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sophokles ÖDIPUS AUF KOLONOS an einem späten nachmittag betritt ödipus an antigones hand den schauplatz der handlung, die hügel von kolonos hippios bei athen, den geburtsort des über neunzigjährigen sophokles, und verläßt i hn noch vor anbruch der nacht; währenmd di e reden draußen immer lauter werden, singt die nachtigall im inneren des unbetretbaren eumenidenhains und schweigt bur, als gewitter und erdbeben das verschwinden des ödipus ankündigen sicher zum entsetzen des chors nennt polyneikes die rachegöttinnen bei ihrem verbotenen namen: er i n ny e n und nicht eumeni den, wie sie in dieser gegend vorsichtshalber heißen gleich zu beginn, auf dem weg zum verbotenen sitz, stößt ödipus, wie geweissagt, an die umgrenzung des heiligtums; verschwiegener als sonst ist der hinweis darauf in die leicht gereizte wechselrede eingelassen, mit welcher, nach einer denkbar knappen exposition, der schon von anderen autoren als erstaunlich und wunderbar gerühmte handlungsablauf einsetzt; schritt für schritt wird der todbereite ödipus in die soeben verlassene welt zurück, wird, in beispielloser steigerung, der angeborne zorngeist aus ihm herausgetrieben; die exemplarische reinigung beginnt mit dem scherz, den sich der vielwissende mit dem wächter erlaubt (der von k ol on o s, dem siedler schlechthin, das ältere wort für hügel herleitet und darüber di e bedeutung g r a b h ü g e l tapfer vergi ßt) und endet mi t der furchtbaren verfluchung des sohns durch den vater daß mythen kollektive träume sind, ist inzwischen erwiesen; schon theseus sah es, die hand vor augen: die fabelvon ödipus und seinen kindern als verkleinertes abbild, als propheti scher spiegel einer noch nicht zu ende gegangenen geschichte; was dort vorging, steht bevor die in den staub gesäten drachenzähne des kadmos, aus denen entzweite männer wuchsen, ist erneut aufgegangen; argos und theben, eigentumsmythos und gesellschaftsutopie liegen sich vernichtungsbereit gegenüber; bis an die zähne gerüstet; ausgestattet mit zweierlei recht, schief durch parteiisches denken auf der überfahrt nach kalaurea zu den ruinen von athen hebt hyperion die ,wundergroße that des theseus’ die freiwillige beschränkung seiner königlichen gewalt’ hervor; so zeichnet auch sophokles den mythischen helden und gründer des attischen bundes als reales vorbild eines republikanischen herrschers; ihm gegenüber stehen kreon und polyneikes – der eine als zweck- verblendeter, überbefugter parteifunktionöär, der andre als phänotyp des paranoiden führers; i m chor der verwaltung dagegen gibt der dichter eine phänomenologie des mittelmäßigen; dieser agiert, von den l yri schen l iedern abgesehen, unselbständig, schwankend und herzlos; sein gegenbild ist nicht theseus, sondern das blindenkind, die gegenw el tl i che, königliche antigone; sie ist es auch, die ihm zum schluß über den uneigentlich redenden mund fährt 1 2

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sophoklesÖDIPUS AUF KOLONOS

an einem späten nachmittag betritt ödipus an antigones hand denschauplatz der handlung, die hügel von kolonos hippios beiathen, den geburtsort des über neunzigjährigen sophokles, undverläßt ihn noch vor anbruch der nacht; währenmd die redendraußen immer lauter werden, singt die nachtigall im innerendes unbetr et baren eumenidenhains und schweigt bur, alsgewitter und erdbeben das verschwinden des ödipus ankündigen

sicher zum entsetzen des chors nennt polyneikes dierachegöttinnen bei ihrem verbotenen namen: er i nnyen undnicht eumeni den, wie sie in dieser gegend vorsichtshalberheißen

gleich zu beginn, auf dem weg zum verbotenen sitz, stößt ödipus,wie geweissagt, an die umgrenzung des heiligtums;verschwiegener als sonst ist der hinweis darauf in die leichtgereizte wechselrede eingelassen, mit welcher, nach einerdenkbar knappen exposition, der schon von anderen autoren alsers taunl i ch und w underbar gerühmte handlungsablaufeinsetzt; schritt für schritt wird der todbereite ödipus in diesoeben verlassene welt zurück, wird, in beispielloser steigerung,der angeborne zorngeist aus ihm herausgetrieben; dieexemplarische reinigung beginnt mit dem scherz, den sich dervielwissende mit dem wächter erlaubt (der von k ol onos, demsiedler schlechthin, das ältere wort für hügel herleitet und

darüber die bedeutung grabhügel tapfer vergißt) und endet mitder furchtbaren verfluchung des sohns durch den vater

daß mythen kollektive träume sind, ist inzwischen erwiesen;schon theseus sah es, die hand vor augen: die fabelvon ödipusund seinen kindern als verkleinertes abbild, alspr opheti scher spiegel einer noch nicht zu ende gegangenengeschichte; was dort vorging, steht bevor

die in den staub gesäten drachenzähne des kadmos, aus denenentzweite männer wuchsen, ist erneut aufgegangen; argos undtheben, e i gentumsmythos und gese l l schaft sutop i eliegen sich vernichtungsbereit gegenüber; bis an die zähnegerüstet; ausgestattet mit zweierlei recht, schief durchparteiisches denken

auf der überfahrt nach kalaurea zu den ruinen von athen hebthyperion die ,wundergroße that des theseus’ die freiwilligebeschränkung seiner königlichen gewalt’ hervor; so zeichnetauch sophokles den mythischen helden und gründer desattischen bundes als reales vorbild eines republikanischenherrschers; ihm gegenüber stehen kreon und polyneikes – dereine als zweck- verblendeter, überbefugter parteifunktionöär, derandre als phänotyp des paranoiden führers; im chor derverwaltung dagegen gibt der dichter eine phänomenologie desmittelmäßigen; dieser agiert, von den l yr i schen l i edernabgesehen, unselbständig, schwankend und herzlos; seingegenbild ist nicht theseus, sondern das blindenkind, diegegenw el t l i che, königliche antigone; sie ist es auch, die ihmzum schluß über den uneigentlich redenden mund fährt

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ismene übrigens ist dem i dea l i schen mädchen nai ventgegengesetzt; ihr w el t l i ch l iebens- würdiges wesen tritt amklarsten im freudigen anerbieten hervor, das vom chor verlangteritual zu übernehmen, dessen eingelernte einzelheiten ödipusund antigonä heimlich belächeln

es ist poet i sche i roni e, wenn sophokles das alte, längstent l eerte reinigungszeremoniell zum gegenstand des immerauch ze i tk r i t i schen, des trag i schgei st i gen , desmythen- b i l denden trauerspiels macht

der versuch ist als vorübung zur edition dersophokles-übertragungen hölderlins entstanden, der, wie zweierhaltene fragmente und zahlreiche assonanzen im gesang derkrise anzeigen) auch den mittelteil der trilogie übersetzen wollte;der jambische trimeter des sophokles, in der regel zwölfsilbig,wurde zunächst auf einen siebenhebigen vers (bei bettinawassmann, 1984), bei der umgestaltung für eine nicht realisierteoper walter zimmermanns nochmals in der quantität reduziert;um wortwörtlichkeit bemühte übersetzungen gibt es genug; hiergilt eine andere treue; ohne vor- und rücksicht war ein sinn zutreffen, der wenigstens mittelbar ,das Vaterland angehn soll oderdie Zeit’

––––––––––das vorwort wurde für eine 1984 im buchladen bettina wassmanbremen erschienene vorstufe der übertragung geschrieben. walter zimmermann legte die chöre einer komposition zugrunde

ödipusantigoneein wächter und botechor der altenismene mit einem dienertheseus mit gefolgekreon mit bewaffnetenpolyneikes

staubiger weg am kalkhügel von kolonos hippiosetwas seitwärts die umgrenzung des erinnyenhains ausaneinandergelegten feldsteinen im heiligtum ein unbehauener block

später nachmittag bis zum anbruch der nacht

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1ödipus antigone

öd o augenlicht antigone sind häuser nahe wo ich betteln kann um etwasich ödipus von leid gelehrtdie lange zeitund einsichtköniglichekind ruhen muß ichists verboten hierso hörts der fremde früh genug

an o vater nah ist die stadtund heilig scheint der ortdrin schlägt die nachtigallöl wein und lorbeerwachsen beieinander wilddort läd ein rauher stein den wanderer zur ruhe

öd achte auf mich blinden kindan lernt ich es nichtöd wo bin ich an dort hinten l iegt athenöd den weg her hör ich dasan ich frage wenn du willstöd wo keiner da ist

an ein mannkommt querfeldein

öd atemlosan dort steht er

frag ihn selbst

2ödipus wächter

öd ich höredaß du da bistmann

wä herausder ort ist heilig

öd geheiligt wemwä den alles wissenden

der tiefe und und erdeöd ihr nennt sie wä gutgesinnte

anderswo heißts andersöd herrinnen her zu mir

ich binswä was sagstest du öd bin dawä da sind andre

andrer meinungöd steh rede mir

dann frag diewä dem bettler der nicht bittet

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öd dem sagst du wo er istwä so kurz ich kann

die gegend hier ist heiliges waltet unter ihr poseidon mit dem feuerbringer dem titan prometheusathens eherne schwelle genannt nach kolonosder die rosse zäumtedoch mehr als sagegilt die stadt

öd die grasten auf dem hügelwä drum heißt er kolonosöd das volk herrscht hier hört ichwä einer herrscht für alleöd nicht über sondern fürwä theseus tuts nach ägeus todöd geh du zu ihmwä ihn herzuholen etwaöd für reichen lohnwä so viel ein blinder siehtöd er zahlt dir für die botschaftwä mehr warst du als du sahst

doch redet nochder geist aus dirder blind dich machtebleibt wo ihr seidbis da sind die ich hole

3ödipus antigone

öd ist er fortan schon weit

genugöd scharfäugige

hier angelangt o haltet ein daß delphirecht behält das frieden zusagtmir und glück dem land in dem mein fußan eure schwelle stößtund unglück thebedie mich ausgestoßennachdem ein doppeltesbeben mir zeus gesendetwie treu apollons wort mich hergeleitetmerk ich jetztwär sonst der nüchterneden weinlosen begegnet säß er auf eurem sitz?gewissenhaftestetöchter der uralten nachtmeint ihr es habe euchder mann genug gedientlaßt ab – und dugeehrteste der städte

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pallas nachgenanntathen das schattenbilddes ödipus nimm auf

an still leute kommengealtert auch wie du

öd verbirg uns daß wir sie belauschen viel mißlingt kennst dunicht menschensinn

4chor

ch wo ist erwohin entflohder allerdreistesteseid achtsamlaßt nichts unbemerktein irrender nurein verwirrter wer wagte sonstdem wald sich zu nahndem ort der gewaltigendie wir aus furchtnicht nennen an welchemwir leise und blicklosvorbeigehnjetzt aber kommt

uns von diesem das wortdem scheuelosennirgends erblickten

5chor ödipus

öd hier steht er offnen mundessehend wie ihr seht

ch o furchtbar zu sehen zu hören

öd entsetzt euch nichtch abwehrer zeus wer ist dasöd schwer tragend

sein schicksal einerim land umhermit anderm auge sehendgestützt auf zartes

ch die augen leerunangeboren das übel wie lange schonfüg jetzt dem altenkein neues hinzuauf unbetretbaren bodengerietst du dring nicht nochtiefer hineinzertritt nicht das gras im grund

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wo quellendvon überallher das feuchtezusammenrinntverirrter kehr umherüber zu unswo reden erlaubt ist

6ödipus antigone chor

öd tochter was tunan dem willen von denen

nicht widerstehnöd so führe michan faß meine handöd was wird

wenn ich heraus binch nichts was du

fürchten müßtestöd genug ch nur immer zuö noch immer nichtch hier herüber

mädchenan heb den geplagten fuß

ein wenig vaterch fremder füg dich

in fremdes zu scheuen istuntersagtes was nützlichder stadt wertzuschätzen

ö so bring mich kind zu vernünftigen leutengewöhnt an gutes gesetzestreu

ch heb ihn überdie schwelle den fuß

öd die war esan vorhin öd hier laßt mich ruhnch dort drüben

kannst du sitzenan ruhig die wenigen

schritte vater öd weh miran stütz dich auf mich

du l ieberöd o wildes los

7chor ödipus antigone

ch jetzt sagewer du bistwoher warumim elend

öd heimatlos nichts weiter

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ch weshalböd fragt nicht

erforscht das nichtch weswegen wohlöd unwohlgeboren bin ichch erkläre dasöd o kind was nunch wes väterlichen samens

fremderöd o namenlose qualan genötigt mußt du redenöd muß ichch heraus damitöd wißt ihr von laios sohnch iouöd dem labdakidench zeusöd auch ödipus genanntch er istsöd was fürchtet ihrch ioöd das mißgeschickch oöd was tochter wird darausch verlaß das landö verspracht ihr nichtsch gerecht ist

wer verbrechen straftzum schutz der stadtist list erlaubt

hinweg bevor du auchan ihr nochfrevelst

8antigone chor

an o redet nicht so hartihr seid es nicht als ihr die sage von ihm hörtetwar euch wohl jetzt da er vor euchsteht da haltet ihrs nicht aus.so seht mich andie euch vielleicht zu freiins auge schaut und für ihnbittet den erblindetengottunterworfen sichtbarerals andre sind die armen tut das unvermutetebei allem was euch l ieb und teuer weib kind und gutund eure stadt lenkt eindenn keinen kennt ihrder dem anfall eines gotteswiderstanden hätte

ch kind des ödipusdu rührst mich sehrdoch fürchte ichnoch mehr die hohen

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9ödipus chor

öd so schwinde ruhm als schwindelhaft erkanntwenn mich athen dafürbekannt daß es die fremden schützt wegnötigt mich vom heiligen sitzdann ausweist meinesnamens blinder werke wegen am vater an der mutter unbewußt verübtenbin ich denn böse weil ichviel erlitt ich tats im traumund hätt es nicht getanwenn ich davon gewußtihr aber urteilt selbstgewißbei jenen immerwachentut das nicht die können wahrlich bessergut und böse unterscheidensie l ieben es wenn einerihrer sich erinnert und zürnendem der sie vergißt trübt nicht alsodas licht athensist es mein schreckenshaupt ists das

komm ich gereinigt nichtgeheiligt fast zu euchgenug der mann dem ihrvertraut begreifts so lange haltet still

ch weil du mit hohem wort mich angefaßt wart ich bis jener kommt

öd hört es des landes haupt ch der angezeigt

dein kommen lief zu ihmöd meint ihr er käme

eines blinden wegench bei deinem namen sicheröd wie weiß er dench der fliegt von mund

zu mund denn alle weltist voll von dir o greisund theseus wird nicht säumen

öd wärs wahr denn oft sind große stolz

10antigone ödipus

an werd ich verrückt o vateröd was ist antigone

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an ich seh etwas mirwohlbekannt auf einem maultierätnaischer zucht das angesicht beschattet vom thessalschen sonnenhut.sag ichsie ists sie ist es nichto sinn sehnsuchtsgetäuschterkein andres istssein heitres auge strahlt mich anismenes schwesterliches haupt

öd was sagst du kindan das schwesterliche ists

11ismene mit diener ödipus

is vater schwesterich sags und schonverschwimmt ihr mir vor augen

öd kind daß du kommstis o vater traurig zu sehenöd bist dais nicht ohne mühöd berühr mich kindis umschling euch beideöd geschwisteris zu leid genährtöd auch ich

is drittselbstöd was treibt dich heris die sorg um dichöd nicht sehnsucht auchis etwas zu melden bin ich da

mit diesem treugebliebnenöd der brüder werkis die brüten ärgeresöd es schlugen nach aegyptens art

die zwei wo müßig der mann zu haus indes mühselig die fraudas feld bestellt wie ihr dieses unwirtliche und teilt die leidenszeit mit mirantigone besondersseit sie kein kind mehr istund anfing aufzublühnführt sie den greis durchs landverhungert fast die wildenpfade barfuß stummin schattenloser glutim regen duldet sie und nenntden himmel ihre wohnungdu aber trugst mir heimlich zuwas dem verstoßnen galtdaß alles ich erführehieltst du es aus bei denenwas geht dort vor was bringst du

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nie kamst um nichtgerdinge willen du zu mir

is ich laß beiseite was ich littgenug daß ich euch fandwozu erinnerung wenn siedie qual verdoppeltschlimm stehts um deine söhnedies dir zu sagen bin ich hiererst ließen sie aus furchtden blitz vor augender dein haus getroffenkreon thron und machtdann aber sät zum drittenunglück aus der gotttyrann will jeder seineteokles jagt aus der stadtden erstgebornen polyneikesder geht dringt das gerüchtzu uns nach argos wo er sichverschwägert freunde wirbt zum kriegszug gegen thebenso stehts und ungewiß wersiegt wer untergeht nicht worte nein ins werk gesetztists schon und hilft kein gottso geht es furchtbar aus

öd wer dürfte hoffen daß ein gottder menschen sich erbarmt

is so deuten sie den spruchöd was ist verkündigt kind

is wohlergehen wo du bistlebendig oder tod gleichviel

öd ein glück bewirkt durch den dais solche kraft scheints schläft in diröd viel ehre für den blindenis so zärtlich schlägt dich zeusöd den kindschen greis ich weißis so weißt du auch daß kreon

unterwegs ist her zu diröd ists wahr was will er tochteris dich nah an thebes

mauer bringenöd was nütz ich vor der stadtis vielleicht dein grüner hügelöd nicht anders ist es brauchis deswegen nicht! weil segen

drüber hinweht sind sie frommöd doch deckt mich heimaterde zuis beileibe nein die blutschuldöd nie sollen die mich habenis das wird sie furchtbar treffenöd seit wann trifft theben etwasis weil zorn vom grab sie anwehtöd woher hast du die redeis aus delphi schallt sie lautöd apollons wort kein andresis durch boten ausgesagtöd und meine söhne hörtensis beide und verstandens gutöd und streiten dennoch

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um die herrschaftis manchmal schmerzt ein ja

12ödipus

öd so soll den angegangnenbrand kein gott je löschen die blinderhobnen speerekeiner senken den thronverlier der eine der anderegewinn ihn nimmermehrals ich hinausgestoßenwurde schwiegen sieund ließen es geschehnsagst du mir habe diesdie stadt auf eignen wunschgewährt so sag ich neindenn als im tagesfieberich nach steinigunggeschrien da regtesich kein armerst später als keinschmerz mehr war und ichim finstern saß und sahdaß ich zuviel mir zugefügtda faßten sie mich anund stießen mich vors tornicht wort nicht hand

sie sahen zu als fortder blinde bettler zogdie mädchen nurerhielten ihndie zarten die söhne wählten ihres vaters machtvergeblich aber streitensie um herrschaftsag ich apollos sprucherwägend mag ihrer einer kreon sendenselbst gar sich herbemühnwenn ihr mir beisteht mit den allschauendensterb ich euch zum wohlund weh erschaffend eurem feind

13chor ödipus

ch was du erlitten gehtmir nah o ödipus und weildu heil versprichst will ich zu etwas raten

öd alles tu ich rate nurch versöhne erst

auf deren grund du tratstöd das lehre michch an reiner quelle

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schöpfst duöd und dannch umwindest du

der krüge randöd mit zweigen oder bändernch mit lammwollfäden weißenöd wenn das getanch gen osten gieße ausöd die krügech drei vom quell den viertenöd ich rat es schon gefüllt ch mit honigwasser nicht mit weinöd ist naß davon die erdech ölbaumzweige neun mal drei

leg drüber hin und beteöd wasch seid gut den bittenden

ihr gutgesinntendas flüstre selberoder wer es für dich tun willdann geh und sieh nicht rückwärtssind so besänftigt die ich fürchtehelf ich dir soviel ich kann

14ödipus antigone ismene chor

öd ihr hörtet zuan und tun es wenn du willst

öd vollbringts für michzu schwach und blind dazubin ich auch kann ein einziges vieltausende entsühnen darum genügts wenn eines gehthab ich gealtert dochverlernt allein zu sein

is ich führ es ausweist mir den ort

ch dort hinterm wald findst du was nötig ist

is daß ich die mühe einmalmit dir tei len darf antigonewie freut michs

15chor ödipus

ch grausiges ungern rühr ich auf doch möcht ich wissen

öd was nochch wie dich traf

das ausweglose losöd beim gastrecht laßts

unaufgedecktch wie wahr ist das gerücht

das die länder füllt

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öd laßt abch laß dich erweichenöd o laßtch gefällig sind wir diröd gott weiß

ich tat und l ittnur ungewolltes

ch wie ging das zuöd mich ahnungslosen

nötigte die stadtch zur hochzeit

mit der mutteröd sie tötete das wort

wir sindch sag esöd die kinder sind ch o zeusöd mit mir aus einem schoßch von dir gepflanzt sind sieöd geschwister ihres vatersch ioöd o ja du finsterer

schwarmch ertrugstöd ertrag es nochch du tatstöd nichts tat ichch gar nichtsöd dem sphinxbesieger

schenkten sie die witwe

ch denn du ermordetestöd ists nicht genugch den vateröd die zweite wunde reißt ihr aufch du tötetestö ich mußtech wieö mit rechtch wie dasöd schlug ich

ihn schuldlosals er mich bedrohte

ch da kommt aigeus sohntheseus der könig

16theseus mit gefolge ödipus

th längst hört ichlaiossohn von dir der du dein augenlichtauslöschtest gewand und hauptbeweisen klar daß du es bistso frag ich dich bewegtwas du von uns begehrstleidvoller ödipusund das dich stützt das l iebedu müßtest törichtes verlangenwenn ich dirs weigern sollte

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aufgewachsen anderswodie menschenwildnis ganzdurchzogen kenn ich das herzder fremlinge die schütze ichso lange ichs vermagdenn schnell hinunter sinktder menschentag auch mir

öd kurz hast du wunderbarer theseusmir erspart zu sagenwer und was ich bindaß nur ein wunsch mirübrig bleibt

th so sprich ihn ausöd nimm diesen leib

als gabe an auch wenngering sie scheint

th worin besteht ihr wertöd die zeit bringt ihn zutageth wann zeigt er sich und wemöd bei meinem ende dirth den tod bedenkend

vergißt du das lebenöd bald übereins sind beideth bescheiden ist die bitteöd doch streit entsteht darausth woraus der streitöd wenn theben nach mir ruftth was wäre schlimm daranöd sie haben mich verbannt

th töricht ist alter grollöd erst höre an dann richteth war ich zu schnell vergiböd viel übel und kein endeth das alte unheil meinst duöd keines das jeder kenntth was kommt hinzuöd es trieben mich

für immer aus der stadtdie eignen söhne

th und rufen jetzt nach diröd dazu treibt delphi sieth wie lautet jetzt der spruchöd glück sei bei meinem grabth deswegen krieg mit miröd ägeussohn

auch götter habenein schicksal die erde selbst verzehrt die zeitund zwischen menschenoder städten weht der friedenunbeständigund l iebe wird zu haß deshalb gebiertdie allveränderndedie zeit noch tage vielund nächte da zwischentheben und athen krieg toben und getränkt von blutsein wird der weiße

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staub der mich bedecktzeus wills apollon sagtsund unaussprechliches ist übrig du aber haltefest was du versprachstdaß keiner sage unnützsei hier ödipus gewesen

17chor theseus ödipus

ch das nämliche hat unsder mann verkündet

th der im gedächtnislebt ein zeichenund als geschenk sich selber bringtdem land das ohnedies herberg gewährt den flüchtigensei bürger unter unsauf diesem hügeloder als mein gastbei mir o ödipus

öd zeus schütze die dir gleichenth so komm mit miröd mein los ist dieser hügelth so bleib an diesem ortöd wo ich die feinde überwinde

th groß wäre der gewinnöd stehst du mir bei gewißth ich weiche nichtöd beeidest dusth nur lügner laß ich schwörenöd was aber wenn es giltth wenn wasöd wenn männer kommenth sind auch männer daöd hier oben ohne dichth lehr du mich meine pflichtöd mich ängstigetth mich gar nichtsöd die drachensaatth es führt dich

keiner weg von hierim rausch wird viel geredetwenig ausgerichtetund kämen sie zuhauf dich hier wie raubzu fassen unschiffbarwie ein meer und tiefwird das gebirge ihnenumschützt dich nicht apollons wortund auch mein namezähmt die wilden

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18chor

ch zu pferdereicher gegendbist du fremdling gekommenzum kalkhellen kolonoswo die nachtigallallzeit weiltund klagend singtim unzugänglichen hainwo unter schattigem dachweingleich der efeu wächst in regloser stillewo zärtlichtrunkenvon bienen umschwärmtdionysos einhergeht

vom himmelstau benetztblüht traubenblautagtäglichdie narzisse aufund golden leuchtetder krokusum weiden rieselnnie versiegenddie kephisosquellenund tränken die weite flurvon musen nicht gemieden ist sieund auch nichtvon aphrodite

einer der wie ich höreweder auf asiens erdenoch auf der dorischenpelopsinsel gedeihtwächst wild seit alters hierden selbst die feinde scheuendes landes reichtum und kraftder silberne ölbaumden kein knabe kein mächtiger jeanrührt mit frecher handdenn über ihm wachtallsehend zeusumd l ichten auges athene

noch anderes ist zu lobendas herrlichstewomit der gottdas land beschenkto kronos sohnposeidon duder hier zuerst die zügelumwarf den pferdenund ruder erschufdas meer mit händen zu zwingenso eilen schiffe dahinhundertfüßigvon nereiden begleitet

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19antigone ödipus chor

an o land jetzt zeige dichdes lobes wert

öd was istan gerüstet groß

stürzt kreon heröd vor denen wollt

ihr alten mich bewahrench es sind noch ungealtert

andre da

20kreon mit bewaffneten

kr wohlgeborne bürger daßob dieser ankunft furcht euchankam ist euch anzusehndoch fürchtet nichts und ruftkein häßlich wort denn gutensinns und alt genug zu wissendaß wie keine eure stadtin griechenland gewaltigist zur heimkehr jenen zubewegen komm ich verwandtmit ihm gesandt von thebensvolk sein leid zu endigenkehre armer ödipus

mit uns zurück dies bittettheben und am meisten ichdenn wahrlich übel ständs ummich wenn ich nicht sähe was du littest greis auf deinerjammervollen wanderschaftund diese dort die traurigschaut herabgekommen wieich nie geglaubt das mädchendas dein blindes haupt genährtmit straßenkost der ehe unteilhaftig jedermann zum raub mich selbst unseligen klagt an die rede denn offenbar ist unverborgenmeine schuld dabeio ödipus der tochter halb kehre heim athen hat dankverdient doch du gehörstder stadt die dich gebar

21ödipus

öd mein herz noch einmalknüpft daß er dich fängtder schlau ein netzdaß du noch mehr erduldestals zuvor denn als

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nach strafe du verlangtam heißen tagda hält er sich zurückals aber ausgeglühtdein zorn und du begehrstim kühlen hause stillzu sein da erst vertreibtdich der verwandtejetzt aber wo athen dichbirgt kommt er mit glatterrede dir wie das sehnst du nach etwas dich mein herz so schlägt ers ab bist du deiner ruhe nahunruhiges so nötigt dirwovor dir ekelt aufderselbe mann dem wort nachgut schlecht in der tatdaß ihr die lüge merkter ruft mich nicht nach hauszu ihrem schutz soll ichvor thebes mauern l iegendoch anderes wird ihrzuteil denn umgehn werdeich ein rachegeistbei euch und meinen söhnenwird an boden nur sovielum tot darauf zu l iegenseh ich das heller nichtals du ja phöbos dunkler

mund sprachs aus davorerrettet dich dein redennicht was dich erwartetlitt ich jetzt lerne du dein trübsal kennen

22kreon ödipus

kr was nah vor augensieht der seher nicht

öd blind macht ihn jadein elendes gerede

kr als greis im elend scheltennenn ich dreifach elend

öd und keinen redner kenn ichder es redlich meinte

kr wer alle kennt kennt keinenöd dich kenn ich als unredlichkr nur irre sind so sicheröd begreif es daß du mich

nicht überredestkr begreif was sich

mit händen greifen läßtöd vor mir mit händen redendkr ins leere irrt schon eine handöd red so daß ichs begreifekr schon bin ich im begriff

die zweite mir zu greifenöd o mir

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kr du klagst zu leise blinderöd enführt das kindkr nein abgeführt

23ödipus chor kreon antigone

öd o seht der untatnicht untätig zu

ch dein tun istgegen das gesetz

kr die satzungsloseführt sie weg

an warum nicht hiftdem hilflosen kein gott

ch satzungsloskr nach dem gesetzöd hört ihrsch zu unrecht verkehrst du rechtkr im gegenteilch wiesokr mein mündel istsöd athench laß los

die fäuste spürst dukr geh aus dem wegch aus unsrem wegkr wo wir sind da ist thebenöd ihr wart gewarnt

ch faß mir nicht andas mädchen

kr machtlos befiehlt man nichtch steht abkr heb dich hinwegch zur hilfe nachbarn

feindim land

an so weggezerrt zu werdenöd wo bist du kindan in rohen armen vateröd faß meine handan ich kann nichtkr was zögert ihran habt mitleid

24kreon chor ödipus

kr zieh ungestützt wohin dichs ziehtmißachte thebenund auch mich gleich dir aus kadmos hausbis dir es taghell aufgehtdaß du zornumnachtetwie kinder übeldir erzeugtest

ch fest halt ich dich

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kr mit dürrem armch bis bei ihm sind die kinderkr so ist es besser

er geht mitch du wagst eskr warum auch nicht ch frech redet derkr und handelt rechtch o theseusöf faßt du mich ankr sei blinder stummöd nicht eh die rächenden

das wort gehörtmit dem ich den verfluchtder mir mein aug geraubtdas wehrlosliebeschauen soll die sonne über dir ein gräßliches verhängnis

kr ihr hört ihn fluchen leuteöd wie ich mich der gewalt

erwehre hört ihrkr was nützt das schreien

schreitet man zur tatöd entsetzlicherch die rächenden

sie sehen dieskr o nein sie schauen zuch recht gilt dir nichtskr ich habs auf meiner seiteöd der überzeugt euch noch

ch das bringst du nicht zuendekr zeus tuts für michch und lästerst gottkr ertrag was ihm gefälltch komm könig

unerträgliches geschieht

25theseus mit gefolge ödipus chor

th was geht hier vorwelches geschrei treibtvom altar des meergottsmich zu euch

öd o deiner stimme tonnach der gewalttat eben

th wer verübte wasöd kreon dessen knechte

mit meinen töchtern fliehnth wie dasöd das schlimmste ist gesagtth gleich eile einer hin

zum opferfestberittene und unberittneweis er an den wegden dieben abzuschneidendaß wir dem gast nicht gargelächter werdenfolgt ich dem zorn

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du überlebtest nichtdoch hier ist andres klugdein recht ich wend es anauf dich bis unversehrt sie vor mir stehn die dugeraubt weil du der stadt zur unehr die dich trugwo mehr als eigennutzgemeingeist gi lt einbrachst in diese gut verfaßte gegendund nahmst wonach es dich gelüstet als sei von männernleer dir dienstbar das land ich selbst ein nichtserzog dich theben dazudaß du zur schande wirstin ihr wenn ruchbar wirddaß du zum schutz der schutzlosen verliehnemacht mißbraucht hastkäm ich mein recht zu suchen je zu euch fragt ich euch auf dem markt ob es bei euch zu finden am geist der städtehast du dich versündigtdich haben deine jahre dich unklug gemachtsolange ihm die töchter fehlenbist du wo keiner gern istnicht umsonst ist das gesagt

ch sieh zu daß dich dein stolznicht tiefer stürzt ins übel

26kreon ödipus

kr die stadt sei schwachdas dacht ich nichtägeussohnnoch ahnt ich euern eiferum die meinen da ichs tatdoch daß der altenratder hierzulande wachtden mann der seinen vaterschlug und seiner mutter beilagim land nicht dulden wirddas dacht ich mir und legterst hand an ihn nachdem derselbe mich mein hausund auch die stadt verfluchtin alterslosem zornden erst der tod auslöschttu wie du willstein einzelner wahrt gegen viele schwer sein rechtdoch ist das letzte wortdarum noch nicht gesprochen

öd wen meint er dennsich oder mich

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schamlos ausschreiendmord und eheunglückdas über mich verhängtder himmelnicht einen schattenfindet ihr an mirerklärt mir dasgeweissagt wirdvon einem ungebornener töte seinen vateres setzen ihn die eltern ausder tuts da sie einandersich begegnen als jenergegen ihn die hand erhobdu klagst mich anwarst dus nicht der ins bettder mutter deiner schwester mich genötigt weh dirdaß du mich zwingstdavon zu sprechenja ich umfing den leibder mich zum leid gebarunwissend den unwissendenund er enpfing vom sohnnoch einmal kinderwas so unwillentlich geschahzerrst boshaft du ans lichtjedoch des vatermordesnoch der hochzeit mit der mutterbin ich schuldig

sag mir wenn dich zu töteneiner anfällt fragst dueh du dich wehrst ob erdein vater sei du kommstdein leben liebend ihm zuvorso traf ich ihn des vatersseele weiß das wohl du aberredest viel und fragst nicht großdanach obs wahr ist wenns nurwirkt so lästertest du michund lobtest theseus und sein wohlverwaltetes atheneins überging dein lobwenn je ein land die götterfromm verehrt so dies aus dem den greis du rauben wolltest und dessen kinder du verschlepptestdie tiefverborgnen ruf ichan bestürme sie mir beizustehndaß du es schnell begreifstwie gut die stadt verwaltet wird

ch wahres hat dieser mann gesagt unsägliches

27theseus kreon ödipus

th untätig reden wir

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indessen jene fliehenkr was ist mit mirth du kommst mit uns

falls im gebirg ihrein versteck habt fürdie mädchen zeigst dusentfloh dein troßkommt er nicht weit undkeiner dankt dem gottfür den gewinngeh jetzt leicht wirdaus jägern wild was list gewann sehr schnellist es verloren du kamst gerüstet warbst dir ich weißverborgne helferzu der tat doch wirst dudiese stadt nicht deinem willenunterwerfen erwäge das

kr du redest wie du mußtin theben aber weiß man rat

th droh unterwegsdu ödipus vertraue mein leben setz ich drandaß ich sie wiederbringe

öd möge dein glückdir beistehn theseus

28chor

wo sich zornigemänner begegnenim erzgetöse des areswo scharf am weitberühmtenpythischen vorgebirge da heilige diener die zungemit goldenen seilenden schauenden bindendie siegende jetztdem schwesterlichen paarder jungfraunim wilden gemengedes feldherrn stimmeerschallt im lande dort

oder westlich wo sieam öateischen felsdem schneeigenihn auf leichten pferdenauf wagen wetteifernd ereilendort bin ichfurchtbar wie aresblüht das theseische volkjeder mit glänzendem zügelstürmt dem gegner entgegenpallas atheneskriegrische kinder

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des meer und land bewegendenrheas sohn l ieblinge

streiten sie nochhalten sie ein weissagendes herzgeben sie freidie duldendenallzuverwandtener wirkt zeus wirkt am tagich sehe den ausgangwär ich ein täublein ins blau hoch ins gewölke flög ich hinaufdas durstige auge zu stillenallherrschenderallschauender zeusdem fürsten gib kraft sieggewissewahr ihn vor hinterhalt hellsichtige tochter atheneeuch auch bitt ichschütze apollon und siedie buntgesprenkelte hirscheleichtfüßig erjagteilt al le zu helfen

29chor ödipus antigone

ch sag jetzt ob ichein seher bin zwei mädchenlaufen hierher

öd wo wo denn was meinst duan o vater gäb dir

augen gott den mann zu sehnder uns befreite

öd seid beide daan daß du die arme

der gefährten sähstöd kommt näher

seid ihrs wirklichan wir sindsöd wo dennan bei diröd ihr kinderan liebster vateröd stützt michan schwankend selbstöd euch zur seite beide

möcht ich sterben umfangt mich daß ich mich erholevon dem was mich geängstigtund erzürnt wie gingdas zu ich weiß ihr liebtdas reden nicht

an der uns gerettet

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sagt dirs besser

30ödipus theseus

öd verwundere dich nichtwenn ich du herrlicherjetzt mehr als nötig überschwänglich rededie freude istsdaß auf dich seegen regneteso wie ich jetzt dich segnesolang ich wandre niefand ich geraderen sinnwas hätt ich sonst als wortedir zu danken ich wolltedeine rechte deine lippenküssen wärs erlaubtverzeih ich rede irrkann ein befallenerden fehlerlosen bittenfaß mich an wer alles littnur der weiß mitzufühlenbleib wie du bist und sei mirmorgen treu wie heute

th sprächst du der kinder frohnoch jetzt ich staunte nichtund stört nicht eure freudewozu das wort

den wirkenden erfreutein widerschein des wirkenswas ich versprach ist eingelöstsie sind zurück wer darf des siegs sich rühmenein andermal erzählensies vielleichtdoch eben bringt mir einerbotschaft wert scheint diedaß du darüber sinnstund sinn drin findest

öd sag mir ägeussohn was dir berichtet wird

th ein mann aus theben nicht dennoch verwandt mit dir kniet am altar poseidons

öd weshalb wohlth mit dir nur kurz

zu sprechen bittet eröd weswegen dasth um etwas dich zu bittenöd wer mag das seinth lebt auch in argos

ein verwandteröd nichts mehr davonth was hast du?öd dring nicht in michth warum nichtöd er kam umsonst

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th abweisen soll ich wenöd den sohn der mir

verhaßt istth nicht einmal hören

willst du ihnöd allein die stimme

schmerzt michth bedenke

wo er kniet

31antigone ödipus theseus

an vater kindlich bitt ich dichgib nach dem mann zulieb und gott auch gibt es augen hierdie sähen gern den bruderes schadet dir ja nichtwas widriges er reden mages nützt sogar denn soerfährst du wie er denkthast du ihn nur hervorgebrachtum ihn zu allen übelnnoch dafür zu strafenvon zornbehafteten gibtsungeratne kinder manchmalwie vieles alles mein ich heilt die l iebe hast du vergessendaß auch du von eltern her

uralte laster büßtzuviel sahst duan dir der du dich unbesonnenselbst geblendet siehst duszu lang um gutes bitten müssen ist nicht gutund danklos bleibt es

öd du beugst mich kinddoch quält mich was ihr wünschtdu theseus sorgedaß mir nichts geschieht

th das hört ich einmal zweimal nicht bei gottdu bist hier sicher greis

32chor

ch wer nach hohemstrebt wer mehr als andresein will linkisch dient der sich.das zeigt sicherst wenn ihm die neigereicher tage bitterschmeckt wen eshoch hinaustrieb der wirdnimmer froh ihn kränkts dortunten gleich zu seingesanglos

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unbeklagt und einsamist sein ende

nichtgeborensein scheintmir das höchstedas nächste schnelldorthin zurückzukehrenist das jugendlicht der wangen hindas sorglose wer irrte nichtder mühereichen seitwärts abzu neid empörung zwietracht kriegund mord daß ihn zuletztdas allverhaßte los doch trifftdes ungeselligen kraftlosenalters das der übelübelste vereinigt

der duldet davon mehr als ichallseits wie sturmdie küste peitscht mit winterlichemgisch umtost vom grundeaufgewühlt undenklich losden ängstigendsei es vom untergang von aufgangoder mittag her sei esvom rand der mitternacht

33antigone ödipus polyneikes

an er kommt alleindes weges vater vieltränen vergießend

öd weran von dem wir sprachen

polyneikespo wo beginnen soll ich erst

die eigne schmach beklagenoder die des alten vatersden ich ausgestoßen in der fremde sehe zerlumptvoll schmutz das augenlosehaupt umweht von wirrem haarund abgemagert die gestaltdaß ichs so spät erst seheganz verwerflich istsbekennen muß ich eh michandre fragen schlecht hab ichfür dich gesorgtbei zeus wohnt auch die scheudaß er im zorn sich nicht vergißtwenn er verzeihen kann verzeih auch mir mein vater denn sühne gibts für alles du schweigst o sag etwas und wende dich nicht absoll keines worts gewürdigt

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so entehrt ich fortgehnschwestern bittet doch den mund den schweigenden sich aufzutundaß mich der gottgeborgenenicht zornigstumm verstoße

an weshalb du kommst hast dunoch nicht gesagt unglücklicheroft hat ein klares wortzur antwort ihn bewegt

34polyneikes

po so schön beratenruf ich den gott von dessen herd michtheseus aufstehn hießvor dir zu sprechendich zu hören um hilfe anund deshalb vatersteh ich vor diraus theben hat eteoklesdein jüngrer sohn mich dem der thron gehört verbanntdazu beschwatzte er die stadtdoch schuld daranist die erinnysunsres hauses rachegeistso sagen auch die seher

argos nahm mich aufadrastos gab mir seine tochter wer berühmt alsstreiter zieht mit mirjetzt gegen theben dortsieg ich oder fallein gerechter schlachtso steh ich vor dirvater und bitte fürein siebenfaches heerkampferprobt amphiarosder zeichendeuterdanach tydeus aus ätoliender dritte ist eteoklesaus argos talas sohnhippomedon der vierteeinzureißen thebens mauernschreitet als fünfter kapaneusdessen mutter lange sichversagt parthenopaiosatalantes erster sohnstürmt im heer als sechsterich aber wenn ich deinen fluchnicht erbe als ihr führerzieh ich ein in thebenbei deinem bei deinem lebenflehn wir alle zürne nichtdem sohn der sich am bruderrächt der ihn verbanntdenn lügt der gott nicht

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siegt auf wessen seite du dich stellstauch bei den heimatlichenquellen bitt ich dich tritt zu mir der verstoßne zumvertriebnen denn fremde sindwir überall abhängig von einheimischer gunst verlacht von ihm der seiner macht sich freutbist aber du mit mir wird dir das deineund das deine mir nach dir das eigentum istunser unverletzl ich rechtgelingen wirds ziehst du mit mirwo nicht sind wir verloren

35chor ödipus

ch schon theseus wegenrede ödipus

öd wärs nicht daß selbstder fürst ihn vor mich riefund wünscht ich tätsich bliebe stummdoch so trägt er etwas davondas stimmt ihn nimmer frohverdorbener auf meinem thronden szepter führend

hast du mich verbanntjetzt selbst im unglück ähnlich nicht dem meinen beklagst du meine lumpenwas nützt dir dasals meinen mörder denk ich dich solang ich lebeweil du so wolltestbettle ich um brotund wäre tot längsthätt ich nicht die beidensie nährten michnicht ihr zerstörerischenich wollt ich hätt euchnie gesehn doch blicktmein geist noch nicht nach euchwie bald wenn ihr vor thebensunerstürmten mauern du und dein bruder euchin eurem blute wälztzu allen flüchen ruf ich den daß ihrs noch lerntden blinden vater ehrenihr aber meine töchter sannet nicht auf vorteilwohnt noch das recht mit zeusso ist dein thronrecht nichtigfahr vaterlos hinab du allerschlechtesterund hör den fluch

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die vaterstadt kehrst du nicht umnach argos nicht zurück der bruder töte dich du ihn des tartarus furchtbare nacht und die du frech genannt die rächendenruf ich und ares der den haß warf zwischen euch geh melde das den helden die du warbstvor thebens mauern schreisheraus wie ödipusdie seinigen gesegnet

ch du kamst vergeblichpolyneikes

36polyneikes antigone

po weh vergebliche wegetaten weggenossen wehwohin seid ihr von argosaufgebrochenverschweigen muß ichden entsetzlichenden harten fluchdes vatersist er erfüllto schwestern kommtbestreut mit staubden toten

geringer nicht als jetztdie sorg um ihn wird esdereinst gerühmt

an polyneikes hör ein wortpo antigone du liebean kehr um nach argos

schone dich und thebenpo vor einem heer

gibts kein zurückan wozu die wut

warum die stadt verwüstenpo dem jüngeren ein spott

kann ich nicht lebenan siehst du nicht daß du das wort

von eurem tod ins werk setztpo das wort wills soan weh mir doch wirds bekannt

wer folgt dir nochpo wer vorn steht zeigt ins helle

und redet nicht vom schattenan ach darum gibt es kriegepo mein finstrer pfad ist das

vom vater und erinnyenmir verordnet zeus heilgeeuch wenn ihr dem totentut was er bei leben batlebt wohl nie mehrseh ich euch augen

an wehpo nein weine nicht

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an warum nicht wo zum hadesdu hinabgehst

po sterben muß ichan du mußt es nichtpo ich mußan wie ich dies müssen

hassepo gott wills

er hüt euch zwei vorunglück

37chor ödipus antigone

ch wieder sind mirschwer erträgliche übel vom blindengekommen schicksalsgefügtedenn daß ein geist sei sag ichalles sieht die zeit die eines umkehrt anderesan den tag bringtentzündeter aether o zeus

öd o daß zu theseusjemand liefe

an weswegen vateröd mit gewitterwolken treibt

der gott mich fortch sieh blendend herab fährt

sein sengender strahl

bis in die haarspitzen steigtentsetzen mir aufwen trifft erunzufälliges ängstigt mich sehrleid gießt es ausmächtiger aether o zeus

öd unaufhaltsamnaht mein ziel

an fühlst dus deutest du dirsöd frag nicht ruft eilends

theseus herch neues macht mich beben

der unterirdisch grollto geist des abgrunds schonedeiner erde laß sieunverwandelttrag uns lastgebeugte und straf unsdieses wegen nichtrettender zeus dich ruf ich

öd daß theseus mich nicht wortunmächtig finde

an um etwas ihm zu sagenöd mein wort einlösen

will ichch erscheine theseus

ob du auch im heiligtumposeidons eben stiereopferst kommda nun der gast den dankdir bringen will

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und auch der stadtso eile

38theseus ödipus

th ruft ihr schon wieder lautnach mir des gastes wegenoder traf der blitze zeus euch einer alles möglichist in seinem sturm

öd o endlich besterbist du da

th erkläre laiossohnöd geweissagt naht

mein endeth erkläre laiossohnöd die zeichen treffen ein

die delphi mir verkündetth wie war das wortöd wenn blitze zeus

und beben sich begegnenth was wird danach

geschehenöd zu deuten ägeussohn

was alterslos der stadterblüht führ selberich dich hin zum ortden außer dir nicht einer

kennen darf der schütztdie ungerüsteten vor untergangwortunbewegtdort aber siehst du esfür viele nichtfür einen ist es nurdem besten gibs zuletzt und dieser auchso sei geheim mein grabdann geht die drachensaatnicht auf das los der städte unmaßzwietracht übermutunausweichlich trifftihnen in den wegderselbe der mich führtdas ists was ich erfuhrkommt kinderfolgt dem vater jetztrührt mich nicht anich find ihn schonden ort den unauffindbarenwo ich verborgen sein sollhermes geleitemich und themis druntenlicht das ich sahgehst scheinend jetztmit mir hinabgleich bin ich angelangtim stillen haus o meine l ieben

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o land gedenkim glücklichsein des totender dir gleicht

39chor

ch wenn himmelskindich kommen darfund totenrichter dirmit heiligem rufaidoneuso schenkt daß mühelosund still der gast ihn finde den weg zum stygischen hauswen unverdiente schuld tief beugtden richtest du aufgerechtigkeit

unergründliche und dicho traumgeist dem das untierdas in seiner grotteknurrend lauertunerbittlich das einladend offenstehtdas hadestor bewachendeinzig dir o dudes dunkels und der erde sohnaufs wort gehorcht

euch fleh ich an daß rein der gastdas schattenland betreteschläferts ein

40bote chor

bo ihr bürger sagt ichklagt um ödipus wärs nicht genug

ch ist totbo so ists sein leben

ist zu ende ch wie aber ohne schmerzbo ganz staunenswert denn

wie er wegging saht ihrselbst nicht mehr geführtvoraus geht er alleindie ehernen stufenhinab dort wo der pfadsich teilt im tal wotheseus mit perithooseinst freundschaft schloßbeim hohlen birnbaum nahdem steingrab setzt er sichund tut die schmutzgenkleider ab ruft seinen töchtern bittet sie um reines wasserihn zu waschen und zum trank

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die laufen weithin sichtbar zu demeters grünem hügelund vollbringens als er nun im neuen kleid sich freutda bebt der unterirdsche zeusdie töchter fallen schauderndauf die erd und schlagensich die brust vor weher hörts umarmt sie sagtverwaiste seid ihr gleichwas mein war laß euch loslos seid ihr auch die sorg um mich und mühsam warsich weiß doch geht das wortdavon durch alle zeitkein mann so lang ihr lebtwird je euch lieben wie icheuch geliebt allein bleibtihr da weinten sie umschlangen sich einanderwie nun ihr schluchzenleiser wurde still es warschrie plötzlich laut daß sichdas haar mir sträubteeine stimme nach ihm immerwieder du da du daödipus was zögern wirzu gehn er den der gott ruftwinkt theseus dem königsagt da jener nah ist

teurer gib deine handden mädchen ihr gebt ihmdie eure versprich sie niemalspreiszugeben ihnenhilfreich stets zu seinals ohne zögern der ihmdas gelobt da tastetödipus mit schwacher handnach beiden sagtihr edelmütigen geht jetztwünscht das geheime nichtzu hören nicht zu schauennur theseus darf erfahrenwas geschehen wirddas hört ich noch enteilenddie mädchen hinter mirsie weinten immerzuals ich mich umwend dochist ödipus verschwundentheseus wie geblendet steht die hand vor augenals hab er unerträglichesgesehen dann kniet erin der tiefe sie und auchdie hohen bittend er dessenmund allein es sagen könntewie ödipus gestorbenkein blitz hat ihn verzehrtkein sturm vom meer heraufgehoben ob himmel sich

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ob erde aufgetankein mensch ward jeso still so wunderbarentrückt scheints euch unmöglich nennt michnärrisch immerhin

ch du eiltest weit vorausbo nicht sehr ihr hört

die mädchen klagen

41antigone ismene chor

an weh daß wir nunnicht nur das blut alleinunselig unsvom vater eingepflanztauch nicht was wir durchlittensondern unsäglichesbeklagen müssen

ch er istan ists nicht vermutbarch dahingegangenan wünschenswert

vielleicht da weder aresnoch das meer ihnhin ins unsichtbare rißdas schicksal tats geheimarme uns ist tödliche nacht

auf die augen gefallenwo wollen wir bleibenländer und meeredurchziehn um kummervollweiterzuleben

is ich weiß nichthätte der grausamehades mich dochmit dem alten vater genommendenn leben möcht ichdies leben nicht mehr

ch ihr besten kindertragt was gott gefügt undhärmt euch nicht zu sehr ihr habtdas eure ja getan

an gibts etwa sehnsuchtnach entbehrung wie trauerteich froh in deinen armenvater mein geliebterim erdschoß verborgen auchjetzt noch ungeliebt nichtdu unauffindbarervon mir und ihr

ch ihm wurde an was er wolltech was dennan in der fremde sterben

süßumschattet schlummern der tränenerdeganz vergessen denn immerzuo vater regnet mir

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mein auge und hat nichtsdas seine quellen stilltwünschtest dirin fremdem landund ohne mich zu sterben

is o welche inselliebe wartetauf uns waisen

ch hat er ausgelebtsein leben wie er wollteworüber klagt ihr keiner bleibtverschont von unglück

an ich will zurückis was dortan mich dürstet is nach wasan nach unterirdscher speiseis mit weman mit dem vater denk ichis rechtvergeßne

gottlos ist diesan gott wie du mich erschreckstis auch ging er an noch etwasis grablos den weg hinaban auf ihm zieh nackt mich ausis wahnsinnige daß ich

vereinsamt hilflos elendweiterlebe

ch faßt mut

an wohin entfliehnch entflohen seid ihr nichtan worausch vorhin aus der gefahran was andres istsch was ängstigt dichan daß ich nach haus

nicht findech im ernst sinnst du daraufan das elend istsch von jeheran nein überläuft es jetztch ein meer von unbill meinst duan ja jach ich fühle das mit diran ich halts nicht aus

geist welcher ungeistquält mich

42theseus antigone chor

th klagt nicht wenn einer sozurück zur erde ging ist trauer falsch zornstiftend

an ägeussohn gewähre th was bittet ihran laß uns

zum grab des vaters gehnth unstatthaft ists

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an hast du hier nichts zu sagenth kind er verbots

es nahe keiner sich dem ortkein laut dem haus dem heiligen in dem er lebtverwahrt ich dasbewahrt ich auch das landden eid vernahmzeus horkos

an so hält uns nichts mehr hier send unsins alte theben heimvielleicht verhindern wirden brudermord

th ihm der eine andre erdbewohnt versprach ich alleseuch nach wunsch zu tundas will ich halten

ch so scheidet klaglosalles ist entschieden

© des 230399

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