AM ADLERHORST - Neue Zürcher Zeitung

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Mit einem Jungfuchs als Beute zum Horst AM ADLERHORST Was wissen wir vom Adler? Diese Frage, welche sich auf den Steinadler be- schränkt, dürfte wohl eine sehr verschiedenartige Be- antwortung erfahren, selbst wenn sie nur an Leute vom Fach, an Ornithologen, Bergsteiger, Sennen, Jäger und Naturfreunde, gerichtet würde. Wann und wo hat man einen solchen Vogel gesehen? Wie steht es mit dem Vorkommen dieses stolzen Geschlechts? In welchen Gebieten horstet er noch? Ist sein Dasein auf die Berge beschränkt? Wann schreitet er zur Fort- pflanzung? Wieviele Junge zieht er auf? Womit wer- den letztere geatzt? Welchen Schaden verursacht dieser größte unserer Greifvögel? Darf- er bejagt werden? Unter welchen Bedingungen? Oder genießt er totalen Schutz? Und warum? Weil er auch in unserer Alpenwelt bereits ziemlich selten geworden ist? Allein schon in bezug auf die Beantwortung dieser letzten Fragen gehen die Meinungen weit aus- einander. Ein Plebiszit beispeilsweise unter den Ge- birgsjägern müßte wohl schroffe Gegensätze zeitigen. Wir haben zu viele Adler, würde es aus dem einen Lager tönen, während andere, vielleicht sogar die Minderheit, seine Seltenheit bejahen und einen wirk- samen Schutz dieses majestätischen Wappentieres wünschen. Der gesetzliche Schutz ist da! Endlich, muß man leider beifügen, als Eingeweihter der Schwierigkeiten sich erinnernd, die jene wenigen zu überwinden hatten, denen es schon seit Jahren Gewissenssache war, den Aar vor den Büchsen und Flinten der Nim- rode, aber auch vor der Nachstellung durch Hirten, die jeden Kleinviehverlust dem schwingenmächtigen Freibeuter ankreideten und ihm darum Rache schwo- ren, zu schützen und seine Erhaltung sicherzustellen. Fischotter und Steinadler, ehedem Verfemte und da- her eifriger Verfolgung ausgesetzt, sind heute bun- desgesetzlich geschützt! Vorbei ist es mit dem Nim- bus des kühnen Adlerschützen, den einfältige Volks- meinung, verbunden mit Reportagcsensatiönchen, um die Häupter von Schießern zu spinnen vermochte, die bei zufälliger Begegnung, am Horst oder am Luder zu billigen Erfolgen mit Pulver und Blei oder mit dem Fangeisen kamen. Bekanntlich können ja auch Greifvögel den zum Fangen von Füchsen ver- wendeten Tellereisen zum Opfer fallen, und da ge- rade im Kanton Graubünden derartige Fallen leider noch immer im Gebrauch sind, obschon seit Jahren gegen diese Folterinstrumente von Naturschützern und Tierfreunden heftig protestiert wird, muß man sich nicht wundern, gelegentlich Mitteilung zu er- halten, daß sich ein Adler oder ein Uhu darin ver- fangen hat. Gewissenlose «Jäger» griffen sogar zu Gift (nota- bene mit Erlaubnis der zuständigen Jagdbehörde!). Man erinnert sich einer solchen «Aktion» vom 22. und 26. Dezember 1948, die im Tessin, in der Nähe von Airolo, durchgeführt wurde und zum Tode von vier Adlern Anlaß gab. Diese jämmerliche Tat wurde damit begründet, daß die Adler den Wildbestand vernichten was offensichtlich nur den Flintenträ- gern vorbehalten sei! Nu r zu häufig und allzu ein- seitig beschuldigten gewisse Jägerkreise den Stein- adler immer wieder der Wildräuberei und versuchten mit allerlei statistischen Angaben bezüglich Garns- kitz-, Rehwild-, Hirschkälber-, Murmeltier- und Wald- hühnerraub seine «enorme Schädlichkeit» aufzuzei- gen und die Notwendigkeit einer Bejagung dieses Freibeuters der Luft vor Volk und Verwaltungs- behörde verständlich zu machen. In dieser Propa- ganda wurden die Nimrode noch weitgehend unter- stützt durch Kleinviehbesitzer und Hirten, die einen gelegentlichen Verlust an Lämmern mit Hilfe von Multiplikationen zu einer eigentlichen Bergbauern- tragödie aufzutakeln vermochten, um auf diese Weise eine Horstplünderung oder einen außerordentlichen Abschuß erzwingen zu können. Hie und d a wurden dann noch Schauergeschichten von Kinderraub, durch Steinadler praktiziert, herumgeboten, sogar in Zeitungsnotizen, um auf diese Weise, vertrauend auf die Unkenntnis des Publikums, Stimmung gegen die gefiederten Mörder zu schaffen. Nur so war es zu erklären, daß dem Ruf nach gesetzlichem Totalschutz dieses vielseitig bedrohten Krummschnabcls auf gesamtschweizerischem Boden durch die eidgenössischen Behörden lange Zeit kehl Gehör geschenkt wurde. Schon im Jahre 1927 war im Jahresrapport des Schweizerischen Bundes für Natur- ' schutz zu lesen, daß der Steinadler rapid zurückgeht' in unserem Lande und daß der Tag nicht allzu weit entfernt sei, da er verschwunden sein wird. Eine mit diesem betrüblichen Hinweis verbundene Aktion des bekannten Adlerforschers Carl Stemmler und eine Eingabe an die eidgenössischen Räte, angeregt durch ür. Pittet (Freiburg), unterzeichnet von den großen natur- und tierschützerischen Verbanden, blieben er- folglos. Auch ein Vorstoß in de r eidgenössischen Jagdkommission von seiten der Vertreter der Dach« organisationen der Revierjäger, Naturschützer, Orni- thologen und Tierfreunde gelangte vorerst zu keinem Ziel bis dann endlich die Stunde schlug und die Bemühungen von Jahrzehnten verwirklicht wurden! Wie steln es nun mit der Verbreitung des Stein- adlers int schweizerischen Alpengebiet? Wohl die beste Auskunft darüber bietet uns der bereits er- wähnte Adlerkenner und Ornithologe Carl Stemmler (Schaffhausen), der es sich zur Lebensaufgabe ge- macht hat, das Tun und Treiben dieses mächtigsten Vertreters der Avifauna im Gebirge zu erforschen und die Ergebnisse seiner Beobachtungen nicht nur wissenschaftlich, sondern auch vogelschützerisch aus- zuwerten, was zur Schaffung eines Werkes geführt hat, das heute in Buchform vorliegt und wohl als eines der gründlichsten Dokumente auf diesem Gebiete bezeichnet werden kann (Carl Stemmler: «Der Stein- adler in den Schweizer Alpen», im Selbstverlag 1955). Steinadlcrliorst im Misox. Im Vordergrund ein junges Murmeltier. Wenn man seinen Pirschgängen und Horst« besuchen folgt, welche in die Kantone Graubünden, Glarus, St. Gallen, Uri, Schwyz, Obwalden, Luzern, Bern, Freiburg, Waadt und Wallis führen, lernt man so ziemlich das gesamte Steinadlerinventar der Sclweiz kennen. Graubünden und Bern figurieren mit dem zahlenmäßigen Vorkommen von Aquila ehrysaetos an der Spitze. Allein für den. enteren Kanton werden 32 Horste aufgeführt, was aber kei- neswegs heißen will, daß diese Horate alle besetzt lind. Zudem ist zu berücksichtigen, daß ein Stein- adlerpaar mehrere Horste baut, so daß immer eine gewisse Anzahl unbenutzt bleibt. Meist befindet sich der Horst an einer Felswand, worin ein Sims, Vor- sprung oder Band den Aufbau einer solchen Be- hausung ermöglichen. Aeste von etwa 3 Zentimetern Durchmesser und Reisig, dürres und grünes, bilden das Nistmaterial. Da bei jeder Benutzung zum Brutgeschäft wieder' neues Gezweig herbeigetragen wird, erreichen solche Horste im Laufe der Jahre eine ganz respektable Größe richtig e Raubritter- burgen. Ausnahmsweise kann der Steinadler auch einen Baumhorst anlegen, wie ihn Stemmler im Jahre 1933 erstmalig am Fuß der Pointe de Charmey durch Vermittlung des dortigen Wildhüters entdeckt hatte. Es folgten dann noch zwei weitere Beobach- tungen ähnlicher Art, wobei von den Adlern immer günstig gelegene Fichten gewählt wurden. Wieso es zur Anlage eines Baumhorstes kommt, ist nicht er- klärlich; denn an Nistgelegenheiten in Mulden und Höhlen von Felswänden, dem bevorzugten Wohn- gebiet, fehlt es ja nirgends im Hochgebirge. Stemm- ler schätzt das Alter der meisten Horste auf hundert und mehr Jahre. «Neubauten», so schreibt er, «dürfte es dann geben, wenn Naturereignisse wie Sturm (Bisistal) und Steinschlag (Taminatal) Horste zer- stört ballon.» Die Gelegenheit, den Adler beim Bau eines Hon stes beobachten zu können, bietet sich äußerst sel- ten. Stemmler, dem ein zuverlässiger Nachrichten- dienst durch Wildhüter und Jäger zur Verfügung stand, hatte das Glück, im Val de Bagne (Wallis) die Errichtung eines Horstes, und zwar im Wipfel einer Fichte, feststellen zu können. Sehr anschau- lich schildert Stemmler diese Vorgänge, denen er mit wissenschaftlicher Genauigkeit folgte. Was die Zugänglichkeit der meisten Honte an- betrifft, so äußert sich unser Gewährsmann, der immerhin auf die außergewöhnliche Anzahl von neunzig Horstbesuchen zurückblicken kann und darin wohl einen Rekord innehat, wie folgt: «Die meisten Horste sind nur mittels Seilhilfe zugänglich, aber auch hier gibt es keine Gesetze. Es gibt solche, welche an den Ersteiger größte Anforderungen stel- len, ja bei denen außer den Seilen noch andere Hilfsmittel angewendet werden müssen, will man den Hont aus nächster Nähe betrachten;, dann aber auch solche, die ohne. Seil und ohne große Kletterei er- reichbar sind. Das sind die Honte, die li an in den illustrierten Zeitungen abgebildet findet.» «Erstaunlich ist es», schreibt Stemmler, «wie ' wenig man auch in den Bergen über die Adlerhonte unterrichtet ist. Honte, die Hunderte von Jahren wohl am selben Orte liegen, große, mächtige Bau- ten, sind oft keinem einzigen Bewohner des nächsten Dorfes, noch irgendeinem Jäger bekannt. Da ein Adlerpaar auch ohne jegliche Störung oft die Horste wechselt, ist es verständlich, daß, selbst wenn der Zufall einem Beobachter das Vorhandensein eines Horstes verraten hat, dasselbe bald wieder in Ver- gessenheit gerät.» Diese Tatsachen gilt es zu berück- sichtigen, wenn man etwa die Frage nach der Anzahl der im schweizerischen Alpengebiet noch vorhan- denen Adler stellt. Stemmler hatte es sich schon vor . Jahren zur Aufgabe 'gemacht, dies nach. Möglichkeit festzustellen, wobei er sich selbstverständlich auf zuverlässige Mitteilungen Ton Wildhütern und orts- ansässigen Beobachtern stützen mußte. Leider hat man ihm behördlicherseits diese Bestrebungen in ganz unverständlicher Weise erschwert, sei es, daß dem Wildhüter verboten wurde, solche Mitteilungen zu machen, oder daß die eidgenössische Oberforst- j inspektion ihn wissen ließ, «daß er nicht berechtigt sei, im Kanton Graubünden (Adler) zu beringen». Achiilich verhielt sich die Forstdirektion des Kan- tons Bern, erlaubte aber einem «Fachmann» das Photographieren eines Jungadlers im Horst, wobei letzterer sogar dem Horst entnommen, als «Paket auf dem Rücken des Abgeseilten hinaufgezogen und oben beringt wurde». Man wird, hier vielleicht einwenden, daß Störun- gen am Adlerhorst, wie sie ja mit Filmen und Be- ringen verbunden sind, vermieden werden sollten. Ich hatte vor Jahren selber Gelegenheit, im Kanton Glarus einer solchen Aktion beizuwohnen, die sich auf mehrere Tage erstreckte, ohne daß dabei von einer besonderen ' Beunruhigung des Jungadlers irgend etwas hätte festgestellt werden können. Der Umstand, daß wir anfänglich nicht genügend getarnt waren, wirkte sich auf die alten Adler ungünstig aus, indem sie die Atzung ihres Jungen unterließen, oder dann die Beute im Vorbeistreichen schnell abwarfen. Stemmler bestätigt aber derartige Störungen am Adlerhorst, deren Ursache im ungeschickten Vor- gehen des Photographen oder Filmoperateurs liegt, vor allem wenn der Jungadler bereits ein gewisses Alter erreicht hat und die Fluchtreaktion demgemäß stark in Funktion tritt. «Was frißt der Steinadler?» Die Beantwortung dieser Frage bildete bekanntlich jahrelang die Hauptursache der behördlich geduldeten Nachstel- lung. Carl Stemmler sezierte einmal einen dieser «Räuber», der von einem Bündner Jäger direkt vom Hause aus abgeschossen wurde, und fand im Magen zwei Feldmäuse, sonst nichts. «Also was frißt der Steinadler? Feldmäuse? Jawohl, «ber auch alles andere, wau er bewältigen kann. Meine Horst. befunde», betont Stemmler, «geben weit mehr Auf- schluß über die Art der Nahrung als etwa Magen- untersuchungen. Ich fand in Adlerhorsten und im Magen an Vögeln von der jungen Ringamsel über Krähen, Hühner, auch Auerhuhn bis Kolkrabe und unter Säugern von der Feldmaus bis zum Hirsch- kalb, ja Fuchs, Gemse und Reh. Von Reptilien ein- mal eine Natter. Der Steinadler ist ein starkes Tier und kann Beutetiere überwältigen, die weit schwerer sind als er selber, solche aber niemals forttragen!» Und trotzdem werden immer wieder Schauer- geschichten kolportiert vom Adler, der Kinder, Kleinvieh und Wild von einem Gewicht, das er nie- mals in die Höhe tragen kann, nach dem Honte ver- schleppt haben soll. Und welcher Schaden ist ihm in bezug auf den Lämmerraub zugeschrieben wor- den! Bei seinen zahlreichen Horstbesuchen fand Stemmler nur dreimal Reste von- einem Lamm, da- gegen häufig Murmeltiere, Alpcnschneehasen, Jung- füchse, Eichhörnchen, Birk- und Schneehühner, ge- legentlich auch Garns- und Rehkitze. Angesichts dieses Speisezettels ist es nicht verwunderlich, daß die Jagdschädliehkeit des Steinadlers von gewissen Nimroden mit sichtlicher Tendenz arg übertrieben und zur Motivierung seines Abschusses herangezogen wurde. Als Stemmler einmal mit einem Glarner Wildhüter über dieses Thema sprach, gab dieser ziemlich unverhohlen seinem Zorne Ausdruck: Er müsse die Gamstiere und Munggen «gaumen», und der Adler hole sie! Worauf Stemmler dem Wild- hüter bedeutete: Er. müsse nicht nur jenes Wild, sondern auch die Adler «gaumen». Der gefiederte König der Berge, heute unter Schutz gestellt, ist dennoch nicht ganz ungefährdet. Denken wir nicht an die Wilderer! Er hat noch andere Feinde. Eine Beobachtung dieser Art mach- ten Stemmler und eTn Wildhüter im Val de Bagne, wo r.iii 11. Mai 1943 zwei Jungadler im Horst fest- gestellt wurden. Ein weiterer Besuch am 14. Mai zeigte, daß der Horst leer war. Was ist aus den Jun- gen geworden? Eine ähnliche Situation bot sich Stemmler ob Vrin im Lugnez, im Val del Guts, wo am Der Beobachter läßt sich am Großwald im Safiental sum Adlerhorst abseilen 27. Mai 1952 ein Junges in einem bekannten Horst bestätigt werden konnte. Am 11. Juni war der Daunen- sprößling verschwunden. In beiden Fällen vermutete, man eine Horstplünderung durch Kolkraben. Stemm- ler erwähnt hiezu eine Mitteilung des Herstellers von Kulturfilmen, Gerhard Klammet, aus Garmisch- Partenkirchen, wonach dieser «einen Adlerhorst aus 60 Metern Entfernung gefilmt habe. Der alte Adler kam mehrmals und fütterte und huderte die Jungen. Um 11 Uhr 30 war plötzlich ein Schatten über dem Horst, ein Kolkrabe fiel ein, packte einen Jungadler und strich damit ab. Klammet sprang heraus, rief und schrie, der Rabe »ah und hörte ihn, flog aber unbekümmert weiter. Das ganze Geschehen konnte mit Farbfilm aufgenommen werden. Eine Stunde spä- ter erschien der Adler wieder und fütterte weiter ohne zu bemerken, daß ihm ein Junges fehlte. Kaum war der Adler weg, als der Kolkrabe wieder erschien und den zweiten Jungen packte. Klammet sprang blitzschnell aus dem Versteck, so daß der Rabe seine Beute auf den Horstrand fallen ließ. Leider erlag der Jungadler eine halbe Stunde später seinen "Verletzun- gen. Die Adlermutter strich zwei Stunden später wiederholt am Horst vorbei, ohne wieder hineinzu- fliegen.» Auch Geschwistermord scheint unter den Stein- adlern, wie überhaupt bei vielen Krummschnäbeln, vorzukommen. Obschon in der Fachliteratur von sol- chen Vorkommnissen hin und wieder die Rede ist, hatte Stemmler bei seinen zahlreichen Horstbesuchen nie Gelegenheit, einem solchen Zweikampf beizu- wohnen. Dagegen wurde ihm von einem Jäger Mosca aus Sent mitgeteilt, «daß im Val Torta in einem Adlerhorst zwei Junge miteinander gestritten hätten. Tatsächlich», erwähnt Stemmler in seinem Buch, «fanden wir vierzehn Tage später bei einem Besuch des Horstes unter der Wand den einen toten Jungen.» Der Geschwistermord erklärt sich aus der Tat- sache, daß die Entwicklung der Jungen verschieden verläuft. «Da das Weib vom enten Ei an brütet, das zweite erst in einigen Tagen gelegt wird, schlüpfen die Jungen in einem größeren .Zeitabstand und sind noch längere Zeit ungleich groß. Sie bekämpfen sich regelmäßig, wobei meist das schwächere zugrunde geht. Ist das als zweites schlüpfende Tier ein Weib- chen, so sind beide, wenn das erstschlüpfende ein Männchen ist, zunächst gleich stark und bekämpfen sich ohne Erfolg, so daß dann beide Jungen hoch- kommen können» (Kröning und Bieger). Jäger und Alphirten brauchen, trotz Adlerschutz, kein zu starkes Anwachsen dieser Sippe zu befürch- ten, beansprucht doch jedes Adlerpaar für sich ein großes Brut- und ein noch größeres Jagdgebiet, in welchem cv, seinesgleichen nicht duldet. Und uns allen ist es ja eingeboren, daß unser «Gefühl hinauf und vorwärts dringt . . wenn über schroffen Fichten- höhen der Adler ausgebreitet schwebt .. Paul VetterU Neue Zürcher Zeitung vom 19.05.1956

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Mit einem Jungfuchs als Beute zum Horst

AM ADLERHORSTWas wissen wir vom Adler?

Diese Frage, welche sich auf den Steinadler be-schränkt, dürfte wohl eine sehr verschiedenartige Be-antwortung erfahren, selbst wenn sie nur an Leutevom Fach, an Ornithologen, Bergsteiger, Sennen,Jäger und Naturfreunde, gerichtet würde. Wann undwo hat man einen solchen Vogel gesehen? Wie stehtes mit dem Vorkommen dieses stolzen Geschlechts?In welchen Gebieten horstet er noch? Ist sein Daseinauf die Berge beschränkt? Wann schreitet er zur Fort-pflanzung? Wieviele Junge zieht er auf? Womit wer-den letztere geatzt? Welchen Schaden verursachtdieser größte unserer Greifvögel? Darf- er bejagt

werden? Unter welchen Bedingungen? Oder genießt

er totalen Schutz? Und warum? Weil er auch inunserer Alpenwelt bereits ziemlich selten geworden

ist? Allein schon in bezug auf die Beantwortung

dieser letzten Fragen gehen die Meinungen weit aus-einander. Ein Plebiszit beispeilsweise unter den Ge-birgsjägern müßte wohl schroffe Gegensätze zeitigen.

Wir haben zu viele Adler, würde es aus dem einenLager tönen, während andere, vielleicht sogar dieMinderheit, seine Seltenheit bejahen und einen wirk-samen Schutz dieses majestätischen Wappentieres

wünschen.Der gesetzliche Schutz ist da! Endlich, muß man

leider beifügen, als Eingeweihter der Schwierigkeiten

sich erinnernd, die jene wenigen zu überwindenhatten, denen es schon seit Jahren Gewissenssachewar, den Aar vor den Büchsen und Flinten der Nim-rode, aber auch vor der Nachstellung durch Hirten,die jeden Kleinviehverlust dem schwingenmächtigen

Freibeuter ankreideten und ihm darum Rache schwo-ren, zu schützen und seine Erhaltung sicherzustellen.Fischotter und Steinadler, ehedem Verfemte und da-her eifriger Verfolgung ausgesetzt, sind heute bun-desgesetzlich geschützt! Vorbei ist es mit dem Nim-bus des kühnen Adlerschützen, den einfältige Volks-meinung, verbunden mit Reportagcsensatiönchen, umdie Häupter von Schießern zu spinnen vermochte,

die bei zufälliger Begegnung, am Horst oder amLuder zu billigen Erfolgen mit Pulver und Blei odermit dem Fangeisen kamen. Bekanntlich können ja

auch Greifvögel den zum Fangen von Füchsen ver-wendeten Tellereisen zum Opfer fallen, und da ge-

rade im Kanton Graubünden derartige Fallen leidernoch immer im Gebrauch sind, obschon seit Jahrengegen diese Folterinstrumente von Naturschützernund Tierfreunden heftig protestiert wird, muß mansich nicht wundern, gelegentlich Mitteilung zu er-halten, daß sich ein Adler oder ein Uhu darin ver-fangen hat.

Gewissenlose «Jäger» griffen sogar zu Gift (nota-

bene mit Erlaubnis der zuständigen Jagdbehörde!).

Man erinnert sich einer solchen «Aktion» vom 22.und 26. Dezember 1948, die im Tessin, in der Nähevon Airolo, durchgeführt wurde und zum Tode vonvier Adlern Anlaß gab. Diese jämmerliche Tat wurde

damit begründet, daß die Adler den Wildbestandvernichten was offensichtlich nur den Flintenträ-gern vorbehalten sei! N ur zu häufig und allzu ein-seitig beschuldigten gewisse Jägerkreise den Stein-adler immer wieder der Wildräuberei und versuchtenmit allerlei statistischen Angaben bezüglich Garns-kitz-, Rehwild-, Hirschkälber-, Murmeltier- und Wald-hühnerraub seine «enorme Schädlichkeit» aufzuzei-gen und die Notwendigkeit einer Bejagung diesesFreibeuters der Luft vor Volk und Verwaltungs-behörde verständlich zu machen. In dieser Propa-ganda wurden die Nimrode noch weitgehend unter-stützt durch Kleinviehbesitzer und Hirten, die einengelegentlichen Verlust an Lämmern mit Hilfe vonMultiplikationen zu einer eigentlichen Bergbauern-tragödie aufzutakeln vermochten, um auf diese Weiseeine Horstplünderung oder einen außerordentlichenAbschuß erzwingen zu können. Hie und da wurdendann noch Schauergeschichten von Kinderraub,durch Steinadler praktiziert, herumgeboten, sogar inZeitungsnotizen, um auf diese Weise, vertrauend aufdie Unkenntnis des Publikums, Stimmung gegen diegefiederten Mörder zu schaffen.

Nur so war es zu erklären, daß dem Ruf nachgesetzlichem Totalschutz dieses vielseitig bedrohtenKrummschnabcls auf gesamtschweizerischem Bodendurch die eidgenössischen Behörden lange Zeit kehlGehör geschenkt wurde. Schon im Jahre 1927 war imJahresrapport des Schweizerischen Bundes für Natur- '

schutz zu lesen, daß der Steinadler rapid zurückgeht'

in unserem Lande und daß der Tag nicht allzu weitentfernt sei, da er verschwunden sein wird. Eine mitdiesem betrüblichen Hinweis verbundene Aktion desbekannten Adlerforschers Carl Stemmler und eineEingabe an die eidgenössischen Räte, angeregt durchür. Pittet (Freiburg), unterzeichnet von den großen

natur- und tierschützerischen Verbanden, blieben er-folglos. Auch ein Vorstoß in d er eidgenössischenJagdkommission von seiten der Vertreter der Dach«organisationen der Revierjäger, Naturschützer, Orni-thologen und Tierfreunde gelangte vorerst zu keinemZiel bis dann endlich die Stunde schlug und dieBemühungen von Jahrzehnten verwirklicht wurden!

Wie steln es nun mit der Verbreitung des Stein-adlers int schweizerischen Alpengebiet? Wohl diebeste Auskunft darüber bietet uns der bereits er-wähnte Adlerkenner und Ornithologe Carl Stemmler(Schaffhausen), der es sich zur Lebensaufgabe ge-

macht hat, das Tun und Treiben dieses mächtigsten

Vertreters der Avifauna im Gebirge zu erforschenund die Ergebnisse seiner Beobachtungen nicht nurwissenschaftlich, sondern auch vogelschützerisch aus-zuwerten, was zur Schaffung eines Werkes geführt hat,das heute in Buchform vorliegt und wohl als einesder gründlichsten Dokumente auf diesem Gebietebezeichnet werden kann (Carl Stemmler: «Der Stein-adler in den Schweizer Alpen», im Selbstverlag 1955).

Steinadlcrliorst im Misox. Im Vordergrund ein junges Murmeltier.

Wenn man seinen Pirschgängen und Horst«besuchen folgt, welche in die Kantone Graubünden,Glarus, St. Gallen, Uri, Schwyz, Obwalden, Luzern,Bern, Freiburg, Waadt und Wallis führen, lernt manso ziemlich das gesamte Steinadlerinventar derSclweiz kennen. Graubünden und Bern figurierenmit dem zahlenmäßigen Vorkommen von Aquilaehrysaetos an der Spitze. Allein für den. enterenKanton werden 32 Horste aufgeführt, was aber kei-neswegs heißen will, daß diese Horate alle besetztlind. Zudem ist zu berücksichtigen, daß ein Stein-adlerpaar mehrere Horste baut, so daß immer einegewisse Anzahl unbenutzt bleibt. Meist befindet sichder Horst an einer Felswand, worin ein Sims, Vor-sprung oder Band den Aufbau einer solchen Be-hausung ermöglichen. Aeste von etwa 3 ZentimeternDurchmesser und Reisig, dürres und grünes, bildendas Nistmaterial. Da bei jeder Benutzung zumBrutgeschäft wieder' neues Gezweig herbeigetragenwird, erreichen solche Horste im Laufe der Jahreeine ganz respektable Größe r icht ige Raubritter-burgen. Ausnahmsweise kann der Steinadler aucheinen Baumhorst anlegen, wie ihn Stemmler imJahre 1933 erstmalig am Fuß der Pointe de Charmey

durch Vermittlung des dortigen Wildhüters entdeckthatte. Es folgten dann noch zwei weitere Beobach-tungen ähnlicher Art, wobei von den Adlern immergünstig gelegene Fichten gewählt wurden. Wieso eszur Anlage eines Baumhorstes kommt, ist nicht er-klärlich; denn an Nistgelegenheiten in Mulden undHöhlen von Felswänden, dem bevorzugten Wohn-gebiet, fehlt es ja nirgends im Hochgebirge. Stemm-ler schätzt das Alter der meisten Horste auf hundertund mehr Jahre. «Neubauten», so schreibt er, «dürftees dann geben, wenn Naturereignisse wie Sturm(Bisistal) und Steinschlag (Taminatal) Horste zer-stört ballon.»

Die Gelegenheit, den Adler beim Bau eines Honstes beobachten zu können, bietet sich äußerst sel-ten. Stemmler, dem ein zuverlässiger Nachrichten-dienst durch Wildhüter und Jäger zur Verfügungstand, hatte das Glück, im Val de Bagne (Wallis)die Errichtung eines Horstes, und zwar im Wipfeleiner Fichte, feststellen zu können. Sehr anschau-lich schildert Stemmler diese Vorgänge, denen ermit wissenschaftlicher Genauigkeit folgte.

Was die Zugänglichkeit der meisten Honte an-betrifft, so äußert sich unser Gewährsmann, derimmerhin auf die außergewöhnliche Anzahl vonneunzig Horstbesuchen zurückblicken kann und darinwohl einen Rekord innehat, wie folgt: «Die meistenHorste sind nur mittels Seilhilfe zugänglich, aberauch hier gibt es keine Gesetze. Es gibt solche,welche an den Ersteiger größte Anforderungen stel-len, ja bei denen außer den Seilen noch andereHilfsmittel angewendet werden müssen, will man denHont aus nächster Nähe betrachten;, dann aber auchsolche, die ohne. Seil und ohne große Kletterei er-reichbar sind. Das sind die Honte, die li an in denillustrierten Zeitungen abgebildet findet.»

«Erstaunlich ist es», schreibt Stemmler, «wie' wenig man auch in den Bergen über die Adlerhonte

unterrichtet ist. Honte, die Hunderte von Jahrenwohl am selben Orte liegen, große, mächtige Bau-ten, sind oft keinem einzigen Bewohner des nächstenDorfes, noch irgendeinem Jäger bekannt. Da einAdlerpaar auch ohne jegliche Störung oft die Horstewechselt, ist es verständlich, daß, selbst wenn derZufall einem Beobachter das Vorhandensein einesHorstes verraten hat, dasselbe bald wieder in Ver-gessenheit gerät.» Diese Tatsachen gilt es zu berück-sichtigen, wenn man etwa die Frage nach der Anzahlder im schweizerischen Alpengebiet noch vorhan-denen Adler stellt. Stemmler hatte es sich schon vor

. Jahren zur Aufgabe 'gemacht, dies nach. Möglichkeitfestzustellen, wobei er sich selbstverständlich aufzuverlässige Mitteilungen Ton Wildhütern und orts-ansässigen Beobachtern stützen mußte. Leider hat manihm behördlicherseits diese Bestrebungen in ganz

unverständlicher Weise erschwert, sei es, daß demWildhüter verboten wurde, solche Mitteilungen zumachen, oder daß die eidgenössische Oberforst-

j inspektion ihn wissen ließ, «daß er nicht berechtigtsei, im Kanton Graubünden (Adler) zu beringen».

Achiilich verhielt sich die Forstdirektion des Kan-tons Bern, erlaubte aber einem «Fachmann» dasPhotographieren eines Jungadlers im Horst, wobeiletzterer sogar dem Horst entnommen, als «Paketauf dem Rücken des Abgeseilten hinaufgezogen undoben beringt wurde».

Man wird, hier vielleicht einwenden, daß Störun-gen am Adlerhorst, wie sie ja mit Filmen und Be-ringen verbunden sind, vermieden werden sollten.Ich hatte vor Jahren selber Gelegenheit, im KantonGlarus einer solchen Aktion beizuwohnen, die sichauf mehrere Tage erstreckte, ohne daß dabei voneiner besonderen ' Beunruhigung des Jungadlersirgend etwas hätte festgestellt werden können. DerUmstand, daß wir anfänglich nicht genügend getarntwaren, wirkte sich auf die alten Adler ungünstig aus,indem sie die Atzung ihres Jungen unterließen, oderdann die Beute im Vorbeistreichen schnell abwarfen.Stemmler bestätigt aber derartige Störungen amAdlerhorst, deren Ursache im ungeschickten Vor-gehen des Photographen oder Filmoperateurs liegt,vor allem wenn der Jungadler bereits ein gewisses

Alter erreicht hat und die Fluchtreaktion demgemäß

stark in Funktion tritt.«Was frißt der Steinadler?» Die Beantwortung

dieser Frage bildete bekanntlich jahrelang dieHauptursache der behördlich geduldeten Nachstel-lung. Carl Stemmler sezierte einmal einen dieser«Räuber», der von einem Bündner Jäger direkt vomHause aus abgeschossen wurde, und fand im Magen

zwei Feldmäuse, sonst nichts. «Also was frißt derSteinadler? Feldmäuse? Jawohl, «ber auch allesandere, wau er bewältigen kann. Meine Horst.befunde», betont Stemmler, «geben weit mehr Auf-schluß über die Art der Nahrung als etwa Magen-untersuchungen. Ich fand in Adlerhorsten und imMagen an Vögeln von der jungen Ringamsel überKrähen, Hühner, auch Auerhuhn bis Kolkrabe undunter Säugern von der Feldmaus bis zum Hirsch-kalb, ja Fuchs, Gemse und Reh. Von Reptilien ein-

mal eine Natter. Der Steinadler ist ein starkes Tierund kann Beutetiere überwältigen, die weit schwerersind als er selber, solche aber niemals forttragen!»Und trotzdem werden immer wieder Schauer-geschichten kolportiert vom Adler, der Kinder,Kleinvieh und Wild von einem Gewicht, das er nie-mals in die Höhe tragen kann, nach dem Honte ver-schleppt haben soll. Und welcher Schaden ist ihmin bezug auf den Lämmerraub zugeschrieben wor-den! Bei seinen zahlreichen Horstbesuchen fandStemmler nur dreimal Reste von- einem Lamm, da-gegen häufig Murmeltiere, Alpcnschneehasen, Jung-füchse, Eichhörnchen, Birk- und Schneehühner, ge-legentlich auch Garns- und Rehkitze. Angesichts

dieses Speisezettels ist es nicht verwunderlich, daßdie Jagdschädliehkeit des Steinadlers von gewissen

Nimroden mit sichtlicher Tendenz arg übertriebenund zur Motivierung seines Abschusses herangezogen

wurde. Als Stemmler einmal mit einem GlarnerWildhüter über dieses Thema sprach, gab dieserziemlich unverhohlen seinem Zorne Ausdruck: Ermüsse die Gamstiere und Munggen «gaumen», undder Adler hole sie! Worauf Stemmler dem Wild-hüter bedeutete: Er. müsse nicht nur jenes Wild,sondern auch die Adler «gaumen».

Der gefiederte König der Berge, heute unterSchutz gestellt, ist dennoch nicht ganz ungefährdet.

Denken wir nicht an die Wilderer! Er hat nochandere Feinde. Eine Beobachtung dieser Art mach-ten Stemmler und eTn Wildhüter im Val de Bagne,

wo r.iii 11. Mai 1943 zwei Jungadler im Horst fest-gestellt wurden. Ein weiterer Besuch am 14. Maizeigte, daß der Horst leer war. Was ist aus den Jun-gen geworden? Eine ähnliche Situation bot sichStemmler ob Vrin im Lugnez, im Val del Guts, wo am

Der Beobachter läßt sich am Großwald im Safientalsum Adlerhorst abseilen

27. Mai 1952 ein Junges in einem bekannten Horstbestätigt werden konnte. Am 11. Juni war der Daunen-sprößling verschwunden. In beiden Fällen vermutete,man eine Horstplünderung durch Kolkraben. Stemm-ler erwähnt hiezu eine Mitteilung des Herstellersvon Kulturfilmen, Gerhard Klammet, aus Garmisch-Partenkirchen, wonach dieser «einen Adlerhorst aus60 Metern Entfernung gefilmt habe. Der alte Adlerkam mehrmals und fütterte und huderte die Jungen.

Um 11 Uhr 30 war plötzlich ein Schatten über demHorst, ein Kolkrabe fiel ein, packte einen Jungadlerund strich damit ab. Klammet sprang heraus, riefund schrie, der Rabe »ah und hörte ihn, flog aberunbekümmert weiter. Das ganze Geschehen konntemit Farbfilm aufgenommen werden. Eine Stunde spä-

ter erschien der Adler wieder und fütterte weiterohne zu bemerken, daß ihm ein Junges fehlte. Kaumwar der Adler weg, als der Kolkrabe wieder erschienund den zweiten Jungen packte. Klammet sprangblitzschnell aus dem Versteck, so daß der Rabe seineBeute auf den Horstrand fallen ließ. Leider erlag derJungadler eine halbe Stunde später seinen "Verletzun-gen. Die Adlermutter strich zwei Stunden späterwiederholt am Horst vorbei, ohne wieder hineinzu-fliegen.»

Auch Geschwistermord scheint unter den Stein-adlern, wie überhaupt bei vielen Krummschnäbeln,vorzukommen. Obschon in der Fachliteratur von sol-chen Vorkommnissen hin und wieder die Rede ist,hatte Stemmler bei seinen zahlreichen Horstbesuchennie Gelegenheit, einem solchen Zweikampf beizu-wohnen. Dagegen wurde ihm von einem Jäger Moscaaus Sent mitgeteilt, «daß im Val Torta in einemAdlerhorst zwei Junge miteinander gestritten hätten.Tatsächlich», erwähnt Stemmler in seinem Buch,«fanden wir vierzehn Tage später bei einem Besuchdes Horstes unter der Wand den einen toten Jungen.»

Der Geschwistermord erklärt sich aus der Tat-sache, daß die Entwicklung der Jungen verschiedenverläuft. «Da das Weib vom enten Ei an brütet, daszweite erst in einigen Tagen gelegt wird, schlüpfendie Jungen in einem größeren .Zeitabstand und sindnoch längere Zeit ungleich groß. Sie bekämpfen sichregelmäßig, wobei meist das schwächere zugrundegeht. Ist das als zweites schlüpfende Tier ein Weib-chen, so sind beide, wenn das erstschlüpfende einMännchen ist, zunächst gleich stark und bekämpfensich ohne Erfolg, so daß dann beide Jungen hoch-kommen können» (Kröning und Bieger).

Jäger und Alphirten brauchen, trotz Adlerschutz,kein zu starkes Anwachsen dieser Sippe zu befürch-ten, beansprucht doch jedes Adlerpaar für sich eingroßes Brut- und ein noch größeres Jagdgebiet, inwelchem cv, seinesgleichen nicht duldet. Und unsallen ist es ja eingeboren, daß unser «Gefühl hinaufund vorwärts dringt . . wenn über schroffen Fichten-höhen der Adler ausgebreitet schwebt . . .»

Paul VetterU

Neue Zürcher Zeitung vom 19.05.1956