Damm, Rinsche: Das Recht am eigenen Bild. Einschränkung bei der bildlichen Darstellung von Personen

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G Presse- und Persönlichkeitsrecht G2 Persönlichkeitsrecht 32 Kultur & Recht März 2006 G 2.2 S. 1 Das Recht am eigenen Bild Einschränkungen bei der bildlichen Darstellung von Personen Renate Damm Rechtsanwältin Hamburg Dr. Karen Rinsche Rechtsanwältin, Justitiarin, Düsseldorf Inhalt Seite 1. Einleitung 2 2. Das Recht am eigenen Bild 4 2.1 Entwicklung 4 2.2 Voraussetzungen 5 2.3 Ausnahmen vom Einwilligungserfordernis – so genannte Personen der Zeitgeschichte 10 3. Sonderfälle 13 4. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte 14 5. Die kommerzielle Verwertung des Rechts am eigenen Bild 17 6. Aktuelle Entwicklungen in der Rechtsprechung 19 Checkliste: Welche Fragen sind vor der Abbildung einer Person zu klären? 16 Das Bild ist als Gestaltungsmittel zur Illustration für die Arbeit von Kulturmana- gern und Künstlern unersetzlich. Gegenstand können mitunter Personen sein, die nicht einverstanden sind mit der Verbreitung des Bildes. Bei dem Interessenskon- flikt steht das Recht der Bildberichterstattung dem Recht am eigenen Bild gegen- über. Der vorliegende Beitrag stellt dar, welche Lösung das Gesetz und die Rechtsprechung für die sich widerstreitenden Standpunkte vorsieht. Eine Reihe von Beispielen und eine Checkliste unterstützt Sie dabei, selbst zu klären, wann Sie für die Verbreitung eines Bildes eine Einwilligung des Abgebildeten benöti- gen und wann nicht.

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G Presse- und Persönlichkeitsrecht

G2 Persönlichkeitsrecht

32 Kultur & Recht März 2006

G2.2S. 1

Das Recht am eigenen Bild

Einschränkungen bei der bildlichen Darstellung von Personen

Renate DammRechtsanwältin Hamburg

Dr. Karen RinscheRechtsanwältin, Justitiarin, Düsseldorf

Inhalt Seite

1. Einleitung 22. Das Recht am eigenen Bild 42.1 Entwicklung 42.2 Voraussetzungen 52.3 Ausnahmen vom Einwilligungserfordernis – so genannte Personen

der Zeitgeschichte 103. Sonderfälle 134. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte 145. Die kommerzielle Verwertung des Rechts am eigenen Bild 176. Aktuelle Entwicklungen in der Rechtsprechung 19

Checkliste: Welche Fragen sind vor der Abbildung einer Person zu klären? 16

Das Bild ist als Gestaltungsmittel zur Illustration für die Arbeit von Kulturmana-gern und Künstlern unersetzlich. Gegenstand können mitunter Personen sein, dienicht einverstanden sind mit der Verbreitung des Bildes. Bei dem Interessenskon-flikt steht das Recht der Bildberichterstattung dem Recht am eigenen Bild gegen-über. Der vorliegende Beitrag stellt dar, welche Lösung das Gesetz und dieRechtsprechung für die sich widerstreitenden Standpunkte vorsieht. Eine Reihevon Beispielen und eine Checkliste unterstützt Sie dabei, selbst zu klären, wannSie für die Verbreitung eines Bildes eine Einwilligung des Abgebildeten benöti-gen und wann nicht.

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1. Einleitung

Wer über Menschen berichtet, will sie auch im Bild zeigen. Ein Bild lenkt zu-meist oder jedenfalls zunächst größere Aufmerksamkeit auf sich – und das nichtnur, wenn es sich um spärlich bekleidete Damen auf der 1. Seite einer Boulevard-zeitung handelt. Viele Geschichten sind einfach nur rund, wenn sie auch mitBildern erzählt werden. Gerade von Prominenten will man sich „ein Bild ma-chen“ – von diesem breiten Publikumsinteresse lebt die Paparazzi-Zunft ebensowie der eine oder andere Rechtsanwalt. Bildrechtsverletzungen können zu ein-träglichen Entschädigungsansprüchen verhelfen – gerade die beliebte Veröffentli-chung von Archivbildern in anderem Zusammenhang kann – je nach Kontext –durchaus mehrere tausend Euro kosten....Dennoch: die elektronischen Medien –allen voran das Fernsehen – sind existentiell auf die bildliche Darstellung vonPersonen angewiesen. Gleichwohl sind Kameras nach wie vor etwa im Ge-richtsaal im Allgemeinen verboten, obwohl in Zeitungen und Zeitschriften auchwörtlich über den Verlauf der Verhandlung berichtet werden darf. Das hat dasBundesverfassungsgericht in einer Entscheidung vom Januar 20011 noch einmalbekräftigt. Das Verbot, während einer Gerichtsverhandlung Film- und Fernseh-aufnahmen zu machen, beruht auf einer Bestimmung des Gerichtsverfassungsge-setzes (GVG). In § 169 Satz 2 GVG ist festgeschrieben, dass Ton- und Fernseh-aufnahmen genauso wenig wie Filmaufnahmen während einer laufenden Ge-richtsverhandlung gemacht werden dürfen.2 Allerdings dürfen seit 1998 in be-stimmtem Umfange Fernsehaufnahmen aus dem Bundesverfassungsgericht ge-sendet werden. Das gilt insbesondere für die öffentliche Urteilsverkündung.3

Diese Gesetzesänderung gilt jedoch nur für das Bundesverfassungsgericht. Füralle anderen Gerichtsverfahren ist es bei der gesetzlichen Regelung in § 169Satz 2 GVG geblieben, wonach Ton- und Fernsehaufnahmen während einer lau-fenden Gerichtsverhandlung nicht gemacht werden dürfen. Obwohl nach demgeltenden Recht Fotoaufnahmen im Gerichtssaal nicht verboten sind, wird vonden Gerichten auch das Fotografieren mehr und mehr untersagt bzw. sind Fern-sehaufnahmen gleichgestellt. Hierzu ein aktuelles Beispiel: In einem spektakulä-ren Mordprozess machte der Präsident des zuständigen Landgerichts die Foto-und Filmerlaubnis von folgenden Bedingungen abhängig:

Das Filmen und Fotografieren im Sitzungssaal ist den Pressevertretern nur je-weils eine viertel Stunde vor Verhandlungsbeginn und zehn Minuten nach Endedes Verhandlungstages gestattet. Sobald der Angeklagte und das Gericht sichentfernt haben. Abweichend davon ist am ersten und letzten Verhandlungstag dasFilmen und Fotografieren des Gerichts bei Eintritt in den Sitzungssaal bis zumPlatznehmen des Gerichts gestattet.

In den Vorräumen des Sitzungssaales ist das Filmen und Fotografieren untersagt.Bei Aufnahmen des Angeklagten, der Zeugen und der Nebenkläger sind dieseunkenntlich zu machen, soweit nicht der Vorsitzende ausdrücklich etwas anderes

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verfügt. Eine Genehmigung des Vorsitzenden zur Kenntlichmachung der Betrof-fenen wird nur bei ausdrücklichem Einverständnis der Betroffenen und aus-schließlich schriftlich erteilt werden.4

Das Bundesverfassungsgericht5 hatte allerdings in einem spektakulären Strafver-fahren, welches vor dem Landgericht Berlin gegen Honecker u. a. stattfand ent-schieden, dass wegen der besonderen Bedeutung dieses Strafverfahrens für dieÖffentlichkeit jeweils ein Fernsehteam pro Tag Aufnahmen vor Beginn der ei-gentlichen Hauptverhandlung machen durfte. Diese Fernsehbilder mussten auchden übrigen Fernsehanbietern zur Verfügung gestellt werden.6

Auch für weniger spektakuläre Strafverfahren hat in der Zwischenzeit das Bun-desverfassungsgericht7 klargestellt, dass die sitzungspolizeiliche Anordnung einesGerichtsvorsitzenden, mit welcher Fernsehaufnahmen der Gerichtsverhandlunguntersagt werden sollen, einen Eingriff in den Schutzbereich der Rundfunk- undFernsehfreiheit bedeutet. Das Interesse der Öffentlichkeit an einer möglichstauthentischen Berichterstattung unter Einschluss der Bildberichterstattung gebie-tet danach, dass Fernsehaufnahmen in einem Strafprozess gemacht werden dür-fen. In dem konkreten Fall ging es allerdings auch wiederum nur um die Dreher-laubnis für den Tag der Urteilsverkündung. In die Öffentlichkeit interessierendenStrafverfahren müssen sich auch die Richter und Schöffen gefallen lassen, dasssie abgebildet werden.8

Andererseits bereiten gerade spektakuläre Strafprozesse den Gerichten häufigProbleme, weil Angeklagte und insbesondere Zeugen oft nicht gefilmt und foto-grafiert werden wollen und die Gerichte dem Wunsch auf Anonymität Folgeleisten, indem sie wie oben geschildert vorgehen. So ist zur Zeit das so genannte"Pixeln" von Fotos oder auch von Fernsehaufnahmen "in Mode". Nicht nur An-geklagte und Zeugen in einem Strafprozess, sondern insbesondere auch vieleProminente machen die Aufnahme von Foto-, Film- und Fernsehaufnahmenentweder von ihrer vollständigen Einwilligung oft gegen Honorar oder davonabhängig, dass z. B. ihre Kinder nicht erkennbar sind, also gepixelt oder die Ge-sichtszüge "geweißt" werden.

Um überhaupt noch Fotos, Film- und Fernsehaufnahmen von derartigen Personenzu bekommen, gehen Medien mehr und mehr dazu über, die Wünsche der Promi-nenten zu erfüllen. Diese Entwicklung hat auch etwas damit zu tun, dass es einfinanziell lohnendes Geschäft geworden ist, sich abbilden zu lassen. Die Honora-re für ein neugeborenes Kind eines Modells können dann schon einmal die Mil-lionen-Euro-Grenze erreichen.

Damit liegt das Dilemma des Bildrechtes auf der Hand: Einerseits soll jedermannselbst bestimmen können, ob und wie - gegebenenfalls gegen Geld - eine bildli-che Darstellung seiner Person erfolgen kann. Andererseits sind Medien und Kul-turschaffende auf Illustrationsmöglichkeiten angewiesen, um auch dieses Infor-mationsinteresse ihrer Leser, Zuschauer und Besucher befriedigen zu können.

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Hinzu kommt, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) indem so genannten Caroline-Urteil vom 24.06.20049 den Schutz der Privatsphäresehr hoch angesiedelt hat, und zwar höher als bislang die deutschen Instanzge-richte einschließlich des Bundesverfassungsgerichts.10 Derzeit lässt sich über-haupt nicht prognostizieren, welche Auswirkungen die Caroline-Entscheidungdes EGMR auf die nationale deutsche Rechtsprechung haben wird.11

2. Das Recht am eigenen Bild

2.1 Entwicklung

Das Recht am eigenen Bild wurde vom Gesetzgeber zu Beginn des20. Jahrhunderts festgeschrieben. Dem vorausgegangen war helle Empörung überein Foto Bismarcks auf dem Sterbebett, nachdem sich die Fotografen heimlichZutritt verschafft hatten.12 Der Gesetzgeber reagierte: Anders als das AllgemeinePersönlichkeitsrecht, das seine Existenz der Auslegung des Grundgesetzes undnicht einer klaren einfachgesetzlichen Grundlage verdankt 13 wurde der Bildnis-schutz im Jahr 1907 gesetzlich geregelt. Das Kunsturhebergesetz (KUG) enthältin § 22 S. 1 KUG den Grundsatz, dass Bildnisse nur mit Einwilligung des Abge-bildeten verbreitet werden dürfen. Geschützt wird das Selbstbestimmungsrechtüber die Veröffentlichung und Verbreitung von Bildnissen. In der Regel soll derEinzelne bestimmen können, ob und wie sein Bild in der Öffentlichkeit vorge-stellt werden soll.14

Nach heutiger Lesart handelt es sich beim Recht am eigenen Bild um eine spezi-elle Ausprägung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts (APR). Hier wie dortmuss im Einzelfall entschieden werden, ob das Persönlichkeitsrecht oder dieKommunikationsfreiheiten Vorrang genießen.

Dabei darf nicht übersehen werden, dass das Grundrecht der Presse- und Rund-funkfreiheit auch das Recht der Bildberichterstattung umfasst.15

Während das KUG lediglich auf die Veröffentlichung und Verbreitung von Bild-nissen und Bildern abstellt, hat nunmehr der deutsche Gesetzgeber in § 201aStGB auch die unbefugten Bildaufnahmen unter Strafe gestellt, wenn dadurch der"höchstpersönliche Lebensbereich" verletzt wird.16

Seit dem Inkrafttreten von § 201a StGB am 06. August 2004 ist noch nicht abzu-sehen, ob diese strafrechtliche Vorschrift für die Praxis eine größere Rolle spielenwird. Hintergrund für die gesetzliche Neuregelung ist, dass unter Mithilfe der sogenannten Fotohandys Fotos "geschossen" werden und diese ohne Wissen derabgebildeten Person sofort verschickt werden können. Stichwort: HeimlicheAufnahmen in einer Damenumkleidekabine im Schwimmbad. Nun gibt es in derPraxis eine Vielzahl von Bildaufnahmen, die ohne vorherige ausdrückliche Ein-