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1 | T B C G Wohlstand und Lebensqualität Deutschland im internationalen Vergleich

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Wohlstand und LebensqualitätDeutschland im internationalen Vergleich

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The Boston Consulting Group (BCG) ist eine internationale Managementberatung und weltweit führend auf dem Gebiet der Unternehmensstrategie. BCG unterstützt Unternehmen aus allen Branchen und Regionen dabei, Wachstumschancen zu nutzen und ihr Geschä smodell an neue Gegebenheiten anzupassen. In partnerscha licher Zusammenarbeit mit den Kunden entwickelt BCG individuelle Lösungen. Gemeinsames Ziel ist es, nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu schaff en, die Leistungsfähigkeit des Unternehmens zu steigern und das Geschä sergebnis dauerha zu verbessern. BCG wurde 1963 von Bruce D. Henderson gegründet und ist heute an 78 Stand-orten in 43 Ländern vertreten. Das Unternehmen befi ndet sich im alleinigen Besitz seiner Geschä sführer. Für weitere Informationen: www.bcg.de

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A | BCG.COM

WOHLSTAND UND LEBENSQUALITÄTDEUTSCHLAND IM INTERNATIONALEN VERGLEICH

CARSTEN KRATZ

PHILIPP GERBERT

DOUGLAS BEAL

ENRIQUE RUEDASABATER

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6 AUF EINEN BLICK

7 EINLEITUNG

9 SEDA: EIN MASSSTAB FÜR LEBENSQUALITÄT Sustainable Economic Development Assessment: Ein multidimensionaler Ansatz Einkommen und Lebensqualität

13 LEBENSQUALITÄT IM WELTWEITEN VERGLEICH Globale Perspektive SEDA-Werte im europäischen Vergleich

19 LEBENSQUALITÄT IN DEUTSCHLAND Überblick Ökonomische SEDA-Dimensionen Nicht-ökonomische SEDA-Dimensionen

47 AUSBLICK

48 ANHANG

52 LITERATURVERZEICHNIS

54 AN DEN LESER

INHALT

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6 | W U L

AUF EINEN BLICK

THE BOSTON CONSULTING GROUP BCG hat mit dem Sustain able Economic Development Assessment (SEDA) einen

Maßstab entwickelt, der es ermöglicht, Wohlstand und Lebens-qualität in Volkswirtscha en zu vergleichen, Fortschritte sichtbar zu machen und die Nachhaltigkeit der Lebensqualität zu untersuchen. Der vorliegende Report stellt die Resultate der ersten SEDA-Analyse mit besonderem Fokus auf Deutschland vor. An den Ergebnissen lässt sich ablesen, wie eng ökonomische und gesellscha liche Entwicklungen miteinander verknüp sind.

In vielen Feldern zeigt sich, dass Deutschland sich in den ver-gangenen Jahren positiv entwickelt hat; in einigen Bereichen wird sichtbar, wo Handlungsbedarf besteht. Dazu zählen neben Bildung und Gesundheitswesen beispielsweise der Ausbau der Infrastruktur, Maßnahmen zugunsten einer höheren Erwerbsbeteiligung einiger Bevölkerungsgruppen und eine Stärkung der Zivilgesellscha .

Im internationalen und europäischen Vergleich wird sichtbar, dass einige andere Länder vor ähnlichen Herausforderungen stehen und teils unterschiedliche Konzepte verfolgen, um diese zu bewältigen. Darin liegt der wesentliche Beitrag, den SEDA als Instrument zum Ländervergleich leisten kann: das Blickfeld zu erweitern und die Diskussion über die weitere sozioökonomische Entwicklung in Deutschland zu bereichern.

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EINLEITUNG

DAS ZIEL ÖKONOMISCHER Entwicklung ist in jeder Volkswirtscha die Verbes-

serung des gesellscha lichen Lebensstan-dards – des Wohlstands im weit gefassten Sinne des Begriff s. Bis heute gilt als ge-bräuchlichster Indikator für Wohlstand das Brutto inlandsprodukt (BIP). In den meisten industrialisierten Ländern hat sich dieser Wohlstand seit 1960 in etwa verdreifacht, in Japan sogar mehr als verfünff acht. Daneben sind in den vergangenen Jahren zahlrei-che unterschiedliche Konzepte entwickelt worden, um Wohlstand und die Entwicklung von Volkswirtscha en mit erweiterten oder alternativen Indikatoren zu beschreiben. Dazu zählen etwa die Ansätze zur (Brutto-)Inlandsproduktrechnung – sogenannte BIP-Revisionen – und nicht-monetäre Wohl-standsindikatoren wie der Human Develop-ment Index (HDI), die neben ökonomischen vor allem soziale und kulturelle Faktoren berücksichtigen. Auch die OECD und eine Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags haben sich in den vergangenen Jahren intensiv mit alternativen Methoden zur Erfassung von Wohlstand und Lebens-qualität beschä igt.

SEDA zielt auf eine qualitative Erweiterung des Wohlstands-begriff s.

In der Kritik an der Verwendung des BIP als maßgeblichen Indikator für Wohlstand und Lebensqualität spiegelt sich nicht zuletzt die fortschreitende Entwicklung der industria-lisierten Länder: Nachdem sich materieller und nicht-materieller Wohlstand lange Zeit parallel entwickelten, löst sich dieser Zusam-menhang mehr und mehr auf – trotz des

steigenden BIP werden die Zugewinne an materiellem Wohlstand in der Bevölkerung nicht immer als Zugewinne an Lebensquali-tät wahrgenommen.

The Boston Consulting Group (BCG) beschä igt sich seit vielen Jahren mit den Beziehungen zwischen ökonomischen, gesellscha lichen und sozialen Faktoren und unterstützt in einer Vielzahl von Ini-tiativen weltweit Entwicklungsprojekte in der Zusammenarbeit mit Regierungen und unabhängigen Organisationen. Mit dem Sustainable Economic Development Assess-ment (SEDA) hat BCG einen Maßstab entwi-ckelt, der Wohlstand und Lebensqualität in Volkswirtscha en misst und Veränderungen im Zeitverlauf sichtbar macht. SEDA beur-teilt Wohlstand und Lebensqualität einer Volkswirtscha anhand von zehn Dimen-sionen, die in den meisten Ländern der Welt als wesentliche Faktoren der Entwicklung einer Gesellscha betrachtet werden. Dazu zählen unter anderem Umwelt, Bildung und Gesundheit ebenso wie eine aktive Zivilge-sellscha und die Integrität und Leistungs-fähigkeit staatlicher Institutionen.

Vor allem aber zeichnet sich SEDA durch drei Merkmale aus, die das Konzept von an-deren Maßstäben unterscheiden: Zum einen bezieht SEDA eine zeitliche Betrachtung ein, die neben Aussagen zum Status quo auch die Dynamik der Veränderung erfasst. Um langfristige Entwicklungslinien umfas-send einzuschätzen, genügt es nicht, einen Zustand zu beschreiben – selbst wenn diese Bestandsaufnahme regelmäßig aktualisiert werden kann. Weiterhin ermöglicht SEDA, materiellen Wohlstand und Lebensqualität im weiteren Sinne ins Verhältnis zu setzen. Und schließlich erlaubt die Erfassung von zehn Dimensionen eine weit gespannte Be-

» Das Wohlergehen eines Volkes kann kaum von einem Maß des nationalen Einkommens abgeleitet werden. «

Simon Kuznets, Entwickler des Bruttoinlandsprodukts (BIP), im Jahre 1934

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trachtung der Lebensqualität eines Landes – sowohl im Detail als auch im Zusammen-wirken der verschiedenen Faktoren.

Das SEDA-Konzept zielt damit auf eine qualitative Erweiterung des Wohlstandsbe-griff s, die einem veränderten Verständnis Rechnung trägt und Wohlstand nicht auf rein ökonomische Faktoren reduziert. Der Ansatz versteht sich als Beitrag zu einer umfassenden Bewertung der sozioökono-mischen Entwicklung, wie sie insbesondere von Ökonomen wie Joseph Stiglitz, Amartya Sen und Jean-Paul Fitoussi gefordert wird.

Eine elementare Frage allerdings schwingt bei dieser Betrachtung mit: Kann man Lebensqualität objektiv defi nieren? Eine Stärke der neu entwickelten Konzepte zur Messung von Wohlstand ist zweifellos die Vielfalt und Breite der Lebensbedingungen, die sie über rein materielle Daten hinaus erfassen. Zugleich werfen die alternati-ven Ansätze ein grundsätzliches Problem auf: Die Defi nition von Wohlstand und die Auswahl der relevanten Faktoren für Lebensqualität in einer Volkswirtscha hängen maßgeblich von kulturellen Prä-gungen ab. So akzeptieren beispielsweise angelsächsische Gesellscha en ein deutlich höheres Maß an materieller Ungleichheit, als dies in Skandinavien oder Deutschland der Fall ist. Umgekehrt wird in Deutschland oder den skandinavischen Ländern stabilen sozialen Beziehungen oder Bereichen wie Freizeit und Umweltschutz ein höherer Wert und damit Einfl uss auf die Lebensqualität zugemessen.

Ein dynamischer Vergleich von Volkswirtscha en zeigt Stärken und Handlungsbedarf.

Das SEDA-Konzept ermöglicht mehrdimen-sionale und dynamische Vergleiche des Wohlstands und der Lebensqualität zwi-schen Ländern oder Ländergruppen. Die Re-sultate, die sich daraus ergeben, liefern wich-tige erste Erkenntnisse für die Identifi kation von Fokusbereichen und Verbesserungs-potenzialen für die Lebensqualität in einem Land. Basierend auf den SEDA-Ergebnissen können so weitere Analysen durchgeführt werden, um die Ursachen für das gute

bzw. schlechte Abschneiden eines Landes in einer Dimension der Lebensqualität zu beleuchten.

In seiner Methodik orientiert sich der SEDA-Index am Anspruch der Transparenz – sowohl in der Auswahl der Indikatoren als auch in der Darstellung der Datenbasis, auf die sich die Ergebnisse stützen. Verwendet werden ausschließlich öff entlich zugängliche Daten, die für alle einbezogenen Länder vorliegen und eine jährliche Aktualisierung ermöglichen. Wir beabsichtigen, die SEDA-Methodik fortlaufend zu optimieren sowie Anregungen aus der Praxis, Wissenscha und Wirtscha aufzunehmen. Die vorlie-gende Studie stellt die Ergebnisse des ersten SEDA-Reports vor, erweitert um ergänzende Analysen zu Deutschland.

Im ersten Teil werden die SEDA-Resultate zur sozioökonomischen Entwicklung von Volkswirtscha en weltweit und in Europa dargestellt. Der zweite Teil betrachtet die Situation in Deutschland im Vergleich zu ausgewählten Referenzgruppen. Dabei zeigt sich, dass Deutschland in den vergangenen Jahren in vielen Feldern im internationalen wie europäischen Vergleich eine beachtliche Entwicklung vorweisen kann; ebenso geben die Ergebnisse Aufschluss darüber, in wel-chen Feldern Handlungsbedarf erkennbar ist. Dazu zählen beispielsweise die „Groß-baustellen“ Bildung und Gesundheitswesen, eine höhere Erwerbsbeteiligung oder der Erhalt und Ausbau der Infrastruktur. Der wesentliche Beitrag, den Ländervergleiche wie der vorliegende leisten können, besteht im „Blick über den Tellerrand“ – der Erwei-terung der Binnenperspektive. Wie gehen andere Volkswirtscha en mit vergleichbaren Herausforderungen um? Wo werden neue Konzepte erprobt, und mit welchem Erfolg? Daraus lassen sich Anregungen gewinnen, welche die Diskussion über die kün ige so-zioökonomische Entwicklung in Deutschland erweitern und bereichern können.

Das SEDA-Konzept richtet sich nicht allein an die politischen Entscheidungsträger, sondern ebenso an die Unternehmensfüh-rungen. Insbesondere Unternehmen, die international tätig sind und langfristige Investitionsentscheidungen treff en müssen, können die auf der SEDA-Analyse basieren-den Prognosen zur langfristigen Entwick-lung eines Landes nutzen.

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SEDASustainableEconomic

Development Assessment

ArbeitsmarktG

esun

dhei

t

Nicht-ökonomische Dimensionen

ÖkonomischeDimensionen

Vergleicht die E ektivität und Qualität vonstaatlichen Einrichtungen sowie Transparenz,

Stabilität und Freiheitsrechte

Vergleicht den Zugang zu Bildungund die Bildungsqualität

Vergleicht den Zugang der Bevölkerungzur Gesundheitsversorgung,

Sterblichkeitsraten und Erkrankungsraten

Vergleicht die Qualität der Umwelt sowiegesetzliche Schutzmaßnahmen

Vergleicht die Einkommensunterschiede zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen

Vergleicht die Beschä igungsverhältnisse

Vergleicht die Wirtscha sstabilität einschließlich der In ationsrate und der Volatilität des BIP-Wachstums

Vergleicht den gesellscha lichen Zusammenhalt, beispielsweise den Grad des Zusammenhalts zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen, Bürgerbeteiligung und Geschlechtergleichheit

Vergleicht das Level der allgemeinen Infrastruktur;beispielsweise bzgl. Wasser, Transport,

Abwasser und KommunikationVergleicht das Einkommen anhand des BIP pro Kopf

SEDA EIN MASSSTAB FÜR LEBENSQUALITÄT

DAS SEDAKONZEPT, DAS von einem BCG-Forschungsteam in Singapur ent-

wickelt wurde, beurteilt Wohlstand und Le-bensqualität einer Volkswirtscha anhand von zehn Dimensionen (s. Abbildung 1). Dabei basiert SEDA auf einem westlichen Verständnis von Wohlstand und Lebensqua-lität, das beispielsweise umweltfreundliches Wirtscha en und die Gleichberechtigung der Geschlechter positiv bewertet.

Darüber hinaus zeichnet sich SEDA da-durch aus, dass ökonomischer Wohlstand zu Lebensqualität in einem weit gefassten Verständnis ins Verhältnis gesetzt werden kann. SEDA liefert ein multidimensionales

Bild der sozioökonomischen Lage in Volks-wirtscha en, ist aber kein absolutes Maß für Lebensqualität, sondern versteht sich als relatives Analyseinstrument.

Sustainable Economic Development Assessment: Ein multi dimensionaler AnsatzDie zehn SEDA-Dimensionen sind: (1) Einkommen, (2) Wirtscha sstabilität, (3) Arbeitsmarkt, (4) Einkommensverteilung, (5) Zivilgesellscha , (6) Staatsapparat, (7) Bildung, (8) Gesundheit, (9) Umwelt und (10) Infrastruktur.

ABBILDUNG 1 | Die zehn Dimensionen des SEDA

Quelle: BCG

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Die ersten vier Dimensionen messen die Lebensqualität unter ökonomischen As-pekten: Einkommen ist der maßgebliche Faktor für den Zugang zu materiellen und immateriellen Gütern in einer Volkswirt-scha ; Wirtscha sstabilität umfasst Indika-toren wie Infl ation und die Volatilität des BIP-Wachstums. Der Arbeitsmarkt ist ein entscheidender Faktor für die Stärke einer Volkswirtscha ; zudem wird die subjektive Lebensqualität von der Beschä igungssitua-tion erheblich beeinfl usst. Die Einkommens-verteilung gibt Auskun darüber, wie materi-eller Wohlstand in der Gesamtbevölkerung verteilt ist.

Sechs weitere Dimensionen erfassen gesell-scha liche und politische Faktoren, die für die Lebensqualität in einer Volkswirtscha – aus westlicher Sicht – von maßgeblicher Bedeutung sind: Eine funktionierende Zivil-gesellscha versetzt die Bürger eines Landes in die Lage, die öff entliche Sphäre, die ihre Lebensumstände beeinfl usst, mitzugestal-ten. Gesellscha liches Engagement und Vertrauen in die öff entlichen Institutionen sowie Gleichberechtigung der Geschlech-ter spielen dafür eine wichtige Rolle. Ein funktionierender Staatsapparat – gemessen an Kriterien wie Korruption, Rechtsstaatlich-keit, Stabilität und Freiheitsrechten – wird als eine weitere Grundvoraussetzung für Lebensqualität angesehen. Ebenso gilt, dass die Qualität von und der Zugang zu Bildung entscheidende Komponenten der Lebensqualität in modernen Gesellscha en

darstellen. Bildung beeinfl usst das Einkom-men sowie Chancen auf gesellscha liche Teilhabe und wird zugleich als Wert an sich wahrgenommen. Die Dimension Gesundheit umfasst Indikatoren wie Kindersterblichkeit und Krankheitsraten sowie den Zugang zu medizinischer Versorgung. Die Dimension Umwelt berücksichtigt unter anderem den Schutz vor schädlichen Emissionen und den Anteil naturgeschützter Flächen in den ein-bezogenen Ländern. Schließlich wirken sich Qualität und Verfügbarkeit der Infrastruktur sowohl auf den Wohlstand wie auch auf die Lebensqualität aus.

Um Volkswirtscha en im Zeitverlauf be-werten und innerhalb geeigneter Referenz-gruppen vergleichen zu können, werden die einzelnen Dimensionen quantitativ erfasst. Die Daten, aus denen sich die Länderwerte für jede der Dimensionen ableiten, wur-den nach drei Kriterien ausgewählt: (1) Sie müssen aus öff entlich zugänglichen und verlässlichen Quellen stammen, (2) jährlich aktualisiert werden und (3) für eine große Zahl von Ländern verfügbar sein. Insgesamt 51 Indikatoren wurden für die Bewertung der zehn Dimensionen herangezogen. Dazu zählen neben Daten der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds vor allem Zahlen der Vereinten Nationen, beispiels-weise zu Bildung und Gesundheit, sowie des jährlich vom World Economic Forum erstellten „Global Competitiveness Report“, z. B. zur Bewertung von Staatsapparat und Infrastruktur (s. Anhang).

» Eine der großen Stärken des SEDA ist sein umfangreiches Datenfundament. Hinter den zehn Dimensionen liegen 51 Indikatoren, die alle aus öff entlich zugänglichen Quellen renommierter Institutionen wie IWF, OECD oder Welt-bank gebildet werden. Diese fundierte Datenbasis ermöglicht komplexe und nachvollziehbare Analysen. «

Enrique Rueda-Sabater (Senior Advisor, Washington, D.C.)

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Anders als viele Konzepte, die sich auf jährlich aktualisierte, statische Bewertungen beschränken, analysiert SEDA die sozioöko-nomische Entwicklung einer Volkswirtscha bezogen auf drei unterschiedliche Zeithori-zonte. Der erste Horizont nimmt das aktuelle Level der sozioökonomischen Entwicklung in den Blick; der zweite Horizont beschreibt die Fortschritte, die ein Land hinsichtlich der einzelnen Dimensionen der Lebensqualität in den zurückliegenden fünf Jahren erreicht hat. In einem weiteren, dritten Zeithorizont werden Aussagen über die Nachhaltigkeit der Lebensqualität getroff en. Dabei fl ießen zu-sätzliche Indikatoren und Annahmen ein, die sich auf Forschungen zur sozioökonomischen Entwicklung von Volkswirtscha en sowie Er-gebnisse aus BCG-Projekten im öff entlichen Sektor in verschiedenen Ländern stützen.

SEDA-Werte beziehen sich auf Relationen, das heißt den Vergleich verschiedener Länder. Erhält ein Land die höchste SEDA-Punktzahl (100) in einer Dimension, so besagt dies, dass es relativ zu den anderen

149 Ländern in dieser Dimension besser abschneidet, nicht jedoch, dass damit ein „Idealzustand“ erreicht wäre. Aus den SEDA-Werten wird insbesondere im zweiten Zeithorizont, der die Fortschritte im Fün ah-resvergleich bewertet, erkennbar, in welchen Bereichen ein Land auf einem guten oder weniger guten Weg der Entwicklung ist. Mit dem Ziel der Förderung von Wohlstand und Lebensqualität in einer Volkswirtscha lässt sich durch den Vergleich mit Referenzgrup-pen ableiten, auf welchen Feldern die (re-lativen) Stärken und Schwächen liegen und wo entsprechende Schwerpunkte gesetzt werden können. Mit SEDA soll in erster Li-nie nicht ein weiteres Instrument vorgestellt werden, das Auskun über die „Position“ eines Landes in einem – unterschiedlich de-fi nierten – Wettbewerb gibt. Vielmehr zielt SEDA darauf ab, die möglichen Ursachen für das relative Abschneiden in den einzel-nen Dimensionen zu beleuchten und die Diskussion um Hinweise auf vergleichbare, in manchen Gebieten besonders erfolgrei-che Volkswirtscha en zu bereichern.

» SEDA besticht durch eine vielschichtige Beurteilung der Lebensqualität entlang von zehn verschiedenen Dimensionen. Dabei betont SEDA nicht allein ökonomische, sondern auch nicht-ökonomische Aspekte, die nur gemeinsam ein Abbild der Lebensqualität ergeben. Gleichzeitig liefert SEDA keine Momentaufnahme, sondern erlaubt eine dynamische Evaluation über drei Zeit horizonte: Fortschritt, aktuelles Level und Nachhaltigkeit. «

Douglas Beal (Partner, Dubai)

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IndikatorDie SEDA-Dimensionen

basieren auf 51 Indikatoren aus

renommierten Quellen

Alle Länder werden dynamisch mittels

dreier Zeithorizonte verglichen

SEDA analysiert Lebensqualität

basierend auf zehn Dimensionen

Das BCG Sustainable Economic Development Assessment ist ein dynamisches Auswertungskonzept zum Vergleich der Lebensqualität einer Vielzahl von Ländern entlang mehrerer Zeithorizonte und Dimensionen

Aktuelles LevelFortschritt Nachhaltigkeit

Evaluiert den aktuellen sozioökonomischen Entwicklungsstand der 150 untersuchten Länder

Bewertet die sozioökonomische Weiterentwicklung eines Landes in einem Fün ahreszeitraum (2006 – 2011)

Untersucht, ob zentrale Nachhaltigkeitsfaktoren für zukün ige sozioökonomische Entwicklung erfüllt sind

Siehe Abbildung 1

Den Zeithorizonten Aktuelles Level und Fortschritt unterliegen

dieselben Indikatoren

Siehe Tabelle 1 im Anhang

Zeithorizont

Dimension

Ökonomische Dimensionen

Einkommen (BIP pro Kopf)Wirtscha sstabilitätArbeitsmarktEinkommensverteilung

Nicht-ökonomische Dimensionen

ZivilgesellschaStaatsapparatBildung

GesundheitUmweltInfrastruktur

Der Zeithorizont Nachhaltigkeit bezieht

weitere Indikatoren ein

Siehe Tabelle 2 im Anhang

Der Wohlstand-Lebensqualität-Koe zient vergleicht den aktuellen SEDA-Wert eines Landes mit dem Wert, der aufgrund seines Pro-Kopf-BIP zu erwarten wäre. Dies ermöglicht eine Aussage darüber, wie gut es einer Volkswirtscha gelingt, materiellen Wohlstand in Lebensqualität für die Bevölkerung umzusetzen.

Der Wachstum-Lebensqualität-Koe zient vergleicht den SEDA-Wert eines Landes (Zeithorizont Fortschritt) mit dem Wert, der aufgrund des Wachstums des Pro-Kopf-BIP zu erwarten wäre, und zeigt, wie gut ein Land Wohlstandsgewinne in Verbesserungen der Lebens-qualität umsetzen konnte.

Wohlstand-Lebensqualität-Koe zient Wachstum-Lebensqualität-Koe zient

SEDA

ABBILDUNG 2 | Die SEDA-Methodik auf einen Blick

Einkommen und LebensqualitätZu den Besonderheiten des SEDA-Konzepts zählt die Verknüpfung von ökonomischem Wohlstand und Lebensqualität im Hinblick auf die zehn defi nierten Dimensionen. Mit Hilfe zweier Koeffi zienten können Aussagen darüber getroff en werden, wie gut es einer Volkswirtscha gelingt, ökonomische Ent-wicklungen in Veränderungen der Lebens-qualität zu übersetzen. Zu diesem Zweck wurden zwei Kennziff ern gebildet: Der Wohl-stand-Lebensqualität-Koeffi zient setzt den aktu-ellen SEDA-Wert eines Landes in Relation zu dem Wert, der aufgrund seines Pro-Kopf-BIP zu erwarten wäre; der Wachstum-Lebensquali-tät-Koeffi zient vergleicht den SEDA-Wert eines Landes bezogen auf die jüngsten Fortschritte mit dem Wert, der aufgrund des Wachstums des Pro-Kopf-BIP geschätzt wird.

Ein Wohlstand-Lebensqualität-Koeffi zient von 1 bedeutet, dass ein Land sich im Hin-blick auf die Übersetzung von materiellem Wohlstand in Lebensqualität auf dem Ni-

veau des weltweiten Durchschnitts bewegt. Ist der Wert größer als 1, zeigt dies, dass die Lebensqualität eines Landes höher ist, als es das Pro-Kopf-BIP erwarten ließe; umgekehrt signalisiert ein Koeffi zient unter 1, dass die Lebensqualität in einem Land geringer ist, als man aufgrund der ökonomischen Situa-tion annehmen würde. Gleiches gilt für die Rückschlüsse, die der Wachstum-Lebensqua-lität-Koeffi zient erlaubt: Liegt der Wert über 1, so ist es einer Volkswirtscha gelungen, die Lebensqualität stärker zu verbessern, als dies gemessen am BIP-Wachstum zu erwar-ten wäre; ein Koeffi zient unter 1 dagegen zeigt an, dass die Volkswirtscha weniger erfolgreich dabei war, BIP-Wachstum in stei-gende Lebensqualität umzusetzen, als der Durchschnitt der betrachteten Länder.

Abbildung 2 fasst die SEDA-Methodik zusammen und stellt die Bedeutungen der zentralen SEDA-Begriff e Zeithorizont, Di-mension und Indikator einander gegenüber.

Quelle: BCG

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13 | T B C G

Lebensqualität Aktuelles Level

Höchste 20 %

Zweite 20 %

Dritte 20 %

Vierte 20 %

Niedrigste 20 %

Keine Daten

WeltweiteQuintile

DAS SEDAKONZEPT ERLAUBT verglei-chende Betrachtungen mit unterschied-

lichen Schwerpunkten. So können Volks-wirtscha en weltweit, nach Regionen oder spezifi schen Referenzgruppen verglichen werden. Darüber hinaus können SEDA-Wer-te entlang der drei Zeithorizonte und zehn Dimensionen evaluiert werden, ebenso das Verhältnis von Wohlstand und Wachstum bezogen auf die Lebensqualität.

Globale PerspektiveIm weltweiten Vergleich der SEDA-Werte für den aktuellen Status der Volkswirtscha en ergibt sich ein wenig überraschendes Bild (Abbildung 3). Im obersten Quintil fi nden

sich die entwickelten Industrienationen, da-runter die USA, die skandinavischen Länder, Japan und Deutschland. Norwegen erreicht den SEDA-Höchstwert von 100. Im untersten Quintil sind afrikanische Länder anzutref-fen, aber auch Pakistan, Jemen oder der Irak. Obwohl der weltweite Vergleich auf den ersten Blick der Rangfolge des BIP pro Kopf zu folgen scheint, lassen sich Unter-schiede zu gängigen Wohlstandsmessungen erkennen: So fi nden sich beispielsweise die nördlichen Länder Südamerikas, die Mongo-lei oder auch Äquatorialguinea im mittleren Quintil mit deutlich höheren SEDA-Werten als Länder mit ähnlich niedrigem BIP pro Kopf, wie etwa Laos oder die Republik Kongo.

LEBENSQUALITÄT IM WELTWEITEN VERGLEICH

ABBILDUNG 3 | SEDA-Werte im weltweiten Vergleich – Aktuelles Level

Quelle: BCG-Analyse

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Lebensqualität Fortschritt

Höchste 20 %

Zweite 20 %

Dritte 20 %

Vierte 20 %

Niedrigste 20 %

Keine Daten

WeltweiteQuintile

Zu einem deutlich anderen Ergebnis führen die SEDA-Werte bezogen auf den zweiten Zeithorizont, der die Fortschritte in den vergangenen fünf Jahren betrachtet (Abbil-dung 4). Hier dominieren Länder in Südame-rika, einige ost- und vereinzelte westeuropäi-sche Staaten. Diese Staaten haben – relativ betrachtet – die größten Verbesserungen erzielt. Auff ällig ist, dass sich in der Spitzen-gruppe Länder mit sehr unterschiedlichen Einkommensniveaus fi nden. Sowohl afrika-nische Staaten mit einem BIP pro Kopf von weniger als US-$ 1.000 als auch die Schweiz mit mehr als $ 80.000 erreichen hohe SEDA-Werte im Zeithorizont Fortschritt. Deutsch-land fi ndet sich in dieser Betrachtung nicht

auf den vorderen Rängen, sondern liegt auf Platz 63 und damit hinter Österreich und der Schweiz, allerdings vor den USA.

Den höchsten SEDA-Wert im Zeithorizont Fortschritt verzeichnet Brasilien. Ein Ver-gleich mit den anderen BRIC-Ländern zeigt: Obwohl die größte südamerikanische Volkswirtscha nur ein mittelmäßiges BIP-Wachstum aufweist, erreicht Brasilien hohe SEDA-Werte in Dimensionen wie Staats-apparat, Umwelt oder Infrastruktur. In der Schlussgruppe der SEDA-Werte für Fort-schritt fi nden sich neben Ländern aus Afrika oder Asien auch einige westliche Nationen wie die USA, Irland und Dänemark.

Wieder ein anderes Bild liefert der SEDA-Horizont Nachhaltigkeit, der Werte der ein-zelnen Länder für eine nachhaltig positive zukün ige Entwicklung der Lebensqualität gegenüberstellt (Abbildung 5). Hier zeigt sich ein ähnliches Bild wie im Vergleich der SEDA-Werte für das aktuelle Level: Die Industriestaaten Westeuropas, Nordameri-kas und aus dem pazifi schen Raum fi nden sich in den obersten Quintilen, während vornehmlich afrikanische Staaten das letzte Quintil bilden. Norwegen führt die Liste

wiederum an, Deutschland folgt auf Platz 13 vor den USA (18). Dennoch zeigen sich im Vergleich auch hier überraschende Ergeb-nisse: So platziert sich Malaysia beispielswei-se im zweithöchsten Quintil. Dies lässt sich im Wesentlichen darauf zurückführen, dass das Land in den Dimensionen Bildung und Infrastruktur hohe SEDA-Werte erreicht, un-ter anderem aufgrund einer für die Region hohen Einschulungsrate von Mädchen und einer sehr hohe Internetnutzerquote.

ABBILDUNG 4 | SEDA-Werte im weltweiten Vergleich – Fortschritt

Quelle: BCG-Analyse

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Lebensqualität Nachhaltigkeit

Höchste 20 %

Zweite 20 %

Dritte 20 %

Vierte 20 %

Niedrigste 20 %

Keine Daten

WeltweiteQuintile

Neben den drei Zeithorizonten untersucht SEDA, wie gut es einer Volkswirtscha gelingt, Einkommen und Wirtscha swachs-tum in Lebensqualität zu übersetzen. Abbildung 6 stellt den Wohlstand-Lebensqua-lität-Koeffi zienten dar. Dabei wird der SEDA-Wert im Zeithorizont Aktuelles Level dem BIP pro Kopf gegenübergestellt. Die rote Regressionskurve zeigt die zu erwartende Positionierung, wenn die Übersetzung von Einkommen in Lebensqualität dem Durch-schnitt entspricht.

Im Vergleich der 150 Länder lassen sich vier Segmente erkennen: Westeuropa, Ost europa, die afrikanischen Länder und die Golfstaa-ten. Große Teile Westeuropas überzeugen durch eine effi ziente Umsetzung von materi-ellem Wohlstand in Lebensqualität und po-sitionieren sich mit Wohlstand-Lebensquali-tät-Koeffi zienten von teilweise weit über 1 in der internationalen Spitzengruppe. Deutsch-land erzielt einen Koeffi zienten von 1,1 und übersetzt damit sein hohes BIP etwas besser in Lebensqualität als der Länderdurch-schnitt. Viele vergleichbar hoch entwickelte

Volkswirtscha en wie Frankreich, Japan oder die USA erreichen geringere Werte. Dagegen zeigt sich, dass Länder mit deutlich niedrigeren Einkommensniveaus, darunter die osteuropäischen Staaten Polen, Ungarn oder Lettland, hohe Ergebnisse in dieser Betrachtung aufweisen. Sie erzielen einen durchschnittlichen Wohlstand-Lebensqua-lität-Koeffi zienten von 1,2; im Durchschnitt liegt der Wohlstand-Lebensqualität-Koeffi -zient ihrer Einkommensgruppe (zwischen $ 12.000 und $ 27.000) bei 0,9.

Diese Ergebnisse lassen sich dahingehend interpretieren, dass ein hohes BIP pro Kopf nicht zwangsläufi g mit einer hohen Lebens-qualität einhergeht. Viele ölreiche Golf-staaten erreichen zwar ein hohes Pro-Kopf-BIP, jedoch nur niedrige SEDA-Werte für Lebensqualität. So liegt etwa Kuwaits BIP pro Kopf bei $ 41.690; im SEDA-Vergleich erzielt Kuwait jedoch einen Wohlstand-Lebensqualität-Koeffi zienten, der nur leicht oberhalb von 0,7 liegt. Ein ähnliches Bild zeigt die SEDA-Betrachtung für eine Reihe ressourcen reicher afrikanischer Länder.

ABBILDUNG 5 | SEDA-Werte im weltweiten Vergleich – Nachhaltigkeit

Quelle: BCG-Analyse

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16 | T B C G

0,4

0,6

0,5

0,8

0,9

0,7

1

1,1

1,2

Wohlstand-Lebensqualität-

Koe zient

1,3Große Teile Westeuropas stechen

durch e ziente Umsetzung von Einkommen in Lebensqualität heraus

Ressourcenreiche afrikanische Staaten mit Verbesserungspotenzial bei der Umsetzung von Einkommen

in Lebensqualität

Golfstaaten mit geringer E zienz,bei hohem Einkommen

Lebensqualität zu erzielen

Hohe E zienzbei der Umsetzung von Wohlstand in Lebensqualität

Niedrige E zienzbei der Umsetzung von Wohlstand in Lebensqualität

SEDA-WertAktuelles Level

Einkommen (BIP pro Kopf in $ bei Kau ra parität)1

USA

SchweizSchweden

Spanien

Südafrika

Russland

Polen

Norwegen

LettlandKuwait

Japan

Italien

Indien

UngarnHongkong

Deutschland

Frankreich

China

Brasilien

ASEANOzeanien

Lateinamerika und KaribikAfrika südl. der Sahara

Nordafrika und Naher OstenOsteuropa und Zentralasien Süd- und Ostasien

WesteuropaNordamerika

Einw

ohne

r

Große Teile Osteuropas mit ähnlicher E zienz wie Westeuropa

bei der Umsetzung von Einkommen in Lebensqualität

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

0 5.000 10.000 15.000 20.000 25.000 30.000 35.000 40.000 45.000 50.000

ABBILDUNG 6 | Wohlstand-Lebensqualität-Koeffi zient

1. Die BIP-Levels von Katar ($ 102.943), Luxemburg ($ 80.119) und Norwegen ($ 53.470) wurden auf das Maximum der Matrix angepasst ($ 50.000). Anmerkung: Rote Linie basiert auf Regressionsanalyse (Polynom 2. Ordnung).Quelle: BCG-Analyse

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12,50

60

40

7,5

70

100

80

50

10

90

30

-2,5 0,0 2,5 5,0 10,0

20

Indien

Irland

Italien

Madagaskar

Mexiko

Äthiopien

China

BrasilienPolen Angola

Russland

SudanUSA

Frankreich

Steigerung der Lebensqualität(SEDA-Wert Fortschritt)

Wachstum des BIP pro Kopf (%)

Deutschland

Indonesien

Bahrain

0,9

0,8

0,7

0,6

0,5

0,4

0,3

1

Wachstum-Lebensqualität-

Koe zient

Niedrige E zienzbei der Umsetzung von Wachstum in Steigerung der Lebensqualität

Einw

ohne

r

Hohe E zienzbei der Umsetzung von Wachstum in Steigerung der Lebensqualität

NordamerikaASEANSüd- und Ostasien

WesteuropaOzeanien

Lateinamerika und KaribikAfrika südl. der Sahara

Nordafrika und Naher OstenOsteuropa und Zentralasien

1,2 1,1

ABBILDUNG 7 | Wachstum-Lebensqualität-Koeffi zient

Anmerkung: Rote Linie basiert auf linearer Regression.Quelle: BCG-Analyse

Analog ermittelt der Wachstum-Lebensqualität-Koeffi zient, wie Wirtscha swachstum (durch-schnittliche Steigerung des BIP pro Kopf im Fün ahreszeitraum) in eine Verbesserung der Lebensqualität (SEDA-Punktzahl des Fortschritts-Horizonts) umgesetzt wird. Die rote Regressionsgerade in Abbildung 7 zeigt die durchschnittlichen Werte aller Länder.

Anders als beim Wohlstand-Lebensqualität-Koeffi zienten bilden hier Länder aus sämt-lichen Erdteilen das oberste Quintil. Polen, Albanien, Indonesien und Kambodscha rangieren in den Top 20, ebenso wie die Schweiz, Neuseeland oder Kenia. Deutsch-

land erzielt in dieser Betrachtung ebenfalls eine Positionierung unter den Top 20 mit einem Koeffi zienten von 1,2. Auf dem ersten Platz fi ndet sich erneut Brasilien mit einem Wachstum-Lebensqualität-Koeffi zienten von 1,5. Im Zeitraum von 2006 bis 2011 erzielte Brasilien ein jährliches BIP-Wachstum von durchschnittlich 5,1 Prozent. Gleichzeitig verbesserte sich die Lebensqualität so deut-lich, wie es bei einem Wirtscha swachstum von durchschnittlich 13 Prozent zu erwarten wäre. Brasilien setzte sein Wachstum also sehr effi zient in eine Steigerung der Lebens-qualität entlang fast aller SEDA-Dimensio-nen um.

Page 18: Deutschland im internationalen Vergleich...Im internationalen und europäischen Vergleich wird sichtbar, dass einige andere Länder vor ähnlichen Herausforderungen stehen und teils

18 | T B C G

Aktuelles Level Fortschritt

Nachhaltigkeit

Lebensqualität

Höchste 20 %

Zweite 20 %

Dritte 20 %

Vierte 20 %

Niedrigste 20 %

Keine Daten

EuropäischeQuintile

SEDA-Werte im europäischen Vergleich

Es liegt auf der Hand, dass die Aussagekra von SEDA als Maßstab für Wohlstand und Lebensqualität einer Volkswirtscha mit der Begrenzung auf Regionen und vergleichbare Volkswirtscha en steigt. Im Blick auf die europäischen Länder ergeben sich für die drei SEDA-Zeithorizonte die in Abbildung 8 gezeigten Einstufungen.

Deutschland bildet hier gemeinsam mit der Schweiz, Österreich, den Niederlan-den und den skandinavischen Ländern die

Spitzengruppe im SEDA-Horizont Aktuelles Level, fi ndet sich jedoch im Hinblick auf die SEDA-Horizonte Fortschritt und Nachhaltig-keit nicht im obersten Quintil. Frankreich zählt in allen SEDA-Horizonten zum zwei-ten Quintil; Großbritannien gehört bei den Horizonten Aktuelles Level und Nachhaltigkeitzum zweiten, im Horizont Fortschritt zum dritten Quintil; Spanien und Italien fi nden sich im Fortschritts-Horizont sogar in der Gruppe der europäischen Länder mit den niedrigsten SEDA-Werten.

ABBILDUNG 8 | Wohlstand und Lebensqualität im europäischen Vergleich

Quelle: BCG-Analyse

Page 19: Deutschland im internationalen Vergleich...Im internationalen und europäischen Vergleich wird sichtbar, dass einige andere Länder vor ähnlichen Herausforderungen stehen und teils

19 | T B C G

Überblick

ALS RELATIVER INDEX beziehen sich die SEDA-Werte auf den Vergleich

zwischen Ländern, sodass die Auswahl der Referenzgruppe entscheidend ist für die Aussagekra der SEDA-Werte. Insbe-sondere für die deutsche Volkswirtscha , die aufgrund ihrer Exportorientierung in hohem Grade in die globalen ökonomischen Verfl echtungen eingebunden ist, wäre eine Verengung des Blicks auf die Binnensicht wenig sinnvoll. Sowohl die Entwicklung der Volkswirtscha en in Europa als auch die Entwicklung der Schwellenländer beeinfl us-sen maßgeblich die nachhaltige Leistungs-fähigkeit und die Zukun sperspektiven der deutschen Ökonomie.

Für eine vergleichende Betrachtung der Lebensverhältnisse in Deutschland bieten sich drei Referenzgruppen an.

• Eine erste Gruppe (A) umfasst neben Deutschland die vier EU-Länder Frank-reich, Spanien, Großbritannien und Ita-lien, die aufgrund ihrer Größe und ihres politischen Systems mit Deutschland vergleichbar sind. Abbildung 9 zeigt, dass Deutschland in allen drei SEDA-Ho-rizonten höhere Werte erreicht als der

Durchschnitt dieser vier Länder. Beson-ders deutliche Unterschiede werden im SEDA-Horizont Fortschritt sichtbar: Hier liegen die SEDA-Werte der großen EU-Länder um 10 Punkte niedriger als für Deutschland.

• Eine zweite Referenzgruppe (B) bildet eine Gruppe von Ländern, die im SEDA-Index besonders hohe Werte erreichen. Dazu zählen Norwegen, Schweden, Finnland, Österreich, die Niederlande und die Schweiz. Diese Länder fi nden sich im SEDA-Horizont Aktuelles Level im höchsten Quintil der europäischen Länder und zählen auch in der globalen Betrachtung von insgesamt 150 Staaten zur Spitzengruppe.

• Eine dritte Referenzgruppe (C) besteht aus den Industrieländern USA, Japan und Südkorea, die sich im Hinblick auf Wirtscha sstärke oder technologische Entwicklung auf ähnlichem Niveau befi nden wie Deutschland. Im SEDA-Horizont Aktuelles Level gehören diese drei Volkswirtscha en weltweit zum obersten Quintil.

LEBENSQUALITÄT IN DEUTSCHLAND

Page 20: Deutschland im internationalen Vergleich...Im internationalen und europäischen Vergleich wird sichtbar, dass einige andere Länder vor ähnlichen Herausforderungen stehen und teils

20 | T B C G

Große EU-Länder

Sehr hoch bewertete europäische Staaten1

Große internationale Industrieländer

A B C

Größte westeuropäische EU-Länder mit einer mit Deutschland vergleichbaren Wirtscha sstärke

Europäische Staaten im obersten europäischen Quintil des SEDA-HorizontsAktuelles Level2

Größte internationale Industrieländer im obersten weltweiten Quintil des SEDA-Horizonts Aktuelles Level

Ø A

AUTFIN SWENOR NLD CHEFRA ITAESP GBR USA JPN KOR

SEDA-Ergebnis

Aktuelles Level

Fortschritt

Nachhaltigkeit 81

60

83

Ø BSEDA-Ergebnis

Aktuelles Level

Fortschritt

Nachhaltigkeit

96

67

95

Ø CSEDA-Ergebnis

Aktuelles Level

Fortschritt

Nachhaltigkeit

85

65

82

Neben einem Überblick bezogen auf die SEDA-Zeithorizonte lässt sich ein Ver-gleich Deutschlands innerhalb der drei Referenzgruppen auf Ebene der einzelnen SEDA- Dimensionen vornehmen. Dabei wird sichtbar, dass Deutschland in einigen Dimensionen zur Spitzengruppe zählt, in anderen Feldern dagegen vergleichsweise niedrige SEDA-Werte erreicht.

In der Dimension Einkommen (gemessen am BIP pro Kopf) liegt der SEDA-Wert für Deutschland im Zeithorizont Aktuelles Levelniedriger als der Wert der Referenzgrup-pen B und C und über dem Durchschnitt der Referenzgruppe A, zu der die neben Deutschland vier größten EU-Mitglieds-länder zählen (s. Abbildung 10). Die SEDA-

Werte für Wirtscha sstabilität sind innerhalb der Referenzgruppen ähnlich hoch. In der Dimension Arbeitsmarkt fi ndet sich die Bundesrepublik mit einer besonders guten Positionierung: Deutschland ist eines der wenigen Länder, die auch in der Krise ihren Arbeitsmarkt stabilisieren und die Arbeitslo-senzahlen niedrig halten konnten. Auch im Hinblick auf die Einkommensverteilung belegt Deutschland innerhalb der Vergleichsgrup-pen eine gute Position: In der Bundesre-publik sind die Einkommen gleichmäßiger verteilt als in den großen EU-Staaten sowie in den USA, Japan und Südkorea. Vor allem die nordeuropäischen Staaten erreichen in dieser Dimension jedoch erheblich bessere SEDA-Werte als Deutschland.

ABBILDUNG 9 | SEDA-Werte für Deutschland im Vergleich zu Referenzgruppen

1. Im SEDA-Horizont Aktuelles Level 2. Ohne Island, da Bevölkerung < 400.000 Anmerkung: Dargestellt ist die Durchschnittspunktzahl der jeweiligen Länder der Referenzgruppen im Vergleich zu Deutschland.Quelle: BCG-Analyse

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21 | T B C G

90

80

70

0

65

60

95

85

75

100

Arbeits-markt

Wirtscha s-stabilität

Einkommen Umwelt Infrastruktur

SEDA-Horizont Aktuelles Level

BildungStaats-apparat

Zivil-gesellscha

Einkommens-verteilung

Gesundheit

Große internationale IndustrieländerSehr hoch bewertete europäische StaatenGroße EU-LänderDeutschland

A B C

In den SEDA-Dimensionen Zivilgesellscha und Staatsapparat rangiert Deutschland ebenfalls deutlich vor den großen EU-Mitgliedsländern und den internationalen Industrieländern, jedoch hinter den sehr hoch bewerteten europäischen Staaten.

Auff ällig – wenn auch wenig überraschend – ist, dass die Bundesrepublik vor allem in der SEDA-Dimension Bildung gegenüber allen Referenzgruppen zurückliegt. Die aus den USA, Japan und Südkorea bestehende Gruppe erzielt hier das beste Durchschnitts-resultat. In den Dimensionen Gesundheit, Umwelt und Infrastruktur dagegen fi ndet sich Deutschland vor den Durchschnitts-bewertungen aller Referenzgruppen.

Zu den Besonderheiten des SEDA-Profi ls für Deutschland zählt, dass die Unterschiede zwischen den SEDA-Werten in den einzel-nen Dimensionen geringer sind als in vielen anderen Ländern. Ein direkter Vergleich Deutschlands mit den USA illustriert diesen Befund (s. Abbildung 11). Während die Dif-ferenz zwischen dem höchsten SEDA-Wert der Vereinigten Staaten in der Dimension Bildung und dem niedrigsten SEDA-Wert im Bereich Einkommensverteilung ganze 47 Punkte ausmacht, ist diese Spannweite im Falle Deutschlands deutlich geringer: Sie beträgt 28 Punkte für die Diff erenz zwischen den SEDA-Werten für die Dimensionen Um-welt und Einkommen. Dies lässt sich dahinge-hend interpretieren, dass Deutschland eine vergleichsweise ausgewogene Entwicklung von Wohlstand und Lebensqualität, wie sie in den zehn SEDA-Dimensionen erfasst werden, aufweist.

ABBILDUNG 10 | Aktuelles Level: SEDA-Werte für Deutschland im Vergleich zu Referenzgruppen

Anmerkung: Dargestellt sind die Durchschnittspunktzahlen der jeweiligen Länder der Referenzgruppen.Quelle: BCG-Analyse

Page 22: Deutschland im internationalen Vergleich...Im internationalen und europäischen Vergleich wird sichtbar, dass einige andere Länder vor ähnlichen Herausforderungen stehen und teils

22 | T B C G

0

50

55

65

75

85

95

90

80

70

60

SEDA-Horizont Aktuelles Level

InfrastrukturUmweltGesundheitBildungStaats-apparat

Arbeits-markt

Wirtscha s-stabilität

Einkommen Einkommens-verteilung

Zivil-gesellscha

28 Punkte

47 Punkte

Im SEDA-Horizont Fortschritt (s. Abbildung 12) wird erkennbar, dass sowohl Deutsch-land als auch die Referenzgruppen in vielen SEDA-Dimensionen im Fün ahreszeitraum von 2006 bis 2011 teilweise deutliche Fort-schritte verzeichnen. Besonders positive Er-gebnisse erzielt Deutschland in den Dimensi-onen Arbeitsmarkt und Umwelt; eine negative Entwicklung zeigt sich in der Dimension Einkommensverteilung. Im Vergleich aller Referenzländer fi ndet sich Deutschland hier auf dem vorletzten Platz. Die Diskrepanz

zwischen Deutschlands vorteilha er Position im SEDA-Horizont Aktuelles Level und der weniger vorteilha en Position im SEDA-Horizont Fortschritt für die gleiche Dimension (Einkommensverteilung) illustriert die Vorzüge des SEDA-Index: Ein statischer Blick würde zu einer positiven Aussage führen, aus der sich keine Änderungsnotwendigkeit ablei-ten lässt; der entwicklungsbezogene Blick erfasst dagegen die (negative) Dynamik, die in diesem Feld zu erkennen ist – und die auf deutlichen Handlungsbedarf hinweist.

ABBILDUNG 11 | SEDA-Werte für Deutschland im Vergleich zu den USA

Quelle: BCG-Analyse

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23 | T B C G

80

40

25

55

0

95

60

100

30

35

45

50

65

70

75

85

90

Wirtscha s-stabilität

SEDA-Horizont Fortschritt

InfrastrukturUmweltGesundheitBildungStaats-apparat

Zivil-gesellscha

Einkommens-verteilung

Arbeits-markt

Einkommen

Große internationale IndustrieländerSehr hoch bewertete europäische StaatenGroße EU-LänderDeutschland

A B C

Ähnlich fallen die SEDA-Werte für Deutsch-land auch im Zeithorizont Nachhaltigkeit aus (s. Abbildung 13). Gute SEDA-Bewertungen in diesem Horizont signalisieren, dass die Lebensqualität für zukün ige Generationen

erhalten oder gesteigert werden kann. Hier fi ndet sich Deutschland überwiegend im (teils oberen) Mittelfeld; angeführt wird der SEDA-Vergleich im Horizont Nachhaltigkeit von den west- und nordeuropäischen Ländern.

ABBILDUNG 12 | Fortschritt: SEDA-Werte für Deutschland im Vergleich zu Referenzgruppen

Anmerkung: Dargestellt sind die Durchschnittspunktzahlen der jeweiligen Länder der Referenzgruppen.Quelle: BCG-Analyse

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24 | T B C G

68

9698

6264

70

66

84

72

90

80

74

0

7678

82

8688

9294

SEDA-Horizont Nachhaltigkeit

InfrastrukturUmweltGesundheitBildungStaats-apparat

Zivil-gesellscha

Einkommens-verteilung

Wirtscha s-stabilität

Arbeits-markt

Einkommen

Große internationale IndustrieländerSehr hoch bewertete europäische StaatenGroße EU-LänderDeutschland

AØ CØ

A B C

Anhand der Ergebnisse des SEDA in den drei Horizonten lassen sich „grobkörnige“ Aussagen darüber treff en, wie es um Wohl-stand und Lebensqualität in Deutschland bestellt ist im Vergleich zu ähnlich großen Volkswirtscha en, europäischen Nachbarn oder Ländern, die in dieser Betrachtung eine besonders hohe Bewertung erzielen. Erst eine detaillierte Analyse der SEDA-Werte für Deutschland entlang der zehn für diesen Index ausgewählten Dimensionen kann Hin-weise darauf liefern, wo es Handlungsfelder gibt, die Wohlstand und Lebensqualität in Deutschland positiv beeinfl ussen können.

Ökonomische SEDA-Dimensionen

EinkommenDas Einkommen einer Volkswirtscha ge-messen am BIP pro Kopf ist eine Standard-größe, um den materiellen Wohlstand zu erheben und zu vergleichen.

Deutschlands BIP pro Kopf (bei Kau ra -parität) lag im Jahr 2011 bei $ 37.897 und damit höher als in den meisten anderen Staaten der Welt. Auch im Vergleich zu vielen europäischen Nachbarn erwirtschaf-ten die Deutschen ein hohes Inlandspro-dukt und konnten dessen Wert bisher fast jedes Jahr steigern. Die Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtscha erklärt sich aus mehreren Faktoren: Neben dem vergleichs-weise hohen Industrialisierungsgrad zählt Deutschland aufgrund der Stärke seiner Schlüsselindustrien – darunter Automobil, Chemie, Maschinen- und Anlagenbau – zu den Gewinnern der Globalisierung. Als Lie-feranten von Investitionsgütern, Infrastruk-tur und Technologien für den Energie- und Rohstoff einsatz haben sich viele deutsche Unternehmen eine starke Position in ihren Branchen gesichert. Dies gilt sowohl für international tätige Konzerne als auch für die zahlreichen „Hidden Champions“ des deutschen Mittelstands.

ABBILDUNG 13 | Nachhaltigkeit: SEDA-Werte für Deutschland im Vergleich zu Referenzgruppen

Anmerkung: Dargestellt sind die Durchschnittspunktzahlen der jeweiligen Länder der Referenzgruppen.Quelle: BCG-Analyse

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25 | T B C G

Ein statischer Ländervergleich des BIP, wie er im SEDA-Horizont Aktuelles Level darge-stellt ist, erlaubt nur begrenzt Aussagen zu kün igen Schwerpunkten und Handlungs-feldern, um die materielle Basis von Wohl-stand und Lebensqualität in einer Volks-wirtscha zu erhöhen. Vielfach sind die Unterschiede zwischen dem BIP pro Kopf der Volkswirtscha en auf Besonderheiten zurückzuführen, die sich nur bedingt beein-fl ussen lassen. Dazu zählen neben Größe, Geschichte und Industrialisierungsgrad der Länder beispielsweise auch Rohstoff -vorkommen. So weisen im SEDA-Vergleich der Einkommen weltweit eine Reihe von Ländern wie die USA oder nordeuropäische und arabische Staaten besonders hohe BIP-Werte auf, die unter anderem auf Rohstoff -reichtum basieren. Für die Detailbetrach-tung Deutschlands in der SEDA-Dimension Einkommen rücken daher insbesondere die Ergebnisse der SEDA-Horizonte Fortschritt und Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt.

Im SEDA-Horizont Fortschritt erreicht Deutschland gegenüber den Referenzgrup-pen höhere Werte: Zwischen 2006 und 2011 ist das BIP pro Kopf in Deutschland stärker gestiegen als im Durchschnitt bei allen drei Referenzgruppen. Dies lässt sich vor allem darauf zurückführen, dass Deutschland den Wirtscha seinbruch der Krisenjahre 2008 und 2009 – als eine von wenigen Ausnah-men unter den OECD-Ländern – vergleichs-weise gut bewältigt hat. Dabei profi tierte die deutsche Wirtscha sowohl von einer raschen und angemessenen Reaktion der Politik auf die Krise (beispielsweise mit Hilfe der Abwrackprämie und Regelungen zur Kurzarbeit) als auch von ihrer exportorien-tierten Struktur.

Im SEDA-Horizont Nachhaltigkeit zeigt sich, dass Deutschland seinen hohen SEDA-Wert in erster Linie den überdurchschnittlichen Bruttoinvestitionen verdankt. Negativ beein-fl ussen drei Faktoren die zukun sgerichtete Bewertung: die hohe Staatsverschuldung von über 80 Prozent des BIP, das schlechte Abschneiden Deutschlands in der Dimen-sion Bildung sowie die demographische

Entwicklung. Die Staatsverschuldung wird kün ige Handlungsspielräume für öff entli-che Investitionen erheblich einschränken; die Schwächen des deutschen Bildungssys-tems beeinfl ussen unmittelbar das Angebot an qualifi zierten Arbeitskrä en; der Wandel der Altersstruktur verändert das Zahlen-verhältnis von Erwerbstätigen zu Nicht-Erwerbstätigen.

Eine nachhaltig leistungs-fähige, starke deutsche Wirt-scha bildet eine wichtige Vo-raussetzung für die Erhaltung und Steigerung der Lebens-qualität in Deutschland.

Trotz der guten Position, in der sich Deutschland im Ländervergleich aktuell befi ndet, zeigen die SEDA-Horizonte auch Herausforderungen auf, die bewältigt werden müssen, um die hohe Leistungsfä-higkeit zu sichern. Neben den seit Jahren intensiv diskutierten Risiken, die aus der fortschreitenden Schuldenkrise resultieren, sowie den Zukun saufgaben im Hinblick auf die Alterung der Bevölkerung und das fragmentierte Bildungssystem in Deutsch-land kann eine Optimierung der techno-logiepolitischen Rahmenbedingungen dazu beitragen, die Leistungsfähigkeit der Wirtscha zu erhalten und auszubauen. Innovation und technologischer Vorsprung bleiben die wesentlichen Wachstumstreiber einer eng in die internationale Arbeitstei-lung eingebundenen deutschen Wirtscha . Deutschlands Selbstverständnis als führen-des Industrieland erfordert kontinuierliche Innovationen, welche zu neuen Produkten oder Dienstleistungen und mittelbar zu Arbeitsplätzen führen können. Eine Opti-mierung der gegenwärtigen Industrieförder-politik, wie sie von Institutionen wie bei-spielsweise der Forschungsunion Wirtscha – Wissenscha mit konkreten Vorschlägen angestrebt wird, kann hier einen nachhalti-gen Beitrag leisten.

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26 | T B C G

NEUER ROHSTOFFREICHTUM IN DEN USA BEGÜNSTIGT NACHHALTIG HOHES BRUTTOINLANDSPRODUKT

Mit einem kau ra bereinigten BIP pro Kopf von fast $ 48.387 (2011) rangieren die USA in der Spitzengruppe innerhalb der westlichen Industrienationen. Hinsichtlich der kün igen Entwicklung der US-Volks-wirtscha rückt vor allem der neue Gas- und Ölreichtum in den Blick: Durch die riesigen Schiefergas- und Öl funde können die USA bis 2020 vom größten Energie-importeur der Welt zu einem Exporteur von Öl und Gas werden. Möglich wird dies durch neue Technologien wie z. B. Fra-cking: Dabei werden Rohstoff e mit Hori-zontalbohrungen unter Einsatz von hohem Druck, Chemikalien und Wasser aus dem Schiefergestein gelöst. Die Vorkommen sind nach Einschätzung der Internatio-

nalen Energieagentur (IEA) so groß, dass die USA bis zum Jahr 2020 Russland und Saudi-Arabien als größte Ölproduzenten einholen könnten. Als Folge der steigenden Eigenproduktion von Öl und Gas ist zu er-warten, dass sich die Wettbewerbsfähigkeit der US-Wirtscha erheblich verbessern wird. Bis zum Jahr 2020 wird in den Ver-einigten Staaten mit rund drei Millionen neuen Arbeitsplätzen gerechnet, weil die Stromkosten für die Industrie schon heute nur knapp 60 Prozent des deutschen Niveaus betragen und besonders ener-gieintensive Unternehmen deshalb in den USA einen attraktiven Standort sehen. Vor allem die amerikanische Chemieindustrie erlebt derzeit eine Renaissance.

INNOVATIVER BIOTECHNOLOGIESEKTOR IN DER SCHWEIZ WIRKT SICH POSITIV AUF DIE WIRTSCHAFTSKRAFT AUS

Das kau ra bereinigte BIP pro Kopf liegt in der Schweiz mit $ 43.470 (2011) im eu-ropäischen und internationalen Vergleich sehr hoch. Dies lässt sich auf eine ganze Reihe von Faktoren zurückführen. Dazu zählen unter anderem die starke Phar-maindustrie mit weltweit operierenden Konzernen wie Roche und Novartis, die den Au au von – in erster Linie medizini-schen – Biotech-Clustern in Zürich, Basel und Genf begünstigten. Diese Cluster bieten eine hohe Konzentration von In-vestitionskapital und Know-how mit einer engen Verknüpfung zwischen universitärer und angewandter Forschung. Die Schwei-zer Biotech-Branche wird darüber hinaus bei der Grundlagenforschung mit Geldern aus dem Schweizerischen National-

fonds (SNF) unterstützt. Gefördert wird die Schweizer Wirtscha , insbesondere im Biotech-Bereich, zudem durch eine vergleichsweise liberale Gesetzgebung – beispielsweise in der Stammzellforschung – sowie eine unternehmensfreundliche Politik mit niedrigen Steuersätzen, un-komplizierten Unternehmensgründungen und Steuerbegünstigungen für Unterneh-men in der Au auphase.

Viele große Biotech-Fonds und Biotech-nologie-Unternehmen wie Actelion oder Merck-Serono haben ihren Sitz in der Schweiz. Der weltweit größte Pharmakon-zern Roche entwickelte außerdem einen Biotechnologie-Schwerpunkt und über-nahm 2008 den US-Pionier Genentech.

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27 | T B C G

2,6

1,4

1,1

0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

Arbeitslosenquote in Deutschland (in %)

2011

6,0

2010

7,1

2009

7,8

2008

7,5

0,2

Hypothetische zusätzliche Arbeitslosigkeit1

Tatsächliche Arbeitslosigkeit

Wirtscha sstabilitätEine stabile Wirtscha wirkt sich positiv auf das Vertrauen von Kreditgebern aus, was staatliche Handlungsmöglichkeiten erhöht und Regierungen dabei unterstützt, unvor-hergesehene wirtscha liche Schwankungen abzumildern oder gar zu verhindern.

SEDA bewertet die Wirtscha sstabilität in Deutschland in der aktuellen Betrachtung als durchschnittlich. Die Infl ation ist in

Deutschland traditionell auf einem stabi-len Level gering; auch die Entwicklung des Arbeitsmarktes in den vergangenen Jahren hatte positive Eff ekte auf die wirtscha liche Stabilität der Bundesrepublik. Während vor allem in den südeuropäischen Ländern die Arbeitslosigkeit mit der Krise anstieg, konnte Deutschland diese sogar senken. Vor allem die Ausweitung der Kurzarbeit federte nega-tive Einfl üsse ab (s. Abbildung 14).

Während sich die Bundesrepublik im SEDA-Horizont Fortschritt im Mittelfeld der Referenzgruppen positioniert, zeigt sich im Zeithorizont Nachhaltigkeit, welche Fakto-ren die stabile Entwicklung tragen. Dazu gehört die breite Exportdiversifi kation deutscher Unternehmen, durch die sich die Abhängigkeit von Nachfrageschwankungen in einzelnen Produktbereichen verringert; ebenso positiv wirken sich die im interna-

tionalen Vergleich gute Infrastruktur und politisch stabile Lage aus – beides Faktoren, die für langfristige Investitionen und Stand-ortentscheidungen relevant sind. Zu den negativen Einfl ussfaktoren zählt neben den vergleichsweise geringen Währungsreser-ven vor allem der hohe Schuldenstand der öff entlichen Haushalte, der die Spielräume für (Krisen-)Interventionen einschränkt.

ABBILDUNG 14 | Die Ausweitung der Kurzarbeit stabilisierte den Arbeitsmarkt

1 Bandbreite der zusätzlichen hypothetischen Arbeitslosigkeit unter der Annahme, dass betroff ene Arbeitnehmer (zum Teil) erwerbslos geworden wären, sofern die Möglichkeit zu ausgeweiteter Kurzarbeit nicht bestanden hätte.Quelle: Statistisches Bundesamt; BCG-Analyse

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28 | T B C G

ArbeitsmarktDie Situation auf dem Arbeitsmarkt hat so-wohl unmittelbare ökonomische Auswirkun-gen als auch einen direkten Einfl uss auf die Lebensqualität des Einzelnen sowie im Blick auf die Gesellscha . Über die Kopplung zwischen Arbeitsverhältnissen und Einkom-men hinaus sind in den meisten entwickel-ten Ländern gesellscha licher Status und Selbstverständnis an die berufl iche Position geknüp . Die sozialen Folgen hoher Arbeits-losenzahlen, insbesondere bei den neu in den Arbeitsmarkt Eintretenden, zeigen sich gegenwärtig in den von der Schuldenkrise

besonders betroff enen Ländern.

SEDA bewertet den Arbeitsmarkt in Deutschland im Vergleich mit den Re-ferenzländern als durchschnittlich. Die Beschä igungslage ist besser als in den EU-Nachbarstaaten; die Unterschiede zwischen den SEDA-Werten lassen sich primär aus der geringeren Arbeitslosenquote erklären. Im Zeithorizont Fortschritt erzielt Deutschland mit Abstand die höchste SEDA-Punktzahl unter den Vergleichsländern; auch im Gesamtranking aller 150 untersuchten

GERINGE STAATSVERSCHULDUNG IN AUSTRALIEN UNTERSTÜTZT WIRTSCHAFTLICHE STABILITÄT

Australien nimmt unter den Industriestaa-ten im Hinblick auf die Nachwirkungen der Finanzkrise eine Sonderstellung ein. Während in den USA und im Euroraum die Wirtscha durch historisch niedrige Leitzinsen gestützt wurde und die Volks-wirtscha en teils drastische Einbrüche erlebten, stieg das australische BIP in den Nachkrisenjahren an. Vor der Krise hatte die australische Wirtscha eine 17 Jahre währende Wachstumsphase erlebt und hohe Haushaltsüberschüsse erzielt.

Besonders auff ällig ist im Vergleich zu den USA und Westeuropa die geringe Schul-denquote. Mit 32,5 Prozent (2013) des BIP beträgt die Staatsverschuldung nur ca. ein Drittel des OECD-Durchschnitts. Eine zweite Ursache für die australische Wirtscha sstabilität ist der Rohstoff reich-tum des Kontinents. Auf dem Weltmarkt sind Japan, China, Südkorea und Indien die größten Partner – rund 80 Prozent der australischen Eisenerze gehen nach China.

KANADAS WIRTSCHAFT WIRD VON ROHSTOFFEXPORTEN UND SOLIDEM BANKENSEKTOR STABILISIERT

Wie Australien kam auch Kanada nahezu unbeschadet durch die globale Rezession 2008 und kann auf ein solides Wirtscha s-wachstum zurückblicken. Für internatio-nale Ratingagenturen zählt Kanada zu den kreditwürdigsten Schuldnern der Welt. Das Land gilt als langfristig politisch und wirtscha lich stabil – besonders auch auf-grund stetig sinkender Staatsschulden.

Zudem ist Kanada reich an vielen stark nachgefragten natürlichen Ressourcen. Während sich zahlreiche westliche Indus-trienationen durch ihre Energieabhängig-keit zunehmend verschulden, hat Kanada als Lieferant dieser Rohstoff e eine zusätzli-che Einnahmequelle. Kanada verfügt über

die drittgrößten Erdölreserven weltweit nach Saudi-Arabien und Venezuela und ist der drittgrößte Erdgasförderer der Welt. Darüber hinaus ist Kanada größter Produzent von Uran, zweitgrößter Förde-rer von Nickel und rangiert auf Rang drei bei Aluminium, Platin und Titan; mehr als die Häl e der weltweiten Reserven an Seltenen Erden – außerhalb Chinas – wird in Kanada vermutet.

Kanada besitzt aber nicht nur Roh-stoff e, sondern auch einen der solidesten Bankensektoren weltweit. Während der Finanz krise wurde für keine einzige ka-nadische Bank eine staatliche Rettungs-aktion notwendig.

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29 | T B C G

-0,4

Japan +1,1Norwegen +1,0

Schweiz +0,9Österreich +0,6Südkorea +0,6

Deutschland

Veränderung der Arbeitslosenquote zwischen 2008 und 2010 (in Prozentpunkten)

Spanien +8,7USA +3,8

Schweden +2,4Großbritannien +2,2

Finnland +1,9Frankreich +1,9

Italien +1,7Niederlande +1,4

Nationen erreicht die Bundesrepublik hier Platz 5. Wie kaum einem anderen Land ist es Deutschland gelungen, trotz Wirtscha s-krise die Arbeitslosenrate zu reduzieren (s. Abbildung 15). Dies lässt sich auf die relativ stabile wirtscha liche Lage zurückführen sowie insbesondere auch auf die Reformen der Agenda 2010, die eine weitreichende Flexibilisierung des Arbeitsmarktes zum

Ziel hatten. Inzwischen zeigen sich jedoch Nebeneff ekte, die Handlungsbedarf erken-nen lassen. So ist der Niedriglohnsektor in Deutschland massiv gewachsen, ebenso der Anteil Vollzeit-Erwerbstätiger, die auf staat-liche Unterstützungszahlungen angewiesen sind. Eine aktuelle Studie der Universität Jena beziff ert die Zahl dieser Unterstüt-zungsempfänger auf fünf Millionen.

Die SEDA-Bewertung zur Nachhaltigkeitfällt durchschnittlich aus. Entlang fast aller Indikatoren erreicht Deutschland SEDA-Werte, die im Mittelfeld der Vergleichs-länder liegen. Dies ist – wenig überraschend – erneut auf die hohe Staatsverschuldung zurückzuführen, die den SEDA-Wert negativ beeinfl usst, da Handlungsspielräume, etwa für konjunkturbedingte Förderprogramme (z. B. eine Ausweitung der Kurzarbeit), da-durch eingeschränkt werden.

Trotz guter SEDA-Ergebnisse bestehen Herausforderungen für den deutschen Arbeitsmarkt. Zwar weist die Bundesrepu-blik mittlerweile historisch niedrige Arbeits-

losenraten auf; in anderen Staaten nimmt aber o ein höherer Bevölkerungsanteil am Erwerbsleben teil. Die Alterung der Gesellscha , gepaart mit einer niedrigen Geburtenrate, führt schon heute dazu, dass viele Stellen in deutschen Unternehmen nicht besetzt werden können. Das Hambur-gische WeltWirtscha sInstitut ermittelte, dass rund zwei Millionen Deutsche stärker in den Arbeitsmarkt einbezogen werden könnten: Frauen, Einwanderer und ältere Arbeitnehmer. Abbildung 16 verdeutlicht exemplarisch, dass die Erwerbsbeteiligung der 55- bis 64-Jährigen in Deutschland teils erheblich geringer ist als in anderen Volks-wirtscha en.

ABBILDUNG 15 | Arbeitslosigkeit ist in Deutschland in der Krise gesunken

Quelle: Economist Intelligence Unit

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30 | T B C G

38

41

42

45

56

57

57

60

60

62

65

70

70

73

30 35 40 45 50 55 60 65 70 75

Beschä igungsrate der Bevölkerung im Alter von 55 bis 64 Jahren, 2011 (in %)¹

Italien

Frankreich

Österreich

Spanien

Niederlande

Großbritannien

Deutschland

USA

Südkorea

Japan

Schweiz

Norwegen

Schweden

Finnland

Die Förderung der Integration von Frauen, älteren Arbeitnehmern und Immigranten in die Gruppe der Erwerbstätigen ist im Hinblick auf zukün ige Herausforderun-gen essenziell, um langfristig das hohe Niveau der Lebensqualität in Deutschland zu halten. Dazu zählen neben den vieldis-

kutierten familienpolitischen Maßnahmen insbesondere eine Zuwanderungspolitik, die den Zugang von Migranten zum deut-schen Arbeitsmarkt erleichtert, sowie eine Flexibilisierung der Rentenpolitik, um die Erwerbstätigkeit älterer Arbeitnehmer zu fördern.

NORWEGEN FÖRDERT FAMILIEN UND DIE BESCHÄFTIGUNG VON FRAUEN INTENSIV

Seit Jahren führt Norwegen internationale Rankings an, wenn es um die Vereinbar-keit von Beruf und Familie geht. Dieses Ergebnis ist Resultat politischer Entschei-dungen – Gleichberechtigung rangiert in Norwegen seit Jahrzehnten weit oben auf der Regierungsagenda. So wurden in Norwegen bereits 1993 die Vätermonate der Elternzeit eingeführt, es gibt einen Rechtsanspruch auf einen Kindergar-tenplatz, und auch das Arbeitsleben ist deutlich besser an die Bedürfnisse von Familien angepasst als in vielen anderen

Industrienationen. Norwegische Arbeitge-ber sind auf Familienauszeiten eingestellt – diese stellen also kein Karrierehindernis dar. Mehr als 90 Prozent der norwegi-schen Väter nehmen mindestens drei Monate Elternzeit – in Deutschland gilt dies nur für ein Viertel der Männer. Eben-so sind in Norwegen fl exible Arbeitszeiten nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Knapp die Häl e aller norwegischen Ar-beitnehmer arbeiten auch von zu Hause aus – bei Spitzenverdienern sind es sogar 60 Prozent.

ABBILDUNG 16 | Deutschland liegt bei der Erwerbsbeteiligung älterer Menschen zurück

1. Anzahl Beschä igter der Altersgruppe 55 – 64 dividiert durch die Gesamtbevölkerung der 55- bis 64-Jährigen.Quelle: OECD; Eurostat

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SCHWEDEN UNTERSTÜTZT AUSLÄNDISCHE ARBEITNEHMER DURCH FORTSCHRITTLICHE IMMIGRATIONSPOLITIK

Schweden ist mit gut neun Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste Land Skandinaviens. In den letzten Jahren erreichte der Zuzug von Einwanderern Rekordwerte – dank tatkrä iger Unter-stützung durch eine aktive Immigrations-politik. Frühzeitig kam die schwedische Regierung zu der Diagnose, dass auf dem heimischen Arbeitsmarkt qualifi zierte Arbeitskrä e zur Besetzung wichtiger Stel-len fehlten. Schweden hat seinen Arbeits-markt umgehend für Staatsangehörige der EU-Beitrittsländer von 2004 und 2007 geöff net. Anders als etwa in Deutschland konnten Personen aus den Erweiterungs-ländern sofort nach Schweden einreisen und arbeiten, ohne zuvor eine Arbeits-erlaubnis beantragen zu müssen. Erst kürzlich erleichterte die Regierung zudem die Zuwanderung von Arbeitskrä en aus Nicht-EU-Staaten.

Die Arbeitsimmigration wird dabei fast ausschließlich von der Nachfrage der schwedischen Arbeitgeber abhängig gemacht; staatliche Steuerungsmöglich-keiten sind stark begrenzt. Eine Prüfung durch die Arbeitsmarktbehörde, ob die Zuwanderung ausländischer Arbeitskräf-te wirtscha lich erforderlich ist, fi ndet nicht mehr statt. Wenn ein Arbeitgeber eine Stelle nicht direkt mit einem schwe-dischen Arbeitnehmer besetzen kann,

ist er zunächst verpfl ichtet, sie über die Arbeitsmarktbehörde öff entlich und EU-weit auszuschreiben. Gelingt auch dann eine Besetzung nicht, darf der Arbeitgeber einen Bewerber aus jedem beliebigen Land der Welt anwerben. Gegenüber der Migrationsbehörde muss er lediglich nachweisen, dass die Stelle tatsächlich mindestens zehn Tage lang EU-weit aus-geschrieben war. So wird das Prinzip des Vorrangs für einheimische Arbeitssuchen-de und EU-Bürger berücksichtigt.

Die neuen Immigrationsregeln kennen keine Unterschiede hinsichtlich des Ausbildungsstands der Antragsteller. Auch Arbeitskrä e mit niedrigem oder gar keinem Bildungsabschluss können einwandern, wenn die Arbeitgeber ent-sprechende Stellen zu besetzen haben. Zudem erhalten alle Wirtscha smigranten Zugang zu den gleichen sozialen Rechten wie die übrige Bevölkerung des Landes. Die Arbeitsimmigranten dürfen vom ers-ten Tag an ihre Ehegatten mitbringen, die dann ebenfalls freien Zugang zum schwe-dischen Arbeitsmarkt bekommen. Mit einem Arbeitsvertrag ist eine Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung von zwei Jahren verbunden. Nach einmaliger Verlängerung wird die Aufenthaltsgenehmigung unbe-fristet gültig.

ÄLTERE ARBEITNEHMER PROFITIEREN IN SCHWEDEN VON EINER FLEXIBLEN RENTENPOLITIK

Schwedische Arbeitnehmer haben ab dem 61. Lebensjahr Anspruch auf eine gesetzli-che Rente. Altershöchstgrenzen existieren jedoch nicht, und der Renteneintritt kann individuell fl exibel erfolgen. Es bestehen fi nanzielle Anreize zur Verlängerung der Erwerbstätigkeit – die Rentenzahlungen erhöhen sich stetig mit zunehmendem Renteneintrittsalter. Bei krankheitsbeding-ter Verminderung der Erwerbstätigkeit werden die staatlichen Zuwendungen

befristet, und es fi nden jährlich medizini-sche Überprüfungen statt. Ziel ist es, die Frühverrentung zu minimieren und dem offi ziellen Renteneintrittsalter anzuglei-chen. Arbeitgeber erhalten staatliche Förderungszahlungen, sofern sie partiell erwerbsunfähige Arbeitnehmer weiter-beschä igen, sodass ein Verbleib am Arbeitsplatz oder eine schnelle Rückkehr ins Erwerbsleben unterstützt wird.

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BCGSTUDIE VERDEUTLICHT VERBESSERUNGSPOTENZIALE BEI INTEGRATION VON FRAUEN IN DEN ARBEITSMARKT

Frauen in Führungspositionen sind in Deutschland immer noch eher die Aus-nahme als die Regel. Obwohl Frauen in den unteren bis mittleren Gehaltsklassen mittlerweile gut vertreten sind, ist die Zahl derer, die das mittlere Management oder gar Vorstandspositionen erreichen, gering. Nur 13 Prozent der oberen Führungskräf-te deutscher Unternehmen sind weiblich; und das, obwohl Frauen mittlerweile die Mehrheit der Studierenden und auch der Absolventen an deutschen Universitäten ausmachen. Die Studie „Shattering the Glass Ceiling“ der Boston Consulting Group beleuchtet die Ursachen für diese Befunde und zeigt Verbesserungsmaß-nahmen auf.

Führungskrä e aus 44 multinationalen Unternehmen weltweit wurden interviewt und ihre Aussagen mit quantitativen und qualitativen Erfahrungswerten aus BCG-Projekten zusammengeführt, um individu-elle und soziale Hindernisse in den Karrie-

ren von Frauen aufzudecken. Gleichzeitig enthält die Studie Handlungsempfehlun-gen für Unternehmen, die helfen können, Barrieren abzubauen. Entscheidend ist es, die Umstände zu erkennen, die dazu führen, dass Frauen im eigenen Unterneh-men benachteiligt werden, und geeignete Lösungen zu entwickeln, um diese Um-stände zu beseitigen. Arbeitgeber sollten Frauen vor allem fl exible Arbeitszeit-modelle anbieten. Vorschri en, die lange physische Anwesenheit am Arbeitsplatz erfordern, benachteiligen insbesondere weibliche Mitarbeiter. Zudem ist es essen-ziell, Modelle zu entwickeln, die es Frauen erleichtern, für gewisse Zeiten (z. B. bei Geburt eines Kindes) ihren Arbeitsplatz zu verlassen. Doch auch Wiedereinglie-derungsmodelle nach längeren Auszeiten (z. B. Elternzeit) sind wichtig, sodass Anreize für weibliche Mitarbeiter beste-hen, wieder an den Arbeitsplatz zurück-zukehren und ihre Karriere – auch in die höheren Etagen – fortzusetzen.

DEUTSCHE UNTERNEHMEN BENÖTIGEN HOCHQUALIFIZIERTE ARBEITSKRÄFTE

Die weltweite Nachfrage nach hoch-qualifi zierten Arbeitskrä en ist über die letzten Jahre deutlich angestiegen. Diese Entwicklung wird sich mittel- bis langfristig spürbar verstärken und so die Talentlücke für Arbeitgeber immer weiter vergrößern. Der „Global Talent Risk“-Report der Boston Consulting Group, der in Zusammenarbeit mit dem World Economic Forum erstellt wurde, prognostiziert allein für Westeuropa einen Bedarf von 45 Millionen zusätzli-chen Arbeitskrä en bis zum Jahr 2030. Bei sinkenden Geburtenraten und einer zunehmenden Überalterung der eigenen Bevölkerung blicken immer mehr Länder bei der Suche nach hoch ausgebildeten Arbeitskrä en auch ins Ausland. In Zeiten wachsender Globalisierung nimmt damit

auch der globale Wettbewerb um Talente deutlich zu.

Wie Länder auch zukün ig die Talentlü-cke auf ihren heimischen Arbeitsmärkten schließen können, sei es durch richtiges Setzen von Anreizen für hochqualifi zier-te Arbeitskrä e aus dem Ausland oder durch eigene Ausbildung, fasst die Studie in einem Sieben-Punkte-Plan zusammen. Dazu gehört unter anderem die strategi-sche Belegscha splanung als konkrete Aufgabe für Unternehmen, die Vereinfa-chung von Migrationsbestimmungen durch die Gesetzgebung und die Ausweitung des Talentpools zur verbesserten Einbeziehung von Frauen, Migranten und älteren Men-schen in die Erwerbsbevölkerung.

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EinkommensverteilungNicht nur die durchschnittliche Wirtscha s-leistung pro Kopf, sondern auch die Vertei-lung des materiellen Wohlstands auf die Bürger einer Gesellscha spielt eine Schlüs-selrolle für das Verhältnis von Wohlstand und Lebensqualität in einer Volkswirtscha . SEDA bezieht sich in der Defi nition von Lebensqualität explizit auf die Lebensver-hältnisse einer breiten Bevölkerung.

Die SEDA-Werte für Einkommensverteilung im Zeithorizont Aktuelles Level bescheinigen Deutschland eine gute Position: Im Ver-gleich zu den großen EU-Ländern sowie vielen Industrienationen weltweit sind die Einkommen in Deutschland gerechter verteilt. Allerdings trübt sich das Bild beim Blick auf die SEDA-Horizonte Fortschritt und Nachhaltigkeit: Gegenüber den drei Referenzgruppen fi ndet sich Deutschland gemessen am Fortschritt auf dem vorletz-ten Platz (s. auch Abbildung 17). Auch die mittelmäßige Positionierung in der zukun s-bezogenen Nachhaltigkeits-Betrachtung zeigt, dass dieser Faktor stärkerer Beachtung

bedarf – ein Befund, der von zahlreichen Studien bestätigt wird, unter anderem dem 2013 veröff entlichten „Vierten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung“. Zwar lässt sich feststellen, dass sich seit knapp acht Jahren die Einkommensschere in Deutschland nicht weiter geöff net hat, doch wäre vor dem Hintergrund der bemer-kenswert positiven Entwicklung auf dem deutschen Arbeitsmarkt ein Rückgang bei den Lohndiff erenzen zu erwarten gewesen. Insbesondere die ungleiche Verteilung von Privatvermögen hat in Deutschland deutlich zugenommen: 1970 besaß das reichste Zehn-tel der (West-)Deutschen 44 Prozent des gesamten Nettogeldvermögens; 2011 waren es 66 Prozent. Von 1993 bis 2007 stieg daher der Gini-Koeffi zient für die Verteilung der individuellen Nettovermögen in Deutsch-land von 0,62 auf 0,80. Der Anteil, den die untere Häl e der Vermögensbesitzer am Gesamtvermögen der Deutschen hat, ist im gleichen Zeitraum von 6 Prozent auf unter 1 Prozent gesunken.

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Niedrigere SEDA-Bewertung als Deutschland

Höhere SEDA-Bewertung als Deutschland

A

B

A

B

C

A

B

C

NachhaltigkeitFortschrittAktuelles Level

C

Große internationale Industrieländer

Große EU-LänderSehr hoch bewertete europäische StaatenB

A

C

Ursächlich für den steigenden Beschä i-gungsgrad bei gleichzeitig sinkenden durch-schnittlichen Realeinkommen sind weniger die niedrigen Lohnabschlüsse als vor allem die erhebliche Zunahme atypischer Be-schä igungsformen wie Minijob, Zeitarbeit und befristete Arbeitsverträge. Im Jahr 2010 stieg beispielsweise die Zahl der abhängig Beschä igten in Deutschland um insgesamt 322.000 – davon entfi elen jedoch 182.000 auf Zeitarbeitnehmer, weitere 121.000 auf befristet Beschä igte. Die sehr geringe Zunahme unbefristeter Vollzeitstellen bei einem Wirtscha swachstum von 3,6 Prozent würde eine Verschärfung der Ungleichver-teilung des Wohlstands in Deutschland in den kommenden Jahren zur Folge haben, falls sich diese Entwicklung fortsetzt.

Nach der aktuellsten europäischen Lohn-strukturerhebung aus dem Jahr 2010 mussten in Deutschland 22,2 Prozent aller Beschä igten mit einem Niedriglohn aus-kommen (1995 waren es erst 14,4 Prozent), das heißt, sie verdienten weniger als zwei Drittel des mittleren Stundenlohns, welcher in den westdeutschen Bundesländern knapp

€ 11 und in den ostdeutschen Bundeslän-dern € 8,30 betrug. Damit hat die Bundesre-publik den siebtgrößten Niedriglohnsektor in der EU. Weitere Reformen sind angezeigt, um die Verdienst- und Aufstiegschancen der unteren Einkommensgruppen zu verbessern und die wachsende Einkommensungleich-heit zu stoppen oder zumindest zu verrin-gern.

Anders als in Deutschland existieren in 21 der 28 EU-Länder fl ächendeckende Min-destlöhne; in letzter Zeit wurden Mindest-löhne auch für eine Reihe von Branchen in Deutschland festgelegt. Die OECD weist seit längerem darauf hin, dass ein angemessen angesetzter Mindestlohn eine sinnvolle Ergänzung zum Kombilohnmodell sein kann, wie es in Deutschland das Arbeitslo-sengeld II darstellt, wenn es ergänzend zu Erwerbseinkommen gewährt wird. Dadurch würde verhindert, dass staatliche Unter-stützungszahlungen in Lohnsubventionie-rungen umgewandelt werden. Die Zahl der Haushalte mit mindestens einem erwerbs-tätigen Hartz-IV-Bezieher – sogenannten Aufstockern – hat sich von 2007 bis 2010 in

Quelle: BCG-Analyse

ABBILDUNG 17 | Deutschlands Bewertung in der Dimension Einkommens-verteilung im Vergleich zu den Referenzgruppen (indexiert)

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» Deutschland steht im globalen und europaweiten Vergleich aktuell gut da – insbesondere wirtscha lich. Für die Beurteilung der Lebensqualität ist allerdings eine Analyse ausschließlich wirtscha licher Kenngrößen nicht aus-reichend. Auch die nicht-ökonomischen Dimensionen spielen hier eine wich-tige Rolle. Themen wie Bildung und Forschung, Gesundheit, Infrastruktur und Umweltschutz müssen weit oben auf unserer Agenda stehen, wenn wir die Lebensqualität in Deutschland langfristig und nachhaltig bewahren und stei-gern wollen. «

Carsten Kratz (Senior Partner, Frankfurt)

Nicht-ökonomische SEDA-Dimensionen

Zivilgesellscha Jede Gesellscha ist auf das zivilgesellscha -liche Engagement ihrer Bürger angewiesen. In Deutschland engagiert sich jeder Dritte für das Gemeinwohl, vor allem in der Sport- und Freizeitgestaltung, der Kinder- und Jugendarbeit, im Gesundheits- und Sozial-bereich oder für Kultur und Bildung. Der Zivilgesellscha – dem „dritten Sektor“ zwi-schen Staat und Markt – kommt auch eine volkswirtscha liche Bedeutung zu: Auf über 4,6 Milliarden geleistete Arbeitsstunden pro Jahr wird der bürgerscha liche Einsatz ge-schätzt. Damit beläu sich das ehrenamtlich geschaff ene volkswirtscha liche Vermögen auf € 35 Milliarden – rund 2 Prozent des deutschen Volkseinkommens, wie aus den Daten des „ZiviZ-Survey 2012“ hervorgeht, der von der Bertelsmann Sti ung gemein-sam mit dem Sti erverband für die Deut-sche Wissenscha und der Fritz Thyssen Sti ung publiziert wurde.

Obwohl die Bedeutung der Zivilgesellscha allgemein anerkannt wird, sind Ausprägung und Weiterentwicklung des gemeinnützi-gen Sektors in Deutschland geringer als in vergleichbaren Ländern. Im SEDA erreicht Deutschland gegenüber den Referenzgrup-pen hier leicht unterdurchschnittliche Werte. Dies gilt sowohl für das Aktuelle Level als auch für die SEDA-Horizonte Fortschritt und Nachhaltigkeit. Zu dieser unterdurchschnitt-lichen Bewertung tragen neben anderen Indikatoren die Daten zum Bildungssektor sowie zur Gleichberechtigung von Männern und Frauen bei. So hat sich die „Lohnlücke“ (Gender Pay Gap) in Deutschland vergrößert: Nach Angaben der OECD (2012) verdienen vollzeitbeschä igte Frauen in Deutschland im Schnitt fast 22 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen – ein Befund, den auch die neuesten Zahlen des Statistischen Bundesamts bestätigen. Im „Global Gender

den ostdeutschen Bundesländern um 11, in den westdeutschen Ländern um 14 Prozent erhöht. Die Einführung einer gesetzlichen Lohn untergrenze würde nach Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufs-forschung der Bundesagentur für Arbeit die Einkommenssituation für rund 1,5 Millionen Arbeitnehmer verbessern.

Insgesamt zeigen die relativen Ergebnisse der ökonomischen SEDA-Betrachtung im Ländervergleich, dass Deutschland sich in einer guten Situation befi ndet. Der Blick auf die SEDA-Horizonte Fortschritt und

Nachhaltigkeit verdeutlicht, wo Herausfor-derungen bestehen, wenn die vergleichs-weise hohe Lebensqualität in Deutschland erhalten und ausgebaut werden soll. Die Beleuchtung der Indikatoren und Ursa-chen, die hinter den jeweiligen SEDA-Werten stehen, macht sichtbar, wie eng die ökonomische Entwicklung an gesellscha -lich-soziale Faktoren wie Bildung geknüp ist (und umgekehrt). Im folgenden Ab-schnitt werden wir die Werte für Deutsch-land in den weiteren SEDA-Dimensionen vorstellen, welche die Lebensqualität wesentlich beeinfl ussen.

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DER SCHWEDISCHE STAAT SETZT AUF INTENSIVE KOOPERATIONEN MIT VEREINEN UND VERBÄNDEN

Schweden weist im europäischen Vergleich sowohl eine überdurchschnittlich hohe Vereinsmitgliederdichte als auch eine sehr hohe Zahl an bürgerscha lich engagier-ten Einwohnern auf. Rund 90 Prozent der Bevölkerung sind Mitglied in mindestens einem Verein; im Durchschnitt gehört jeder Einwohner 3,2 Vereinen an. Insge-samt gibt es in Schweden ca. 200.000 Vereine. Die Quote derjenigen, die sich über die reine Mitgliedscha in Vereinen und Organisationen hinaus bürgerscha -lich engagieren, liegt bei 48 Prozent. Diese Zahlen sind seit zwei Jahrzehnten stabil, unabhängig von Regierungskonstellatio-nen und wirtscha lichen Krisen. Mit einer 2008 geschlossenen Vereinbarung wurde die Zusammenarbeit zwischen Regierung, zivilgesellscha lichen Organisationen im sozialen Sektor und kommunalen Spit-zenverbänden auf eine neue Grundlage gestellt. Darin werden sechs Prinzipien for-muliert: Autonomie und Unabhängigkeit, Dialog, Qualität, Kontinuität, Transparenz sowie Vielfalt. Diese nationale Vereinba-rung ist seither durch Vereinbarungen auf lokaler und kommunaler Ebene spezifi -ziert und konkretisiert worden. Eine natio-nale Arbeitsgruppe überprü regelmäßig die Einhaltung der Vereinbarung.

Im Jahr 2009 wurde ein Gesetz unter dem Namen „Eine Politik für die Zivilgesell-scha “ beschlossen. Ziel des Gesetzes ist es, die Bedingungen für die Zivilgesell-scha in Schweden weiter zu verbessern und diese stärker als eigenen Sektor zu verstehen. So wurde ein gemeinsames Forum für den Dialog zwischen Regierung, Kommunen und zivilgesellscha lichen Organisationen geschaff en, wodurch die Konsultationen zwischen Staat und Zivil-gesellscha stärker formalisiert wurden. In regelmäßigen Konferenzen werden seitdem grundsätzliche Themen wie die Wohlfahrtsentwicklung, die Zukun der schwedischen Demokratie und Finanzie-rungsfragen diskutiert. Mit dem Gesetz ist auch das Bestreben verbunden, zivilge-sellscha liche Organisationen aus dem sozialen Sektor stärker an der Erbringung sozialer Dienstleistungen zu beteiligen. Öff entliche Ausschreibungsverfahren wurden so verändert, dass sich auch zivilgesellscha liche Organisationen – in Konkurrenz zu privaten Unternehmen – um Au räge staatlicher Stellen zur Erbrin-gung sozialer Dienstleistungen bewerben können.

Gap Report“ des Weltwirtscha sforums aus dem Jahr 2012 verschlechterte sich Deutsch-land von Rang 5 (2006) auf Rang 13. Die Ursachen verweisen auf die Befunde in den SEDA-Dimensionen Arbeitsmarkt und Ein-kommensgleichheit: Frauen arbeiten häufi ger als Männer in schlecht bezahlten Berufen, im Niedriglohnsektor sowie in Teilzeit- und Minijobs. Sie unterbrechen ihre Erwerbstä-tigkeit zugunsten der Familie – mit gravie-renden Folgen: Die „Rentenlücke“ betrug im Jahr 2012 fast 60 Prozent. Im Durchschnitt liegt die gesetzliche Rente von Frauen heute in Deutschland bei € 645, die Durchschnitts-rente von Männern bei € 1.595.

Die steigende Bedeutung der Zivilgesell-scha spiegelt sich auch in einer verstärk-ten Aufmerksamkeit der Politik für dieses Thema wider. Seit dem Bericht der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags zur „Zukun des Bürgerscha lichen En-gagements“ aus dem Jahr 2002 sind eine Reihe von Gesetzesänderungen erfolgt und Modellprogramme aufgelegt worden, um das zivilgesellscha liche Engagement zu fördern. Dazu zählen die Erhöhung der Übungsleiterpauschale ebenso wie Refor-men des Sti ungsrechts, die zum Boom bei Sti ungsgründungen beigetragen haben.

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3,0 3,5 4,0 4,5 5,0 5,5 6,0 6,5 7,0 7,5

Spanien

Österreich2

Niederlande

Finnland

Schweden

Norwegen

Schweiz

Italien

Zufriedenheit mit Demokratie 2010/2011¹

Frankreich

Großbritannien

Deutschland

StaatsapparatEin funktionierender Staatsapparat ist so-wohl für die Bürger als auch für die Unter-nehmen eines Landes von herausragender Bedeutung. In Deutschland existiert eine stabile Demokratie mit gesicherten Eigen-tumsrechten, was zu der hohen Punktzahl im SEDA-Horizont Aktuelles Level beiträgt. Im engeren Vergleich mit den drei Referenzgrup-pen rangiert die Bundesrepublik direkt hinter den sehr hoch bewerteten europäischen Staaten. Dieses Ergebnis verdankt sie vor al-lem der gut bewerteten Korruptionskontrolle.

Im SEDA-Horizont Fortschritt verändert sich das Bild und zeigt, dass sich die Länder der Referenzgruppen in den zurückliegenden Jahren vorteilha er entwickelt haben als

Deutschland. Auch der Indikator, der die (politische) Bürgerbeteiligung misst, trägt zu den weniger positiven Werten in der dynamischen Betrachtung bei: Auff ällig ist die sinkende Demokratiezufriedenheit der Deutschen (s. Abbildung 18). Viele Befragte beantworteten die Frage „Wie zufrieden sind Sie mit der Demokratie in Ihrem Land?“ vergleichsweise negativ. Die Bundesrepublik erreicht hier nur knapp fünf von zehn möglichen Punkten, während der entsprechende Wert beispielsweise in der Schweiz über sieben liegt. Länder wie Norwegen, Schweden oder Finnland, die im Fortschritts-Horizont des SEDA klar domi-nierend sind, platzieren sich auch in dieser Dimension sehr weit vorn.

Zu einem ähnlichen Befund führt die Betrachtung im Zeithorizont Nachhaltig-keit. Auch hier erreicht Deutschland einen unterdurchschnittlichen SEDA-Wert, der nur von den großen EU-Ländern Spanien, Ita-lien, Großbritannien und Frankreich noch unterboten wird. Vor allem das schlechte

SEDA-Ergebnis der Bundesrepublik in der Dimension Bildung, die erheblichen Einfl uss auf politische Beteiligung, auf das Interesse an politischen Entscheidungen und Abläu-fen sowie auf das Politikverständnis haben kann, wirkt sich negativ auf die Gesamtbe-wertung im Zeithorizont Nachhaltigkeit aus.

ABBILDUNG 18 | Demokratiezufriedenheit in Deutschland

1. Die Zufriedenheit mit der Demokratie wird gemessen auf einer Skala von 1 bis 10, wobei 10 sehr hohe Zufriedenheit impliziert. 2. Werte aus den Jahren 2008 und 2009Quelle: European Social Survey Round 4 (2008/2009) und 5 (2010/2011)

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Bildung

Lebensqualität ist untrennbar mit Bildung verbunden. Viele hoch entwickelte Länder, die in der SEDA-Bewertung die obersten Ränge besetzen, steigern ihre Bildungs-investitionen Jahr für Jahr. Im SEDA-Hori-zont Aktuelles Level liegt Deutschland in der Dimension Bildung am Ende der Bewer-tungsskala hinter allen drei Referenzgrup-pen. Insbesondere die Bildungsbeteiligung im Tertiär-, also dem Hochschulbereich, ist in Deutschland geringer als in anderen Län-dern. Auch in den Zeithorizonten Fortschritt und Nachhaltigkeit zeigt sich, dass seit dem „PISA-Schock“ die Schwächen des deut-schen Bildungssystems zwar weithin erkannt wurden, die bisher eingeleiteten Reformen aber nicht ausreichend sind.

Das deutsche Bildungssystem weist im Län-dervergleich eine niedrigere durchschnittli-che Leistungsfähigkeit der Schüler, geringere Spitzenleistungen und insbesondere eine

ungerechte Verteilung der Bildungschancen auf. Im Gegensatz dazu besuchen in Schwe-den oder Finnland die Kinder von Arbeitern fast genauso häufi g Hochschulen wie die Kinder von Akademikern.

Wie eng die ökonomische Leistungsfähigkeit Deutschlands mit der Dimension Bildung verknüp ist, belegt die Studie „Standort-faktor Bildungsintegration“ der Boston Consulting Group. Der Hochlohnstandort Deutschland ist besonders stark auf einen hohen Anteil gut und sehr gut ausgebilde-ter Arbeitnehmer angewiesen, um seine Attraktivität aufrechtzuerhalten. Andere Länder haben schon vor Jahren begonnen, diesem Trend Rechnung zu tragen. In Kana-da beispielsweise besitzen etwa 55 Prozent aller 25- bis 34-Jährigen eine hohe berufl iche Qualifi kation; Japan hat die Rate der Hoch-qualifi zierten in den letzten 30 Jahren mehr als verdoppeln können.

IN NEUSEELAND HERRSCHEN EINE HOHE POLITISCHE STABILITÄT UND EINE SEHR GERINGE KORRUPTION

Neuseeland erreicht in der SEDA-Dimen-sion Staatsapparat eine sehr gute Platzie-rung. Das Land überzeugt vor allem mit äußerst niedrigen Korruptionswerten und einer ausgesprochen hohen politischen Stabilität. In der Forbes-Liste der „Best Countries for Business“ 2012 etwa belegte Neuseeland den ersten Platz – Deutsch-land befi ndet sich hier auf Platz 21. Auf der gleichen Position rangiert das Land im „Doing Business“-Bericht der Weltbank in der Kategorie „Schutz für Investoren“. Im „Global Peace Index“ 2013, für den 158 Länder erfasst wurden, gilt Neuseeland als drittsicherstes Land der Welt, gleich hinter Island und Dänemark; Deutschland fi ndet sich in diesem Ranking auf Platz 15. Auch im „Global Corruption Index“ von Transparency International steht Neuseeland an der Spitze; zusammen mit Dänemark und Finnland gilt es als das Land mit der geringsten Korruption.

Für diese guten Platzierungen Neusee-lands gibt es eine Reihe von Ursachen.

Dazu gehören unter anderem die langen Amtsperioden vergangener Regierungen. Häufi g wurden Regierungen bei Wahlen bestätigt und waren so mehr als eine Wahlperiode im Amt – im Durchschnitt seit 1960 sieben Jahre. Diese langen Zeitspannen sichern einen kontinuierli-chen Kurs, politische Stabilität und somit Planungssicherheit für Unternehmen und Investoren. Eine weitere stabilitätsför-dernde Eigenscha des neuseeländischen Systems ist die Parteienlandscha . Bis Mitte der 1990er Jahre kennzeichnete ein Zweiparteiensystem – Labour und National – die politische Landscha ; bis heute dominieren diese großen Parteien die inzwischen entstandene Reihe kleine-rer politischer Gruppierungen. Darüber hinaus beteiligt sich die neuseeländische Bevölkerung stark am politischen Pro-zess. Eine im internationalen Vergleich gleichbleibend hohe Wahlbeteiligung von 75 bis 80 Prozent sichert der Regierung den Zuspruch und die Unterstützung der Bürger.

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Die Kombination aus fehlenden Bildungs-chancen auf der einen Seite und einer stei-genden Nachfrage nach qualifi zierten Mitar-beitern auf der anderen Seite wird sich schon in wenigen Jahren deutlich auswirken: An-gebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt werden immer weiter aus einanderklaff en. Damit steigen die Risiken für die Wettbe-werbsfähigkeit des Standorts Deutschland erheblich: Firmen müssen um Arbeitskrä e kämpfen und Defi zite des Bildungssystems durch eigene Weiterbildungsprogramme kompensieren. Internationale Unternehmen werden ihre Produktionsstätten zunehmend dorthin verlagern, wo qualifi zierte Mitarbei-ter in ausreichender Zahl verfügbar sind.

Diese wenig erfreulichen Aussichten könn-ten durch gezielte Maßnahmen abgemildert werden, die sich insbesondere auf den Elementar- und Primarbereich richten – dort erhalten die Bildungsinstitutionen in Deutschland nach wie vor die geringsten Mittel. Zu diesen Maßnahmen zählen unter anderem qualifi zierte Ganztagsangebote, durchgehende Sprachförderung, diff eren-zierter Unterricht durch Co-Teaching, eine Anpassung der personellen Ausstattung an die besonderen Erfordernisse von „Brenn-punktschulen“ und der Ausbau nachträgli-cher Qualifi kationsmöglichkeiten.

GLEICHE BILDUNGSCHANCEN FÜR ALLE FINNLAND FÖRDERT SEINE SCHÜLER

Zentrales Ziel der fi nnischen Bildungs-politik ist die Sicherung gleicher Bildungs-chancen für alle Bürger, unabhängig von Geschlecht, wirtscha licher Situation und sozialem Status. Die Bildungsförderung umfasst in Finnland umfangreiche kosten-freie Leistungen. Dazu gehören der Schul-unterricht, warmes Schulessen, Lehrmittel sowie Schülertransport. Darüber hinaus werden vom fi nnischen National Board of Education spezielle Unterstützungspro-gramme angeboten, etwa zur Förderung der Kompetenzen in Mathematik und Naturwissenscha en. Mit hohen Investi-tionen (6,4 Prozent des BIP im Vergleich zu 5,3 Prozent in Deutschland) baut Finnland seine gute Position im Bildungs-bereich kontinuierlich aus und rangiert in den PISA-Studien der OECD – zusammen mit Japan, Korea, Kanada und den Nieder-

landen – regelmäßig in der Spitzengrup-pe. Finnland verzeichnet die niedrigste Analphabetengruppe innerhalb der OECD (0 Prozent). 95 Prozent der fi nnischen Schüler erreichen die Hochschulzugangs-berechtigung; in Deutschland sind es nur 38 Prozent.

Zu den Besonderheiten des fi nnischen Bildungssystems zählt außerdem die integrative Gesamtschule bis zur neunten Klasse mit individualisierten Lehrplänen. Das Erlernen von zwei Fremdsprachen (in der Regel sind dies Schwedisch und Eng-lisch) ist Pfl icht. Ein konsequent durch-gestaltetes Ausbildungssystem für Lehrer, die unter anderem ihre pädagogische Befähigung in Eignungstests nachweisen müssen, gehört ebenfalls zu den Merk-malen des fi nnischen Bildungssystems.

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REFORMFREUDIGES SCHWEDEN EFFIZIENZ ERMÖGLICHT EIN ZUKUNFTSFÄHIGES GESUNDHEITSSYSTEM

Schweden gilt, wenn es um die Umgestal-tung des Gesundheitssystems geht, als Inbegriff der Reformfreudigkeit. Um dem demographischen Wandel zu begegnen, wurde der schwedische Gesundheits-bereich binnen weniger Jahre zu einem staatlichen Gesundheitssystem mit Selbst-beteiligungen, starken Anreizsystemen, Wettbewerb auf nahezu allen Ebenen und strenger Fokussierung auf Qualitätsstei-gerung bei gleichzeitiger Kosteneffi zienz umgebaut.

Das schwedische Gesundheitssystem fi nanziert sich zum größten Teil aus Steuern. Es ist in drei Ebenen gegliedert: Während die Nationale Behörde für Gesundheit und Wohlfahrt die zentrale

Beratungs- und Kontrolleinrichtung der Regierung im Bereich der Gesundheits-leistungen ist, obliegt die Verantwortung für die Erbringung von Gesundheitsleis-tungen und die Verteilung der Mittel den Räten der 21 schwedischen Provinzen. Krankenhäuser, Gesundheitszentren und andere Einrichtungen gehören den Räten der Landkreise und werden von diesen betrieben – auch wenn sie, um den Wett bewerb zu beleben, zunehmend auf private Leistungsanbieter setzen und mit diesen entsprechende Verträge schließen.

Die subventionierten Leistungen des schwedischen Gesundheitssystems kön-nen alle Einwohner Schwedens unab-hängig von ihrer Staatsangehörigkeit in

GesundheitDas deutsche Gesundheitssystem ist nach denen der USA und der Schweiz das dritt-teuerste der Welt. Trotz eines anerkannt ho-hen Standards der Gesundheitsversorgung wächst angesichts der Kostensteigerungen aufgrund einer alternden Gesellscha die Skepsis gegenüber der Leistungsfähigkeit und nachhaltigen Finanzierbarkeit des deut-schen Gesundheitswesens.

SEDA bewertet das deutsche Gesundheits-system im internationalen Vergleich als gut. Im Horizont Aktuelles Level erreicht Deutsch-land sogar einen besseren Wert als alle Refe-renzgruppen. Betrachtet man den Horizont Fortschritt, so bewegt sich das deutsche Gesundheitswesen im Mittelfeld der interna-tionalen Vergleichsgruppe, ohne besondere Auff älligkeiten auf Indikator ebene. Auch im Zeithorizont Nachhaltigkeit rangiert Deutsch-land im Mittelfeld, deutlich hinter den sehr hoch bewerteten europäischen Staaten.

Das Gesundheitssystem vor dem Hinter-grund des demographischen Wandels nachhaltig zu fi nanzieren, ohne erhebliche Qualitätseinbußen in Kauf zu nehmen, wird eine der bedeutendsten Aufgaben sein, denen sich Deutschland in den kommenden Jahren stellen muss.

Schweden führt mit seinem auf Kosten-effi zienz und Qualitätsmaximierung (Value-Based Health Care, VBHC) basierenden Gesundheitswesen die Rangliste an. Vor einigen Jahren wurden in Schweden um-fangreiche Reformen eingeleitet, die ein detailliertes System der statistischen Daten-erhebung umfassen, um Krankheitsbilder, Diagnosen, Behandlungsmethoden und -resultate über lange Zeitreihen und zahl-reiche Patienten hinweg analysieren zu können. Dies führte nicht nur zu verbesser-ten Behandlungserfolgen, sondern auch zu erhöhter Kosteneffi zienz.

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Anspruch nehmen. Bis zum Erreichen eines bestimmten Jahressatzes wird bei jedem Arztbesuch sowie bei verordneten Arzneimitteln eine Selbstbeteiligung er-hoben. Säuglings- und Kleinkindfürsorge, Schwangerenbetreuung sowie die Zahn-behandlung bis zum 20. Lebensjahr sind dagegen kostenlos.

Viele der Reformen des schwedischen Gesundheitssystems folgen dem Konzept einer „nutzenbasierten Gesundheitsver-sorgung“ (Value-Based Health Care), also der Qualitätssteigerung der Behandlungs-ergebnisse bei Konstanthaltung oder sogar Verringerung der Kosten. Die Studie „Progress Toward Value-Based Health Care“ der Boston Consulting Group bezeichnet Schweden als den internatio-nalen Vorreiter in Sachen nutzenbasierter Gesundheitsversorgung. Deutschland rangiert hier gemeinsam mit Ungarn auf dem letzten Platz der zwölf untersuchten Länder.

Die sehr gute Positionierung Schwedens gründet auf mehreren Faktoren: Es ist das einzige Land, das detaillierte Statistiken auf Basis der Behandlungsergebnisse erstellt. Seit den frühen 1970er Jahren werden zudem Krankheitsregister geführt. Heute sind es ca. 90 Register, die mehr als 25 Prozent der gesamten nationalen Gesundheitsausgaben abbilden. Diese Re-gister führen Statistiken von Patienten mit der gleichen Krankheit, ähnlichen Krank-heitsbildern, Diagnosen oder Behand-lungsresultaten zusammen. Anhand der Auswertung dieser Daten lassen sich wert-volle medizinische Erkenntnisse gewin-nen, die nicht nur die Behandlungsresul-tate für Patienten steigern, sondern auch zu einer Verbesserung der Behandlungs-effi zienz und -eff ektivität führen. Eine weitere Analyse der Boston Consulting Group mit Fokus auf Schweden, „From

Concept to Reality – Putting Value-Based Health Care into Practice in Sweden“, kam zu dem Ergebnis, dass beispielsweise Nebenwirkungen bei Operationen des grauen Stars durch die detaillierte Analyse dieser über lange Zeiträume erhobenen Datenreihen verringert werden konnten.

Eine weitere Besonderheit in Schwe-den ist die Einführung einer ergebnis-abhängigen Bezahlung von Anbietern der Gesundheitsversorgung durch die Provin-zialparlamente und Gemeinden. Diese haben die Möglichkeit, einen prozentua-len Anteil der Behandlungsrechnungen einzubehalten, bis das zuvor defi nierte Behandlungsziel erreicht ist. Zudem wurden Kontrollmechanismen eingeführt. So überwacht beispielsweise die Medical Products Agency laufend die Wirkung von Medikamenten im Hinblick auf deren Effi zienz und Eff ektivität.

Doch auch in Schweden ist die Gesund-heitsversorgung nicht ohne Mängel. Zwar scheint das schwedische Gesundheits-system nach seiner radikalen Reform auf sozialverträgliche Weise den kün i-gen Anforderungen gewachsen zu sein, dennoch haben die Einsparungen der letzten zehn Jahre zu Engpässen in der Patientenversorgung geführt. Wettbewerb und freie Arztwahl werden teilweise von überlasteten Notaufnahmen, Personal- und Bettenmangel sowie langen Warte-zeiten auf Fachärzte und Operationen konterkariert. Auch ist die statistische Datenerhebung noch nicht vollständig ausgerei . Einige Bereiche der medizini-schen Versorgung wie z. B. die Psychiatrie oder die Primärversorgung sind bislang nicht im Datensystem erfasst. Außerdem könnten Prozesse durch die Einführung ei-nes national vereinheitlichten IT-Systems effi zienter und erneut kostengünstiger gestaltet werden.

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42 | T B C G

UmweltKlima- und Umweltschutz spielen über die letzten Jahre in der öff entlichen Diskussion eine immer prominentere Rolle. Von Ozon-werten über CO2-Ausstoß, Feinstaubfi lterung und Erderwärmung bis hin zur Energiewen-de – Umweltpolitik beherrscht im Alltag eine Vielzahl an Themen.

Deutschland setzt hier mit 94 Punkten im SEDA-Horizont Aktuelles Level internationale Standards. Ein wichtiger Aspekt deutscher Umweltpolitik ist die Sauberkeit der Lu . Die Lu verschmutzung in Deutschland hat sich über die letzten Jahrzehnte stark verrin-gert. Dabei basieren die umwelt politischen Maßnahmen zur Lu reinhaltung auf vier Eckpfeilern: der Festlegung von Lu qua-litätsstandards, emissionsbegrenzenden Anforderungen nach dem aktuellsten Stand der Technik, Produktregelungen sowie der Festlegung von Emissionshöchstgrenzen. Deutschland gehört bei der Umsetzung euro-päischer Grenzwerte zu den Ländern mit der schnellsten Überführung in nationales Recht.

Auch die Förderung von Naturschutzgebie-ten ist in der Bundesrepublik besonders ausgeprägt. Der „Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen“ ist seit 1994 als Staats-ziel in Artikel 20a des Grundgesetzes ver-ankert. Die Fläche der Naturschutzgebiete in Deutschland hat sich seit 1995 auf rund 1,2 Millionen Hektar fast verdoppelt und beträgt damit rund 3,6 Prozent der Ge-samtfl äche (2010). Zusätzlich zu staatlichen Aktivitäten arbeiten in Deutschland auch große Naturschutzorganisationen wie NABU oder BUND mit Hunderttausenden von Mit-gliedern an der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen.

Deutschland gilt darüber hinaus interna-tional als eine der Vorreiternationen beim Klimaschutz und als Pionier beim Ausbau erneuerbarer Energien. 2011 beschloss die Bundesrepublik als erste Industrienation den Ausstieg aus der Atomenergie. Die Kernenergie, die im Jahr 2011 noch rund 18 Prozent des verbrauchten Stroms liefer-te, wird laut Planung der Bundesregierung innerhalb von elf Jahren unter anderem durch erneuerbare Energien, ein ausge-bautes Stromnetz und neue Speicher für Ökostrom ersetzt werden. Lediglich der CO2-Ausstoß – gemessen an der CO2-Intensität – ist in der Bundesrepublik höher als in den

meisten Vergleichsländern. Dies lässt sich unter anderem auf die hohe Industriedichte und den erheblichen Anteil konventioneller Energieerzeugung durch Kohlekra werke zurückführen.

Im Horizont Fortschritt liegt Deutschlands SEDA-Wert für die Dimension Umwelt im Vergleich zu den Referenzländern im oberen Drittel. Vor allem die Fläche der Naturschutzgebiete ist seit 2006 deutlich stärker gewachsen als in den meisten Vergleichsstaaten. Die Fortschritte bei der Verringerung des CO2-Ausstoßes in der Bun-desrepublik bewertet SEDA dagegen nur als minimal überdurchschnittlich. Hier bleibt abzuwarten, ob die Energiewende kün ig zu den erho en Verbesserungen führen wird.

Deutschlands SEDA-Bewertung im Zeithori-zont Nachhaltigkeit rangiert hinter jenen der meisten Referenzländer. Insbesondere der unterdurchschnittliche Wert bei der Beur-teilung des deutschen Bildungssystems kann sich negativ auf die Bemühungen um den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und das Verständnis für umweltfreundliche, wenn auch scheinbar unpopuläre Reformen auswirken. Auch die vergleichsweise geringe Bürgerbeteiligung bewertet SEDA negativ, da sie das Umweltbewusstsein der Bevölke-rung mindern und ein Hindernis für wich-tige Reformprojekte wie die Energiewende darstellen kann.

Umweltinvestitionen sind von großer Bedeutung für die lang-fristige Erhaltung der Lebens-qualität in Deutschland.

Damit Deutschland seine Vorreiterrolle in den Bereichen Umwelt-, Klima- und Natur-schutz behalten kann, ist eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende wesentlich. Im Au rag des Bundesverbands der Deut-schen Industrie hat die Boston Consulting Group eine energie- und gesamtwirtscha li-che Bewertung der Energiewende durchge-führt und die Ergebnisse in der „Trendstudie 2030+“ zusammengefasst. Umweltinvesti-tionen sind – ähnlich wie Investitionen in Bildung – äußerst nachhaltig und bedeutsam

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» Die Energiewende bedeutet für Deutschland langfristig eine große Chance und kann sich positiv auf die Lebensqualität auswirken. Doch kurz- und mittelfristig sind einschneidende Veränderungen notwendig – Fehler müssen korrigiert und innovative Systemlösungen erarbeitet werden. Nur so können wir Herausforderungen wie die Eindämmung der Kostenexplosion, die Gewährleistung der Stromversorgung und Planungssicherheit für Industrie und Energiewirtscha meistern. «

Philipp Gerbert (Senior Partner, München)

für die langfristige Erhaltung der hohen Lebensqualität in Deutschland. Auch für andere SEDA-Dimensionen wie beispiels-weise Gesundheit spielt eine intakte Umwelt eine große Rolle. Eine breite Unterstützung umweltpolitischer Vorhaben durch Bürger und Unternehmen wirkt sich positiv auf die Akzeptanz und die Erreichung der gesetzten Umweltziele aus. Folglich kann die Bundes-republik insgesamt davon profi tieren, wenn deutsche Unternehmen bei Umwelttechno-logien erfolgreich auf den Weltmärkten agie-

ren. Dies erfordert eine gezielte staatliche Förderung sowie die Schaff ung von Investi-tionsanreizen. Entscheidend ist dabei eine Fokussierung der Unterstützungsmaßnah-men auf Bereiche, in denen deutsche Firmen langfristig international wettbewerbsfähig sein können. Andernfalls drohen Förder-maßnahmen nur kurz- oder bestenfalls mittelfristig positive Wirkungen zu generie-ren. Subventionsprogramme sollten daher regelmäßig überprü und an veränderte Rahmenbedingungen angepasst werden.

NUR DEUTLICHE VERÄNDERUNGEN KÖNNEN DIE ENERGIEWENDE ZU EINEM ERFOLG MACHEN

Die „Trendstudie 2030+“ beleuchtet sowohl die langfristig mit der deutschen Energie-wende verbundenen Chancen als auch zentrale Herausforderungen sowie kurz-, mittel- und langfristigen Änderungsbedarf.

Neben einer Reduktion des CO2-Aussto-ßes und anderer schädlicher Emissionen kann die Energiewende weitere positive Eff ekte erbringen: Die Importmengen fossiler Brennstoff e können durch den Ausbau erneuerbarer Energien bis 2030 um über 30 Prozent reduziert werden, sodass die Energiewende auch langfristig zu Kostenvorteilen führen und die Abhän-gigkeit von fossilen Energieträgern ver-ringern kann. Zudem erfordern vielfältige Energietechnologien weitere Investitionen, die langfristig deutschen Unternehmen zugute kommen können. Zudem kann die Energiewende Marktanteile deutscher Unternehmen auf dem Weltmarkt für Energietechnologien sichern – dies gilt verstärkt, wenn andere Länder Elemente

der deutschen Energiewende aufgreifen. Im Ganzen lassen sich die Eff ekte der Energiewende schwer vorhersehen; eine Steigerung des BIP, die Schaff ung neuer Arbeitsplätze sowie – damit verbunden – eine Verbesserung der Lebensqualität in Deutschland sind jedoch realistischer-weise zu erwarten.

Die Studie macht allerdings auch deutlich, dass die Energiewende erhebliche Risi-ken birgt. So hat BCG ermittelt, dass die Kosten der Stromversorgung real 15 – 35 Prozent höher liegen werden als heute. Berechnungen ergeben einen Anstieg der Strompreise für Industrie und Haushalte um real 25 – 35 Prozent bis 2020 – dies würde indessen geringere Teuerungsraten bedeuten, als sie in den letzten Jahren zu beobachten waren. In der Folge ist die Wettbewerbsfähigkeit der energieintensi-ven Industrien und der industriellen Wert-schöpfungsketten in Deutschland bedroht – der Wegfall der Entlastung energieinten-

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InfrastrukturEine moderne Infrastruktur ist ein entschei-dender Standortfaktor im globalen Wett-bewerb. Aufgrund seiner zentralen Lage in Europa und seines Status als Exportnation ist Deutschland in besonderem Maße auf eine gute Infrastruktur angewiesen. Investitionen in die Verkehrswege sind deshalb gesellscha -liche Zukun sinvestitionen. Dies betri auch Investitionen in die Kommunikationstechnik.

Deutschland rangiert hier im SEDA-Zeitho-rizont Aktuelles Level vor allen Referenzgrup-pen – insbesondere Deutschlands Straßen- und Schienennetze werden gut bewertet. Die Bundesrepublik verfügt mit 12.800 Kilometern Autobahn und 39.700 Kilome-tern Bundesstraßen über eines der dichtes-ten Straßennetze Europas; dies entspricht einem Wert von 0,15 Kilometer Straße pro Quadratkilometer Fläche. Zum Vergleich: Frankreich verfügt mit 0,06 Kilometern über weniger als halb so viele Straßenkilometer pro Quadratkilometer. Die jährlichen Inves-titionen in Fernstraßen betrugen in Deutsch-land 2009 insgesamt € 6,2 Milliarden, in den Folgejahren € 5,5 Milliarden (2010) bzw. € 5,2 Milliarden (2011). Hinzu kommen Investitionen in das Schienennetz, die sich im gleichen Zeitraum von € 4,2 Milliarden (2009) auf € 4,5 Milliarden (2010) bzw.

€ 4,6 Milliarden (2011) erhöhten. Pro Tag nutzen rund sieben Millionen Fahrgäste die Bahn – mehr als doppelt so viele wie in Frankreich (drei Millionen).

Ein ganz anderes Bild allerdings ergibt sich beim Blick auf den SEDA-Horizont Fortschritt. Hier zeigt sich, dass die Länder sämtlicher Referenzgruppen in den letzten Jahren deutlichere Verbesserungen in der Dimension Infrastruktur erreichen konnten als Deutschland – die höchsten SEDA-Werte erzielen die großen EU-Länder Frankreich, Großbritannien, Spanien und Italien. Bei der Verbesserung der Breitbandversorgung schneidet Deutschland dem SEDA-Wert zufolge nur mittelmäßig ab. Die höchste Bewertung erreicht hier Frankreich – hohe Investitionen in die Internetinfrastruktur in Deutschlands westlichem Nachbarland wirken sich positiv aus.

Im Horizont Nachhaltigkeit weisen die sehr hoch bewerteten europäischen Staaten die höchsten Punktzahlen auf. Eine geringe Staatsverschuldung und hohe Bruttoinvesti-tionen sichern dort zukün ige Investitions-spielräume. Deutschland positioniert sich jedoch deutlich vor den Referenzgruppen A und C (s. Abbildung 19).

siver Industrien wäre für viele Unterneh-men existenzgefährdend. Darüber hinaus ist die Planungssicherheit äußerst gering, da verlässliche Zusagen über zukün ige Rahmenbedingungen ausbleiben. Und schließlich erfordert die Energiewende einen weitreichenden Aus- und Umbau der Übertragungs- und Verteilnetze in der Bundesrepublik.

Die „Trendstudie 2030+“ nennt eine Reihe von Vorschlägen, die von der deutschen Politik vorrangig angegangen werden müssen, um die Energiewende zu einem Erfolg zu machen und negative Auswir-kungen abzuschwächen. Neben Effi zienz-steigerungen im Strom- und (Gebäude-)Wärmebereich sind insbesondere zwei

kurzfristige Maßnahmen erforderlich: Zum einen muss das EEG-Gesetz mit dem Ziel einer Verbesserung der Kosteneffi -zienz reformiert werden. Zum anderen ist der Au au einer strategischen Re-serve zur Vermeidung der Abschaltung von Kra werken aufgrund mangelnder Wirtscha lichkeit notwendig. Ebenso muss mittelfristig ein nachhaltig tragfä-higes Design für den Strommarkt durch eine gesamtha e Neugestaltung erreicht werden. Grundsätzlich sind außerdem eine Integration und Harmonisierung des Strommarktdesigns im europäischen Umfeld sowie die Schaff ung verlässlicher ordnungspolitischer Rahmenbedingun-gen für marktwirtscha liche Lösungen unabdingbar.

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45 | T B C G

Niedrigere Punktzahl als Deutschland

Höhere Punktzahl als Deutschland

B

A

B

CB

A C

A C

NachhaltigkeitFortschrittAktuelles Level

Große internationale IndustrieländerC

Große EU-LänderSehr hoch bewertete europäische StaatenB

A

Trotz teils guter Ergebnisse steht Deutsch-land im Bereich Infrastruktur vor großen Herausforderungen. Die Aussichten darauf, die gute Positionierung im aktuellen Zeit-horizont auch in Zukun zu halten, scheinen durch die schlechteren SEDA-Ergebnisse in den Horizonten Fortschritt und Nachhaltig-keit gedämp . Eine Reihe von Entwicklun-gen, denen sich die Bundesrepublik gegen-übersieht, werden die Infrastrukturpolitik der nächsten Jahre bestimmen. Die hohe Staatsverschuldung beispielsweise schränkt die Investi tions volumina zunehmend ein. Dies kann sich negativ auf die Qualität des Straßen- und Schienennetzes auswir-ken – teilweise sind Qualitätsprobleme bei der Verkehrsinfrastruktur schon heute erkennbar. Nachbarländer wie Frankreich, die Schweiz oder auch Österreich wirken den sinkenden Finanzierungsmöglichkeiten für den Straßenbau durch Einnahmen aus Mautzahlungen entgegen.

Eine weitere große Herausforderung stellt die Energiewende in Deutschland dar. Das

Stromnetz – ein wichtiger Bestandteil der deutschen Infrastruktur – muss den neuen Anforderungen entsprechend ausgebaut werden. Dies macht weitere Investitionen unabdingbar, damit Ökostrom dorthin transportiert werden kann, wo Energie be-nötigt wird, und die Netze auch für dezen-trale Energieerzeugung gerüstet sind – die BCG-“Trendstudie 2030+“ verdeutlicht den umfangreichen Nachholbedarf.

Auch der Ausbau der Mobilfunknetze und der Internetversorgung in Deutschland hin zu schnelleren Übertragungsstandards erfordert weitere Investitionen. Lange Zeit war Europa Vorreiter in der Telekommu-nikationsindustrie, entwickelte sich aber zuletzt zum Nachzügler; die Vorreiterrol-le haben jetzt asiatische Länder und die USA übernommen. Gerade beim Ausbau der Hochgeschwindigkeits-Datennetze ist Deutschland heute weniger gut aufgestellt als andere Länder. Die Studie „Reforming Europe’s Telecom Regulation“ der Boston Consulting Group rechnet vor, dass im

ABBILDUNG 19 | Deutschlands Bewertung in der Dimension Infrastruktur im Vergleich zu den Referenzgruppen (indexiert)

Quelle: BCG-Analyse

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46 | T B C G

BAHN UND AUTO EXZELLENTE INFRASTRUKTUR IN DER SCHWEIZ

Die Schweizer Verkehrspolitik orientiert sich am Grundsatz der Nachhaltigkeit: Demnach ist die Verkehrsinfrastruktur so zu gestalten, dass für die Bevölkerung ein optimales Angebot besteht und der stetig zunehmende Verkehr effi zient und umweltfreundlich bewältigt werden kann. Als Grundsatz gilt: „Besser nutzen hat Vorrang vor neu bauen.“

Besonders auf der Schiene hat die Schweiz international gesehen qualitativ die Spitzenreiterrolle eingenommen. Die Eidgenossen investieren jährlich rund CHF 2 Milliarden (ca. € 1,6 Milliarden, 3 Prozent des Schweizer Bundesbudgets) in das Schienennetz. Damit liegen die staatlichen Investitionen in die Schie-neninfrastruktur deutlich höher – um den Faktor 1,3 – als die Investitionen in das Straßennetz. In Deutschland beträgt dieses Verhältnis 0,8 – das heißt, es fl ießt mehr Geld in das Straßen- als in das Schienennetz.

Größere Erweiterungsinvestitionen wer-den in der Schweiz über spezielle Fonds

fi nanziert, unter anderem über den 1998 aufgelegten FinöV-Fonds mit einem Inves-titionsvolumen von CHF 32,1 Milliarden, der die Realisierung von Eisenbahn-Groß-projekten ermöglicht. Über ein Landes-verkehrsabkommen mit der EU ist die Schweiz in den europäischen Schienen-verkehr eingebunden. Dies sichert einen europaweit freien Netzzugang im Güter-verkehr und gemeinsame Maßnahmen für eine koordinierte Verkehrspolitik.

Das Straßennetz wird vornehmlich durch Steuereinnahmen und die in der Schweiz geltende Pkw-Maut von CHF 40 (rund € 33) pro Jahr und Kra fahrzeug fi nanziert. Die Einnahmen aus der Maut werden vollständig für den Bau, Betrieb und die Unterhaltung der Nationalstraßen eingesetzt und nicht zweckentfremdet.

Mit Blick auf die Zukun verfolgt die Schweiz neue Konzepte wie das Mobility Pricing, eine elektronische Erfassung und individuelle Verrechnung aller Mobilitäts-leistungen des Einzelnen – sowohl auf der Straße wie auf der Schiene.

Zusammenfassend zeigt die Betrachtung der nicht-ökonomischen Dimensionen, dass Deutschland zahlreiche Stärken besitzt, auf denen es weiter au auen kann. In vielen Feldern zeichnet sich jedoch eine Lücke ab zwischen dem aktuell deutlich positi-ven Bild und jenem Bild, das sich in der dynamischen Betrachtung von Fortschritt und Nachhaltigkeit ergibt. Neben den seit langem bekannten enormen Herausforde-rungen im Bildungs- und Gesundheitssystem sind auch auf traditionell starken Feldern – wie Infrastruktur und Zivilgesellscha –

Anstrengungen erforderlich, um das Erreich-te zu halten und auszubauen. Angesichts angespannter öff entlicher Haushalte ist hierbei eine intensivere Kooperation zwi-schen staatlichem Sektor, Wirtscha und Zivilgesellscha unabdingbar. Die raschen und mutigen Entscheidungen vor allem in der Energiepolitik und bei der Abfederung der Wirtscha skrise zeigen, dass durch gemeinsames Handeln aller Akteure große Herausforderungen erfolgreich bewältigt werden können.

europäischen Telekommunikationsmarkt ein mögliches Wachstumsvolumen von € 750 Milliarden und 5,5 Millionen Jobs durch fehlende Investitionen in diesen Bereich bedroht sind. Deutschland kommt hierbei ein entscheidender Anteil zu. Die Studienautoren fordern daher nicht nur eine Erhöhung der Investitionsbudgets, son-dern auch eine Überarbeitung der regulato-

rischen Rahmenbedingungen in Europa mit dem Ziel, bessere Voraussetzungen für eine weitere Expansion europäischer Anbieter zu schaff en. Eine gute Mobilfunk- und Breit-bandversorgung ist für den Wirtscha s-standort Deutschland essenziell. Um diese Versorgung nachhaltig konkurrenzfähig zu gestalten, bedarf es einer gezielten staatli-chen Förderung.

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Der vorliegende Report stellt die Ergebnisse der ersten SEDA-Ana-lyse vor. Die Werte für Deutschland zeigen, dass sich die Bundes-republik verglichen mit anderen Volkswirtscha en in einer guten Situation befi ndet. Deutschland hat sich, nimmt man die Bandbrei-te der Dimensionen in den Blick, deutlich ausgeglichener entwickelt als viele andere Länder. Die Betrachtung der jüngsten Fortschritte und der Nachhaltigkeit des Erfolgs off enbart jedoch, dass in einer Reihe von Feldern Handlungsbedarf besteht.

Beim Vergleich mit europäischen und internationalen Referenz-gruppen wird deutlich, dass andere Länder in einigen Bereichen interessante Konzepte verfolgen, deren genauere Analyse und Überprüfung einen Beitrag zu Lösungskonzepten für Deutschland leisten kann. Von den Erfolgen lässt sich dabei ebenso viel lernen wie von den unerwünschten Nebenwirkungen mancher Reformen. Gerade in Anbetracht der wirtscha lich und gesellscha lich schwie-rigen Situation, welche durch zunehmende Ungleichheiten in der Welt und Europa forciert wird, profi tieren die Bürger eines Landes von mutigen und konsequent umgesetzten Konzepten. Hierbei ist eine zukun sgerichtete Perspektive entscheidend – die Bewältigung kurz- und mittelfristiger Herausforderungen darf langfristigen Visio-nen nicht im Wege stehen.

AUSBLICK

» Ökonomie ist die Kunst, das Beste aus unserem Leben zu machen. «

George Bernard Shaw

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48 | T B C G

Dimension Indikatoren Primärquellen

Einkommen BIP pro Kopf ($ bei Kau ra parität) Internationaler Währungsfonds

Wirtscha s-stabilität

Infl ation, durchschnittliche Konsumentenpreise (Änderung in %)

Infl ationsratenvolatilität (Standardabweichung)

BIP-Wachstumsvolatilität (Standardabweichung)

Internationaler Währungsfonds

Internationaler Währungsfonds, BCG-Analyse

Internationaler Währungsfonds, BCG-Analyse

ArbeitsmarktArbeitslosenrate (% der Erwerbstätigen)

Beschä igungsrate der Bevölkerung im Alter von 15 bis 64 Jahren (%)

Weltbank

Weltbank, BCG-Analyse

Einkommens-verteilung Gini-Koeffi zient (0 – 100) Weltbank, Eurostat

Zivilgesellscha

Bürgerbeteiligung (0 – 1)

Sicherheit und Vertrauen (0 – 1)

Innerer Zusammenhalt (0 – 1)

Geschlechtergleichheit (0 – 1)

Indices of Social Development

Indices of Social Development

Indices of Social Development

Indices of Social Development

Staatsapparat

Korruptionskontrolle (-2,5 – 2,5)1

Rechtsstaatlichkeit (-2,5 – 2,5)1

Politische Stabilität sowie Abwesenheit von Gewalt und Terrorismus (-2,5 – 2,5)

Mitspracherechte und Verantwortung (-2,5 – 2,5)2

Pressefreiheit (0 – 100)2

Eigentumsrechte (0 – 100)

Worldwide Governance Indicators

Worldwide Governance Indicators

Worldwide Governance Indicators

Worldwide Governance Indicators

Freedom House

Heritage Foundation

Bildung

Bildungszugang

Schulzeit primär bis tertiär ( Jahre)

Bildungsbeteiligung im Tertiärbereich (% der Schüler)

Weltbank

UNESCO

Bildungsqualität

Ergebnis Mathematik- und Naturwissenscha stest PISA (Punkte)

Schüler-Lehrer-Relation im Primärbereich

OECD

Weltbank

ANHANGTABELLE 1 | Indikatoren der Zeithorizonte Aktuelles Level und Fortschritt

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49 | T B C G

Dimension Indikatoren Primärquellen

Gesundheit

Sterblichkeitsraten

Lebenserwartung bei Geburt ( Jahre)

Kindersterblichkeitsrate < 5 Jahre (pro 1.000 Kinder)

Weltbank

Weltbank

Krankheitsraten

HIV-Infektionsrate der Bevölkerung im Alter von 15 bis 49 Jahren (% der Bevölkerung)

Tuberkuloseerkrankte (pro 100.000 Einwohner)

Unterernährte Bevölkerung (% der Bevölkerung)3

Übergewichtige Bevölkerung (% der Bevölkerung mit einem BMI ≥ 30)3

Weltbank

Weltbank

Weltbank

WHO

Zugang zu Gesundheitsversorgung

Impfrate Diphtherie bei Kindern zwischen 12 und 23 Monaten (%)4

Impfrate Masern bei Kindern zwischen 12 und 23 Monaten (%)4

Ärztedichte (pro 1.000 Menschen)

Krankenhausbetten (pro 10.000 Menschen)

Weltbank

Weltbank

Weltbank

Weltbank

Umwelt

Auswirkungen der Lu verschmutzung auf Menschen (0 – 100)

Naturschutzgebiete (% der Gesamtfl äche eines Landes)

CO2-Intensität (kg CO2 pro kg öl-äquivalenter Energieverbrauch)

Environmental Performance Index (Yale University)

Weltbank

Weltbank

Infrastruktur

Infrastrukturniveau Kommunikation

Internetnutzer (pro 100 Menschen)

Mobiltelefonie-Vertragskunden (pro 100 Menschen)

Weltbank

Weltbank

Infrastrukturniveau Transport

Qualität des Straßennetzes (1 – 7)

Qualität des Schienennetzes (1 – 7)

World Economic Forum

World Economic Forum

Infrastrukturniveau Versorgung

Zugang zu Trinkwasser (% der Bevölkerung mit Zugang)

Zugang zu sanitären Anlagen (% der Bevölkerung mit Zugang)

Weltbank

Weltbank

1. SEDA kombiniert Indizes zu Korruptionskontrolle und Rechtsstaatlichkeit zu einem Indikator.2. SEDA kombiniert Indizes zu Mitspracherechten und Verantwortung sowie Pressefreiheit zu einem Indikator.3. SEDA kombiniert Indizes zu Unterernährung und Übergewicht zu einem Indikator.4. SEDA kombiniert Impfraten gegen Diphtherie und Masern zu einem Indikator.Anmerkung: Der Zeithorizont Fortschritt verwendet die fün ährige Entwicklung der Indikatoren, die im Zeithorizont Aktuelles Level betrachtet werden (außer in der Dimension Gesundheit, da keine historischen Daten zur HIV-Infektionsrate und zu Tuberkuloseerkrankten verfügbar sind).Quelle: BCG

TABELLE 1 | Indikatoren der Zeithorizonte Aktuelles Level und Fortschritt (Forts.)

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50 | T B C G

Dimension Indikatoren Primärquellen

Einkommen

Bewertung Bildung

Bewertung Gesundheit

Vom Bankensektor bereitgestellte inländische Kredite (% des BIP)

Ausländische Direktinvestitionen (netto in % des BIP)

Bruttoinvestitionen (% des BIP)

Rohstoff erträge (% des BIP)

Bruttoverschuldung des Staates (% des BIP)

Bewertung Staatsapparat

Qualität des Straßennetzes (1 – 7)

Geschä stätigkeitsrankings

Innovationsindex

Verhältnis von Berufstätigen zu Rentnern und Pensionären (0 – 1)

SEDA1

SEDA1

Weltbank

Weltbank

Economist Intelligence Unit

Weltbank

Internationaler Währungsfonds

SEDA1

World Economic Forum

Doing Business Economy Rankings

The Global Innovation Index, 2011 (INSEAD)

United Nations, BCG-Analyse

Wirtscha s-stabilität

Ergebnis Mathematik- und Naturwissenscha stest PISA (Punkte)

Vom Bankensektor bereitgestellte inländische Kredite (% des BIP)

Bruttoverschuldung des Staates (% des BIP)

Staatsquote (% des BIP)

Bewertung Staatsapparat

Bewertung Infrastruktur

Exportdiversifi kation (0 – 1)

Währungsreserven (% des BIP)

OECD

Weltbank

Internationaler Währungsfonds

Internationaler Währungsfonds

SEDA1

SEDA1

UNCTAD

Weltbank, BCG-Analyse

Arbeitsmarkt

Tuberkuloseerkrankte (pro 100.000 Einwohner)

Vom Bankensektor bereitgestellte inländische Kredite (% des BIP)

BIP pro Kopf ($ bei Kau ra parität)

Bruttoinvestitionen

Bewertung Staatsapparat

Innovationsindex

BIP-Wachstumsvolatilität (Standardabweichung)

Weltbank

Weltbank

Internationaler Währungsfonds

Economist Intelligence Unit

SEDA1

The Global Innovation Index, 2011 (INSEAD)

Internationaler Währungsfonds, BCG-Analyse

Einkommens-verteilung

Ergebnis Mathematik- und Naturwissenscha stest PISA (Punkte)

Ärztedichte (pro 1.000 Menschen)

Zugang zu sanitären Anlagen (% der Bevölkerung mit Zugang)

Internetnutzer (pro 100 Menschen)

Bewertung Zivilgesellscha

Einkommensteuerrate (%)

OECD

Weltbank

Weltbank

Weltbank

SEDA1

KPMG

Zivilgesellscha

Bewertung Bildung

Grundschulbeteiligung Mädchen (% netto)

Bewertung Gesundheit

Eigentumsrechte (0 – 100)

Ethnolinguistische Heterogenität (0 – 1)

Bewertung Arbeitsmarkt

SEDA1

Weltbank

SEDA1

Heritage Foundation

Alesina et al., „Fractionalization“

SEDA1

TABELLE 2 | Indikatoren des Zeithorizonts Nachhaltigkeit

Page 51: Deutschland im internationalen Vergleich...Im internationalen und europäischen Vergleich wird sichtbar, dass einige andere Länder vor ähnlichen Herausforderungen stehen und teils

51 | T B C G

Dimension Indikatoren Primärquellen

Staatsapparat

Ergebnis Mathematik- und Naturwissenscha stest PISA (Punkte)

Schuljahre primär bis tertiär ( Jahre)

BIP pro Kopf ($ bei Kau ra parität)

Handelsfreiheitsindex

Bewertung Zivilgesellscha

Bewertung Wirtscha sstabilität

OECD

Weltbank

Internationaler Währungsfonds

Heritage Foundation

SEDA1

SEDA1

Bildung

Grundschulbeteiligung Mädchen (% netto)

Bewertung Gesundheit

BIP pro Kopf ($ bei Kau ra parität)

Bruttoverschuldung des Staates (% des BIP)

Staatsquote (% des BIP)

Korruptionskontrolle (-2,5 – 2,5)2

Rechtsstaatlichkeit (-2,5 – 2,5)2

Internetnutzer (pro 100 Menschen)

Gini-Koeffi zient (0 – 100)

Weltbank

SEDA1

Internationaler Währungsfonds

Internationaler Währungsfonds

Internationaler Währungsfonds

Worldwide Governance Indicators

Worldwide Governance Indicators

Weltbank

Weltbank, Eurostat

Gesundheit

Grundschulbeteiligung Mädchen (% netto)

Bewertung Bildung

BIP pro Kopf ($ bei Kau ra parität)

Bruttoverschuldung des Staates (% des BIP)

Korruptionskontrolle (-2,5 – 2,5)2

Rechtsstaatlichkeit (-2,5 – 2,5)2

Zugang zu Trinkwasser (% der Bevölkerung mit Zugang)

Zugang zu sanitären Anlagen (% der Bevölkerung mit Zugang)

Weltbank

SEDA1

Internationaler Währungsfonds

Internationaler Währungsfonds

Worldwide Governance Indicators

Worldwide Governance Indicators

Weltbank

Weltbank

Umwelt

Schuljahre primär bis tertiär ( Jahre)

Bewertung Staatsapparat

Internetnutzer (pro 100 Menschen)

Bürgerbeteiligung (0 – 1)

UNESCO

SEDA1

Weltbank

Indices of Social Development

Infrastruktur

Bruttoinvestitionen (% des BIP)

BIP pro Kopf ($ bei Kau ra parität)

Bruttoverschuldung des Staates (% des BIP)

Staatsquote (% des BIP)

Geschä stätigkeitsrankings

Economist Intelligence Unit

Internationaler Währungsfonds

Internationaler Währungsfonds

Internationaler Währungsfonds

Doing Business Economy Rankings

1. SEDA-Punktzahl der Dimension im Zeithorizont Aktuelles Level berechnet auf Basis der Indikatoren in Tabelle 1.2. SEDA kombiniert Indizes zu Korruptionskontrolle und Rechtsstaatlichkeit zu einem Indikator.Quelle: BCG

TABELLE 2 | Indikatoren des Zeithorizonts Nachhaltigkeit (Forts.)

Page 52: Deutschland im internationalen Vergleich...Im internationalen und europäischen Vergleich wird sichtbar, dass einige andere Länder vor ähnlichen Herausforderungen stehen und teils

52 | T B C G

Alesina, A. et al., „Fractionalization“, Nati-onal Bureau of Economic Research, Cam-bridge (Mass.), NBER Working Paper 9411, www.nber.org/papers/w9411.pdf.

Bertelsmann Sti ung, Sti erverband der Deutschen Wissenscha und Fritz Thyssen Sti ung (Hg.), ZiviZ Survey 2012, http://www.zivix/info/publikationen

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Über die Autoren

Carsten Kratz ist Senior Partner und Managing Director im Frankfurter Büro der Boston Consulting Group. Seit Januar 2013 ist er Vorsitzender des Management-Teams für Deutschland und Österreich.

Philipp Gerbert ist Senior Partner und Managing Director im Münchner Büro der Boston Consulting Group Group. Er leitet die Praxisgruppe Strategie in Deutschland und Österreich.

Douglas Beal ist Partner und Managing Director der Boston Consulting Group in Dubai und weltweiter Leiter des Themen-bereichs ökonomische Entwicklung des Unternehmens.

Enrique Rueda-Sabater ist Senior Advisor bei der Boston Consulting Group. Zuvor war er Leiter der Strategieabteilung der Welt-bank.

Weiterführende Literatur

Zum Sustainable Economic Development Assessment (SEDA) der Boston Consulting Group sind bisher folgende englischsprachige Berichte erschienen:

From Wealth to Well-Being—Introducing the BCG Sustainable Economic Development AssessmentEin Report der Boston Consulting GroupNovember 2012

The New Prosperity—Strategies for Improving Well-Being in Sub-Saharan AfricaEine Studie der Boston Consulting Group in Kooperation mit der Tony Blair Africa Governance InitiativeMai 2013

Danksagung

Unser besonderer Dank gilt dem Einsatz unserer BCG-Kollegen Ulrich Pidun, André Kronimus, Christoph Schlüter, Shu Ling Heng, Viola von Berlepsch und Martin Heese.

Kontaktinformationen

Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an die Autoren dieses Reports:

Carsten KratzSenior Partner und Managing DirectorBCG Frankfurt+49 69 [email protected]

Philipp GerbertSenior Partner und Managing DirectorBCG München+49 89 [email protected]

Douglas BealPartner und Managing DirectorBCG Dubai+971 4 4480 [email protected]

Enrique Rueda-SabaterSenior [email protected]

AN DEN LESER

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Eine vollständige Liste von BCG-Publikationen und Hinweise zur Anforderung von Broschüren fi nden Sie auf unseren Internetseiten www.bcg.com/publications und www.bcg.de

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