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V or 200 Jahren, am 29. November 1803, wurde der Entdecker des Doppler-Effektes geboren. Um Haaresbreite wäre es eine amerikanische Entdeckung geworden. Der Buchhalter der Baumwollspinnerei Wachtl & Co. in Bruck an der Leitha war verzweifelt. Da hatte er nun höhere Mathematik, Me- chanik und Astronomie studiert, doch niemand hatte ihm eine Stelle angeboten, die seiner Ausbildung entsprach. Der junge Christian Andreas Doppler sah keine Möglichkeit, in der Österreich-Un- garischen Monarchie eine Anstellung zu bekommen, ja selbst in ganz Europa schien die Lage für ihn recht aussichtslos. Wozu hatte er neben den klassischen Sprachen auch Italienisch, Französisch und Eng- lisch gelernt? Sollte er sein Glück in Ame- rika suchen, wie damals viele junge Leute? Er hatte schon mit dem amerikanischen Konsul in München Kontakt aufgenom- men, doch im letzten Augenblick zeigte eine technische Fachhochschule in Prag Interesse. Bei einer Prüfung mit anschlie- ßender Probevorlesung schnitt er als Bes- ter ab. Im März 1835 kam er nach Prag, in die Stadt, in der er seine wissenschaftlich erfolgreichsten Jahre verbringen sollte. Er lehrte höhere Mathematik, schrieb ein Lehrbuch und hielt auch Vorlesungen an der Prager Technischen Hochschule, die ihn schließlich im Jahre 1841 zum Pro- fessor berief. In dieser Zeit lernte Doppler den Mathematiker und Philosophen Bern- hard Bolzano kennen, der damals einer der bekanntesten Gelehrten in Prag war. Doppler soll damals von neuen Ideen nur so gesprüht haben. Viele stellten sich als Irrtümer heraus. Aber das gehörte wohl zum Genie Doppler. Man sagt, dass auch Faraday seine Sätze zur Elektrizi- tätslehre niemals gefunden hätte, wenn er mit der Mathematik besser vertraut ge- wesen wäre. Das gilt wohl auch für Doppler. Er war kein Mathematiker, er machte keine Experimente und auch kei- ne astronomischen Beobachtungen. Ver- mutlich hat er nicht einmal die wissen- schaftliche Literatur sorgfältig studiert. Aber gerade deshalb konnte er unkon- ventionelle Fragen stellen, und vielleicht erklärt das, wie er auf die Gedanken kam, die er in einer Abhandlung zusammen- fasste und am 25. Mai 1842 der naturwis- senschaftlichen Sektion der königlich- böhmischen Gesellschaft der Wissen- schaften in Prag vorlegte: »Über das farbi- ge Licht der Doppelsterne und einiger an- derer Gestirne des Himmels«. Darin sagte er die Erscheinung voraus, die noch heute den Namen Doppler-Effekt trägt. Er führte einen Umschwung im Denken der Astronomen herbei, ihm verdanken wir unser Wissen von der Expansion des Weltalls. Er zeigt uns die Landschaften un- ter den undurchsichtigen Wolken der Ve- nus. Er verrät uns, dass viele Röntgen- quellen um andere Sterne kreisen. Von ihm wissen wir, wie sich die Materie auf der Sonnenoberfläche bewegt, und wie die Fix- sterne das Galaktische Zentrum um- kreisen. Ja selbst bei der Entdeckung der Spiralstruktur unseres Milchstraßensys- tems hat der Doppler-Effekt Pate gestanden und ohne ihn wüssten wir nichts von Pla- neten, die ihre Bahnen um andere Sonnen ziehen. Dabei hatte Dopplers Arbeit in wei- ten Kreisen der Wissenschaft, vor allem bei den Astronomen, Protest ausgelöst, und das nicht einmal zu Unrecht. Die Farben der Sterne Vergegenwärtigen wir uns den Stand der Optik zu Dopplers Zeiten: Noch immer war nicht endgültig entschieden, was Licht eigentlich ist. Sind es Wellen, die sich in einem Medium ausbreiten wie Schall in der Luft? Dass Licht Wellenei- genschaften besitzt, hatte schon 1801 der englische Arzt und Physiker Thomas Young nachgewiesen. Doppler beklagte, dass in der Diskussion des Für und Wider niemand die Konsequenzen der Wellen- hypothese genauer studiert hätte. Eine 34 STERNE UND WELTRAUM November 2003 Ein Genie hat Geburtstag VON RUDOLF KIPPENHAHN Der Doppler-Effekt spielt in der modernen Astronomie eine zentra- le Rolle. Sein Entdecker, vor 200 Jahren geboren, hatte seine eige- nen Schwierigkeiten mit diesem Phänomen. Didaktisches Material zum Doppler-Effekt: www.wissenschaft-schulen.de GESCHICHTE Die (schwarzen) Spektrallinien im Spektrum eines Stern (oberer Streifen) verschieben sich zum roten Ende des Spektrums hin, wenn sich der Stern von uns weg bewegt (zweiter Streifen). Da- runter zwei Grautonbilder von Galaxienspektren. Die beiden Li- nien im blauen Spektralbereich stammen von den Atomen des Ele- ments Kalzium und sind in den aufgenommenen Spektren nach rechts verschoben. Der dritte Strei- fen zeigt das Spektrum einer Ga- laxie, die sich mit 1200 km/s von uns entfernt, die Galaxie des vier- ten Streifens mit 15000 km/s.

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Vor 200 Jahren, am 29. November1803, wurde der Entdecker desDoppler-Effektes geboren. Um

Haaresbreite wäre es eine amerikanischeEntdeckung geworden. Der Buchhalterder Baumwollspinnerei Wachtl & Co. inBruck an der Leitha war verzweifelt. Dahatte er nun höhere Mathematik, Me-chanik und Astronomie studiert, dochniemand hatte ihm eine Stelle angeboten,die seiner Ausbildung entsprach. Derjunge Christian Andreas Doppler sahkeine Möglichkeit, in der Österreich-Un-garischen Monarchie eine Anstellung zubekommen, ja selbst in ganz Europa schien

die Lage für ihn recht aussichtslos. Wozuhatte er neben den klassischen Sprachenauch Italienisch, Französisch und Eng-lisch gelernt? Sollte er sein Glück in Ame-rika suchen, wie damals viele junge Leute?Er hatte schon mit dem amerikanischenKonsul in München Kontakt aufgenom-men, doch im letzten Augenblick zeigteeine technische Fachhochschule in PragInteresse. Bei einer Prüfung mit anschlie-ßender Probevorlesung schnitt er als Bes-ter ab. Im März 1835 kam er nach Prag, indie Stadt, in der er seine wissenschaftlicherfolgreichsten Jahre verbringen sollte. Erlehrte höhere Mathematik, schrieb einLehrbuch und hielt auch Vorlesungen ander Prager Technischen Hochschule, dieihn schließlich im Jahre 1841 zum Pro-fessor berief. In dieser Zeit lernte Dopplerden Mathematiker und Philosophen Bern-hard Bolzano kennen, der damals einerder bekanntesten Gelehrten in Prag war.

Doppler soll damals von neuen Ideennur so gesprüht haben. Viele stellten sichals Irrtümer heraus. Aber das gehörtewohl zum Genie Doppler. Man sagt, dassauch Faraday seine Sätze zur Elektrizi-tätslehre niemals gefunden hätte, wenn ermit der Mathematik besser vertraut ge-wesen wäre. Das gilt wohl auch fürDoppler. Er war kein Mathematiker, ermachte keine Experimente und auch kei-

ne astronomischen Beobachtungen. Ver-mutlich hat er nicht einmal die wissen-schaftliche Literatur sorgfältig studiert.Aber gerade deshalb konnte er unkon-ventionelle Fragen stellen, und vielleichterklärt das, wie er auf die Gedanken kam,die er in einer Abhandlung zusammen-fasste und am 25. Mai 1842 der naturwis-senschaftlichen Sektion der königlich-böhmischen Gesellschaft der Wissen-schaften in Prag vorlegte: »Über das farbi-ge Licht der Doppelsterne und einiger an-derer Gestirne des Himmels«. Darin sagteer die Erscheinung voraus, die noch heuteden Namen Doppler-Effekt trägt.

Er führte einen Umschwung im Denkender Astronomen herbei, ihm verdankenwir unser Wissen von der Expansion desWeltalls. Er zeigt uns die Landschaften un-ter den undurchsichtigen Wolken der Ve-nus. Er verrät uns, dass viele Röntgen-quellen um andere Sterne kreisen. Von ihmwissen wir, wie sich die Materie auf derSonnenoberfläche bewegt, und wie die Fix-sterne das Galaktische Zentrum um-kreisen. Ja selbst bei der Entdeckung derSpiralstruktur unseres Milchstraßensys-tems hat der Doppler-Effekt Pate gestandenund ohne ihn wüssten wir nichts von Pla-neten, die ihre Bahnen um andere Sonnenziehen. Dabei hatte Dopplers Arbeit in wei-ten Kreisen der Wissenschaft, vor allem beiden Astronomen, Protest ausgelöst, unddas nicht einmal zu Unrecht.

Die Farben der SterneVergegenwärtigen wir uns den Stand derOptik zu Dopplers Zeiten: Noch immerwar nicht endgültig entschieden, wasLicht eigentlich ist. Sind es Wellen, diesich in einem Medium ausbreiten wieSchall in der Luft? Dass Licht Wellenei-genschaften besitzt, hatte schon 1801 derenglische Arzt und Physiker ThomasYoung nachgewiesen. Doppler beklagte,dass in der Diskussion des Für und Widerniemand die Konsequenzen der Wellen-hypothese genauer studiert hätte. Eine

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Ein Genie hat GeburtstagVON RUDOLF KIPPENHAHNDer Doppler-Effekt spielt in der modernen Astronomie eine zentra-

le Rolle. Sein Entdecker, vor 200 Jahren geboren, hatte seine eige-nen Schwierigkeiten mit diesem Phänomen.

Didaktisches Material zumDoppler-Effekt: www.wissenschaft-schulen.de

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Die (schwarzen) Spektrallinienim Spektrum eines Stern (obererStreifen) verschieben sich zumroten Ende des Spektrums hin,wenn sich der Stern von uns wegbewegt (zweiter Streifen). Da-runter zwei Grautonbilder vonGalaxienspektren. Die beiden Li-nien im blauen Spektralbereichstammen von den Atomen des Ele-ments Kalzium und sind in denaufgenommenen Spektren nachrechts verschoben. Der dritte Strei-fen zeigt das Spektrum einer Ga-laxie, die sich mit 1200 km/s vonuns entfernt, die Galaxie des vier-ten Streifens mit 15000 km/s.

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dieser Konsequenzen führt er in seinerAbhandlung vor.

Wir können den Effekt heute leicht be-obachten. Wenn die Hupe eines vorbei-fahrenden Autos Schallwellen aussendet,so hören wir den Ton nur dann richtig,wenn die Tonquelle in Ruhe ist. Bewegtsich das Auto auf uns zu, so erscheint unsder Ton höher, bewegt es sich von unsweg, so ist er tiefer. Im Straßenverkehrmerken wir ihn, wenn der Unfallwagenmit Martinshorn in der Gegenrichtung anuns vorbeifährt. Doch zu Dopplers Zeitenwar die Welt langsam. Das schnellste Fahr-zeug war die damals gerade erst in Betriebgenommene Eisenbahn. Tatsächlich prüf-te nur drei Jahre nach Dopplers Ver-öffentlichung der holländische PhysikerChristoph H. D. Buys-Ballot den Dopp-

lereffekt an der Eisenbahnstrecke vonUtrecht nach Marsden. Ein Trompeterstand auf einem offenen Eisenbahnwagenund mehrere Musiker mit guten Ohrenstanden am Bahndamm. Das Experimentwar nicht leicht, denn der Lärm derLokomotive störte. Doch die Beobachteran der Strecke hörten den Ton tatsächlichgenau so verfälscht, wie es DopplersFormeln vorhersagten. Als sorgfältigerExperimentator wiederholte Buys-Ballotdas Experiment mit den Musikern im Zugund dem Trompeter am Bahndamm. DasErgebnis war das gleiche. Dopplers Effektgilt auch für Licht, das ja aus in regelmä-ßigen Abständen ausgesandten elektri-schen und magnetischen »Wellenbergen«besteht, die sich mit Lichtgeschwindigkeitdurch den Raum bewegen. Der Abstand

zwischen ihnen ist die Wellenlänge. UnserAuge empfindet sie als Farbe: Lang-welliges Licht erscheint uns rot, kurzwel-liges blau. Wenn ein Beobachter Licht voneiner sich von ihm entfernenden Licht-quelle empfängt, kommen die einzelnenWellenberge in kürzeren Abständen an,als sie ausgesandt worden sind. Die Wel-lenlänge des ankommenden Lichtes istkürzer. Bewegt sich die Lichtquelle vomBeobachter weg, so erscheint die Wellen-länge des ankommenden Lichtes länger.

Dopplers IrrtumDie Sterne zeigen verschiedene Farben.Der Stern Beteigeuze im Orion ist rötlich,zahlreiche Sterne in der Nähe des Orion-nebels erscheinen weiß oder fast blau.Doppler meinte, das könne nur von ihrer

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Abb. 1: Christian Doppler (1803–1853)

Abb. 2: Christoph H. D. Buys-Ballot (1817–1890)

Abb. 4: In Wahrheit senden dieSterne Licht über einen breitenBereich des Spektrums aus. DieDopplerverschiebungen änderndie Farben der Sterne nur ge-ringfügig, denn immer erhaltenwir Licht im Gesamtbereich desvom Auge wahrnehmbaren Lich-tes.

Abb. 3: Wie sich Doppler denDoppler-Effekt vorstellte: Sternestrahlen nur in einem schmalenSpektralbereich. Weder ultravio-lettes (UV) noch infrarotes Licht(IR) wird ausgesandt (oben).Wenn der Stern ruht, nehmen wiralle Farben seines Spektrumswahr (links). Bewegt er sich aufuns zu, nehmen wir nur kurzwelli-ges (Mitte), bewegt er sich vonuns weg, nur langwelliges Lichtwahr (rechts).

1000 10000Wellenlänge [Å]

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100000

UV IR UV IR UV IR

Was vomSternkommt

Was dasAugewahr-nehmenkann

Was wirvom Sternsehen

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Geschwindigkeit herrühren. Die blauenSterne fliegen auf uns zu, die roten vonuns weg.

Beim Versuch, die Fluchtgeschwindig-keit zu bestimmen, bei der ein Stern roterscheint, unterlag Doppler einem ent-scheidenden Irrtum. Er hatte eben diewissenschaftliche Literatur seiner Zeitnicht systematisch verfolgt und nahm an,ein Stern wie die Sonne würde aus-schließlich sichtbares Licht abstrahlen,also Licht, dessen Wellenlänge vom Blau-en bis zum Roten reicht (Abb. 3). DasSpektrum der Sonne hatte bei ihm zweischarfe Kanten, eine im kurzwelligen undeine im langwelligen Bereich. SeinerMeinung nach wird Strahlung mit Wel-lenlängen kürzer als 4000 Angström undlänger als 6500 Angström weder von derSonne noch von den Sternen ausgesandt.Er hätte es besser wissen müssen, dennschon im Jahre 1800 hatte William Her-schel das infrarote Licht der Sonne ent-deckt und nur ein Jahr später fand derPhysiker Johann Wilhelm Ritter ihre Ul-traviolettstrahlung (Abb. 4).

Kehren wir nun zu Dopplers Überle-gungen zurück und stellen uns vor, einStern bewege sich mit großer Geschwin-digkeit von uns weg. Dann verschiebt sichdas blaue Sternlicht zu Wellenlängen, diewir als rot empfinden, während kein Lichtin den Bereich des sichtbaren Lichtes fällt,das wir blau empfinden. Also erscheint unsder Stern rot. Entsprechendes gilt, wennsich der Stern auf uns zu bewegt. Alle Wel-

lenlängen erscheinen uns kürzer, das roteLicht des Sterns würde für uns blau, seinblaues Licht würde so kurzwellig werden,dass es aus dem sichtbaren Bereich desSpektrums rutscht. Der Stern erschieneuns blau. Allerdings müsste sich in beidenFällen der Stern relativ zu uns sehr raschbewegen, vielleicht mit einem Viertel derLichtgeschwindigkeit. Das rief damals dieAstronomen auf den Plan, die nunmehrteils aus berechtigten, teils aus unberech-tigten Gründen gegen die von Doppler auf-gestellte These opponierten. Vor allem derdurch seine Mondbeobachtungen bekann-te Direktor der Sternwarte in Dorpat Jo-hann Heinrich Mädler (1794 – 1874) hieltihm vor, dass die Geschwindigkeiten derSterne wesentlich kleiner sind. Die Sonnebewegt sich mit 250 km/s in unseremMilchstraßensystem. In Doppelsternentreten Umlaufgeschwindigkeiten um die1000 km/s auf. Von größeren Geschwin-digkeiten war damals nichts bekannt.

Dopplers Fehler lag in der Annahme,die Sterne würden nur sichtbares Lichtaussenden. Bewegt sich der Stern auf unszu oder von uns weg, dann schiebt sich inWahrheit niemals eine Kante in den sicht-baren Bereich, jenseits der es keineStrahlung mehr gibt. Statt dessen tritt dieursprünglich unsichtbare Infrarot- oderUltraviolettstrahlung in den sichtbarenBereich des Spektrums. In den letztenJahren des 19. Jahrhunderts schrieb derPotsdamer Astronom Julius Scheiner:»Die Gesamtheit des Lichtes wird nicht

geändert, da aus dem ultraroten oder ul-travioletten Teil des Spektrums stets Er-satz der durch die Bewegung verändertenStrahlung stattfindet.«

Christian Doppler war von seiner ur-sprünglichen Idee nicht abzubringen. Biszu seinem Tod 1852 war er überzeugt,dass die Farben der Sterne von ihrer Ge-schwindigkeit bestimmt werden. Heutewird in der Astrophysik der Doppler-Ef-fekt an den Spektrallinien gemessen. Ob-wohl man die Spektrallinien im Sonnen-licht bereits seit 1802 kannte, hat sichDoppler nie auf sie bezogen. Es war derfranzösische Physiker Armand H. L. Fi-zeau, der im Jahre 1848 darauf hinwies,dass der Dopplereffekt auch die Wellen-länge der Spektrallinien verschiebt.Doppler hat dies nie zur Kenntnis genom-men. Für die Astronomen war erst das dergroße Schritt zur praktischen Anwen-dung. Nunmehr konnten sie im WeltallGeschwindigkeiten direkt messen.

Doppler erhielt zahlreiche Ehrungen,wurde Mitglied mehrerer angesehenerAkademien und Ehrendoktor der PragerUniversität. Gleichzeitig verschlechtertesich sein Gesundheitszustand und ermusste seine Lehrverpflichtungen ein-schränken. Anfang des Jahres 1850 er-hielt er den Ruf zum Professor für Experi-mentalphysik in Wien und wurde damitauch Direktor des dortigen Instituts fürPhysik. Im November 1852 reiste er nachVenedig, in der Hoffnung sein Lun-genleiden, das ihn seit seiner Prager Zeitquälte, zu heilen. Doch vier Monate spä-ter starb er an einem Blutsturz.

Einer von Dopplers Schülern wurde alsPhysiker berühmt, Ernst Mach (1838 –1916). Von einem anderen wissen die We-nigsten, dass er einige Zeit bei Doppler ge-lernt hat: Der Mönch Gregor Mendel(1822–1884), der Erbsenzähler aus Brünn,dessen statistische Untersuchungen dieGrundlagen der Genforschung lieferten.

Eigentlich doch kein IrrtumDas expandierende Weltall hat uns in denletzten Jahren eine Überraschung be-schert. Dopplers Gedanken über die Far-

36 STERNE UND WELTRAUM November 2003

Abb. 5: Im extrem ultraviolettenLicht besitzen die Sternspektrendie nach Lyman benannte Kanteim Bereich von 911 Angström.Bei einer Fluchtgeschwindigkeitvon 95 % der Lichtgeschwindig-keit schiebt der Dopplereffektdiese Kante mitten in den Bereichdes sichtbaren Lichtes. Wir sehennur langwelliges, also rotes Licht.Der Doppler-Effekt lässt die Gala-xien rot erscheinen.

1000 10000Wellenlänge [Å]

100000 1000 10000Wellenlänge [Å]

100000

UV IR UV IR

Was vomStern kommt

911 Å

Was dasAuge wahrneh-men kann

Was wir vomStern sehen

Der Dopplereffekt bei Brieftauben

Der Vorsitzende des Vereins der Brieftaubenzüchter geht auf die Reise und ver-spricht seiner Familie, täglich einmal zu schreiben und dazu in 24-stündigem Ab-stand jeweils eine Taube loszulassen. Seine Tauben kommen dann, während er sichimmer weiter von den Seinen entfernt, in größerem Abstand an, denn jedes Tier hateinen längeren Weg zurückzulegen als sein Vorgänger. Während er am Zielort ver-weilt, kommen die Tiere alle im 24-stündigen Abstand an, ist er aber auf dem Nach-hauseweg, so kommen sie in kürzerem Abstand zurück, denn jedes Tier hat einenkürzeren Weg zurückzulegen als sein Vorgänger. Was für Brieftauben gilt, das istauch für die in gleichem Zeitabstand ausgesandten Schallverdichtungen in der Luftund für die elektromagnetischen »Wellenberge« des Lichtes richtig.

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ben der Sterne sind nicht völlig irrig: Wirwissen, dass das Licht der Sterne nachdem kurzwelligen Licht hin zwar keineKante von der von Doppler angenomme-nen Art zeigt, denn an das blaue Lichtschließt sich nahtlos die für uns unsicht-bare Ultraviolettstrahlung an, da ist keineKante. Aber solch eine Kante gibt es an ei-ner anderen Stelle des Spektrums. Das in-terstellare Gas besteht hauptsächlich ausWasserstoff im Grundzustand. Das heißt,das Elektron des Wasserstoffatoms um-läuft den Atomkern auf der innerstenBahn. Extrem kurzwelliges und daherenergiereiches Licht kann das Elektrondem Kern entreißen. Die energiereichenLichtquanten jedes Sterns einer fernenGalaxie treffen dort auf Wasserstoffato-

me, schlagen mit ihrer Energie die Elek-tronen ab und gehen dabei verloren. Esexistiert also im Spektrum des von Gala-xien kommenden Lichtes eine Kante. Sieliegt bei sehr viel kürzeren Wellenlängenals die von Doppler irrtümlich angenom-mene Kante am blauen Ende des sichtba-ren Bereiches (Abb. 5). Anders als zuDopplers Zeiten kennen wir heute auchhohe Geschwindigkeiten. Wenn sich eineGalaxie mit mehr als 95 % der Lichtge-schwindigkeit von uns weg bewegt,rutscht diese Kante, die nach dem ameri-kanischen Physiker Theodore Lyman(1974–1954) die Lyman-Kante heißt, mit-ten in das sichtbare Spektrum. Dann ge-schieht genau das, was Doppler vermutethatte: Die mit dem Weltraumteleskop

HUBBLE aufgenommenen fernsten Galaxi-en sind tatsächlich rot (Abb. 6) – hätteChristian Doppler das doch erleben kön-nen!

Den Dopplereffekt nutzen auch dieMediziner. Ultraschall von 5 Megahertz,der vom Blut in den Adern reflektiertwird, gestattet, die Geschwindigkeit desBlutstromes zu messen. Der Doppleref-fekt der von einem Fahrzeug reflektiertenRadarstrahlung lässt die Raser auf derAutobahn erkennen und die Blitzlichtka-mera auslösen. Irgendwie ist es erhebendzu wissen, dass ich meine Punkte inFlensburg einer so hochinteressanten Na-turerscheinung verdanke. □

37..STERNE UND WELTRAUM November 2003 ..

Rudolf Kippenhahn,Astronom und Schrift-steller.

Abb. 6: Eine der entferntestenmit dem Weltraumteleskop HUBBLE

aufgenommenen Galaxien er-scheint dank des Dopplereffek-tes, als roter Punkt.

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