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Prof. Dr. Renate Breuninger Sommersemester 2017 Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844 1900) 1. EINFÜHRUNG F W N

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Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2017

Friedrich

Wilhelm

Nietzsche

(1844 – 1900)

1. EINFÜHRUNG

F

W

N

Nietzsche als Zertrümmerer

der Tradition

• Das Gesamtwerk – Kontinuität und Wandel

• N auf der Schwelle von der Neuzeit zur Gegenwart

• Die klassische Tradition von Platon bis Hegel = Irrweg des

Denkens= Nietzsche als Zerstörer der Neuzeit/Metaphysik

• Nietzsche destruiert die große Metaphysik von Platon bis Hegel

• Vernunft in ihrer Bedeutung für das menschliche Leben

zurückholen – Integration in das Leben- gegen Absolutsetzung

der Vernunft

• Platon = Welt der Ideen = Wahrheit gegen Sinnlichkeit & Hegel:

Welt = vernünftig = wahr

• dagegen N: Philosophie des Leben

Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2017 ⃒ Einführung in die Philosophie – Nietzsche: Einführung

Philosophie der Neuzeit mit Nietzsche an der Spitze:

Wendepunkt der Moderne

• Beginn mit Descartes (1641) und Kant (1771) und endet mit

Hegel (1831)

• Kennzeichen: Entstehung der Naturwissenschaften

Autonomie

Anthropologie

Wille zum System

Zerfall der Wissenschaften und Ablösung der

Philosophie

Nietzsche als Zertrümmerer

der Tradition

Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2017 ⃒ Einführung in die Philosophie – Nietzsche: Einführung

Wirkungsgeschichte Nietzsches

Stationen der Philosophie in der Neuzeit:

in Abhebung zu Hegel

• Schopenhauer (1799-1869)

• Feuerbach (1804-1872)

• Kierkegaard (1813-1855)

• Dreigestirn:

Marx (1818-1855) - Darwin (1809-1882) - Freud (1856-1939)

1900 – Die Traumdeutung

Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2017 ⃒ Einführung in die Philosophie – Nietzsche: Einführung

Rezeption von Nietzsche im 19. + 20. Jhd.

1. Lebensphilosophie:

Bergson – Klages – Dilthey – Simmel – Bollnow (gegen

Historismus, Leben als schöpferische Potenz)

1. Philosophische Anthropologie: Scheler - Gehlen - Plessner

2. Existenzphilosophie:

Heidegger (2 Bände, Nietzsche 1 und 2,1961 )

Jaspers (Nietzsche; Einführung in das Verständnis seines

Philosophierens 3. Aufl. 1950, Vernunft und Wahrheit. N & K, 1.

Vorlesung, 1935)

Sartre (der Einzelne, Unmittelbarkeit)

4. In der Gegenwart - Nietzsche als Ahnherr der Moderne und

Postmoderne: Foucault - Derrida – Vattimo – Lyotard

Rezeption Nietzsches

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Zu 4.

Orte dekonstruktiven Denkens

Das Individuelle

Differenz

Fragment

Dissonanz

Aporie

Ränder

Inkommensurabilität

Heterogenität

Pluralismus

Das Allgemeine

Identität

System

Harmonie

Stimmigkeit

Zentrum

Maß

Homogenität

Einheit

Rezeption Nietzsches

Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2017 ⃒ Einführung in die Philosophie – Nietzsche: Einführung

Nietzsches Rezeption

Nietzsches Rezeption als Geschichte der Missverständnisse,

der Hochstilisierungen und der Legendenbildungen:

• Schon als 1889 beginnt Geschichte seiner Wirkung: „Indes

Europas Edelfäule an Po, Bayreuth und Epsom sog, umarmte er

zwei Droschkengäule, bis ihn sein Wirt nach Hause zog.“

• N wird vermarktet von seiner Schwester (Elisabeth Förster-

Nietzsche)

• ... N und der Nationalsozialismus: Vitalität und Grausamkeit bei N,

der „Stärkere“,... N als die große Ausnahmeerscheinung, der

Einsame, der Außenseiter: „N war also verschlungen worden, er

hatte sich zu weit vorgewagt. N hatte sich ans Ungeheure des

Lebens verloren“ (Safranski, 2000, S. 332)

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Nietzsche Karikatur von

Frédéric Pajak

Stilisierungen Nietzsches

„Duckomenta“: Der alte Philosoph

Ns Wirkungsgeschichte im 20.Jh.

• Hintergrund: Gesamtmoral des bürgerlichen Zeitalters

Abschiedsstimmung des fin de siecle

• N trifft den Lebensnerv einer ganze Generation

• Aufbruchsstimmung – Vertrauen auf eigene Kräfte- Amor Fati –

existentielle Imperativ – N- Kult vor dem 1. WK: Ns Zara im

Sturmgebäck“- der „freie Geist“ – Jugendstil

• „Der Denker einer hermetischen Individualität zum Mentor der 1.

Massenbewegung des 20. Jhs“ (Gerhard, 1999, 215)

• N als „die tragische Wahrheit“ – Nietzsche und seine Krankheit

• ... N als Lyriker und Aphoristiker; Nietzsche der „Georgianer“

• ... N der Altphilologe

• ... N der Komponist und Briefeschreiber

Nietzsches Wirkungsgeschichte

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Nietzsche-Interpretationen:

• „Sie reden alle von mir,(...), aber niemand denkt an mich.“

(Nietzsche)

= Motto der Werke Albert Camus und Karl Löwith

• Das „Monument der Interpretationen“: Heidegger (N. 1 + 2)

• Eugen Fink, Karl-Heinz Volkmann-Schluck, und Eckard

Heftrich

• Eigenständige Interpretation:

Lois Riehl, Karl Joel, Rudolph Eisler, Theodor Litt, Michael

Landmann, Walter Kaufmann, Peter Heller, Friedrich

Kaulbach, Josef Simon, Henning Ottmann

Nietzsches Interpretationen

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• Historisch- Kritische Ausgabe durch Mazzoni Montinari und

Wolfgang Müller-Lauter (zuvor Erwartung des Nachlasses)

• Biographien von Charles Adler, Curt Paul Janz und Werner

Ross (Ross-Stipendien – Der ängstliche Adler), Rüdiger Safranki

• Eigenständige Interpretationen (Walter Kaufmann, Karl

Landmann, Karl Ulmer)

• Viele Denker haben mit N angefangen und mit ihm zu eigenen

originellen Ansätzen gefunden

• Literarische Deutung durch Erich Heller und Eckhard Heftrich

• Rezeption in Frankreich gibt neue Impulse

Nietzsches Werke und Interpretationen

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• N und der Jugendstil

• Expressionismus, Kubismus, Futurismus,

L´art pour l´art, Realismus weisen Spuren auf

• Picasso

• Kandinsky, Macke, Marc, Klee

• Max Beckmann, Otto Dix

• Auch Bildhauer und Architekten:

Auguste Rodin, Wilhelm Lembruck, Henry

van der Velde

Nietzsche und die bildende Kunst

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Eingang zum Nietzsche-Archiv in Weimar,

gestaltet von Henry van de Velde 1903

• Gottfried Benn, 1950: „Eigentlich hat alles, was meine Generation

diskutierte, innerlich sich ausdachte, man kann sagen: erlitt (...) alles

das hatte sich bereits bei Nietzsche ausgesprochen und erschöpft (...)

alles weitere war Exegese“

• Benn, 1952. „Nietzsche, die größte Erschütterung in Deutschland, die

es je gab.“

Rilke

Benn

Hofmannsthal

Heinrich Mann

Thoms Mann: „Nietzsche im Lichte unserer Erfahrung (1947),

Doktor Faustus

Musil

Die literarische Rezeption Nietzsches

Nietzsche und die Dichter

Antinomie Kunst - Leben

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• „Ich habe lange Zeit seine Schriften gemieden, (..)

weil sich dessen „Ahnungen und Einsichten oft in der

erstaunlichsten Weise mit den mühsamen

Ergebnisse der Psychoanalyse decken“ (Freud,

Selbstdarstellung 1925, Ges. Werke hrsg von

A,Freud, Bd 14, 1963, S. 83)

• Er will nicht in der entlarvenden Psychoanalyse das

finden, was er selbst zu entdecken hoffte

• Lou Andreas Salomé, Jung, Adler

• Literaturverarbeitung:

Irvin D. Yalom: Und Nietzsche weinte

(5. Aufl., 1996)

Nietzsche und die Psychoanalyse

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Lou Andreas-Salomé mit Paul Rée und

Friedrich Nietzsche

Lou Andreas-Salomé mit

Nietzsche, Rilke und Freud

Biographie – Nietzsche

1844 Geburt in Röcken bei Lützen als Sohn des evangelischen Pfarrers

Besuch des Internats von Schulpforta

Studium der Altphilologie in Bonn und Leipzig, dabei

1868 erste Bekanntschaft mit Wagner

Überragende Figur im Studium (bereits mit 25 Jahren Ruf als

außerordentlicher Professor der Altphilologie nach Basel – ohne

Dissertation und Habilitation)

1869 – 1879 Lehrtätigkeit in Basel

Freundschaften mit Jacob Burckhardt (Historiker), Franz Overbeck (ev.

Theologe)

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1864 Nietzsche - der kleine

PastorNietzsche als Student

1867

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Friedrich Nietzsche 1882 Nietzsche von Hans Olde

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1879 Entlassungsgesuch mit Hinweis auf Krankheit

Migräne mit Augen- und Kopfschmerzen

Es folgen 10 Jahre des „Hin und Her“: ständige Erkrankungen

Entstehungsperiode seiner großen Werke

Nizza, Sils-Maria, Venedig

Januar 1889 Ausbruch des Wahnsinns

Klinikaufenthalt in Jena

Aufenthalt bei der Mutter in Nauenburg

Pflege durch die Schwester

25. August 1900 Tod in Jena

Biographie – Nietzsche

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Zu Nietzsches Frühwerk

1. Frühwerk (1869 – 1876)

A (1869 – 1873)

1869 Homer und die klassische Philologie (Antrittsvorlesung)

1872 Die Geburt der Tragödie

(1869 – 1872) „Das Griechenbuch“:

Tragödie

Staat und Gesellschaft

Homer

1872 Über die Zukunft unserer Bildungsanstalten (öffentl. Vorträge)

(1872 – 1874) „Das Philosophenbuch“:

Die Philosophie im tragischen Zeitalter der Griechen (1873)

Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinn (1873)

Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2017 ⃒ Einführung in die Philosophie – Nietzsche: Einführung

B (1873 – 1876)

Unzeitgemäße Betrachtungen:

1873 I David Strauß, der Bekenner und der Schriftsteller

1874 II Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben

1874 III Schopenhauer als Erzieher

(1875) Wir Philologen

1876 IV Richard Wagner in Bayreuth

2. Mittlere Zeit (1876 – 1882)

1878/79 Menschliches Allzumenschliches

1881 Morgenröte

1882 Fröhliche Wissenschaft I – IV (V: 1887)

Zu Nietzsches Frühwerk

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3. Spätere Zeit (1883 – Ende 1888) (Auswahl)

1883 – 1885 Zarathustra (I – IV)

1886 Jenseits von Gut und Böse

1887 Zur Genealogie der Moral

(1883 – 1888) Nachlass („Der Wille der Macht“)

Zu Nietzsches Frühwerk

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Dreiteilung seiner Werke

Zarathustra:

Entwicklung vom „Du sollst“ (das lasttragende Kamel) zum „Ich

will“ (der Löwe) und schließlich zum „Ich bin“ (das spielende Kind):

„Drei Verwandlungen nenne ich euch des Geistes: Wie der Geiste zum Kameele wird, und

zum Löwen das Kameel, und zum Kinde zuletzt der Löwe.

Vieles Schweres gibt es dem Geiste, dem starken, tragsamen Geiste, dem Ehrfurcht

innewohnt: nach dem Schweren und Schwersten verlangt seine Stärke.

Aber in der einsamsten Wüste geschieht die zweite Verwandlung: zum Löwe wird hier der

Geist, Freiheit will er sich erbeuten, und Herr sein in seiner eigenen Wüste.

Aber sagt, meine Brüder, was vermag noch das Kind, das auch der Löwe nicht vermochte?

Was muss der raubende Löwe auch noch zum Kind werden?

Unschuld ist das Kind und Vergessen, ein Neubeginn, ein Spiel, ein aus sich rollendes Rad,

eine erste Bewegung, ein heiliges Ja-Sagen.

Ja zum Spiele des Schaffens, meine Brüder, bedarf es an heiligen Ja-Sagens – seinen

Willen will nun der Geist, seine Welt gewinnt der Welt-Verlorene.“

(Zarathustra – Von den drei Verwandlungen)

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Einteilung in drei Perioden

Erste Periode 1870/76:

Der verehrende Jünger („Kamel“)

Altphilologische Werke

1870/71: „Die Geburt der Tragödie“

1873ff: „Unzeitgemäße Betrachtungen“

(4 Bände): z.B.:

Bd.2: „Vom Nutzen und Nachteil

der Historie für das Leben“

Bd.4: „Richard Wagner in Bayreuth“

Zweite Periode 1876-82:

Nietzsche als kritischer-befreiender

Geist, radikale Kritik der

décadence, Moral, Kunst, Religion

und Philosophie („Drache/Löwe“)

1878: „Menschliches –

Allzumenschliches“

Übergang („Philosophie des

Vormittags“)

1881: „Die Morgenröte“

1882: „Die fröhliche Wissenschaft“

(Bd.1-4)

Dritte Periode 1883-1888:

Die eigene Lehre, die ewige

Wiederkehr des Gleichen, der

Übermensch, der Wille zur Macht („das

Kind“)

1883/84: „Also sprach Zarathustra“

1883-86: „Jenseits von Gut und Böse“

1887: „Zur Geneaologie der Moral“

Letzte Abrechnung mit Kultur und

Religion:

1888: „Der Fall Wagner,

die Götzendämmerung“

1888: „Der Antichrist“

1888: „Ecce Homo“

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