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Einf ¨ uhrung in Algebra und Zahlentheorie Dr. Stefan K¨ uhnlein Institut f¨ ur Algebra und Geometrie, Karlsruher Institut f¨ ur Technologie, Fr¨ uhjahr 2015 Dieses Skriptum unterliegt dem Urheberrecht. Vervielf¨ altigungen jeder Art, auch nur auszugsweise, sind nur mit Erlaubnis des Autors gestattet.

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Einfuhrung in Algebra undZahlentheorie

Dr. Stefan Kuhnlein

Institut fur Algebra und Geometrie, Karlsruher Institut fur Technologie, Fruhjahr2015

Dieses Skriptum unterliegt dem Urheberrecht. Vervielfaltigungen jeder Art, auchnur auszugsweise, sind nur mit Erlaubnis des Autors gestattet.

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VorgeplankelEs ist das Hauptziel dieses Skriptums, die zentralen Objekte und Sichtweisender Algebra und Elementaren Zahlentheorie einzufuhren. Dabei habe ich michuberwiegend um algebraische Aspekte der Zahlentheorie gekummert. Ich habeversucht, mich vom Gedanken leiten zu lassen, dass die strukturelle Sichtweiseder Algebra und der oft mehr inhaltliche Ansatz der Zahlentheorie sich gegenseitigerganzen.

Am Anfang der Vorlesung stehen die grundlegenden Aussagen uber Primzahlenund die Arithmetik von N bzw. Z .

Wir werden uns dann den strukturelleren Aussagen der Algebra zuwenden undschließlich auch Weiterentwicklungen der elementar zahlentheoretischen Aspektesehen.

Im Skript sind einige Nummern eingefugt, die ziemlich sicher dem Zeitmanage-ment zum Opfer fallen werden. Diese sind dann naturlich nicht prufungsrelevant,finden aber hoffentlich trotzdem das Interesse einiger Leser.

Ich hoffe nun, der Spaß beim weiteren Verlauf der Vorlesung wird nicht mir alleinvorbehalten sein, und will das mir mogliche tun, genau dazu beizutragen.

Karlsruhe im April 2015

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Inhaltsverzeichnis

1 Euklidischer Algorithmus und Teilbarkeit 7

1.1 Teilbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

1.2 Primzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

1.3 Zur Verteilung der Primzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

2 Gruppen 25

2.1 Magmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

2.2 Der Gruppenbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

2.3 Homomorphismen zwischen Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . 38

2.4 Faktorgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

2.5 Gruppenoperationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

2.6 Sylowsatze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

2.7 Aufbau des Zahlensystems I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

3 Ringe und Moduln 65

3.1 Ringe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

3.2 Moduln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

3.3 Monoidringe, Algebren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

3.4 Aufbau des Zahlensystems II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81

3.5 Exkurs: Arithmetische Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84

4 Teilbarkeitslehre und Primelemente 87

4.1 Teilbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87

4.2 Primideale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94

4.3 Gleichungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102

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6 INHALTSVERZEICHNIS

5 Endliche Korper 113

5.1 Quadratische Reste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

5.2 Restklassenkorper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

5.3 Endliche Korper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

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Kapitel 1

Euklidischer Algorithmus undTeilbarkeit

Wir fangen mit der Zahlentheorie an und lernen einige Dinge schon kennen, dienachher verallgemeinert werden. Die Mengen N,Z,Q,R der naturlichen, ganzen,rationalen bzw. reellen Zahlen setzen wir als bekannt voraus. Wenn wir spaterzeigen, wie sich Z aus N konstruieren lasst, so passiert das unabhangig vondiesem Kapitel, und auch die Konstruktion von Q machen wir ohne Ruckgriffauf Eigenschaften von Q , die wir hier schon benutzen.

Die Null ist fur uns keine naturliche Zahl.

1.1 Teilbarkeit

Definition 1.1.1 Teiler, ggT, kgV, Teilerfremdheit

Es sei n eine naturliche Zahl. Dann heißt d ∈ N ein Teiler von n , falls ein t ∈ N

existiert mit d · t = n. Wir schreiben dann d | n.In diesem Fall heißt n ein Vielfaches von d.

Die Menge aller Teiler von n ist endlich, denn alle Teiler von n sind ≤ n. JedeZahl ist Vielfaches von 1.

Fur zwei Zahlen n,m ist daher auch die Menge aller gemeinsamen Teiler endlichund nicht leer. Das großte Element dieser Menge heißt der großte gemeinsameTeiler von n und m . Er wird als ggT(m,n) notiert, oder manchmal auch einfachals (m,n). Analog kann man den ggT einer nichtleeren Menge von naturlichenZahlen definieren.

In der Menge aller gemeinsamen Vielfachen von m und n liegt m · n . Alsogibt es auch ein kleinstes Element dieser Teilmenge von N . Es heißt das kleinste

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8 KAPITEL 1. EUKLIDISCHER ALGORITHMUS UND TEILBARKEIT

gemeinsame Vielfache von m und n und wird mit kgV(m,n) notiert. Analogkann man das kgV einer endlichen Menge von naturlichen Zahlen definieren.

Zwei naturliche Zahlen m,n heißen teilerfremd, wenn der einzige gemeinsameTeiler in den naturlichen Zahlen 1 ist.

Der Begriff des Teilers lasst sich praktisch ungeandert auf kommutative Ringeubertragen, siehe 4.1.1.

Um den Begriff des ggT zu ubertragen, mussen wir ihn mangels Ordnungsrelationerst von einer anderen Warte aus verstehen, was in 1.1.3 passiert und dann inDefinition 4.1.4 ausgenutzt wird.

Wir legen aber jetzt schon fest, dass ggT(0, m) = m (m ∈ N0) und fur ganzeZahlen

ggT(m,n) = ggT(|m|, |n|), m, n ∈ Z.

Außerdem verwenden wir die Begriffe”Teiler“ und

”Vielfaches“ auch im nahelie-

genden Sinn fur ganze Zahlen. Jede Zahl teilt ubrigens 0, und 0 teilt nur 0.

Hilfssatz 1.1.2 Der ggT als Linearkombination

Es seien m,n ∈ Z gegeben. Dann gibt es c, d ∈ Z, sodass

mc + nd = ggT(m,n).

Beweis.

Ist eine der beiden Zahlen 0, so sind wir fertig. Ansonsten durfen wir zum Betragubergehen und daher ohne Einschrankung 0 < m ≤ n ∈ N voraussetzen. Mansieht schnell, dass der ggT von m und n dasselbe ist wie der ggT von m undn−m, denn jeder gemeinsame Teiler von m,n ist auch einer von m,n−m undumgekehrt.

Nun machen wir vollstandige Induktion nach max(m,n). Der Induktionsschrittsieht so aus (uber den Anfang mache man sich selbst Gedanken):

Im Fall m = n ist c = 1, d = 0 eine gute Wahl.

Im Fall 1 ≤ m < n ist das Maximum von {m,n−m} kleiner als das von {m,n},und es existieren c, d ∈ Z, sodass

cm+ d(n−m) = ggT(m,n−m) = ggT(m,n).

Also tun c := c− d und d := d was wir von ihnen wollen. ©

Folgerung 1.1.3 Teiler des ggT

Fur ganze Zahlen m,n sind die Teiler von ggT(m,n) genau die gemeinsamenTeiler von m und n .

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1.1. TEILBARKEIT 9

Die bisher unklare Richtung wird nun geklart, denn ein gemeinsamer Teiler vonm und n teilt naturlich auch alle Zahlen der Form cm+ dn, c, d ∈ Z.

Insbesondere ist der ggT von m und n, wenn nicht beide 0 sind, der positive ge-meinsame Teiler, der ein Vielfaches aller gemeinsamen Teiler ist, also das kleinstegemeinsame Vielfache aller Teiler.

Hilfssatz 1.1.4 Division mit Rest

Fur jede ganze Zahl k und jede naturliche Zahl n gibt es eindeutig bestimmteZahlen d ∈ Z und r ∈ {0, 1, . . . , n− 1} mit

k = dn+ r.

Hierbei heißt r der Rest von k bei Division durch n .

Beweis. Da es sowohl Vielfache von n gibt, die großer sind als k als auch Viel-fache, die kleiner sind, gibt es ein d ∈ Z mit

dn ≤ k < (d+ 1)n.

Subtraktion von dn liefert hier

0 ≤ k − dn =: r < n.

Das sind die richtigen Werte von d und r , die Eindeutigkeit derselben ist klar:

dn+ r = d′n+ r′ ⇒ (d− d′)n = r′ − r,

also teilt n die Differenz r′ − r, was aus Großengrunden r′ − r = 0 impliziertund damit d′ − d = 0, da n ja nicht 0 ist. ©

Konstruktion 1.1.5 Euklidischer1 Algorithmus – Berechnung des ggT

Es seien wieder m,n naturliche Zahlen, m < n. Ein algorithmisches Verfahrenzur Umsetzung der eben gewonnenen Einsicht (also: Konstruktion von c, d ) gehtso:

Setze a0 := n, a1 := m. Division mit Rest gemaß 1.1.4 sagt, dass es ein k1 ∈ N,sodass

0 ≤ a2 := a0 − k1a1 < a1.

Dadurch wird a2 festgelegt.

1Euklid, ca. 300 v. Chr.; im Prinzip wird das Vorgehen hier im siebten Buch der Elemente,§1 u. 2, beschrieben. Sehr wahrscheinlich hat Euklid das von pythagoraischen Quellen abge-schrieben.

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10 KAPITEL 1. EUKLIDISCHER ALGORITHMUS UND TEILBARKEIT

Fall 1: a2 = 0: Hier ist a1 ein Teiler von a0 , also ist a der ggT von a und b undwir sind fertig.

Fall 2: a2 6= 0: Wahle eine naturliche Zahl k2, sodass

0 ≤ a3 := a1 − k2a2 < a2.

Mache sukzessive so weiter. Wenn ai nicht 0 ist, so wahle ki ∈ N derart, dass

0 ≤ ai+1 := ai−1 − kiai < ai.

Irgendwann wird das so definierte ai+1 Null sein, und dann brechen wir denVorgang ab.

Mit dem Argument vom Anfang des Beweises von 1.1.2 gilt hier:

ggT(ai, ai−1) = ggT(ai+1, ai).

Wenn dann am Ende ai+1 = 0 gilt, so ist ai ein Teiler von ai−1 und damit ist

ai = ggT(ai, ai−1) = ggT(m,n).

Durch”Zuruckrechnen“ sieht man, wie ai sich als ganzzahlige Linearkombination

von m und n schreiben lasst. (Man kann dies auch parallel zum Algorithmusmitlaufen lassen.)

Anstatt das allgemein zuruckzuverfolgen, machen wir das in einem Beispiel.

Beispiel 1.1.6 Zwei Zahlen wohnen, ach, auf meinem Blatt

Wir wollen den ggT der naturlichen Zahlen 117 und 265 finden und als ganzzahligeLinearkombination der beiden schreiben.

a0 = 265, a1 = 117k1 = 2, a2 = 265− 2 · 117 = 265− 234 = 31k2 = 3, a3 = 117− 3 · 31 = 117− 93 = 24k3 = 1, a4 = 31− 24 = 7k4 = 3, a5 = 24− 3 · 7 = 3k5 = 2, a6 = 7− 2 · 3 = 1k6 = 3, a7 = 3− 3 · 1 = 0 − Bingo.

Der ggT ist also a6 = 1, und die Zahlen waren demnach teilerfremd. Weiter gilt

1 = 7− 2 · 3 = 7− 2 · (24− 3 · 7)= 7 · 7− 2 · 24 = 7 · (31− 24)− 2 · 24= 7 · 31− 9 · (117− 3 · 31) = 34 · (265− 2 · 117)− 9 · 117= 34 · 265− 77 · 117,

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1.1. TEILBARKEIT 11

und wir konnen tatsachlich ganz stumpfsinnig den ggT als Linearkombinationvon 265 und 117 schreiben. Wir haben also konkrete Wahlen fur die Zahlen c, daus Hilfssatz 1.1.2 gefunden.

Hilfssatz 1.1.7 Ein paar Folgerungen

Es seien m,n ∈ N gegeben.

a) Fur g = ggT(m,n) sind die naturlichen Zahlen mg

und ngteilerfremd.

b) Wenn m,n teilerfremd sind und u ∈ Neine Zahl ist, sodass m | nu gilt,dann teilt m schon u.

c) Es gilt kgV(m,n) · ggT(m,n) = m · n.

Beweis. a) Wir konnen g nach 1.1.2 schreiben als

g = mc + nd, c, d ∈ Z.

Daher ist1 =

m

g· c+ n

g· d,

und jeder gemeinsame naturliche Teiler von mg

und ng

teilt auch 1, muss alsoselbst 1 sein.

b) Es sei nu = mv, v ∈ N.

Jetzt ist ja 1 der ggT von m und n , und es gibt demnach c, d ∈ Z mit

1 = mc + nd.

Multiplikation mit u liefert

u = muc+ nud = m(uc+ vd), also m | u.

Ach so: (uc + vd) ist eine naturliche Zahl, denn sie ist ganz und m und u sindpositiv, also ist auch (uc+ vd) positiv.

c) Das ist eine nette Ubung zum b)-Teil. Am besten fangt man mit teilerfremdenm,n an. . . ©

Folgerung 1.1.8 Gekurzte Bruche

Jede rationale Zahl q lasst sich auf genau eine Art als

q =z

n, z ∈ Z, n ∈ N,

schreiben, wobei z und n teilerfremd sind.

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12 KAPITEL 1. EUKLIDISCHER ALGORITHMUS UND TEILBARKEIT

Beweis. Wenn q = 0 ist, so ist q = 01. Das ist der eine Fall.

Sei also q 6= 0. Dann ist q = wm

fur geeignete w ∈ Z, m ∈ N. Wenn g der großtegemeinsame Teiler von |w| und m ist, dann gilt fur z = w/g, n = m/g, dass

q =z

n,

und |z| und n sind nach dem letzten Hilfssatz teilerfremd.

Ist q = sk

eine weitere Darstellung von q als Bruch teilerfremder Zahlen s ∈Z, k ∈ N, so gilt

s

k=z

n, also |z| · k = |s| · n.

Da |z|, n und |s|, k jeweils teilerfremd sind, folgt aus dem letzten Hilfssatz, dass|z| ein Teiler von |s| ist und umgekehrt. Daher sind sie gleich. Genauso auch kund n. Die Vorzeichen von z und s sind durch das Vorzeichen von q festgelegt,also sind auch z und s gleich. ©

1.2 Primzahlen

Definition 1.2.1 Primzahl

Eine Primzahl ist eine naturliche Zahl p > 1, die sich nicht als Produkt zweierkleinerer naturlicher Zahlen schreiben lasst, die also keinen naturlichen Teileraußer 1 und p hat.

Die Menge der Primzahlen notieren wir mit P.

P = {n ∈ N | n > 1 und ∀d, t < n : d · t 6= n}

= {2, 3, 5, 7, 11, 13, 17, 19, 23, 29, 31, . . .}.Es ist eine der vornehmsten Aufgaben der Zahlentheorie, mehr zu den Punktchenhier zu sagen.

Hilfssatz 1.2.2 Alternative Charakterisierung

Es sei n > 1 eine naturliche Zahl. Dann sind aquivalent:

i) n ist eine Primzahl.

ii) Fur jedes Paar (a, b) ∈ N2 von naturlichen Zahlen gilt: n teilt ab ⇒n teilt a oder n teilt b.

Beweis. i) ⇒ ii) Es sei zunachst n eine Primzahl, die ab teilt.

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1.2. PRIMZAHLEN 13

Ist n kein Teiler von a, so sind a und n teilerfremd, denn der ggT ist ja eingemeinsamer Teiler, aber nicht ±n.1.1.7b) sagt uns daher, dass in diesem Fall n ein Teiler von b ist, und genau daswollten wir wissen.

ii) ⇒ i) Umgekehrt erfulle nun n die Bedingung aus ii) . Wir mussen zeigen,dass es eine Primzahl ist. Sei also a ∈ N ein Teiler von n . Dann gibt es ein b ∈ N

mit n = ab.

Dann ist aber nach Voraussetzung n ein Teiler von a oder von b , und damitsind nicht beide Faktoren kleiner als n – das mussten wir zeigen. ©

Bemerkung 1.2.3 Klarheiten

Fur jede naturliche Zahl n ist die Menge der Teiler

{d ∈ N : d | n} ⊆ {1, 2, 3, . . . , n}

endlich, hat also ein kleinstes Element – klar: die Eins. Fur n ≥ 2 hat auch dieMenge D der von Eins verschiedenen Teiler ein kleinstes Element p . Dieses istzwangslaufig eine Primzahl, denn aus p = ab mit a, b < p folgt a, b ∈ D, alsop 6= min(D).

Also wird jede naturliche Zahl n ≥ 2 von einer Primzahl p geteilt.

Im Fall p 6= n wird auch n/p von einer Primzahl geteilt, und induktiv sieht man,dass n ein Produkt von Primzahlen ist.

Die 1 ist nach einer sinnvollen Konvention ein leeres Produkt:

1 =∏

p∈∅⊂P

p.

Satz 1.2.4 Fundamentalsatz der Arithmetik

Jede naturliche Zahl n lasst sich als Produkt von Primzahlen schreiben. DieseDarstellung ist eindeutig, wenn die Primfaktoren der Große nach sortiert werden.

Beweis. Nur die Eindeutigkeit ist noch nicht klar.

Es sei n eine naturliche Zahl, und es seien

n = p1 · p2 · . . . · ps = q1 · q2 · . . . · qt

zwei Zerlegungen von n als Produkt von Primzahlen, wobei

p1 ≤ p2 ≤ . . . ≤ ps, q1 ≤ q2 ≤ . . . ≤ qt.

Wir mussen zeigen, dass s = t und pi = qi, 1 ≤ i ≤ s, gilt.

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14 KAPITEL 1. EUKLIDISCHER ALGORITHMUS UND TEILBARKEIT

Das machen wir durch vollstandige Induktion nach min{s, t}. Ist dieses 0, so istn = 1, und hier ist die Eindeutigkeit klar. Ist das Minimum 1, so ist n einePrimzahl, und die Behauptung ist auch klar.

Ansonsten ist p1 ein Teiler von q1 · . . . · qt, und da p1 prim ist, ist es nach 1.2.2(und einem Induktionsargument) ein Teiler eines der Faktoren, also eines qj . Daqj eine Primzahl ist, folgt p1 = qj ≥ q1. Aus Symmetriegrunden ist auch q1 ≥ p1,also p1 = q1, und wir konnen diesen Faktor kurzen. Es folgt

p2 · . . . · ps = q2 · . . . · qt

und aus der (unausgesprochenen) Induktionsannahme folgt die gewunschte Iden-titat. ©

Folgerung 1.2.5 Die p -adische Bewertung

Es sei p ∈ P eine Primzahl. Dann gibt es fur jede ganze Zahl k 6= 0 eineeindeutig bestimmte Zahl vp(k) ∈ N0, sodass pvp(k) ein Teiler von k ist, aberpvp(k)+1 nicht.

Dann gilt insbesondere

k = ±∏

p∈Ppvp(k)

Fur k = 0 schreibt man formal vp(0) = ∞.

Es gelten fur alle k, l ∈ Z die Regeln

vp(k + l) ≥ min{vp(k), vp(l)},vp(k · l) = vp(k) + vp(l).

vp(k) heißt die p -adische Bewertung von k .

Beweis. Die Zahl vp(k) zahlt, wie oft die Primzahl p als Faktor in der Zerlegungvon |k| als Produkt von Primzahlen, vorkommt, wie sie laut 1.2.4 existiert.

Zu begrunden sind nur noch die Rechenregeln. Die erste ist wegen des Distribu-tivgesetzes klar, die zweite folgt unmittelbar aus der Eindeutigkeit der Primfak-torzerlegung. ©

Folgerung 1.2.6 vp und der ggT

Es seien a, b ∈ N. Dann gelten:

a) b teilt a genau dann, wenn

∀p ∈ P : vp(b) ≤ vp(a).

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1.2. PRIMZAHLEN 15

b) Der ggT von a und b ist

g =∏

p∈Ppep, wobei ep = min{vp(a), vp(b)}.

c) Das kgV von a und b ist

k =∏

p∈Ppfp, wobei fp = max{vp(a), vp(b)}.

Beweis. a) Wenn fur alle p die Bedingung vp(b) ≤ vp(a) gilt, dann ist

a = b ·∏

p∈Ppvp(a)−vp(b),

und das Produkt ist eine naturliche Zahl.

Ist umgekehrt a = bc mit c ∈ N, so gilt fur alle p ∈ P

vp(a) = vp(b) + vp(c) ≥ vp(b)

und es folgt die Behauptung.

b) und c) sind einfache Konsequenzen hieraus. ©

Bemerkung 1.2.7 Fortsetzungsgeschichte

Die Abbildung vp : Z → N0 ∪ {∞} heißt die p -adische Bewertung auf Z. Siewird durch

vp(z

n) := vp(z)− vp(n)

zu einer Abbildung von Q nach Z∪{∞} fortgesetzt und behalt dabei die beidenEigenschaften aus Folgerung 1.2.5 bei.

Wir wollen hier die Eigenschaften dieser Bewertung nicht weiter ausschlachten,die Notation wird aber gelegentlich hilfreich sein.

Ein wichtiges Hilfsmittel im Umgang mit Primzahlen ist der folgende Hilfssatz.

Hilfssatz 1.2.8 Kleiner Satz von Fermat2

Es sei p eine Primzahl und c ∈ Z. Dann ist p ein Teiler von cp − c.

2Pierre de Fermat, 1601-1665

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16 KAPITEL 1. EUKLIDISCHER ALGORITHMUS UND TEILBARKEIT

Beweis. Wenn die Aussage fur ein c gilt, so auch fur c+ 1, denn

(c+ 1)p − (c+ 1) = cp +∑p−1

i=1

(pi

)ci + 1− c− 1

= cp − c+∑p−1

i=1

(pi

)ci

und hier sind die Binomialkoeffizienten in der Summe alle durch p teilbar, alsonach Annahme die ganze rechte Seite.

Genauso gilt sie auch fur c − 1 und damit – ausgehend von c = 0 – fur alleganzen Zahlen. ©Mit dem kleinen Satz von Fermat kann manchmal gezeigt werden, dass eine ge-gebene Zahl keine Primzahl ist. So ist etwa 6 kein Teiler von (−1)6 − (−1) = 2,und daher nicht prim. Etwas substanzieller ist zum Beipiel:

291 − 2

91=

353697154081537221399749778

136∈ N,

91 ist also keine Primzahl.

Der Nachweis, dass 91 kein Teiler von 291−2 ist, lasst sich mit modularer Arith-metik (=Restklassenrechnen) sehr bequem fuhren, ohne riesige Zahlen manipu-lieren zu mussen.

1.3 Zur Verteilung der Primzahlen

Hilfssatz 1.3.1 Noch einmal Euklid

Es gibt unendlich viele Primzahlen.

Beweis. Es sei N ∈ N. Die Zahl

M := N ! + 1

hat einen Primteiler p. Dieser kann nicht ≤ N sein, denn sonst teilte p ja N !und damit auch 1 =M −N ! . Also gibt es eine Primzahl > N. ©

Hilfssatz 1.3.2 Luckenhaft

Es sei k ∈ N. Dann gibt es eine naturliche Zahl M, sodass zwischen M undM + k keine Primzahl liegt.

Beweis. Setze M = (k + 2)! + 2. ©Nun konnte man fragen, wie sich bequem eine schone Liste von Primzahlen er-stellen lasst. Auch hier ist die Antwort schon uber 2000 Jahre alt.

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1.3. ZUR VERTEILUNG DER PRIMZAHLEN 17

Bemerkung 1.3.3 Sieb des Eratosthenes3

Es sei 1 < M ∈ N eine naturliche Zahl. Betrachte

S1 := {n ∈ N | 2 ≤ n ≤M}.

Die kleinste Zahl von S1 ist p1 := 2 , eine Primzahl. Setze

S2 := {n ∈ S1 | p1 teilt nicht n}.

Das Minimum von S2 ist p2 := 3, eine Primzahl. Setze

S3 := {n ∈ S2 | p2 teilt nicht n}.

Das sind die Zahlen aus S1 , die keine Vielfachen von 2 oder 3 sind. Machesukzessive so weiter: Setze pi = min(Si), solange dies nicht leer ist. Dann istpi eine Primzahl, sonst ware es vorher schon als Vielfaches einer kleineren Zahlgestrichen worden. Setze weiter

Si+1 := {n ∈ Si | pi teilt nicht n}.

Wenn schließlich Si+1 leer ist, dann gilt

{p1, p2, . . . , pi} = S1 ∩ P = {p ∈ P | p ≤M}.

Kleine Fußnote am Rande: Sobald pj >√M gilt, sind in Sj nur noch Primzahlen

ubrig, denn eine naturliche Zahl n ≥ 2, die keine Primzahl ist, hat einen Teiler≤ √

n. Man kann also hier schon mit dem Sieben aufhoren. Dann ist

{p1, . . . , pj} ∪ Sj

die gesuchte Menge der Primzahlen ≤M.

Bemerkung 1.3.4 Ein Euler-Produkt

Leonhard Euler4 hat das folgende Argument fur die Unendlichkeit der Menge derPrimzahlen gegeben: Wenn es nur endlich viele Primzahlen {p1, . . . , pk} gabe,p1 < p2 < . . . < pk, so betrachte die rationale Zahl

∏ki=1

11−p−1

i

=∏k

i=1(∑∞

ji=0 p−jii )

=∑∞

j1=0

∑∞j2=0 · · ·

∑∞jk=0 p

−j11 · p−j2

2 · . . . · p−jkk

=∑∞

n=11n.

3Eratosthenes, ca. 284-200 v.Chr.4Leonhard Euler, 1707-1783

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18 KAPITEL 1. EUKLIDISCHER ALGORITHMUS UND TEILBARKEIT

Hier benutzen wir zunachst die geometrische Reihe und dann das Distributiv-gesetz in seiner Inkarnation als Cauchy5-Faltungsvorschrift fur das (endliche)Produkt absolut konvergenter Reihen. Schließlich kommt wegen des Fundamen-talsatzes der Arithmetik – wir haben ja alle Primzahlen ins Feld gefuhrt! – dieharmonische Reihe heraus, die bekanntlich divergiert. Ein Widerspruch!

Uber Konvergenzfragen hat Euler sich ubrigens nie sehr große Gedanken gemacht.Aber er hatte die entscheidende Einsicht, wie es geht, und mehr noch, wie sichdie Dinge mit dieser Art von Argumentation quantitativ genauer fassen lassen.Wir wollen ihm noch etwas dabei zusehen.

Vorher sagen wir schon einmal, dass in der analytischen Zahlentheorie anstellevon ln immer log gesagt wird; so heißt hier der naturliche Logarithmus.

Außerdem lasst sich jede Zahl n ∈ N auf eindeutig bestimmte Art als Produkt ei-ner Quadratzahl und einer quadratfreien Zahl schreiben, wobei quadratfrei heißt,dass es außer 1 keinen quadratischen Faktor gibt. Die 1 ist sowohl Quadratzahlals auch quadratfrei. . .

Die quadratfreien Zahlen sind also genau die Produkte von endlich vielen paar-weise verschiedenen Primzahlen, ihre Liste fangt so an:

1, 2, 3, 5, 6, 7, 10, 11, 13, 14, 15, 17, 19, 21, . . .

Wenn n =∏

p∈P pvp(n) die Zerlegung von n als Produkt von Primzahlpotenzen

ist, dann ist f :=∏

p : vp(n) ungerade

p der benotigte quadratfreie Faktor. In der

naturlichen Zahl n/f kommt jeder Primfaktor mit einem geraden Exponentenvor, also ist diese Zahl ein Quadrat.

Hilfssatz 1.3.5 Noch eine Einsicht von Euler

Fur jede reelle Zahl x > 1 gilt

p∈P,p≤x

1

p≥ log(log x)− log 2.

Beweis. Wir betrachten zunachst

log x =

∫ x

1

1

tdt <

N∋n≤x

1

n

Andererseits ist (wenn wir n = m2f mit quadratfreiem f als Faktor schreiben)

n≤x

1

n≤∑

m≤√x

1

m2·∑

f≤x

1

f≤ 2

P∋p≤x

(1 +1

p) ≤ 2 · exp(

P∋p≤x

1

p),

5Augustin-Louis Cauchy, 1789-1857

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1.3. ZUR VERTEILUNG DER PRIMZAHLEN 19

denn exp(t) ≥ 1 + t fur reelles t .

Hier haben wir die Summe ∑

m≤x

1

m2

durch 2 abgeschatzt, was wegen

1

m2<

1

m− 1− 1

m(m ≥ 2)

und eines Teleskopsummenarguments legal ist.

Ziehen des Logarithmus aus der nun resultierenden Ungleichung

log x < 2 exp(∑

p≤x

1

p)

liefert das gewunschte Ergebnis. ©

Bemerkung 1.3.6 Die Verteilungsfunktion – der Primzahlsatz

Fur eine reelle Zahl x sei

π(x) := #{p ∈ P | p ≤ x}.

Diese Funktion zahlt also, wieviele Primzahlen unterhalb x es gibt.

Schon Euklid wusste also, dass limx→∞ π(x) = ∞.

Hatte man fur die n -te Primzahl eine Abschatzung vom Typ

pn ≥ C · n1/(1−ε), n >> 0, C, ε > 0 Konstanten,

so wurde dies die Konvergenz der Summe der Kehrwerte der Primzahlen nachsich ziehen. Also gibt es – wegen Eulers Lemma – solch eine Abschatzung nicht.Das zeigt, dass fur jedes positive δ ein x existiert mit π(x) > x1−δ. Es gibt sogarbeliebig große x mit dieser Eigenschaft, da wir sonst fur ein hinreichend kleinesδ kein solches x fanden. Also gilt sogar

lim supx→∞

π(x)xδ

x= ∞.

Schon bei Lagrange6, spatestens bei Gauß7 findet sich eine prazise Vermutung,wie schnell π(x) ansteigt. Die Vermutung war

limx→∞

π(x) · log xx

= 1.

6Joseph-Louis Lagrange, 1736-18137Carl Friedrich Gauß, 1777-1855

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20 KAPITEL 1. EUKLIDISCHER ALGORITHMUS UND TEILBARKEIT

Das ist nach der Regel von L’Hospital8 so aquivalent zur eigentlich von Gaußstammenden Formel

limx→∞

π(x) · 1∫ x

2(log t)−1dt

= 1.

Allerdings liefert der hier im Nenner stehende Integrallogarithmus ein besseresKonvergenzverhalten.

Dass Gauß den richtigen Riecher hatte, wurde erst fast 100 Jahre spater bewiesen,und zwar mit Methoden der Funktionentheorie und unabhangig voneinander 1896von Hadamard9 und La Vallee-Poussin10. Sie benutzten beide die RiemannscheZetafunktion, siehe 3.5.2d). Der Satz, dass obige asymptotische Aussage zutrifft,heißt der Primzahlsatz.

Noch einmal etwa 50 Jahre spater gab es einen Beweis ohne Funktionentheorie,den sogenannten elementaren Beweis des Primzahlsatzes, der von Erdos11 undSelberg12 auch unabhangig erbracht wurde.

Eine kurze Abschweifung soll zeigen, was man mit solchen Aussagen wie demPrimzahlsatz anfangen kann.

Hilfssatz 1.3.7 Luckenlos

Es sei ε > 0 gegeben. Dann gibt es eine reelle Zahl x0, sodass fur alle x ≥ x0im Intervall [x, (1 + ε)x] eine Primzahl existiert.

Beweis. Es bezeichne wie vorhin π die Primzahlzahlfunktion. Fur jedes δ > 0gilt nach dem Primzahlsatz fur große x :

x

log x(1− δ) ≤ π(x) ≤ x

log x(1 + δ).

Wir finden also fur solche x insbesondere

π((1 + ε)x)− π(x) ≥ (1 + ε)x

log((1 + ε)x)(1− δ)− x

log x(1 + δ).

Wenn wir0 < δ <

ε

2 + ε.

wahlen, so geht die rechte Seite mit x gegen Unendlich, denn es gilt

(1 + ε)x

log((1 + ε)x)(1− δ)− x

log x(1 + δ) =

((1 + ε)(1− δ)

1 + log(1+ε)log x

− 1− δ

)· x

log x,

8Guillaume Francois Antoine L’Hospital, 1661-17049Jaques Hadamard, 1865 - 1963

10Charles Jean Gustav Nicolas, Baron de La Vallee-Poussin, 1866-196211Paul Erdos, 1913 - 199612Atle Selberg, 1917 - 2007

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1.3. ZUR VERTEILUNG DER PRIMZAHLEN 21

und der Ausdruck in Klammern geht fur x→ ∞ gegen

ε− 2δ − εδ > 0,

wobei die Positivitat aus der Einschrankung an δ resultiert.

Damit ist fur großes x

π((1 + ε)x)− π(x) >ε− 2δ − εδ

2

x

log x→x→∞ ∞,

und fur große x liegt mindestens eine Primzahl zwischen x und (1 + ε)x. ©

Aus dem Hilfssatz ergibt sich zwanglos die

Folgerung 1.3.8 Ein Dichtheitssatz

Die Menge aller Bruche p/ℓ, wobei p und ℓ Primzahlen sind, ist dicht in R≥0 .

Beweis. Wir zeigen, dass fur positive reelle Zahlen y < z stets mindestens einPaar von Primzahlen p, ℓ existiert mit

y ≤ p

ℓ≤ z.

Denn dies ist gleichbedeutend mit

ℓy ≤ p ≤ ℓy(1 +z − y

y),

und nachdem man ε := z−yy

gesetzt hat, sieht man aus dem letzten Hilfssatz,dass fur hinreichend großes ℓ immer mindestens ein p mit der gewunschtenEigenschaft existiert. ©

Bemerkung 1.3.9 Einige Aussagen zur Verteilung der Primzahlen

a) Neben dem Primzahlsatz an sich gibt es auch den Dirichletschen Primzahl-satz13, der besagt, dass es fur je zwei teilerfremde ganze Zahlen a, b (mita 6= 0) unendlich viele Primzahlen der Gestalt ak+b, k ∈ Z gibt. Im Beweisbenutzte er wesentlich Eigenschaften geeignet gewahlter Dirichlet-Reihen,und das ist ubrigens haufig eine Methode, um Aussagen zur Verteilung derPrimzahlen oder anderer Zahlenfolgen zu beweisen. Dirichlet-Reihen sindspeziell konstruierte komplexwertige Funktionen der Gestalt

D(s) =∑

n∈Nann

−s,

13Johann Peter Gustav Lejeune Dirichlet, 1805-1859

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22 KAPITEL 1. EUKLIDISCHER ALGORITHMUS UND TEILBARKEIT

die zunachst auf einer rechten Halbebene in C definiert sind und in vielenwichtigen Fallen eine meromorphe Fortsetzung auf einen großeren Teil vonC oder gar auf ganz C haben. Das Verhalten der Funktion an den Pol-stellen dieser Funktionen gibt dann oft Aufschluss uber die Folge (an) derDirichlet-Koeffizienten.

Fur a ∈ {1, 2, 3, 4, 6} kann man Dirichlets Satz fur alle relevanten Wertevon b relativ elementar zeigen – im Wesentlichen muss man nur b = ±1ansehen.

Fur alle anderen Zahlen a gibt es mehr als 2 zu a teilerfremde Reste.

b) Es wird vermutet, dass es unendlich viele Primzahlen p gibt, fur die auchp + 2 eine Primzahl ist. Diese Primzahlzwillingsvermutung lasst sich auchquantifizieren, aber bisher nicht beweisen.

Ein Satz von Zhang14 aus dem Jahr 2013 sagt, dass es unendlich vieleprimzahlpaare gibt, deren Differenz kleiner ist als 70000000. Dies war einwichtiger Meilenstein und wurde relativ schnell auf eine Differenz kleiner als600 reduziert. Fur einen Beweis der Zwillingsvermutung scheint der Ansatzjedoch nach wie vor zu schwach zu sein.

c) Es wird vermutet, dass sich jede gerade naturliche Zahl ≥ 4 als Sum-me zweier Primzahlen schreiben lasst. Dies ist die sogenannte Goldbach15-Vermutung.

Ebenfalls 2013 gab Helfgott16 einen Beweis der ternaren Goldbachvermu-tung, die besagt, dass jede ungerade Zahl großer als 6 eine Summe vondrei Primzahlen ist. Ein analytischer Beweis erledigt die ungeraden Zahlengroßer als 1030, und den Rest ubernimmt eine (sehr subtile) numerischeUntersuchung.

d) Es ist mittlerweile bekannt, dass es fur jedes k ∈ N naturliche Zahlen a, bgibt, sodass b, a+b, 2a+b, . . . , ka+b allesamt Primzahlen sind. Dieser Satzvon Tao17 und Green18 war eine der Arbeiten, fur die Tao im Jahre 2006die Fields19-Medaille bekam.

e) Bertrands20 Postulat besagt, dass fur jede naturliche Zahl n eine Prim-zahl p existiert mit n < p ≤ 2n . Dies ist seit 1850 ein Satz, bewiesen vonChebyshev21. Er benutzt naturlich nicht den Primzahlsatz und erhalt auch

14Zhang Yitang, geb. 195515Christian von Goldbach, 1690 - 176416Harald Helfgott, geb. 197717Terence Tao, geb. 197518Ben Green, geb. 197719John Charles Fields, 1863-193220Joseph Bertrand, 1822-190021Pafnuty Lvovich Chebyshev, 1821-1894

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1.3. ZUR VERTEILUNG DER PRIMZAHLEN 23

nicht nur eine asymptotische Aussage, sondern etwas, was von Anfang angilt. Der Beweis ist nicht schwer, wurde uns aber jetzt zu viel Zeit kosten.Eine Methode besteht in einer geschickten Abschatzung der Binomialkoef-fizienten

(2nn

).

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24 KAPITEL 1. EUKLIDISCHER ALGORITHMUS UND TEILBARKEIT

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Kapitel 2

Gruppen

2.1 Magmen

Obwohl die meisten Lehrbucher zur Algebra im Gegensatz zum Bourbaki nichtwirklich auf Magmen eingehen, dachte ich, dass das ein netter Ausgangspunktist. Hier wird es viel heiße Luft geben, die nachher dafur sorgen soll, dass derBallon der Algebra ins Steigen kommt (und nicht etwa platzt. . . )

Definition/Bemerkung 2.1.1 Magma

a) Ein Magma (oder Verknupfungsgebilde) ist eine Menge mit einer (fixierten)Verknupfung. Streng genommen ist das also ein Paar (M, ∗), wobei M eineMenge ist und

∗ :M ×M −→M

eine Abbildung.

Statt (formal korrekt) ∗(m,n) notiert man den Wert der Verknupfung von m,n ∈M als m ∗ n := ∗(m,n). Dabei kommt es meistens auf die Reihenfolge an! Oft– wenn klar ist, welche Verknupfung man meint – nennt man auch schon Mdas Magma. Man notiert die Verknupfung auch oft als (m,n) 7→ mn, ohne ein

”Symbol“ fur die Abbildung zu verwenden.

b) Ein Magma (M, ∗) heißt assoziativ, wenn fur alle l, m, n ∈M die Regel

(l ∗m) ∗ n = l ∗ (m ∗ n)

gilt. Man nennt (M, ∗) dann auch eine Halbgruppe (Vorsicht: das wird in derLiteratur nicht absolut einheitlich gehandhabt!).

c) Ein Element e ∈ M heißt ein (beidseitiges) Neutralelement des Magmas(M, ∗), wenn fur alle m ∈M die Regel

m ∗ e = e ∗m = m

25

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26 KAPITEL 2. GRUPPEN

gilt. Wir werden immer nur beidseitige Neutralelemente betrachten und das Ad-jektiv

”beidseitig“ oft weglassen, auch wenn es korrekter ware.

Wenn es ein neutrales Element gibt, dann ist es eindeutig bestimmt. Sind namliche, f ∈M beides Neutralelemente, dann folgt

f = e ∗ f = e,

wobei man bei der ersten Gleichung benutzt, dass e neutral ist, und bei derzweiten, dass f neutral ist.

Eine Halbgruppe mit Neutralelement nennt man auch ein Monoid.

d) Ein Magma (M, ∗) heißt kommutativ, wenn fur alle m,n ∈M die Regel

m ∗ n = n ∗m

gilt.

e) Fur Teilmengen A,B ⊆M schreiben wir

A ∗B := {a ∗ b | a ∈ A, b ∈ B}.

Beispiel 2.1.2 Erste Beispiele

a) Die Abbildung

R× R −→ R, x ∗ y := x+ sin y,

macht aus R ein Magma. Hier gilt zum Beispiel fur die meisten x, y, z

(x ∗ y) ∗ z = (x+ sin y) ∗ z = x+ sin y + sin z 6= x+ sin(y + sin z) = x ∗ (y ∗ z).

Also ist das Magma nicht assoziativ. Es ist offensichtlich auch nicht kommutativ,und besitzt kein beidseitiges Neutralelement.

b) Die naturlichen Zahlen N := {1, 2, 3, . . .} mit der Addition als Verknupfungsind ein assoziatives und kommutatives Magma, besitzen aber kein neutrales Ele-ment – das liegt erst in N0 := N ∪ {0}.c) Man kann eine Verknupfung naturlich durch ihre Verknupfungstafel angeben.Zum Beispiel betrachten wir auf der dreielementigen Menge M := {a, b, c} dieVerknupfung, die durch

∗ a b ca c c cb c c cc c c a

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2.1. MAGMEN 27

gegeben ist. Diese ist kommutativ, es gibt kein Neutralelement, und die Assozia-tivitat ist auch verletzt:

c = a ∗ (b ∗ c) 6= (a ∗ b) ∗ c = a.

d) Ein wichtiges Beispiel ist das Magma Abb(D,D) aller Abbildungen vonD nach D, wobei D eine beliebige Menge ist. Als Verknupfung nimmt mandabei die Komposition von Abbildungen. Dieses Magma ist assoziativ, hat einneutrales Element (namlich die Identitat idD ), ist aber nicht kommutativ, wennD mindestens zwei Elemente enthalt.

e) Das leere Magma ist die leere Menge ∅ mit der einzig moglichen Abbildung∅ × ∅ −→ ∅ als Verknupfung. Das triviale Magma ist eine einelementige Mengemit der einzig moglichen Verknupfung.

Definition/Bemerkung 2.1.3 Untermagma

a) Eine Teilmenge U des Magmas M heißt ein Untermagma, wenn U ∗ U ⊆ Ugilt. Die Einschrankung von ∗ auf U × U macht aus solch einem Untermagmaselbst ein Magma.

Assoziativitat und Kommutativitat vererben sich von Magmen auf ihre Unter-magmen. Ein neutrales Element muss naturlich nicht immer in einem Untermag-ma liegen – siehe (N,+) ⊆ (N0,+).

Der Durchschnitt einer beliebigen Familie (Ui)i∈I von Untermagmen (wobei Ieine nichtleere Indexmenge ist) ist wieder ein Untermagma von M . Denn fur allex, y, die im Durchschnitt liegen, gilt fur alle i ∈ I :

x ∗ y ∈ Ui,

denn Ui ist ein Untermagma. Daher liegt x ∗ y auch in⋂

i∈I Ui.

b) Fur eine Teilmenge X ⊆ M sei 〈X〉Magma der Durchschnitt aller Unter-magmen von M, die X als Teilmenge enthalten. Das ist das von X erzeugteUntermagma von M. Etwas kurzer: das Magmenerzeugnis von X in M .

Vorsicht: Selbst Magmen, die von einem Element erzeugt werden, mussen nichtnotwendig assoziativ sein. Das Magma in Beispiel 2.1.2c) etwa ist von b erzeugt,denn b ∗ b = c und c ∗ c = a, also liegen auch a und c in jedem Untermagma,das b enthalt: 〈b〉Magma = {a, b, c}.c) Ein Untermonoid eines Monoids M ist ein Untermagma, das auch das neutraleElement von M enthalt.

So ist etwa {0} ⊆ Z eine Teilmenge, die unter Multiplikation stabil ist, und sogarein Monoid, aber kein Untermonoid von (Z, ·) .

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28 KAPITEL 2. GRUPPEN

Beispiel 2.1.4 symmetrische Gruppe

a) In einem assoziativen Magma (M, ∗) ist fur festes X ⊆M das von X erzeugteMagma gleich

〈X〉Magma =⋃

n∈NXn,

wobei rekursiv X1 = X,Xn+1 := X ∗Xn gesetzt wird. Also ist

〈X〉Magma = {x1 ∗ x2 ∗ · · · ∗ xn | n ∈ N, x1, . . . , xn ∈ X}.

Wegen der Assoziativitat darf man hier die Klammern weglassen.

Besteht speziell X nur aus einem Element x , so finden wir Xn = {xn}, wobeiwie ublich xn = x ∗ x ∗ · · · ∗ x mit n Faktoren gesetzt ist. Hier gilt fur allenaturlichen Zahlen n,m die Gleichung

xn ∗ xm = xn+m.

b) Fur eine Menge D ist die symmetrische Gruppe

Sym(D) := {σ ∈ Abb(D,D) | σ ist bijektiv}

ein Untermagma von Abb(D,D). Es ist assoziativ und enthalt ein neutralesElement. Wenn D mindestens 3 Elemente enthalt ist Sym(D) nicht kommutativ.

Fur D = {1, 2, . . . , d} schreibt man auch Sd anstatt Sym(D). Diese Magmenspielen eine besondere Rolle in der Gruppentheorie.

Eine Transposition ist ein Element von Sym(D) , das alle bis auf zwei Elementevon X festlasst und die beiden anderen vertauscht. Genauer sei fur zwei verschie-dene Elemente y, z ∈ D die Transposition τy,z definiert als die Bijektion von Dmit

∀x ∈ D : τy,z(x) =

x, falls x 6∈ {y, z},z, falls x = y,y, falls x = z.

Nun sei 2 ≤ d ∈ N eine naturliche Zahl und Td ⊆ Sd die Menge aller Transposi-tionen in Sd. Wir zeigen:

〈Td〉Magma = Sd.

Die Inklusion ⊆ ist nach Definition klar. Wir zeigen noch die umgekehrte Inklu-sion, also dass sich jede Permutation aus Sd als Produkt von Transpositionenschreiben lasst.

Der Beweis geht per vollstandiger Induktion nach d. Dabei fassen wir Sd alsdas Untermagma von Sd+1 auf, dessen Elemente die Zahl (d+ 1) auf sich selbstabbilden.

Fur d = 2 ist die Behauptung klar, es gilt ja τ 21,2 = id{1,2}, also S2 = {τ1,2, τ 21,2}.

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2.1. MAGMEN 29

Der Schritt von d nach d+ 1 geht zum Beispiel so: es sei σ ∈ Sd+1.

Fall 1: Wenn σ(d+1) = d+1 gilt, ist σ bereits in Sd = 〈Td〉Magma ⊆ 〈Td+1〉Magma.

Fall 2: Wenn σ(d+1) = a 6= d+1gilt, dann liegt τa,(d+1) ◦ σ in Sd = 〈Td〉Magma.Daher ist

σ = τa,(d+1) ◦ τa,(d+1) ◦ σ ∈ τa,(d+1) ◦ Sd ⊆ 〈Td ∪ {τa,(d+1)}〉Magma ⊆ 〈Td+1〉Magma.

Insgesamt sehen wir

〈Td+1〉Magma ⊆ Sd+1 ⊆ 〈Td+1〉Magma.

Man braucht ubrigens gar nicht alle Transpositionen, es langen auch die, diejeweils benachbarte Zahlen vertauschen. Zum Beispiel gilt

τ1,3 = τ2,3 ◦ τ1,2 ◦ τ2,3.

Definition/Bemerkung 2.1.5 Homomorphismus

Es seien (M, ∗) und (N, ⋄) zwei Magmen.

Ein Homomorphismus (auch verknupfungserhaltende Abbildung genannt) von Mnach N ist eine Abbildung Φ : M −→ N, sodass fur alle m1, m2 ∈ M dieGleichung

Φ(m1 ∗m2) = Φ(m1) ⋄ Φ(m2)

stimmt.

Das Bild Φ(M) ist dann ein Untermagma von N. Es ererbt vom Definitionsbe-reich gegebenenfalls die Assoziativitat oder die Kommutativitat.

Das Urbild Φ−1(U) eines Untermagmas von N ist ein Untermagma von M.

Ist ein Homomorphismus Φ bijektiv, so nennt man ihn einen Isomorphismus.Dann ist auch die Umkehrabbildung Φ−1 ein Homomorphismus, denn fur allen1, n2 ∈ N gilt

Φ−1(n1 ⋄ n2) = Φ−1(Φ(Φ−1(n1)) ⋄ Φ(Φ−1(n2))

)= Φ−1

(Φ(Φ−1(n1) ∗ Φ−1(n2))

)

= Φ−1(n1) ∗ Φ−1(n2).

Mit HomMagma(M,N) bezeichnen wir die Menge aller Homomorphismen von Mnach N. Streng genommen mussten hier auch die Verknupfungen auf M und Nin die Notation aufgenommen werden, das wird aber auf Dauer sehr schwerfallig.

Im Fall M = N spricht man auch von Endomorphismen des Magmas (M, ∗),und die Isomorphismen von M nach M heißen Automorphismen von M.

Die Menge aller Endomorphismen notieren wir als EndMagma(M) oder meistenseinfacher als End(M) ; analog gibt es AutMagma(M).

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30 KAPITEL 2. GRUPPEN

Bei einem Monoidhomomorphismus wird man immer zusatzlich verlangen, dassdas neutrale Element von M auf das von N abgebildet wird. Das ist keinenotwendige Konsequenz aus der obigen Definition (aber siehe 2.3.3).

Beispiel 2.1.6 Beispiele

a) Es sei N = {x, y, z} eine dreielementige Menge mit Verknupfung n1⋄n2 := n2,also Verknupfungstafel

⋄ x y zx x y zy x y zz x y z

Dann gibt es keinen Homomorphismus von N in das Magma M aus Beispiel2.1.2c), denn fur das Bild Φ(x) musste ja gelten

Φ(x) = Φ(x ⋄ x) = Φ(x) ∗ Φ(x),eine Bedingung, die von keinem Element von M erfullt wird.

Die (drei) konstanten Abbildungen von M nach N sind dagegen allesamt Mag-menhomomorphismen von M nach N, und sonst gibt es keinen.

b) Wenn M ein assoziatives Magma ist, dann gibt es eine Bijektion zwischenHomMagma(N,M) und M. Ein Homomorphismus Φ von N nach M wird nam-lich durch Φ(1) eindeutig bestimmt, und dieses lasst sich beliebig vorschreiben:fur m ∈ M ist Φ(k) := mk offensichtlich ein Homomorphismus (wobei wir dieAssoziativitat brauchen – siehe Beispiel 2.1.4a)).

Allgemeiner gibt es eine Bijektion zwischen HomMagma(N,M) und der Mengealler m ∈M , fur die 〈m〉Magma assoziativ ist.

Speziell sind Homomorphismen von N nach Abb(X,X) auch außerhalb der Men-genlehre interessant. Sie modellieren zum Beispiel (diskrete) dynamische Systeme.

c) Es sei M ein Magma. Dann wird durch

Λ :M −→ Abb(M,M), Λ(m) = [M ∋ x 7→ m ∗ x ∈M ]

eine Abbildung definiert, die naturlich die Magmenstruktur von M codiert.

Λ(m) ist die Abbildung, deren Wertetabelle gleich der Zeile in der Verknupfungs-tafel ist, die m entspricht.

Λ ist genau dann ein Homomorphismus (wobei wir in Abb(M,M) die Komposi-tion von Abbildungen als Verknupfung verwenden), wenn M assoziativ ist, dennwir rechnen nach:

Λ ist Homomorphismus⇐⇒ ∀m1, m2 ∈M : Λ(m1 ∗m2) = Λ(m1) ◦ Λ(m2)⇐⇒ ∀m1, m2 ∈M : ∀x ∈M : (Λ(m1 ∗m2))(x) = (Λ(m1) ◦ Λ(m2))(x)⇐⇒ ∀m1, m2 ∈M : ∀x ∈M : (m1 ∗m2) ∗ x = m1 ∗ (m2 ∗ x).

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2.1. MAGMEN 31

In diesem Fall heißt Λ die linksregulare Operation von M .

Wenn M sogar assoziativ mit einem Einselement ist (also ein Monoid), dann istΛ injektiv, denn fur beliebige m1, m2 ∈M gilt

Λ(m1) = Λ(m2) ⇒ (Λ(m1))(eM) = (Λ(m2))(eM) ⇒ m1 = m2.

Damit ist das Monoid (M, ∗) zu seinem Bild Λ(M) ⊆ Abb(M,M) isomorph,man kann also jedes Monoid als Untermagma eines Magmas Abb(X,X) fur ei-ne geeignete Menge X auffassen. Noch anders gesagt: um eine Ubersicht uberalle Monoide zu bekommen, die es uberhaupt geben kann, muss man

”nur“ alle

Untermonoide der Magmen Abb(X,X) (fur alle Mengen X ) angeben.

Naja – ob man das Ubersicht nennen kann?

Wie dem auch sei – diese Art von Wirkung eines Objekts auf sich selbst wer-den wir noch verschiedentlich zu sehen bekommen und auch zum Beweis vonStrukturaussagen benutzen. Siehe zum Beispiel 2.5.3!

d) Zwei einelementige Magmen sind immer isomorph. Daher hatten wir dieseauch das triviale Magma genannt.

e) Fur ein beliebiges Magma M gibt es genau einen Homomorphismus des leerenMagmas ∅ nach M , und genau einen Homomorphismus von M in das trivialeMagma. Man sagt daher: das leere Magma ist ein initiales Objekt und das trivialeMagma ein finales Objekt in der

”Kategorie der Magmen“.

f) Wenn (L, ⋄), (M, ∗), (N, •) Magmen sind und Φ : L −→ M, Ψ : M −→ NMagmenhomomorphismen, dann ist auch

Ψ ◦ Φ : L −→ N

ein Magmenhomomorphismus. Denn fur alle l1, l2 ∈ L gilt

(Ψ ◦ Φ)(l1 ⋄ l2) = Ψ(Φ(l1 ⋄ l2) == Ψ(Φ(l1) ∗ Φ(l2)) == Ψ(Φ(l1)) •Ψ(Φ(l2)).= (Ψ ◦ Φ)(l1) • (Ψ ◦ Φ)(l2).

g) Sind X und Y zwei Mengen und F : X −→ Y eine Bijektion, dann”in-

duziert“ F einen Isomorphismus F∗ : Abb(X,X) −→ Abb(Y, Y ) auf folgendeArt:

∀g ∈ Abb(X,X) : F∗(g) := F ◦ g ◦ F−1.

Als Diagramm malt man sich das so hin:

Xg−→ X

F−1 ↑ ↓ F

YF∗(g)−→ Y

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32 KAPITEL 2. GRUPPEN

Es ist klar, dass F∗ ein Homomorphismus ist:

F∗(g1 ◦ g2) = F ◦ g1 ◦ g2 ◦ F−1 = F ◦ g1 ◦ F−1 ◦ F ◦ g2 ◦ F−1 = F∗(g1) ◦ F∗(g2).

Die Umkehrabbildung F−1 induziert (F∗)−1 = (F−1)∗, daher ist F∗ ein Isomor-phismus. . . erinnern Sie sich an Abbildungsmatrizen aus der LA!

Bemerkung 2.1.7 Bemerkung

a) Ein Homomorphismus Φ : M −→ N wird durch seine Einschrankung auf einErzeugendensystem von M festgelegt.

Denn: Sind Φ und Ψ zwei Homomorphismen von M nach N , so ist die Menge

U := {m ∈M | Φ(m) = Ψ(m)}

ein Untermagma von M .

b) Es sei M ein Magma. Dann ist wegen Beispiel 2.1.6 f) End(M) ein Unter-magma von Abb(M,M).

Auch die Automorphismen Aut(M) sind ein Untermagma; sie sind ja der Durch-schnitt von Sym(M) (hier ist M nur eine Menge) und End(M) (hier hat Meine Verknupfung).

Aut(M) ist niemals leer, denn idM liegt immer darin. Auch ist Aut(M) als Teil-magma von Abb(M,M) assoziativ. Das Novum ist, dass nach der Rechnung ausDefinition 2.1.5 zu jedem Automorphismus von M auch die inverse Abbildungein Automorphismus ist, d.h.

∀Φ ∈ Aut(M) : ∃Ψ ∈ Aut(M) : Φ ◦Ψ = Ψ ◦ Φ = idM .

Damit sind wir endlich bei den Gruppen angekommen (naja, wir waren auch inBeispiel 2.1.4 schon mal dort).

2.2 Der Gruppenbegriff

Definition 2.2.1 Gruppe

a) Es sei (M, ∗) ein Magma. Dann heißt das Paar (M, ∗) eine Gruppe, wennes assoziativ ist, ein beidseitig neutrales Element (siehe 2.1.1) e existiertund schließlich fur jedes x ∈M (mindestens) ein y ∈M existiert, sodass

x ∗ y = y ∗ x = e

gilt.

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2.2. DER GRUPPENBEGRIFF 33

Bemerkung: Wenn y ein weiteres Element in M mit der Eigenschaft

x ∗ y = y ∗ x = e

ist, dann folgt unter Ausnutzung der Assoziativitat:

y = y ∗ e = y ∗ (x ∗ y) = (y ∗ x) ∗ y = e ∗ y = y.

Also ist y eindeutig durch die charakterisierende Gleichung festgelegt. Mannennt es das zu x inverse Element in (M, ∗). Speziell ist zum Beispiel ezu sich selbst invers.

b) Ist (M, ∗) eine Gruppe, so nennt man sie kommutativ oder auch abelsch1,wenn sie als Magma kommutativ ist.

Schreibweisen: Oft benutzt man als Zeichen fur die Verknupfung einen Mal-punkt (und lasst dann meistens auch diesen noch weg) und schreibt x−1

fur das Inverse zu x .

Die”additive Schreibweise“ mit + als Symbol fur die Verknupfung (und

−x als zu x inversem Element), benutzt man hochstens fur kommutativeGruppen. Das neutrale Element wird dann mit 0 bezeichnet.

Wenn klar ist, welche Verknupfung man auf M betrachtet, so sagt manmeistens, dass M eine Gruppe ist, ohne explizit die Verknupfung mit zuerwahnen. Außerdem heißt eine typische Gruppe eher G als M .

Beispiel 2.2.2 (Zahlen, symmetrische Gruppe)

a) Die ganzen Zahlen Z mit der Addition bilden eine Gruppe.

Wie Z so bilden auch die rationalen Zahlen Q und die reellen Zahlen R

mit der Addition als Verknupfung eine Gruppe.

Bezuglich der (wie ublich definierten) Multiplikation muss man etwas mehraufpassen. Wir finden aber zum Beispiel die Gruppen

({±1}, ·), (Qr {0}, ·), (Rr {0}, ·).

b) Wahrend Abb(M,M) keine Gruppe ist, sobald M mehr als ein Elemententhalt, ist Sym(M) immer eine Gruppe. Das neutrale Element ist dieIdentitat auf M, zu σ ∈ Sym(M) invers ist die Umkehrabbildung.

c) Eine Menge M mit genau einem Element m wird durch die einzig mogli-che Verknupfung darauf – m ∗ m = m – zu einer Gruppe; diese Gruppeheißt eine triviale Gruppe. Sie kennen zwei Beispiele hierfur: ({0},+) und({1}, ·).Fur jede Gruppe (G, ∗) ist ({eG}, ∗) eine (oft sagt man wieder die) trivialeGruppe.

1Niels Henrik Abel, 1802-1829

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34 KAPITEL 2. GRUPPEN

d) Nun habe die Menge M genau zwei Elemente e und m . Wenn wir festlegen,dass e neutrales Element sein soll, so gibt es nur eine Moglichkeit derGruppenstruktur auf M :

e ∗ e = e, e ∗m = m ∗ e = m, m ∗m = e.

Die ersten drei Gleichungen werden von den Eigenschaften des neutralenElements erzwungen, die letzte von der Existenz eines zu m inversen Ele-ments. Die Assoziativitat ist offensichtlich erfullt.

e) Es sei n ∈ N0. Auf Z haben wir die Aquivalenzrelation

x ≡ y (mod n) ⇐⇒ n teilt (x− y).

Man sagt dann, die Zahlen x und y seien modulo n kongruent.

Es sei Z/nZ die Menge aller Aquivalenzklassen dieser Aquivalenzrelation.Fur n = 0 sind alle Klassen einelementig und wir haben eine Bijektionzwischen Z und Z/0Z . Fur n ≥ 1 gilt:

Z/nZ := {[k] | k ∈ Z} = {[0], [1], [2], . . . , [n− 1]}.

Auf dieser Menge definieren wir eine Verknupfung +n mittels

[k] +n [l] := [k + l].

Damit dies wirklich eine Verknupfung ist, darf die Zuordnung nur von denjeweiligen Aquivalenzklassen, nicht aber von der konkreten Wahl von koder l abhangen. Man muss also Folgendes uberprufen: wenn fur k, l ∈ Z

die Voraussetzung erfullt ist, dass [k] = [k] und [l] = [l], dann gilt [k+ l] =[k + l]. Dies verifiziert man wie folgt: [k] = [k] bedeutet, dass eine ganzeZahl a mit k = k + an existiert; genauso gibt es eine ganze Zahl b mitl = l + bn. Dann ist aber

k + l = k + an+ l + bn = k + l + (a+ b) · n,

also sind k+ l und k+ l kongruent modulo n , und ihre Aquivalenzklassenstimmen uberein.

Nun ist wegen

([k] +n [l]) +n [m] = [k + l +m] = [k] +n ([l] +n [m])

die Verknupfung assoziativ, [0] ist ein neutrales Element, und fur [k] ∈Z/nZ gilt

[k] +n [−k] = [0].

Also ist (Z/nZ,+n) eine Gruppe.

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2.2. DER GRUPPENBEGRIFF 35

f) Nochmals betrachten wir fur n ∈ N0 die oben benutzte Aquivalenzrela-tion. Man kann leicht nachrechnen, dass auf der Menge Z/nZ auch dieVerknupfung

[k] · [l] := [k · l]wohldefiniert ist und damit die Menge zu einem Magma nacht. Dieses istwieder ein Monoid (Neutralelement ist [1] ), aber fur n 6= 1 keine Gruppemehr, da es zu [0] kein inverses Element gibt.

Definition 2.2.3 Untergruppe

Es sei (G, ∗) eine Gruppe. Dann ist eine Untergruppe von G ein nichtleeresUntermagma U , das unter Inversenbildung abgeschlossen ist.

Wir schreiben dafur: U ≤ G. (Die Verknupfung denken wir uns fixiert.)

Da U nichtleer ist, liegt ein x und damit auch x−1 darin, also auch deren Pro-dukt, und damit das neutrale Element von G.

Insbesondere ist dann U mit der auf U × U eingeschrankten Verknupfung ausG eine Gruppe.

U ⊆ G ist genau dann eine Untergruppe, wenn U nicht leer ist und

∀x, y ∈ U : xy−1 ∈ U.

Beispiel 2.2.4 Untergruppen

(Z,+) ist eine Untergruppe von (Q,+), ({±1}, ·) ist eine Untergruppe von(Qr {0}, ·).In 2.1.4 haben wir stillschweigend und mit nachhaltigem Erfolg Sd als Unter-gruppe von Sd+1 aufgefasst.

Beispiel 2.2.5 Untergruppen der ganzen Zahlen

Wenn wir von Z als Gruppe sprechen, meinen wir immer die Addition als Ver-knupfung. In diesem Beispiel wollen wir alle Untergruppen von Z kennenlernen.

Die triviale Untergruppe (2.2.2 e)) ist {0}. Es ist außerdem klar, dass fur jedenaturliche Zahl n die Teilmenge

nZ := {nk | k ∈ Z}

eine Untergruppe ist, denn diese Menge ist nicht leer und mit nk und nl ist auchnk − nl = n(k − l) in nZ enthalten. Fur n = 0 erhalten wir wieder die trivialeUntergruppe.

Wir zeigen nun umgekehrt, dass jede Untergruppe von Z eine der eben genanntenist. Es sei also H ⊆ Z eine Untergruppe, und H sei nicht die triviale Untergrup-pe (sonst wahlen wir n = 0 und sind fertig). Dann gibt es in H ein von 0

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36 KAPITEL 2. GRUPPEN

verschiedenes Element x . Mit diesem liegt auch −x in H , und es gibt demnachein positives Element in H . Die Menge H ∩ N ist also nicht leer, und enthaltdamit auch ein kleinstes Element, welches wir n nennen. Die Behauptung istnun, dass H = nZ. Die Inklusion ⊇ ist klar. Wenn umgekehrt h ∈ H beliebiggewahlt ist, so liegt wegen 1.1.2 auch der ggT von n und |h| in H , ist aber nichtkleiner als n . Der ggT ist also n , und das heißt, dass h ein Vielfaches von n ist.

Wir halten fest: Die Untergruppen von Z sind genau die Mengen nZ mitn ∈ N0 .

Hilfssatz 2.2.6 Durchschnitt von Untergruppen

Es seien G eine Gruppe, I eine nichtleere Menge, und fur jedes i ∈ I eineUntergruppe Ui von G gegeben. Dann ist auch ∩i∈IUi eine Untergruppe von G .

Beweis. Der Durchschnitt ist ein nichtleeres Untermagma (2.1.3a)), da er dasneutrale Element e enthalt. Mit x ∈ ⋂Ui liegt auch x−1 in jedem einzelnen Ui,und damit auch in deren Durchschnitt. ©

Definition 2.2.7 Gruppenerzeugnis, zyklische Gruppe

a) Fur eine Teilmenge M der Gruppe G sei I die Menge aller Untergruppenvon G , die M enthalten. Dazu gehort zum Beispiel G selbst. Dann ist aber nachdem Vorhergehenden auch

〈M〉 :=⋂

i∈Ii

eine Gruppe, sie heißt das (Gruppen-)Erzeugnis von M oder die von M erzeugteUntergruppe von G . Es ist offensichtlich die kleinste Untergruppe von G , die Menthalt.

Offensichtlich gilt

〈M〉 = {x1 · x2 · . . . · xk | k ∈ N0, ∀i ≤ k : xi ∈M oder x−1i ∈M}.

b) Eine Gruppe G heißt zyklisch, wenn es ein Element a ∈ G gibt, sodassG = 〈{a}〉. Hierfur schreibt man kurzer auch G = 〈a〉.

Beispiel 2.2.8 zyklische Gruppen

a) Fur jede naturliche Zahl n ist die Gruppe Z/nZ von [1] erzeugt.

b) Fur beliebiges g ∈ G und fur n ∈ N setzen wir g0 := eG und fur n > 0schreiben wir

gn := g ∗ g ∗ · · · ∗ g (n Faktoren), g−n := (g−1)n.

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2.2. DER GRUPPENBEGRIFF 37

Dann ist

〈g〉 = {gk | k ∈ Z}die von g erzeugte zyklische Gruppe.

c) Wir wissen schon (seit 2.2.5), dass auch alle Untergruppen von Z zyklischsind.

Naturlich erzeugen auch zwei ganze Zahlen a, b immer eine Untergruppe H inZ , konkreter gilt:

H = {ra+ sb | r, s ∈ Z}.

Da auch H zyklisch ist, gibt es also ein g ∈ N0 mit H = Zg.

Da a und b in H liegen, ist g ein gemeinsamer Teiler von a und b.

Umgekehrt ist g von der Gestalt ra+sb, und damit teilt jeder gemeinsame Teilervon a und b auch g. Daher ist g der großte gemeinsame Teiler von a und b ,siehe 1.1.1.

Definition 2.2.9 Ordnung

Die Kardinalitat einer Gruppe nennt man auch ihre Ordnung. Die Ordnung einesElementes g ∈ G ist definiert als die Ordnung der von g erzeugten Untergruppe.

Bemerkung 2.2.10 Wenn g ∈ G endliche Ordnung hat, dann ist diese gleichder kleinsten naturlichen Zahl k , fur die gk = eG gilt.

Denn: Es existieren ein l > 0 und ein r ≥ 0 mit gr = gr+l, da die von g erzeugteGruppe endlich ist. Daher ist (nach Kurzen von gr aus der Gleichung) aucheG = gl, und es gibt uberhaupt ein kleinstes k mit der genannten Eigenschaft.Mit einem ahnlichen Argument sieht man ein, dass eG, g, g

2, . . . , gk−1 paarweiseverschiedene Elemente sind, was dann die Behauptung zeigt.

Satz 2.2.11 von Lagrange

Es sei G eine endliche Gruppe und H eine Untergruppe von G . Dann ist dieOrdnung von H ein Teiler der Ordnung von G .

Beweis. Wir definieren auf G die Relation ∼ durch

g1 ∼ g2 : ⇐⇒ g1g−12 ∈ H.

Dann ist ∼ eine Aquivalenzrelation, wie man leicht nachrechnet.

Die Aquivalenzklasse eines Elements g ist

[g] = Hg := {hg | h ∈ H}.

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38 KAPITEL 2. GRUPPEN

Nun ist G aber die disjunkte Vereinigung der Aquivalenzklassen, und wir sindfertig, wenn wir gezeigt haben, dass jede Aquivalenzklasse genauso viele Elementehat wie H . Dies zeigen wir durch die Angabe einer Bijektion von H = [eG] nach[g] :

F : H −→ Hg, h 7→ hg.

Diese Abbildung ist surjektiv, wie man der vorletzten Gleichung entnimmt. Sieist injektiv, denn

∀h1, h2 ∈ H : F (h1) = F (h2) ⇒ h1g = h2g ⇒ h1gg−1 = h2gg

−1 ⇒ h1 = h2.

©

Speziell ist in jeder endlichen Gruppe die Ordnung jedes Elements ein Teiler derGruppenordnung.

Das impliziert, dass jede Gruppe G , deren Ordnung eine Primzahl ist, zyklischist. Genauer gilt hier fur g ∈ G :

G = 〈g〉 ⇐⇒ g 6= eG.

Definition 2.2.12 Index

Wenn H ≤ G zwei Gruppen sind, dann heißt die Anzahl der Aquivalenzklassenaus dem Beweis auch der Index von H in G . In Zeichen: (G : H).

Es gilt demnach fur endliche Gruppen:

#G = #H · (G : H).

Beispiel 2.2.13 Es sei G = S3 , das ist eine Gruppe der Ordnung 6 . Weiter seiτ = τ12 die Transposition, die 1 und 2 vertauscht. Wegen τ 6= τ 2 = Id hat τOrdnung 2 und daher hat H := 〈τ〉 Index 3 in S3. Die Aquivalenzklassen werdenhier reprasentiert von

Id, τ13, τ23.

2.3 Homomorphismen zwischen Gruppen

Wir kennen schon Homomorphismen zwischen Magmen und wiederholen die De-finition nun noch einmal fur Gruppen.

Definition 2.3.1 Gruppenhomomorphismus

Es seien (G, ∗) und (H, •) zwei Gruppen. Ein (Gruppen-)Homomorphismus vonG nach H ist ein Magmenhomomorphismus zwischen den beiden Magmen, alsoeine Abbildung f : G −→ H , fur die gilt:

∀x, y ∈ G : f(x ∗ y) = f(x) • f(y).

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2.3. HOMOMORPHISMEN ZWISCHEN GRUPPEN 39

Die Menge aller Homomorphismen von G nach H nennen wir Hom(G,H).

Beispiel 2.3.2 Gruppenhomomorphismen

a) Fur beliebige Gruppen G und H ist die Abbildung

f : G −→ H, ∀x ∈ G : f(x) := eH ,

ein Gruppenhomomorphismus, der so genannte triviale Homomorphismus.

b) Fur G = Z und beliebiges h in beliebigem H ist die Abbildung (mit Notationaus 2.2.8b))

f : Z −→ H, ∀x ∈ Z : f(x) := hx,

ein Homomorphismus von Z nach H :

f(x+ y) = hx+y = hx • hy = f(x) • f(y).

c) Fur G = (R,+) und H = (R>0, ·) ist die e-Funktion

∀x ∈ R : x 7→ exp x

ein Gruppenhomomorphismus: exp (x+ y) = exp x · exp y .

Wir wollen einige grundsatzliche Eigenschaften von Gruppenhomomorphismenkennenlernen.

Hilfssatz 2.3.3 Eigenschaften von Homomorphismen

Es sei f : G −→ H ein Homomorphismus von Gruppen. Dann gelten die folgen-den Aussagen:

a) f(eG) = eH .

b) ∀g ∈ G : f(g−1) = f(g)−1.

c) f−1({eH}) ist eine Untergruppe von G .

d) f(G) ist eine Untergruppe von H .

e) f ist genau dann injektiv, wenn f−1({eH}) = {eG}.

Beweis. a) Es gilt

f(eG) = f(eG ∗ eG) = f(eG) • f(eG).

Diese Gleichung wird nun mit dem zu f(eG) inversen Element multipliziert,sodass

eH = f(eG)

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40 KAPITEL 2. GRUPPEN

ubrig bleibt, was zu zeigen war.

b) Es gilt

f(g) • f(g−1) = f(g ∗ g−1) = f(eG) = eH .

Genauso gilt auch f(g−1) • f(g) = eH .

Nach Definition des inversen Elements heißt das f(g−1) = f(g)−1.

c) Wegen Teil a) gilt eG ∈ f−1({eH}) , also ist f−1({eH}) nicht leer. Wegenb) ist es unter Inversenbildung abgeschlossen, und offensichtlich auch unter derMultiplikation.

d) Wegen a) ist eH = f(eG) ∈ f(G). Wegen b) ist f(G) unter Inversenbildungabgeschlossen, und wegen 2.1.5 ist es ein Untermagma.

e) Wenn f injektiv ist, dann liegt in f−1({eH}) nicht mehr als ein Element, abereG liegt nach a) darin, also folgt

f−1({eH}) = {eG}.

Wenn umgekehrt diese Mengengleichheit gilt, dann folgt fur x, y ∈ G aus f(x) =f(y) :

eH = f(y) • f(y)−1 = f(x) • f(y−1) = f(x ∗ y−1)

und damit x ∗ y−1 ∈ f−1({eH}) = {eG}. Das heißt aber x = y, und f mussinjektiv sein. ©

Definition 2.3.4 Kern

Ist f : G −→ H ein Homomorphismus zwischen zwei Gruppen, so heißt dieUntergruppe f−1({eH}) ⊆ G der Kern von f .

Wir haben also gerade gezeigt: f ∈ Hom(G,H) ist genau dann injektiv,wenn Kern(f) = {eG}.

Wegen dieses Sachverhaltes und wegen des damit eng verknupften Homomorphie-satzes fuhrt man den Kern uberhaupt ein.

Beispiel 2.3.5 Kerne

a) Der Kern des trivialen Homomorphismus (siehe 2.3.2a)) von G nach H istG , sein Bild ist {eH}.b) Im Beispiel 2.3.2b) ist das Bild des Homomorphismus

Z −→ H, x 7→ hx,

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2.3. HOMOMORPHISMEN ZWISCHEN GRUPPEN 41

die von h erzeugte Gruppe 〈h〉, und der Kern ist entweder {0} , namlich wennh nicht endliche Ordnung hat, oder er ist die Untergruppe von Z , die von derOrdnung von h erzeugt wird.

c) Die Exponentialabbildung R ∋ x 7→ ex ∈ R>0 ist surjektiv, ihr Kern bestehtnur aus der 0 , also ist sie auch injektiv. Sie ist ein bijektiver Homomorphismusvon (R,+) nach (R>0, ·).

Definition 2.3.6 Endo-, Auto-, Isomorphismus

Wie fur Magmen haben wir die folgenden Begrifflichkeiten:

a) Fur eine Gruppe G heißt ein Homomorphismus von G nach G auch einEndomorphismus. Die Menge aller Endomorphismen wird mit End(G) notiert.

b) Ein bijektiver Homomorphismus zwischen zwei Gruppen G und H heißt einIsomorphismus zwischen G und H .

c) Einen bijektiven Endomorphismus der Gruppe G nennt man Automorphismusvon G . Die Menge aller Automorphismen wird mit Aut(G) notiert.

Schreibweise: Wenn es (mindestens) einen Isomorphismus zwischen G und Hgibt, so nennt man sie isomorph, und schreibt dafur G ∼= H. Isomorph zu seinist eine Aquivalenzrelation auf jeder Menge von Gruppen.

Beispiel 2.3.7 Wir haben gerade gesehen, dass die Exponentialabbildung einIsomorphismus ist. Ein zweites Beispiel gewinnen wir wie folgt.

Es sei G = {1,−1} mit Multiplikation und H = Z/2Z. Dann ist die Abbildung

f : G −→ H, f(1) = [0], f(−1) = [1],

ein Gruppenisomorphismus.

Bemerkung 2.3.8 Invertieren eines Isomorphismus

Wie in 2.1.7 gesehen, ist die Inverse zu einem Magmenisomorphismus wieder einMagmenisomorphismus.

Insbesondere ist fur jede Gruppe G die Menge Aut(G) eine Gruppe bezuglichder Komposition von Abbildungen als Verknupfung.

Beispiel 2.3.9 Konjugation, Zentrum

Es sei G eine Gruppe. Fur festes g ∈ G ist die Abbildung

κg : G→ G, κg(x) := gxg−1

ein Automorphismus von G . Sie heißt die Konjugation mit g .

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42 KAPITEL 2. GRUPPEN

Zwei Gruppenmitglieder x, y ∈ G heißen zueinander konjugiert, wenn es eing ∈ G gibt mit y = gxg−1.

Die Abbildung κ : G → Aut(G), g 7→ κg, ist ein Homomorphismus. Ihr Kernheißt das Zentrum Z(G) von G, es gilt also

Z(G) = {g ∈ G | ∀x ∈ G : gx = xg}.

Das Bild κ(G) =: Inn(G) wird die Untergruppe der inneren Automorphismen inAut(G) genannt.

Bemerkung 2.3.10 Normalteiler

Es sei K der Kern des Homomorphismus f : G −→ H. Dann gilt fur alle g ∈ Gund alle k ∈ K, dass auch g ∗ k ∗ g−1 ∈ K :

f(g ∗ k ∗ g−1) = f(g) • f(k) • f(g)−1 = f(g) • eH • f(g)−1 = eH .

Dieser Eigenschaft von K gibt man einen Namen und nennt K einen Normal-teiler oder auch eine normale Untergruppe.

Ein Normalteiler von G ist also eine Untergruppe N ⊆ G , sodass fur alle n ∈ Nund g ∈ G die Bedingung gng−1 ∈ N erfullt ist. Anders gesagt: N ist invariantunter allen inneren Automorphismen.

Wenn eine Untergruppe U von G ein Normalteiler ist, dann wird das oft mitder Notation U ⊳G ausgedruckt.

In abelschen Gruppen sind alle Untergruppen normal.

Als Ubung kann man zum Beispiel zeigen, dass eine Untergruppe von Index 2immer normal ist.

2.4 Faktorgruppen

Definition 2.4.1 Nebenklassen

a) Es sei G eine Gruppe und U ⊆ G eine Untergruppe. Dann heißen g, h ∈ Gkongruent modulo U, wenn

g−1h ∈ U.

Das ist eine Aquivalenzrelation auf G , und die Aquivalenzklassen sind vonder Gestalt gU = {gu | u ∈ U}. Sie heißen die Linksnebenklassen nach U.Die Menge dieser Nebenklassen heißt der Faktorraum G/U.

Die Abbildung πU : G→ G/U, g 7→ gU heißt die kanonische Projektion.

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2.4. FAKTORGRUPPEN 43

b) Analog gibt es auch Rechtsnebenklassen Ug, die ebenfalls eine disjunkteZerlegung von G liefern.

c) Bemerkung: Es gilt Ug = gU fur alle g ∈ G genau dann, wenn U einNormalteiler (2.3.10) von G ist.

Definition 2.4.2 Faktorgruppe

Es sei N ⊳ G ein Normalteiler in der Gruppe G. Dann wird auf G/N (sprich:G modulo N ) durch

(gN) · (hN) := ghN

eine Verknupfung definiert. Diese ist wegen

ghN = ghNN = g(hNh−1)hN = gNhN

tatsachlich wohldefiniert.

Sie ist assoziativ, da die Multiplikation in G dies ist, N = eGN ist das neutraleElement, und zu gN ist g−1N invers. Also ist G/N eine Gruppe, die Faktorgrup-pe von G modulo N. Sie ist gerade so gemacht, dass die kanonische ProjektionπN ein Gruppenhomomorphismus ist. Der Kern ist N , und das zeigt auch, dassfur eine Untergruppe, die kein Normalteiler ist, die Konstruktion so nicht funk-tioniert: Ein Kern ist ja immer ein Normalteiler.

Umgekehrt haben wir jetzt gesehen, dass jeder Normalteiler auch als Kern einesGruppenhomomorphismus realisiert werden kann.

Wenn N ⊳ G ein Normalteiler ist und Ψ : G/N → H ein Gruppenhomomor-phismus, dann ist auch Φ := Ψ◦πN ein Gruppenhomomorphismus. Diesen Spießmochte man jetzt umdrehen.

Hilfssatz 2.4.3 Ein Homomorphiesatz

Es seien G, H zwei Gruppen und N ⊳G ein Normalteiler.

a) Die Abbildung

L : Hom(G/N,H) → Hom(G,H), Ψ 7→ Ψ ◦ πNist injektiv und besitzt als Bild die Menge aller Φ ∈ Hom(G,H) mit derEigenschaft

N ⊆ Kern(Φ).

b) Ist Φ : G→ H ein Homomorphismus mit Kern(Φ) = N , dann ist

Φ : G/N ∋ gN 7→ Φ(g) ∈ Bild(Φ)

ein Isomorphismus zwischen G/N und Bild(Φ).

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44 KAPITEL 2. GRUPPEN

Beweis. a) Es ist klar, dass die Abbildung injektiv ist. Ist umgekehrt Φ einHomomorphismus von G nach H , dessen Kern N enthalt, so wird durch

Ψ : G/N → H, gN 7→ Φ(g),

eine Abbildung festgelegt. Diese ist offensichtlich ein Homomorphismus und er-fullt Φ = Ψ ◦ πN .Das zeigt die behauptete Bijektivitat.

b) Wie in a) ist klar, dass die Abbildung Φ wohldefiniert ist. Außerdem erfullt sie

Φ = Φ◦πN . Ihr Bild ist gerade Bild(Φ), und ihr Kern ist gerade {N} = {eG/N},also ist Φ injektiv und damit ein bijektiver Homomorphismus. ©

Folgerung 2.4.4 Erster Isomorphiesatz

Es seien G eine Gruppe, H ≤ G eine Untergruppe und N⊳G ein Normalteiler.Dann ist auch HN = {hn | h ∈ H, n ∈ N} eine Untergruppe von G und es gibteinen Isomorphismus

H/(N ∩H) ∼= (HN)/N.

Beweis. Die Einschrankung der kanonischen Projektion von G auf G/N nachH liefert einen Gruppenhomomorphismus von H nach G/N, dessen Bild offen-sichtlich gerade (HN)/N ist. Der Kern aber ist H ∩N, und deshalb liefert 2.4.3die Behauptung. ©

Bemerkung 2.4.5 Endomorphismen von Z/nZ

a) Als eine Anwendung des Homomorphiesatzes wollen wir hier die Endomor-phismen der Gruppe H = Z/nZ studieren. Laut Homomorphiesatz entsprechendie genau den Homomorphismen von Z nach H, in deren Kern nZ enthaltenist. Sei also

Φ : Z → H

ein Homomorphismus. Er ist durch h := Φ(1) gegeben, da ∀k ∈ Z : Φ(k) = kh.Jedes h aus H legt einen Homomorphismus fest.

Fur jedes h gilt aber nh = eH (das ist der Satz von Lagrange), also liegt n unddamit nZ im Kern eines jeden Homomorphismus von Z nach H.

Wir erhalten also fur jedes h ∈ H einen Endomorphismus von H, der denErzeuger 1 + nZ auf h abbildet. Er schickt h′ ∈ H auf h · h′, was wir in 2.2.2f)definiert haben. Verfizieren Sie das!

Das sind alle Endomorphismen, die Menge eller Endomorphismen von H =Z/NZ steht also in Bijektion zu H .

b) Eine zweite Anwendung des Homomorphiesatzes ist folgendes:

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2.4. FAKTORGRUPPEN 45

Es seien G = 〈g〉 eine zyklische Gruppe der Ordnung n ∈ N und Φ : G → Hein Gruppenhomomorphismus.

Dann ist Φ(G) = 〈Φ(g)〉 isomorph zu G/Kern(Φ), und damit ist die Ordnungvon Φ(g) gleich #G/#Kern(Φ), also ist die Ordnung von Φ(g) ein Teiler vonn .

Definition 2.4.6 Einfachheit

Eine Gruppe G heißt einfach, wenn sie nichttrivial ist und keine Normalteileraußer G und {eG} besitzt.

Eine nichttriviale Gruppe ist also genau dann einfach, wenn jeder nichtkonstanteHomomorphismus, der auf ihr definiert ist, injektiv ist.

Eine abelsche Gruppe ist genau dann einfach, wenn sie Primzahlordnung hat.Spater werden wir noch mehr einfache Gruppen sehen.

Alles andere als einfach sind die freien Gruppen. Ihnen wenden wir uns jetzt zu.

Definition 2.4.7 freie Gruppen

a) Es sei S eine Menge. Eine freie Gruppe uber S ist eine Gruppe F miteiner Abbildung f : S → F, sodass fur jede Gruppe G und jede Abbildungϕ : S → G genau ein Gruppenhomomorphismus Φ : F → G existiert, furden

∀s ∈ S : ϕ(s) = Φ(f(s))

gilt.

b) Analog definiert man das freie Monoid M uber der Menge S als ein MonoidM mit einer Abbildung f : S →M, sodass fur jede Abbildung von S in einMonoid N genau ein Monoidhomomorphismus von M nach N existiert,der das folgende Diagramm kommutativ macht:

M

S

N

f

ϕ

Φ...................................................................................................................................................................

...................................................................................................................................................................

..............................................................................................................................

In beiden Fallen ist das definierte Objekt bis auf einen eindeutigen Isomorphismusdurch die definierende Eigenschaft festgelegt. Wenn namlich sowohl M als auchN freie Monoide uber S sind mit Abbildungen f und ϕ, dann gibt es sowohl

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46 KAPITEL 2. GRUPPEN

von M nach N einen eindeutig bestimmten Homomorphismus Φ mit ϕ = Φ◦ fals auch von N nach M einen eindeutig bestimmten Homomorphismus Ψ mitf = Ψ ◦ ϕ.Damit bekommen wir die Endomorphismen Φ ◦Ψ und Ψ ◦ Φ, die jeweils

Φ ◦Ψ ◦ ϕ = ϕ und Ψ ◦ Φ ◦ f = f

erfullen und daher wegen der Eindeutigkeit jeweils die Identitat sind.

Das freie Objekt ist also jeweils (bis auf Isomorphismus) eindeutig. Wir wollenjetzt sicherstellen, dass es existiert.

Hilfssatz 2.4.8 Die Existenz

Es sei S eine Menge. Dann existieren das freie Monoid und die freie Gruppeuber S.

Beweis.

1. Die Existenz des freien Monoids ist einfach einzusehen, wir benutzen dazu dieMenge M der endlichen Folgen in S :

M := {(s1, s2, . . . , sn) | n ∈ N0, si ∈ S}.

Als Verknupfung auf M verwenden wir die Aneinanderhangung:

(s1, s2, . . . , sn) ◦ (t1, t2, . . . , tm) := (s1, s2, . . . , sn, t1, . . . , tm).

Es ist klar, dass dies assoziativ ist, und dass das”leere Wort“ (n = 0) neutrales

Element fur M ist.

M wird von den”einelementigen Folgen“ (s), s ∈ S, erzeugt, und wir benutzen

f : S →M, s 7→ (s) in der Definition des freien Monoids.

Ist nun ϕ : S → N eine Abbildung in ein Monoid, so liefert

Φ((s1, s2, . . . , sn)) := ϕ(s1) · . . . · ϕ(sn)

einen Monoidhomomorphismus, denn rechter Hand ist die Multiplikation ja auchassoziativ, und das leere Wort wird (definitionsgemaß) auf das neutrale Elementin N abgebildet. Fur Φ kann man leicht nachrechnen (siehe Vorlesung), dass estut was es soll.

2. Nun wollen wir eine freie Gruppe uber S haben. Dazu nehmen wir eine zuS disjunkte Teilmenge S, die zu S gleichmachtig ist, und eine feste Bijektion˜ : S → S. Die inverse Abbildung nennen wir auch ˜ , es gilt also ˜s = s.

(Wir fassen am Besten ˜ als Abbildung von S ∪ S in sich selbst auf.)

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2.4. FAKTORGRUPPEN 47

Es sei M das freie Monoid uber S ∪ S. Wir fassen S ∪ S als Teilmenge von Mauf.

Fur eine Abbildung ϕ : S → G (mit einer Gruppe G ) sei Φ der eindeutigbestimmte Monoidhomomorphismus von M nach G, der fur s ∈ S die Bedin-gungen

Φ(s) = ϕ(s), und Φ(s) = ϕ(s)−1

erfullt.

Wir definieren auf M eine Relation:

m ∼ n : ⇐⇒ ∀G, ∀ϕ : S → G : Φ(m) = Φ(n).

Dies ist eine Aquivalenzrelation.

Wir definieren auf der Menge F aller Aquivalenzklassen eine Verknupfung durch

[m] ◦ [n] := [m ◦ n].

Dies ist wohldefiniert, denn wenn fur alle ϕ die Bedingung Φ(m) = Φ(m) undΦ(n) = Φ(n) erfullt ist, dann gilt auch fur alle ϕ die Gleichung

Φ(m ◦ n) = Φ(m)Φ(n) = Φ(m)Φ(n) = Φ(m ◦ n).

Die Assoziativitat folgt ahnlich, und die Aquivalenzklasse des leeren Wortes istein neutrales Element. Daher ist F ein Monoid.

Fur ein Wort m = (x1, x2, . . . , xk) ∈M sei

m := (xk, . . . , x2, x1).

Dann ist klar, dass fur jede Abbildung von S in eine Gruppe G folgt, dass

Φ(m) = Φ(m)−1.

Daher ist die Aquivalenzklasse von m im Monoid F zu der von m invers, undF ist eine Gruppe.

Nach Konstruktion hat diese die gewunschte Eigenschaft, die wir von der freienGruppe uber S erwarten. ©

Bemerkung 2.4.9 Erzeuger und Relationen

Jede Gruppe G lasst sich als Faktorgruppe einer freien Gruppe schreiben, notfallsnehme man die freie Gruppe F uber der Menge G und setze die Identitat aufG zu einem Gruppenhomomorphismus von F nach G fort.

Allgemeiner kann man die freie Gruppe F uber irgendeinem ErzeugendensystemS von G nehmen und die Identitat auf diesem Erzeugendensystem zu einemGruppenhomomorphismus π : F → G fortsetzen.

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48 KAPITEL 2. GRUPPEN

Eine Teilmenge R ⊂ Kern(π) , fur die der kleinste Normalteiler von F , der Renthalt, gerade der Kern ist, ist dann ein System von Relationen zwischen denErzeugern von G .

Ein Homomorphismus von G in eine andere Gruppe H lasst sich nach demHomomorphiesatz 2.4.3 also auch verstehen als ein Homomorphismus von F nachH, der auf R trivial ist. Bisweilen ist das eine gute Antwort auf die Frage nachHom(G,H).

Beispiel 2.4.10 S 3

Die symmetrische Gruppe S3 wird erzeugt von der Transposition τ = τ1,2 und derPermutation ζ, die durch 1 7→ 2 7→ 3 7→ 1 gegeben ist. Hierbei gilt τ 2 = ζ3 = 1und τζτ−1 = ζ2.

Es sei F die freie Gruppe in zwei Erzeugern x, y und π : F → S3 der Homo-morphismus, der durch π(x) = τ, π(y) = ζ festgelegt wird.

Dann ist π surjektiv, und wir wollen den Kern von π berechnen.

Im Kern liegen die Elemente x2, y3, x−1yxy−2. Es sei N ⊂ F ein Normalteiler,der diese Elemente enthalt. Dann wird F/N von den Restklassen ξ = xN undη = yN erzeugt. Wegen ηξ = ξη2 sind alle Elemente von F/N von der Gestaltξaηb. Hierbei gilt ξaηb = ξa

ηb′

, wenn a − a′ gerade und b − b′ durch 3 teilbarsind. Also hat F/N hochstens 6 Elemente.

Da aber der Kern von π auch so ein Normalteiler vom Typ von N ist und dieFaktorgruppe genau 6 Element hat, ist er der kleinste Normalteiler von F , derx2, y3 und x−1yxy−2 enthalt.

Das heißt: Die Relationen τ 2 = ζ3 = 1 und τζτ−1 = ζ2 erzwingen alle Rechen-regeln in S3.

Man schreibt dann auch

S3 = 〈x, y | x2, y3, x−1yxy−2〉.Die Erzeuger stehen links vom vertikalen Strich, und die Relationen, die die Grup-penstruktur festlegen, rechts davon.

2.5 Gruppenoperationen

Die Gruppentheorie dient dem Zweck, verschiedene Beispiele von Gruppen, dieman ohnehin kennt und benutzt, unter einem einheitlichen Gesichtspunkt zubetrachten, indem eben die Gruppenaxiome als gemeinsames Wesensmerkmalder Beispiele herausdestilliert werden.

Wir haben bisher zwei Typen von Gruppen kennengelernt: Gruppen von Zahlenmit Addition oder Multiplikation als Verknupfung und damit Verwandte (die

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2.5. GRUPPENOPERATIONEN 49

Gruppen Z/nZ ) stellen den einen Typ dar, die symmetrischen Gruppen denanderen. Der zweite Typ von Gruppen ist also dazu da, etwas mit Elementeneiner Menge anzufangen. Dieser Aspekt soll hier etwas vertieft werden.

Definition 2.5.1 Gruppenoperation

Es seien (G, ∗) eine Gruppe und M eine Menge. Dann ist eine Operation von Gauf M definiert als eine Abbildung

• : G×M −→ M,

sodass die folgenden Bedingungen erfullt sind:

a) ∀m ∈M : eG •m = m,

b) ∀m ∈ M, g1, g2 ∈ G : g1 • (g2 •m) = (g1 ∗ g2) •m.Eine Menge M mit einer festen Operation einer Gruppe G heißt amusanterWeise auch eine G -Menge.

Wenn G ⊆ Sym(M) eine Untergruppe der symmetrischen Gruppe von M ist,dann wird solch eine Abbildung • zum Beispiel durch

g •m := g(m)

gegeben. Dies ist die Urmutter aller Operationen, wie wir gleich sehen werden.

Hilfssatz 2.5.2 Operationen und symmetrische Gruppe

Es seien G eine Gruppe und M eine Menge.

a) Fur jeden Homomorphismus Φ : G −→ Sym(M) wird durch

g •m := Φ(g)(m)

eine Operation von G auf M festgelegt.

b) Fur jede Operation • von G auf M gibt es einen Homomorphismus Φ , sodass• wie in Teil a) konstruiert werden kann.

Beweis. a) Dass hierbei aus einem Homomorphismus eine Operation gewonnenwird, ist klar.

b) Sei umgekehrt eine beliebige Operation • gegeben. Wir zeigen, wie man aus ihrden passenden Homomorphismus konstruiert. Fur jedes g ∈ G sei Φg :M −→Mdie Abbildung, die durch

∀m ∈M : Φg(m) := g •m

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50 KAPITEL 2. GRUPPEN

gegeben wird. Die Abbildung Φg ist eine Bijektion, da die Abbildung Φg−1 zuihr invers ist:

∀m ∈M : (Φg ◦ Φg−1)(m) = g • (g−1 •m)= (g ∗ g−1) • (m) = eG •m= m= (g−1 ∗ g) • (m)= (Φg−1 ◦ Φg)(m).

Also ist g 7→ Φg eine Abbildung von G nach Sym(M) , und diese ist ein Grup-penhomomorphismus wegen der zweiten Bedingung an die Operation. ©

Beispiel 2.5.3 fur Operationen

a) Im Fall G =M wird eine wichtige Operation durch die Gruppenverknupfungselbst festgelegt: • = ∗ . Man sieht leicht, dass der zugehorige HomomorphismusΦ von G in die symmetrische Gruppe Sym(G) injektiv ist, denn

Φ(g)(eG) = g ∗ eG = g,

also kann man g aus Φ(g) ablesen.

Das Bild von Φ ist also eine zu G isomorphe Untergruppe von Sym(G) , unddamit ist jede Gruppe isomorph zu einer Untergruppe einer symmetrischen Grup-pe. Diese Aussage nennt man oft den Satz von Cayley2, den wir hiermit bewiesenhaben. Er ist der Situation aus 2.1.6c) nachempfunden, oder eher umgekehrt.

b) Eine andere Art, wie G auf sich selbst operieren kann, ist die Operation durchKonjugation:

∀g,m ∈ G : g •m := gmg−1.

c) Eine Untergruppe G ⊆ Sym(M) operiert auf der Potenzmenge von M durch

∀σ ∈ G, A ⊆M : σ • A := σ(A).

Auf ahnlichem Wege”induziert“ jede Gruppenoperation einer Gruppe auf einer

Menge M eine Operation derselben Gruppe auf der Potenzmenge von M undauf anderen Derivaten von M , etwa den Abbildungen von M in eine andereMenge N. Nachrechnen:

G× Abb(M,N) → Abb(M,N), (g, f) 7→ [m 7→ f(g−1 •m)],

ist eine Operation.

2Arthur Cayley, 1821-1895

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2.5. GRUPPENOPERATIONEN 51

Hilfssatz 2.5.4 Wieder einmal eine Aquivalenzrelation

Es sei G eine Gruppe, die auf der Menge M operiert. Dann wird auf M durchdie Vorschrift

m1 ∼ m2 : ⇐⇒ ∃g ∈ G : m1 = g •m2

eine Aquivalenzrelation definiert.

Beweis. Die Relation ist reflexiv, da

∀m ∈M : m = eG •m, also m ∼ m.

Sie ist symmetrisch, da fur alle m1, m2 ∈M gilt:

m1 ∼ m2 ⇒ ∃g ∈ G : g •m1 = m2

⇒ ∃g ∈ G : g−1 • (g •m1) = g−1 •m2

⇒ ∃g ∈ G : m1 = g−1 •m2 ⇒ m2 ∼ m1.

Sie ist transitiv, da aus m1 ∼ m2 und m2 ∼ m3 die Existenz von g1, g2 ∈ G mit

m1 = g1 •m2, m2 = g2 •m3, also m1 = (g1 ∗ g2) •m3

folgt und damit m1 ∼ m3. ©

Definition 2.5.5 Bahnen, Transitivitat, Stabilisatoren

Es sei G eine Gruppe, die auf einer Menge M operiert.

Die Aquivalenzklassen aus der eben beschriebenen Aquivalenzrelation werden hierBahnen oder auch Orbiten (von M unter der Operation von G ) genannt. DieBahn von m wird als

G •m = {g •m | g ∈ G}notiert.

Die Operation heißt transitiv, wenn es genau eine Bahn gibt, wenn also ein m0

existiert, sodass es fur jedes m ∈M ein g ∈ G gibt mit der Eigenschaft

m = g •m0.

Der Stabilisator eines Elements m ∈ M unter einer gegebenen Operation derGruppe G ist definiert als

StabG(m) := {g ∈ G | g •m = m}.

Ein Fixpunkt von G auf M ist ein Element, dessen Stabilisator ganz G ist. DieMenge aller Fixpunkte wird mit MG notiert:

MG := {m ∈M | ∀g ∈ G : g •m = m}.

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52 KAPITEL 2. GRUPPEN

Satz 2.5.6 Bahnbilanzformel

Es sei G eine Gruppe, die auf der endlichen Menge M operiert. Weiter seiR ⊆ M ein Vertretersystem der Bahnen, d.h. aus jeder Bahn liegt genau einElement in R. Dann gilt:

#M =∑

r∈R(G : StabG(r)).

Beweis. Da M die disjunkte Vereinigung der Bahnen ist, gilt

#M =∑

r∈R#(G • r).

Es langt also, fur jede einzelne Bahn G • r zu zeigen, dass

#(G • r) = (G : StabG(r)).

Dazu betrachten wir die Abbildung

η : G→ G • r, g 7→ g • r.

Sie ist surjektiv nach Definition der Bahn. Fur zwei Elemente g, h ∈ G giltη(g) = η(h) genau dann, wenn

g • r = h • r ⇐⇒ r = g−1h • r ⇐⇒ h−1g ∈ StabG(r)⇐⇒ gStabG(r) = hStabG(r).

Das zeigt ganz analog zu den Uberlegungen aus dem Beweis des Homomorphie-satzes, dass η eine wohldefinierte und injektive Abbildung

η : G/StabG(r) → G • r, gStabG(r) 7→ g • r,

liefert, die wegen der Surjektivitat von η auch selbst surjektiv ist. Die Existenzsolch einer Bijektion impliziert naturlich die gewunschte Ubereinstimmung derKardinalitaten. ©Wir werden die Bahnbilanzformel spater noch zum Beweis von Strukturaussagenfur endliche Gruppen benutzen.

Beispiel 2.5.7 Binomialkoeffizienten

a) Eine andere bekannte Anwendung der Bahnbilanzformel ist ein Beweisdafur, dass es fur naturliche Zahlen d ≤ k in {1, . . . , k} genau

(kd

)Teil-

mengen mit d Elementen gibt. Denn die symmetrische Gruppe Sk ope-riert transitiv auf den d -elementigen Teilmengen, und der Stabilisator von{1, . . . , d} ist isomorph zu Sd × Sk−d, hat also d! · (k − d)! Elemente, unddamit Index

(kd

)in Sk.

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2.5. GRUPPENOPERATIONEN 53

b) Außerdem sieht man zum Beispiel, dass eine Operation einer Gruppe Gvon Primzahlordnung p auf einer Menge, deren Kardinalitat nicht durch pteilbar ist, immer einen Fixpunkt haben muss. Denn sonst hatte jeder Punktder Menge einen trivialen Stabilisator (G hat ja nur die Untergruppen Gund {eG} ) und damit ware die Kardinalitat der Menge ein Vielfaches vonp.

Beispiel 2.5.8 Zykelzerlegung

Es sei n eine naturliche Zahl und σ ∈ Sn eine Permutation der Menge M ={1, . . . , n}.Dann operiert die von σ erzeugte Untergruppe H ⊆ Sn auf M , und wir konnenM in Bahnen B1, . . . , Br zerlegen. Da H zyklisch ist, lassen sich die Bahnen soanordnen, dass σ darauf durch

”Verschiebung“ wirkt:

#Bi = k, Bi = {x1, x2, . . . , xk}, σ(xi) ={xi+1 , 1 ≤ i ≤ k − 1,x1 , i = k.

Fur k ≥ 2 ist ein k -Zykel eine Permutation, die genau eine Bahn von Lange khat und sonst nur Bahnen der Lange 1.

Man notiert einen solchen Zykel dann (wenn die nichttriviale Bahn aus den Ele-menten x1, . . . , xk in der eben nahegelegten Reihenfolge besteht) als

σ = (x1 x2 . . . xk).

Die Identitat nennen wir den 1-Zykel.

Die Zykelzerlegung von M unter H zeigt, dass sich σ als Produkt von paarweisekommutierenden Zykeln schreiben lasst. Dabei braucht man soviele Faktoren, wiees Bahnen der Lange > 1 gibt. Zwei Elemente aus der Sn sind genau dann zuein-ander konjugiert, wenn die Typen ihrer Zykelzerlegungen (also die Kardinalitatenihrer Bahnen) ubereinstimmen.

Da jeder k -Zykel sich als Produkt von k − 1 Transpositionen schreiben lasst,sehen wir wieder wie in 2.1.4, dass Sn von den Transpositionen erzeugt wird.(NB: Als Gruppenerzeugnis stimmt das auch fur n = 1. )

Definition 2.5.9 Signum / Alternierende Gruppe

Auf der symmetrischen Gruppe Sn gibt es die Signumsabbildung

sign : Sn → {±1}, σ 7→∏

1≤i<j≤n

σ(i)− σ(j)

i− j.

Man rechnet leicht nach, dass das ein Gruppenhomomorphismus ist, der fur n ≥ 2sogar surjektiv ist. Wenn σ ein Produkt von d Transpositionen ist, dann giltsign(σ) = (−1)d.

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54 KAPITEL 2. GRUPPEN

Der Kern davon heißt die alternierende Gruppe An. Fur n ≥ 2 ist das eineUntergruppe vom Index 2 in Sn.

Bemerkung 2.5.10 Erzeuger von An

Induktiv sieht man, dass An von 3-Zykeln erzeugt wird:

Fur n = 1 oder 2 ist das klar, denn A1 und A2 bestehen beide nur aus derIdentitat. Auch fur n = 3 ist das klar, denn

A3 = {Id, (1 2 3), (1 3 2)}

wird vom 3-Zykel (1 2 3) erzeugt.

Schließlich lasst eine Permutation σ ∈ An+1 entweder die Zahl n + 1 fest undkann daher wie ein Element von Sn behandelt werden, oder sie tut das nicht.Dann sei r ≤ n eine von σ(n+1) verschiedene Zahl. Das definiert einen Dreizykel

ζ = (σ(n+ 1) n + 1 r) ∈ An+1.

Es folgt, dass ζ ◦ σ das Element n+ 1 fixiert und daher nach Induktionsvoraus-setzung ein Produkt von 3-Zykeln ist. Das gilt dann auch fur

σ = ζ ◦ ζ ◦ (ζ ◦ σ).

2.6 Sylowsatze

Definition 2.6.1 p -Gruppe, Sylow3gruppen

a) Es sei p eine Primzahl. Eine endliche Gruppe G heißt eine p -Gruppe, wennihre Kardinalitat eine Potenz von p ist.

b) Es seien G eine endliche Gruppe und p eine Primzahl. Dann heißt eineUntergruppe U von G eine p -Sylowgruppe, wenn ihre Kardinalitat gleichder maximalen Potenz von p ist, die die Ordnung von G teilt. Vermeintlichpraziser (weil formellastig):

#G = #U · f, #U = pe, p 6 |f.

Eine p -Sylowgruppe ist also wegen des Satzes von Lagrange zwangslaufig maxi-mal unter den p -Untergruppen einer gegebenen Gruppe G. Da liegt doch die Fra-ge nahe, ob die Umkehrung hiervon auch gilt, was hieße, dass jede p -Untergruppein einer p -Sylowgruppe enthalten sein musste. Hierzu mussen wir zunachst ein-mal sehen, dass es Sylowgruppen uberhaupt gibt.

3Peter Ludwig Mejdell Sylow, 1832-1918

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2.6. SYLOWSATZE 55

Satz 2.6.2 Erster Sylowsatz

Es seien G eine endliche Gruppe und p eine Primzahl. Dann existiert in Gmindestens eine p -Sylowgruppe.

Beweis. Wir schreiben #G = pe · f, p 6 |f, und betrachten die Menge M allerTeilmengen von G mit Kardinalitat pe. Wir mussen zeigen, dass mindestens einElement von M eine Gruppe ist. Dazu betrachten wir die folgende Operationvon G auf M :

∀g ∈ G,A ∈M : g • A := {ga | a ∈ A}.Der Stabilisator von A ∈M hat hochstens pe Elemente. Hat er nicht pe Elemen-te, so ist sein Index ein Vielfaches von p . Wenn wir nun zeigen konnen, dass dieKardinalitat von M kein Vielfaches von p ist, dann sagt die Bahnbilanzformel,dass es mindestens ein A ∈ M geben muss, dessen Stabilisator pe Elemente hat,also eine p -Sylowgruppe ist.

Aber

#M =

(pe · fpe

)=pef · (pef − 1) · (pef − 2) · . . . · (pef − pe + 1)

pe · (pe − 1) · (pe − 2) · . . . · (pe − pe + 1),

und die Zahlen pef −k und pe−k haben fur 0 ≤ k ≤ pe−1 denselben p -Anteil(namlich den von k ), sodass nach Kurzen keine p -Potenz mehr ubrigbleibt. ©

Satz 2.6.3 Zweiter Sylowsatz

Es seien G eine endliche Gruppe und p eine Primzahl. Weiter sei #G = pe · fdie Zerlegung von #G in eine p -Potenz und eine Zahl f , die kein Vielfachesvon p ist.

Dann gelten die folgenden Aussagen:

a) Jede p -Untergruppe H von G ist in einer p -Sylowgruppe von G enthalten.

b) Je zwei p -Sylowgruppen von G sind zueinander konjugiert.

c) Die Anzahl der p -Sylowgruppen ist ein Teiler von f.

d) Die Anzahl der p -Sylowgruppen von G lasst bei Division durch p Rest 1.

Beweis. Es sei S die Menge aller p -Sylowgruppen in G. G operiert durch Kon-jugation auf S :

∀g ∈ G,P ∈ S : g • P := {gxg−1 | x ∈ P}.

Weiter sei P ∈ S eine beliebige p -Sylowgruppe. Der Stabilisator von P enthaltP , also ist die Kardinalitat der G -Bahn von P (= (G : StabG(P )) , wegen 2.5.6)ein Teiler von f und damit zu p teilerfremd.

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56 KAPITEL 2. GRUPPEN

a) Da alle Untergruppen von H in H eine p -Potenz als Index haben, erzwingt dieBahnbilanzformel fur die Aktion von H auf G•P , dass wenigstens ein P ∈ G•Pvon H stabilisiert wird:

∃g ∈ G : ∀h ∈ H : hgPg−1h−1 = gPg−1 =: P .

Im Gruppenerzeugnis U = HP von P und H ist also P ein Normalteiler.

Da nach dem ersten Isomorphiesatz 2.4.4 HP/P ∼= H/(H ∩ P ) gilt, ist HP/Peine p -Gruppe. Andererseits ist ihre Kardinalitat ein Teiler von #G/#P = f,also teilerfremd zu p . Daher ist #[H/(H ∩ P )] = 1, also H ⊆ P .

Das zeigt, dass H in einer p -Sylowgruppe enthalten ist.

b) Falls H in Teil a) schon eine Sylowgruppe ist, zeigt das Argument gerade, dassein g existiert mit H ⊆ gPg−1. Da H und gPg−1 dieselbe endliche Kardinalitatpe haben folgt Gleichheit.

c) Wegen b) ist S eine Bahn unter G , also #S = (G : StabG(P )), und das teiltf, da P in seinem eigenen Stabilisator liegt.

d) Das Argument aus a) zeigt, dass P die einzige p -Sylowgruppe ist, in derenStabilisator sie liegt. Zerlegt man nun S in seine Bahnen unter P , so heißt das:Es gibt genau einen Fixpunkt (namlich P selbst), und alle anderen Bahnlangensind durch p teilbar – das sagt die Bahnbilanzformel. ©

Bemerkung 2.6.4 Eine Anwendung

Wir illustrieren eine mogliche Anwendung dieses Satzes. Es seien p < q zweiverschiedene Primzahlen und G eine Gruppe der Ordnung p ·q. Sie besitzt genaueine q -Sylowgruppe Q , denn 1 ist der einzige Teiler von p , der bei Division durchq Rest 1 lasst. Diese q -Sylowgruppe Q ist also ein Normalteiler von G . Es sei Peine p -Sylowgruppe (davon gibt es vielleicht mehrere). P ist isomorph zu G/Q,und wir konnen P als Nebenklassenvertreter von Q in G wahlen:

G = {xy | x ∈ P, y ∈ Q}.

Q und P sind beide zyklisch, da sie von Primzahlordnung sind. Es sei ξ einErzeuger von P und η ein Erzeuger von Q . Dann ist

G = {ξaηb | 0 ≤ a ≤ p− 1, 0 ≤ b ≤ q − 1}.

Damit haben wir Q und P mit Z/qZ bzw. Z/pZ identifiziert.

Wenn wir uns jetzt noch merken, wie P durch Konjugation auf Q operiert, dannkonnen wir G aus diesen Bausteinen rekonstruieren. Die Operation aber konnenwir fur die Erzeuger schreiben als

ξηξ−1 = ηc,

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2.6. SYLOWSATZE 57

es folgt allgemeinξaηbξ−a = ηbc

a

,

und damit konnen wir beliebige Produkte in G auf Produkte in P und Qzuruckfuhren.

Dies ist ein Spezialfall des semidirekten Produkts zweier Gruppen.

Insbesondere erzwingt die Wohldefiniertheit der Aktion auf P, dass die Zahl cdie Eigenschaft cp ≡ 1 (mod q) hat. Wenn also q modulo p nicht 1 ist, dannverbietet uns Lagrange (als Fermat verkleidet) die Moglichkeit einer nichttrivialenOperation, und ξ vertauscht mit η. In diesem Fall ist G also abelsch. Das trifftfur jede Gruppe der Ordnung

15, 33, 35, 65, 77 . . .

zu.

Auf jeden Fall ist es so, dass eine Gruppe der Ordnung pq immer einen abelschenNormalteiler hat, sodass der Quotient auch abelsch ist. Dieses Phanomen wirdvom Begriff der Auflosbarkeit verallgemeinert.

Bemerkung 2.6.5 S5

Welche Untergruppen G ⊆ S5 operieren transitiv auf {1, 2, 3, 4, 5}?Wenn G so eine Untergruppe ist, dann ist ihr Ordnung wegen der Bahnbilanzfor-mel ein Vielfaches von 5. Sie enthalt also eine 5-Sylowgruppe von S5 , die naturlichOrdnung 5 hat und damit zyklisch ist. In S5 gibt es 6 solcher 5-Sylowgruppen,und bis auf Konjugation darf ich mir wunschen, dass die vom 5-Zykel

ζ := (1 2 3 4 5)

erzeugte Gruppe F = 〈ζ〉 in G liegt.

Der Normalisator N dieser Gruppe (die großte Untergruppe von G , in der Fnormal ist, also der Stabilisator unter der Konjugationsoperation) hat 20 Ele-mente, denn sein Index in S5 ist die Anzahl der 5-Sylowgruppen – 2.5.6 lasstgrußen.

Der Zykel τ = (2 3 5 4) erfullt τ−1ζτ = ζ3, er liegt also in N , und weil seineOrdnung 4 ist, wird N von ζ und τ erzeugt. Da zwei Elemente der Ordnung 5konjugiert sind, ist der Zentralisator von ζ laut Bahnbilanzformel eine Untergrup-pe vom Index 24 in S5, ihre Ordnung ist also 5, und daher ist der Zentralisatorvon ζ gleich F.

Welche Kardinalitat kann G haben? Zunachst einmal alle Vielfachen von 5, dieTeiler von 120 sind:

5, 10, 15, 20, 30, 40, 60, 120.

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58 KAPITEL 2. GRUPPEN

Eine Untergruppe, die F enthalt, enthalt entweder nur eine oder alle 6 5-Sylow-gruppen, wie uns Sylows zweiter Satz verrat.

Im ersten Fall ist es eine Untergruppe von N , die F enthalt, und das sind genaudie Gruppen F, 〈ζ, τ 2〉 und N.

Die anderen Gruppen enthalten alle 5-Sylowgruppen, also alle Elemente der Ord-nung 5. Da sich jeder Dreizykel als Produkt von 5-Zykeln schreiben lasst, liegtdamit A5 in G, und dieses muss A5 oder S5 sein.

Wir sehen also, dass von den laut Lagrange moglichen Kardinalitaten genau 5(namlich 5,10,20,60,120) als Kardinalitaten von solchen Gruppen vorkommen,und bis auf Konjugation (also Umbenennung der Zahlen 1,2,3,4,5) kennen wirdiese Gruppen. Untergruppen mit 15, 30 oder 40 Elementen gibt es nicht.

Eng mit diesem Beispiel verknupft ist das Folgende.

Beispiel 2.6.6 A5 ist einfach

Wir wollen uns uberlegen, dass die alternierende Gruppe A5 keinen Normalteileraußer A5 und {Id} besitzt. Dazu sehen wir uns die Sylowgruppen in A5 an. DieGruppenordnung von A5 ist 60 = 22 · 3 · 5.Die 3- und 5-Sylowgruppen sind also jeweils zyklisch, und der zweite Sylowsatzzeigt, dass es davon 10 bzw. 6 gibt (da es insbesondere mehr als eine gibt).

Die Anzahl der 2-Sylowgruppen ist 5, eine davon ist die Gruppe

V4 = {(1 2)(3 4), (1 3)(2 4), (1 4)(2 3), Id}.

Sie heißt die Kleinsche Vierergruppe und ist ein abelscher Normalteiler von S4

mit Quotientengruppe S3.

A5 wird von den Dreizykeln erzeugt (siehe 2.5.10). Da (zum Beispiel)

(1 2 3 4 5) ◦ (1 3 2 5 4) = (1 4 2)

gilt, wird A5 auch von den Funfzykeln erzeugt.

Nun sei N ⊳A5 ein Normalteiler mit mehr als einem Element.

Wenn die Ordnung von N durch p ∈ {3, 5} teilbar ist, dann enthalt N einep -Sylowgruppe von A5 und damit, da N normal ist, alle p -Sylowgruppen, alsoalle p -Zykel und damit ist N = A5.

Andererseits ist die Ordnung von N keine Zweierpotenz; das Zentrum von A5

ist namlich trivial, und damit besteht N nicht nur aus zwei Elementen, und Nkann auch keine 2-Sylowgruppe sein, da die alle zueinander konjugiert sind.

Es folgt N = A5 wie behauptet.

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2.7. AUFBAU DES ZAHLENSYSTEMS I 59

2.7 Aufbau des Zahlensystems I

Wir wollen nun noch kurz dokumentieren, wie die Konstruktion der ganzen Zah-len aus den naturlichen im Kontext der allgemeinen Strukturtheorie zu sehen ist.Fangen wir also mit diesen an.

Bemerkung 2.7.1 Naturliche Zahlen

Die naturlichen Zahlen N := {1, 2, 3, . . .} werden als bekannt vorausgesetzt4,und naturlich auch, wie man sie addiert und multipliziert.

Addition und Multiplikation sind kommutativ und assoziativ, und sie erfullen dasDistributivgesetz.

Weiter gibt es eine Anordnung:

∀m,n ∈ N : [m > n : ⇐⇒ ∃k ∈ N : k + n = m].

Beachten Sie, dass 0 hier keine naturliche Zahl ist – das ist fur die elementareZahlentheorie der richtige Standpunkt. In Mitteleuropa war ja bis in die fruheNeuzeit die Null uberhaupt nicht als Zahl akzeptiert.

Es gilt fur naturliche Zahlen m,n, s, t :

[m < n und s < t] ⇒ [m · s < n · t und m+ s < n+ t].

Außerdem wissen wir schon, dass fur a, b, c ∈ N gilt:

[a + b = c+ b ⇒ a = c] und [a · b = c · b⇒ a = c].

Argerlicher Weise lasst sich nicht jede Subtraktion in N durchfuhren, oder – wasdasselbe ist – nicht jede Gleichung der Form

a + x = b

mit a, b ∈ N durch ein x ∈ N losen.

Dazu mussen wir N großer machen.

Bemerkung 2.7.2 Endlich annulliert

Zunachst nehmen wir kunstlich ein Element 0 zu N dazu und definieren dieAnordnung, Addition und Multiplikation auf N0 := N ∪ {0} so, dass die altenRegeln fur N erhalten bleiben und

∀n ∈ N0 : 0 ≤ n, 0 + n = n + 0 = n, 0 · n = n · 0 = 0.

4Laut Leopold Kronecker (1823-1891) wurden sie vom lieben Gott gemacht, der Rest istMenschenwerk.

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60 KAPITEL 2. GRUPPEN

Dann gelten Kommutativitat, Assoziativitat und das Distributivgesetz immernoch fur Addition und Multiplikation.

Wir hatten auch direkt zur Konstruktion von Z schreiten und die 0 erst nachherdarin entdecken konnen, aber so wird die Konstruktion etwas

”naturlicher“. Ein

allgemeines Verfahren hilft uns nun, aus N eine Gruppe zu gewinnen.

Konstruktion 2.7.3 Die Grothendieck5-Konstruktion

Es sei (M, ∗) ein kommutatives Monoid mit Kurzungsregel, das heißt:

∀a, b, c ∈M : a ∗ b = c ∗ b⇒ a = c.

Dann gibt es eine Gruppe (G, ∗) , die (M, ∗) als Untermonoid enthalt und diefolgende Eigenschaft hat:

Fur jede Gruppe H und jeden Monoidhomomorphismus ϕ :M → H gibt es eineeindeutige Fortsetzung von ϕ nach G.

Beweis. Der Beweis besteht in der Konstruktion der passenden Gruppe.

Dazu betrachten wir auf der Menge P :=M×M die folgende Aquivalenzrelation:

(m, s) ≡ (n, t) ⇐⇒ m ∗ t = n ∗ s.

Dass dies eine Aquivalenzrelation ist, rechnet man leicht nach, braucht aber dazudie Kurzungsregel.

Fur die Aquivalenzklasse von (m, s) schreiben wir intuitiver Weise m − s (Mi-nuend minus Subtrahend).

Es sei G := P/ ≡ die Menge aller Aquivalenzklassen. Wir wollen darauf eineGruppenstruktur festlegen. Wir versuchen es mit dem aus der Schule bekanntenAnsatz

(m− s) + (n− t) := (m ∗ n)− (s ∗ t).Da hier mit den Vertretern der Klassen hantiert wird, mussen wir noch die Wohl-definiertheit nachweisen, also dass die Klasse auf der rechten Seite bei andererWahl der Vertreter links sich nicht andert.

Seien also (m, s) ≡ (m′, s′) und (n, t) ≡ (n′, t′). Dann gilt

m ∗ s′ = m′ ∗ s und n ∗ t′ = n′ ∗ t.

Es folgt

m ∗ s′ ∗ n ∗ t′ = m′ ∗ s ∗ n′ ∗ t,5Alexander Grothendieck, geb. 1928

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2.7. AUFBAU DES ZAHLENSYSTEMS I 61

und damit, weil ∗ kommutativ ist,

(m ∗ n, s ∗ t) ≡ (m′ ∗ n′, s′ ∗ t′),

wie gewunscht.

Diese Verknupfung ist assoziativ (klar) und es gibt ein neutrales Element, namlich(eM , eM) . Außerdem ist zu m− s die Klasse s−m invers, denn

(m− s) + (s−m) = (m ∗ s)− (s ∗m) = eM − eM .

Nun betrachten wir den Monoid-Homomorphismus

Φ :M → G, m 7→ m− eM .

Dieser ist injektiv und verwirklicht daher unseren Wunsch, M als Untermonoideiner Gruppe zu erhalten.

Wenn ϕ :M → H ein Monoidhomomorphismus von M in eine beliebige Gruppeist, so wird durch

(m− s) 7→ ϕ(m)ϕ(s)−1

eine Abbildung auf G definiert, die wegen der Kurzungsregel wohldefiniert istund sich leicht als Gruppenhomomorphismus entpuppt. Da G von M erzeugtwird, ist diese Fortsetzung eindeutig. ©

Folgerung 2.7.4 Ganze Zahlen

Es gibt einen kleinsten Ring Z, der die naturlichen Zahlen enthalt.

Beweis. Da (N0,+) ein kommutatives Monoid mit Kurzungsregel ist, existierteine (additiv geschriebene) Gruppe mit den eben bewiesenen Eigenschaften. Wirnennen sie hier Z. Sie ist bis auf Isomorphismus eindeutig bestimmt und all ihreElemente sind von der Gestalt m− n, m, n ∈ N0.

Auf Z definieren wir eine Multiplikation durch

(m− n)(k − l) := mk + nl −ml − nk.

Man uberpruft leicht, dass dies wohldefiniert ist und alle Eigenschaften der Mul-tiplikation von N erbt: Assoziativitat, Kommutativitat, Distributivgesetz, Null-teilerfreiheit. ©Allerdings lernen wir erst im nachsten Kapitel, was ein Ring ist, von daher ver-tiefen wir das jetzt nicht naher.

Wir halten noch folgendes fest:

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62 KAPITEL 2. GRUPPEN

Bemerkung 2.7.5 Mangelnde Kurzungseigenschaft

Wenn (M,+) eine kommutative Halbgruppe ist, dann gibt es eine Gruppe Gund einen Magmenhomomorphismus Φ : M → G, sodass fur jeden Magmenho-momorphismus Ψ von M in eine beliebige Gruppe H genau ein Gruppenhomo-morphismus Ψ : G→ H existiert mit

Ψ = Ψ ◦ Φ.

Denn:

Im Gegensatz zu 2.7.3 fehlt uns hier die Kurzungsregel. Also konnen wir uns nichtsicher sein, dass wir wie eben eine Aquivalenzrelation auf M ×M bekommen.

Wir entscharfen die Bedingung unserer Relation zu

(m, s) ≡ (n, t) ⇐⇒ ∃r ∈ M : r +m+ t = r + n+ s.

Das ist tatsachlich wieder eine Aquivalenzrelation, und der Rest geht durch wiegehabt, wenn wir die Inklusion von vorhin durch die Abbildung

Φ(m) := [(m+m,m)]

ersetzen. Insbesondere tragt dies der Tatsache Rechnung, dass wir kein neutralesElement vorausgesetzt haben.

Allerdings kann es uns jetzt passieren, dass G trivial ist, obwohl das fur M nichtgilt.

Beispiel: M = (Z, ·).

Bemerkung 2.7.6 Die freie Gruppe wird aktiv

Nun sei (M, ∗) irgendein Monoid. Dann gibt es eine Gruppe G und einen Mo-noidhomomorphismus Φ :M → G, sodass fur jede Gruppe H und jeden Monoid-homomorphismus Ψ :M → H genau ein Gruppenhomomorphismus Ψ : G→ Hexistiert mit

Ψ = Ψ ◦ Φ.Fur abelsche Monoide haben wir das gerade durch eine konkrete Konstruktiongesehen.

In der jetzigen allgemeineren Situation kann man die Existenz von G so gewin-nen: Wir haben die freie Gruppe (F, ·) uber der Menge M, und fassen M alsTeilmenge davon auf. Das ist kein Untermonoid, denn die freie Gruppe sieht Mnur als Menge, nicht als Magma.

In N gibt es den kleinsten Normalteiler N , der alle Elemente

(m1 ∗m2) ·m−12 ·m−1

1 , m1, m2 ∈M,

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2.7. AUFBAU DES ZAHLENSYSTEMS I 63

enthalt. Die Faktorgruppe G = F/N leistet dann mit der Abbildung

Φ :M → G, m 7→ mN

das Gewunschte. Insbesondere ist Φ ein Monoidhomomorphismus.

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64 KAPITEL 2. GRUPPEN

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Kapitel 3

Ringe und Moduln

In diesem Kapitel soll nur sehr kurz erlautert werden, was ein Ring ist. WichtigeEinsichten struktureller Art heben wir fur spater auf.

3.1 Ringe

Definition 3.1.1 Ringe

Ein Ring ist eine Menge R mit zwei Verknupfungen + und ·, sodass (R,+) eineabelsche Gruppe ist (das Neutralelement heiße 0), und weiterhin ·assoziativ ist,ein neutrales Element besitzt (das 1 heiße) und die Distributivgesetze erfullt sind:

∀a, b, c, d ∈ R : (a+ b) · c = ac+ bc und a · (c+ d) = ac+ ad.

Hierbei benutzen wir die Konvention”Punkt vor Strich“.

Ein Ring heißt kommutativ, wenn seine Multiplikation kommutativ ist.

Es gibt auch Quellen, in denen Ringe ohne 1 studiert werden. Wir werden unsden Luxus eines Einselements immer zubilligen, auch wenn die andere Sichtweisedurchaus gerechtfertigt ist.

Beispiel 3.1.2 ein paar Ringe

a) Die ganzen Zahlen Z sind (mit der ublichen Addition und Multiplikation)ein Ring. Genauso auch Q und R.

b) Fur eine abelsche Gruppe (A,+) ist End(A) ein Ring, wenn wir Additionund Multiplikation wie folgt festlegen:

∀ϕ, ψ ∈ End(A) : (ϕ+ ψ)(a) := ϕ(a) + ψ(a), (ϕ · ψ)(a) := ϕ(ψ(a)).

65

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66 KAPITEL 3. RINGE UND MODULN

Damit die Addition uberhaupt wieder einen Endomorphismus ausspuckt,muss man die Kommutativitat von A voraussetzen.

Zum Beispiel ist Z = EndGruppen(Z), denn ein Endomorphismus ist ein-deutig durch das Bild der 1 bestimmt, und das kann beliebig vorgegebenwerden.

c) Die Menge der Endomorphismen von Z/nZ hatten wir nach dem Homo-morphiesatz auch mit Z/nZ identifiziert, indem wir Φ auf Φ(1) abgebildethaben. Die Multiplikation, die durch die Komposition auf der Menge derEndomorphismen gegeben ist, wird dabei zu der Vorschrift, die zwei Rest-klassen a + nZ und b+ nZ die Klasse von ab zuordnet. Wir mussen hiernicht mehr nachrechnen, dass das wohldefiniert ist!

d) Der Endomorphismenring eines Vektorraums ist auch immer ein Ring, undmeistens kein kommutativer. Sonst ware ja die Quantenmechanik falsch. . .

Definition 3.1.3 Ringhomomorphismus

Es seien R, S zwei Ringe. Ein Homomorphismus zwischen R und S ist eineAbbildung Φ : R → S, die sowohl fur die Addition als auch fur die Multiplikationein Magmenhomomorphismus ist und außerdem noch

Φ(1R) = 1S

erfullt.

Als Kern eines Homomorphismus zwischen Ringen bezeichnen wir das Urbildder 0 . Er ist eine Untergruppe von R , die unter Multiplikation mit beliebigenElementen aus R abgeschlossen ist.

Beispiel 3.1.4 Cayley die dritte

a) Zum Beispiel die Abbildung {0} → Z,Φ(0) = 0, ist zwar magmatisch, abersie bildet das Einselement von {0} nicht auf das von Z ab, ist also keinRinghomomorphismus.

b) Hingegen ist fur n ∈ N die kanonische Projektion (siehe 2.4.1)

πn : Z → Z/nZ = End(Z/nZ)

ein Ringhomomorphismus.

c) Weiter erhalten wir fur jeden Ring R einen Ringhomomorphismus

λ : R → EndGruppen((R,+)), r 7→ λr = [x 7→ rx].

Er ist injektiv, weil R ein Einselement hat, und man aus der Abbildung λrdie Zahl r = λr(1) zuruckerhalt.

Man vergleiche dies wieder mit 2.5.3, wo ahnliches fur Gruppen passierte.

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3.1. RINGE 67

Definition 3.1.5 Einheitengruppe

Die Einheiten eines Ringes R sind die Elemente r ∈ R, fur die ein r ∈ R existiertmit

rr = rr = 1R.

Zum Beispiel ist 1R selbst eine Einheit. Das Element r ist aufgrund dieser Be-ziehung eindeutig durch r festgelegt und wir schreiben in Zukunft r−1 dafur.

Die Einheiten in R bilden bezuglich der Multiplikation eine Gruppe, die wir mitR× notieren.

Als Beispiel betrachten wir den Ring Z/NZ fur N ∈ N . Hier ist die Klassea+NZ genau dann eine Einheit, wenn ein b ∈ Z existiert mit ab+NZ = 1+NZ.Also:

a +NZ ∈ (Z/NZ)× ⇐⇒ ∃b, l ∈ Z : ab+Nl = 1.

Wenn d ∈ N ein gemeinsamer Teiler von a und N ist, muss er dann auch 1teilen, also gilt (mit ggT fur den großten gemeinsamen Teiler):

a +NZ ∈ (Z/NZ)× ⇒ ggT(a,N) = 1.

Wenn umgekehrt der ggT von a und N 1 ist, dann betrachten wir die Gruppe

{ab+Nl | b, l ∈ Z} ≤ Z.

Wegen 2.2.5 ist diese Gruppe von der Gestalt gZ fur ein g ∈ N, und dieses gmuss ein gemeinsamer Teiler von a und N sein, also 1. Andererseits ist daher 1von der Gestalt ab+Nl, also a+NZ eine Einheit in Z/NZ.

Wir halten fest:

a +NZ ∈ (Z/NZ)× ⇐⇒ ggT(a,N) = 1.

Bemerkung 3.1.6 Homomorphismus und Einheiten

Es sei Φ : R → S ein Ringhomomorphismus.

Dann gilt Φ(R×) ⊆ S×, denn aus rr = rr = 1R wird die Gleichung

Φ(r)Φ(r) = Φ(r)Φ(r) = Φ(1R) = 1S.

An der letzten Stelle wird die Zusatzbedingung an Ringhomomorphismen wirk-sam.

Insbesondere vermittelt Φ also einen Gruppenhomomorphismus von R× nachS×.

Genauso wie Untergruppen gibt es auch Teilringe, und es ist eigentlich relativnaheliegend, wie dieser Begriff zu definieren ist.

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68 KAPITEL 3. RINGE UND MODULN

Definition 3.1.7 Teilringe

Es sei R ein Ring.

Ein Teilring von R ist eine Teilmenge T ⊆ R , die bezuglich der Addition eineUntergruppe und bezuglich der Multiplikation ein Untermonoid von R ist. DieEins von R soll also auch darin liegen.

Definition 3.1.8 Nullteiler, Korper

Es sei R ein Ring.

a) Ein Element a ∈ R heißt ein Nullteiler, wenn es ein b ∈ R, b 6= 0, gibt, furdas ab = 0 oder ba = 0 gilt.

R heißt nullteilerfrei, wenn 0 der einzige Nullteiler in R ist. Das erzwingt unteranderem R 6= {0}, denn im Nullring ist 0 kein Nullteiler. Außerdem kann manbei Nullteilerfreiheit aus einer Gleichung wie xy = xz immer folgern, dass x = 0oder y = z gilt, man erhalt also eine Kurzungsregel.

b) R heißt ein Integritatsbereich, wenn R kommutativ und nullteilerfrei ist. DaR also wie gesagt nicht nur aus der Null besteht, gilt insbesondere 0R 6= 1R .

c) R heißt ein Korper, wenn R kommutativ ist, 0 6= 1 gilt und jedes von Nullverschiedene Element eine Einheit ist: R× = Rr {0}.Ein Korper ist insbesondere ein Integritatsbereich, und das gilt dann auch furjeden Teilring.

Das Beispiel in der Definition 3.1.5 zeigt, dass Z/NZ genau dann ein Korper ist,wenn es sich bei N um eine Primzahl handelt. Denn genau dann sind alle Zahlen1, 2, . . . , N − 1 zu N teilerfremd.

Fur eine Primzahl p bezeichnen wir mit Fp den Korper Z/pZ.

Bemerkung 3.1.9 Ein halber Euklid

Es sei p eine ungerade Primzahl, sodass sich eine ganze Zahl a findet, fur diea2 + 1 von p geteilt wird.

Dann ist die (multiplikative) Ordnung von a+ pZ ∈ F×p gleich 4.

Nach dem Satz von Lagrange ist daher 4 ein Teiler von |(Z/pZ)×| = p− 1, alsolasst p bei Division durch 4 Rest 1.

Das konnen wir nutzen, um einzusehen, dass es unendlich viele Primzahlen gibt,die bei Division durch 4 Rest 1 lassen.

Denn fur N ≥ 2 ist jeder Primteiler p von (N !)2 + 1 ungerade, > N und lasstnach der vorangehenden Diskussion Rest 1 bei Division durch 4.

Genauso gibt es unendlich viele Primzahlen, die bei Division durch 4 Rest 3lassen, denn N !− 1 tut dies fur N ≥ 4 , und damit konnen nicht alle PrimteilerRest 1 lassen.

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3.1. RINGE 69

Beispiel 3.1.10 Es gibt Ringe mit Nullteilern

Der Ring der stetigen, reellwertigen Funktionen auf dem Intervall [0, 1] ist nichtnullteilerfrei, denn es gibt darin Funktionen f, g , die nicht 0 sind, und von denendie eine auf [0, 1

2] verschwindet, die andere auf [1

2, 1] . Ihr Produkt ist also 0.

Q und R hingegen sind nullteilerfrei, sogar Korper.

Hilfssatz 3.1.11 Charakteristik

Es sei R ein Ring. Dann gibt es genau einen Ringhomomorphismus von Z nachR .

Es sei n ∈ N0 der nichtnegative Erzeuger des Kerns diese Homomorphismus.Dann heißt n die Charakteristik von R , in Zeichen char(R) .

Die Charakteristik eines nullteilerfreien Rings R ist entweder 0 oder eine Prim-zahl.

Beweis. Der Homomorphismus muss 1 auf 1R abbilden und ist dadurch eindeutigfestgelegt, denn 1 erzeugt die additive Gruppe von Z. Man rechnet leicht nach,dass der entsprechende Gruppenhomomorphismus

Φ : Z → R, k 7→ k · 1R

tatsachlich ein Ringhomomorphismus ist. Zum Beispiel gilt fur k, l ≥ 0 :

Φ(k) =∑k

i=1 1R,

Φ(l) =∑l

j=1 1R,

Φ(kl) =∑kl

h=1 1R · 1R(∗)= (∑k

i=1 1R) · (∑l

j=1 1R) = Φ(k)Φ(l).

Bei (∗) nutzen wir das Distributivgesetz aus.

Nun sei R ein Ring mit Charakteristik n > 1. Wenn n eine Zerlegung n = abin zwei naturliche Zahlen 1 < a, b < n hat, dann gilt Φ(a),Φ(b) 6= 0.

Andererseits gilt

Φ(a) · Φ(b) = Φ(n) = 0,

und daher ist R unter der gemachten Voraussetzung nicht nullteilerfrei.

Der Vollstandigkeit halber sei noch angemerkt, dass der einzige Ring mit Cha-rakteristik 1 der Ring ist, bei dem 1 = 0 gilt, was erzwingt, dass 0 das einzigeElement ist. ©

Definition 3.1.12 Ideale

Es sei R ein Ring.

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70 KAPITEL 3. RINGE UND MODULN

a) Ein Ideal in R ist eine Teilmenge I ⊆ R , die bezuglich der Addition eineUntergruppe ist und die folgende Eigenschaft hat:

∀x ∈ I, r ∈ R : xr ∈ I und rx ∈ I.

Wie vorhin gesehen sind Kerne von Ringhomomorphismen immer Ideale.

Dass die Umkehrung auch gilt liegt an der folgenden Konstruktion.

b) Es sei I ⊆ R ein Ideal. Da die Addition kommutativ ist, ist I ein Normalteilervon (R,+) und damit R/I eine kommutative Gruppe bezuglich der Addition

(r + I) + (r + I) = (r + r) + I.

Wie man leicht nachrechnet, definiert auch die Vorschrift

(r + I) · (r + I) := (r · r) + I

eine assoziative Verknupfung mit neutralem Element 1 + I. Fur diese beidenVerknupfungen auf R/I gelten dann auch die Distributivgesetze, also wird R/Iauf diese Weise zu einem Ring: Der Faktorring von R modulo I .

Das verallgemeinert die Ringeigenschaft von Z/nZ aus 3.1.2.

Die kanonische Projektion π : R → R/I ist sogar ein surjektiver Ringhomomor-phismus.

Bemerkung 3.1.13 Homomorphiesatz

Fur Ringhomomorphismen gilt nun ahnlich wie in der Situation von Gruppen einHomomorphiesatz. Wir halten insbesondere die folgende Aussage fest:

Wenn Φ : R → S ein Ringhomomorphismus ist und I ⊆ Kern(Φ) ein Ideal inR , dann faktorisiert Φ uber die kanonische Projektion von R nach R/I , dasheißt: Es gibt einen Ringhomomorphismus Φ : R/I → S, sodass Φ = Φ ◦ π.Φ ist hierdurch eindeutig festgelegt, es gilt namlich wegen der definierendenGleichheit: ∀r ∈ R : Φ(r + I) = Φ(r).

Wir halten an dieser Stelle ein interessantes Ergebnis fest.

Satz 3.1.14 Chinesischer Restsatz

Es seien M,N ∈ N naturliche Zahlen, die außer 1 keinen gemeinsamen Teilerhaben. Dann gibt es einen Isomorphismus von Ringen

Z/(MNZ) → Z/MZ× Z/NZZ.

Hierbei wird rechter Hand komponentenweise addiert und multipliziert.

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3.1. RINGE 71

Beweis. Wir verwenden den einzig moglichen Ringhomomorphismus

Ψ : Z → Z/MZ× Z/NZ, k 7→ (k +MZ, k +NZ).

Der Kern besteht aus allen Zahlen, die sowohl durch M als auch durch N teil-bar sind, also – wegen der Teilerfremdheit – aus allen Vielfachen von MN . Erhat Index MN in Z, und damit ist Ψ surjektiv. Nach dem Homomorphiesatzfaktorisiert Ψ uber einen injektiven Ringhomomorphismus von Z/(MNZ) nachZ/MZ× Z/NZ, und dieser ist damit ein Isomorphismus von Ringen. ©In der Situation des Satzes gibt es also fur gegebene Zahlen a, b ∈ Z immer einx ∈ Z, sodass M ein Teiler von x− a und N ein Teiler von x− b ist. Auch dieswird oft der chinesische Restsatz genannt.

Bemerkung 3.1.15 Die Eulersche ϕ -Funktion

Es sei N ∈ N gegeben.

Aus 3.1.5 wissen wir, dass a + ZN genau dann in R = Z/NZ invertierbar ist,wenn a und N teilerfremd sind.

Wir setzen

ϕ(N) = |(Z/NZ)×| = |{a ∈ N | a ≤ N, ggT(a,N) = 1}|.

Das ist die Eulersche ϕ -Funktion.

Nach dem Chinesischen Restsatz gilt fur teilerfremde M,N :

ϕ(MN) = ϕ(M) · ϕ(N).

Das impliziert fur N =∏

p∈P pvp(N) :

ϕ(N) =∏

p∈Pϕ(pvp(N)) =

p∈P, p|N(p− 1)pvp(N)−1 = N ·

p∈P, p|N

p− 1

p.

Zum chinesischen Restsatz haben wir noch ein algebraisches Pendant:

Bemerkung 3.1.16 Algebraische Version des Chinesischen Restsatzes

Es seien R ein kommutativer Ring und I, J zwei Ideale in R , sodass I+J = Rgilt. Dann gibt es einen Isomorphismus

Φ : R/(I ∩ J) → R/I × R/J,

wobei rechter Hand ein Ring steht, indem wir komponentenweise addieren undmultiplizieren.

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72 KAPITEL 3. RINGE UND MODULN

Beweis. Der Ansatz geht uber die naheliegende Abbildung

Ψ : R→ R/I ×R/J, r 7→ (r + I, r + J).

Diese Abbildung ist surjektiv, denn es gibt i0 ∈ I, j0 ∈ J mit 1 = i0 + j0, unddamit gilt fur alle a, b ∈ R :

a+ I = (i0 + j0)a+ I = j0a+ I = (j0a+ i0b) + I, b+ J = . . . = (j0a+ i0b) + J,

also (a+ I, b+ J) = Ψ(j0a + i0b).

Der Kern ist gerade I ∩ J , und dann liefert der Homomorphiesatz was wir brau-chen. ©Dieser Beweis, dessen Argumentation fur die Surjektivitat anders lauft als vorher,liefert tatsachlich ein Verfahren, ein Urbild fur ein gegebenes Paar von Restklassenzu bestimmen, falls man iegrndwie an i0 und j0 kommt. In der Situation von3.1.14 macht dies der Euklidische Algorithmus fur uns.

Testen Sie das aus!

3.2 Moduln

Definition 3.2.1 R -Modul

Es sei R ein Ring. Ein R -Modul (oder auch Modul uber R ) ist eine abelscheGruppe M (mit zumeist additiv geschriebener Verknupfung) zusammen mit einerAbbildung

· : R×M →M,

fur die die folgenden Bedingungen erfullt sind:

∀r, s ∈ R, ∀m ∈M : (r + s) ·m = r ·m+ s ·m∀r ∈ R, ∀m,n ∈M : r · (m+ n) = r ·m+ r · n∀r, s ∈ R, ∀m ∈M : (rs) ·m = r · (s ·m)

∀m ∈M : 1 ·m = m.

Das sind dieselben Bedingungen, wie man sie von Vektorraumen her kennt, aberjetzt ist der Skalarbereich ein Ring. Wieder gilt 0R ·m = 0M fur alle m ∈ M,aber im allgemeinen kann man aus m 6= 0M , r ·m = 0M nicht mehr folgern, dassr = 0R gilt.

Etwas praziser sollten wir unsere Moduln lieber Linksmoduln nennen, fur einenRechtsmodul wurde man (rs)m = s(rm) fordern (und am besten die Skalarerechts hinschreiben. . . ).

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3.2. MODULN 73

Beispiel 3.2.2 Schon gesehen

a) Es seien R ein Ring und I ⊆ R ein Ideal. Dann wird I mit der auf R × Ieingeschrankten Multiplikation ein R -Modul.

b) Die Menge Abb(M,R) aller Abbildungen von einer Menge M nach R sindein R -Modul mit der naheliegenden Addition und Multiplikation

(f + g)(m) := f(m) + g(m), (r · f)(m) := r · (f(m)).

Ein Untermodul darin ist zum Beispiel die Menge Abb(M,R)0 aller Abbildun-gen mit endlichem Trager, die also nur an endlich vielen Stellen einen von 0verschiedenen Wert annehmen.

c) Ist R ⊆ S ein Teilring von S , so wird S selbst auch zu einem R -Modul. ZumBeispiel ist Q ein Z -Modul. . .

Bemerkung 3.2.3 alternative Beschreibung

So wie eine Gruppenoperation von G auf M eigentlich nichts anderes ist als einHomomorphismus von G nach SymM , kann man auch Moduln anders beschrei-ben.

In der Tat: Wenn M ein Modul uber einem Ring R ist, dann wird durch

ρ : R → EndGruppen(M), ρ(r)(m) := r ·m,ein Ringhomomorphismus von R in den Endomorphismenring der abelschenGruppe M gegeben.

Ist umgekehrt ρ : R → End(M) ein solcher Ringhomomorphismus, so wird durch

µ : R×M → M, (r,m) 7→ ρ(r)(m) =: r ·m,eine Modulstruktur auf M festgelegt.

Insbesondere sehen wir aus 3.1.11, dass jede abelsche Gruppe auf genau eine Artzu einem Z -Modul gemacht werden kann.

Bemerkung 3.2.4 Untermoduln, Modulerzeugnis

a) Es seien M ein R -Modul und U ⊆ M eine Teilmenge. Dann heißt U einUntermodul von M , wenn U eine additive Untergruppe ist und unter der auf Mgegebenen skalaren Multiplikation mit Elementen aus R invariant ist:

U ≤M und ∀r ∈ R, u ∈ U : ru ∈ U.

b) Fur T ⊆ M ist der Durchschnitt aller Untermoduln, die T enthalten, einUntermodul. Er heißt der von T erzeugte Untermodul. Man schreibt dafur

〈T 〉R−Moduln = {d∑

i=1

riti | d ∈ N0, ri ∈ R, ti ∈ T}.

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74 KAPITEL 3. RINGE UND MODULN

c) Ist R kommutativ, so sind die Untermoduln von R genau die Ideale in R.

Bemerkung 3.2.5 Faktormoduln

Es ist naheliegend, wie der Begriff eines R -Modulhomomorphismus definiert wer-den muss: Sind M,N zwei R -Moduln, so ist das eine Abbildung Φ : M → N,sodass fur alle m,m′ ∈ M und fur alle r ∈ R gilt:

Φ(m+m′) = Φ(m) + Φ(m′) und Φ(rm) = rΦ(m).

Wie in der Linearen Algebra fur Vektorraume kann man auch hier Faktormodulnnach Untermoduln einfuhren. Es gilt derselbe Homomorphiesatz wie in der Li-nearen Algebra und wie wir ihn prinzipiell auch schon fur Gruppen und Ringegesehen haben.

Das meiste aus der Linearen Algebra sollte man allerdings nicht unbesehen indie Welt der Moduln ubernehmen. Insbesondere gibt es fur die meisten Modulnkeine Basis – wie wir noch systematischer untersuchen werden.

3.3 Monoidringe, Algebren

Hier wollen wir ein weitverbreitetes Verfahren studieren, wie man mit gewissenDaten neue Ringe konstruieren kann. Wir verallgemeinern dabei (und wiederholenauch) die Konstruktion des Polynomrings.

Konstruktion 3.3.1 Monoidring

Es sei R ein kommutativer Ring und (M, ⋄) ein Monoid. Weiter sei A :=Abb(M,R)0 die Menge aller Abbildungen von M nach R, die nur bei endlichvielen Stellen einen Wert 6= 0 annehmen. Wie vorhin gesehen (3.2.2 b)), ist dieseMenge ein R -Modul.

Wir definieren auf A eine Multiplikation, indem wir fur zwei Abbildungen f, g ∈A ein Produkt f ∗ g definieren durch Angabe der Funktionswerte:

∀x ∈M : (f ∗ g)(x) :=∑

y,z∈M :y⋄z=x

f(y) · g(z).

Es ist klar, dass diese Summe in Wirklichkeit endlich ist und auch nur fur endlichviele x einen von Null verschiedenen Wert ergeben kann.

Man rechnet leicht nach, dass A mit argumentweiser Addition und dem hiereingefuhrten Produkt (auch Faltung genannt) ein Ring wird. Er heißt der Mo-noidring zu M uber R und wird mit R[M ] notiert. Sein Einselement ist dieAbbildung, die beim neutralen Element von M den Wert 1 annimmt und sonstverschwindet.

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3.3. MONOIDRINGE, ALGEBREN 75

Fur m ∈ M sei δm ∈ A die Abbildung, die bei m den Wert 1 und sonst denWert 0 hat.

Jedes f ∈ A lasst sich schreiben als

f =∑

m∈Mf(m)δm,

und diese Schreibweise ist die einzige Moglichkeit, f als R -Linearkombinationder Funktionen δm zu schreiben.

Das Produkt von f und g ist dann

(∑

m∈Mf(m)δm) ∗ (

n∈Mg(n)δn) =

m,n∈Mf(m) · g(n)δm⋄n.

Speziell finden wir

δm ∗ δn = δm⋄n.

Insbesondere konnen wir die Monoidverknupfung auf M aus dem Monoidringrekonstruieren.

Beispiel 3.3.2 Polynomring, Gruppenring

Es sei R ein kommutativer Ring.

a) Der Polynomring in einer Variablen uber R ist gerade der Monoidring zumMonoid (N0,+). Anstelle von δn schreibt man hier allerdings Xn und nennt Xdie Variable. Und die Multiplikation schreibt man mit einem Punkt anstelle einesSternchens.

Wir schreiben also in Zukunft:

R[X ] = {d∑

i=0

aiXi | d ∈ N0, ai ∈ R}.

Der Grad eines Polynoms f =∑aiX

i 6= 0 ist definiert als deg(f) = max{i ∈N0 | ai 6= 0}. Der Grad des Nullpolynoms wird auf −∞ normiert.

Der Koeffizient adeg(f) heißt der Leitkoeffizient von f.

b) Allgemeiner ist der Polynomring in endlich vielen Variablen X1, . . . , Xk auchder Monoidring uber dem Monoid (Nk

0,+).

c) Ist (M, ⋄) eine Gruppe, so spricht man auch vom Gruppenring anstelle desMonoidrings. Dann ist M vermoge m 7→ δm isomorph zu einer Untergruppe vonR[M ]×.

Faul veranlagte Leute schreiben statt∑

m∈M rmδm auch einfach∑

m∈M rmm.

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76 KAPITEL 3. RINGE UND MODULN

Hilfssatz 3.3.3 Regeln fur das Rechnen mit dem Grad

Es seien f, g ∈ R[X ] Polynome. Dann gelten die folgenden Regeln fur die Grade:

• deg(f + g) ≤ max(deg(f), deg(g)).

• deg(f · g) ≤ deg(f) + deg(g).

• deg(f · g) = deg(f) + deg(g) , falls R nullteilerfrei ist.

Beweis. Es sei m := max(deg(f), deg(g)). Dann lassen sich f und g schreibenals

f =

m∑

i=0

riXi, g =

m∑

i=0

siXi,

und damit ist

f + g =

m∑

i=0

(ri + si)Xi,

und man braucht keinen Summationsindex großer als m . Das zeigt die ersteUngleichung.

Nun seien d = deg(f), e = deg(g) . Weiter schreiben wir

f =

d∑

i=0

riXi, g =

e∑

i=0

siXi,

wobei rd und se beide nicht Null sind. Dann ist

f · g =d+e∑

k=0

(k∑

i=0

risk−i

)Xk,

und das zeigt, dass deg(f · g) ≤ d+ e.

Der Koeffizient, der in fg vor Xd+e steht, ist rdse. Im Falle der Nullteilerfreiheitvon R ist dieses Produkt nicht 0. ©

Hilfssatz 3.3.4 Polynomdivision

Es sei K ein Korper. Dann gelten:

a) Der Polynomring K[X ] ist nullteilerfrei.

b) Sind f, g ∈ K[X ] zwei Polynome und g 6= 0, so gibt es Polynome h, r ∈K[X ], sodass f = gh+ r gilt und deg(r) < deg(g).

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3.3. MONOIDRINGE, ALGEBREN 77

Beweis.

a) Die Nullteilerfreiheit von K[X ] folgt aus der Additivitat des Grads bei derMultiplikation zweier Polynome.

b) Wenn der Grad von f kleiner ist als der von g , so setzen wir h = 0 undr = f.

Ansonsten argumentieren wir per Induktion uber den Grad von f. Ist diesernamlich mindestens so groß wie der von g, so bilden wir fur geeignete Konstantenc ∈ K× und d ∈ N0 das Polynom

f = f − cXdg,

sodass dessen Grad kleiner ist als der von f. Induktiv gibt es h und r, sodassf − hg = r, aber dann ist auch

f − (h+ cXd)g = r =: r.

Das beendet den Beweis. ©

Bemerkung 3.3.5 Division mit Rest

In der Situation von gerade eben sagt man auch, dass f bei Division durch gden Rest r lasst. Bitte bemerken Sie die Analogie zur Division mit Rest im Fallvon ganzen Zahlen.

Definition 3.3.6 Algebren

Es sei R ein Ring. Eine R -Algebra ist ein Ring A zusammen mit einem Ring-homomorphismus σ : R→ A, sodass fur alle r ∈ R, a ∈ A die Gleichheit

σ(r) · a = a · σ(r)

gilt. Man sagt dann auch, dass σ(r) mit a kommutiert.

Die Abbildung σ wird der Strukturmorphismus von A genannt.

Die Vorschrift (r, a) 7→ σ(r) · a macht dann aus A einen R -Modul, und dieMultiplikation in A ist R -bilinear.

Insbesondere gilt auch fur alle r, s ∈ R :

σ(r)σ(s) = σ(s)σ(r).

Das heißt, dass die so genannten Kommutatoren rs− sr, r, s ∈ R, von σ annul-liert werden. Das von ihnen erzeugte Ideal ist also im Kern von σ.

Demnach ist es fur viele Zwecke angebracht, Algebren nur uber kommutativenRingen zu betrachten.

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78 KAPITEL 3. RINGE UND MODULN

Beispiel 3.3.7 Zentrum. . .

a) Es sei A ein beliebiger Ring. Mit

Z(A) := {r ∈ A | ∀a ∈ A : ra = ar}

bezeichnet man das Zentrum von A. Z(A) ist ein Teilring von A, und es istder großte Teilring R , fur den A durch die Inklusion von R nach A zu einerR -Algebra gemacht wird.

b) Fur jeden kommutativen Ring R und jedes Monoid M ist R[M ] eine R -Algebra vermoge

σ : R→ R[M ], r 7→ rδe,

wobei e ∈M das neutrale Element ist.

c) Fur jeden kommutativen Ring R und jede naturliche Zahl n erhalt die MengeRn×n der n×n -Matrizen eine Struktur als R -Algebra, indem man Addition undMultiplikation so einfuhrt wie in der Linearen Algebra.

Definition 3.3.8 R -Algebren-Homomorphismen

Es sei R ein (gerne kommutativer) Ring.

Ein Homomorphismus zwischen zwei R -Algebren A und B (mit Strukturmor-phismen σ, τ ) ist ein Ringhomomorphismus Φ : A → B , der die Strukturmor-phismen respektiert, d.h.

Φ ◦ σ = τ.

Er ist also gleichzeitig ein Ringhomomorphismus und ein R -Modulhomomorphis-mus.

Wir schreiben fur die Menge aller dieser Homomorphismen

HomR−Alg(A,B).

Analog gibt es die Gruppe aller R -Algebren-Automorphismen

AutR−Alg(A) =: Aut(A|R),

die Automorphismen von A uber R .

Vorsicht: Haufig wird hierfur auch Aut(A/R) geschrieben. Das verkneife ich mir,da der schrage Strich zu gerne mit der Bildung des Faktormoduls verwechseltwird.

Beispiel 3.3.9 Zweierlei Realitaten

a) Es gibt genau zwei R -Algebrenautomorphismen von C, namlich die Identitatund die komplexe Konjugation.

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3.3. MONOIDRINGE, ALGEBREN 79

b) Der einzige Endomorphismus von R als Q -Algebra ist die Identitat.

Denn: Sei σ so ein Endomorphismus. Er ist die Identitat auf Q, da er die 1festlasst und Q -linear ist. Weiterhin bildet er positive Elemente auf positiveElemente ab, denn das sind genau die Elemente, aus denen in R eine Quadrat-wurzel gezogen werden kann, und das muss der Endomorphismus respektieren.Das impliziert, dass der Endomorphismus (der ja insbesondere additiv ist) dieAnordnung auf R erhalt:

∀x, y ∈ R : x < y ⇒ σ(x) < σ(y).

Nun seien α ∈ R eine Zahl und

r1 < r2 < r3 < · · · < α < · · · < s3 < s2 < s1

zwei rationale Folgen (ri), (si), die von unten beziehungsweise oben gegen αkonvergieren.

Dann folgt∀i : ri = σ(ri) < σ(α) < σ(si) = si,

und da α eindeutig durch diese Folgen charakterisiert ist (archimedisches Axi-om!), folgt α = σ(α).

c) Trotzdem gibt es uberabzahlbar viele Automorphismen von C, aber bis aufbesagte zwei aus Punkt a) machen die mit R nichts, was man sich vorstellenkann oder auch nur will.

Beispiel 3.3.10 Ein wichtiger Algebrenhomomorphismus

Es sei R ein kommutativer Ring und A eine R -Algebra. Fur ein Polynom f =∑riX

i ∈ R[X ] und festes a ∈ A definieren wir

f(a) :=∑

σ(ri)ai.

Dabei ist – wie schon in 2.1.4 – a0 = 1 und rekursiv ai+1 = a · ai.Dann ist die Abbildung

Ea : R[X ] −→ A, f 7→ Ea(f) := f(a),

die Einsetzabbildung bei a . (Man nennt diese auch die Auswertungsabbildung.)Ea ist ein R -Algebrenhomomorphismus. Es gilt Ea(1) = 1 , da a0 = 1 gesetztwurde. Weiter gilt fur Polynome f =

∑mi=0 riX

i, g =∑m

i=0 siXi :

Ea(f + g) =∑m

i=0(ri + si)ai =

∑mi=0 ria

i +∑m

i=0 siai

= Ea(f) + Ea(g).

Ea(f · g) =∑2m

k=0

∑ki=0(ri · sk−i)a

k =∑m

i=0 riai ·∑m

i=0 siai

= Ea(f) · Ea(g).

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80 KAPITEL 3. RINGE UND MODULN

Dabei haben wir in der Notation (wie allseits ublich) den Strukturmorphismus σunterdruckt und benutzen, dass die Elemente aus R mit allen Elementen aus Akommutieren: man braucht aisk−i = sk−ia

i beim Umsortieren.

Das Bild von Ea wird meistens mit R[a] bezeichnet. Es ist

R[a] = {d∑

i=0

riai | d ∈ N, r0, . . . , rd ∈ R}.

Dies ist ein kommutativer Teilring von A , und zwar die kleinste Unteralgebra(klar, wie das zu definieren ist, oder?), die a enthalt.

Analog schreibt man R[a1, . . . , an] fur die kleinste Unteralgebra von A, diea1, . . . , an enthalt. Vorsicht: Dies ist meistens (mangels Kommutativitat) keinBild eines Polynomrings (in mehreren Variablen) mehr.

Beispiel 3.3.11 Nullstellen eines Polynoms

Es seien K ein Korper und f ∈ K[X ] en Polynom vom Grad d > 0.

Ein Element a ∈ K heißt eine Nullstelle von f , wenn f(a) = 0.

3.3.4 liefert uns ein Polynom h ∈ K[X ], sodass der Grad von f − (X − a)hkleiner ist als der von X−a, also kleiner als 1. Damit ist f −h(X−a) konstant,und weil a eine Nullstelle von f und von X − a ist, ist diese Konstante 0. Alsogilt f = (X − a)h.

Rekursiv sieht man daran, dass f hochstens d Nullstellen in K haben kann.

Hilfssatz 3.3.12 Eine universelle Abbildungseigenschaft

Es seien R ein kommutativer Ring, (M, ⋄) ein Monoid, A eine R -Algebra undϕ : (M, ⋄) → (A, ·) ein Monoidmorphismus.

Dann gibt es genau einen R -Algebren-Homomorphismus Φ : R[M ] → A, der dieBedingung

∀m ∈M : Φ(δm) = ϕ(m)

erfullt.

Beweis. Naturlich muss hier gelten, dass fur ein Element f =∑

m∈M f(m) · δmdie Abbildung Φ durch die Setzung

Φ(f) =∑

m∈Mf(m)ϕ(m)

gegeben ist. Man rechnet leicht nach, dass dies ein R -Algebrenhomomorphismusist. ©

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3.4. AUFBAU DES ZAHLENSYSTEMS II 81

Folgerung 3.3.13 Polynomringe & Co.

Es sei Z[X ] der Polynomring uber Z in einer Variablen. Jeder Ring A wird aufgenau eine Art zu einer Z -Algebra, durch den eindeutig bestimmten Ringhomo-morphismus von Z nach A. Die Z -Algebren-Homomorphismen von Z[X ] nachA werden also durch Vorgabe eines beliebigen Elements a ∈ A als Bild von Xfestgesetzt.

Wenn hingegen Z[X, Y ] ein Polynomring in zwei Variablen ist, dann haben wireine Bijektion

Hom(Z[X, Y ], A) ∋ Φ 7→ (Φ(X),Φ(Y )) ∈ {(a, b) ∈ A2 | ab = ba}.

Ist schließlich Q = Z[X, Y ]/I fur das von I = XY − 1 erzeugte Ideal, so sagtuns der Homomorphiesatz mit dem, was wir gerade uber den Polynomring gelernthaben, dass

Hom(Q,A) ∋ Φ 7→ (Φ(X + I),Φ(Y + I)) ∈ {(a, b) ∈ A2 | ab = ba = 1}= {(a, a−1) | a ∈ A×}

eine Bijektion ist. Die Homomorphismen von Q nach A entsprechen bijektiv denEinheiten von A.

Bemerkung 3.3.14 Potenzreihen

a) Fur jede naturliche Zahl n gibt es nur endlich viele Moglichkeiten, sie alsSumme zweier naturlicher Zahlen zu schreiben. Daher ist fur zwei Abbildungenf, g : N0 → R (R ein kommutativer Ring) die Vorschrift

(f ∗ g)(n) :=∑

k,l∈N0, k+l=n

f(k)g(l)

nicht mit Konvergenzproblemen behaftet und liefert eine neue Abbildung von N0

nach R.

Auf diese Weise wird aus der Menge aller Abbildungen von N0 nach R ein Ring,der Ring der formalen Potenzreihen.

b) Wenn allgemeiner (M, ⋄) ein Monoid ist, in dem es fur jedes x ∈ M nurendliche viele y, z ∈M mit y⋄z = x gibt, dann legt die Formel aus 3.3.1 auf ganzAbb(M,R) die Multiplikation eine R -Algebra (mit der ublichen Addition) fest.Diese enthalt den Monoidring als Teilring. Der in der Zahlentheorie wichtigsteFall ist der von (N, ·) , siehe 3.5.1

3.4 Aufbau des Zahlensystems II

In diesem Abschnitt wird dokumentiert, wie man aus dem Ring der ganzen Zah-len den Korper der rationalen Zahlen gewinnt. Zentral hierfur ist, dass Z ein

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82 KAPITEL 3. RINGE UND MODULN

Integritatsbereich ist (3.1.8), und dann kann man auch allgemeiner ansetzen. Ins-besondere finden wir auch den Korper der rationalen Funktionen in der Algebra,oder auch – ausgehend vom Ring der Potenzreihen – den Ring der formalen Lau-rentreihen.

Satz 3.4.1 Der Quotientenkorper

Es sei R ein Integritatsbereich. Dann gibt es einen Korper Q , der R als Teilringenthalt und folgende Eigenschaft hat:

Ist K irgendein Korper und Φ : R → K ein injektiver Ringhomomorphismus,so lasst sich Φ zu einem Ringhomomorphismus Φ : Q→ K fortsetzen.

Dieser Korper heißt der Quotientenkorper von R . Beweis.

Um eine Beweisidee zu entwickeln, nehmen wir erst einmal an, wir wussten schon,dass R in einem Korper F enthalten ist.

Dann sind alle Elemente x ∈ Rr{0} in F invertierbar. Man rechnet leicht nach,dass

Q := { zn| z, n ∈ R, n 6= 0}

selbst ein Teilkorper von F ist. Ist Φ : R → K wie in der Aussage des Satzes,dann konnen wir auf Q die Abbildung Φ definieren durch

Φ(z/n) = Φ(z)/Φ(n).

Dies ist wohldefiniert, insbesondere auch, da Φ(n) 6= 0 gilt fur n 6= 0 : Φ ist jainjektiv.

Wir mussen also”nur“ zeigen, dass es einen Korper gibt, der R als Teilring

enthalt, und wissen dann, wie Q zu konstruieren ist. Am besten nehmen wir unsaber direkt vor, Q zu konstruieren. Die Konstruktion ist eine Variante von derin 2.7.3: Wir definieren auf Paaren von Ringelementen eine Aquivalenzrelationund anschließend auf den Aquivalenzklassen die naheliegenden Verknupfungen.

Dazu betrachten wir auf M := R× (Rr {0}) die Relation

(z, n) ∼ (z, n) ⇐⇒ nz = nz.

Da R nullteilerfrei ist, ist dies eine Aquivalenzrelation. Die Aquivalenzklasse von(z, n) bezeichnen wir mit z

nund setzen

Q := { zn| (z, n) ∈M}.

Man rechnet nach, dass dies ein Ring ist, wenn man

z

n+y

m:=

zm+ yn

mnund

z

n· ym

:=zy

mn

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3.4. AUFBAU DES ZAHLENSYSTEMS II 83

setzt. Dabei braucht man immer wieder die Nullteilerfreiheit und die Kommuta-tivitat von R.

Das Nullelement von Q ist 01= 0

n, das Einselement ist 1

1= n

n(fur alle n 6= 0),

und im Fall z 6= 0 ist zu zn

der Bruch nzinvers (bezuglich der Multiplikation).

Damit ist Q ein Korper.

Streng genommen enthalt er R nicht, aber die Abbildung

ι : R → Q, ι(r) =r

1,

ist ein injektiver Ringhomomorphismus, und wir identifizieren R mit ι(R).

Dann ist alles gezeigt. ©

Bemerkung 3.4.2 Rationale Zahlen, rationale Funktionen

a) Fur R = Z liefert diese Konstruktion gerade den Korper Q der rationalenZahlen.

b) Angewandt auf den Polynomring k[X ] in einer Variablen uber dem Korper kliefert er den Korper der rationalen Funktionen

k(X) := {fg| f, g ∈ k[X ], g 6= 0}.

Diese”Funktionen“ sind nicht mehr auf ganz k definiert, sie haben Definiti-

onslucken, die hier Polstellen genannt werden – ein Begriff, der auch in der Funk-tionentheorie und der algebraischen Geometrie eine Rolle spielt.

c) Eine ahnliche Konstruktion kann man auch fur kommutative Ringe R durch-fuhren, die nicht unbedingt nullteilerfrei sind. Wenn S ⊆ R ein multiplikativesSystem ist, d.h. 1 ∈ S und ∀s, t ∈ S : st ∈ S, dann erhalt man auf R × S eineAquivalenzrelation durch

(z, n) ∼ (z, n) ⇐⇒ ∃u ∈ S : u(nz − nz) = 0.

Dieses zusatzliche u fangt die mangelnde Nullteilerfreiheit beim Nachweis derTransitivitat auf.

Ansonsten rechnet man mit den Aquivalenzklassen genauso wie oben und erhalteinen Ring, der ublicherweise mit S−1R notiert wird.

Dieser Prozess der Lokalisierung ist in der Algebraischen Geometrie und in derAlgebraischen Zahlentheorie von großer Bedeutung.

Fur nullteilerfreie Ringe ist eben S = R r {0} multiplikativ, und damit ordnetsich unser Spezialfall in diese allgemeinere Situation ein.

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84 KAPITEL 3. RINGE UND MODULN

3.5 Exkurs: Arithmetische Funktionen

Definition 3.5.1 Arithmetische Funktionen

Eine arithmetische Funktion ist eine Abbildung α : N → C.

Die Menge A = Abb(N,C) aller arithmetischen Funktionen ist mit den ublichenVerknupfungen ein komplexer Vektorraum.

Wir definieren eine weitere Verknupfung – die Faltung – durch

∗ : A×A → A, (α ∗ β)(n) :=∑

d|nα(d) · β(n/d).

Das ist die Verknupfung aus 3.3.14b), wobei wir R = C setzen und (M, ⋄) =(N, ·).Wie dort in der allgemeinen Situation gesagt wird (A,+, ∗) ein kommutativerRing. Das Einselement ist die Abbildung δ mit

δ(n) :=

{1, falls n = 1,0, sonst.

Eine arithmetische Funktion α heißt strikt multiplikativ, falls α(1) = 1 gilt und∀m,n ∈ N : α(mn) = α(m)α(n).

Sie heißt multiplikativ, falls α(1) = 1 gilt und

∀m,n ∈ N : ggT(m,n) = 1 ⇒ α(mn) = α(m) · α(n).

Bemerkung 3.5.2 Einheiten und Dirichletreihen

a) Die Einheiten in A sind genau die Folgen α mit α(1) 6= 0. Der Beweis isteine machbare Ubungsaufgabe.

b) Die multiplikativen arithmetischen Funktionen bilden eine Untergruppe vonA×.

Insbesondere hat zum Beispiel die (sogar strikt) multiplikative arithmeti-sche Funktion η(n) = 1 eine Inverse. Sie ist gegeben durch

µ(n) =

{0, falls n nicht quadratfrei,(−1)k, falls n = p1 · . . . · pk, pi ∈ P paarweise verschieden.

und heißt die Mobius1-Funktion. Diese ist ubrigens nicht mehr strikt mul-tiplikativ!

1August Ferdinand Mobius, 1790-1868

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3.5. EXKURS: ARITHMETISCHE FUNKTIONEN 85

Speziell gilt fur ψ1, ψ2 ∈ A :

ψ1 = η ∗ ψ2 ⇐⇒ ψ2 = µ ∗ ψ1.

Diese Formel heißt die Mobius-Inversionsformel. Machen Sie sich bewusst,was das konkret heißt!

c) Die Eulersche ϕ -Funktion ist multiplikativ (siehe 3.1.15), aber nicht striktmultiplikativ.

d) Fur eine arithmetische Funktion α = (α(n))n∈N bezeichnen wir mit

D(α, s) :=∑

n∈N

α(n)

ns

die zugehorige formale Dirichletreihe. Falls diese fur ein σ ∈ R konvergiert,so konvergiert sie auch fur alle s > σ, und fur alle s > σ + 1 konvergiertsie sogar absolut. In Wirklichkeit gilt das sogar fur alle komplexen s mitRe(s) > σ + 1.

Beispiel: Die Riemannsche2 Zetafunktion ζ(s) :=∑∞

n=1 n−s konvergiert

(uberhaupt, und dann auch absolut) genau dann, wenn Re(s) > 1.

e) Fur zwei arithmetische Funktionen α, β gilt formal

D(α, s) ·D(β, s) =∑

m,n∈N

α(n) · β(m)

nsms= D(α ∗ β, s).

Diese Gleichheit gilt”wirklich“ fur diejenigen Werte von s, wo die Dirich-

letreihen absolut konvergieren.

Zum Beispiel ist 1/ζ(s) =∑∞

n=1 µ(n)n−s fur Re(s) > 1.

f) Fur eine multiplikative arithmetische Funktion α und eine Primzahl p sei

αp(n) =

{α(n), falls n = pk, k ∈ N0,0, sonst.

Das ist der p -Anteil von α, und es gilt

α = ∗p∈Pαp.

Das liegt einfach am Fundamentalsatz der Arithmetik. Fur jedes n sindnur endlich viele Primfaktoren beteiligt, und deshalb ist das scheinbar un-endliche Faltungsprodukt rechter Hand in Wirklichkeit endlich.

2Bernhard Georg Friedrich Riemann, 1826-1866

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86 KAPITEL 3. RINGE UND MODULN

e) impliziert dann – auf zunachst formaler Ebene –

D(α, s) =∏

p∈PD(αp, s) =

p∈P

∞∑

k=0

α(pk)

pks.

Diese stimmt im Fall der absoluten Konvergenz tatsachlich fur die FunktionD(α) . Statt D(αp, s) ist es gebrauchlicher, Dp(α, s) zu schreiben. DieseFunktion heißt dann ein Euler-Faktor von D(α, s).

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Kapitel 4

Teilbarkeitslehre undPrimelemente

Nun wollen wir den Begriff der Teilbarkeit auf ein etwas abstrakteres Niveauheben.

4.1 Teilbarkeit

Definition 4.1.1 Nochmals die Teilbarkeit

Es sei R ein kommutativer Ring. Dann heißt a ∈ R ein Teiler von b ∈ R , fallsein c ∈ R existiert, sodass b = c · a.Fur naturliche Zahlen ergibt das den alten Begriff, wenn wir Z als N enthalten-den Ring verwenden.

Fur beliebiges R ist der zweite Faktor c jetzt nicht mehr eindeutig. In der Weltder naturlichen Zahlen war das so, und es bleibt so, wenn wir voraussetzen,dass R nullteilerfrei ist und a 6= 0 gilt. Denn dann folgt aus ac1 = ac2, dassa(c1 − c2) = 0, also c1 = c2.

Nullteilerfreiheit ist fur Teilbarkeitseigenschaften in Ringen also oft eine guteVoraussetzung.

Definition 4.1.2 Assoziiertheit

Es sei R ein kommutativer Ring. Zwei Elemente a, b ∈ R heißen assoziiert, fallseine Einheit (siehe 3.1.5) e ∈ R× existiert, sodass b = a · e.Fur R = Z heißt das einfach, dass die zwei Zahlen bis aufs Vorzeichen uberein-stimmen.

Assoziiert zu sein ist eine Aquivalenzrelation auf R. Die Aquivalenzklasse von a

87

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88 KAPITEL 4. TEILBARKEITSLEHRE UND PRIMELEMENTE

heißt seine Assoziiertenklasse und ist genau a ·R×. Das ist die Bahn von a unterder naheliegenden Operation von R× auf R.

Man sagt auch, die Assoziiertenklasse von a teile die von b , wenn a ein Teiler vonb ist. Es ist klar, dass diese Begriffsbildung nicht von der Wahl der Reprasentantender Assoziiertenklassen abhangt, denn zwei solche Reprasentanten unterscheidensich ja nur um eine Einheit.

Bemerkung 4.1.3 Eine Ordnungsrelation

Wenn R kommutativ und nullteilerfrei ist, dann wird durch die Teilbarkeit eineOrdnungsrelation auf der Menge der Assoziiertenklassen festgelegt:

aR× � bR× ⇐⇒ a | b.

Transitivitat ist klar, dazu braucht man auch weder die Nullteilerfreiheit nochdie Bildung der Assoziiertenklassen, das geht schon elementweise.

Interessanter ist es zu zeigen, dass zwei Assoziiertenklassen a · R× und b · R×

ubereinstimmen, wenn sie sich gegenseitig teilen. Das ist klar, wenn eine derbeiden Klassen nur aus der Null besteht. Ansonsten geht es so: a und b teilensich gegenseitig, es gibt also c, d ∈ R , sodass

a = bc und b = ad.

Daraus folgt a = acd, und da R nullteilerfrei ist, folgt aus a(1 − cd) = 0, dass1 − cd = 0. Daher ist cd = 1, und auch dc = 1, da R kommutativ ist. Es sindalso c und d Einheiten in R und folglich a und b assoziiert.

Definition 4.1.4 Noch einmal der ggT

Es seien R ein kommutativer und nullteilerfreier Ring und a, b ∈ R.

a) Das Element g ∈ R heißt ein großter gemeinsamer Teiler von a und b ,wenn g ein gemeinsamer Teiler ist und jeder gemeinsame Teiler von a undb auch g teilt.

NB: Das Adjektiv”großter“ bezieht sich also auf die Ordnungsrelation aus

4.1.3.

Wenn man von dem ggT sprechen will, so muss man damit eigentlich dieAssoziiertenklasse (eines beliebigen ggT) meinen. Im Falle R = Z gibtes in einer Assoziiertenklasse {a,−a} immer die naheliegende Wahl, alsVertreter das nichtnegative Element zu wahlen.

Wegen 1.1.3 fallen dann fur naturliche Zahlen die beiden Definitionen desggT zusammen.

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4.1. TEILBARKEIT 89

b) a und b heißen teilerfremd, wenn die einzigen gemeinsamen Teiler die Ein-heiten in R sind.

Beispiel 4.1.5 Ein paar ggT

Es sei R ein kommutativer und nullteilerfreier Ring.

a) Der ggT von a ∈ R und einer Einheit e ∈ R× ist immer die Assoziierten-klasse von 1 , also R×. Klar, denn nur Einheiten teilen Einheiten.

b) Der ggT von a ∈ R und 0 ist immer a · R×. Klar, denn alles teilt 0.

c) In R = Z[X ] ist der ggT von X und 2 gleich 1. Es gibt kein nichtkonstantesPolynom, das 2 teilen wurde, also muss der ggT eine Konstante sein, unddie einzigen Teiler von 2 (in Z ), die auch X teilen, sind ±1.

Hilfssatz 4.1.6 Die Idealisierung

Es sei R ein nullteilerfreier kommutativer Ring. Weiter seien a, b ∈ R.

a) Ist d ein gemeinsamer Teiler von a und b , so teilt d auch jede Linear-kombination ax+ by, x, y ∈ R.

b) Wenn es ein g ∈ R gibt, sodass

{ax+ by | x, y ∈ R} = Rg := {rg | r ∈ R}gilt, dann ist g ein ggT von a und b .

Beweis. a) Das ist klar. Aus a = rd, b = sd, r, s ∈ R folgt

ax+ by = (rx+ sy)d.

b) Es ist g ein Teiler von a und b , da beide zur linker Hand definierten Mengegehoren. Zum Beispiel ist a = a · 1 + b · 0.Andererseits gehort g selber auch zu dieser Menge, und in a) hatten wir gesehen,dass jeder gemeinsame Teiler von a und b daher auch g teilt. Definitionsgemaßist also g ein ggT von a und b. ©

Definition 4.1.7 Wieder ein Ideal

a) Es sei R ein kommutativer Ring, a, b ∈ R . Die Menge {ax+by | x, y ∈ R},die gerade eben im Zuge der Teilbarkeit eine Rolle spielte, ist dann ein Idealin R (siehe 3.1.12).

Tatsachlich kommt der Name”Ideal“ daher, dass Ideale als

”Idealisierung“

des Begriffs des ggT zum ersten Male das Licht der Welt erblickten.1

1Namlich bei Ernst Eduard Kummer, 1810-1893

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90 KAPITEL 4. TEILBARKEITSLEHRE UND PRIMELEMENTE

b) Ein Ideal I ⊆ R heißt ein Hauptideal, falls ein g ∈ I existiert, sodassI = Rg gilt.

Falls der Ring klar ist, werden wir oft (g) := Rg schreiben.

Ein Element g mit I = (g) heißt dann ein Erzeuger von I.

Nicht jedes Ideal ist ein Hauptideal, was auch mit daran liegt, dass nicht injedem Ring ein ggT fur beliebige Elemente existiert.

Zum Beispiel ist das von 2 und X erzeugte Ideal im Polynomring Z[X ]kein Hauptideal, da es sonst vom ggT 1 der Erzeuger erzeugt sein musste,aber 1 liegt gar nicht in dem betrachteten Ideal.

c) Ein nullteilerfreier kommutativer Ring R, in dem jedes Ideal ein Hauptidealist, heißt sinnvoller Weise ein Hauptidealring.

Nach 4.1.6 haben in einem Hauptidealring zwei Elemente stets einen ggT.

Hilfssatz 4.1.8 Assoziiertenklassen und Ideale

Es sei R ein Hauptidealring. Dann gelten:

a) Zwei Elemente g, h ∈ R sind genau dann Erzeuger desselben HauptidealsRg = Rh , wenn sie assoziiert sind.

b) In jeder nichtleeren Teilmenge S ⊆ R gibt es ein Element m , das bezuglichTeilbarkeit minimal ist2.

Beweis. a) ist klar, denn beide Bedingungen sind in nullteilerfreien Ringen dazuaquivalent, dass g und h sich gegenseitig teilen.

b) ist etwas trickreicher. Wir schließen durch einen Widerspruchsbeweis und neh-men dazu an, die Aussage sei falsch.

Es sei s1 ∈ S irgendein Element. Nach Annahme ist es nicht minimal, das heißt,es gibt einen Teiler s2 ∈ S von s1, der nicht zu s1 assoziiert ist. Sukzessive sofortfahrend wahlen wir Elemente si ∈ S , sodass jeweils si+1 ein Teiler von siist, aber nicht umgekehrt.

Dann erhalten wir – wegen der Teilbarkeitsbedingung – eine echt aufsteigendeKette von Idealen

Rs1 ⊂ Rs2 ⊂ Rs3 ⊂ . . .

Die Vereinigung I = ∪i∈NRsi dieser Ideale ist auch ein Ideal von R, denn:

• 0 ∈ I

2Das soll heißen, dass alle s ∈ S , die m teilen, zu m assoziiert sind, ist also eigentlich eineBedingung an die Assoziiertenklassen sR×, s ∈ S .

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4.1. TEILBARKEIT 91

• ∀a, b ∈ I : ∃i ∈ N : a, b ∈ Rsi, und daher gilt auch a+ b ∈ Rsi ⊆ I.

• ∀a ∈ I, r ∈ R : ∃i ∈ N : a ∈ Rsi und daher gilt ra ∈ Rsi ⊆ I.

Da R ein Hauptidealring ist, gibt es ein a ∈ I mit I = Ra. Dieses a liegt aberschon in einem der Rsi, und es folgt

Ra ⊆ Rsi ⊆ Ra, also Ra = Rsi.

Es folgt fur alle k ≥ i :Rsi ⊆ Rsk ⊆ Ra = Rsi,

also Rsk = Rsi. Daher ist die Kette – entgegen der Konstruktion – nicht echtaufsteigend. Dies liefert den gewunschten Widerspruch. ©

Wir beschreiben jetzt eine wichtige Klasse von Hauptidealringen.

Definition 4.1.9 Euklidischer Ring

Es sei R ein nullteilerfreier kommutativer Ring. Weiter sei γ : R → N0 eineAbbildung.

Dann heißt R euklidisch bezuglich γ , falls [γ(r) = 0 ⇐⇒ r = 0] und vor allemfolgendes gilt: fur alle a, b ∈ R, b 6= 0, gibt es c ∈ R , sodass

γ(a− bc) < γ(b).

Bemerkung 4.1.10 Euklid und die Hauptideale

Jeder euklidische Ring (R, γ) ist ein Hauptidealring. Ist namlich I ⊆ R ein Ideal,so ist entweder I = {0} = R · 0 – ein Hauptideal – oder es gibt ein g ∈ I , sodass

γ(g) = min{γ(x) | x ∈ I, x 6= 0}.

Es ist klar, dass dieses g jedes a ∈ I teilen muss, denn g ist nicht 0, also existiertein c ∈ R mit γ(a−cg) < γ(g), was nach Wahl von g ja γ(a−cg) = 0 erzwingt,denn a− cg ∈ I.

Es folgt nach 4.1.6, dass in einem euklidischen Ring je zwei Elemente immereinen ggT haben. Dieser lasst sich wie in 1.1.5 berechnen, wenn man dort dieki so wahlt, dass γ(ai−1 − kiai) < γ(ai) gilt, was geradezu nach Definition dereuklidischen Ringe moglich ist.

Es ist ubrigens im Allgemeinen sehr schwer zu entscheiden, ob ein gegebenerHauptidealring durch Wahl einer Abbildung γ von R nach N0 zu einem eukli-dischen Ring gemacht werden kann. Wenn man so ein γ sieht, dann ist alles gut.Aber wenn man keines sieht, konnte es dennoch eines geben. Das zu widerlegenist schwer, denn die Abbildung γ unterliegt keinen weitreichenden strukturellenEinschrankungen, sodass ein Ansatz sich gar nicht aufdrangt.

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92 KAPITEL 4. TEILBARKEITSLEHRE UND PRIMELEMENTE

Beispiel 4.1.11 Einige euklidische Ringe

a) Z ist bezuglich γ(z) = |z| euklidisch. Das haben wir im Prinzip geradebeim euklidischen Algorithmus ausgeschlachtet.

b) Ist K ein Korper, so ist der Polynomring K[X ] euklidisch, wenn wir

γ(0) = 0, und sonst γ(f) = grad(f) + 1

setzen. Das liegt an an den Regeln der Polynomdivision aus 3.3.4.

Noch koharenter wird das, wenn wir alternativ γ(f) = 2grad(f) setzen. Dabeiist insbesondere der Grad des Nullpolynoms gleich −∞, und 2−∞ = 0.

c) Der Ring der ganzen Gaußschen Zahlen Z[i] = {a + bi | a, b ∈ Z} ⊆ C isteuklidisch bezuglich der Abbildung

γ(a + bi) := a2 + b2 = |a+ bi|2.

Denn: Fur a + bi, c+ di ∈ Z[i]r {0} betrachten wir

a+ bi

c+ di=ac+ bd + (bc− ad)i

c2 + d2=: x+ yi ∈ C.

Wahle nun m,n ∈ Z mit |m− x|, |n− y| ≤ 12.

Dann gilt

a+ bi− (c+ di)(m+ ni) = ((x−m) + (y − n)i)(c+ di),

und die Multiplikativitat des Betrages zeigt dann

γ(a+ bi− (c+ di)(m+ ni)) ≤ 1

2γ(c+ di).

d) Der Ring R := {a + b√5 | a, b ∈ Z} ⊆ R ist kein Hauptidealring, also

bezuglich keiner Abbildung γ euklidisch.

Es ist namlich die Menge

I := {2x+ (1 +√5)y | x, y ∈ Z}

ein Ideal in R, aber kein Hauptideal.

Ideal ist es, da es eine Untergruppe ist und fur 2x + (1 +√5)y ∈ I sowie

a+ b√5 ∈ R gilt

(a+ b√5) · (2x+ (1 +

√5)y) =

(2ax+ (1 +√5)ay) + (2b(2y − x) + (1 +

√5)b(2x+ y)).

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4.1. TEILBARKEIT 93

Das ist eine Summe von zwei Elementen in I, also selbst auch in I.

Wenn I ein Hauptideal ware, so gabe es ein g ∈ I mit I = Rg. Dann warealso g ein Teiler von 2 im Ring R. Welche gibt es da?

Aus (a+ b√5)(c+ d

√5) = 2 folgt ad+ bc = 0, denn

√5 ist nicht rational.

Also folgt ab= − c

d. Wenn nun g ein gemeinsamer Teiler von a und b in Z

ware, so wurde es auch ac+ 5bd = 2 teilen. Es ist also ggT(a, b) = 1 oder2 . Ware der ggT 2, dann ware 2 auch ein Teiler von a + b

√5 in R, und

damit waren die beiden assoziiert. Analog waren 2 und c+d√5 assoziiert,

wenn c, d nicht teilerfremd waren.

Waren hingegen a, b und c, d jeweils teilerfremd, so folgte aus ab= − c

d,

dass(a, b) = ±(c,−d).

Eingesetzt in die Zerlegung von 2 impliziert das

a2 − 5b2 = ±2.

Diese Gleichung ist in Z nicht losbar, denn eine Zahl der Gestalt

±2− a2

ist niemals durch 5 teilbar, wie eine Fallunterscheidung nach dem Rest derDivision von a durch 5 zeigt.

Die einzigen Teiler von 2 in R sind also Einheiten und zu 2 assoziierteElemente. Insbesondere gilt dies fur unseren hypothetischen Erzeuger gvon I, und das wurde zeigen, dass I = R oder I = 2R gilt.

Der ersten Fall kann nicht auftreten, denn 1 6∈ I. Der zweite Fall kann nichtauftreten, denn 1 +

√5 ∈ I, aber 6∈ 2R.

Daher ist I kein Hauptideal und mithin R nicht euklidisch.

Bemerkung 4.1.12 Chinesischer Restsatz

a) Es seien R ein Hauptidealring und r, s in R zwei teilerfremde Elemente, alsoso beschaffen, dass 1 = rx+ sy fur geeignete x, y ∈ R.

Dann erfullen die Ideale I = Rr und J = Rs die Voraussetzung des ChinesischenRestsatzes 3.1.16, und wir finden

R/(Rrs) ∼= R/(Rr)× R/(Rs).

Unsere Konstruktion des Isomorphismus zeigt insbesondere, dass es fur alle a, b ∈R ein x ∈ R gibt, fur das simultan

x ≡ a (mod Rr) und x ≡ b (mod Rs)

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94 KAPITEL 4. TEILBARKEITSLEHRE UND PRIMELEMENTE

gilt. Es ist diese Art von Aussage, die klassischer Weise chinesischer Restsatzgenannt wird.

Sie lasst sich naturlich fur endlich viele (paarweise teilerfremde) Elemente verall-gemeinern.

b) Zum Beispiel sagt er fur R = K[X ], K ein Korper, dass sich fur je n paar-weise verschiedene Elemente x1, . . . , xn ∈ K und jede Vorgabe von Elementena1, . . . , an ∈ K ein Polynom f finden lasst mit

f(xi) = ai, 1 ≤ i ≤ n.

Dieses ist eine Losung der simultanen Kongruenzbedingung

f ≡ ai (mod (X − xi)), 1 ≤ i ≤ n,

die es nach unserem Satz geben muss.

Man kann hier auch noch feinere Bedingungen vorgeben (Nullstellenordnungenoder allgemeiner Werte von Ableitungen. . . ).

4.2 Primideale

Definition 4.2.1 irreduzibel oder prim?

Es sei R ein kommutativer Ring.

Ein Element m ∈ R heißt irreduzibel, wenn m 6∈ R× und fur alle a, b ∈ R gilt:

m = ab⇒ a ∈ R× oder b ∈ R×.

Ein Element p ∈ R heißt ein Primelement, wenn es keine Einheit in R ist undwenn fur a, b ∈ R gilt:

p teilt ab⇒ p teilt a oder p teilt b.

Irreduzibilitat eines Elementes m ∈ R heißt also, dass seine AssoziiertenklassemR× in R unter den Klassen 6= R× bezuglich der Ordnungsrelation der Teil-barkeit minimal ist: Jeder Teiler von m ist entweder eine Einheit oder zu massoziiert. Die Rechnung unter d) in 4.1.11 zeigt unter anderem, dass 2 in Z[

√5]

irreduzibel ist.

Fur die Primzahlen gilt jetzt: Sie sind – laut Vergleich der Definitionen – geradedie positiven irreduziblen Elemente im Ring Z , und laut 1.2.2 auch genau diepositiven Primelemente in Z.

Hilfssatz 4.2.2 Prim vs. irreduzibel

Es sei R ein nullteilerfreier kommutativer Ring.

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4.2. PRIMIDEALE 95

a) Ein von 0 verschiedenes Primelement in R ist immer irreduzibel.

b) Wenn R ein Hauptidealring ist, dann ist ein irreduzibles Element in Rimmer auch prim.

Beweis. a) Es sei 0 6= p ∈ R prim. Weiter seien a, b ∈ R zwei Elemente mitp = ab.

Da p prim ist, muss es a oder b teilen. Es sei oBdA a = cp. Dann folgt

p = ab = cpb, also p(1− bc) = 0,

und da R nullteilerfrei ist, folgt 1 − bc = 0, also ist bc = 1, und b ist eineEinheit.

b) Nun seien R ein Hauptidealring und m ∈ R irreduzibel. Weiter seien a, b ∈ RElemente, sodass m ein Teiler von ab ist: ab = mt, t ∈ R . Wenn m kein Teilervon a ist, dann sind a und m teilerfremd, denn die einzigen Teiler von msind Einheiten und zu m assoziierte Elemente. Aber auch alle zu m assoziiertenkonnen a nicht teilen. Also ist 1 ein ggT von a und m, und nach 4.1.6 lasst 1sich schreiben als

1 = ac+md, c, d ∈ R geeignet.

Multiplikation mit b macht daraus wieder – wie schon fur Z gesehen –

b = abc+mbd = m(tc + bd),

also ist m ein Teiler von b .

Insgesamt zeigt das, dass m prim ist. ©Jetzt konnen wir den Fundamentalsatz der Arithmetik in die Welt der Haupt-idealringe ubertragen. Die in N geltende Eindeutigkeit muss einem Akt derWillkur weichen – wir mussen erst aus jeder Assoziiertenklassen von Primele-menten einen Vertreter wahlen.

Satz 4.2.3 Primzerlegung in Hauptidealringen

Es sei R ein Hauptidealring. Weiter sei PR ein Vertretersystem der Assoziier-tenklassen von Primelementen 6= 0.

Dann ist jedes r ∈ R r {0} assoziiert zu einem Produkt von endlich vielenPrimelementen.

Sind weiter s, t ∈ N0 und p1, . . . , ps, q1, . . . qt ∈ PR derart, dass Einheiten δ, ε ∈R× existieren mit

r = δ · p1 · . . . · ps = ε · q1 · . . . · qt,so gelten ε = δ, s = t und – bis auf eine Vertauschung der Reihenfolge derFaktoren – es gilt pi = qi fur alle 1 ≤ i ≤ s.

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96 KAPITEL 4. TEILBARKEITSLEHRE UND PRIMELEMENTE

Beweis. Die Eindeutigkeit geht im Prinzip genauso wie im Fall R = Z , und dazusage ich jetzt nichts weiter.

Die Existenz der Zerlegung haben wir schon vorbereitet.

Wir nehmen an, die Aussage des Satzes sei falsch, und betrachten die MengeS aller Elemente 0 6= r ∈ R, die nicht zu einem Produkt von Elementen ausPR assoziiert sind. Diese Menge ist dann nicht leer, und es gibt nach 4.1.8 einminimales Element m ∈ S.

Naturlich ist m kein Primelement, da es sonst ja zu einem p ∈ PR assoziiertware. Es sei m = ab eine Zerlegung in zwei echte Faktoren, also beide nicht zum assoziiert. Dann sind a und b im Sinne der Teilbarkeit kleiner als m undgehoren demnach nicht zu S. Genau hier braucht man ubrigens, dass m nicht 0ist.

Es gibt also eine Zerlegung

a = e · p1 · . . . · pk, b = f · q1 · . . . · ql

mit Primelementen pi, qj ∈ PR und Einheiten e, f und es folgt

m = ef · p1 · . . . · pk · q1 · . . . · ql

entgegen der Annahme. Damit ist diese zum Widerspruch gefuhrt. ©

Beispiel 4.2.4 Primelemente in Z[i]

Der Ring Z[i] der ganzen Gaußschen Zahlen ist ein Hauptidealring, siehe 4.1.11.Es ist also interessant, eine Ubersicht uber die Primelemente hier zu bekommen.Hierzu benutzen wir die Normabbildung N : Z[i] → N0, N(z) := |z|2 und diekomplexe Konjugation:

x+ yi = x− yi.

Diese Abbildung ist insbesondere multiplikativ:

zw = z · w.

Wenn nun π ∈ Z[i] ein Primelement 6= 0 ist, dann teilt es also N(π) = π ·π, unddies ist eine naturliche Zahl. Da diese naturliche Zahl ein Produkt von Primfak-toren ist, muss π bereits einen dieser Primfaktoren teilen, da es ein Primelementist. Die Primelemente in Z[i] finden sich also gerade als Primteiler der naturlichenPrimzahlen.

Es sei π ein Teiler der Primzahl p . Dann gilt

N(π)|N(p) = p2,

und wir haben zwei Moglichkeiten: N(π) = p oder N(π) = p2.

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4.2. PRIMIDEALE 97

NB: N(π) = 1 wurde heißen, dass ππ = 1, und dann ware ja π eine Einheit,was verboten ist.

Weiter sei nun π = a + bi, a, b ∈ Z. Dann ist N(π) = a2 + b2, und wir kommenletztlich zur Frage, wann eine Primzahl p ∈ P sich als Summe von zwei Quadratenschreiben lasst.

Fall 1: p = 2.

Hier gilt 2 = −i(1 + i)2, und der einzige Primteiler von 2 in Z[i] ist dieAssoziiertenklasse von 1 + i. 2 ist assoziiert zum Quadrat eines Primele-ments.

Fall 2: p lasst nach Division durch 4 Rest 3.

Ware hier p die Norm eines Primelements a+ bi, so folgte aus p = a2+ b2 ,dass ohne Einschrankung a gerade und b ungerade ist (ansonsten ware dieSumme der Quadrate gerade), und a = 2s, b = 2t+ 1 liefert

a2 + b2 = 4(s2 + t2 + t) + 1.

Daher hat jeder Primteiler π von p die Norm p2, und aus

p = z · π

folgt p2 = N(p) = N(z) ·N(π) = N(z) · p2, also zz = N(z) = 1, und z isteine Einheit. Das heißt, dass p selbst prim ist in Z[i].

Fall 3: p lasst nach Division durch 4 Rest 1.

Hier sehen wir schnell Beispiele:

5 = 22 + 12, 13 = 32 + 22, 17 = 42 + 12, 29 = 52 + 22,

aber keine Gegenbeispiele. Wir werden in Kurze (siehe 4.2.5) zeigen, dasses eine Zahl u ∈ {0, . . . , p−1} gibt, sodass u2+1 ein Vielfaches von p ist:

∃u, k ∈ {1, . . . , p− 1} : u2 + 1 = kp.

Ein Primteiler π von p in Z[i] teilt daher auch u+i oder u− i, und daherhat π als Norm einen Teiler von kp. Da aber nach den vorhergehendenUberlegungen die Norm von π ein Teiler von p2 sein muss, ist die Normein gemeinsamer Teiler von kp und p2, also p, denn 1 ist sie nicht undk < p.

In diesem Fall hat also p zwei nicht assoziierte Primteiler

a± ib, a2 + b2 = p.

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98 KAPITEL 4. TEILBARKEITSLEHRE UND PRIMELEMENTE

Hilfssatz 4.2.5 Nachtrag

Es sei p eine Primzahl die bei Division durch 4 Rest 1 lasst.

Dann gibt es eine Zahl u ∈ {1, . . . , p−12}, sodass p ein Teiler von u2 + 1 ist.

Beweis.

Wir mussen zeigen, dass es ein u gibt, fur das die Restklasse von u2 + 1 in Fp

Null ist.

Nehmen wir an, dass es kein solches u gibt, so hat kein Element in der Einhei-tengruppe F×

p die Ordnung 4. Also hat auch kein Element eine durch 4 teilbareOrdnung (sonst hatte eine geeignete Potenz davon Ordnung 4). Da aber jedes

Element u ∈ F×p die Gleichung up−1 = 1 erfullt, muss auch schon u

p−1

2 = 1

richtig sein. Das Polynom Xp−1

2 − 1 hat also p− 1 Nullstellen in Fp, was 3.3.11widerspricht. ©

Folgerung 4.2.6 Summen zweier Quadrate

Eine naturliche Zahl n ist genau dann als Summe zweier Quadrate von ganzenZahlen schreibbar, wenn fur alle Primzahlen p ∈ P, die bei Division durch 4 Rest3 lassen, der Exponent vp(n) in der Primfaktorzerlegung von n gerade ist.

Beweis. Die Zahl n ist genau dann Summe zweier Quadrate, wenn sie die Normeines Elements a + bi ∈ Z[i]r {0} ist.

Nun schreibt man a + bi als Produkt von Primelementen in Z[i] und uberlegtsich mit 4.2.4, dass das Betragsquadrat eines Primfaktors entweder 2 oder einePrimzahl p = 4k + 1 oder das Quadrat einer Primzahl p = 4k + 3 ist. Das zeigtdie Notwendigkeit der Bedingung.

Da die Faktoren, die es laut der Bedingung gibt, allesamt Normen in Z[i] sind,ist diese wegen |z · w|2 = |z|2 · |w|2 auch hinreichend. ©

So ist 209 zwar kongruent zu 1 modulo 8, aber da 209 = 11 · 19 gilt, bleibt dieSuche nach a, b ∈ Z mit 209 = a2 + b2 vergebens.

Der folgende Exkurs stellt vor, wie man analytisch an die Frage der Existenz vonPrimzahlen in Restklassen herangeht. Er steht exemplarisch fur den analytischenBeweis des Dirichletschen Primzahlsatzes, die uns in 1.3.9 vorgestellt wurde.

Bemerkung 4.2.7 Zwei Zetafunktionen3

Wir haben schon die Riemannsche Zetafunktion gesehen:

3Dieser Punkt ist optional

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4.2. PRIMIDEALE 99

ζ(s) =∞∑

n=1

1

ns=∏

p∈P

1

1− p−s, s > 1.

Fur den Ring R = Z[i] gibt es auch eine Zetafunktion, einen Spezialfall fur dieKlasse Dedekindscher Zetafunktionen, namlich

ζR :=

∗∑

r 6=0

1

N(r)s=

∗∏

π prim

1

1−N(π)−s, s > 1,

wobei die Summen und Produkte mit Sternchen bedeuten, dass uber Assoziier-tenklassen summiert (oder multipliziert) wird.

(Im Allgemeinen wurde man hier Assoziertenklassen durch Ideale ersetzen, aberwir haben ja einen Hauptidealring. . . )

Als Vertreter der Assoziiertenklassen wahlen wir hier die Elemente im erstenQuadranten mit Realteil > 0. Jedes Element aus Rr {0} lasst sich durch Mul-tiplikation mit einer Potenz von i in diese Menge schieben.

Die Produktformel bringt auch fur R einfach den Fundamentalsatz der Arithme-tik zum Ausdruck.

In 4.2.4 haben wir gelernt, wie die Primelemente in R mit den Primzahlen zu-sammenhangen. Wir konnen das Produkt fur ζR auch schreiben als

ζR(s) =1

1− 2−s·∏

4|(p−1)

(1

1− p−s)2 ·

4|(p−3)

(1

1− p−2s).

Das kommt daher, dass 2 genau einen Primteiler (von Norm 2) in R hat, diePrimzahlen p = 4k + 3 in R prim bleiben, aber Norm p2 bekommen, und diePrimzahlen p = 4k+1 in R in zwei nicht assoziierte Primfaktoren zerfallen, diebeide Norm p haben.

Ein Argument von Dirichlet zeigt, dass sowohl (s−1) ·ζ(s) als auch (s−1) ·ζR(s)fur sց 1 gegen eine von Null verschiedene Zahl streben.

Genauer gilt fur s > 1 :

ζ(s) =

∞∑

k=1

1

ks≥∫ ∞

1

1

xsdx =

1

s− 1.

Analog finden wir nach unten

ζ(s) =

∞∑

k=1

1

ks≤ 1 +

∫ ∞

1

1

xsdx = 1 +

1

s− 1,

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100 KAPITEL 4. TEILBARKEITSLEHRE UND PRIMELEMENTE

also insgesamt

limsց1

(s− 1)ζ(s) = 1.

Etwas aufwendiger wird das fur ζR, das wir erst einmal etwas konkreter als

ζR(s) =1

4

(0,0)6=(m,n)∈Z2

1

(m2 + n2)s

umschreiben. Das benutzen wir, um die Summanden abzuschatzen.

Wir schreiben die Zahlen m2 + n2 der Große nach sortiert auf, und zwar jede sooft, wie sie auftaucht:

0 < γ1 ≤ γ2 ≤ γ3 . . .

und erhalten

ζR(s) =

∞∑

k=1

1

γsk.

Um jeden Punkt (m,n) ∈ Z2 denken wir uns nun ein achsenparalleles Qua-drat mit Kantenlange 1 und Mittelpunkt (m,n). Dieses liegt ganz im Kreis mit

Mittelpunkt 0 und Radius r, sobald r ≥√m2 + n2 +

√22.

Umgekehrt liegt der Kreis mit Mittelpunkt 0 und Radius r ganz in der Vereini-gung dieser Quadrate fur alle Punkte (m,n) mit

√m2 + n2 ≤ r +

√22.

Es folgt

π · (r −√2

2)2 ≤ #{(m,n) | m2 + n2 ≤ r2} ≤ π · (r +

√2

2)2.

Das zeigt, dass limk→∞ k/γk = π.

Dies wiederum impliziert erstens, dass ζR(s) fur s > 1 konvergiert und zweitens,dass

limsց1

(s− 1)ζR(s) =π

4.

Nun schreiben wir Pi, i ∈ {1, 3} fur die Menge aller Primzahlen, die bei Divisiondurch 4 Rest i lassen, und erinnern wir uns an die Produktformel

ζR(s) =1

1− 2−s·∏

p∈P1

1

(1− p−s)2·∏

p∈P3

1

1− p−2s.

Ware nun P1 endlich, so ware

ζR(s) = ζ(2s) · 1− 2−2s

1− 2−s·∏

p∈P1

(1− p−2s)

(1− p−s)2.

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4.2. PRIMIDEALE 101

Dies konvergiert fur s = 1, und diese Konvergenz zeigt, dass

limsց1

(s− 1)ζR(s) = 0.

Ein Widerspruch.

Analog fuhrt die Annahme, P3 sei endlich, zur Folgerung, dass

limsց1

(s− 1)ζR(s) = ∞,

was auch ein Widerspruch ware.

Es mussen also sowohl P1 als auch P3 unendlich sein, und sogar vergleichbar vieleElemente ≤ x enthalten, damit nicht eine von beiden Klassen von Primzahlendas Konvergenzverhalten von (s− 1)ζR(s) zu sehr dominiert.

Das ist eine Verscharfung der bloßen Aussage, beide Mengen seien unendlich.

Bemerkung 4.2.8 Restklassenkorper

a) Es sei R ein Hauptidealring. Fur welche Ideale Rg ist der RestklassenringR/Rg ein Korper? Das ist genau dann der Fall, wenn g irreduzibel ist, denngenau dann ist jedes a 6∈ Rg modulo g invertierbar.

b) Fur eine Primzahl p bezeichnen wir mit Fp = Z/pZ den Korper mit p Ele-menten. Er hat p− 1 Einheiten, wir konnen auch sagen:

ϕ(p) = p− 1.

Allgemein ist die Anzahl der teilerfremden Restklassen modulo pn gegeben durch

ϕ(pn) = (p− 1)pn−1.

Dabei ist ϕ Eulers ϕ -Funktion (siehe 3.1.15).

Die Rechenregel von dort lehrt uns dann noch allgemeiner, dass

ϕ(N) =∏

p|Npvp(N)−1(p− 1) = N ·

p|N(p− 1)/p.

Definition 4.2.9 Primideal

Wir werden spater noch (5.2.2) den Begriff des maximalen Ideals kennenlernen.

Es sei R ein kommutativer Ring.

Ein Primideal in R ist ein Ideal I 6= R, sodass fur alle x, y ∈ R gilt:

xy ∈ I ⇒ x ∈ I oder y ∈ I.

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102 KAPITEL 4. TEILBARKEITSLEHRE UND PRIMELEMENTE

Bei Hauptidealringen, die keine Korper sind, fallen die von {0} verschiedenenPrimideale mit den maximalen Idealen zusammen, da beide von von Null ver-schiedenen Primelementen = irreduziblen Elementen erzeugt werden.

Im Allgemeinen ist I eine Primideal genau dann, wenn R/I ein Integritatsbereichist, was zeigt, dass jedes maximale Ideal ein Primideal ist.

Fur zwecke der modernen algebraischen Geometrie ist der Begriff des Primidealsvon zentraler Wichtigkeit.

Im Augenblick konnen wir das nicht weiter vertiefen.

4.3 Gleichungssysteme

Definition 4.3.1 Basen

Es sei A eine (additiv geschriebene) abelsche Gruppe. Dann heißt B ⊆ A eine(Z -)Basis von A , wenn sich jedes a ∈ A auf eindeutig bestimmte Art als

a =∑

b∈Bλb · b, λb ∈ Z, fast alle λb = 0

schreiben lasst. Dabei heißt fast alle genauer: alle bis auf endlich viele.

Wir werden zumeist endliche Basen B betrachten, und dann kann man diesenZusatz auch weglassen.

Wenn A eine Basis B hat, dann nennt man A auch eine freie abelsche Gruppeuber B.

Ist dann G irgendeine abelsche Gruppe und ϕ : B → G eine Abbildung, so lasstsich diese Abbildung auf genau eine Art zu einem GruppenhomomorphismusΦ : A→ G fortsetzen.

Bemerkung 4.3.2 Ohne jede Basis

a) Jede Basis einer freien abelschen Gruppe ist insbesondere uber Z linearunabhangig, denn sonst konnte man die 0 auf zwei verschiedene Arten alsLinearkombination schreiben.

b) Nicht jede abelsche Gruppe hat eine Basis. Zum Beispiel Q besitzt keine.

c) Die positiven rationalen Zahlen sind eine Gruppe bezuglich der Multipli-kation. Als Gruppe wird sie von den Primzahlen erzeugt, die – wegen derEindeutigkeit der Primfaktorzerlegung – eine Basis von Q>0 bilden.

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4.3. GLEICHUNGSSYSTEME 103

d) Es ist nicht immer so, dass ein minimales Erzeugendensystem eine Basissein muss, selbst wenn es eine solche gibt; auch eine maximale, linear un-abhangige Teilmenge ist nicht immer eine Basis. . . es gibt keinen so einfa-chen Basiserganzungssatz wie in der Linearen Algebra.

Die richtige Definition steht eben da oben, und das ist die Eigenschaft, mitder immer gearbeitet wird.

e) Eine Basis B von Zn hat immer n Elemente, denn die Standardbasis undB sind dann beide auch Q -Basen von Qn.

Da jede abelsche Gruppe A mit einer endlichen Basis zu einem Zr isomorphist, ist die Anzahl der Elemente einer Basis eine Invariante von A. Sie heißtder Rang von A.

Hilfssatz 4.3.3 . . . und dann doch!

Es seien n ∈ N0 und A ⊆ Zn eine Untergruppe.

Dann hat A eine Basis aus hochstens n Elementen.

Beweis. Wir machen vollstandige Induktion nach n.

Fur n = 0 ist nichts zu zeigen (die leere Menge ist eine Basis von Z0 ), und furn = 1 ist die Aussage auch klar, denn entweder A ist {0} oder nicht, und imzweiten Fall besteht A aus allen Vielfachen von a0 := min{x ∈ A | x > 0}. Alsoist (wegen der Nullteilerfreiheit von Z ) {a0} eine Basis von A.

Nun sei die Behauptung wahr fur n und A eine Untergruppe von Zn+1.

Weiter sei

Φ : Zn+1 → Z, Φ((z1, . . . , zn+1)⊤) = zn+1.

Dann ist Φ(A) eine Untergruppe von Z.

Fall 1: Φ(A) = {0}. Dann ist A”in Wirklichkeit“ eine Untergruppe von Zn ⊂

Zn+1 , und wir konnen die Induktionsannahme direkt fur A benutzen.

Fall 2: Φ(A) 6= {0}. Sei dann x0 > 0 der positive Erzeuger von Φ(A).

Dann gibt es ein b0 ∈ A, sodass Φ(b0) = x0.

Nun sei K := Kern(Φ) ∩ A = {a ∈ A | Φ(a) = 0}. Der Kern von Φ wird nunwieder mit Zn identifiziert, und das zeigt, dass K eine Basis B aus hochstensn Elementen besitzt.

Dann gilt fur a ∈ A :

a =Φ(a)

x0b0 + (a− Φ(a)

x0b0) =

Φ(a)

x0b0 +

b∈Bλb · b

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104 KAPITEL 4. TEILBARKEITSLEHRE UND PRIMELEMENTE

fur geeignete ganze Zahlen λb, b ∈ B. Es ist klar, dass die Vorfaktoren hierbeieindeutig bestimmt sind (der Vorfaktor vor b0 ergibt sich aus Φ(a) = λb0Φ(b0),der Rest weil B linear unabhangig ist).

Also ist B ∪ {b0} eine Basis von A und hat hochstens n + 1 Elemente. ©

Hilfssatz 4.3.4 Unimodulare Matrizen

Es sei M ∈ Zn×n gegeben. Dann sind aquivalent:

i) Die Spalten von M bilden eine Basis von Zn.

ii) Es gibt eine zu M inverse Matrix mit ganzzahligen Eintragen.

iii) det(M) = ±1.

Matrizen, fur die eine dieser Aussagen stimmt, heißen unimodulare Matrizen.

Beweis.

i)⇒ ii) Wenn die Spalten von M eine Basis von Zn bilden, dann lassen sichdie Standardbasisvektoren als ganzzahlige Linearkombinationen dieser Spaltenschreiben, das heißt es gibt v1, . . . , vn ∈ Zn mit Mvi = ei. Die Matrix N mitSpalten v1, . . . , vn ist also zu M invers und ganzzahlig.

ii)⇒ iii) Aus MN = En,M,N ∈ Zn×n, folgt

det(M) · det(N) = det(En) = 1,

also sind die ganzen Zahlen det(M) und det(N) Einheiten in Z.

iii)⇒ i)

Sei umgekehrt det(M) = ±1. Das charakteristische Polynom

CPM(X) = det(XEn −M) =

n∑

i=0

aiXi

ist ein normiertes ganzzahliges Polynom mit konstantem Term a0 = ±1 – das istgerade die Bedingung an die Determinante von M.

Der Satz von Cayley-Hamilton4 sagt dann, dass

n∑

i=0

aiMi = 0,

4William Rowan Hamilton, 1805-1865

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4.3. GLEICHUNGSSYSTEME 105

und daraus folgt

M · (n∑

i=1

aiMi−1) =

n∑

i=1

aiMi = ±En.

Die Matrix ±∑ni=1 aiM

i−1 ist also ganzzahlig und invers zu M, und damit sindinsbesondere die Standardbasisvektoren von Zn in der von den Spalten von Merzeugten Untergruppe von Zn. Diese Spalten erzeugen also Zn, und da sie linearunabhangig sind, bilden sie eine Basis. ©

Definition 4.3.5 Nicht alles ist primitiv. . .

Es sei v ∈ Zn. Dann heißt der ggT der Eintrage von v auch der Inhalt von v ,kurz Inh(v).

Wenn der Inhalt von v 1 ist, dann heißt v auch ein primitiver Vektor.

Hilfssatz 4.3.6 Basiserganzung

Ein Vektor v ∈ Zn ist genau dann ein Element einer Basis von Zn , wennInh(v) = 1.

Beweis. Es sei v ∈ B , B eine Basis von Zn. Da dann Inh(v) ein Teiler derDeterminante der unimodularen Matrix ist, deren Spalten die Elemente von Bsind, ist Inh(v) = 1.

Sei umgekehrt Inh(v) = 1. Dann ist – wegen Euklid – 1 eine ganzzahlige Linear-kombination der Eintrage von v , also

∃w ∈ Zn : w⊤ · v = 1.

Analog zum Vorgehen im Beweis von 4.3.3 sei

K := {u ∈ Zn | w⊤ · u = 0}.Dann findet sich wegen x− (w⊤ · x) · v ∈ K

Zn = Z · v +K,

und Z · v ∩K = {0}, und die Hinzunahme von v zu einer Basis von K lieferteine Basis von Zn. ©

Satz 4.3.7 Elementarteilersatz

Es seien F eine freie abelsche Gruppe vom Rang n und U ⊆ F eine Untergruppevom Rang r .

Dann gibt es eine Basis {b1, . . . , bn} von F und naturliche Zahlen e1 | e2 | · · · |er, sodass

{e1b1, e2b2, . . . , erbr}eine Basis von U ist.

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106 KAPITEL 4. TEILBARKEITSLEHRE UND PRIMELEMENTE

NB: Dies ist ein ganz passabler Ersatz fur den Basiserganzungsersatz.

Beweis. Ohne Einschrankung durfen wir F = Zn annehmen.

Wir machen wieder vollstandige Induktion, dieses Mal aber nach r . Fur r = 0ist nichts zu zeigen.

Fur r = 1 sei c ein Basisvektor von U und e = Inh(c). Dann ist b1 := c/e einganzzahliger Vektor vom Inhalt 1. Nach dem eben gesehenen lasst er sich also zueiner Basis von Zn erganzen. Das ist die Behauptung.

Es sei r ≥ 2. Dann gibt es ein c1 ∈ U derart, dass Inh(c1) unter den Inhaltenvon Elementen 6= 0 von U minimal ist. Sei e1 der Inhalt von c1. Insbesonderegibt es kein u ∈ U, dessen Inhalt ein echter Teiler von e1 ist.

Wir wahlen ein w ∈ Zn mit w⊤ · c1 = e1. Das Element b1 :=1e1c1 ist primitiv in

Zn , und mit

K := {u ∈ Zn | w⊤ · u = 0}

gilt

U = U ∩ Zn = U ∩ (Z · b1 +K) = Z · c1 + (U ∩K).

Nach Induktionsvoraussetzung gibt es eine Basis {b2, . . . , bn} von K und Zahlene2 | e3 | · · · | er, sodass

c2 := e2b2, . . . , cr := erbr

eine Basis von K ∩ U bilden.

Noch zu zeigen ist nun, dass e1 ein Teiler von e2 ist.

Sei dazu v ∈ Zn mit v⊤ · c2 = e2 gegeben. Das geht, da b2 ja primitiv ist unddaher e2 der Inhalt von c2 = e2b2 ist.

Dann ist aber e1 ein Teiler von v⊤ · c1, und wir ersetzen v durch

v := v − v⊤ · c1e1

w.

Dann gilt fur w und v sogar

w⊤c1 = e1, w⊤c2 = 0, v⊤c1 = 0, v⊤c2 = e2.

Nun sei ggT(e1, e2) = se1 + te2 fur geeignete s, t ∈ Z. Dann folgt

Inh(sc1 + tc2) | (w + v)⊤(sc1 + tc2) = ggT(e1, e2) | e1.

Da aber e1 unter den Inhalten der Elemente von U minimal gewahlt war, folgtInh(sc1 + tc2) = e1, und damit teilt e1 auch e2.

Damit ist der Satz gezeigt. ©

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4.3. GLEICHUNGSSYSTEME 107

Bemerkung 4.3.8 Elementarteiler

Die Zahlen e1, . . . , er aus dem Satz sind eindeutig durch U festgelegt; das sollhier nicht allgemein vorgefuhrt werden. Sie heißen die Elementarteiler von U inF.

Fur e1 sieht man wegen e1 | ei, dass e1 alle Vektoren eibi, 1 ≤ i ≤ r, teilt.Diese aber erzeugen U , und deshalb teilt e1 alle Elemente von U ⊆ F . Aberkeine Zahl, die großer ist als e1 teilt e1b1. Daher ist e1 eindeutig bestimmt alsder großte gemeinsame Teiler aller Elemente von U :

e1 = max{d ∈ N | d−1U ⊆ F}.

Im Fall r = n kann man er durch die folgende Bedingung charakterisieren:

er = min{d ∈ N | dF ⊆ U}.

Der Elementarteilersatz hat auch folgende Formulierung:

Satz 4.3.9 Die Matrixversion

Es sei M ∈ Zn×m eine ganzzahlige Matrix. Dann gibt es unimodulare MatrizenS ∈ GLn(Z), T ∈ GLm(Z), sodass

S−1MT =

(D 00 0

), D = diag(e1, . . . , er), e1 | e2 | · · · | er 6= 0.

Die Nullen hier stehen fur Nullmatrizen der jeweils passenden Große.

Beweis: Wir betrachten die Abbildung Φ : Zm → Zn, die durch Multiplikationmit M gegeben ist. Ihr Bild ist eine Untergruppe U ⊆ Zn, und hier gibt es alsoeine Basis {b1, . . . , bn} ⊂ Zn sowie die zugehorigen Elementarteiler e1 | e2 | · · · |er, sodass eibi, 1 ≤ i ≤ r , eine Basis von U ist. Wir schreiben diese Basisvektorenin dieser Reihenfolge in eine Matrix S, welche dann naturlich unimodular ist.

Wir wahlen Elemente vi ∈ Zm mit M · vi = eibi, 1 ≤ i ≤ r. Da die Bilder dieserElemente eine Basis von U sind, gilt – analog wie wir das schon fur Linearformenzweimal benutzt haben –

Zm = Zv1 + · · ·+ Zvr +Kern(Φ).

Weiter sind v1, . . . , vr linear unabhangig, und nur ihre triviale Linearkombinationliegt im Kern von Φ. Wenn wir nun noch eine Basis {vr+1, . . . , vm} vom Kernvon Φ wahlen, dann ist T = (v1 v2 . . . vm) unimodular und es gilt

MT = (e1b1 e2b2 . . . erbr 0 0 . . . 0) = SE,

wobei E die Elementarteilermatrix auf der rechten Seite der Behauptung ist.©

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108 KAPITEL 4. TEILBARKEITSLEHRE UND PRIMELEMENTE

Bemerkung 4.3.10 Lineare Gleichungssysteme

Der eben gelernte Satz hat fur die Theorie der Linearen Gleichungssysteme uberZ eine ahnliche Bedeutung wie die Gauß-Normalform im Fall von Korpern.

Will man Mx = b losen, so lost man stattdessen

S−1MTy = S−1b,

und rechnet diesen Losungsraum zuruck mithilfe T−1. Dabei ist S−1MTy = S−1bgenau dann ganzzahlig losbar, wenn fur die Eintrage von S−1b = (β1, . . . , βn)

gilt, dass βi = 0 fur i ≥ r + 1 und ei | βi fur 1 ≤ i ≤ r.

Beispiel 4.3.11 Mal eines mit Zahlen

Was sind die Elementarteiler der Matrix

M :=

1 2 34 5 67 8 9

?

Klar, der Rang ist 2 und das Bild der Multiplikation mit M wird von den erstenbeiden Spalten erzeugt. Die erste hat Inhalt 1 und taugt von daher als ersterBasisvektor b1, und e1 = 1. Nun muss der zweite Erzeuger so abgeandert werden,wie es Satz 4.3.7 verlangt, das heißt, wir mussen erst eine Spalte w ∈ Z3 findenmit w⊤ · b1 = 1. Hier konnen wir zum Beispiel den ersten Standardbasisvektorbenutzen. Wir mussen dann die zweite Spalte s2 von M so um ein Vielfachesvon c1 := b1 abandern, dass der neu erhaltene Vektor mit w⊤ Produkt 0 hat.Konkret:

c2 := s2 − (w⊤ · s2) · c1 = (0 − 3 − 6)⊤.

Dann setzen wir

b2 :=

0−1−2

und erhalten e2 = 3. Wir erganzen b1, b2 durch b3 := (0 0 1)⊤ zu einer Basisvon Z3. Andererseits ist c1 = M · (1 0 0)⊤ und c2 = M · (−2 1 0)⊤, und derKern der Multiplikation mit M wird von (1 − 2 1)⊤ erzeugt, womit wir die dreiSpalten der anderen unimodularen Matrix erhalten. Wir sehen:

M ·

1 −2 10 1 −20 0 1

=

1 0 04 −1 07 −2 1

·

1 0 00 3 00 0 0

.

Als Folgerung aus dem Elementarteilersatz ergibt sich die folgende Aussage:

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4.3. GLEICHUNGSSYSTEME 109

Folgerung 4.3.12 Struktursatz fur endlich erzeugte abelsche Gruppen

Jede endlich erzeugte abelsche Gruppe ist ein direktes Produkt von zyklischenGruppen.

Beweis. Es seien A eine endlich erzeugte abelsche Gruppe und S ein endlichesErzeugendensystem von A. Die Anzahl der Erzeuger sei n.

Dann gibt es einen surjektiven Homomorphismus von Zn nach A, der die Stan-dardbasis von Zn auf S schickt. Es sei U der Kern dieses Homomorphismus.Dann ist A isomorph zu Zn/U, und wir mussen nur noch zeigen, dass dieseFaktorgruppe direktes Produkt von zyklischen ist. Dazu seien e1, . . . , er die Ele-mentarteiler von U in Zn und b1, . . . , bn eine Basis von Zn wie im Elementar-teilersatz. Es folgt

Zn/U ∼= Zn/DZn, D = diag(e1, e2, . . . , er, 0, . . . 0).

Per Induktion nach n macht man sich dann klar, dass

Zn/U ∼= Z/e1Z× · · · × Z/erZ× Z× · · · × Z. ©

Folgerung 4.3.13 Einheitengruppen von Korpern

Es sei K ein Korper und G ⊂ K× eine endliche Untergruppe seiner Einheiten-gruppe.

Dann ist G zyklisch.

Beweis. Es sei Π : Zr → G ein surjektiver Gruppenhomomorphismus. So etwasgibt es, da G endlich und kommutativ ist.

Es sei c die Kardinalitat von G

Weiter sei U der Kern von Π. Dann hat U in Zr Index c und wegen 4.3.12Rang r. Wir bezeichnen wie gehabt die Elementarteiler mit e1 | e2 | · · · | er undsehen in 4.3.12, dass

c = e1 · . . . · er.

Fur jedes v ∈ Zr gilt erv ∈ U. Daher gilt fur jedes ζ ∈ G auch ζer = 1, undganz G besteht aus Nullstellen von Xer − 1. Es folgt er ≥ c, und da er auchein Teiler von c ist, mussen die beiden Zahlen gleich sein. Insbesondere sind alleanderen Elementarteiler 1, und es folgt mit dem Beweis von 4.3.12, dass

G ∼= Zr/U ∼= Z/erZ.

Das ist eine zyklische Gruppe. ©

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110 KAPITEL 4. TEILBARKEITSLEHRE UND PRIMELEMENTE

Bemerkung 4.3.14 Nichtlinear?

Wir wissen nun, wie man lineare Gleichungssysteme uber Z recht ubersichtlichlosen kann.

Nun seien allgemeiner P1, . . . , Pm ∈ Z[X1, . . . , Xn] Polynome. Dann ist man in-teressiert an der Menge der ganzzahligen Losungen des Gleichungssystems

Pi(x1, . . . , xn) = 0, 1 ≤ i ≤ m.

Solch ein System ganzzahliger Polynomgleichung heißt eine Diophantische5 Glei-chung. Im Allgemeinen ist es sehr schwer, sinnvolle Aussagen uber die Strukturdes Losungsraums eines solchen Gleichungssystems zu machen.

Man ist an verschiedenen Fragen interessiert:

• Gibt es uberhaupt eine Losung?

• Gibt es unendlich viele ganzzahlige Losungen?

• Wie viele ganzzahlige Losungen (xi) mit max{|xi| | 1 ≤ i ≤ n} ≤ N gibtes?

• Lasst sich die letzte Frage wenigstens asymptotisch in den Griff bekommen?

Naturlich kann es keine ganzzahlige Losung geben, wenn es nicht einmal einereelle gibt. Das lasst sich bisweilen mit Methoden der Analysis ausschließen. ZumBeispiel hat die Gleichung

x2 + y2 = −5

keine Losung in Z2.

Aber nicht immer, wenn es eine reelle Losung gibt, muss es eine ganzzahligegeben. Man denke etwa an die Gleichung x2 + y2 = 3. Deren Unlosbarkeit in Z

sieht man durch Ausprobieren, denn x, y mussten betragsmaßig ≤√3 sein.

Es gibt neben dem Korper der reellen Zahlen noch eine Reihe weiterer Korper, diep -adischen Zahlen (wobei p die Primzahlen durchlauft), die oftmals auch benutztwerden konnen, um die Existenz einer rationalen Losung von Polynomgleichungenauszuschließen. Sie fassen in gewisser Weise Regelmaßigkeiten des Rechnens inRestklassenringen Z/(pn) zusammen, wobei p eine feste Primzahl ist und n allenaturlichen Zahlen durchlauft.

5Diophantos von Alexandria, ca. 250

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4.3. GLEICHUNGSSYSTEME 111

Bemerkung 4.3.15 Schinzels Hypothese

Ein prominentes Beispiel fur die Verquickung von Diophantischen Problemen undFragen nach der Verteilung der Primzahlen ist Schinzels6 Hypothese. Sie sagtfolgendes aus:

Sind P1, . . . , Pm ∈ Z[X ] (nichtkonstante) irreduzible Polynome in einer Variablenmit positiven Leitkoeffizienten, sodass keine Primzahl p alle Werte

P1(k) · . . . · Pm(k), k ∈ Z

teilt, dann gibt es unendliche viele k ∈ Z, sodass alle Werte

P1(k), . . . , Pm(k)

Primzahlen sind.

Im allgemeinen ist hier nichts affirmatives bekannt, was den hypothetischen Cha-rakter dieser Aussage unterstreicht.

Zum Beispiel die Primzahlzwillingsvermutung (P1 = X,P2 = X + 2) ist einSpezialfall hiervon. Oder auch (fur m = 1) die bisher unbewiesene Vermutung,es gebe unendlich viele Primzahlen der Form k2 + 1.

Der popularste Fall, in dem man weiß, dass Schinzels Hypothese zutrifft, istder eines Polynoms der Gestalt aX + b fur teilerfremde naturliche Zahlen a, b.Dann ist Schinzels Hypothese gerade die Aussage, die laut Dirichlets Primzahlsatzzutrifft: es gibt unendlich viele Primzahlen, die bei Division durch a Rest b lassen.

Es gibt auch eine genau quantifizierte Version von Schinzels Vermutung.

Beispiel 4.3.16 Pythagoraische7 Tripel

Eine diophantische Gleichung, bei der man sehr gut Bescheid weiß, soll hier dis-kutiert werde: Die Gleichung x2 + y2 = z2.

Ein pythagoraisches Tripel ist ein von (0,0,0) verschiedenes Tripel (a, b, c) ∈ Z3

mita2 + b2 = c2.

Da die Vorzeichen von a, b, c keine Rolle spielen, konnen wir auch nach a, b, c ∈N0 suchen. Da mit (a, b, c) auch (a/g, b/g, c/g) ein pythagoraisches Tripel ist,wenn g = ggT(a, b, c) gilt, durfen wir a, b, c als teilerfremd voraussetzen, sogarals paarweise teilerfremd, denn ein gemeinsamer Primteiler von zwei beteiligtenZahlen musste auch die dritte teilen.

Wenn a, b beide ungerade sind, dann lasst a2 + b2 bei Division durch 4 Rest 2.Das geht also nicht, denn ein gerades Quadrat ist immer durch 4 teilbar. Wirdurfen annehmen, dass a ungerade und b gerade ist.

6Andrzej Schinzel, geb. 19377Pythagoras von Samos, ca. 580 -500 v.Chr.

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112 KAPITEL 4. TEILBARKEITSLEHRE UND PRIMELEMENTE

Die pythagoraischen Tripel entsprechen via

(a, b, c) 7→ (a/c, b/c)

den rationalen Punkten auf dem Einheitskreis. Diese lassen sich – ausgehend vomPunkt (1, 0) als (der zweite der) Schnittpunkte von Geraden der Gestalt

y = m(x− 1), m ∈ Q,

mit dem Kreis schreiben. Wenn man m = znmit teilerfremden z, n schreibt und

alles ausrechnet, was zu rechnen ist, kommt man auf die folgende Gestalt vonpythagoraischen Tripeln:

Entweder zn ist gerade, dann ist

a = z2 − n2, b = 2zn, c = z2 + n2.

Oder zn ist ungerade, dann ist die teilerfremde Losung (a, b, c) gegeben durch

a = (z2 − n2)/2, b = zn, c = (z2 + n2)/2.

Aber nun ist a gerade und b ungerade, also haben die beiden nur die Rollengetauscht.

Jedes primitive pythagoraische Tripel mit ungeradem a ist von der ersten Gestalt,wobei n < z teilerfremde naturliche Zahlen sind, eine davon gerade, die andereungerade.

Beispiele: (3,4,5), (5,12,13), (7,24,25) sind pythagoraische Tripel.

Viel interessanter als der Fall der Quadriken ist der der kubischen Polynome.Hier landet man schnell bei den elliptischen Kurven, die ein Treffpunkt von Alge-braischer Geometrie, Zahlentheorie, Funktionentheorie und auch Kryptographiesind.

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Kapitel 5

Endliche Korper

5.1 Quadratische Reste

Bemerkung 5.1.1 Die Quadrategruppe

Es sei F ein endlicher Korper mit q Elementen und Charakteristik p > 2. Dannheißt ein Element a ∈ F× ein Quadrat in F, wenn ein b ∈ F existiert mit b2 = a.

Die Menge der Quadrate ist also das Bild der Abbildung

Q : F× → F×, b 7→ b2.

Diese Abbildung ist ein Gruppenhomomorphismus. Der Kern von Q besteht ausallen Elementen, deren Quadrat 1 ist, also aus ±1. Da die Charakteristik nicht2 ist, sind das 2 verschiedene Elemente. Jedes Element im Bild hat also lautHomomorphiesatz genau zwei Urbilder und Q(F×) ∼= F×/{±1} hat genau q−1

2

Elemente.

Definition 5.1.2 Legendre1-Symbol

Es sei p ≥ 3 eine Primzahl. Fur a ∈ Z sei

(a

p

)=

0, falls p | a,1, falls ∃x ∈ Z r pZ : a ≡ x2 (mod p),

−1, sonst.

Das ist das klassische Legendre-Symbol.

Als Variante hiervon sei F ein endlicher Korper ungerader Charakteristik. Dannist ( ·

F

): F → {−1, 0, 1}

1Adrien-Marie Legendre, 1752 - 1833

113

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114 KAPITEL 5. ENDLICHE KORPER

definiert durch die Bedingung

( aF

)=

0, falls a = 0,1, falls a ∈ Q(F×),

−1, sonst.

Das heißt speziell fur a ∈ Z :

(a

p

)=

(a + pZ

Fp

).

Hier werden die Zahlen 0 und ±1 entweder als ganze Zahlen oder als Elementedes endlichen Korpers aufgefasst. Weil dieser ungerade Charakteristik hat, sinddas auch in F drei verschiedene Elemente.

Hilfssatz 5.1.3 Von Euler

a) Es sei F ein endlicher Korper mit ungerader Charakteristik und q Ele-menten. Dann gilt fur a ∈ F :

( aF

)= a

q−1

2 .

b) Analog gilt fur eine ungerade Primzahl p und a ∈ Z :

(a

p

)≡ a

p−1

2 (mod p).

c) Die Abbildung( ·F

): F× → {±1} ist ein Gruppenhomomorphismus.

d) Die Abbildung(

·p

): Z → {0,±1} ist strikt multiplikativ.

Beweis. Es ist klar, wie b) aus a) folgt.

Um a) zu zeigen, sehen wir erst ein, dass genau fur a = 0 auch aq−1

2 = 0 gilt,also nur der Fall a 6= 0 interessant ist.

Wegen des kleinen Satzes von Fermat ist hier aq−1

2 eine Quadratwurzel von 1,also 1 oder −1. Wenn a = b2 ein Quadrat ist, dann folgt a

q−1

2 = bq−1 = 1, wasdie Halfte der Aussage ist.

Wenn a kein Quadrat ist, wahlen wir einen Erzeuger ζ der zyklische Gruppe(siehe 4.3.13) F× und schreiben

a = ζd

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5.1. QUADRATISCHE RESTE 115

mit minimalem d ∈ N. Dieser Exponent d ist ungerade (sonst ware a ein Qua-

drat). Ware nun aq−1

2 = 1, so ware

ζdq−1

2 = 1 = ζq−1.

Da der ggT von d q−12

und q− 1 gerade q−12

ist, ware damit auch ζq−1

2 = 1, wasder Tatsache widerspricht, dass ζ Ordnung q − 1 hat.

c) und d) sind unmittelbare Konsequenzen hieraus, wobei klar sein durfte, wasin d) mit strikt multiplikativ gemeint ist. ©

Folgerung 5.1.4 Vorauseilende Erganzung

Der erste Erganzungssatz zum quadratischen Reziprozitatsgesetz ist gerade derfolgende Spezialfall von Eulers Formel

∀2 6= p ∈ P :

(−1

p

)= (−1)

p−1

2 =

{1, falls p ≡ 1 (mod 4),

−1, falls p ≡ 3 (mod 4).

Definition 5.1.5 Halbheiten

a) Es sei F ein endlicher Korper. Ein Halbsystem in F ist eine Teilmenge H ⊆F×, sodass

H ∩ (−H) = ∅ und F× = H ∪ (−H).

Zum Beispiel bilden die Restklassen von 1, 2, . . . , p−12

ein Halbsystem in Fp, p > 2prim.

b) Es sei H ein Halbsystem in F und a ∈ F×. Dann heißt

f(a,H) := |{h ∈ H | ah 6∈ H}|

die Fehlstandszahl von a bezuglich H.

Zum Beispiel sind fur beliebiges H die Fehlstandszahlen

f(1, H) = 0, f(−1, H) =|F | − 1

2.

Etwas substanzieller ist das folgende Beispiel: Mit dem Halbsystem aus a) giltfur a = 2 + pZ

f(a,H) = |{x ∈ H|2x 6∈ H}| ={

p−14, falls p ≡ 1 (mod 4),

p+14, falls p ≡ 3 (mod 4).

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116 KAPITEL 5. ENDLICHE KORPER

Hilfssatz 5.1.6 Von Gauß

Es seien F ein endlicher Korper mit Charakteristik p > 2, H ⊂ F× ein Halb-system in F und a ∈ F×.

Dann gilt ( aF

)= (−1)f(a,H).

Beweis. Fur h ∈ H sei σ(h) ∈ {±1} das Vorzeichen, fur das σ(h) · ah ∈ Hgilt. Es ist also σ(h) = 1, wenn ah ∈ H liegt, und sonst ist es −1. Es gibt alsof(a,H) Werte fur h ∈ H mit σ(h) = −1.

Daher haben wir wegen Euler( aF

) ∏

h∈Hh = a

q−1

2

h∈Hh =

h∈Hah =

h∈Hσ(h)h = (−1)f(a,H)

h∈Hh.

Das zeigt die Behauptung. ©

Bemerkung 5.1.7 Zweite Erganzung

Das Beispielmaterial aus 5.1.5 b) zeigt, dass fur eine Primzahl p ≥ 3 gilt:

(2

p

)= (−1)

p2−1

8 =

{1, falls p ≡ ±1 (mod 8),

−1, falls p ≡ ±3 (mod 8).

Denn genau fur die p aus der ersten Zeile ist f(2, H) gerade.

Beispiel: 2 ist quadratischer Rest modulo 7, denn 7 teilt 32 − 2 = 7. Es ist keinquadratischer Rest modulo 5. Modulo 17 hingegen schon, denn 17 teilt 62 − 2 =34.

Frage: Kann man diese Folgerung benutzen, um zu zeigen, dass es unendlich vielePrimzahlen gibt, die bei Division durch 8 Rest 1 oder −1 lassen?

Satz 5.1.8 Das quadratische Reziprozitatsgesetz

Es seien p 6= ℓ zwei ungerade Primzahlen. Dann gilt

(pℓ

)·(ℓ

p

)= (−1)

p−1

2· ℓ−1

2 .

Beweis.

Wir arbeiten mit dem Halbsystem H = {1, 2, 3, . . . , p−12} modulo p . Mit f :=

f(ℓ,H) gilt dann(

ℓp

)= (−1)f . Dabei ist

f = |{x ∈ {1, . . . , p− 1

2} ⊆ Z | ∃y ∈ Z : −p

2< ℓx− py < 0}|.

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5.1. QUADRATISCHE RESTE 117

Beh.: Fur solch ein y gilt immer 1 ≤ y ≤ ℓ−12.

Denn: 0 < y ist klar, und andererseits gilt

py < ℓx+p

2<p

2(ℓ+ 1);

Division durch p ergibt y < ℓ+12, und weil ℓ ungerade ist, muss y ≤ ℓ−1

2gelten.

Wir konnen also symmetrischer schreiben

f = |{(x, y) ∈ Z2 | 1 ≤ x ≤ p− 1

2, 1 ≤ y ≤ ℓ− 1

2: −p

2< ℓx− py < 0}|.

Analog gilt (pℓ

)= (−1)f

,

wobei

f ′ = |{(x, y) ∈ Z2 | 1 ≤ x ≤ p− 1

2, 1 ≤ y ≤ ℓ− 1

2: 0 < ℓx− py <

2}|.

Dann wissen wir wegen Gauß:(ℓ

p

)·(pℓ

)= (−1)f+f ′

.

Nun ist aberf + f ′ = |S|,

fur die Menge

S := {(x, y) ∈ Z2 | 1 ≤ x ≤ p− 1

2, 1 ≤ y ≤ ℓ− 1

2mit − p

2< ℓx− py <

2}.

Zu zeigen bleibt noch, dass f + f ′ dieselbe Paritat hat wie p−12

· ℓ−12.

Um das einzusehen, benutzen wir die Abbildung

σ : S → S, σ(x, y) = (p+ 1

2− x,

ℓ+ 1

2− y).

Das ist die Einschrankung der Punktspiegelung am Punkt (p+14, ℓ+1

4) auf die

Menge S . Daher gilt σ2 = IdS, und |S| hat dieselbe Paritat, wie die Anzahl derFixpunkte von σ – alle anderen Punkte lassen sich in disjunkten Zweiergruppchen{P, σ(P )} gruppieren.

Der einzig mogliche Fixpunkt ist aber (p+14, ℓ+1

4), und der liegt genau dann in S ,

wenn sowohl p als auch ℓ modulo 4 zu 3 kongruent sind.

Daher ist |S| ungerade genau dann, wenn p ≡ ℓ ≡ 3 (mod 4), und das zeigt dieBehauptung. ©

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118 KAPITEL 5. ENDLICHE KORPER

Bemerkung 5.1.9 Tratsch

a) Die Einsichten aus 5.1.4 und 5.1.7 heißen die beiden Erganzungen zum qua-dratischen Reziprozitatsgesetz.

b) Schon Legendre hatte das Reziprozitatsgesetz gesehen, aber mit Hilfsmittelnbewiesen, die zu seiner Zeit noch nicht zur Verfugung standen, insbesondere be-nutzte er den Dirichletschen Primzahlsatz. Erst Gauß fertigte gleich einige Be-weise an, die schon zum Entstehungszeitpunkt streng gultig waren.

c) Ausgehend vom quadratischen Reziprozitatsgesetz wurden noch andere Rezi-prozitatsgesetze entwickelt. Zum Einen konnte man statt des Ringes Z naturlicherst einmal andere Ringe verwenden. Fur Fp[X ] zum Beispiel war das Aufgabe9.4 im Sommersemester 2008.

Zum Anderen kann man – wenn der Ring schon großer ist – vielleicht auch ku-bische Potenzreste untersuchen, zum Beispiel in Z[1+

√−32

], oder biquadratischePotenzreste, z.B. in Z[i].

Es entstand eine ganze Industrie, die Reziprozitatsgesetze fabrizierte, bis hinzum kronenden Abschluss: dem Artinschen Reziprozitatsgesetz in der abelschenKlassenkorpertheorie.

In gewisser Weise erhalt unser letzter Satz erst von solch einem hoheren Stand-punkt aus eine Existenzberechtigung.

Erst einmal nehmen wir den Satz als eine Moglichkeit, zusammen mit den mul-tiplikativen Eigenschaften und den Erganzungssatzen Legendre-Symbole zu be-rechnen.

Meistens benutzen wir ihn in der Form

(pℓ

)=

(ℓ

p

)· (−1)

p−1

2· ℓ−1

2 .

Beispiel 5.1.10 Zahlenbeispiele

(111

41

)=

(3

41

)·(37

41

)=

(41

3

)·(41

37

)=

(2

3

)·(

4

37

)= −1.

(113

41

)=

(31

41

)=

(10

31

)=

(2

31

)·(

5

31

)= (−1)

312−1

8 ·(31

5

)= 1.

Tatsachlich ist 202 − 113 = 7 · 41.Fur eine ungerade Primzahl p 6= 5 ist 5 modulo p ein Quadrat genau dann, wennp modulo 5 ein Quadrat ist, also genau dann, wenn p ≡ 1 oder −1 modulo 5gilt, also p ∈ {11, 19, 29, 31, 41, 59, 61, . . .} .

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5.2. RESTKLASSENKORPER 119

Fur eine ungerade Primzahl p 6= 3 ist 3 modulo p ein Quadrat genau dann, wennp modulo 3 ein Quadrat und außerdem 1 modulo 4 ist, oder wenn p modulo 3kein Quadrat aber dafur selbst kongruent 3 modulo 4 ist, wenn es also ±1 modulo12 ist, also p ∈ {11, 13, 23, 37, 47, 59, 61, . . .}.

5.2 Restklassenkorper

Definition 5.2.1 Restklassenkorper

Es seien R ein kommutativer Ring und M ⊂ R ein Ideal, sodass R/M einKorper ist. Dann heißt R/M ein Restklassenkorper von R .

Definition/Bemerkung 5.2.2 Maximale Ideale

a) Es sei R ein kommutativer Ring. Ein Ideal M ⊂ R heißt ein maximales Ideal,wenn M 6= R gilt und außerdem kein Ideal existiert, das echt zwischen M undR liegt.

Das ist also ein maximales Element in der Menge aller von R verschiedenenIdeale.

b) Nun sei I ⊂ R ein beliebiges Ideal. Dann gilt: I ist maximales Ideal genaudann, wenn R/I ein Korper ist.

Denn: Wenn I in R ein maximales Ideal ist, dann ist R/I nicht der Nullring (daI 6= R gilt), und jedes von Null verschiedene Element in R/I ist invertierbar, dafur a ∈ R r I gilt, dass das von I und a erzeugte Ideal gleich R ist (es ist jagroßer als I ), was heißt, dass es x ∈ R und i ∈ I gibt, sodass 1 = xa + i, also

1 + I = (x+ I)(a+ I).

Wenn hingegen R/I ein Korper ist, dann ist I 6= R und fur jedes Ideal Jzwischen I und R gilt:

J/I = {I} oder J/I = R/I,

da es im Korper R/I keine anderen Ideale gibt. Im ersten Fall folgt J = I , imzweiten Fall J = R.

Bemerkung 5.2.3 Konstruktion einiger Korper

a) Es sei F ein Korper. Dann wissen wir schon, dass der Polynomring F [X ]ein Hauptidealring ist. Er ist also nullteilerfrei und jedes Ideal wird von einemPolynom erzeugt, das bis auf Normierung eindeutig ist.

Nun sei I = mF [X ] von einem irreduziblen Polynom m vom Grad d erzeugt.Dann sagt 4.2.8, dass der Faktorring F [X ]/mF [X ] ein Korper ist.

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120 KAPITEL 5. ENDLICHE KORPER

Die Restklasse von X in F [X ]/(m) ist dann eine Nullstelle von m . Wir konnenalso gezielt einen Korper konstruieren, in dem ein gegebenes Polynom eine Null-stelle hat.

Dieser Gedanke wird in der Algebra weiterverfolgt.

b) Der Grad von m heiße jetzt d . In K = F [X ]/(m) wird jedes Element voneinem Polynom reprasentiert, dessen Grad kleiner ist als d. Zwei solche Polynomesind modulo m unterschiedlich. Also ist K ein d -dimensionaler F -Vektorraum.Auch das kann man im Sinne der Algebra ausnutzen.

Bemerkung 5.2.4 Einige endliche Korper

a) Wenn in der gerade gemachten Bemerkung F endlich ist und q Elementehat, dann folgt |K| = qd, und wir erhalten einen neuen endlichen Korper, wennd > 1 .

b) Wer Matrizen liebt kann sich auch ein Modell im Ring der d × d -MatrizenF d×d verschaffen, indem er den kleinsten Teilring betrachtet, der F und dieBegleitmatrix zu m enthalt.

c) Zur Verdeutlichung wird hier ausgehend von F2 ein Korper mit 4 Elementenkonstruiert. Dazu benutzen wir das irreduzible Polynom m = X2+X+1 ∈ F2[X ].Die Restklassen modulo m werden durch 0, 1, X,X + 1 vertreten.

Sei α die Restklasse von X. Dann haben wir die folgenden Verknupfungstafelnin F2[X ]/(m) :

+ 0 1 α α+ 10 0 1 α α+ 11 1 0 α + 1 αα α α + 1 0 1

α + 1 α + 1 α 1 0

,

· 0 1 α α + 10 0 0 0 01 0 1 α α + 1α 0 α α+ 1 1

α+ 1 0 α + 1 1 α

Insbesondere ist das naturlich etwas ganz anderes als Z/4Z. Die Einheitengruppeist zyklisch und wird von α erzeugt.

Nun wollen wir umgekehrt sehen, dass wir alle endlichen Korper als Restklas-senkorper von Fp[X ] erhalten, wenn p die Primzahlen durchlauft.

5.3 Endliche Korper

Hilfssatz 5.3.1 Primkorper, Einheitengruppe

Es sei F ein endlicher Korper. Dann gelten:

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5.3. ENDLICHE KORPER 121

a) Die Charakteristik von F ist eine Primzahl p, und Z/pZ ist ein Teilringvon F .

b) Die Kardinalitat von F ist eine Potenz von p.

c) Die Einheitengruppe von F ist zyklisch.

d) F ist ein Restklassenkorper des Polynomrings Fp[X ].

Beweis. a) Das ist in 3.1.11 enthalten.

b) klar: F ist ja nun ein endlich dimensionaler Fp -Vektorraum.

c) Das ist ein Fall fur 4.3.13.

d) Es sei ζ ∈ F× ein Erzeuger. Die Abbildung

Ψ : Fp[X ] → F,Ψ(f) := f(ζ)

ist ein Homomorphismus von Fp -Algebren. Weiterhin ist fur alle e ∈ Z dasElement ζe = Ψ(Xe) im Bild von Ψ. Da Ψ(0) = 0 gilt und ζ die Gruppeder von 0 verschiedenen Elemente erzeugt, ist Ψ surjektiv, und wir finden dieBehauptung als Konsequenz des Homomorphiesatzes. ©

Definition 5.3.2 Primitives Element, Minimalpolynom

Ein Element ζ ∈ F×, das die Einheitengruppe erzeugt, heißt auch ein primitivesElement von F . Die Anzahl der primitiven Elemente von F ist ϕ(q− 1), wobeiq wieder die Kardinalitat von F ist und ϕ die Eulersche Phi-Funktion.

Der normierte Erzeuger m des Kerns von Ψ im Beweis heißt dasMinimalpolynomvon ζ (uber Fp ).

Es ist offensichtlich irreduzibel, denn Fp[X ]/(m) ist ein Korper (und dann siehe4.2.8).

Bevor wir gezielter nach irreduziblen Polynomen suchen, sammeln wir noch zweiSachverhalte am Wegesrand mit ein.

Bemerkung 5.3.3 Artin2s Vermutung

a) Es ist nun klar, woher in 4.2.5 die Bedingung kommt, dass p ≡ 1 (mod 4).Denn genau in diesem Fall hat ein Erzeuger ζ von F×

p eine durch 4 teilbareOrdnung, und da die Ordnung von −1 genau 2 ist (p ist ja ungerade), muss eseine Potenz von ζ2 sein, also selbst ein Quadrat.

b) Eine noch immer unbewiesene Vermutung von Emil Artin sagt, dass es furjede ganze Zahl a 6= −1, die keine ganze Quadratwurzel in Z hat, unendlichviele Primzahlen p gibt, sodass a+ pZ ein primitives Element in Fp ist.

2Emil Artin, 1898 - 1962

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122 KAPITEL 5. ENDLICHE KORPER

Dies ist fur keine einzige Zahl a bewiesen. Schon der Fall a = 2 ist nicht klar.

Zum Beispiel fur p = 3 ist a = 2 primitiv, die Potenzen sind 21 = 2 und 22 = 4.

Auch modulo 5 und 11 ist 2 primitiv.

Modulo p = 7 sind die Potenzen von 2 gerade 2, 4 und 8 = 1, d.h. 2 erzeugtnur eine Untergruppe vom Index 2 in F×

7 . Ein Erzeuger von F×7 ist zum Beispiel

(die Restklasse von) 5.

Modulo 17 ist die Ordnung von 2 gleich 8, also ist 2 hier nicht primitiv und (letztesBeispiel) modulo 31 ist die Ordnung von 2 gleich 5, also erzeugt 2 modulo 31 nureine Gruppe vom Index 6 in F×

31.

Ein Resultat von Heath-Brown3 sagt unter anderem, dass fur hochstens zweiPrimzahlen als Werte fur a die Artin-Vermutung falsch ist. Solche Ergebnissesehen immer bizarr aus, nicht wahr?

Hilfssatz 5.3.4 Zyklizitat die zweite

a) Es sei p ≥ 3 eine Primzahl und m ∈ N naturlich. Dann ist die Einheiten-gruppe von R := Z/pmZ zyklisch.

b) Fur p = 2 und m ∈ N ist (Z/2mZ)× genau dann zyklisch, wenn m = 1 oder2. Fur m ≥ 3 ist die Einheitengruppe isomorph zu Z/2Z× Z/2m−2Z.

Beweis. Der Begriff Ordnung ist in diesem Beweis immer bezuglich der Multipli-kation gemeint, nicht additiv.

a) Wir zeigen zunachst, dass in R× ein Element ζ der Ordnung p − 1 liegt.Dies gilt, denn es gibt eine ganze Zahl a, die modulo p Ordnung p− 1 hat, unddamit ist die Ordnung modulo pm ein Vielfaches l(p− 1) von p− 1, und al hatOrdnung p− 1 in R×.

Nun sei ρ die Restklasse von 1+p in R× . Es ist klar, dass die Ordnung ein Teilervon pm−1 ist, denn ρ liegt im Kern des surjektiven Gruppenhomomorphismusvon R× nach F×

p , der x+ pmZ nach x+ pZ schickt.

Wir behaupten, dass ρ die Ordnung pm−1 hat.

Fur m = 1 bzw. 2 sieht man sofort, dass die Ordnung von ρ tatsachlich 1 bzw.p ist.

Nun sei m ≥ 3 und die Behauptung fur alle kleineren Werte von m gezeigt. Wirmussen zeigen, dass die Ordnung von (1+ p) modulo pm nicht schon pm−2 teilt.

Aber 1 + p hat modulo pm−1 Ordnung pm−2, und das heißt unter Ausnutzungder Induktionsvoraussetzung fur m− 2 insbesondere auch, dass

(1 + p)pm−3

= 1 + kpm−2 fur ein k 6∈ pZ.

3David Rodney”Roger“ Heath-Brown, geb. 1952

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5.3. ENDLICHE KORPER 123

Dann ist aber

(1 + p)pm−2

= ((1 + p)pm−3

)p = 1 + kpm−1 + rpm,

wobei der Rest rpm alle ubrigen Summanden aus der binomischen Formel auf-sammelt.

Das zeigt die behauptete Ordnung von ρ.

Da R× abelsch ist und ζ und ρ jeweils eine zyklische Untergruppe der Ordnungp−1 bzw. pm−1 erzeugen und diese Ordnungen teilerfremd sind, liegt in R× eineUntergruppe, die zu

Z/(p− 1)Z× Z/pm−1Z

isomorph ist. Diese Gruppe hat (p−1) ·pm−1 Elemente, ist also gleich R×. Nachdem Chinesischen Restsatz ist sie zyklisch, und wir sind fertig.

b) verbleibt als Ubung. ©

Bemerkung 5.3.5 Kreisteilungspolynom

a) Wir behalten die Notation von Hilfssatz 5.3.1 bei.

Wegen des Satzes von Lagrange ist ein Erzeuger ζ von F× eine Nullstelle desPolynoms Xq−1 − 1. Dies ist auch ein ganzzahliges Polynom, und als solcheswollen wir es erst einmal – und dann auch gleich allgemeiner – untersuchen.

b) Es sei also N ∈ N beliebig. Die komplexen Nullstellen von ZN = XN −1 sinddie Zahlen der Gestalt

ck := cos(2πk

N) + i sin(

2πk

N), 1 ≤ k ≤ N.

Fur g = ggT(k,N) ist hierbei ck schon eine Nullstelle von ZN/g, was (siehePartialsummen der geometrischen Reihe) ein Teiler von ZN ist.

Die Idee ist nun, ZN zu modifizieren zu

ΦN :=

∗∏

1≤k≤N

(X − ck),

wobei das Produkt (mit Sternchen) nur noch uber die zu N teilerfremden klauft.

ΦN heißt das N -te Kreisteilungspolynom, sein Grad ist ϕ(N) .

c) Man kann nun offensichtlich ΦN auch rekursiv so gewinnen:

Φ1 = X − 1ΦN = (XN − 1) : (

∏d|N,d<N Φd)

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124 KAPITEL 5. ENDLICHE KORPER

Es ist klar, dass das dieselben komplexen Polynome gibt. Andererseits sieht manhier rekursiv auch, dass die ΦN sogar normierte ganzzahlige Polynome sind, derenkonstanter Term gleich −1 ist fur N = 1, und sonst gleich 1.

Die Polynomdivision geht ganzzahlig auf, da der Leitkoeffizient des Nenners 1 ist.

d) Beispiel: Fur p ∈ P gilt Φp = Xp−1 +Xp−2 + · · ·+X + 1.

Weiter haben wir zum Beispiel Φ4 = X2 + 1,Φ6 = X2 −X + 1 und so weiter.

e) Ohne Beweis halten wir fest, dass ΦN uber Q irreduzibel ist.

Hilfssatz 5.3.6 Nullstellen des Kreisteilungspolynoms

Es sei K ein Korper, dessen Charakteristik kein Teiler von N ∈ N ist.

Dann sind aquivalent:

i) In K× liegt ein Element der Ordnung N.

ii) In K gibt es eine Nullstelle des Kreisteilungspolynoms ΦN .

Beweis.

i) ⇒ ii) Es sei ζ ∈ K× ein Element der Ordnung N. Dann hat XN − 1 die

N paarweise verschiedenen Nullstellen 1, ζ, ζ2, . . . , ζN−1, und diese verteilen sichbrav auf die Faktoren von

XN − 1 =∏

d|NΦd,

also bekommt auch ΦN eine Nullstelle ab.

ii) ⇒ i) Nun sei ζ ∈ K eine Nullstelle von ΦN . Das ist keine mehrfache Nullstelle

von XN − 1, denn aus (X − ζ)2 | (XN − 1) folgt

(X − ζ) | XN − 1

X − ζ= XN−1 + ζXN−2 + ζ2XN−3 + · · ·+ ζN−2X + ζN−1.

Also ware ζ eine Nullstelle des rechten Ausdrucks, der bei Einsetzen von ζ abergerade NζN−1 liefert. Da ζ nicht 0 ist, folgt NζN−1 6= 0, da die Charakteristikvon K kein Teiler von N ist.

Da fur jeden echten Teiler d von N das Produkt ΦN · (Xd − 1) ein Teiler vonXN − 1 ist, haben die zwei Faktoren keine gemeinsame Nullstelle, und deshalbist die Ordnung von ζ großer als d . Sie muss also N sein. ©

Folgerung 5.3.7 Spezialfall von Dirichlets Primzahlsatz

Es sei N ∈ N beliebig.

Dann gibt es unendlich viele Primzahlen p ≡ 1 (mod N).

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5.3. ENDLICHE KORPER 125

Beweis. Ohne Einschrankung sei N > 1.

Fur e ∈ N sei M = (N + e)!

Das N -te Kreisteilungspolynom ΦN ist normiert, ganzzahlig, nichtkonstant undhat konstanten Term 1. Daher ist fur großes e die naturliche Zahl

L := ΦN (M)

zu M teilerfremd (namlich kongruent zu 1 modulo M ) und großer als M .

Es sei p ein Primteiler von L. Dann ist N kein Vielfaches von p, und dieRestklasse von M modulo p ist eine Nullstelle von ΦN in Fp. Nach dem letztenHilfssatz hat diese Restklasse Ordnung N in F×

p . Wegen des Satzes von Lagrangeist also p− 1 ein Vielfaches von N , was nichts anderes heißt als

p ≡ 1 (mod N).

Außerdem ist p großer als M, und da dies fur alle großen e geht, folgt dieBehauptung. ©In 5.3.1 haben wir gesehen, dass die Kardinalitat eines endlichen Korpers immerPotenz einer Primzahl ist. Nun gehen wir den umgekehrten Weg und zeigen:

Hilfssatz 5.3.8 Alle endlichen Korper

Es sei p eine Primzahl und e ∈ N. Dann gibt es einen Korper mit pe Elementenund je zwei solche Korper sind zueinander isomorph.

Beweis. Es sei q = pe und N = q − 1. Dann zerlegen wir das Kreisteilungspoly-nom ΦN in Fp[X ] in irreduzible Faktoren und wahlen einen davon. Er heiße mund habe Grad d .

Dann ist F := Fp[X ]/(mFp[X ]) ein Korper, der pd Elemente enthalt. Außerdemliegt in F eine primitive N -te Einheitswurzel, und es muss q ≤ pd gelten.

Fur die Restklasse ξ von X in F gilt ξq−1 = 1, also ξq = ξ. Da F von Fp undξ als Korper erzeugt wird, folgt aus den binomischen Formeln, und weil in F dieGleichung p = 0 gilt, dass alle Elemente a ∈ F die Gleichung

aq = a

erfullen.

Demnach besteht F aus hochstens q Elementen (Nullstellen eines Polynoms vomGrad q in einem Korper!), was insgesamt |F | = q zeigt.

Wenn F ein weiterer Korper mit q Elementen ist, dann findet sich in ihm aucheine Nullstelle von ΦN , denn die Einheitengruppe ist zyklisch und besteht ausN Elementen. Es folgt dann, dass ΦN uber F in Linearfaktoren zerfallt, alsoauch unser alter Faktor m eine Nullstelle in F besitzt. Das Argument aus 5.3.1d) zeigt dann, dass F zu F isomorph ist. ©

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126 KAPITEL 5. ENDLICHE KORPER

Bemerkung 5.3.9 Noch mehr Galois4felder

Der eindeutig bestimmte Korper mit q = pe Elementen wird oft als Fq notiert,von Informatikern auch gerne als GF (q).

Wenn ζ ∈ Fq ein Element ist und m sein Minimalpolynom uber Fp, dann zerfalltm uber Fq in paarweise verschiedene Linearfaktoren, denn m teilt Xq−X, unddies zerfallt auch.

Die Nullstellen von m sind genau ζ, ζp, ζp2

. . . , ζpd−1

, wenn d der Grad von mist.

Der Automorphismus Frob von Fq, der durch Frob(x) := xp gegeben ist, heißt derFrobenius5automorphismus von Fq. Jeder Automorphismus ist eine Potenz vondiesem. Ist f ∈ Fp[X ] ein Polynom und a ∈ Fq eine Nullstelle von f , so ist auchap = Frob(a) eine Nullstelle von f . (Das ist ein Pendant zur Tatsache, dass mitjeder komplexen Nullstelle eines reellen Polynoms auch die komplex konjugierteZahl eine Nullstelle ist.) Es gilt sogar, dass ein irreduzibles normiertes Polynomf ∈ Fp[X ] vom Grad d immer von der Gestalt

(X − α) · (X − αp) · . . . · (X − αpd−1

)

ist, wobei α irgendeine Nullstelle von f in Fpd bezeichnet. Dass die entspre-chenden Potenzen von α auch Nullstellen sind, wurde gerade gesagt, weiter istαpd = α, da α ∈ Fpd gilt, und die aufgeschriebenen Potenzen sind paarweise

verschieden, denn aus αpa = αpb, 0 ≤ a < b ≤ d− 1, folgt

(αpa)pb−a

= αpa,

also αpa ∈ Fpb−a , aber das Minimalpolynom von αpa ist ja f und hat Grad d,was einen Widerspruch liefert.

Jeder Teilkorper von Fq ist ein”Fixkorper“ einer Potenz von Frob, und auf diese

Art entsprechen die Teilkorper bijektiv den Untergruppen der Automorphismen-gruppe von Fq. Das ist ein Spezialfall des Hauptsatzes der Galoistheorie, denman in der Algebra kennen lernt.

Insbesondere liegt Fpe genau dann in Fpd, wenn e ein Teiler von d ist.

Bemerkung 5.3.10 Noch ein Primzahlsatz

Es sei p eine Primzahl. Fur jedes d ∈ N gibt es nur endlich viele normierteirreduzible Polynome vom Grad d in Fp[X ].

Wie viele?

Es sei Nd ihre Anzahl.

4Evariste Galois, 1811-18325Georg Ferdinand Frobenius, 1849 - 1917

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5.3. ENDLICHE KORPER 127

Fur d = 1 gilt N1 = p , denn die Polynome sind X − a, a ∈ Fp.

Fur d = 2 gilt N2 = p2−p2

, denn hier sind die gesuchten Polynome gerade dieMinimalpolynome der Elemente a ∈ Fp2 rFp , also von der Gestalt (X− a)(X −ap).

Analog ist N3 =p3−p3.

Hingegen findet sich N4 =p4−p2

4, denn hier liefern nur die Minimalpolynome von

a ∈ Fp4rFp2 etwas, und je vier solcher Elemente teilen sich das Minimalpolynom.

Fur allgemeines d hat ein Element in Fpd ein Minimalpolynom uber Fp, dessenGrad t ein Teiler von d ist, denn es liegt dann in Fpt ⊆ Fpd . Je t dieser Elementehaben dasselbe Minimalpolynom. Und jedes irreduzible Polynom vom Grad t | din Fp[X ] hat t Nullstellen in Fpd.

Das zeigt

pd =∑

t|dt ·Nt,

und mit der Mobius-Inversionsformel folgt

Nd =1

d

t|dµ(t)pd/t,

wobei µ die Mobiussche µ -Funktion aus 3.5.2b) ist.

All diese Dinge sind Spezialfalle der sogenannten Riemannschen Vermutung furKurven uber endlichen Korpern, eine Theorie, die im 20. Jahrhundert richtung-weisend fur die arithmetische Geometrie war.

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128 KAPITEL 5. ENDLICHE KORPER

Index

Symbolverzeichnis

〈·〉 2.1.3, 2.2.7 Erzeugnis≤ 2.2.3 Untergruppeδm 3.3.1 Kronecker-(Dirac-)Delta, Basiselement im MonoidringFq 3.1.8, 5.3.9 endlicher Korperϕ 3.1.15 Eulersche ϕ-FunktionΦn 5.3.5 Kreisteilungspolynom(G : H) 2.2.12 GruppenindexG/U 2.4.1 FaktormengeπU 2.4.1 kanonische ProjektionR× 3.1.5 Einheitengruppe des Rings RR[a] 3.3.10 AlgebrenerzeugnisR[M ] 3.3.1 MonoidringR[X ] 3.3.2 PolynomringSd 2.1.4 symmetrische GruppeAbb(D,D) 2.1.2 Abbildungen von D nach DAbb(M,R)0 3.2.2 Abbildungen von M nach R mit endlichem TragerAut(·) 2.1.5, 2.3.6 AutomorphismengruppeAut(A|R) 3.3.8 R-Algebren-Automorphismenchar(R) 3.1.11 Charakteristik von Rdeg(f) 3.3.2 Grad des Polynoms fEnd(·) 2.1.5, 2.3.6 EndomorphismenHom(·, ·) 2.1.5, 2.3.1 Homomorphismensign 2.5.9 SignumStabG(m) 2.5.5 Stabilisator von m unter GSym(·) 2.1.4 symmetrische Gruppeτy,z 2.1.4 TranspositionZ/nZ 2.2.2, 3.1.2 Restklassengruppe oder -ring

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5.3. ENDLICHE KORPER 129

Stichworte

abelsch 2.2.1Algebra 3.3.6alternierende Gruppe 2.5.9arithmetische Funktion 3.5.1Artins Vermutung 5.3.3assoziativ 2.1.1assoziiert 4.1.2auflosbar 2.6.1Automorphismus 2.1.5, 2.3.6Bahn 2.5.5Bahnbilanzformel 2.5.6Basis 4.3.1Charakteristik 3.1.11Chinesischer Restsatz 3.1.14, 4.1.12Diophantische Gleichung 4.3.14Dirichletreihe 3.5.2einfache Gruppe 2.4.6Einheiten 3.1.5Einsetzabbildung 3.3.10Elementarteiler 4.3.8Elementarteilersatz 4.3.7Endomorphismus 2.1.5, 2.3.6Euklidischer Algorithmus 1.1.5Euklidischer Ring 4.1.9Faktorgruppe 2.4.2Faktorraum 2.4.1Faktorring 3.1.12Faltung 3.3.1Fixpunkt 2.5.5freie Gruppe 2.4.7frei abelsche Gruppe 4.3.1freies Monoid 2.4.7Frobeniusautomorphismus 5.3.9Fundamentalsatz derArithmetik 1.2.4, 4.2.3

ganze Gaußsche Zahlen 4.1.11, 4.2.4Grad (Polynom) 3.3.2großter gemeinsamer Teiler 1.1.1, 4.1.4Grothendieckkonstruktion 2.7.3

Gruppe 2.2.1Gruppenerzeugnis 2.2.7Gruppenoperation 2.5.1Gruppenring 3.3.2Halbgruppe 2.1.1Halbsystem 5.1.5Hauptideal 4.1.7Hauptidealring 4.1.7Hauptsatz der Galoistheorie 5.3.9Homomorphiesatz 2.4.3, 3.1.13Homomorphismus 2.1.5, 2.3.1, 3.1.3Ideal 3.1.12Index 2.2.12Inhalt 4.3.5innerer Automorphismus 2.3.9Integritatsbereich 3.1.8inverses Element 2.2.1irreduzibel 4.2.1Isomorphismus 2.1.5, 2.3.6kanonische Projektion 2.4.1Kern 2.3.4, 3.1.3kleinstes gemeinsamesVielfaches 1.1.1

kommutativ 2.1.1, 3.1.1 (Ring)Kommutatorideal 3.3.6kongruent 2.4.1Konjugation 2.3.9Korper 3.1.8Kreisteilungspolynom 5.3.5Legendresymbol 5.1.2Leitkoeffizient 3.3.2linksregular 2.1.6Lokalisierung 3.4.2Magma 2.1.1Magmenerzeugnis 2.1.3maximales Ideal 5.2.2Minimalpolynom 5.3.2Mobius µ-Funktion 3.5.2Modul 3.2.1

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130 KAPITEL 5. ENDLICHE KORPER

Modulerzeugnis 3.2.4modulo 2.4.1Monoid 2.1.1Monoidring 3.3.1multiplikative arithm. Fkt. 3.5.1multiplikatives System 3.4.2Nebenklasse 2.4.1Neutralelement 2.1.1Normalteiler 2.3.10Nullstelle 3.3.11nullteilerfrei 3.1.8Orbit 2.5.5Ordnung 2.2.9p-adische Bewertung 1.2.7p-Gruppe 2.6.1p-Sylowgruppe 2.6.1Polstelle 3.4.2Polynomring 3.3.2Potenzreihe 3.3.14Primelement 4.2.1Primideal 4.2.9primitiv(er Vektor) 4.3.5primitives Element 5.3.2Primzahl 1.2.1Primzahlsatz 1.3.6pythagoraische Tripel 4.3.16Quadrate 5.1.1quadratisches Reziprozitatsgesetz 5.1.8Quotientenkorper 3.4.1Rang einer frei abelschen Gruppe 4.3.2rationale Funktionen 3.4.2

Restklassenkorper 4.2.8Ring 3.1.1Satz -uber endliche erzeugteabelsche Gruppen 4.3.12

von Cayley 2.5.3von Fermat (kleiner) 1.2.8von Lagrange 2.2.11von Sylow 2.6.2 f.

Schinzels Hypothese 4.3.15Signum 2.5.9Stabilisator 2.5.5Strukturmorphismus 3.3.6Sylowgruppe 2.6.1symmetrische Gruppe 2.1.4Teiler 1.1.1, 4.1.1teilerfremd 1.1.1, 4.1.4Teilring 3.1.7transitiv 2.5.5Transposition 2.1.4triviale Gruppe 2.2.2trivialer Homomorphismus 2.1.6unimodulare Matrizen 4.3.4Untergruppe 2.2.3Untermagma 2.1.3Untermonoid 2.1.3Untermodul 3.2.4Vielfaches 1.1.1Zentrum 2.3.9Zykel 2.5.8zyklische Gruppe 2.2.7