GESUNDHEIT UND MEDIZIN Dienstag, 12. September 2017 ... · (Anisometropie) Bei einer Anisometropie...

1
GESUNDHEIT UND MEDIZIN Dienstag, 12. September 2017 Schulzeit: eine Gefahr für die Augen Für lebenslang gutes Sehen sollte man Sehschwächen früh entgegenwirken D ie Schule geht los. Für manche Kinder wieder, für andere zum ersten Mal. Für alle bedeutet das eine Herausforderung für ihre Augen. Es ist nicht einfach, ohne Sehstörungen durch die Schulzeit zu kommen. „Die Häufigkeit der Myopie (Kurzsichtigkeit) steigt in der Schulzeit steil an. Von den Kindern mit Brille unter sechs Jahren sind nur etwa zehn Prozent kurzsichtig. Mit elf Jahren sind bereits mehr als 50 Prozent, mit 17 Jahren bereits mehr als 70 Prozent der Kinder mit Brille kurzsichtig“, sagt Dr. Wolf- gang Wesemann, ehemaliger Leiter der Höhreren Fachschule für Au- genoptik in Köln. Dass die Kurzsichtigkeit zu- nimmt, liegt aber nicht nur am Blick auf Hefte und Bücher in der Schule, sondern auch am Freizeit- verhalten der Kinder: Fernsehen, Computerspiele, Surfen im Internet und immer wieder auf das Smartphone schauen – die Kinder kommen kaum aus dem Starren im Nahsichtmodus heraus. Das kann nicht nur für die Augen, sondern auch für die schulischen Leistungen üble Folgen haben. Zap- pelphilipp oder Träumsuse, Toll- patsch oder Lernmuffel – hinter vie- len Auffälligkeiten von Kindern können Defizite des visuellen Sys- tems stecken. Eine vermutete Lese- und Rechtschreibstörung (LRS) muss keine sein. Holpriges Lesen, viele Fehler im Diktat – das kann an den Augen liegen. Woran erkennt man mögliche Sehschwächen? Die ersten Anzeichen für überfor- derte Augen sind vielfältig. Häufi- ges Augenreiben, Blinzeln und Stirnrunzeln sollte Eltern bereits stutzig machen. Kinder mit Sehpro- blemen ermüden schneller beim Malen, Basteln, Lesen oder Schrei- ben. Auch das Schriftbild kann durch unterschiedliche Wortabstän- de oder tanzende Zeilen auffallen. Betroffene Kinder lesen oft lang- sam, flüchtig oder fehlerhaft, ver- rutschen oft in der Textzeile und beugen den Kopf tief über Buch oder Heft. Das kann sich in schlech- teren Schulnoten niederschlagen. Häufiges Stolpern und Balancestö- rungen, Probleme beim Ballfangen und Ungeschicklichkeit sind weite- re Alarmsignale. Die häufigsten Sehfehler und ihre Behandlung: Weitsichtigkeit (Hyperopie) Kleinere Kinder sind normaler- weise etwas weitsichtig. Die noch sehr elastische Augenlinse gleicht die Weitsichtigkeit aus und stellt auch nahe Gegenstände scharf. Was hilft? Bei schwacher Weitsichtigkeit brauchen die Kleinen meistens kei- ne Brille. Da das kindliche Auge wächst, verschwindet die Weitsich- tigkeit oftmals von selbst. Eine Bril- le ist aber bei starker Weitsichtig- keit angebracht – um etwa der Ent- stehung von Schielen entgegenzu- wirken. Ohne Behandlung besteht die Gefahr einer lebenslangen Seh- schwäche besonders, wenn nur ein Auge betroffen ist. Was es bis zum sechsten, siebten Lebensjahr nicht gelernt hat, holt es nicht mehr nach. Kurzsichtigkeit (Myopie) Kurzsichtigen erscheint alles in der Ferne unscharf. Der Sehfehler ist zum einen vererbbar, zum ande- ren begünstigen Lesen, Beschäfti- gung mit Computer, Tablet und Smartphone die Kurzsichtigkeit. Je hochgradiger die Kurzsichtigkeit, desto größer ist im höheren Alter die Gefahr von schwerwiegenden Folgeerkrankungen wie Netzhaut- ablösung, Grünem Star oder Maku- ladegeneration. Was hilft? Vorbeugend sollten Kinder täg- lich mindestens zwei Stunden raus an die frische Luft. Ein kurzsichti- ges Kind muss eine Brille oder Kon- taktlinsen tragen. Die Fehlsichtig- keit lässt sich nicht heilen, aber pro- blemlos korrigieren. Hornhautverkrümmung (Astigmatismus) Ist die Hornhaut ungleichmäßig gewölbt, entstehen auf der Netz- haut verzerrte Bilder. Das Gehirn gleicht das zwar aus, sodass ein Astigmatismus erst einmal nicht be- wusst auffällt. Betroffene Kinder sehen aber ungenauer. Was hilft? Eine stärkere Hornhautverkrüm- mungmit Brille ausgeglichen wer- den, damit die Augen richtig und scharf sehen lernen. Ungleichsichtigkeit (Anisometropie) Bei einer Anisometropie sind bei- de Augen fehlsichtig, allerdings un- terschiedlich in Ausprägung oder Art. Das Kind kann auf einem Auge kurzsichtig und auf dem anderen weitsichtig sein oder eine Horn- hautverkrümmung haben. Was hilft? Eine Brille korrigiert die Un- gleichsichtigkeit – je früher, desto- erfolgreicher. Ansonsten ver- schlechtert sich das Sehen des schon schlechteren Auges noch mehr, ein lebenslanger Schaden wäre die Fol- ge. Schielen (Strabismus) Beide Augen blicken nicht in die- selbe Richtung, das Kind schielt. Bei manchen Kindern fällt es sehr auf, sodass Eltern den vermeintli- chen Schönheitsfehler frühzeitig untersuchen lassen. Viele schielen jedoch nicht so of- fensichtlich – nur der Augenarzt kann es feststellen. Je jünger das schielende Kind zu Behandlungsbe- ginn, desto besser sind die Erfolgs- aussichten. Im Schulalter lässt sich kaum noch eine normale Sehschärfe erreichen. Was hilft? Brillengläser korrigieren Bre- chungsfehler. Eine Okklusionsthe- rapie trainiert das schwächere Auge, wobei das bessere mit einem Pflaster abgedeckt wird. Die ärztli- chen Anweisungen sind penibel zu befolgen. Eltern, Kinder und Ärzte erhalten neuerdings Unterstützung von einem kleinen Sensor, der für drei Monate auf den Brillenbügel oder das Pflaster geklebt wird. Er registriert die Tragezeit der Thera- piehilfen, die Behandlung lässt sich besser steuern. Auch eine operative Umlagerung der Augenmuskeln kann infrage kommen. Schwachsichtigkeit (Amblyopie) Das Gehirn bevorzugt ein Auge, das scharf sehen lernt. Das andere bleibt zurück. Ohne Behandlung ist entspanntes beidäugiges räumli- ches Sehen später nicht möglich. Am häufigsten entsteht eine Am- blyobie durch Schielen. Auch Weit- und Kurzsichtigkeit sowie Horn- hautverkrümmung, vor allem wenn sie auf einem Auge stärker auftre- ten, können Ursachen sein. Was hilft? Eltern sollten mit ihren Kindern spätestens zwischen 30. und 42. Le- bensmonat zum Augenarzt. Er stellt die Ursache der Schwachsichtigkeit fest und leitet die notwendige Be- handlung ein. (KGS,uk) Weitere Infos: www.sehen.de Wer die Tafel unscharf sieht, geht besser zum Arzt: Gutes Sehen ist wichtig für Erfolg und Spaß im Unterricht. Foto: ZVA/Peter BoettcherBei Quelle: Bitkom: Studie „Kinder und Jugend in der digitalen Welt“, 2017 Was Kinderaugen können 1. Monat - Hell-dunkel-Kontraste unterscheiden 2. Monat - Gesichtsumrisse und grobe Muster wahrnehmen - bei hellem Licht blinzeln 3. – 4. Monat - erste Schritte zum räumlichen Sehen machen - Gegenstände fixieren und verfolgen 7. – 8. Monat - etwa ein Drittel der Sehschärfe eines Erwachsenen erzielen Ende 12. Monat - die Hälfte der Sehschärfe eines Erwachsenen erreichen 1 – 3 Jahre - Fortschritte beim räumlichen Sehen machen bis 5 Jahre - immer schärfer sehen 6 – 8 Jahre - immer besser räumlich sehen 9 Jahre - das räumliche Sehen eines Erwachsenen erreichen 10 – 12 Jahre - das Gesichtsfeld eines Erwachsenen erreichen Landshuter Zeitung

Transcript of GESUNDHEIT UND MEDIZIN Dienstag, 12. September 2017 ... · (Anisometropie) Bei einer Anisometropie...

Page 1: GESUNDHEIT UND MEDIZIN Dienstag, 12. September 2017 ... · (Anisometropie) Bei einer Anisometropie sind bei-de Augen fehlsichtig, allerdings un-terschiedlich in Ausprägung oder Art.

GESUNDHEIT UND MEDIZIN Dienstag, 12. September 2017

Schulzeit: eine Gefahr für die AugenFür lebenslang gutes Sehen sollte man Sehschwächen früh entgegenwirken

D ie Schule geht los. Für mancheKinder wieder, für andere zum

ersten Mal. Für alle bedeutet das eineHerausforderung für ihre Augen. Es istnicht einfach, ohne Sehstörungendurch die Schulzeit zu kommen.

„Die Häufigkeit der Myopie(Kurzsichtigkeit) steigt in derSchulzeit steil an. Von den Kindernmit Brille unter sechs Jahren sindnur etwa zehn Prozent kurzsichtig.Mit elf Jahren sind bereits mehr als50 Prozent, mit 17 Jahren bereitsmehr als 70 Prozent der Kinder mitBrille kurzsichtig“, sagt Dr. Wolf-gang Wesemann, ehemaliger Leiterder Höhreren Fachschule für Au-genoptik in Köln.

Dass die Kurzsichtigkeit zu-nimmt, liegt aber nicht nur amBlick auf Hefte und Bücher in derSchule, sondern auch am Freizeit-verhalten der Kinder: Fernsehen,Computerspiele, Surfen im Internetund immer wieder auf dasSmartphone schauen – die Kinderkommen kaum aus dem Starren imNahsichtmodus heraus.

Das kann nicht nur für die Augen,sondern auch für die schulischenLeistungen üble Folgen haben. Zap-pelphilipp oder Träumsuse, Toll-patsch oder Lernmuffel – hinter vie-len Auffälligkeiten von Kindernkönnen Defizite des visuellen Sys-tems stecken. Eine vermutete Lese-und Rechtschreibstörung (LRS)muss keine sein. Holpriges Lesen,viele Fehler im Diktat – das kann anden Augen liegen.

Woran erkennt manmögliche Sehschwächen?

Die ersten Anzeichen für überfor-derte Augen sind vielfältig. Häufi-ges Augenreiben, Blinzeln undStirnrunzeln sollte Eltern bereitsstutzig machen. Kinder mit Sehpro-blemen ermüden schneller beimMalen, Basteln, Lesen oder Schrei-ben. Auch das Schriftbild kanndurch unterschiedliche Wortabstän-de oder tanzende Zeilen auffallen.Betroffene Kinder lesen oft lang-sam, flüchtig oder fehlerhaft, ver-rutschen oft in der Textzeile undbeugen den Kopf tief über Buchoder Heft. Das kann sich in schlech-teren Schulnoten niederschlagen.Häufiges Stolpern und Balancestö-rungen, Probleme beim Ballfangenund Ungeschicklichkeit sind weite-re Alarmsignale.

Die häufigsten Sehfehlerund ihre Behandlung:

◆ Weitsichtigkeit (Hyperopie)Kleinere Kinder sind normaler-

weise etwas weitsichtig. Die nochsehr elastische Augenlinse gleichtdie Weitsichtigkeit aus und stelltauch nahe Gegenstände scharf.

Was hilft?Bei schwacher Weitsichtigkeit

brauchen die Kleinen meistens kei-

ne Brille. Da das kindliche Augewächst, verschwindet die Weitsich-tigkeit oftmals von selbst. Eine Bril-le ist aber bei starker Weitsichtig-keit angebracht – um etwa der Ent-stehung von Schielen entgegenzu-wirken. Ohne Behandlung bestehtdie Gefahr einer lebenslangen Seh-schwäche besonders, wenn nur einAuge betroffen ist. Was es bis zumsechsten, siebten Lebensjahr nichtgelernt hat, holt es nicht mehr nach.

◆ Kurzsichtigkeit (Myopie)Kurzsichtigen erscheint alles in

der Ferne unscharf. Der Sehfehlerist zum einen vererbbar, zum ande-ren begünstigen Lesen, Beschäfti-gung mit Computer, Tablet undSmartphone die Kurzsichtigkeit. Jehochgradiger die Kurzsichtigkeit,desto größer ist im höheren Alterdie Gefahr von schwerwiegendenFolgeerkrankungen wie Netzhaut-ablösung, Grünem Star oder Maku-ladegeneration.

Was hilft?Vorbeugend sollten Kinder täg-

lich mindestens zwei Stunden rausan die frische Luft. Ein kurzsichti-ges Kind muss eine Brille oder Kon-

taktlinsen tragen. Die Fehlsichtig-keit lässt sich nicht heilen, aber pro-blemlos korrigieren.

◆ Hornhautverkrümmung(Astigmatismus)Ist die Hornhaut ungleichmäßig

gewölbt, entstehen auf der Netz-haut verzerrte Bilder. Das Gehirngleicht das zwar aus, sodass einAstigmatismus erst einmal nicht be-wusst auffällt. Betroffene Kindersehen aber ungenauer.

Was hilft?Eine stärkere Hornhautverkrüm-

mungmit Brille ausgeglichen wer-den, damit die Augen richtig undscharf sehen lernen.

◆ Ungleichsichtigkeit(Anisometropie)Bei einer Anisometropie sind bei-

de Augen fehlsichtig, allerdings un-terschiedlich in Ausprägung oderArt. Das Kind kann auf einem Augekurzsichtig und auf dem anderenweitsichtig sein oder eine Horn-hautverkrümmung haben.

Was hilft?Eine Brille korrigiert die Un-

gleichsichtigkeit – je früher, desto-erfolgreicher. Ansonsten ver-schlechtert sich das Sehen des schonschlechteren Auges noch mehr, einlebenslanger Schaden wäre die Fol-ge.

◆ Schielen (Strabismus)Beide Augen blicken nicht in die-

selbe Richtung, das Kind schielt.Bei manchen Kindern fällt es sehrauf, sodass Eltern den vermeintli-chen Schönheitsfehler frühzeitiguntersuchen lassen.

Viele schielen jedoch nicht so of-fensichtlich – nur der Augenarztkann es feststellen. Je jünger dasschielende Kind zu Behandlungsbe-ginn, desto besser sind die Erfolgs-aussichten. Im Schulalter lässt sichkaum noch eine normale Sehschärfeerreichen.

Was hilft?Brillengläser korrigieren Bre-

chungsfehler. Eine Okklusionsthe-rapie trainiert das schwächereAuge, wobei das bessere mit einemPflaster abgedeckt wird. Die ärztli-chen Anweisungen sind penibel zubefolgen. Eltern, Kinder und Ärzteerhalten neuerdings Unterstützung

von einem kleinen Sensor, der fürdrei Monate auf den Brillenbügeloder das Pflaster geklebt wird. Erregistriert die Tragezeit der Thera-piehilfen, die Behandlung lässt sichbesser steuern. Auch eine operativeUmlagerung der Augenmuskelnkann infrage kommen.

◆ Schwachsichtigkeit (Amblyopie)Das Gehirn bevorzugt ein Auge,

das scharf sehen lernt. Das anderebleibt zurück. Ohne Behandlung istentspanntes beidäugiges räumli-ches Sehen später nicht möglich.Am häufigsten entsteht eine Am-blyobie durch Schielen. Auch Weit-und Kurzsichtigkeit sowie Horn-hautverkrümmung, vor allem wennsie auf einem Auge stärker auftre-ten, können Ursachen sein.

Was hilft?Eltern sollten mit ihren Kindern

spätestens zwischen 30. und 42. Le-bensmonat zum Augenarzt. Er stelltdie Ursache der Schwachsichtigkeitfest und leitet die notwendige Be-handlung ein. (KGS,uk)

■ Weitere Infos:

www.sehen.de

Wer die Tafel unscharf sieht, geht besser zum Arzt: Gutes Sehen ist wichtig für Erfolg und Spaß im Unterricht. Foto: ZVA/Peter BoettcherBei

Quelle: Bitkom: Studie „Kinder und Jugend in der digitalen Welt“, 2017

Was Kinderaugen können1. Monat- Hell-dunkel-Kontraste unterscheiden2. Monat- Gesichtsumrisse und grobe Muster wahrnehmen- bei hellem Licht blinzeln3. – 4. Monat- erste Schritte zum räumlichen Sehen machen- Gegenstände fixieren und verfolgen7. – 8. Monat- etwa ein Drittel der Sehschärfe eines Erwachsenen erzielenEnde 12. Monat- die Hälfte der Sehschärfe eines Erwachsenen erreichen1 – 3 Jahre- Fortschritte beim räumlichen Sehen machenbis 5 Jahre- immer schärfer sehen6 – 8 Jahre- immer besser räumlich sehen9 Jahre- das räumliche Sehen eines Erwachsenen erreichen10 – 12 Jahre- das Gesichtsfeld eines Erwachsenen erreichen

8A6LniQoLandshuter Zeitung