin Rüde
X X x X Y
X X X Y
X X X X X Y X Y
Geschlechtsgekoppelte Vererbung
Hündinnen sind Konduktoren (Überträger)
Rüden bekommen ihr X-Chromosom stets von der Mutter, somit u.U. auch das kranke Gen
Überträgerinnen erzeugen zur Hälfte kranke Söhne und Überträger-Töchter
Geschlechtsgekoppelte Vererbung
Haemophilie = Bluterkrankheit
XH = gesund Xh = krank
XH Xh x XH Y
XH Xh XH Y
XH XH Xh XH XH Y Xh Y
Geschlechtsbegrenzte Vererbung
Die Geschlechtsbegrenzung besteht darin, dass Merkmale beidem einen oder anderen Geschlecht aus anatomischen oder physiologischen Gründen nicht sichtbar werden können, obwohl es sich um Merkmalsträger handelt.
Beispiel: Kryptorchismus
Fazit: Auch Hündinnen sind an der Vererbung desKryptorchismus beteiligt
Weshalb sind Zuchtergebnisse nicht sicher voraussagbar?
1. Der Genotyp und der Phaenotyp können unterschiedlich sein
2. Das Problem der polygenen Erbgänge
3. Umwelteinflüsse
4. Das genetische Milieu
Erbgänge
dominant rezessiv Monogen ein Gen bestimmt intermediär das Merkmal
Polygen mehrere Gene sind an derMerkmalsausprägung
beteiliegt
Multifaktoriell Polygenie + Umwelt
Polygene VererbungAusprägung eines Merkmals durch mehrere Gene
komplementär additivbeteiligte Gene ergänzen sich beteiligte Gene wirken
Beispiel: Melaninbildung zusammenBeispiel: HD
TyrosinTypisch: Hauptgene
DopaNebengene
Dopachinon
Dopachrom
MelaninEumelanin Phaeomelanin
Polygene Erbgänge
Monogene Erbgänge: Für die Ausprägung eines Merkmalsist ein Gen verantwortlich
Polygene Erbgänge : An der Ausprägung eines Merkmalssind mehrere Gene beteiligt
Paarungsergebnisse einer skandinavischen Studie (HD)
gesund x gesund: 17 % krankgesund x krank: 62 % krankkrank x krank: 87 % krank
Polygene Erbgänge
Beispiel eines polygenen Erbganges:Ein Merkmal wird von 5 Genen kontrolliert.
0 – 2 Gene = gesund; 3 – 5 Gene = krank verschiedenen Grades
A B C D EA B C D E
phaenotypisch gesund a b C D Ea b C D E
genotypisch krankA B c d EA B c d E
Wie wäre es jetzt
mit einer Pause?
Umweltfaktoren
Der Phaenotyp eines Individuums wird nicht allein durch seinen Genotyp, sondern auch durch die Umwelt bestimmt. Dies gilt vor allem für polygene Erbgänge.
Der genetische Anteil an der Merkmalsausprägung ist dieHeritabilität
Eine Heritabilität von 0,8 bedeutet, dass 80% eines Merkmals ausschließlich genetisch beeinflusst sind und 20%
Umwelteinflüssen unterliegen
Beispiele: GrößeHDWesen
Genetisches Milieu
Merkmalsausprägungen können durch andere im Genotyp befindliche Gene
verstärkt, abgeschwächt oderganz unterdrückt werden
AlbinoBlaufärbung ( d )
Genetisches Milieu
Tüpfelung: Die Tiere werden weiß geboren,die Tüpfelung bildet sich erst nach der Geburt aus
Ein Hund, der schwarz wäre, könnte keine Tüpfel zeigen
MerkmalskopplungPhänomen: Zwei oder mehr Merkmale treten
gemeinsam auf
Beispiele: Kurze Beine – DackellähmeBlaue Fellfarbe – Alopezie (Haarverlust)Weiße Fellfarbe – Neigung zur Taubheit
Merkmalskopplung
Zwei Ursachen sind möglich:
Genkopplung: Zwei Gene sind so dicht benachbart, dass sie nur gemeinsamweitergegeben werden
Pleiotropie: Ein Gen prägt mehrere Merkmale aus
MerkmalskopplungKurze Beine - Dackellähme
Chondrodystrophie:
Diese Mutante führt zu einer frühen Verkalkungaller Knorpelanteile im Skelett
Folge:Die Tiere besitzen kurze Beine
Knochenwachstum
OberschenkelRidgebackwelpe
Wie wächst ein Säugetier?
Hand eines Erwachsenen Kinderhand
Farbaufhellung
Zwei Wege führen von schwarz zu blau:
G – g: G bewirkt frühes ErgrauenHunde werden schwarz geboren, hellen bei jedem Haarwechsel mehr auf ( BB Gg, Kerry-Blue, Bedlington-Terrier)
D - d: dd bewirkt Verklumpung des PigmentesHunde werden „blau“ geboren(BB dd, Pinscher, Dobermann, Dogge)
Blaufärbung
Unterschiedliche Anordnung der Pigmente
D D d d
DDd
Blaufärbung - Alopezie
„d“ führt zu einer Verklumpung des Pigmentes im Haar
Offenbar hat dies die Brüchigkeit des Haares zur Folge
Die Haare fallen nicht aus, sondern brechen direkt über der Haut ab
Weißfärbung und Taubheit
Die Pigmentzellen werden beim Embryo in der Neuralleiste gebildet
Die Neuralleiste ist auch an der Bildung der Sinnesorgane beteiligt
Bei der Weißfärbung sind die Pigmentzellen gestört, möglicherweise auch Bereiche
der Sinnesorgane
Wanderung der Pigmentzellen
Was bedeutet eigentlich „Epigenetik“ ?
„EPI“ = über
Epigenetik ist kein mysteriöser Zauber, sondern Naturwissenschaft
Der genetische Code
Die Merkmale eines Individuums sind in seinen Genen ( DNA ) codiert - Wir sind ein Abbild unserer Gene -
Die Gene eines Individuums werden bei der Befruchtung an die Folgegeneration weitergegeben
- Nachkommen ähneln ihren Eltern,- - Artgenossen haben artspezifische Merkmale -
Gene können sich verändern ( Mutation )A a
Phänomene, die durch Genwirkung allein nicht zu erklären sind
Zwei epigenetische Vorgänge, die programmiert. also genetisch reguliert sind
- - Zelldifferenzierung- Stammzellen differenzierte Zellen
- - Dosiskompensation- Schwarz-rote Katze = weibliche Katze
ZelldifferenzierungAlle Körperzellen besitzen den gleichen Genbestand
Zygote
LeberzelleStammzellen Lungenzelle
HautzelleDarmzelle
Zelldifferenzierung
Nach der Befruchtung haben alle Zellen den gleichen Chromosomensatz (Stammzellen )
Zur Differenzierung muss ein System vorhanden sein, das Gene an- und abschaltet , ohne die Gene selbst, also die
DNA zu verändern
Dosiskompensation
Weibliche Säugetiere: X XMännliche Säugetiere: X Y
Bei weiblichen Säugetieren wird in der frühen Embryonalentwicklung jeweils ein
X-Chromosom ausgeschaltet.Es wird als Barr-Körperchen an den Zellrand
abgelegt
Dosis-Kompensation
XX XX XXXX XX
XXXX
X XX X
X
X
XXXX
X
XX
XX
XX
X
X
EpigenetikRegulationsmechnismus der Gene
Chromosomen oder Gene werden aktiviertChromosomen oder Gene werden abgeschaltet
ohne die DNA zu beeinflussen
Genom: Hardware Epigenom: Software, Programmierer
Schaltmechanismen:Methylierung
Veränderung der Histone
Epigenetik
Das Phänomen ist seit den 30er Jahren bekannt
Was ist neu und führt zur Verunsicherung?
Auch die Umwelt prägt den epigenetischen Code
Ernährung, Temperatur, Verhalten, Traumata usw.
„Wir sind, was unsere Mutter gegessen hat“
Randy Jirtl, Robert Waterland ( 2007 )
Gelber Mäusestamm (fettleibig, Krebs anfällig)
Zusatzfutter während der Tragzeit( u.a. Folsäure )
Wildfarbige Mäuse ( gesund )
Gelber Mäusestamm
Die Genexpression des Nachwuchses wurde geändert, ohne die Gene selbst zu verändern
Phänomen Bienen
Aus gleichen Eiern entstehen Königinnen oder Arbeiterinnen
Steuerung: Futter
Alle Larven werden nach dem Schlupf gleich gefüttert: Kopfdrüsensekret: Gelee Royal
drei Tage
Gelee Royal Pollen und Nektar
Königin Arbeiterin
Phänomen Wüstenheuschrecke
Auch Verhaltensmerkmale werden epigenetisch beeinflusst
Wüstenheuschrecken
geringe Populationsdichte große Populationsdichte
grasgrün, Einzelgänger braunschwarz, Schwarmbildung
Steuerung wahrscheinlich vermehrte Serotoninbildung
Phänomen Geschlechtsbestimmung
Bei Reptilien wird das Geschlecht häufig durch die Bebrütungstemperatur der Eier bestimmt
Krokodile: 28-31 Grad Weibchen31-34 Grad Männchen
Bei einigen Fischen vollzieht sich eine Geschlechtsumwandlung:
Jung und klein MännchenÄlter und groß Weibchen
Phänomen Anzahl der Gene
Roggen besitzt ca. 60 000 GeneDas menschliche Genom besitzt weniger als 20 000 Gen
Karpfen besitzen 52 Chromosomenpaare,Menschen haben 23 Chromosomenpaare
Offenbar ist der Trend der Evolution nicht, die Anzahl der Gene zu erhöhen, sondern ihre Regulierbarkeit und ihre
Wirksamkeit zu erhöhen
Das Genom des Schimpansen und des Menschen stimmt zu 98,7% überein
Unterschied Genetik - Epigenetik
Der genetische Code wird von einer Generation zur anderen weitergegeben
Der epigenetische Code verschwindet in den meisten Fällen mit dem Tod des Individuums
Mit einem neuen Organismus wird auch ein neues Epigenom aufgebaut,vorwiegend durch Signale aus der Umwelt
Momentaner Wissensstand der Epigenetik
Stammzellforscher Rudolf Jänisch:„Was Sie heute Mittag gegessen haben,
hat irgendwie den Weg zu Ihrem Erbgut gefunden.Wir wissen nur noch nicht wie“
Langfristig wird sich vor allem im medizinischen Bereich für Mensch und Hund durch vermehrte epigenetische
Kenntnisse viel ändern
Was bedeutet Epigenetik für die Hundezucht?
Momentan eigentlich so gut wie nichts.Der jetzige Kenntnisstand gibt keinen Anlass zu grundlegenden Veränderungen in der Hundezucht
Experimenteller Nachweis: Zugabe von Folsäure während der frühen Trächtigkeit vermindert das Auftreten von Lippen/Gaumenspalten
und Spina bifida
Optimale und bedarfsgerechte Haltungsbedingungen werden auch weiterhin genügen, um gesunde und lebensfrohe
Hunde zu züchten und zu besitzen