Aktionsplan Lastmanagement - Agora Energiewende

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Aktionsplan Lastmanagement Endbericht einer Studie von Connect Energy Economics STUDIE

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Aktionsplan Lastmanagement Endbericht einer Studie von Connect Energy Economics

Studie

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Aktionsplan Lastmanagement

impreSSum

Studie

Aktionsplan Lastmanagement

Endbericht einer Studie von Connect Energy Economics

erStellt im AuftrAg von

Agora EnergiewendeRosenstraße 2 | 10178 Berlin

Projektleitung: Alexandra Langenheld [email protected]

Redaktion: Mara Marthe Kleiner

durchführung der Studie

Connect Energy Economics GmbH Gabriele-Tergit-Promenade 15 | 10963 Berlin

Lektorat: Matthias B. Krause, BerkeleySatz: UKEX GRAPHIC, Ettlingen Titelbild: © supakitmod - Fotolia.com

071/07-S-2015/de

Veröffentlichung: April 2015

Bitte zitieren als:

Connect Energy Economics (2015): Aktionsplan Last­management. Endbericht einer Studie von Connect Energy Ecomomics. Studie im Auftrag von Agora Energiewende.

www.agora-energiewende.de

dAnkSAgung

Ein besonderer Dank gilt Andreas Jahn (Regulatory Assistance Project) für die tatkräftige Unterstützung der Studie und die wertvollen inhaltlichen Beiträge.

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Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

bei steigenden Anteilen von Wind- und Solarenergie gewinnt Flexibilität kontinuierlich an Bedeutung für unser künftiges Stromsystem und für eine sichere und kostengünstige Ver-sorgung. Nachfrageseitige Flexibilität in Form von Lastma-nagement kann hierzu einen wichtigen Beitrag leisten. Bis-lang werden die Lastmanagementpotenziale in Deutschland aber bei weitem nicht ausgeschöpft, und die Entwicklung neuer, künftiger Potenziale wird kaum angereizt.

Das liegt zum einen an mangelnden Preissignalen, zum an-deren an regulatorischen Hemmnissen. Diese Hemmnisse im Markt- und Regulierungsdesign sind vielfältig und ver-hindern einen gleichberechtigten Zugang flexibler Lasten zu mögli-chen Einsatzgebieten. Um die Potenziale der Last-flexibilisierung optimal anreizen und nutzen zu können, müssen die Rahmenbedingungen in Deutschland nachge-bessert werden. Die Bundesregierung hat das erkannt und legt in der Debatte zur Neugestaltung des Energiemarktes einen Schwerpunkt auf die stärkere Flexibilisierung. Dabei muss es zentral darum gehen, einen fairen Wettbewerb aller

Flexibilitätsoptionen zu ermöglichen, die Nachfrageseite wird dabei jedoch häufig vernachlässigt.

Agora Energiewende hat daher Connect Energy Economics be-auftragt, einen „Aktionsplan Lastmanagement“ zu entwickeln, in dem die Potenziale von Lastmanagement zur Systemopti-mierung dargelegt und möglichst konkrete Antworten auf die zentralen Fragen gegeben werden: Welche Bedeutung haben flexible Verbraucher eigentlich für das künftige Stromsystem? Was muss geschehen, damit dieses Potenzial auch eingesetzt werden kann? Welche konkreten Handlungsoptionen für ein Markt- und Regulierungsdesign für die Energiewende lassen sich ableiten, um Lastmanagement aktiv und diskriminie-rungsfrei einzubinden? Unter welchen Voraussetzungen kann ein Level-Playing-Field geschaffen werden?

Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre!

Ihr Patrick Graichen, Direktor Agora Energiewende

Die Ergebnisse auf einen Blick

1.

2.

3.

4.

Lastmanagement leistet einen wichtigen Beitrag zur Integration Erneuerbarer Energien und zur Versorgungssicherheit. Je mehr nachfrageseitige und sonstige Flexibilitätsoptionen zur Verfügung stehen, desto größere Mengen an Wind- und Solarstrom können integriert werden. Um bestehende Potenziale zu nutzen und weitere anzureizen, sollten die Rahmenbedingungen verbessert werden.

Stromhändler sollten die Kosten tragen, die durch unausgeglichene Bilanzkreise entstehen. Dies ist verursachergerecht und erhöht die Nachfrage nach Lastmanagement durch untertägigen Stromhandel. Dazu muss die derzeitige Ausgleichsenergieregelung überarbeitet werden, unter anderem so, dass auch die relevanten Kosten der Regelleistungsvorhaltung einbezogen werden.

Der Regelleistungsmarkt sollte so organisiert werden, dass flexible Verbraucher leichteren Zugang bekommen. Kalendertägliche Ausschreibungen und stündliche Produkte reduzieren die Marktein-trittsbarrieren und erlauben eine bessere Koordination von Regelleistungs- und Spotmärkten. Präqualifikationsbedingungen und Produktdefinitionen müssen zueinander passen.

Die Netzentgeltsystematik sollte so weiterentwickelt werden, dass marktdienliches Verbrauchsverhalten möglich wird. Erste Schritte hierfür: Lastanpassungen energieintensiver Betriebe bei sehr niedrigen oder hohen Strompreisen sollten keine nachteiligen Auswirkungen auf ihre Entgeltermäßigungen haben, Lastmanagement bei Regelenergieabruf sollte die Netzentgelte nicht erhöhen.

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Inhalt

Abbildungsverzeichnis 5

tabellenverzeichnis 5

Abkürzungsverzeichnis 6

Zusammenfassung 7

Summary 11

1 einleitung 15

2 rolle und Bedeutung von flexiblen verbrauchern im Stromsystem 17 2.1 Nutzen flexibler Verbraucher für das Stromsystem 17 2.2 Arten und Wirkungsweisen von Lastflexibilität 18 2.2.1 Freiwilliger Lastverzicht 18 2.2.2 Lastverschiebung 19 2.2.3 Vergleich der Kostenstrukturen flexibler Lasten 20 2.2.4 Empirische Beobachtungen von Geboten an der Strombörse 20 2.3 Wirkung von Lastflexibilität im Stromsystem 21 2.3.1 Annahmen zu den Potenzialen flexibler Verbraucher 22 2.3.2 Szenarienübersicht 25 2.3.3 Illustration der Effekte von Lastflexibilität 26 2.4 Zwischenfazit 33

3 hemmnisse im markt- und regulierungsdesign und notwendige Anpassungen 35 3.1 Einsatzgebiete für flexible Lasten 35 3.1.1 Strommarkt und Bilanzkreismanagement 35 3.1.2 Regelleistung und andere Systemdienstleistungen 36 3.1.3 Marktzugang 37 3.2 Bedeutung und Kategorien von Hemmnissen 37 3.2.1 Wirkungsweise von Hemmnissen 37 3.2.2 Übersicht relevanter Hemmnisse für flexible Lasten 38 3.3 Bilanzkreismanagement 40 3.3.1 Wie wirkt das Hemmnis? 42 3.3.2 Prämissen der Hemmnisbeseitigung 43 3.3.3 Vorschlag zur Hemmnisbeseitigung und relevante Abwägungen 43

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Inhalt

3.4 Regelreservemärkte 47 3.4.1 Wie wirkt das Hemmnis? 50 3.4.2 Prämissen der Hemmnisbeseitigung 52 3.4.3 Vorschlag zur Hemmnisbeseitigung und relevante Abwägungen 52 3.4.4 Alternativvorschläge 54 3.5 Netznutzungsentgelte 55 3.5.1 Wie wirkt das Hemmnis? 57 3.5.2 Prämissen der Hemmnisbeseitigung 58 3.5.3 Vorschlag zur Hemmnisbeseitigung und relevante Abwägungen 59

4 fazit und empfehlungen 61

5 Anhang 65

literaturverzeichnis 66

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Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abbildung 1: Wirkung von Lastverzicht 19

Abbildung 2: Wirkung von Lastverschiebung 19Abbildung 3: Gebotskurven an der EPEX Spot vom 20.02.2015, 17-18 Uhr 20Abbildung 4: Annahmen zum Potenzial von Lastverzicht und Opportunitätskosten-Merit-Order

des Lastverzichts 24Abbildung 5: Annahmen zum Potenzial von Lastverschiebung 24Abbildung 6: Leistungsmix von Spitzenlasttechnologien und Systemkostenvergleich bei unterschiedlicher

Verfügbarkeit von lastseitigen Technologien 26Abbildung 7: Preisdauerlinien in Szenarien mit unterschiedlicher Verfügbarkeit von lastseitigen Technologien 28Abbildung 8: Leistungsmix von Spitzenlasttechnologien und Systemkostenvergleich bei

unterschiedlichen EE-Anteilen 30Abbildung 9: Leistungsmix von Spitzenlasttechnologien und Systemkostenvergleich bei unterschiedlichen

verfügbaren Potenzialen flexibler Lasten 31Abbildung 10: Preisdauerlinien bei unterschiedlichen verfügbaren Potenzialen flexibler Lasten 32Abbildung 11: Skalierte Darstellung der Abregelung und des Marktwertes Erneuerbarer Energien bei

unterschiedlichen verfügbaren Potenzialen flexibler Lasten 33Abbildung 12: Übersicht von Hemmnissen und Weiterentwicklungsmöglichkeiten im Bilanzkreismanagement 40Abbildung 13: Berechnungsschritte des regelzonenübergreifenden einheitlichen Bilanzausgleichsenergiepreises 42Abbildung 14: Hemmnisse und Weiterentwicklungsmöglichkeiten auf den Regelreservemärkten 48Abbildung 15: Übersicht der Regelreservequalitäten 49Abbildung 16: Erzeugungsmix und Verlauf von Day-Ahead-Preisen und Leistungspreisen am Regelreservemarkt 51Abbildung 17: Hemmnisse und Weiterentwicklungsmöglichkeiten bei Netznutzungsentgelten 55Abbildung 18: Relevante Bestandteile der Netzentgeltsystematik 56Abbildung 19: Illustrative Darstellung der Wirkung der Netzentgeltsystematik auf die residuale Lastdauerlinie 58 Tabelle 1: Ausschreibungen und Produktdefinitionen auf den Regelreservemärkten 49Tabelle 2: Annahmen zu Brennstoffpreisen 65Tabelle 3: Annahmen zu Investitions- und fixen Betriebskosten 65

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Abkürzungsverzeichnis

AbLaV Verordnung über Vereinbarungen zu abschaltbaren LastenAE-Mechanismus AusgleichsenergiemechanismusAEP AusgleichsenergiepreisBK BilanzkreisBKV BilanzkreisverantwortlicherBNetzA BundesnetzagenturEE Erneuerbare EnergieEEG Erneuerbare-Energien-GesetzEEX European Energy ExchangeEnWG EnergiewirtschaftsgesetzEPEX European Power ExchangeENTSO-E European Network of Transmission System Operators for ElectricityGT GasturbineGuD Gas-und-DampfkraftwerkMR MinutenreserveNEA NetzersatzanlagenNNE NetznutzungsentgelteNRV NetzregelverbundPRR PrimärregelleistungreBAP regelzonenübergreifender einheitlicher BilanzausgleichsenergiepreisSNL schnell abschaltbare LastenSOL sofort abschaltbare LastenSRR SekundärregelleistungStromNEV StromnetzentgeltverordnungStromNZV Stromnetzzugangsverordnung

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Studie | Aktionsplan Lastmanagement

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Aus aktuellen Gebotskurven der Strombörse wird zudem ersichtlich, dass Verbraucher bereits heute aktiv am Strom-handel teilnehmen. Führt ein Gebot eines flexiblen Ver-brauchers zum Ausgleich von Angebot und Nachfrage, so spiegeln sich die Opportunitätskosten dieses Verbrauchers im resultierenden Strompreis wider. Dieser Preis signa-lisiert die Zahlungsbereitschaft für Flexibilität und reizt somit weitere Marktakteure an, die ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Aktivierung weiterer Fle-xibilitätsoptionen zu prüfen. Gleichzeitig unterstützt die Preissetzung flexibler Verbraucher die Refinanzierung der Fixkosten anderer Technologien.

Die vorliegende Studie besteht aus zwei Teilen: Im ersten Teil beschäftigen wir uns mit der grundlegenden Wirkung flexibler Verbraucher auf das Stromsystem, bevor wir im zweiten Teil Hemmnisse für ihre Erschliessung und Maß-nahmen zur Beseitigung ihrer Hemmnissen analysieren. Die Untersuchungen im ersten Teil werden durch quantitative Analysen gestützt, welche die idealtypische Wirkungsweise flexibler Lasten verdeutlichen und ihre positiven Effekte auf das Stromsystem entlang von drei Leitfragen illustrieren:

→ Welche Wirkung haben flexible Verbraucher auf das Versorgungssystem?

Durch die Teilnahme flexibler Verbraucher am Strommarkt verändert sich der optimale Leistungs- und Erzeugungsmix. Dadurch sinken zudem die Kosten des Stromversorgungs-systems und es ändert sich der Verlauf des Strompreises. Wenn flexible Verbraucher entsprechende Preissignale set-zen, tragen sie damit zur Vollkostendeckung anderer Tech-nologien bei.

→ Wie verändert sich die optimale Menge an Last­management bei einem steigenden Anteil Erneuer­barer Energien?

Mit dem Ausbau Erneuerbarer Energien gewinnt Lastfle-xibilität zunehmend an Wert und es werden entsprechend

Mit einem steigenden Anteil variabler Erneuerbarer Ener-gien wächst im Zuge der Energiewende der Bedarf nach Flexibilität im Stromsystem. Dieser Flexibilitätsbedarf sollte zukünftig zu einem größeren Anteil aus Lastflexibili-tät gedeckt werden, als das historisch der Fall gewesen ist. Dadurch lassen sich die Kosten des Versorgungssystems reduzieren, die Integration Erneuerbarer Energien erleich-tern und die Sicherheit der Versorgung unterstützen. Über Lastflexibilität hinaus steht Flexibilitätspotenzial in allen Bereichen des Systems zur Verfügung. Durch einen fairen Wettbewerb zwischen all diesen Flexibilitätsoptionen kann die Flexibilisierung des Versorgungssystems kostengünstig organisiert werden.

Je höher der Anteil Erneuerbarer Energien steigt, desto vo-latiler wird die residuale Nachfrage. Sowohl in Zeiten mit niedriger Nachfrage und einer hohen Einspeisung Erneuer-barer Energien als auch in Zeiten mit einer hohen Nachfrage und niedriger Einspeisung steigt die Bedeutung von Last-management für den Ausgleich von Angebot und Nachfrage. So können durch eine Er-höhung der Last bei einer hohen Einspeisung Erneuerbarer Energien größere Strommengen abgenommen werden. Bei einer geringen Einspeisung Er-neuerbarer Energien reduziert sich dagegen der Bedarf an konventionellen Kraftwerken, wenn Verbraucher ihre Last verringern. Im Ergebnis sinken die Kosten der Stromversor-gung und der Integration Erneuerbarer Energien.

Dabei können flexible Verbraucher einerseits durch Last-verschiebung und andererseits über freiwilligen Lastver-zicht aktiv am Strommarkt teilnehmen. In beiden Fällen wägen sie den Nutzen ihres Stromkonsums gegen die damit einhergehenden Kosten ab. In welchem Umfang nachfra-geseitiges Flexibilitätspotenzial genutzt wird, hängt damit von den Opportunitätskosten der Verbraucher und der Volatilität der Strompreise ab. In Anbetracht großer vor-handener Potenziale kann davon ausgegangen werden, dass mit zunehmendem Bedarf und damit einhergehen-der Preisvolatilität weiteres Potential flexibler Lasten er-schlossen wird.

Zusammenfassung

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Agora Energiewende | Aktionsplan Lastmanagement

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ausgerichtet sind. Beispielsweise können einzelne Marktre-geln wie implizite Markteintrittsbarrieren für flexible Ver-braucher wirken, die den Wettbewerb mit anderen Markt-teilnehmern verzerren. Dazu zählen unter anderem unnötig lange Produktlaufzeiten an den Regelreservemärkten, die von flexiblen Lasten nur mit zusätzlichen Kosten abgedeckt werden können. Als Konsequenz stellen zu wenige flexible Verbraucher Regelleistung bereit. Dadurch kann es auch zu einer ineffizient hohen Erzeugung konventioneller Regel-leistungsanbieter bei einer hohen Einspeisung Erneuerba-rer Energien kommen, die die Integration der Erneuerbaren Energien erschwert.

Das Markt- und Regulierungsdesign sollte deshalb so wei-terentwickelt werden, dass ein fairer Wettbewerb zwischen flexiblen Lasten und anderen Flexibilitätsoptionen möglich ist und flexible Verbraucher unverzerrte Preissignale erhal-ten. Auf diese Weise können die Anforderungen des Strom-systems bei steigenden Anteilen Erneuerbarer Energien bes-ser erfüllt werden.

Es lassen sich eine Reihe von Maßnahmen identifizieren, mit denen relevante Hemmnisse kurzfristig abgebaut wer-den können. Diese Maßnahmen kommen in der Regel allen Flexibilitätsoptionen zugute. In dieser Studie erläutern wir die Wirkung der Hemmnisse und der Maßnahmen vorrangig für Lastflexibilität.

Entsprechende Ansatzpunkte finden sich insbesondere im Zusammenhang mit dem Bilanzkreismanagement, den Re-gelreservemärkten sowie der Struktur der Netzentgelte.

Im Rahmen des Bilanzkreismanagements werden Angebot und Nachfrage ausgeglichen, indem die verantwortlichen Marktteilnehmer Ausgleichsgeschäfte abschließen. Dadurch entsteht eine Nachfrage nach Absicherungsgeschäften und Flexibilität, die beispielsweise über flexible Vertriebsver-träge mit Verbrauchern oder Handelsgeschäfte mit Nachfra-gern am Strommarkt gedeckt werden kann. Allerdings sind bisher die wirtschaftlichen Anreize für aktives Bilanzkreis-management und die damit verbundenen Absicherungsge-schäfte mit flexiblen Verbrauchern zu schwach. Als Konse-quenz wird unnötig häufig Regelenergie für den Ausgleich

mehr Optionen auf Seiten flexibler Verbraucher genutzt. Der Vergleich mit einem weniger flexiblen System zeigt, dass die durch flexible Lasten erzielten Kosteneinsparungen im Ver-sorgungssystem steigen, je größer der Anteil Erneuerbarer Energien ist.

→ Wie wirkt sich eine Veränderung des angenomme­nen Potenzials flexibler Verbraucher aus?

Bei einem höheren Potenzial an Lastflexibilität werden die Vollkosten der Marktteilnehmer durch häufigere, aber niedrigere Preisspitzen refinanziert. Diese Preisstruktur hat ebenfalls einen positiven Effekt auf den Marktwert der Erneuerbaren Energien. Zudem werden erneuerbare Erzeu-gungsanlagen in einem flexibleren Versorgungssystem sel-tener strompreisbedingt abgeregelt.

Damit die mit Lastflexibilität einhergehenden Vorteile für das Versorgungssystem genutzt werden können, müssen jedoch eine Reihe von Hemmnissen abgebaut werden, die derzeit eine weitere Flexibilisierung des Stromsystems be-hindern. Diese Hemmnisse und die Maßnahmen zu ihrer Beseitigung stehen im zweiten Teil dieser Studie im Vorder-grund.

Hemmnisse können an verschiedenen Stellen in den poten-ziellen Einsatzgebieten flexibler Lasten an den Strom- und Regelreservemärkten auftreten. Sie bestehen unter ande-rem in verzerrten Preissignalen oder Anreizen, die einem marktdienlich flexiblen Verbrauchsverhalten entgegenste-hen. Beispielsweise können administrative Preisbestandteile wie Abgaben, Umlagen und Entgelte dazu führen, dass das Strompreissignal des Großhandelsmarktes für die Einsatz-entscheidung flexibler Verbraucher nur eingeschränkt re-levant ist. Dadurch kann es sein, dass Verbraucher ihre Last trotz niedriger Preise nicht erhöhen beziehungsweise auch bei hohen Preisen nicht reduzieren. Als Folge wird Lastflexi-bilität nicht in ausreichendem Maße erschlossen, was zu ei-nem suboptimalen und unnötig teuren Technologiemix führt.

Weitere Hemmnisse für flexible Lasten können sich aus den Teilen des heutigen Markt- und Regulierungsdesigns er-geben, die noch auf ein primär thermisch geprägtes System

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→ die relevanten Kosten der Regelleistungsvorhaltung ver-ursacherorientiert umgelegt werden.

Neben dem Strommarkt ist die Bereitstellung von Regelleis-tung ein mögliches Einsatzgebiet flexibler Lasten. Die Be-schaffung von Regelleistung und der Einsatz von Regelener-gie dienen der Systemsicherheit und unterliegen deshalb bestimmten regulatorischen Vorgaben. Bislang erschweren diese Vorgaben die Teilnahme flexibler Verbraucher am Re-gelreservemarkt unnötig. Insbesondere lange Ausschrei-bungszeiträume und lange Produktlaufzeiten führen für flexible Verbraucher zu höheren Barrieren als für konventio-nelle Anbieter, sodass der Wettbewerb verzerrt wird.

Die Regelreservemärkte sollten deshalb so weiterentwickelt werden, dass unnötige Hemmnisse für flexible Verbraucher abgebaut werden.2 Die oberste Prämisse dabei bleibt die un-veränderte Gewährleistung der Systemsicherheit.

Auch unter dieser Maßgabe können die Ausschreibungszeit-räume und Produktlaufzeiten verkürzt werden, um implizite Markteintrittsbarrieren für flexible Lasten zu reduzieren. Durch diese Anpassungen lassen sich zudem der Regelre-servemarkt und der Spotmarkt zeitlich besser aufeinander abstimmen. Die für den Einsatz flexibler Verbraucher beson-ders relevanten Opportunitätskosten können so adäquater als bisher im Marktgeschehen berücksichtigt werden.

Das langfristige Ziel der Weiterentwicklung sollte für alle Regelreservearten

→ kalendertägliche Ausschreibungen und → stündliche Produkte

sein. Um die Anpassungsprozesse für die Marktteilnehmer und die Übertragungsnetzbetreiber abzufedern, kann ein schrittweises Vorgehen sinnvoll sein. Die nächsten Schritte für die Regelreservearten sollten wie folgt gestaltet werden:

2 Die hier diskutierten Optionen zur Weiterentwicklung ba-sieren auf Connect (2014) sowie auf gemeinsamen Arbeiten von Consentec GmbH, r2b energy consulting GmbH und Connect (vgl. Connect, in Veröffentlichung).

von Erzeugung und Last eingesetzt. Dadurch schlägt sich der vorhandene Bedarf an Flexibilität nicht ausreichend in den Preisen am Strommarkt nieder, sodass auch auf diesem Wege zu wenige Lastflexibilitätspotenziale erschlossen wer-den.

Die Anreize für ein aktives Bilanzkreismanagement wer-den maßgeblich durch den Ausgleichsenergiemechanismus (AE-Mechanismus) beeinflusst, über den die Kosten für den Regelenergieabruf umgelegt werden. Die Weiterentwicklung dieses Mechanismus verbessert die Anreize für kurzfristige Ausgleichsgeschäfte mit flexiblen Lasten. Dementsprechend sollte sich der Bedarf nach Flexibilität stärker im Strompreis widerspiegeln, damit zusätzliche Anreize für Absicherungs-verträge mit flexiblen Verbrauchern entstehen.

Die folgenden Maßnahmen können den AE-Mechanismus stärken und wertvolle Anreize zur Erschließung flexibler Lasten schaffen.1 Bei der Ausgestaltung sollte die Steigerung der Effizienz der Anreize jedoch gegen mögliche Rückwir-kungen auf die finanziellen Risiken für Bilanzkreise und so-mit auf die Wettbewerbsintensität abgewogen werden.

Die derzeitige Umlage der Kosten des Regelenergieabrufs auf unausgeglichene Bilanzkreise kann effizienter gestaltet werden, indem

→ lediglich die Kosten des Abrufs in überwiegender Abruf-richtung berücksichtigt werden,

→ die Regelenergiekosten der Minutenreserve auf Basis ei-nes Einheitspreissystems bestimmt werden und

→ als Bezugspreis für die Börsenpreisbindung das Maximum beziehungsweise Minimum aller relevanten Spotmarkt-preise gewählt wird.

Zudem sollten die Anreize adäquater gestaltet werden, indem zusätzlich

1 Diese Ansätze basieren auf Connect (2014) sowie auf gemein-samen Arbeiten von Consentec GmbH, r2b energy consul-ting GmbH und Connect (vgl. Connect, in Veröffentlichung).

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brauchsverhalten sollten sich jedoch keine ineffizienten Rückwirkungen auf die Netzbelastung ergeben.

Insbesondere die Ausnahmetatbestände des §19 (2) Strom-NEV sollten so angepasst werden, dass

→ wenn eine vorgegebene Preisgrenze am Strommarkt überschritten (unterschritten) wird, eine Lastreduktion (Lasterhöhung) nicht nachteilig bei der Berechnung der Netzentgelte für die Verbraucher gewertet wird.

Um einen ineffizienten Anstieg der Netzbelastung zu ver-meiden, können die genannten Regelungen an einen netzsei-tigen Indikator geknüpft werden. Die Netzentgeltsystematik sollte zudem so gestaltet werden, dass

→ eine Änderung der Last aufgrund eines Regelenergieabrufs nicht negativ auf die Entgelte der Verbraucher wirkt.

Eine

→ Weiterentwicklung der Methode zur Bestimmung von Hochlastzeitfenstern

kann zudem dazu dienen, die Kompatibilität von markt- und netzdienlichen Anreizen zu erhöhen.

Der Abbau von Hemmnissen in den unterschiedlichen Be-reichen erleichtert flexiblen Lasten bereits kurzfristig die aktive Teilnahme an den Strom- und Regelreservemärkten. Von den mit der Erschließung von Lastflexibilität verbun-denen Vorteilen profitiert der mit der Energiewende einher-gehende Flexibilisierungsprozess. Wird der Strommarkt zu einem Level-Playing-Field, auf dem sich die kostengüns-tigsten Marktteilnehmer wie zum Beispiel flexible Verbrau-cher durchsetzen, lässt sich die Transformation des Strom-systems kostengünstig und sicher organisieren. Im Zuge der Transformation sollte das Markt- und Regulierungsdesign kontinuierlich auf mögliche Hemmnisse überprüft werden, um den sich wandelnden Anforderungen des Stromsystems auch in Zukunft Rechnung zu tragen.

und Fraunhofer ISI (vgl. Connect, in Veröffentlichung).

→ Minutenreserve: kalendertägliche Ausschreibungen mit einstündigen Produkten, gegebenenfalls in Kombination mit Blockgeboten

→ Sekundärregelreserve: kalendertägliche Ausschreibungen in Kombination mit einem zentralen Sekundärhandel, ein-stündige Produkte in Kombination mit Blockgeboten

→ Primärregelreserve: getrennte Ausschreibung für positive und negative Reserve

Zudem sollten die

→ Präqualifikationsbedingungen zu den Produktdefinitio-nen passen,

um unnötige explizite Markteintrittsbarrieren für flexible Lasten zu vermeiden. Um die Effizienz der Regelreserve-märkte grundsätzlich zu erhöhen, könnte sowohl für den Ab-ruf als auch für die Vorhaltung der Minutenreserve ein Ein-heitspreissystem eingeführt werden. Für die Vorhaltung der Sekundärregelreserve kann ebenfalls ein Einheitspreissys-tem in Erwägung gezogen werden. Dabei sollte untersucht werden, ob der Wettbewerb in diesem Segment für diesen Schritt ausreicht.

Die Netznutzungsentgelte wirken sich unmittelbar auf die Strombezugskosten der Verbraucher aus und stehen damit in engem Zusammenhang zu ihren wirtschaftlichen Anrei-zen für ein flexibles Verbrauchsverhalten. Bisher schafft die Struktur der Netzentgelte jedoch Anreize, die dem Strom-preissignal widersprechen können. Das kann zur Folge ha-ben, dass flexible Verbraucher in Zeiten mit niedrigen Prei-sen und einer starken Einspeisung Erneuerbarer Energien ihre Last nicht erhöhen beziehungsweise bei hohen Preisen und schwacher Einspeisung nicht absenken. Zudem kann die Teilnahme der Verbraucher am Regelreservemarkt ge-hemmt werden, wenn die Gefahr besteht, dass sie aufgrund ihrer angepassten Last höhere Netzentgelte zahlen müssen.

Aus diesen Gründen sollte die Netzentgeltsystematik wei-terentwickelt werden.3 Aus marktdienlich flexiblem Ver-

3 Die Ansätze zur Weiterentwicklung basieren auf Connect (2014) sowie auf Arbeiten von r2b energy consulting GmbH

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ates an incentive for other market participants to consider exploiting their own flexibility potential as well. At the same time, power prices set by flexible consumers help to refinance fixed costs of all other technologies.

This study consists of two parts. The first part focusses on the fundamental impact of flexible consumers on the power system, the second part deals with obstacles that currently hinder activating demand response potential and analyses measures to remove those obstacles. These arguments draw on our quantitative analyses explained in the first part of this study that illustrates the specific impacts and positive effects of demand response on the electricity system an-swering three key questions:

→ What is the impact of flexible consumers on the electricity system?

If flexible consumers participate in the power market, both the optimal mix of installed capacities and power genera-tion changes. Consequently, the costs of the electricity sup-ply system decrease. In addition, the trajectory of the power price changes. If flexible consumers set appropriate price signals, it helps other technologies to cover their full costs.

→ How does the optimal amount of demand response change as the share of renewables increases?

As renewables continue to grow, the value of demand re-sponse increases and consequently more demand response options will be used. The comparison with a less flexible supply system shows that, the higher the share of renewable generation, the more demand response helps to decrease the total costs of the electricity system.

→ What is the impact of changing the assumption on the available potential of flexible consumers?

A higher demand response potential is associated with more frequent, but lower price spikes refinancing full costs of

As the share of power generation from volatile renewables grows in course of the Energiewende, the need for a more flexible electricity system increases. To meet the new flex-ibility requirements a greater participation of the demand side is necessary than in the past. Demand response can reduce the cost of electricity supply, further the integra-tion of renewables and contribute to security of supply. Be-yond demand side flexibility, all areas of the supply system offer more flexibility potential as well. A fair competition between these options is needed to ensure a cost efficient transformation into a more flexible electricity system.

With an increasing share of renewables, the residual load will become more volatile. Thus, there will be a greater role for demand response both when overall demand is weak but feed-in from renewables is high and when demand is strong but feed-in from renewables is low. Demand response can be used to increase load to take advantage of high electricity generation from renewables. When feed-in from renewa-bles is low, load can also be reduced to decrease the need for conventional power plants. As a result, the costs of the sup-ply systems and for integrating renewables is going to be lower.

There are two ways in which flexible consumers can par-ticipate actively in electricity markets: load shifting and voluntary load shedding. In both cases consumers trade off the gains against the costs of consuming electricity. To what extent they in fact tap into their demand response potential depends on their opportunity costs and on the volatility of electricity prices. Given the large overall potential, addi-tional demand side options are expected to be activated with increasing demand for flexibility and more volatile prices.

Moreover, current bidding curves at the EPEX SPOT power exchange show that flexible consumers already participate actively in power trading. If it is a consumer’s bid which balances supply and demand, the resulting power price re-flects this consumer’s opportunity costs. In this case, the price signals the willingness to pay for flexibility and cre-

Summary

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The market and regulatory design should be developed in a way that facilitates, first, a fair competition among flexible consumers and other flexibility options and, second, that flexible consumers receive unbiased price signals. In this way, the requirements of a supply system characterized by an increasing share of renewable generation can be better met in the future.

A number of measures can eliminate obstacles for demand response in the short run. Whereas these measures will generally benefit all kinds of flexibility options, this study primarily focusses on flexible consumers when explaining the impact of obstacles and the corresponding remedies.

Key aspects concern in particular the management of bal-ancing groups, balancing reserve markets and the structure of grid charges.

As part of the management of balancing groups the respon-sible market participants are obliged to balance actual gen-eration and consumption, which they should do by under-taking appropriate transactions. This obligation results in demand for hedging transactions and flexibility which in the power market can be met, for example, by signing flex-ible electricity sales contracts with consumers. However, currently incentives for active management of balancing groups and for corresponding transactions between balanc-ing group managers and flexible consumers are too weak. Consequently, too frequently balancing reserve is called to compensate differences between generation and consump-tion. Therefore, power market prices do not sufficiently re-flect the actual demand for flexibility, which again implies that too little demand response potential is activated.

Incentives to actively manage balancing groups are driven by the balancing energy mechanism, which allocates the cost of called balancing reserve. By adjusting this mecha-nism, incentives for transactions with flexible consumers can be improved. As a result, actual demand for flexibil-ity should to a larger extent be reflected in the power price which then also strengthens incentives to contract with flexible consumers.

market participants. This price trajectory has also a posi-tive effect on the market value of renewables. Additionally, in a more flexible supply system there is less power price induced curtailment of renewable generation.

To realize the benefits linked to demand response, a number of obstacles have to be eliminated which currently hinder the process of introducing more flexibility into the supply system. These obstacles and appropriate measures to re-move them are explained in the second part of this study.

Obstacles may occur in different areas of the electricity and balancing reserve markets in which flexible consumers po-tentially participate. Among others, they emerge from dis-torted price signals and distorted incentives which do not stimulate a flexible consumer behavior in line with mar-ket needs. For example, administrative price components such as tariffs, fees and surcharges may have the effect that flexible consumers, deciding about their load management, partially disregard the price signal of the wholesale power market. In this case, flexible consumers may not increase their demand although prices are low and may not decrease their demand although prices are high, respectively. Con-sequently, only an insufficient amount of demand response potential is indeed activated. The result may be a suboptimal and, hence, unnecessarily expensive technology mix.

Additional obstacles for demand response may stem from certain features of today’s market and regulatory design that is in part still tailored to the needs of a power system characterized by fossil and nuclear generation. For example, certain market rules may have the effect of implicit barriers for market entry of flexible consumers, thus distorting the competition with other market participants. Among these implicit barriers are the unnecessary long timeframes for which balancing reserves are procured. Over longer time-frames, flexible consumers can only guarantee the delivery of balancing energy at additional cost. Hence, there are too few flexible consumers actually providing balancing re-serve. Driven by balancing reserve requirements, this may result in an inefficiently high level of conventional genera-tion in times of high feed-in from renewables, which also hampers the integration of renewables.

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consumers.5 Guiding principle should, however, be that the security of the supply system is maintained at any time.

Based on this premise, balancing reserve products and auc-tion schedules can be adjusted such that balancing re-serve is procured for shorter timeframes only and auctions are scheduled more frequently. This will not only reduce implicit barriers for the market entry of flexible consum-ers. Also, coordination of electricity and balancing reserve markets could be improved. Consequently, opportunity costs of flexible consumers, which are a key driver of their con-sumption and trading behavior, are more efficiently re-flected in the market.

The long-term target model for all types of balancing reserve markets should include

→ auctions on every calendar day and → hourly products.

Towards this end, a step-by-step approach may be consid-ered to facilitate adjustments to be made by market partici-pants and transmission system operators. To enhance cur-rent provisions on balancing reserve markets, the following measures should be taken:

→ minute reserve: auctions on every calendar day with hourly products, if necessary combined with bloc bids

→ secondary reserve: auctions on every calendar day com-bined with a centrally organized secondary market, hourly products combined with bloc bids

→ primary reserve: separate auctions for positive and nega-tive reserve

Additionally, to avoid unnecessary explicit barriers for mar-ket entry of flexible consumers

→ prequalification requirements should be in line with pro-duct definitions.

5 These options discussed here are based on Connect (2014) and joint work of Consentec GmbH, r2b energy consulting GmbH and Connect (see Connect, forthcoming).

The following measures may be considered to enhance the existing balancing energy mechanism and to provide valu-able incentives for activating demand response potential.4 When designing these measures, improving the efficiency of incentives should be traded off against the potential im-pact on financial risks for balancing groups, and thus on the intensity of competition.

Compared to the status quo, the cost of called balancing re-serve may be allocated to unbalanced balancing groups more efficiently by

→ accounting only for the cost for the dominating direction of called balancing reserve,

→ calculating the cost of calling minute reserve based on a single pricing system and

→ improving the reference power market price and, in the future, using the maximum and minimum of all relevant spot market prices, respectively.

Additionally, incentives should be further improved

→ by allocating the relevant cost of procuring balancing re-serve capacity to the responsible balancing groups.

Apart from participating in electricity markets, flexible consumers can also provide balancing reserve services. Balancing reserve serves the purpose to maintain the secu-rity of the power system and is subject to certain regulatory provisions. So far, these provisions are an unnecessary im-pediment for flexible consumers’ participation in balancing reserve markets. In particular, the current structure of auc-tion schedules and the long timeframes of reserve products result in additional barriers for flexible consumers com-pared to conventional suppliers, and thus distort competi-tion.

The balancing reserve markets should be further developed in a way that eliminates unnecessary obstacles for flexible

4 These recommendations are based on Connect (2014) and joint work of Consentec GmbH, r2b energy consulting GmbH and Connect (see Connect, forthcoming).

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Agora Energiewende | Aktionsplan Lastmanagement

14

→ consumers participating in balancing reserve markets who are called to adjust their load should not have to pay higher charges.

Compatibility of grid- and market-related incentives may also be enhanced by

→ improving the current method to determine peak load time windows.

In the short run, eliminating the various obstacles for de-mand response will help flexible consumers to participate actively in electricity and balancing reserve markets. The benefits of activating additional demand response poten-tial will lead to more flexibility of the supply system as part of the Energiewende. If the electricity market provides a level playing field allowing the most cost-efficient mar-ket participants such as flexible consumers to prevail in the competition, the transformation of the power system can be organized in a secure and cost-efficient way. Throughout this transformation process, market and regulatory design should be continuously monitored for obstacles to account for the changing needs of the power system.

To generally improve efficiency of balancing reserve mar-kets, a single pricing system could be implemented for both provision and call of the minute reserve. Such a system could also be considered for provision of secondary reserve services, provided that there is a sufficient level of competi-tion in this market segment.

Grid charges have a direct impact on power prices paid by consumers and, thus, are closely linked to their economic incentives for a flexible consumption behavior. So far, the structure of grid charges incentivizes consumption patterns that may contradict the power market price signal. In times of low prices and high feed-in from renewables, flexible consumers may not increase their consumption and may not decrease their consumption in times of high prices and low feed-in from renewables, respectively. Moreover, par-ticipation of consumers in balancing reserve markets may be hampered if, by adjusting their load accordingly, they risk paying higher grid charges.

For these reasons, the current structure of grid charges should be changed.6 However, flexible consumption behavior in line with market needs should not have any inefficient repercussions on grid load.

In particular, derogations provided for in §19 (2) of the Electricity Grid Charges Ordinance (StromNEV) should be adjusted such that

→ if the power market price exceeds (falls below) a prede-fined price level, a load reduction (load increase) will not increase the grid charges for the consumer.

To avoid an inefficient increase of grid load, these measures may be linked to a grid-related indicator. In addition, the structure of the grid charges should be designed such that

6 These recommendations are based on Connect (2014) and joint work of Consentec GmbH, r2b energy consulting GmbH and Connect (see Connect, forthcoming).

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Studie | Aktionsplan Lastmanagement

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unterstützt zusätzlich die Refinanzierung der Fixkosten der übrigen Technologien. Dass das Stromsystem von die-sen vielfältigen Vorteilen flexibler Lasten profitieren kann, setzt allerdings ein Markt- und Regulierungsdesign vor-aus, in dem weder der Wettbewerb zwischen Lastflexibilität und anderen Flexibilitätsoptionen noch die Preissignale der Märkte verzerrt werden.

In dieser Studie widmen wir uns der Bedeutung flexibler Lasten für den Strommarkt sowie Maßnahmen, die Hemm-nisse für ihre Erschließung abbauen. Im zweiten Kapitel erläutern wir zunächst die grundlegenden Arten und Wir-kungsweisen flexibler Lasten und illustrieren daraufhin ihre Effekte auf das Stromsystem im Kontext der Energie-wende. Im dritten Kapitel bauen wir auf diesen Erkenntnis-sen auf und identifizieren Hemmnisse für flexible Lasten im bestehenden Markt- und Regulierungsdesign. Für beson-ders relevante Bereiche entwickeln wir daraufhin Vor-schläge, wie diese Hemmnisse beseitigt werden können. Die Studie schließt mit einem Fazit.

Im Zuge der Energiewende ändert sich der Flexibilitätsbe-darf des Stromsystems. Durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien wird der flexible Einsatz von Verbrauchern immer wichtiger, um die Versorgungsicherheit weiterhin kosten-günstig zu gewährleisten. Ebenso wie die Nachfrageseite weisen auch die Angebotsseite und die Netzinfrastruktur große Flexibilitätspotenziale auf, sodass die Potenziale des Systems insgesamt den Bedarf der Energiewende über-steigen. Die zentrale Herausforderung liegt deshalb in der kostengünstigen Erschließung der geeigneten Potenziale. In dieser Studie widmen wir uns insbesondere der Flexibili-sierung der Nachfrageseite.

Die Gestaltung des Markt- und Regulierungsdesigns hat großen Einfluss darauf, ob der Flexibilisierungsprozess der Last und der anderen Systemelemente erfolgreich gemeis-tert wird. Bedingt durch seine historische Entwicklung ist das heutige Markt- und Regulierungsdesign in einigen Teilen noch auf ein primär thermisch geprägtes System zu-geschnitten. Im Zuge der Transformation hin zu einem stei-genden Anteil variabler Erneuerbarer Energien müssen des-halb viele dieser administrativ gesetzten Regeln hinterfragt werden. Einzelne Elemente des Markt- und Regulierungs-designs können Hemmnisse darstellen, die einer Flexibili-sierung der individuellen Systemelemente im Wege stehen.

Das gilt insbesondere für die Flexibilisierung der Last. Während der Ausgleich von Angebot und Nachfrage bis-her vorrangig durch eine Steuerung der Erzeugung erfolgt, sollten in Zukunft verstärkt flexible Lasten zur Markträu-mung beitragen, wenn dies zu niedrigeren Kosten führt. Sowohl in Situationen mit einer hohen Nachfrage und einer niedrigen Einspeisung Erneuerbarer Energien, als auch in Situationen mit geringer Nachfrage und einer hohen Ein-speisung kann Lastmanagement einen wertvollen Beitrag zu einer sicheren und kostengünstigen Versorgung leisten. Durch ihre preisstabilisierende Wirkung in Situationen mit hoher Einspeisung Erneuerbarer Energien können flexible Lasten den Marktwert Erneuerbarer Energien stabilisieren. Ihre Preissetzung in Situationen mit niedriger Einspeisung

1 Einleitung

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Studie | Aktionsplan Lastmanagement

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→ Welche Wirkung haben flexible Verbraucher auf das Ver-sorgungssystem?

→ Wie verändert sich die optimale Menge an Lastmanage-ment bei einem steigenden Anteil Erneuerbarer Energien?

→ Wie wirkt sich eine Veränderung des angenommenen Po-tenzials flexibler Verbraucher aus?

Diese drei Fragen stehen im Fokus dieses Kapitels. Vorab er-läutern wir in den Abschnitten 2.1 und 2.2 den Nutzen und die Funktionsweise flexibler Lasten. In Abschnitt 2.3 wen-den wir dann einen vereinfachten Modellansatz an, um die oben genannten Fragen konsistent zu beantworten und den spezifischen Effekt von Lastflexibilität auf den Strommarkt zu illustrieren. Die genannten positiven Auswirkungen von Lastmanagement werden anhand der Modellergebnisse in Abschnitt 2.3.3 veranschaulicht. Dieses Kapitel schließt mit einem Zwischenfazit.

2.1 Nutzen flexibler Verbraucher für das Stromsystem

In der Vergangenheit spielten flexible Verbraucher im Stromversorgungssystem eine untergeordnete Rolle. Das lässt sich vor allem auf Überkapazitäten auf der Ange-botsseite zurückführen, die durch Stromkunden finanziert wurden. Diese Überkapazitäten werden jedoch mittelfris-tig abgebaut, sodass sich der Technologiemix verändert. Im Zuge des Anpassungsprozesses sollte das Kosten-Nut-zen-Verhältnis der Optionen auf der Angebots- und auf der Nachfrageseite neu betrachtet werden, da die zukünftigen Kapazitäten ebenfalls von Verbrauchern finanziert werden müssen.

Warum es sich lohnt, neben Erzeugungsanlagen auch fle-xible Verbraucher zu berücksichtigen, veranschaulicht ein einfaches Beispiel: Die offene Gasturbine (GT) gilt als typi-sche Spitzenlasttechnologie. Die Investitionskosten dafür betragen etwa 450.000 Euro/MW, die typische Abschrei-

In der Diskussion zur Teilnahme flexibler Verbraucher am Strommarkt bestehen vielfach noch Missverständnisse bei der Interpretation dieser Flexibilitätsoption. Um die Debatte zu versachlichen, werden in diesem Kapitel die Möglichkei-ten und Grenzen von Lastflexibilität betrachtet. Auf diese Weise soll ein besseres Verständnis für die Wirkungsweise von flexiblen Verbrauchern im Strommarkt geschaffen wer-den.

Wie im Laufe dieses Kapitels deutlich wird, ist mit Lastfle-xibilität eine Reihe von Vorteilen für die Stromversorgung verbunden. Indem flexible Verbraucher am Strommarkt teilnehmen, tragen sie dazu bei, dass sich der Leistungsmix kostengünstig zusammensetzt. Flexible Verbraucher helfen durch ihre Preissetzung auch bei der Refinanzierung aller im Markt befindlichen Technologien. Diese Preise setzen zudem Anreize für die Marktteilnahme anderer Flexibili-tätsoptionen. Somit spielt Lastflexibilität eine wichtige Rolle bei der sicheren und kostengünstigen Transformation des Versorgungssystems.

Lastflexibilität gewinnt außerdem bei einem steigenden Anteil Erneuerbarer Energien zunehmend an Bedeutung. Da die Verfügbarkeit von Wind- und Solarstrom schwankt, wird auch die residuale Last volatiler. Die residuale Last bezeichnet den Teil der Nachfrage, der nicht mit Strom aus Erneuerbaren Quellen, sondern aus konventionellen Er-zeugungsanlagen gedeckt wird. Flexible Lasten erleichtern den Ausgleich der schwankenden residualen Last und somit die Integration Erneuerbarer Energien. Sie können folglich auch dazu beitragen, dass weniger Strom aus erneuerbaren Erzeugungsanlagen strompreisbedingt abgeregelt werden muss und der Marktwert Erneuerbarer Energien steigt.

Die Rolle von Lastflexibilität wird im Folgenden anhand von drei Leitfragen veranschaulicht:

2 Rolle und Bedeutung von flexiblen Verbrauchern im Stromsystem

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Bevor in Kapitel 3 die verschiedenen Einsatzgebiete flexi-bler Lasten im Detail diskutiert werden, erläutern wir im folgenden Abschnitt den ökonomischen Nutzen flexibler Lasten und ihre Wirkung innerhalb des Stromversorgungs-systems.

2.2. Arten und Wirkungsweisen von Lastflexibilität

Im Vergleich zur Angebotsseite des Strommarktes ist die Nachfrageseite deutlich heterogener. Dies liegt an der Viel-zahl der Einsatzmöglichkeiten elektrischer Energie und an der Diversität der technischen Prozesse, die an den Strom-verbrauch gekoppelt sind. Diese Komplexität führt häufig zu Missverständnissen, wenn es darum geht, die Einsatzge-biete flexibler Lasten und ihren möglichen Nutzen einzu-ordnen. Zu Beginn der Analyse ist es deshalb sinnvoll, diese Komplexität zu reduzieren und zwischen zwei Katego-rien von Lastflexibilität zu unterscheiden: dem freiwilligen Lastverzicht und der Lastverschiebung. Im Folgenden wird zunächst die Funktionsweise der flexiblen Lasten erklärt, bevor im Anschluss ihre ökonomischen Eigenschaften er-läutert werden.

2.2.1 Freiwilliger LastverzichtVerbraucher reduzieren ihren Stromkonsum aus ökono-mischen Gründen, wenn die Kosten des Konsums zu einem gegebenen Zeitpunkt den Nutzen aus dem Konsum über-steigen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn auf die stro-mintensive Herstellung eines Produktes verzichtet wird, weil die Strombezugskosten im betreffenden Augenblick höher sind als die erzielte Wertschöpfung. Liegt der Strom-preis beispielsweise bei 1.000 Euro/MWh und kann der Produzent durch den Verbrauch von einer Megawattstunde eine Wertschöpfung von 250 Euro erzielen, dann wird er eher auf die Wertschöpfung verzichten, als einen Verlust von 750 Euro zu akzeptieren. Abbildung 1 stellt beispielhaft dar, wie sich ein solcher Lastverzicht auf die Struktur der Nachfrage bei einer abendlichen Verbrauchsspitze auswirkt.

Verbraucher verzichten nur auf den Konsum, wenn die eingesparten Kosten mindestens der entgangenen Wert-schöpfung entsprechen. Diese alternativen Einnahmen

bungsdauer liegt bei 15 Jahren. Es kann davon ausgegangen werden, dass es innerhalb eines Zeitraums von 15 Jahren eine maximale Spitzenlastsituation gibt, die in exakt der gleichen Höhe kein zweites Mal auftritt. Für diese einmalige Situation muss eine technologische Option verfügbar sein, die Angebot und Nachfrage zusammenbringt. Würde diese Spitzenlastsituation planmäßig mithilfe einer GT gelöst, entstünden für das Versorgungssystem Kosten in Höhe von 450.000 Euro zuzüglich variabler Kosten. Dabei würde die-ses letzte MW Leistung der GT innerhalb von 15 Jahren ex-akt einmal eingesetzt. Sehr wahrscheinlich wären in dieser Spitzenlastsituation Verbraucher bereit, ihren Konsum um eine MWh für einen Preis von unter 450.000 Euro zu redu-zieren. Würde etwa ein Verbraucher für 1.000 Euro seinen Konsum reduzieren, so könnten in diesem Beispiel System-kosten im Wert von 449.000 Euro eingespart werden.

Bei der Betrachtung eines Durchschnittsjahres wären nicht die einmaligen Investitionskosten relevant, sondern die annuitätischen Kosten. In unserem Beispiel würden für die GT bei einem Zinssatz von 7,5 Prozent annuitätische Kosten in Höhe von 51.000 Euro/MWa anfallen. Würde der glei-che flexible Verbraucher für 1.000 Euro auf den Bezug von einer MWh in der Spitzenlastsituation verzichten, könnten für das Versorgungssystem 50.000 Euro eingespart werden. Dieser ökonomische Vorteil reduziert sich mit steigender Einsatzdauer des Lastmanagements, bis ein Gleichgewicht zwischen dem Einsatz des flexiblen Verbrauchers und der Gasturbine erreicht ist.

Dieses vereinfachte Beispiel zeigt, dass der Nutzen flexib-ler Lasten für das Versorgungssystem weit über das Zusam-menführen von Angebot und Nachfrage hinausgeht. Flexible Lasten tragen aufgrund ihrer ökonomischen Eigenschaften entscheidend dazu bei, das gesamte Versorgungssystem kos-tengünstig zu organisieren. In der Realität tragen allerdings nicht nur flexible Lasten zur Refinanzierung anderer Tech-nologien bei, sondern beispielsweise auch deren Teilnahme an den Regelleistungsmärkten oder der Abschluss von Absi-cherungsverträgen. Dementsprechend sind in Summe weni-ger durch flexible Lasten gesetzte Preise notwendig, um die Refinanzierung sicherzustellen. Diese Zusammenhänge wer-den in Abschnitt 2.3.3 ausführlicher erläutert.

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anknüpfend, bedeutet eine Lastverschiebung, dass auf die Produktion des Gutes nicht verzichtet wird. Vielmehr wird sie auf einen anderen Zeitpunkt verschoben, zu dem der Strompreis niedriger ist. Abbildung 2 illustriert die zeitliche Verlagerung des Konsums.

Die Auswirkungen von Lastverschiebung auf den Strom-preis können in zwei Situationen beobachtet werden. Die erste Situation verläuft analog zum Marktgeschehen bei einem Lastverzicht: Erreicht der Strompreis die Höhe der Opportunitätskosten eines Verbrauches, reduziert der Ver-braucher seine Nachfrage. Bei einer Lastverschiebung entstehen die Opportunitätskosten aber nicht durch einen Verzicht auf Wertschöpfung, sondern durch ihre zeitliche Verlagerung. Wenn in dieser Situation gerade das Gebot die-ses Verbrauchers am Strommarkt Angebot und Nachfrage zusammenführt, also den Markt räumt, spiegelt der resultie-rende Strompreis seine Opportunitätskosten wider. Da der Verbraucher seinen Konsum später nachholt, steigt in dieser zweiten Situation die Nachfrage. Dadurch wird in diesem Augenblick unter Umständen mehr Wind- und Solarstrom integriert, d.h. weniger erneuerbare Erzeugungsanlagen müssen strompreisbedingt abgeregelt werden. Gleichzeitig

oder Kosten werden im ökonomischen Sprachgebrauch als Opportunitätskosten bezeichnet. Ein Verbraucher fragt am Strommarkt also nur die Strommengen nach, deren Kosten unterhalb der Opportunitätskosten der Wertschöpfung lie-gen, die ihm bei einem freiwilligen Lastverzicht entgeht. Die Opportunitätskosten spiegeln sich deshalb in den Geboten wider. Sollte der Strompreis über das entsprechende Gebot hinausgehen, hat der Verbraucher mehr Kosten gespart, als die Wertschöpfung eingebracht hätte. Das Gebotsverhal-ten flexibler Verbraucher spiegelt sich auch im Preis an der Strombörse wider. Wenn das Gebot eines Verbrauchers an der Börse Angebot und Nachfrage zusammenführt, also den Markt räumt, werden seine Opportunitätskosten über den Preis für alle anderen Marktteilnehmer sichtbar. Zugleich orientieren sich andere flexible Verbraucher und weitere Flexibilitätsanbieter mit ihren Optionen an diesem Preis, sodass sie Anreize erhalten am Markt teilzunehmen.

2.2.2 LastverschiebungIm Gegensatz zum freiwilligen Lastverzicht wird der Kon-sum bei der Lastverschiebung nachgeholt beziehungsweise vorgezogen, sodass sich die Nachfrage zu einem ande-ren Zeitpunkt kurzzeitig erhöht. An das vorherige Beispiel

Stunde des Tages

Eigene Darstellung

2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 2 4 6 8 10 12

Last

[GW

]

Ohne Lastverzicht Mit Lastverzicht

90

80

70

60

50

40

30

20

10

0

Wirkung von Lastverzicht Abbildung 1

Stunde des Tages

Eigene Darstellung

2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 2 4 6 8 10 12

Last

[GW

]

Ohne Lastverschiebung Mit Lastverschiebung

90

80

70

60

50

40

30

20

10

0

Wirkung von Lastverschiebung Abbildung 2

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verschiebung fallen beim Lastverzicht deshalb in der Regel keine Fixkosten an. Dafür sind die Opportunitätskosten beim freiwilligen Verzicht auf Wertschöpfung in der Regel höher als die Speicherkosten der Lastverschiebung. Insge-samt hat Lastverzicht somit höhere variable Kosten als die Lastverschiebung, dafür jedoch keine Fixkosten. Der Voll-ständigkeit halber sei erwähnt, dass sich die Anwendungen auch innerhalb dieser beiden Kategorien stark unterschei-den können. Die zugrundeliegende ökonomische Logik gilt jedoch im Grundsatz für alle Anwendungsfälle.

2.2.4 empirische Beobachtungen von Geboten an der Strombörse

Lastflexibilitätsoptionen verbergen sich an der Strombörse sowohl hinter Geboten auf der Nachfrageseite als auch hin-ter Geboten auf der Angebotsseite. Abbildung 3 zeigt em-pirische Gebotskurven einer ausgewählten Stunde an der EPEX-Spot-Börse. Anhand der Nachfragekurve lassen sich Gebote von Konsumenten erkennen, die bis zu einer be-stimmten Preisgrenze Strom nachfragen. In Abbildung 3 ist dies beispielsweise an dem Plateau bei 500 Euro/MWh er-

rutscht der Strompreis seltener in den negativen Bereich. Diese zweite Situation zeigt, dass Lastverschiebung den Strompreis und damit den Marktwert Erneuerbarer Ener-gien stabilisieren kann.

2.2.3 Vergleich der Kostenstrukturen flexibler LastenIm Vergleich zum Lastverzicht erfordert die Lastverschie-bung seitens des Verbrauchers zusätzliche Flexibilität, da beispielsweise Zwischenprodukte eingelagert werden müs-sen. Diese Zwischenlagerung kann etwa höhere Arbeitskos-ten oder zusätzliche Heiz- oder Kühlkosten verursachen. Somit besteht eine gewisse Analogie zwischen Lastver-schiebung und Energiespeichern, deren Einsatz mit Spei-cherverlusten einhergeht. Diese zusätzliche Art von Op-portunitätskosten tritt bei einem freiwilligen Lastverzicht dagegen nicht auf. Als Konsequenz haben die beiden darge-stellten Optionen flexibler Lasten zentrale Unterschiede in ihren ökonomischen Eigenschaften bezüglich ihrer vari-ablen und ihrer fixen Kosten. Lastverzicht erfordert keine Speichermöglichkeiten, die unter Umständen entspre-chende Investitionen voraussetzen. Anders als bei der Last-

3.000

2.500

2.000

1.500

1.000

500

0

-500

-1.000

Day

-Ahe

ad-P

reis

[€/M

Wh]

Gebotskurven an der EPEX Spot vom 20.02.2015, 17­18 Uhr Abbildung 3

Eigene Darstellung auf Basis von EEX (2015)

Volumen [MW]

21.000 25.000 29.000 33.000 37.000 41.000 45.000 49.000

Angebot

Nachfrage

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Studie | Aktionsplan Lastmanagement

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Auf Lastflexibilität basierende Gebote auf der Angebotsseite des Strommarktes kommen also von flexiblen Verbrauchern, die bereits am Terminmarkt eingekauften Strom wieder am Spotmarkt verkaufen. Solche Gebote lassen sich am ehesten daran erkennen, dass sie über den üblichen variablen Kosten von Erzeugungsanlagen liegen, die wiederum die Gebote der Anlagenbetreiber bestimmen. In der abgebildeten Angebots-kurve wird das Angebot bei ca. 1.200 Euro/MWh ausgewei-tet. Dahinter könnte sich ein Gebot auf Basis von Lastflexi-bilität verbergen. Doch auch Gebote oberhalb von rund 150 Euro/MWh könnten bereits auf flexible Verbraucher zu-rückzuführen sein, die ihren Stromkonsum optimieren.

2.3 Wirkung von Lastflexibilität im Stromsystem

Im Folgenden erläutern wir anhand quantitativer Untersu-chungen im Detail, wie sich Lastflexibilität innerhalb des Versorgungssystems auswirkt. Mithilfe eines vereinfach-ten Modellansatzes lässt sich die Rolle flexibler Verbrau-cher idealtypisch aufzeigen. Ziel dieser Quantifizierung ist ausschließlich, die jeweiligen Wirkzusammenhänge zu veranschaulichen. Sie dient also keiner umfassenden Po-tenzial- oder Kostenschätzung. Dennoch sind die Potenzi-alannahmen eine wichtige Eingangsgröße für die Modellie-rung, die wir in Abschnitt 2.3.1 ausführlicher diskutieren. Im Vordergrund steht dabei jedoch, welche Rolle Opportuni-tätskosten bei der Potenzialanalyse spielen und welche Im-plikationen sich daraus für diese Analyse ergeben.

sichtlich. Übersteigt der Strompreis 500 Euro/MWh, dann sind Verbraucher schon heute bereit, ihren Konsum um rund 3.000 MW zu reduzieren.

Anhand der Angebotskurve lassen sich auf Lastflexibilität basierende Gebote schwieriger identifizieren. Hier gilt fol-gendes Kalkül: Angenommen ein Verbraucher hat sich die von ihm benötigte Strommenge bereits im Vorfeld mit einem längerfristigen Terminprodukt gesichert: Angesichts eines hohen Strompreises am Spotmarkt kann er sich entschei-den, seinen Verbrauch zu reduzieren und die freigewordene Strommenge stattdessen zu verkaufen. Er tritt somit am Spotmarkt als Anbieter auf.

Kauft ein Verbraucher beispielsweise am Terminmarkt Strom für 50 Euro/MWh und generiert eine durchschnitt-liche Wertschöpfung von 500 Euro pro konsumierter MWh Strom, erwirtschaftet er Einnahmen in Höhe von 450 Euro/MWh. Steigt der Strompreis am Spotmarkt nun auf 600 Euro/MWh, kann der Verbraucher an seinen gesicherten Einnahmen von 450 Euro/MWh festhalten. Entscheidet er sich, den Strom zu verkaufen, bekommt er für den zu 50 Euro/MWh eingekauften Strom 600 Euro/MWh, nimmt also 550 Euro/MWh ein. Der Konsument kann zwischen beiden Einnahmen wählen. Entscheidet er sich, den Strom an der Börse wieder zu veräußern, verdient er zusätzlich 100 Euro/MWh gegenüber dem Einsatz des Stroms zur Produktion. In diesem Beispiel hinterfragt der Verbraucher folglich seinen Stromkonsum sobald der Preis seine Opportunitätskosten von 500 Euro/MWh übersteigt.

Um die Wirkung flexibler Lasten innerhalb des Versorgungssystems zu illustrieren, verwenden wir in dieser Studie einen verein-fachten Modellansatz, mit dem Marktgleichgewichte berechnet werden. Diese Modellierung dient nicht dazu, realistische Größen-ordnungen abzuleiten. Sie soll vielmehr zu einem besseren Verständnis der Wirkungsweise und Wirkrichtung von Lastflexibilität beitragen. Zu diesem Zweck werden die spezifischen Effekte flexibler Lasten in einem mathematisch konsistenten Rahmen abge-bildet und über einen gezielten Szenarienvergleich isoliert. Dabei vermeidet der vereinfachte Modellansatz jede Komplexität, die die Effekte verzerren könnte und folglich die Interpretation der Ergebnisse erschweren würde.

Für die Modellierung verwenden wir ein fundamentales Strommarktmodell mit einer zeitlichen Auflösung von 8.760 Stunden. Auf diese Weise werden die strukturellen Effekte der Variabilität der residualen Last deutlich. Dieser Ansatz erlaubt es, den Bedarf an Flexibilität bei einem hohen Anteil Erneuerbarer Energien differenziert abzubilden und den entsprechenden Wert flexibler Lasten zu ermitteln.

Modellansatz

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schnitt 2.2 bereits angedeutet, hängt das Potenzial flexibler Verbraucher von ihren ökonomischen Präferenzen ab.

Ein Verbraucher bezieht Strom, wenn sein individueller Nutzen daraus größer ist als die Kosten seines Konsums. Dabei gilt, dass nur der Konsument selbst seine spezifi-schen Präferenzen und Transaktionskosten bestimmen kann. Aus diesem Grund ist das Abschätzen des ökonomi-schen Potenzials flexibler Lasten im Gegensatz zur Herlei-tung des technischen Potenzials vergleichsweise komplex. Es sind lediglich annähernde Abschätzungen möglich. Trotz der beschriebenen Unsicherheiten wäre eine vollständige

Im Folgenden werden die im Modell zur Abbildung von Lastflexibilität verwendeten Annahmen diskutiert. Alle weiteren Annahmen finden sich im Anhang. Da sie für alle Szenarien identisch sind, spielen sie für den Vergleich der Szenarien eine untergeordnete Rolle.

2.3.1 Annahmen zu den potenzialen flexibler Verbraucher

Um die Wirkungsweise von Lastflexibilität zu illustrieren, benötigen wir für die Modell-rechnungen zunächst An-nahmen darüber, in welchem Umfang Lastflexibilität zur Verfügung steht. Wie mit dem vereinfachten Beispiel in Ab-

Unser Vorgehen basiert auf einer langfristigen Perspektive: Wir verwenden einen Gleichgewichtsansatz, der auch als „Grüne-Wiese“-Ansatz bezeichnet wird, weil der bestehende Anlagenbestand dem Modell nicht vorgegeben wird. Das ist notwendig, weil sonst das Modellergebnis nicht den langfristigen Zustand eines optimal angepassten Versorgungssystems widerspiegeln würde. In der betrachteten Gleichgewichtslösung können zudem alle zugebauten Technologien ihre Investitionskosten vollständig decken.

Neben dem Grüne-Wiese-Ansatz wird zur weiteren Vereinfachung von Import- und Exportmöglichkeiten abgesehen, wir betrach-ten alle Effekte in einem Inselsystem. Diese beiden Vereinfachungen unterstreichen, dass mit dem hier vorgestellten Ansatz lediglich Wirkungsweisen illustriert und keine realistischen Größenordnungen abgeleitet werden.

Um die Wirkung flexibler Lasten idealtypisch zu veranschaulichen, werden zum Teil stark restriktive Szenarien betrachtet. Damit das Modell in solchen Szenarien mathematisch lösbar bleibt, wird eine sogenannte Backstop-Technologie verwendet. Sie beschreibt die letzte Option, die zum Ausgleich von Angebot und Nachfrage herangezogen wird. Im Modell wird sie zu variablen Kosten von 12.750 Euro/MWh eingesetzt. Der Backstop-Technologie sollte jedoch bei der Interpretation der Ergebnisse keine Relevanz beige-messen werden. Sie wird lediglich in den Ergebnissen fiktiver Referenzszenarien sichtbar, die nötig sind, um die Wirkung flexibler Lasten besser aufzuzeigen.

Was sind die Auswirkungen des Modellansatzes?

Die in der Realität durch das Ausland bereitgestellte Flexibilität wird in den vereinfachten Modellannahmen nicht berücksichtigt. Deshalb überschätzen die Ergebnisse in der Tendenz den Bedarf an alternativen Flexibilitätsoptionen wie Spitzenlastkraftwerken oder Lastmanagement. Im Rahmen unserer Analysen sind absolute Größenordnungen jedoch nicht relevant. Vielmehr werden die relevanten Effekte flexibler Lasten aus Vergleichen verschiedener Szenarien abgeleitet. Diese relativen Aussagen über die Wirkrich-tung von Lastflexibilität sind durchaus übertragbar.

Das verwendete Modell unterstellt zudem perfekte Voraussicht. Diese sogenannten deterministischen Modelle tendieren dazu, die Preiseffekte in Situationen mit einem knappen Stromangebot zu überschätzen. In der Realität führen Unsicherheiten in der Tendenz zu häufigeren und dafür niedrigeren Preisspitzen (vgl. Frontier/Consentec, 2014).

Das Modell verwendet alle zur Verfügung stehenden Optionen, um die Investitions- und Erzeugungskosten (Systemkosten) zu mi-nimieren. Das Ergebnis entspricht einem optimalen Zustand, der in dieser Form in der Realität nicht anzutreffen ist. Der Mehrwert der Berechnungen ergibt sich daraus, dass durch den Vergleich zweier optimaler Zustände ausgewählte Effekt idealtypisch isoliert werden. Das impliziert auch, dass die Differenz zwischen zwei Szenarien den minimalen Kostenunterschied widergibt. In der Realität sollten zusätzliche Aspekte in der Regel dazu führen, dass der Unterschied größer ausfällt als im Vergleich zweier Modelllösungen.

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ell unterschiedlichen Preis zu reduzieren. Die Höhe dieser Preise wird mit der hier dargestellten Opportunitätskos-ten-Merit-Order auf Basis der Wertschöpfung abgeschätzt. Diese Merit-Order dient also der Annäherung an das öko-nomische Potenzial für Lastverzicht beziehungsweise an die Präferenzen der Verbraucher. Ob dieses Potenzial genutzt wird, hängt davon ab, ob sich die Verbraucher gemäß ihrer Präferenzen verhalten. Das Handeln nach diesen Präfe-renzen ist in wettbewerblich organisierten Märkten aber rational: Eine im Wettbewerb stehende Industrie sollte Po-tenziale zur Kostensenkung nutzen, da die Akteure davon ausgehen müssen, dass die Konkurrenz solche Möglichkei-ten ebenfalls nutzt.

Für die in Abschnitt 2.3.3 beschriebenen vereinfachten Modellrechnungen leiten wir aus der Opportunitätskosten-Merit-Order des Lastverzichts eine Potenzialkostenkurve ab. Im Fokus steht hier jedoch nicht die Quantifizierung des insgesamt erschließ-baren Potenzials, sondern die Illust-ration der Wirkung von Lastflexibilität. In die Modellrech-nungen fließen im Basisfall konservative Annahmen ein, um die modellhaft abgebildeten Effekte von Lastflexibilität und die Höhe des im Gleichgewicht genutzten Potenzials nicht zu überschätzen. Wir gehen davon aus, dass das langfristig erschließbare Potenzial signifikant größer ausfällt als es die konservative Modellannahme widerspiegelt.

Die konservative Annahme wird in zwei Sensitivitäts-Ana-lysen zusätzlich variiert, um den Unsicherheiten solcher Abschätzungen Rechnung zu tragen und den Effekt der Annahmen auf die Ergebnisse zu untersuchen. Im Sensi-tivitätsszenario „Hemmnis“ wird davon ausgegangen, dass weitere Hemmnisse das bereits konservativ abgeschätzte Potenzial für Lastverzicht um 50 Prozent einschränken. Umgekehrt basiert das Sensitivitätsszenario „Optimierung“ auf der Annahme, dass bestehende Hemmnisse für Last-verzicht abgebaut werden und die sich rational verhalten-den Marktakteure ihre Beschaffungsprozesse entsprechend optimieren. Deshalb wird in diesem zweiten Sensitivi-tätsszenario das Potenzial für Lastverzicht um 50 Prozent gegenüber dem konservativen Basisszenario ausgeweitet. Abbildung 4 stellt die drei Potenzialkurven sowie die Op-portunitätskosten-Merit-Order dar.

Vernachlässigung des Potenzials fahrlässig. Wie im Verlauf dieses Abschnitts deutlich wird, begegnen wir den Unsi-cherheiten stattdessen durch Sensitivitätsbetrachtungen.

Bei jeder Potenzialschätzung sind zunächst verschiedene Annahmen notwendig. Beispielsweise basieren Schätzungen des technischen Potenzials in der Regel auf einer Annahme zum aktuell gegebenen Anlagenbestand. Diese Perspektive stellt bereits eine signifikante Einschränkung dar, insbeson-dere wenn das zukünftige Potenzial abgeschätzt werden soll. Diese statische Betrachtung vernachlässigt, dass im Zeitver-lauf kontinuierlich in Produktionsprozesse investiert wird. Wenn sich aus Sicht des Investors die Anforderungen an Produktionsanlagen ändern, zum Beispiel indem zusätzlich zur Energieeffizienz zukünftig auch Flexibilität berücksich-tigt werden soll, fließen diese Vorgaben in die Auslegung der Anlagen ein. Aus diesem Grund stellt der derzeitige Anlagen-bestand nur einen vergleichsweise kleinen Ausschnitt des grundsätzlich verfügbaren Potenzials dar.

Um das ökonomische Potenzial zu definieren, werden An-nahmen getroffen, die an die Wertschöpfung der zugrunde-liegenden Produktionsprozesse anknüpfen. Am Beispiel des freiwilligen Lastverzichts haben wir bereits dargelegt, dass ein Konsument seinen Stromverbrauch einschränkt, wenn die Kosten seine Wertschöpfung übersteigen. In Anleh-nung an Connect (2014) wurde deshalb im Rahmen dieser Studie untersucht, wie hoch die durchschnittliche Wert-schöpfung pro konsumierter Megawattstunde Strom in 15 Industriesektoren und 16 Bundesländern ausfällt. Es werden also ausschließlich das produzierende Gewerbe und Dienst-leistungsbereiche betrachtet, das Potenzial von Haushalten wird vernachlässigt. Wird die Wertschöpfung pro Mega-wattstunde Stromverbrauch in aufsteigender Reihenfolge sortiert, ergibt sich eine Opportunitätskosten-Merit-Or-der des Lastverzichts. Anhand der Merit-Order kann ab-geschätzt werden, wie hoch die Kosten des Strombezugs steigen dürfen, bevor ein Verbraucher es vorzieht, auf den Konsum und die damit verbundene Wertschöpfung zu ver-zichten.

Es kann davon ausgegangen werden, dass die Mehrheit der Verbraucher bereit ist, ihren Konsum bei einem individu-

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Nicht alle Prozesse, die in die Opportunitätskosten-Merit-Order eingeflossen sind, werden für den freiwilligen Last-verzicht genutzt. Einige der Prozesse bieten die Möglichkeit, mit geringen Fixkosten Lastverschiebepotenziale zu gene-rieren, beispielsweise wenn Zwischenprodukte vorüberge-hend eingelagert werden können. Ob Verbraucher Optionen zur Lastverschiebung erschließen, hängt neben den Fix-kosten auch von den Opportunitätskosten des Einsatzes ab. Grundsätzlich sind viele Prozesse denkbar, die sich automa-tisieren lassen und deren Verschiebung keine Nutzeneinbu-ßen verursacht, was sich in niedrigere Opportunitätskosten übersetzt. Um auch bei den Annahmen zu den Potenzialen der Lastverschiebung eher konservativ vorzugehen, wird von einem raschen Anstieg der Opportunitätskosten ausge-gangen. Analog zu den Annahmen zum Lastverzicht, variie-ren wir die Potenzialkurven im Rahmen von Sensitivitäts-Betrachtungen, wie in Abbildung 5 dargestellt.

Dass Unsicherheiten über das zukünftig verfügbare Poten-zial an Lastflexibilität bestehen, zeigt auch ein Blick in die Literatur. Die jeweiligen Angaben variieren zusätzlich, weil

25.000

20.000

15.000

10.000

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[€/M

Wh]

Annahmen zum Potenzial von Lastverzicht und Opportunitätskosten­Merit­Order des Lastverzichts Abbildung 4

Eigene Berechnungen

Leistung [MW]

0 5.000 10.000 15.000 20.000 25.000 30.000 35.000 40.000 45.000

Annahme: Hemmnis Annahme: Konservativ

Annahme: Optimierung Opportunitätskosten-Merit-Order

Leistung [MW]

Eigene Berechnungen

0 2.000 4.000 6.000 8.000

Opp

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Annahmen zum Potenzial von Lastverschiebung Abbildung 5

Annahme: Hemmnis

Annahme: Konservativ

Annahme: Optimierung

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Studie | Aktionsplan Lastmanagement

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tionen in konventionelle Erzeugungstechnologien mög-lich. In Kombination mit dem Ausschluss von Im- und Exporten im Modell führt diese Annahme zu einem sehr fiktiven Referenzpunkt. Zur technischen Lösbarkeit des Szenarios wird als letzte Maßnahme zum Ausgleich von Angebot und Nachfrage die bereits erwähnte Backstop-Technologie genutzt.

→ Das Szenario „Lastverzicht“ bietet zusätzlich zu den Opti-onen im Szenario „Angebot“ die Möglichkeit des freiwilli-gen Lastverzichts, um den Markt zu räumen.

→ Im Szenario „Lastverschiebung“ können dagegen zusätz-lich zu den Optionen im Szenario „Angebot“ Lastverschie-bepotenziale durch Investitionen erschlossen werden.

→ Im Szenario „Wettbewerb“, welches das Hauptszenario für alle späteren Vergleiche darstellt, stehen schließlich alle vorher aufgezeigten Investitionsoptionen im Wett-bewerb. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass sich dieses Szenario von der Realität noch immer durch stark restriktive Annahmen unterscheidet. Denn alle weiteren heute verfügbaren Flexibilitätsoptionen inklusive des in-ternationalen Austauschs werden nicht betrachtet.

→ Sensitivität: Anteil Erneuerbarer EnergienFür die oben genannten Szenarien gehen wir von einem Anteil Erneuerbarer Energien von 50 Prozent aus. Um die Wechselwirkung eines steigenden Anteils Erneuerbarer Energien mit Lastflexibilität zu identifizieren, werden aus-gehend vom Szenario „Wettbewerb“ zwei Sensitivitätssze-narien mit 25 Prozent beziehungsweise 75 Prozent Erneu-erbaren Energien berechnet.

→ Sensitivität: Verfügbares Potenzial an LastflexibilitätWie bereits erläutert, besteht bei Annahmen zum ökonomi-schen Potenzial an Lastflexibilität ein gewisser Spielraum. Um die Wirkung unterschiedlicher Annahmen zu untersu-chen, wird gegenüber dem Szenario „Wettbewerb“ das ange-nommene Potenzial an Lastflexibilität im Szenario „Hemm-nis“ um 50 Prozent reduziert und im Szenario „Optimierung“ um 50 Prozent ausgeweitet.

Die vier Sensitivitätsbetrachtungen des Szenarios „Wettbe-werb“ verdeutlichen den Vorteil des hier verwendeten Mo-

unter anderem unterschiedliche Prozesse, Sektoren und Zeiträume berücksichtigt werden. Wie bereits erläutert, hängt das genutzte Potenzial von der Höhe des Stromprei-ses ab. Bezüglich des Potenzials für Lastverzicht im Indust-riesektor wird in r2b (2014) für das Jahr 2030 angenommen, dass bei einem Strompreis von 3.000 Euro/MWh ein Poten-zial in Höhe von 7.100 MW verfügbar ist. Dieses steigt bei einem Preis von 10.000 Euro/MWh auf rund 10.000 MW und bei einem Preis von 15.000 Euro/MWh noch einmal ge-ringfügig auf 10.500 MW. In Frontier/Formaet (2014) wird das Potenzial für Lastverzicht und Lastverschiebung der In-dustrie, der Sektoren Gewerbe, Handel und Dienstleistungen sowie der Haushalte berücksichtigt. Die Studie geht in zwei Szenarien von einem potenziell abrufbaren Potenzial im Umfang von rund 15 beziehungsweise 20 GW im Jahr 2035 aus. Die in dieser Studie verwendeten Annahmen liegen so-mit in der Bandbreite relevanter Literaturquellen.

2.3.2 SzenarienübersichtIm Einklang mit dem illustrativen Charakter des verwende-ten Modellansatzes sind die analysierten Szenarien so kon-figuriert, dass die spezifischen Effekte der Lastflexibilität isoliert werden. Es geht nicht darum, die Realität möglichst genau abzubilden. Vielmehr werden zentrale Annahmen schrittweise variiert, um gezielt unterschiedliche Zustände des Versorgungssystems zu betrachten und Schlüsse aus ih-rem Vergleich zu ziehen.

Zunächst nehmen wir einen Marktanteil von Erneuerbaren Energien in Höhe von 50 Prozent an, welcher sich jeweils zur Hälfte aus Wind- und Solarenergie zusammensetzt. Da-mit liegt der betrachtete Referenzfall so weit in der Zukunft, dass derzeitige für Lastmanagement relevante Hemmnisse reduziert sein könnten und sich die Nachfrageseite entspre-chend angepasst haben könnte.

Bevor wir Sensitivitätsbetrachtungen vornehmen, werden im ersten Schritt vier Szenarien gegenübergestellt, die sich in der Verfügbarkeit von lastseitigen Flexibilitätsoptionen unterscheiden.

→ Im Szenario „Angebot“ sind keine lastseitigen Flexibili-tätsoptionen vorhanden, sondern ausschließlich Investi-

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Agora Energiewende | Aktionsplan Lastmanagement

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den darüber hinaus Braunkohle-, Steinkohle- sowie Gas-und-Dampf-Kraftwerke berücksichtigt.

Im errechneten optimalen Zustand des Versorgungssystems werden alle im jeweiligen Szenario zugelassenen Technolo-gien so kombiniert, dass die Systemkosten minimiert wer-den. Die absolute oder relative Veränderung der Systemkos-ten wird bewusst nicht ausgewiesen, da diese unter den hier gesetzten Rahmenbedingungen keinerlei Aussagekraft be-sitzt. Die Richtung der Kostenentwicklung kann jedoch bei der Interpretation der Ergebnisse betrachtet werden. Wie sich die Systemkosten in der Realität ändern, hängt dagegen vom Wettbewerb flexibler Lasten mit zusätzlichen Flexibili-tätsoptionen sowie von den Effekten des Binnenmarktes ab.

→ Welche Wirkung haben flexible Verbraucher auf das Versorgungssystem?

Die Verfügbarkeit von Lastflexibilität wirkt wie eine Aus-weitung des Wettbewerbs. Wenn sich neue Teilnehmer am

dellansatzes: Indem wir schrittweise die jeweils relevanten Annahmen variieren, lässt sich die Wirkung flexibler Lasten auf das Stromsystem identifizieren und somit auch besser erklären.

2.3.3 illustration der effekte von LastflexibilitätIn diesem Abschnitt diskutieren wir die Wirkung von Last-flexibilität im Stromversorgungssystem. Dabei beantworten wir die drei zu Beginn des Kapitels aufgeworfenen Kern-fragen. Neben einer qualitativen Diskussion dieser Fra-gen gehen wir auf die quantitativen Ergebnisse der Mo-dellanalyse ein. Dabei erläutern wir insbesondere, wie sich der Leistungsmix aus den verfügbaren Technologien, die Systemkosten und der Verlauf des Strompreises zwischen den betrachteten Szenarien ändern. Der für die einzelnen Szenarien abgebildete Leistungsmix zeigt lediglich Spitzen-lasttechnologien, da sie den Referenzpunkt für Lastflexibi-lität bilden. Zu diesen Spitzenlasttechnologien zählen neben Gasturbinen auch Netzersatzanlagen (NEA), die zusätzliche erzeugungsseitige Flexibilität bereitstellen. Im Modell wer-

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Leistungsmix von Spitzenlast­Technologien und Systemkostenvergleich bei unterschiedlicher Verfügbarkeit von lastseitigen Technologien Abbildung 6

Eigene Berechungen, *Dargestellt wird nur der Spitzenlastbereich, hier ab 75 GW

Braunkohle

Gas-und-Dampf-Kraftwerk

Steinkohle

Gasturbinen

Netzersatz-anlagen

Lastver-schiebung

Lastverzicht

Backstop

”Angebot” ”Lastverschiebung” ”Lastverzicht” ”Wettbewerb”

System-kosten (skaliert)

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Studie | Aktionsplan Lastmanagement

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ren Potenzial in relativ geringem Umfang genutzt. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die in Abbildung 3 dargestellte Nachfragekurve an der Strombörse. Wie bereits erwähnt, zeigt diese bereits heute bei einem Preis von 500 Euro/MWh eine mögliche Lastreduktion von knapp 3 GW. Mit Blick auf die in Abschnitt 2.3.1 diskutierten Annahmen an das verfügbare Potenzial an Lastflexibilität wird deutlich, dass von diesem Potenzial im gleichgewichtigen Modell-ergebnis nur ein geringer Teil tatsächlich eingesetzt wird. Dieses Ergebnis entspricht der vom Modell berechneten kostengünstigsten Kombination aller im jeweiligen Szenario verfügbaren Technologien. Angesichts der angenommenen Kostenstruktur der jeweiligen Technologien wäre ein stär-kerer Einsatz von Lastmanagement nicht optimal.

Dass angebots- und nachfrageseitige Technologien im Gleichgewicht optimal aufeinander abgestimmt sind, lässt sich auch anhand der Strompreisstrukturen erkennen. Wie bereits beschrieben, richten flexible Verbraucher ihre Ge-bote an der Strombörse nach ihren Opportunitätskosten aus. Wird der Strompreis regelmäßig durch verbrauchssei-tige Gebote gesetzt, reicht das Preisgefüge an der Strom-börse aus, damit neue Erzeugungsanlagen finanziert werden können.7 Es stellt sich somit ein Gleichgewicht zwischen verbrauchsseitigen und angebotsseitigen Flexibilitätsopti-onen ein.

Dieser Zusammenhang lässt sich in Abbildung 7 erkennen, in der Preisdauerlinien der 230 Stunden des Jahres mit den höchsten Preisen dargestellt sind. Sowohl im Szenario „An-gebot“ wie auch im Szenario „Lastverschiebung“ wird die Backstop-Technologie eingesetzt, sodass sich Preisspitzen von 12.745 Euro/MWh einstellen. Dies ist einzig der hypo-thetischen und sehr restriktiven Modell- und Szenarienfor-mulierung geschuldet und ist nicht auf die Realität über-

7 In Connect (2014) wird gezeigt, dass sich Betreiber von Erzeugungsanlagen bei der Finanzierung nicht allein auf das Spotpreissignal verlassen müssen. Denn mit den Preisen im kurzfristigen Handel steigen auch die Preise am Terminmarkt. Dies erhöht den Wert eines langfristig handelbaren Produktes, das ebenfalls zur Deckung der Investitionskosten beitra-gen kann. Weitere Einnahmequellen sind beispielswei-se Regelreservemärkte und Absicherungsverträge.

Markt durchsetzen, ändert das den Leistungsmix, die Sys-temkosten sinken.

Bei der Lastverschiebung wird der Konsum auf einen ande-ren Zeitpunkt verlegt. Da beispielsweise Zwischenprodukte gespeichert werden müssen, ist der zeitliche Spielraum fle-xibler Nachfrager begrenzt. Die Konsequenz dieser zeitlich begrenzten Verschiebbarkeit ist, dass in der Summe mehr Leistung installiert werden muss, um Angebot und Nach-frage auszugleichen.

Dies lässt sich exemplarisch in Abbildung 6 beim Vergleich der Gesamtleistung zwischen den Szenarien „Angebot“ und „Lastverschiebung“ erkennen. Trotz der insgesamt höheren Leistung im Szenario „Lastverschiebung“ senkt die An-passung des Technologiemixes und die Nutzung des Last-verschiebepotenzials die Systemkosten. Im Ergebnis wird Lastverschiebung im Umfang von 3,5 GW genutzt. Dadurch verringert sich der Bedarf an Gasturbinen um 1,8 GW, auch der Einsatz der Backstop-Technologie reduziert sich gegen-über dem Szenario „Angebot“ von 596 MW auf 322 MW.

Eine etwas größere Kostenersparnis lässt sich herbeifüh-ren, wenn gegenüber dem Szenario „Angebot“ zusätzlich die Option des Lastverzichts genutzt werden kann. Wie das Beispiel in Abschnitt 2.2 zeigt, werden die Opportunitäts-kosten des Lastverzichts gegen die Investitionskosten für konventionelle Spitzenlastkraftwerke abgewogen und der Leistungsmix entsprechend optimiert. Im hier abgebildeten Szenario wird Lastverzicht maximal im Umfang von 3,6 GW genutzt. Dadurch können im Vergleich zum Szenario „Ange-bot“ 3,3 GW an Gasturbinen eingespart werden. Ein weiterer positiver Effekt liegt darin, dass die teure Backstop-Techno-logie trotz der restriktiven Annahmen nicht mehr benötigt wird. Werden beide lastseitigen Flexibilitätsoptionen zuge-lassen, ergibt sich im Szenario „Wettbewerb“ ein optimier-ter Leistungsmix mit 2,0 GW Lastverschiebung und 2,9 GW Lastverzicht. Gegenüber dem „Angebots“-Szenario werden 3,8 GW weniger Gasturbinen benötigt. Im Ergebnis sinken die Systemkosten abermals.

Im hier betrachteten Gleichgewichtszustand wird Lastfle-xibilität im Vergleich zu dem angenommenen verfügba-

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Agora Energiewende | Aktionsplan Lastmanagement

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dargestellten „Speicherkosten“ wider. Zusätzlich fließen in die Opportunitätskosten die zum Zeitpunkt des reduzierten Konsums vermiedenen Kosten beziehungsweise die zusätz-lichen Kosten zum Zeitpunkt des nachgeholten Konsums ein. Diese beiden letztgenannten Komponenten hängen von den Kosten der jeweils verdrängten beziehungsweise benö-tigten Technologie ab. In der Preisdauerlinie des Szenarios „Lastverschiebung“ sind diese Opportunitätskosten an den im Vergleich zum Szenario „Angebot“ kleineren Stufen im mittleren Bereich der Darstellung erkennbar.

Im Szenario „Lastverzicht“ zeigen sich zusätzliche Stufen im Bereich hoher Preise, sodass das Preisniveau dort weniger abrupt ansteigt als im Szenario „Angebot“. Jede der im linken Teil der Abbildung 7 sichtbaren kleinteiligen Stufen ent-spricht den Opportunitätskosten einer Lastverzichtsoption. Im Vergleich zum Szenario „Angebot“ steigt hier das Preis-niveau kontinuierlich früher an, sodass mit häufigeren aber auch moderateren Preissignalen alle Technologien ihre Voll-kosten im Gleichgewicht decken können.

tragbar. Die Modellergebnisse sollen hier in erster Linie die grundsätzliche Wirkung von Lastflexibilität auf das Preis-gefüge illustrieren. In den Szenarien „Angebot“ und „Last-verschiebung“ bedarf es nicht vieler solcher Preissignale, um neue Erzeugungstechnologien zu refinanzieren.

Die Preisdauerlinie im Szenario „Angebot“ verläuft in we-nigen, relativ breiten Stufen. Sie zeichnet sich am unteren Ende des dargestellten Teilbereichs durch ein langes Plateau aus, in dem Gasturbinen (GT) den Preis setzen. Die nächst höheren Preise werden durch Netzersatzanlagen (NEA) ge-setzt, bevor zuletzt die Backstop-Technologie zum Einsatz kommt.

Im Szenario „Lastverschiebung“ treten Preisspitzen in Höhe von 12.745 Euro/MWh etwas seltener auf als im Szenario „Angebot“. Dies liegt daran, dass die zuvor durch die Back-stop-Technologie gesetzte Preisspitze durch eine Preis-setzung der Last gemäß ihrer spezifischen Opportunitäts-kosten abgelöst wird. Wie bereits erläutert, spiegeln die durch Lastverschiebung gesetzten Preise die in Abbildung 5

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Preisdauerlinien in Szenarien mit unterschiedlicher Verfügbarkeit von lastseitigen Technologien Abbildung 7

Eigene Berechnungen

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Wiederum werden lediglich die Spitzenlasttechnologien be-trachtet, da sie aufgrund ihrer Substitutionsbeziehung zur Lastflexibilität für diese Analyse relevanter sind als andere Technologien. Es sei dennoch erwähnt, dass sich die Kom-bination konventioneller Erzeugungsanlagen jeweils an den Anteil Erneuerbarer Energien anpasst, und unter anderem der Grundlastanteil abnimmt. Im Ergebnis sinken die Fix-kosten des konventionellen Leistungsmixes bei einem stei-genden Anteil Erneuerbarer Energien (vgl. Connect, 2014).

Wir verzichten im Folgenden bewusst auf die explizite An-gabe von absoluten oder relativen Kosteneffekten, da diese unter den hier gesetzten Rahmenbedingungen nicht auf die Realität übertragen werden können. In der Realität hän-gen die Kosteneffekte vom Wettbewerb flexibler Lasten mit zusätzlichen Flexibilitätsoptionen sowie von den Effekten des Binnenmarktes ab, sodass an dieser Stelle lediglich die Richtung der berechneten Kostenänderung zur Interpreta-tion der Effekte herangezogen wird.

Abbildung 8 stellt neben dem Leistungsmix die Richtung der Veränderung der jeweiligen Systemkosten bei steigen-den Anteilen Erneuerbarer Energien dar. Die Kostenunter-schiede basieren auf dem Vergleich des Szenarios „Wettbe-werb“ mit dem Szenario „Angebot“, in dem Lastflexibilität nicht zugelassen ist. Dazu wird im Angebotsszenario der Anteil Erneuerbarer Energien jeweils entsprechend ange-passt. Somit zeigt der Vergleich der Szenarien „Wettbewerb“ und „Angebot“ den Nutzen flexibler Verbraucher für das Versorgungssystem bei drei verschiedenen Anteilen von Wind- und Solarenergie.

Die Analyse verdeutlicht, dass der Nutzen von Nachfrage-flexibilität mit einem zunehmenden Anteil Erneuerbarer Energien ansteigt. Somit hat Lastflexibilität in einem Sys-tem mit weniger Erneuerbaren Energien einen geringeren Wert als in einem System mit einem hohen Anteil Erneuer-barer Energien. Da sich das Stromsystem genau in diesem Transformationsprozess befindet, wird der Wert flexibler Lasten zukünftig ansteigen.

Im Szenario „Wettbewerb“ verläuft die Preisdauerlinie noch kontinuierlicher. Dies liegt an der größeren Anzahl der nutzbaren Optionen. Da sich im Wettbewerb die kos-tengünstigsten Technologien durchsetzen, werden aus der Bandbreite von Optionen für Lastverschiebung und freiwil-ligen Lastverzicht die am besten geeigneten genutzt.

Bei der Interpretation der Preisverläufe sollte bedacht wer-den, dass die Szenarien entwickelt wurden, um die Effekte von Lastflexibilität illustrativ zu isolieren. Deshalb wurde eine Vielzahl anderer Flexibilitätsoptionen nicht einbezo-gen. Connect (2014) liefert eine Übersicht der großen Anzahl an verfügbaren Flexibilitätsoptionen. Aus dieser Vielfalt sollte insbesondere der Binnenmarkt hervorgehoben wer-den, da er die größte Bandbreite an Flexibilität zu sehr ge-ringen Kosten liefert. Würden mehr Optionen in der Mo-dellierung zugelassen, würde sich der Wettbewerb weiter verstärken. Die Kosten würden umso stärker sinken, je mehr Flexibilitätsoptionen zugelassen werden. Die Preise würden entsprechend deutlich kontinuierlicher verlaufen. Das gilt für das Modell, wie auch für die Realität.

→ Wie verändert sich die optimale Menge an Lastma­nagement bei einem steigenden Anteil Erneuerbarer Energien?

Die Transformation des Stromsystems zeichnet sich un-ter anderem durch einen steigenden Anteil Erneuerbarer Energien aus. Daher gehen wir in diesem Abschnitt auf die Wirkung von Lastflexibilität bei verschiedenen Anteilen Erneuerbarer Energien ein. Der Ausbau Erneuerbarer Ener-gien geht mit einer zunehmend volatilen Residuallast ein-her. Je stärker die Residuallast schwankt, desto höher ist der Wert flexibler Verbraucher. Um diesen Effekt zu illustrie-ren, betrachten wir Sensitivitätsszenarien mit einem Anteil Erneuerbarer Energien in Höhe von 25 Prozent beziehungs-weise 75 Prozent. Diese Analyse illustriert, wie sich ein steigender Anteil von Wind- und Solarenergie auf die Rolle flexibler Lasten auswirkt.

Abbildung 8 zeigt, wie sich die optimale flexible Leistung in den drei Varianten des Szenarios „Wettbewerb“ bei unter-schiedlichen Anteilen Erneuerbarer Energien entwickelt.

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Agora Energiewende | Aktionsplan Lastmanagement

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→ Wie wirkt sich eine Veränderung des angenomme­nen Potenzials flexibler Verbraucher aus?

Wie bereits in Abschnitt 2.3.1 erläutert, besteht eine Band-breite an möglichen Annahmen zum Potenzial flexibler Verbraucher. Um den Effekt des verfügbaren Potenzials auf den vom Modell berechneten optimalen Zustand des Ver-sorgungssystems zu betrachten, wird im Rahmen der Ana-lyse die Annahme über das verfügbare Potenzial variiert. Von besonderem Interesse ist dabei, wie sich die Menge des genutzten Potenzials an Lastflexibilität ändert und wel-che Wirkung auf die Großhandelspreise damit einhergeht. Zusätzlich untersuchen wir, wie sich die Menge des strom-preisbedingt abgeregelten Stroms aus erneuerbaren Er-zeugungsanlagen anpasst und wie sich der entsprechende Marktwert des erneuerbaren Stroms verändert.

Wie bereits diskutiert, wurden für das Basisszenario „Wettbewerb“ konservative Annahmen zum nutzbaren Po-tenzial an Lastflexibilität angesetzt, um eine Überschätzung der Effekte im Rahmen der Modellierung zu vermeiden. Wir

In dem illustrativen Vergleich steigt die optimale Leis-tung des freiwilligen Lastverzichts von 2,2 GW bei 25 Pro-zent Erneuerbaren Energien auf 3,8 GW in einem System mit 75 Prozent Erneuerbaren Energien. Die Leistung der Lastverschiebung erhöht sich gleichzeitig von 1,8 GW auf 2,0 GW. Beide Arten der Lastflexibilität führen zusammen zu einem Anstieg der Leistung von 4 GW im 25 Prozent-Szenario auf 5,8 GW in einem System mit 75 Prozent Er-neuerbaren Energien. Die in Abbildung 4 und Abbildung 5 dargestellten Potenziale flexibler Lasten werden somit selbst im 75 Prozent-Szenario nur in einem vergleichsweise ge-ringen Umfang genutzt. Abbildung 8 veranschaulicht zu-dem, dass sich neben der Lastflexibilität auch die Leistung von Netzersatzanlagen anpasst. Während deren Nutzung in den bisher betrachteten Szenarien unverändert blieb, steigt sie hier von 3,3 GW im Szenario mit 25 Prozent Erneuerba-ren Energien auf 4,5 GW sowohl im 50 Prozent- als auch im 75 Prozent-Szenario.

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Leistungsmix von Spitzenlast­Technologien und Systemkostenvergleich bei unterschiedlichen EE­Anteilen Abbildung 8

Eigene Berechungen, *Dargestellt wird nur der Spitzenlastbereich, hier ab 72 GW

25% EE 50% EE 75% EE

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Gasturbinen

Netzersatz-anlagen

Lastver-schiebung

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System-kosten (skaliert)

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Verbraucher unterschiedlich schnell an. Deshalb wird Last-flexibilität im optimalen Leistungsmix der drei Szenarien in jeweils anderem Umfang eingesetzt. Ist wie im Szenario „Hemmnis“ lediglich ein eingeschränktes Potenzial verfüg-bar, sinkt die Nutzung des Lastverzichts auf 2,5 GW. Sowohl im konservativen Szenario als auch im Sensitivitätsszenario „Optimierung“ wird Lastverzicht in Höhe von rund 2,9 GW eingesetzt. Bei der Lastverschiebung steigt die Nutzung da-gegen mit der Ausweitung des Potenzials weiter an. Im Sen-sitivitätsszenario „Hemmnis“ werden knapp 1,3 GW genutzt, im konservativen Szenario 2,0 GW und im Sensitivitätssze-nario „Optimierung“ 3,0 GW.

Der je nach Szenario unterschiedliche Einsatz von Lastfle-xibilität spiegelt sich auch im Verlauf des Strompreises wi-der. Dementsprechend unterscheiden sich die in Abbildung 10 dargestellten Preisdauerlinien. Ein ausgeweitetes Poten-zial an Lastflexibilität führt zu häufigeren und dafür nied-rigeren Preisspitzen. Auch mit dieser Preisstruktur können im Gleichgewicht neue Erzeugungstechnologien finanziert werden.

gehen davon aus, dass das langfristig erschließbare Poten-zial im Vergleich zur konservativen Modellannahme signi-fikant größer ausfällt. Da mit der Annahme Unsicherheiten verbunden sind, variieren wir das angenommene Potenzial wie in Abschnitt 2.3.2 bereits erläutert: Das Sensitivitäts-szenario „Hemmnis“ geht von einem um 50 Prozent ein-geschränkten Potenzial aus, während das Sensitivitäts-szenario „Optimierung“ ein um 50 Prozent ausgeweitetes Potenzial annimmt.

Wie die bisherigen Ergebnisse erwarten lassen, sollte ein aufgrund des geringeren Potenzials an Lastflexibilität ge-ringerer Wettbewerb in der Tendenz zu höheren Kosten führen. Dieser Effekt ist in Abbildung 9 zu erkennen. Wird das nutzbare Potenzial dagegen ausgeweitet, sind mehr kos-tengünstige Flexibilitätsoptionen verfügbar (vgl. Abbildung 4 und Abbildung 5), dementsprechend sinken die System-kosten bei höherem Potenzial.

Je nach Höhe des verfügbaren Potenzials an Lastflexibilität steigen die angenommenen Opportunitätskosten flexibler

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)Leistungsmix von Spitzenlast­Technologien und Systemkostenvergleich bei unterschiedlichen verfügbaren Potenzialen fl exibler Lasten Abbildung 9

Eigene Berechungen, *Dargestellt wird nur der Spitzenlastbereich, hier ab 75 GW

Hemmnis Konservativ Optimierung

Braunkohle

Gas-und-Dampf-Kraftwerk

Steinkohle

Gasturbinen

Netzersatz-anlagen

Lastver-schiebung

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System-kosten (skaliert)

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In der Realität ist neben Lastmanagement eine große Band-breite an Flexibilitätsoptionen verfügbar, die gemeinsam zu diesem Effekt beitragen können. Wenn eine Vielzahl dieser Optionen aktiviert wird, sollten die zur Vollkostendeckung nötigen Preisspitzen in der Realität deutlich geringer aus-fallen, als in dieser vereinfachten Untersuchung zur isolier-ten Wirkung von Lastflexibilität.

Lastflexibilität kann sich nicht nur günstig auf die Sys-temkosten auswirken und die Refinanzierung von Erzeu-gungsanlagen erleichtern. Flexible Verbraucher leisten auch einen Beitrag zur Integration Erneuerbarer Energien. So müssen in einem flexibleren Versorgungssystem erneuer-bare Erzeugungsanlagen tendenziell seltener strompreisbe-dingt abgeregelt werden, d. h. es können größere Mengen an Wind- und Solarstrom integriert werden. Dies stabilisiert den Marktwert Erneuerbarer Energien. Abbildung 11 stellt die Effekte auf die Abregelung und den Marktwert für die drei Szenarien mit unterschiedlichen Annahmen über das verfügbare Potenzial flexibler Lasten dar.

Ein verringertes angenommenes Potenzial wirkt in Bezug auf die Preisstruktur in die entgegengesetzte Richtung, so-dass die Preisspitzen seltener, aber in größerer Höhe auf-treten. Bei der Interpretation der Ergebnisse sollte allerdings bedacht werden, dass für diese Analyse Lastflexibilität als einzige Flexibilitätsoption neben erzeugungsseitigen Spit-zenlasttechnologien zur Verfügung steht. Würden weiterer Flexibilitätsoptionen betrachtet, verliefen die Preisdauerli-nien niedriger und gleichmäßiger als hier dargestellt.

Die maximale Preisspitze im konservativen Szenario liegt bei 1.060 Euro/MWh. Im Sensitivitätsszenario „Hemmnis“ beträgt die maximale Preisspitze rund 1.900 Euro/MWh, im Sensitivitätsszenario „Optimierung“ dagegen rund 840 Euro/MWh. Die jeweilige Mischung aus Höhe und Häufig-keit der Preisspitzen führt in allen Szenarien dazu, dass die eingesetzten Technologien ihre Vollkosten decken können. In dieser vereinfachten Analyse kann die Vollkostende-ckung bei höheren Lastflexibilitätspotenzialen zu niedrige-ren Preisspitzen erreicht werden.

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Preisdauerlinien bei unterschiedlichen verfügbaren Potenzialen fl exibler Lasten Abbildung 10

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ten decken, weil insbesondere flexible Verbraucher die da-für nötigen Preissignale setzen.

Außerdem müssen in einem entsprechend flexibleren Ver-sorgungssystem erneuerbare Erzeugungsanlagen selte-ner strompreisbedingt abgeregelt werden. Die veränderte Preisstruktur wirkt sich zudem positiv auf den Marktwert von Wind- und Solarstrom aus. Die Analyse verdeutlicht, dass der Nutzen von Lastflexibilität mit einem zunehmen-den Anteil Erneuerbarer Energien ansteigt und flexible Ver-braucher entscheidend zur Integration Erneuerbarer Ener-gien beitragen.

Diese Vorteile zeigen, dass es sich lohnt, im Rahmen des Transformationsprozesses der Energiewende Hemm-nisse für die Teilnahme von flexiblen Verbrauchern an den Strommärkten zu reduzieren, um ihre Erschließung zu er-möglichen. Das folgende Kapitel erläutert, wie unterschied-liche Aspekte des Markt- und Regulierungsdesigns bislang Lastflexibilität behindern und macht Vorschläge, wie diese Hemmnisse schrittweise abgebaut werden können.Die Ergebnisse bestätigen die beschriebenen Effekte von

Lastflexibilität auf die Integration Erneuerbarer Energien. Um Missverständnisse zu vermeiden, sei nochmal darauf hingewiesen, dass hier lediglich die Richtung des Effekts interpretiert werden kann. Die absoluten Größenordnungen sind aufgrund des verwendeten vereinfachten Modellan-satzes nicht auf die Realität übertragbar. Trotzdem wird die bereits erläuterte zunehmende Bedeutung flexibler Ver-braucher in einem Versorgungssystem mit einem hohen Anteil Erneuerbarer Energien deutlich.

2.4 Zwischenfazit

Durch freiwilligen Lastverzicht oder Lastverschiebung kön-nen Verbraucher gerade bei einem steigenden Anteil Erneu-erbarer Energien einen wertvollen Beitrag für eine sichere und kostengünstige Versorgung leisten. Die hier dargestell-ten Ergebnisse veranschaulichen die idealtypische Wir-kung von Lastflexibilität auf das Stromversorgungssystem. Die Analyse illustriert eine Reihe positiver Effekte: Nehmen flexible Verbraucher stärker am Strommarkt teil, ändert sich der eingesetzte Technologiemix und damit auch der Verlauf des Strompreises. So können alle Technologien ihre Vollkos-

Eigene Berechnungen

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Skalierte Darstellung der Abregelung und des Marktwert erneuerbarer Energien bei unterschiedlichen verfügbaren Potenzialen fl exibler Lasten Abbildung 11

MarktwertAbregelung

Hemmnis Konservativ Optimierung

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Agora Energiewende | Aktionsplan Lastmanagement

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Studie | Aktionsplan Lastmanagement

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folglich eine zentrale Funktion bei der Ermittlung des opti-malen Leistungs- und Erzeugungsmixes. Aus diesem Grund sollte der Einsatz flexibler Verbraucher in wettbewerblichen Märkten immer auf Grundlage freiwilliger, präferenzba-sierter Entscheidungen und nicht regulatorisch gesteuert erfolgen.

Die in Abbildung 3 dargestellten Gebotskurven geben bereits Hinweise darauf, dass Verbraucher zurzeit aktiv am Spot-markt teilnehmen. Die Ausgestaltung der Day-Ahead- und Intraday-Märkte bietet dafür die grundsätzlichen Voraus-setzungen. Die Produktdefinition von einer Stunde bezie-hungsweise von einer Viertelstunde ermöglicht auch denje-nigen flexiblen Lasten eine Teilnahme, die ihre Leistung nur über einen relativ kurzen Zeitraum auf einem konstanten Niveau halten beziehungsweise reduzieren können. Auch die täglichen Auktionen und der kontinuierliche Intraday-Handel erleichtern die Teilnahme flexibler Verbraucher, weil kurze zeitliche Abstände zwischen Handel und Liefe-rung die Unsicherheit über die Verfügbarkeit zum Liefer-zeitpunkt reduzieren. Da diese Marktregeln von den Börsen festgelegt werden, können sie weiter angepasst werden, wenn sich die Anforderungen der Marktteilnehmer an die gehandelten Produkte verändern.

→ Bilanzkreismanagement

Für die Nachfrage nach flexiblen Lasten spielt auch das Bilanzkreissystem eine wichtige Rolle (vgl. Abschnitt 3.3). Die für das Management der Bilanzkreise verantwortlichen Marktteilnehmer sind dazu verpflichtet, für den kurzfris-tigen Ausgleich von Abweichungen von der geplanten Last und Erzeugung zu sorgen. Die Bilanzkreisverantwortlichen (BKV) sollen dazu beitragen, dass Angebot und Nachfrage jederzeit ausgeglichen sind und das System sicher betrie-ben werden kann. Wenn die wirtschaftlichen Anreize zu aktivem Bilanzkreismanagement ausreichend stark sind, betreiben die BKV individuelle Leistungsvorsorge und ma-

Die bisherigen Analysen haben gezeigt, dass flexible Ver-braucher über Lastverschiebung und freiwilligen Last-verzicht einen wertvollen Beitrag im Stromsystem leisten können. Im Folgenden beschäftigen wir uns genauer mit den möglichen Einsatzgebieten flexibler Lasten, sowie mit Hemmnissen im Markt- und Regulierungsdesign, die ihrem Einsatz im Wege stehen können. Anhand besonders rele-vanter Hemmnisse zeigen wir, wie durch Weiterentwick-lungen des Markt- und Regulierungsdesigns die Erschlie-ßung flexibler Lasten erleichtert werden kann.

3.1 Einsatzgebiete für flexible Lasten

Flexible Lasten können das Stromsystem in verschiede-nen Bereichen unterstützen. In diesem Abschnitt zeigen wir sowohl Einsatzmöglichkeiten im Strommarkt als auch im Markt für Systemdienstleistungen auf.

3.1.1 Strommarkt und BilanzkreismanagementIm Strommarkt spielen flexible Lasten eine wichtige Rolle, da sie den Ausgleich von Angebot und Nachfrage sicherstel-len und zu einer präferenzbasierten Markträumung beitra-gen können.

→ Strommarkt

Die Gebots- und Einsatzentscheidung flexibler Lasten am Strommarkt erfolgt auf Basis ihrer Opportunitätskosten (vgl. Abschnitt 2.2). Sie sind somit als eine Spitzenlasttech-nologie einzuordnen. Wenn ein flexibler Verbraucher das letzte zur Markträumung benötigte Gebot stellt, spiegeln sich seine Opportunitätskosten unmittelbar im Strompreis wider. Diese Preise liegen in der Regel über den Grenzkosten konventioneller Erzeugungstechnologien und leisten einen Beitrag zur Fixkostendeckung aller inframarginalen An-bieter. Gleichzeitig sind die Preise ein Signal für den Bedarf nach Flexibilität, sodass sie den Wettbewerb der Flexibi-litätsoptionen unterstützen. Flexible Lasten übernehmen

3 Hemmnisse im Markt­ und Regulierungsdesign und notwendige Anpassungen

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heterogene Gruppe bilden, führen die Vorgaben zwangsläu-fig dazu, dass potenzielle Marktteilnehmer ausgeschlossen werden. Die Trennung von Leistung und Arbeit ist dennoch auf den Regelreservemärkten notwendig, um die System-sicherheit zu gewährleisten. Außerhalb des regulierten Be-reichs sollte sie dagegen vermieden werden, um Verzerrun-gen aufgrund der Produktausgestaltung zu vermeiden.

→ Systemdienstleistungen

Flexible Lasten können von den ÜNB auch für andere Sys-temdienstleistungen herangezogen werden. Beispielsweise können flexible Lasten zur Behebung von Engpässen im Stromnetz eingesetzt werden. In §13 (1) Satz 2 EnWG ist dazu sowohl der Einsatz zu- als auch abschaltbarer Lasten auf Basis vertraglicher Vereinbarungen vorgesehen. Zurzeit beschaffen die ÜNB abschaltbare Lasten über ein Aus-schreibungsverfahren nach Maßgabe von §13 (4a) EnWG. Die Details zur Beschaffung und zum Einsatz abschaltbarer Lasten sind durch die Verordnung zu abschaltbaren Lasten (AbLaV) geregelt. Das Ziel der Verordnung ist es, zusätzlich zu den an den Spot- und Regelreservemärkten aktiven fle-xiblen Verbrauchern weitere Potenziale zu erschließen, auf die die ÜNB „im Falle einer Gefährdung der Versorgungssi-cherheit in der Netzbetriebsführung“ (Deutscher Bundestag, 2012, S. 10) zugreifen können.

Die AbLaV sieht vor, dass die ÜNB stromintensive Verbrau-cher mit einer Gesamtleistung von insgesamt 3.000 MW kontrahieren. Die Ausschreibung der Leistung erfolgt dabei monatlich getrennt nach zwei Produkten à 1.500 MW. Die Produktdefinitionen unterscheiden zwischen sofort ab-schaltbaren Lasten (SOL) und schnell abschaltbaren Lasten (SNL). Während SOL bei einem Abruf nach maximal einer Sekunde reagieren müssen, erfolgt die Aktivierung der SNL innerhalb von 15 Minuten nach dem Abruf.

Zugelassen sind Gebote ab einer Größe von 50 MW. Die Ver-gütung ist ähnlich wie bei der Regelreserve nach Leistungs- und Arbeitspreis getrennt. Dabei ist der Leistungspreis in Höhe von 2.500 Euro pro Monat fest vorgegeben, die An-bieter spezifizieren lediglich ihren Arbeitspreis. Auch da-

nagen die Risiken einer Fahrplanabweichung mithilfe eines geeigneten Portfolios aus flexiblen Lasten und flexiblen Er-zeugern.

3.1.2 regelleistung und andere Systemdienst-leistungen

Neben den Strommärkten können flexible Lasten als Anbie-ter von Regelleistung und anderen Systemdienstleistungen auftreten.

→ Einsatz im Regelreservemarkt

Flexible Verbraucher können ihre Last für die Erbringung positiver Regelenergie absenken oder für die Erbringung negativer Regelenergie erhöhen. Die Voraussetzung dafür ist, dass sie zum Zeitpunkt des Abrufs bereits Strom ver-brauchen (positive Reserve) beziehungsweise ihren Ver-brauch weiter erhöhen können (negative Reserve). Um diese Verfügbarkeit zum Zeitpunkt eines Abrufs sicherzu-stellen, wird an den Regelreservemärkten nicht nur Ener-gie beschafft und vergütet, sondern auch Leistung. Flexible Verbraucher und andere Marktteilnehmer müssen dem-entsprechend über den Zeitraum, in dem sie Regelleistung bereitstellen, ihren Verbrauch beziehungsweise ihre Er-zeugung innerhalb eines gegebenen Bereichs stabil halten. Durch diese Leistungsvorhaltung entstehen zusätzliche Opportunitätskosten, die die Marktteilnehmer in ihren Ge-boten berücksichtigen.

Die Beschaffung von Regelleistung wird von den Übertra-gungsnetzbetreibern (ÜNB) über eine Auktion organisiert, die regulatorischen Vorgaben folgt. Zu diesen Vorgaben zäh-len unter anderem die Vorlaufzeit und die Häufigkeit der Auktion, sowie die Produktdefinitionen. Die Produktdefi-nitionen legen unter anderem fest, wie lang der Zeitraum ist, für den die Leistung bereitgestellt werden muss. Im Vergleich zu den Spotmärkten sind die Freiheitsgrade bei der Gestaltung dieser Vorgaben aufgrund der Anforderun-gen an die Systemsicherheit und aufgrund der regulatori-schen Prozesse eingeschränkt. Die Vorgaben haben jedoch einen maßgeblichen Einfluss darauf, ob beziehungsweise zu welchen Kosten flexible Lasten aktiv am Markt teilneh-men können (vgl. Abschnitt 3.4). Da Verbraucher eine sehr

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wenn ein Mitglied seines BK über einen Dritten Minuten-reserve anbietet (§26 (3) StromNZV). Durch diese bilateralen Vereinbarungen kann den individuellen Risiken der Ak-teure Rechnung getragen werden. In Übereinstimmung mit diesen Überlegungen sollte weder die Vermarktung kleiner dezentraler Erzeugungsanlagen durch Dritte, noch die Ver-marktung flexibler Lasten durch Aggregatoren dazu führen, dass sich die Risiken der BKV einseitig erhöhen. Dies ver-langt der Grundsatz der Gleichbehandlung von Angebot und Nachfrage.

Eine solche einseitige Verlagerung von Risiken könnte dazu führen, dass die Anreize im Bilanzkreissystem verzerrt werden und sich die zusätzlichen Risiken negativ auf den Vertriebswettbewerb auswirken. Das wäre vor dem Hin-tergrund der Weiterentwicklung des Strommarktes beson-ders kritisch, da den BKV die zentrale Verantwortung für den Ausgleich von Angebot und Nachfrage obliegt. Jegliche Verzerrungen, die die Rolle der BKV beeinträchtigen, sollten demnach vermieden werden.

3.2 Bedeutung und Kategorien von Hemmnissen

Es gibt vielfältige Möglichkeiten für flexible Verbraucher, zu einem kostengünstigen und sicheren Stromsystem beizu-tragen. Aus diesem Grund sollten keine unnötigen Hemm-nisse für Lastmanagement bestehen. Hemmnisse können insbesondere dann auftreten, wenn das Markt- und Regu-lierungsdesign zu einer Verzerrung des Wettbewerbs führt, oder wenn die Anreize für Verbraucher nicht systemdien-lich sind. In diesem Abschnitt erläutern wir zunächst all-gemein die Wirkungsweise von Hemmnissen und geben dann einen ersten Überblick über verschiedene bestehende Hemmnisse und mögliche Lösungsansätze.

3.2.1 Wirkungsweise von HemmnissenHäufig behindern verzerrte Preissignale beziehungsweise Anreize die marktdienliche Nutzung flexibler Lasten. Diese Verzerrungen können beispielsweise auftreten, wenn admi-nistrative Preisbestandteile die Wirkung des Großhandels-preissignals abschwächen, sodass sich das Verbrauchsver-halten weniger an der aktuellen Marktsituation orientiert.

bei sind Preisgrenzen von mindestens 100 Euro/MWh und maximal 400 Euro/MWh vorgesehen.

Weitere Regeln der AbLaV sollen verhindern, dass der Ein-satz flexibler Lasten im Rahmen der AbLaV ihre Teilnahme an den Spot- und Regelreservemärkten behindert. So wird die Verpflichtung zur Verfügbarkeit für Abrufe im Rahmen der AbLaV gelockert, wenn der Strompreis am Großhan-delsmarkt den Arbeitspreis des Verbrauchers übersteigt oder der Verbraucher positive Regelleistung bereitstellt. Die Erschließung flexibler Lasten soll folglich weiterhin vor-rangig über die Spot- und Regelreservemärkte erfolgen. Im Folgenden konzentrieren wir unsere Ausführungen deshalb auf die Rolle flexibler Lasten an den Spot- und Regelreser-vemärkten und auf den Abbau entsprechender Hemmnisse. Im Rahmen der in §17 AbLaV vorgesehenen Überprüfung der AbLaV durch die Bundesnetzagentur (BNetzA) sowie nach Ablauf der dreijährigen Geltungsfrist der AbLaV sollte untersucht werden, ob auch nach einem erfolgreichen Ab-bau der Hemmnisse weiterhin Bedarf zu einer gesonderten Kontrahierung flexibler Verbraucher besteht.

3.1.3 marktzugangAlle Verbraucher sind Bilanzkreisen zugeordnet, in denen sie wie bereits beschrieben eine wichtige Rolle bei der indi-viduellen Leistungsvorsorge einnehmen können. Die Ent-scheidung der Verbraucher, in welchem der oben genannten Einsatzbereiche sie aktiv werden, ist davon zunächst unbe-rührt. Dennoch sollte eindeutig geklärt sein, welche Rechte und Pflichten die Verbraucher sowie etwaige Dritte, die die Vermarktung der flexiblen Lasten übernehmen (sogenannte Aggregatoren), gegenüber dem Bilanzkreis haben.

Der Grund dafür ist, dass die Bilanzkreisverantwortlichen (BKV) einen wichtigen Beitrag zur Aufrechterhaltung der Systemsicherheit leisten, indem sie Angebot und Nachfrage ausgleichen. Mit dieser Verpflichtung gehen aber auch fi-nanzielle Chancen und Risiken einher, die die BKV nach ei-genem Ermessen durch die Vorhaltung flexibler Lasten oder flexibler Erzeuger managen können.

In den Bilanzkreisverträgen kann ein angemessenes Entgelt einvernehmlich vereinbart werden, das dem BKV zusteht,

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die kostengünstigsten Marktteilnehmer wie zum Beispiel flexible Verbraucher durchsetzen.

3.2.2 Übersicht relevanter Hemmnisse für flexible Lasten

Verschiedene Bereiche des derzeitigen Markt- und Re-gulierungsdesigns wurden ursprünglich für ein überwie-gend thermisch geprägtes System entwickelt. Es bestehen deshalb mehrere Ansatzpunkte für eine Weiterentwicklung des Marktdesigns, die den Flexibilitätsanforderungen eines Systems mit steigenden Anteilen Erneuerbarer Energien besser gerecht werden und die Marktteilnahme flexibler Verbraucher ermöglicht. Im Folgenden geben wir eine kurze Übersicht über Hemmnisse, die besonders relevant für die Flexibilisierung der Nachfrageseite sind. Dabei zeigen wir auch auf, wie sie auf die oben genannten Einsatzgebiete fle-xibler Lasten wirken.

→ Bilanzkreismanagement

Im Rahmen des Bilanzkreismanagements sorgen die ver-antwortlichen Marktteilnehmer für einen Ausgleich von Erzeugung und Last. In diesem Zuge tätigen sie Ausgleichs-geschäfte und schaffen eine Nachfrage nach Flexibilität. Diese Flexibilität kann auch von Verbrauchern bereitgestellt werden, die so den Ausgleich von Angebot und Nachfrage erleichtern. Die wirtschaftlichen Anreize für aktives Bilanz-kreismanagement sind derzeit jedoch zu schwach, da sie nicht alle Kosten internalisieren, die auf unausgeglichene Bilanzkreise zurückzuführen sind. Zudem ist die aktuelle Anreizstruktur nicht in allen Bereichen effizient gestaltet. Somit können auch die Anreize für den Abschluss flexibler Vertriebsverträge zu gering sein, die für die Nutzung flexib-ler Lasten notwendig sind.

Wirkung des Hemmnisses auf den Strommarkt: Durch die zu geringen Anreize werden die Bilanzkreisverantwortlichen nicht ausreichend am Strommarkt aktiv beziehungsweise schließen zu wenige Absicherungsgeschäfte zum Beispiel mit flexiblen Verbrauchern ab. Der tatsächliche Bedarf nach Flexibilität wird nicht in den Preisen sichtbar, als Folge werden zu wenig nachfrageseitige Flexibilitätsoptionen über den Strommarkt angereizt.

Weitere Verzerrungen entstehen, wenn Opportunitätskos-ten nicht adäquat über Preise abgebildet werden. Ein mög-licher Grund dafür ist eine unzureichende Synchronisation der Handelsabläufe auf verschiedenen Teilmärkten, die die Nutzung von Arbitragemöglichkeiten erschwert. Verzerrte Preissignale können dazu führen, dass der Bedarf nach Flexibilität in den verschiedenen Marktsegmenten nicht ausreichend sichtbar wird. Das führt nicht nur zu einer unzureichenden Erschließung flexibler Lasten, sondern er-schwert auch die Refinanzierung bestehender Kapazitäten. Eine mögliche Konsequenz daraus ist ein suboptimaler und damit unnötig teurer Flexibilitätsmix.

Verzerrte Preissignale können also den Wettbewerb an den Märkten schwächen. Dieser Effekt wird verstärkt, wenn andere Elemente des Markt- und Regulierungsdesigns als explizite oder implizite Markteintrittsbarrieren für flexi-ble Verbraucher und andere Flexibilitätsoptionen wirken. Explizite Markteintrittsbarrieren sind häufig an die tech-nischen Eigenschaften von Marktteilnehmern geknüpft. Sie kommen in der Regel im regulierten Bereich des Stromsys-tems vor, in dem beispielsweise die Erbringung von Sys-temdienstleistungen an technische Voraussetzungen ge-knüpft ist. Sie können mehr oder weniger optimal gestaltet, aber nicht vollständig abgeschafft werden.

Implizite Markteintrittsbarrieren können sich dagegen aus Ausschreibungs- und Produktdesigns ergeben. Wenn bei-spielsweise ein Produkt einen unnötig langen Erbringungs-zeitraum abdeckt, ergeben sich daraus höhere Anforderung an die Verfügbarkeit der Anbieter und an die Stabilität der Bereitstellung, als für den originären Zweck nötig sind. Dies erhöht für alle potenziellen Anbieter die Kosten der Regel-leistungsvorhaltung und kann dementsprechend zu Hemm-nissen führen. Zudem sind die Zusatzkosten für flexible Lasten in der Regel höher als für konventionelle Anbieter. Implizite Markteintrittsbarrieren können so den Wettbe-werb verzerren und den Anbieterkreis unnötig verkleinern.

Das Ziel sollte es deshalb sein, die Hemmnisse so weit wie möglich abzubauen. Wenn alle unnötigen Hemmnisse im Markt- und Regulierungsdesign beseitigt sind, kann der Strommarkt ein Level-Playing-Field bilden, auf dem sich

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der Einsatz flexibler Lasten vom Strompreissignal entkop-pelt werden, sodass die Flexibilitätspotenziale innerhalb der bestehenden Netzinfrastruktur nicht optimal genutzt wer-den. Besonders relevant für diese Verzerrung sind Ausnah-metatbestände, die reduzierte Netzentgelte bei einem spezi-fischen Verbrauchsverhalten vorsehen.

Wirkung des Hemmnisses auf den Strommarkt: In Situati-onen mit niedrigen Strompreisen erhöhen flexible Lasten nicht ihren Verbrauch, wenn dadurch ihre Netzentgelte zu stark steigen. Die gleiche Logik gilt in Situationen mit hohen Strompreisen, in denen flexible Verbraucher ihre Last nicht reduzieren. Im Ergebnis steigen durch dieses Verhalten die Systemkosten, die Integration Erneuerbarer Energien wird erschwert.

Wirkung des Hemmnisses auf den Regelreservemarkt: Auch die Bereitstellung von Regelleistung durch flexible Verbrau-cher kann durch die Netzentgeltstruktur gehemmt wer-den. Wenn der Abruf von Regelleistung zur Bewertung des Verbrauchsverhaltens herangezogen wird, können sich die Netzentgelte der Verbraucher erhöhen. Dadurch wird die Teilnahme flexibler Verbraucher an den Regelreservemärk-ten gehemmt, sodass die Kosten und der thermische Must-Run-Sockel steigen.

→ Weitere administrative Preisbestandteile

Abgaben, Umlagen und weitere Entgelte beeinflussen wie die Netzentgelte die Strombezugskosten der Verbraucher und damit ihr Verbrauchs- und Flexibilitätsverhalten. Auch durch diese administrativen Preisbestandteile kann es zu Verzerrungen des marktseitigen Preissignals kommen. Das gilt insbesondere an den Grenzen zu Sektoren, in denen Strom ein Substitut für den Einsatz fossiler Energieträger darstellt.

Wirkung des Hemmnisses auf den Strommarkt: In Situatio-nen mit einer hohen Erzeugung aus Erneuerbaren Energien und entsprechend niedrigen Preisen, verzichten Verbrau-cher auf den Strombezug über den Markt, wenn die Wär-meerzeugung aus fossilen Energieträgern aufgrund der Befreiung weiterhin günstiger ist. Folglich wird die Er-

Wirkung des Hemmnisses auf den Regelreservemarkt: Die ineffizient niedrigen Anreize zum Abschluss von Aus-gleichsgeschäften führen dazu, dass unnötig oft Regelener-gie eingesetzt werden muss, um Erzeugung und Verbrauch auszugleichen. Dementsprechend steigen die Kosten der Regelleistungsvorhaltung und des Einsatzes von Regelener-gie. Hier könnten flexible Verbraucher im Rahmen kurzfris-tiger Ausgleichsgeschäfte die Systemkosten senken.

→ Regelreserve

Die Beschaffung von Regelreserve dient der Systemsicher-heit und fällt damit in den regulierten Bereich des Strom-systems. Dementsprechend werden die Rahmenbedingun-gen des Regelreservemarktes regulatorisch festgelegt. Die Ausschreibungen und die Produkte sind jedoch derzeit so gestaltet, dass flexiblen Lasten die Teilnahme an den Märk-ten unnötig erschwert wird.

Wirkung des Hemmnisses auf den Regelreservemarkt: Das Markt- und Produktdesign der Regelreservemärkte führt zu einer Wettbewerbsverzerrung zum Nachteil flexibler Verbraucher. Insbesondere bei einem weiter ansteigenden Flexibilitätsbedarf des Stromsystems können die impliziten Markteintrittsbarrieren für flexible Verbraucher zu unnötig hohen Kosten führen.

Wirkung des Hemmnisses auf den Strommarkt: Die unter-schiedliche zeitliche Taktung von Spot- und Regelreser-vemärkten führt dazu, dass die Opportunitätskosten der Bereitstellung von Regelleistung nicht angemessen abgebil-det werden. Dadurch werden in allen Marktsegmenten die Preissignale verzerrt und flexible Verbraucher verteilen ih-ren Einsatz ineffizient auf die Teilmärkte.

→ Netznutzungsentgelte

Die Netznutzungsentgelte beeinflussen die Strombezugs-kosten der Verbraucher und damit die wirtschaftlichen Anreize für ihr Verbrauchs- und Flexibilitätsverhalten. Die derzeitige Netzentgeltsystematik führt zu Anreizen, die in einigen Situationen den vom Großhandelspreis ausgehen-den marktseitigen Anreizen widersprechen. Dadurch kann

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3.3 Bilanzkreismanagement

Für die Erschließung nachfrageseitiger Flexibilitätspotenzi-ale ist das Bilanzkreismanagement von besonderer Bedeu-tung. Bilanzkreise übernehmen im Stromsystem eine zen-trale Rolle beim Ausgleich von Angebot und Nachfrage. Um diese Rolle zu erfüllen, treten sie als Nachfrager von Flexibi-lität auf und tragen so dazu bei, dass Lastflexibilität akti-viert wird. Dies geschieht unter anderem über Ausgleichs-geschäfte und flexible Vertriebsverträge. In diesem Kapitel diskutieren wir, wie die Anreize für Bilanzkreise optimiert werden können, sodass ihr Beitrag zur Flexibilisierung auf ein effizientes Niveau ansteigt.8

8 Die hier diskutierten Optionen zur Weiterentwicklung basieren auf Connect (2014) sowie auf gemeinsamen Arbeiten von Consentec GmbH, r2b energy consulting GmbH und Connect (vgl. Connect in Veröffentlichung).

schließung von Flexibilität gehemmt und die Integration Er-neuerbarer Energien erschwert.

Wirkung des Hemmnisses auf den Regelreservemarkt: Eine durch administrative Preisbestandteile verursachte Ver-zerrung am Strommarkt wirkt sich zwangsläufig auch auf den Regelreservemarkt aus, da die Preisbildung der beiden Marktsegmente über Opportunitätskosten miteinander in Beziehung steht.

Bei der Analyse der Wirkung von Abgaben und Umlagen auf das Verhalten flexibler Verbraucher und möglicher Wege zur Weiterentwicklung sind viele Interdependenzen zu beach-ten, damit keine neuen Verzerrungen geschaffen werden. In diesem Themenbereich besteht weiterer Forschungsbedarf. Im Rahmen dieser Studie konzentrieren wir uns deshalb auf die Analyse von kurzfristig umsetzbaren Möglichkeiten für Weiterentwicklungen in den Bereichen Bilanzkreismanage-ment, Regelreservemärkte und Netzentgelte.

Übersicht von Hemmnissen und Weiterentwicklungsmöglichkeiten im Bilanzkreismanagement Abbildung 12

Eigene Darstellung

Die Bilanzkreisverantwortlichen sind dazu verpflichtet, Angebot und Nachfrage durch aktives Bilanzkreismanagement auszugleichen.

Ursprung des Hemmnisses→ Anreize des Ausgleichsenergie-Mechanismus sind nicht ausreichend, um aktives Bilanzkreismanagement

in effizientem Maße anzureizen

Wirkung des Hemmnisses→ Nachfrage nach Absicherungsgeschäften mit flexiblen Verbrauchern (z.B. über flexible Vertriebsverträge) und anderen

Flexibilitätsoptionen ist ineffizient niedrig→ Bedarf flexibler Verbraucher wird nicht vollständig im Markt sichtbar

Prämissen der Weiterentwicklung→ Aktives Bilanzkreismanagement soll angereizt werden→ Wettbewerbsintensität darf nicht durch unangemessene finanzielle Risiken gefährdet werden

Vorschläge zur Weiterentwicklung→ Einpreisung der relevanten Regelreservevorhaltung → Einheitspreis für den Abruf der Minutenreserve einführen→ Nur die überwiegende Richtung des Abrufs in den Kosten der Regelenergie berücksichtigen → Verbesserung der Börsenpreisbindung

Bilanzkreismanagement

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blen Verbrauchern abgeschlossen werden. Diese Nachfrage nach Flexibilität übersetzt sich in ein Preissignal, auf das auch andere Flexibilitätsoptionen reagieren können. Mit der Flexibilisierung und mit einer Zunahme von Absicherungs-geschäften geht ein positiver Effekt auf die Versorgungssi-cherheit einher. Wie in Abschnitt 2.3.3 gezeigt, wirkt sich die Flexibilisierung auch positiv auf die Integration der Er-neuerbaren Energien aus.

Die wirtschaftlichen Anreize für aktives BK-Management werden über den Ausgleichsenergiemechanismus (AE-Me-chanismus) gesetzt. Der AE-Mechanismus legt die Kosten des Regelenergieabrufs auf die unausgeglichenen BK um. Auf diese Weise entstehen für BK, die zu einem Anstieg des NRV-Saldos beigetragen haben, zusätzliche Kosten. Für die BK, die den Saldo des NRV verringert haben, ergeben sich dagegen zusätzliche Erlöse. Dadurch haben BKV eine Mo-tivation, ihre Prognosen zu verbessern beziehungsweise Fahrplanabweichungen aktiv zu bewirtschaften.

Der AE-Mechanismus ist derzeit symmetrisch gestaltet, systemschädliches und systemdienliches Verhalten wer-den in gleicher Höhe bestraft beziehungsweise belohnt. Die Höhe der Anreize hängt vom regelzonenübergreifenden einheitlichen Bilanzausgleichsenergiepreis (reBAP) ab, der die Zahlungen beziehungsweise Einnahmen der unausge-glichenen Bilanzkreise bestimmt. Der reBAP ist das Ergeb-nis eines mehrstufigen Berechnungsverfahrens, dessen Zwischenergebnisse als Ausgleichsenergiepreis (AEP) be-zeichnet werden. In der ersten Stufe ergibt sich der AEP aus dem Quotienten der Kosten abzüglich der Erlöse des Abrufs von Sekundärre-gelreserve (SRR) und Minutenreserve (MR) im Zähler sowie dem NRV-Saldo im Nenner.

Ist der so berechnete AEP positiv und übersteigt er den Ab-solutbetrag des höchsten abgerufenen Arbeitspreises, wird der AEP auf der zweiten Stufe auf diesen Arbeitspreis be-grenzt („Kappung“). Bei einem negativen AEP wird der Ab-solutbetrag des höchsten abgerufenen Arbeitspreises mit einem negativen Vorzeichen versehen und bildet so die Un-tergrenze für den AEP.

Alle Teilnehmer des Strommarktes sind Bilanzkreisen (BK) zugeordnet. Ein BK kann aus einzelnen oder mehreren Er-zeugern, Verbrauchern und Händlern bestehen. Eine zent-rale Aufgabe des Bilanzkreisverantwortlichen (BKV) ist es, 15-minütige Fahrpläne der Erzeugung und des Verbrauchs im BK zu erstellen. Diese Fahrpläne werden jeweils um 14:30 Uhr für den Folgetag bei den Übertragungsnetzbe-treibern (ÜNB) angemeldet. Zum Zeitpunkt der Anmeldung müssen die Fahrpläne ausgeglichen sein, der Erzeugung muss also ein Verbrauch in gleicher Höhe gegenüberstehen. Nach der Fahrplananmeldung kann es jedoch dazu kom-men, dass sich aufgrund von neuen Informationen zu den Prognosen der Last und der Erneuerbaren Energien oder aufgrund von Kraftwerksausfällen Abweichungen vom ur-sprünglichen Plan ergeben. Dann ist der BKV verpflichtet, die Abweichungen zum Beispiel über den Einsatz flexibler Lasten aktiv auszugleichen und die Anpassung der Fahr-pläne dem ÜNB zu melden (vgl. BNetzA, 2013).

Dennoch sind BK zum Zeitpunkt der physischen Erfüllung in der Regel unausgeglichen, da unter anderem stochasti-sche Effekte auftreten. Die individuellen Über- und Un-terdeckungen der im Netzregelverbund (NRV) zusammen-gefassten BK gleichen sich jedoch teilweise aus. Wenn der Saldo aller Über- und Unterdeckungen im NRV trotzdem unausgeglichen ist, ruft der ÜNB Regelenergie ab, um einen Ausgleich herzustellen und so die Frequenz des Stromsys-tems stabil zu halten.

Die aktive Bewirtschaftung der Bilanzkreise ist also aus mehreren Gründen von großer Bedeutung. Zum einen kann es die Systemsicherheit erhöhen, indem Angebot und Nach-frage besser ausgeglichen werden. Dadurch kann der Ein-satz von Regelenergie vermieden werden, sodass kurzfristig weniger Kosten durch den Abruf entstehen und mittel- bis langfristig weniger Regelleistung vorgehalten werden muss, wodurch auch hier die Kosten abnehmen. Zum anderen führt aktives Bilanzkreismanagement dazu, dass der Aus-gleich von Angebot und Nachfrage verstärkt an den Strom-märkten statt über Systemdienstleistungen stattfindet. Zum Ausgleich von Fahrplanabweichungen können beispiels-weise flexible Lasten am Strommarkt kontrahiert werden, oder es können bilaterale Absicherungsgeschäfte mit flexi-

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chungen von den angemeldeten Fahrplänen stärker bewertet, wenn die vorgehaltene Regelreserve bereits zu einem hohen Grad abgerufen wird und dementsprechend „knapp“ ist.

3.3.1 Wie wirkt das Hemmnis?In einigen Punkten sind die Anreize des AE-Mechanismus dennoch in ihrer Höhe und Struktur nicht hinreichend ef-fizient, um Absicherungsgeschäfte zum Beispiel mit flexib-len Verbrauchern auszulösen. Ein wichtiger Grund dafür ist, dass die Höhe des NRV-Saldos mittel- bis langfristig einen Einfluss darauf hat, wie viel Regelleistung vorgehalten wird. Die Kosten der Vorhaltung werden also durch unausgegli-chene BK beeinflusst, aber im Gegensatz zu den Kosten des Abrufs nicht auf diese BK umgelegt. Somit wird ein signi-fikanter Teil der relevanten Kosten nicht internalisiert und die Anreize für aktives Bilanzkreismanagement, beispiels-weise durch den Abschluss flexibler Vertriebsverträge mit steuerbaren Lasten, sind zu gering. Darüber hinaus besteht auch bei der Art und Weise der Umlage der Kosten des Ab-rufs Potenzial für Effizienzsteigerungen. Das betrifft zum einen die angesetzte Kostengrundlage, die sowohl die Kosten des positiven als auch des negativen Abrufs innerhalb einer Viertelstunde berücksichtigt. Zum anderen führt die Me-thode der ersten Berechnungsstufe mitunter zu einem sehr hohen reBAP bei einem geringen NRV-Saldo. Zudem lässt die Börsenpreisbindung weiterhin Spielraum dafür, dass sich die BKV durch die Zahlung des reBAP besser stellen als durch ein entsprechendes Ausgleichsgeschäft.

Auf der dritten Stufe wird der durchschnittliche mengen-gewichtete Preis des Intraday-Marktes in der jeweiligen Stunde als Obergrenze (bei Überdeckung des NRV) bezie-hungsweise Untergrenze für den AEP (bei Unterdeckung des NRV) angesetzt.

Werden mehr als 80 Prozent der vorgehaltenen Regelleis-tung abgerufen, steigt der AEP auf der vierten Stufe zusätz-lich um mindestens 100 Euro/MWh oder auf das 1,5-fache des ursprünglich errechneten AEP.

Entstehen durch die Börsenpreisbindung (3. Stufe) oder den 1,5-Multiplikator (4. Stufe) Mehrerlöse für die ÜNB, dann werden diese mit den Kosten für die Regelleistungsvorhal-tung verrechnet. Die verbleibenden Kosten werden dann über die Netznutzungsentgelte verteilt. Die dritte und vierte Berechnungsstufe wurden im Jahr 2012 eingeführt, um die Anreize des AE-Mechanismus zu stärken (BNetzA, 2012). Die Börsenpreisbindung verhindert weitestgehend, dass sich ein BK mit einer den Saldo verstärkenden Abweichung besser-stellt, wenn er den reBAP bezahlt, statt Ausgleichsgeschäfte am Strommarkt zu tätigen. Durch den Multiplikator kann der reBAP auf das 1,5-fache des maximalen Intraday-Preises von 10.000 Euro/MWh steigen, also auf 15.000 Euro/MWh. In Kombination mit der zweiten Berechnungsstufe kann der reBAP auch deutlich über 15.000 Euro/MWh liegen, wenn die Arbeitspreise am Regelreservemarkt über diesen Be-trag hinausgehen. Durch den Multiplikator werden Abwei-

Berechnungsschritte des regelzonenübergreifenden einheitlichen Bilanzausgleichsenergiepreises Abbildung 13

Eigene Darstellung

→ AEP1: (Kosten - Erlöse der RegelenergiePOS+NEG)/SaldoNRV (Grundlage der Berechnung)

→ AEP2: Begrenzung auf größten abgerufenen Arbeitspreis (Begrenzung der Preise)

→ AEP3: Min/Max aus mittlerem Preis des Intraday-Stundenhandels (Börsenpreisbindung)

→ AEP4: Zu-/Abschlag bei 80 Prozent Abruf der Regelleistung: Maximum aus 0,5 x AEP3 oder 100 €/MWh

→ Umgang mit Defiziten und Überschüssen: Verrechnung mit Netzentgelten

Bilanzkreismanagement: Berechnung des reBAP

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diversifizierteren Portfolios. Unerwünschte Rückwirkun-gen auf den Endkundenwettbewerb sollten deshalb gegen eine Steigerung der Effizienz der Anreize abgewogen wer-den.

Sollten die durch eine Stärkung des derzeitigen Mechanis-mus erzielten Anreize nicht ausreichen, kann eine asym-metrische Gestaltung des AE-Mechanismus geprüft wer-den. In diesem Fall sollten alle relevanten Vor- und Nachteile im Rahmen weiterer Untersuchungen gegeneinander abge-wogen werden. Im Folgenden konzentrieren wir uns auf die Optimierung der derzeitigen symmetrische Ausgestaltung, mit der bereits relevante Hemmnisse für die Erschließung nachfrageseitiger Flexibilität reduziert werden können.

3.3.3 Vorschlag zur Hemmnisbeseitigung und relevante Abwägungen

Für die Weiterentwicklung des AE-Mechanismus beste-hen mehrere Ansatzpunkte. Um die zuvor beschriebenen Hemmnisse zu beseitigen, gibt es folgende Möglichkeiten:

→ Umlage der Kosten der Regelleistungsvorhaltung → Berücksichtigung der Regelenergiekosten in überwiegen-der Abrufrichtung

→ Bestimmung der Regelenergiekosten auf Basis eines Einheitspreissystems

→ Verbesserung des Bezugspreises für die Börsenpreis-bindung

Aufgrund der Bedeutung und der Komplexität des AE-Me-chanismus ist die Umsetzung dieser Ansätze mit vielen Abwägungen verbunden. Wir weisen deshalb an gegebener Stelle auf weiteren Forschungsbedarf hin.

→ Umlage der Kosten der Regelleistungsvorhaltung

Derzeit werden über den AE-Mechanismus die Kosten des Abrufs von Sekundärregelreserve (SRR) und Minutenre-serve (MR) auf die unausgeglichenen BK umgelegt. Wie bereits erläutert, wirken sich die Über- beziehungsweise Unterdeckungen über den NRV-Saldo aber auch auf die Dimensionierung der Reservevorhaltung und somit auf die entsprechenden Kosten aus. Um den Mechanismus verur-

Wenn die wirtschaftlichen Anreize des AE-Mechanismus zu gering sind, kontrahieren die BKV nicht ausreichend flexible Verbraucher und andere Flexibilitätsoptionen zum Ausgleich von Erzeugung und Verbrauch. Dadurch wird die Nachfrage nach Flexibilität in zu geringem Maße am Strom-markt sichtbar. Da der Bedarf nach Flexibilität stattdessen durch Regelenergie gedeckt wird, setzen die Strompreise zu selten beziehungsweise zu geringe Anreize für flexible Ver-braucher. Dagegen fallen die Kosten der Vorhaltung und des Einsatzes von Regelreserve unnötig hoch aus. Dazu tragen auch die zu geringen Anreize für Prognoseverbesserungen bei. Die zu geringe Nutzung flexibler Lasten und flexibler Erzeugung kann im Ergebnis dazu führen, dass die Absiche-rung des Systems und der Versorgung mit ineffizient hohen Kosten verbunden ist.

3.3.2 prämissen der HemmnisbeseitigungAufgrund der großen Bedeutung des AE-Mechanismus für die Anreize zur Erschließung flexibler Lasten und somit für die Flexibilisierung und Absicherung des Stromsystems sollte der AE-Mechanismus so gestaltet werden, dass effizi-ente und adäquate Anreize für ein aktives BK-Management gesetzt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, sollten die Kos-ten der Regelreserve, die aufgrund eines unausgeglichenen NRV-Saldos entstehen, verursacherorientiert auf die BK verteilt werden.

Bei der Weiterentwicklung des AE-Mechanismus sollte be-achtet werden, dass stärkere Anreize die finanziellen Risi-ken der BK erhöhen, da die Volatilität der Kosten und Erlöse zunimmt. Je nach Ausgestaltung des Mechanismus können zudem die erwarteten durchschnittlichen Kosten der BK steigen, wenn das finanzielle Volumen der umgelegten Re-gelreservekosten zunimmt. Dies ist einerseits sinnvoll, um die Anreize für Absicherungsgeschäfte zum Beispiel mit fle-xiblen Lasten zu steigern. Andererseits können die Verän-derungen in der finanziellen Belastung der BK dazu führen, dass effizientere und adäquatere Anreize mit einer Verrin-gerung der Wettbewerbsintensität einhergehen. Da es für kleine BK und BK mit hoher Prognoseunsicherheit schwie-riger beziehungsweise teurer ist, ihre spezifischen Prog-nosefehler zu reduzieren, sind sie von einer Stärkung der Anreize in der Tendenz stärker betroffen als große BK mit

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Umlage der MR-Kosten geringer als bei einer gleichzeitigen Umlage der MR- und SRR-Kosten.

Die Höhe der Anreize sollte gemäß der oben genannten Prä-missen so gewählt werden, dass die Rückwirkungen auf die Wettbewerbsintensität nicht unangemessen hoch sind. Da eine Änderung des AE-Mechanismus zudem Lernprozesse auslöst, könnte eine sukzessive Verstärkung der Anreize in Betracht gezogen werden. Dadurch würde über die Zeit die Anzahl von flexiblen Vertriebsverträgen mit Verbrauchern und anderen Absicherungsgeschäften steigen.

→ Zeitliche Dimensionen der Umlage

Die Ausgestaltung der Umlage hat zudem eine zeitliche Di-mension, die sich ebenfalls auf die finanzielle Belastung der BK auswirken kann. Wird die Umlage jeweils für einen kur-zen Umlagezeitraum fixiert, können die NRV-Salden inner-halb des Zeitraums relativ gering sein, sodass hohe Kosten auf kleine Mengen umgelegt werden. Da die Umlage somit aufgrund stochastischer Einflüsse von Periode zu Periode stark schwanken kann, steigt bei einem kurzen Zeitraum das finanzielle Risiko der BK. Die Umlage sollte deshalb nicht für einen Zeitraum unter einem Monat fixiert werden. Ein längerer Umlagezeitraum kann dieser Volatilität entge-genwirken. Er sollte jedoch die Weitergabe einer Änderung der Vorhaltungskosten an die BK nicht zu stark verzögern. Gleichzeitig darf er nicht dazu führen, dass die Unsicher-heit über die Höhe der Umlage aufgrund einer Kombina-tion mit langen Abrechnungsperioden unverhältnismäßig steigt. Längere Zeiträume sollten deshalb mit einer ex-ante Festlegung der Umlage und einem späteren Ausgleich von Differenzbeträgen über ein von den ÜNB geführtes Konto kombiniert werden.

→ Art der Internalisierung

Die Art der Umlage kann sich auch darin unterscheiden, wie die Kosten den BK zugeordnet werden. Eine Möglichkeit ist, die Umlage als fixen Leistungspreis zu definieren. Die Höhe der Zahlungen richtet sich dann beispielsweise danach, in welchem Umfang der jeweilige BK zu den x-höchsten NRV-Salden im Betrachtungszeitraum beigetragen hat. Auch

sacherorientierter zu gestalten und somit effiziente Anreize zur Absicherung durch flexible Lasten und andere Flexibi-litätsoptionen zu setzen, sollten deshalb auch die Kosten der Vorhaltung internalisiert werden, die auf den unausgegli-chenen NRV-Saldo zurückzuführen sind.

→ Bestimmung der relevanten Mengen und Kosten

Die Bestimmung der relevanten Vorhaltungsmengen und -kosten ist nicht trivial, da die Regelreserveprodukte in un-terschiedlichem Umfang durch den NRV-Saldo beeinflusst werden. In einem idealtypischen Ansatz sollten nur die-jenigen Mengen berücksichtig werden, die zum Ausgleich der saldierten viertelstündlichen Fahrplanabweichungen vorgehalten werden. Dies trifft für die Vorhaltung der MR weitestgehend zu. Im Fall der SRR ist der Zusammenhang zwischen der vorgehaltenen Menge und dem NRV-Saldo dagegen weniger eindeutig. Ein Teil der SRR wird als Sub-stitut für MR beschafft und eingesetzt, die entsprechenden Kosten sollten in die Berechnung des reBAP einfließen. Die SRR dient aber auch zum Ausgleich innerviertelstündlicher Schwankungen der Last oder der Einspeisung Erneuerba-rer Energien. Die Verpflichtung der BKV zum Ausgleich der Fahrpläne bezieht sich aber nur auf eine Viertelstunde als Ganzes, eine Umlage der durch innerviertelstündliche Ef-fekte verursachten SRR-Kosten wäre nicht verursachero-rientiert. Eindeutig ist dagegen die Einordnung der Primär-regelreserve (PRR): Sie wird ausschließlich zum Ausgleich innerviertelstündlicher Schwankungen vorgehalten und sollte deshalb nicht im AE-Mechanismus berücksichtigt werden.

Bei der Umsetzung ist insbesondere die Bestimmung der idealerweise umzulegenden SRR-Vorhaltungskosten mit diversen Herausforderungen verbunden. Es kann deshalb sinnvoll sein, einen Ansatz zu verfolgen, der weniger ver-ursacherorientiert, aber besser umsetzbar ist. In diesem Sinne kommt sowohl die alleinige Umlage der MR-Vorhal-tungskosten in Frage, als auch die Umlage der MR-Vorhal-tungskosten und der gesamten SRR-Vorhaltungskosten. Die beiden Alternativen unterscheiden sich in der Höhe des finanziellen Volumens, das auf die unausgeglichenen BK verteilt wird. Folglich sind die Anreize bei einer alleinigen

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haltungskosten derjenigen Kapazitäten umgelegt, die in diesem Zeitfenster abgerufen wurden. Da die letzten ein-gesetzten Kapazitäten hohe spezifische Kosten haben und nur in einer geringen Zahl von Viertelstunden abgerufen werden, kann die Umlage sehr hoch ausfallen.

Die Wahl des Ansatzes hängt von der Abwägung zwischen der Effizienz der Anreize und dem Effekt auf die Wettbe-werbsintensität ab. Die Auswahl sollte deshalb gemeinsam mit der Entscheidung darüber getroffen werden, ob nur die Kosten der MR oder auch die Kosten der SRR umgelegt wer-den sollen. Darüber hinaus können bei einem überpropor-tionalen Ansatz in Kombination mit einer ex-post-Bestim-mung der Umlage gegebenenfalls Anreize dazu bestehen, die Höhe der Umlage durch strategisches Verhalten zu beein-flussen. Die damit verbundenen Risiken können jedoch mit einer ex-ante-Bestimmung reduziert werden.

→ Berücksichtigung der Regelenergiekosten in über­wiegender Abrufrichtung

Die Umlage der Kosten des Regelenergieabrufs ist derzeit eine zentrale Funktion des AE-Mechanismus. Auf der ers-ten Stufe der reBAP-Berechnung fließen sowohl die Kosten des MR- als auch des SRR-Abrufs ein. Aufgrund der bereits beschriebenen Herausforderung, den Anteil der SRR-Kos-ten zu bestimmen, die auf die viertelstündlichen NRV-Sal-den zurückzuführen sind, ist dieser Ansatz gerechtfertigt. Dennoch kann die Kostenumlage effizienter gestaltet wer-den, indem die erste Stufe der reBAP-Berechnung angepasst wird.

Zurzeit bildet die Summe der saldierten Einsatzkosten der positiven und der negativen Regelreserve den Zähler des Quotienten auf der ersten Stufe, dem der NRV-Saldo im Nenner gegenübersteht. Den viertelstündlichen Fahrplan-abweichungen sollte jedoch nur der Abruf in überwiegender Richtung zugeordnet werden. Der reBAP wird verursacher-orientierter, wenn im Zähler nur die saldierten Kosten der überwiegenden Abrufrichtung und im Nenner die Abruf-mengen in überwiegender Richtung angesetzt werden.

wenn die Salden mehrerer Viertelstunden als Bezugsgröße dienen, verbleibt ein relativ starker stochastischer Ein-fluss auf die Höhe der Umlage für einen individuellen BK. Da diese stochastischen Effekte aber nicht zwangsläufig im Einflussbereich des BK liegen, kann die leistungsbezogene Umlage wenig verursacherorientiert sein.9

Eine stärkere Verursacherorientierung lässt sich errei-chen, indem die Umlage als viertelstundenbasierter Auf- beziehungsweise Abschlag zum reBAP gestaltet wird. Der Auf-/Abschlag ergibt sich durch die (anteilige) Umlage der Vorhaltungskosten der positiven Regelreserve in Viertel-stunden mit einem unterdeckten NRV, beziehungsweise der Kosten der negativen Vorhaltung in Viertelstunden mit überdecktem NRV. Bei dieser Art der Umlage sind verschie-dene Varianten denkbar, die sich darin unterscheiden, ob und wie die Höhe der Umlage an die Höhe des NRV-Saldos geknüpft wird. Bei einem konstanten Auf-/Abschlag wer-den alle Fahrplanabweichungen innerhalb eines Umlage-zeitraums gleich bewertet, also unabhängig von der Höhe des NRV-Saldos in einer Viertelstunde. Dadurch wird ver-nachlässigt, dass hohe NRV-Salden einen stärkeren Einfluss auf die Dimensionierung der Regelreserve haben. Ein Auf-/Abschlag, der mit dem NRV-Saldo steigt, ist deshalb verur-sacherorientierter und stärker in den Anreizen. Aus diesem Grund bietet sich ein zum Saldo proportionaler oder über-proportionaler Auf-/Abschlag an:

→ Proportionaler Auf-/Abschlag: Die Anreize steigen linear mit der Höhe des NRV-Saldos, sodass der Anteil der Vor-haltungskosten, der in Viertelstunden mit großen Salden umgelegt wird, relativ gesehen größer ist. Abweichungen in Situationen, in denen mehr Regelleistung abgerufen wird, werden also stärker bewertet.

→ Überproportionaler Auf-/Abschlag: Bei diesem Ansatz werden die Anreize und die Verursacherorientierung gegenüber dem proportionalen Auf-/Abschlag weiter gesteigert. In einer Viertelstunde werden nur die Vor-

9 Grundsätzlich sind weitere Formen einer leistungsbezogenen Umlage denkbar, die jedoch im Gegensatz zu dem hier beschrie-benen Ansatz nicht zwangsläufig mit der bisherigen symmet-rischen Ausgestaltung des AE-Mechanismus vereinbar sind.

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tem, ein Gebot in Höhe der eigenen Grenzkosten abzugeben, da die Vergütung immer durch das Gebot des teuersten ab-gerufenen Anbieters bestimmt wird. Die Gebotsstrategie ist deutlich einfacher, sodass bei einem Einheitspreissystem ein effizienteres Marktergebnis zu erwarten ist.

Wenn sich die auf der ersten Stufe der reBAP-Berechnung berücksichtigten Kosten aus einem Einheitspreissystem ableiten, spiegeln sie in der Tendenz eher die Grenzkosten der Regelenergie und damit die effiziente Bezugsgröße für den reBAP wider. Vorrangig sollte die Vergütung des Abrufs der MR auf das Einheitspreisverfahren umgestellt werden. Zwar gilt auch für die SR, dass das Einheitspreisverfah-ren zu effizienteren Marktergebnissen führen kann. Da es jedoch Situationen gibt, in denen aufgrund innerviertel-stündlicher Schwankungen kurzzeitig Angebote mit sehr hohen Arbeitspreisen abgerufen werden, könnte die Umlage der Kosten auf die BK sehr hoch und wenig verursachero-rientiert ausfallen. Aus diesem Grund sollte bei der SRR das Gebotspreisverfahren beibehalten werden.

Der Wechsel zum Einheitspreissystem bei der MR erfor-dert keine Änderung der Berechnungsmethode des reBAP an sich. Er ist sowohl mit der aktuellen Gestaltung der ersten Stufe, als auch mit der oben beschriebenen Weiterentwick-lung vereinbar.

→ Verbesserung des Bezugspreises für die Börsen­preisbindung

Die in 2012 eingeführte Börsenpreisbindung soll dazu die-nen, das Anreizsystem so robust zu gestalten, dass sich ein unausgeglichener BK, der zur Erhöhung des NRV-Saldos beiträgt, durch die Zahlung des reBAP schlechter stellt als durch den Ausgleich der Fahrplanabweichungen am Spot-markt. Der Bezugspreis entspricht derzeit dem mengenge-wichteten, mittleren Preis der Stundenprodukte des Intra-day-Börsenhandels. Da der Handel mit Stundenprodukten am Intraday-Markt jedoch nicht die einzige Möglichkeit für kurzfristige Ausgleichsgeschäfte ist, kann der reBAP für diese BK die günstigere Alternative sein. Das gilt insbeson-dere, da der Intraday-Handel mit Viertelstundenprodukten zunehmend liquide wird.

Diese Anpassung führt gleichzeitig dazu, dass ein un-erwünschter Effekt der heutigen Berechnungsmethode entfällt: In Viertelstunden, in denen sich der Einsatz von positiver und negativer Reserve abwechselt, kann der NRV-Saldo sehr klein sein. Diese Situationen bezeichnet man als Nulldurchgänge. Die für den Abruf anfallenden Kosten werden dann durch einen sehr kleinen Wert geteilt. Aus diesem Grund kann der reBAP bei Nulldurchgängen sehr hoch ausfallen, obwohl das System in der Viertelstunde als Ganzes betrachtet relativ ausgeglichen ist. Durch das oben beschriebene Vorgehen entfällt die Division durch den NRV-Saldo, sodass die Anreize adäquater sind. Gleichzeitig entfällt so die Notwendigkeit, den AEP auf der zweiten Be-rechnungsstufe künstlich zu kappen.

Indem die Preisspitzen bei Nulldurchgängen vermieden werden, wird der reBAP verursacherorientierter, aber es werden im spezifischen Fall der Nulldurchgänge im Ver-gleich zum heutigen Ansatz weniger Kosten auf die unaus-geglichenen BK umgelegt. Für die ÜNB folgen daraus höhere nicht-wälzbare Kosten (NWK), die mit den Mehreinnahmen durch die Börsenpreisbindung und den 1,5-Multiplikator verrechnet werden. Die verbleibenden Mehreinnahmen, die mit den Netznutzungsentgelten verrechnet werden, fallen geringer aus. Zudem weichen die ÜNB stärker vom derzeiti-gen Prinzip der viertelstündlichen Kostendeckung ab. Diese Effekte sind jedoch als begrenzt einzustufen, da das von den Nulldurchgängen betroffene Volumen relativ gering ist.

→ Bestimmung der Regelenergiekosten auf Basis eines Einheitspreissystems

Die Effizienz des AE-Mechanismus kann zudem indirekt gestärkt werden, indem die Effizienz des Preissystems für Regelenergie erhöht wird. Derzeit erfolgt die Vergütung von Regelenergie auf Basis des Gebotspreisverfahrens. In diesem System wird jeder abgerufene Anbieter mit dem von ihm ge-botenen Preis vergütet. Die optimale Gebotsstrategie berück-sichtigt deshalb nicht nur die Grenzkosten des Anbieters, sondern auch das Verhältnis zwischen der Höhe der Vergü-tung im Fall eines Abrufs einerseits und der preisabhängigen Wahrscheinlichkeit des Abrufs andererseits. Im Vergleich dazu ist die optimale Strategie in einem Einheitspreissys-

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3.4 Regelreservemärkte

Nachfrageseitige Flexibilitätsoptionen können auch zur Bereitstellung von Regelreserve genutzt werden. Damit diese Potenziale erschlossen werden können, müssen fle-xible Verbraucher jedoch einen diskriminierungsfreien Zugang zu den Regelreservemärkten erhalten. Die Regelreserve ist ein zentrales Instrument der ÜNB, um die Netzfrequenz möglichst stabil auf einem Wert von 50 Hz zu halten und so einen sicheren Betrieb des Strom-netzes und des Stromsystems zu gewährleisten. Die Regel-reserve zählt zu den Systemdienstleistungen, die von den ÜNB nach regulatorischen Vorgaben beschafft und ein-gesetzt werden. Die derzeitigen Vorgaben sind historisch gewachsen und mit Blick auf die Eigenschaften und An-forderungen eines konventionell geprägten Versorgungs-systems entwickelt worden. Sie können jedoch für andere potenzielle Anbieter von Regelreserve, wie etwa für flexible Verbraucher, Hemmnisse darstellen. Insbesondere im Zuge der Energiewende ist es wichtig, dass die Teilnahme am Regelreservemarkt nicht unnötig beschränkt ist und dass ein unverzerrter, technologieoffener Wettbewerb zwischen den Anbietern stattfinden kann. Damit auch weiterhin eine sichere und kostengünstige Bereitstellung von Regelre-serve gewährleistet ist, sollten deshalb die regulatorischen Rahmenbedingungen weiterentwickelt und die Hemmnisse unter Berücksichtigung der Anforderungen eines sicheren Systembetriebs abgebaut werden.10

Schwankungen der Netzfrequenz können auftreten, wenn Angebot und Nachfrage nicht exakt ausgeglichen sind. Durch den Einsatz von Regelenergie werden diese kurzfris-tigen Ungleichgewichte kompensiert. Wie bereits im vorhe-rigen Kapitel beschrieben, können sich ändernde Prognosen der Last und der Erneuerbaren Energien oder ungeplante Kraftwerksausfälle zu Abweichungen von den viertelstünd-lichen Fahrplänen der BK führen, die wiederum den Abruf

10 Die hier diskutierten Optionen zur Weiterentwicklung basieren auf Connect (2014) sowie auf gemeinsamen Arbeiten von Consentec GmbH, r2b energy consulting GmbH und Connect (vgl. Connect in Veröffentlichung).

Eine Möglichkeit, um die Anreize des AE-Mechanismus robuster zu gestalten, ist die Ableitung der Ober- bezie-hungsweise Untergrenze des reBAP aus einer größeren Menge relevanter Preise. Deshalb sollte der Bezugspreis auf das Minimum beziehungsweise Maximum der folgenden Spotmarktpreise gesetzt werden:

→ Mittlerer Preis des kontinuierlichen börslichen Intraday-Stundenhandels

→ Mittlerer Preis des kontinuierlichen börslichen Intraday-Viertelstundenhandels

→ Preis der Intraday-Eröffnungsauktion → Preis der Day-Ahead-Auktion

Stellt sich beispielsweise der maximale Preis für den Strom-bezug in einer Viertelstunde in der Eröffnungsauktion des Intraday-Handels ein, dann kann der reBAP nicht unter diesen Preis fallen, wenn der NRV-Saldo zum Zeitpunkt der physischen Erfüllung unterdeckt ist. Durch dieses Vorgehen kann der reBAP allerdings ineffizient hoch ausfallen, wenn sich beispielsweise ein zum Zeitpunkt der Eröffnungsauk-tion hoher Bedarf an Ausgleichsgeschäften durch das Be-kanntwerden eines Prognosefehlers auflöst. Es ist aber nicht davon auszugehen, dass dieser Effekt ein strategisches BK-Verhalten in großem Ausmaß nach sich zieht, das das Sys-tem destabilisieren könnte.

Strategisches Verhalten ist aber unter Umständen mit Blick auf den kontinuierlichen Viertelstundenhandel relevant. Solange die Liquidität nicht ausreichend hoch und ausrei-chend stabil ist, könnte eine Mindestanforderung an das Handelsvolumen in einer Viertelstunde formuliert werden, die erfüllt sein muss, bevor der Preis als Bezugspreis heran-gezogen werden darf. So könnte das Risiko einer Einfluss-nahme auf den reBAP und potenziell systemschädlichen Verhaltens reduziert werden.

Die hier aufgezeigten Maßnahmen zur Stärkung des AE-Mechanismus sind gleichzeitig Maßnahmen zur verstärk-ten Nutzung flexibler Lasten zum Ausgleich von Angebot und Nachfrage. Die optimierten Anreize für die Bilanzkreise können somit zur Erschließung eines effizienten Flexibili-tätsmixes beitragen.

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ten für die Erbringung aller Reservearten geeignet sein. An den Ausschreibungen dürfen die Anbieter teilnehmen, die im Rahmen eines Präqualifikationsverfahrens nachgewie-sen haben, dass sie die jeweils geforderte Qualität erbringen können.

Die Art und Weise der wettbewerblichen Beschaffung wird durch weitere regulatorisch festgelegte Rahmenbedin-gungen bestimmt. Dazu zählen neben den Zuschlags- und Vergütungsregeln die Häufigkeit und der Zeitpunkt der Auktionen, die Produktlaufzeit (Erbringungsdauer) und die Mindestgröße eines Gebots. Außerdem ist festgelegt, ob sich mehrere Anbieter in einem Pool zusammenschließen und ein gemeinsames Gebot abgeben dürfen. Dies ist insbeson-dere für flexible Verbraucher mit kleinerer Leistung rele-vant. Eine Änderung des Markt- und Produktdesigns für Regelreserve erfordert regulatorische Festlegungen und ggf. Anpassungen von Gesetzesgrundlagen und Verordnungen.

von Regelenergie notwendig machen. Auch bei einem akti-ven Management der Fahrplanabweichungen durch die BKV kann es zu unvorhergesehenen Ereignissen und stochasti-schen, innerviertelstündlichen Schwankungen kommen, die durch Regelenergie ausgeglichen werden müssen.

Die ÜNB bilden für einen gegebenen Zeitraum eine Erwar-tung über den Bedarf an Regelreserve und beschaffen die entsprechende Leistung im Rahmen von wettbewerblichen Ausschreibung. Sie differenzieren dabei zwischen drei un-terschiedlichen Reservequalitäten, die sich unter anderem in den Anforderungen an die Geschwindigkeit der Bereit-stellung und an die Kommunikations- und Steuerungs-technik unterscheiden. Die Primärregelreserve (PRR) muss auf Anforderung innerhalb von 30 Sekunden vollständig verfügbar sein, die Sekundärregelreserve (SRR) innerhalb von fünf Minuten und die Minutenreserve (MR) inner-halb von 15 Minuten. Grundsätzlich können flexible Las-

Hemmnisse und Weiterentwicklungsmöglichkeiten auf den Regelreservemärkten Abbildung 14

Eigene Darstellung

Die Regelreserve dient der Aufrechterhaltung der Systemsicherheit und wird von den ÜNB nach regulatorischen Vorgaben beschafft und eingesetzt.

Ursprung des Hemmnisses→ Aktuelle Ausgestaltung der Ausschreibung und der Produkte ist historisch gewachsen und teilweise noch auf konventionelle

Anbieter ausgerichtet

Wirkung des Hemmnisses→ Lange Ausschreibungs- und Produktzeiträume hemmen die Teilnahme flexibler Lasten unnötig → Unterschiede in der zeitlichen Taktung von Strom- und Regelreservemärkten erschweren die Abbildung von Opportunitätskosten

Prämissen der Weiterentwicklung→ Weiterentwicklungen müssen aktuelles Niveau der Systemsicherheit gewährleisten→ Möglichst unverzerrte Abbildung der technologiespezifischen Opportunitätskosten → Möglichst vollständige Arbitrage mit dem Day-Ahead Markt zulassen, um effizienten Dispatch zu ermöglichen

Vorschläge zur WeiterentwicklungZielmodell Ggf. nötige Zwischenschritte→ Kalendertägliche Ausschreibungen mit einstündigen → Minutenreserve: mehrstündige Blockgebote zulassen Produkten für alle Reservequalitäten → Sekundärregelreserve: zentraler Sekundärhandel, mehrstündige Blockgebote, ggf. vierstündige Produkte → Primärregelreserve: getrennte, weiterhin wöchentliche Ausschreibung positiver und negativer Reserve

→ Auktionsverfahren: Umstellung auf ein Einheitspreisverfahren für die Minuten- und Sekundärregelreserve vor dem Hintergrund der Wettbewerbssituation prüfen

→ Präqualifikationsbedingungen kompatibel mit den Produktdefinitionen gestalten

Regelreservemärkte

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gilt insbesondere in Situationen mit einer hohen Einspei-sung Erneuerbarer Energien und niedriger Nachfrage ei-nerseits, sowie in Situationen mit niedriger Einspeisung und hoher Nachfrage andererseits. Deshalb sollte die zeit-liche Taktung von Regelreserve- und Spotmärkten besser synchronisiert werden, damit die Flexibilität dort eingesetzt wird, wo der Bedarf und ihr Nutzen am größten sind.

Das Regelreservemarktdesign wurde bereits in wichti-gen Punkten weiterentwickelt. Die aktuellen Eckdaten der Auktionen und Produkte des Regelreservemarktes ergeben sich aus den Beschlüssen BK6-10-099, BK6-10-098 und BK6-10-097 der Bundesnetzagentur (BNetzA) aus dem Jahr 2011 und sind in Tabelle 1 dargestellt. Durch die Beschlüsse wurden unter anderem die Häufigkeit der Ausschreibung für SRR und PRR erhöht (zuvor monatlich), die Mindestan-gebotsgröße in allen Segmenten reduziert (zuvor 15 MW für MR, 10 MW für SRR und 5 MW für PR) und das Pooling fest etabliert. Durch die Möglichkeit zum Pooling wurde ein re-levantes Hemmnis für flexible Lasten adressiert.

An den Regelreservemärkten bieten zurzeit vorrangig kon-ventionelle Kraftwerke und Pumpspeicher ihre Kapazitä-ten an, die ihre Erzeugung innerhalb kurzer Zeit anpassen können. In einem primär thermisch geprägten System sind diese Anbieter in ausreichendem Maße verfügbar und re-lativ kostengünstig. Das Markt- und Produktdesign wurde ursprünglich an den Anforderungen eines solchen steuer-baren und relativ gut vorhersagbaren Systems sowie an den technischen Eigenschaften dieser traditionellen Anbieter-gruppe ausgerichtet. Dadurch können jedoch Hemmnisse für die Marktteilnahme anderer möglicher Anbieter von Re-gelreserve sowie Wettbewerbsverzerrungen entstehen.

Mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien und dem stei-genden Bedarf an Flexibilität wird es immer wichtiger, dass unter Beibehaltung des heutigen Systemsicherheitsniveaus auch auf dem Regelreservemarkt ein technologieoffener, diskriminierungsfreier Wettbewerb zwischen allen poten-ziellen Anbietern herrscht. Darüber hinaus wird es wichti-ger, dass flexible Verbraucher und andere Marktteilnehmer ihre Opportunitätskosten im Markt abbilden können. Das

Übersicht der Regelreservequalitäten Abbildung 15

Eigene Darstellung

Primärregelreserve:

automatische vollständige Aktivierung innerhalb von 30 Sek

Sekundärregelreserve:

automatische Aktivierung durch ÜNB; vollständige Erbringung innerhalb von 5 Min

Minutenreserve:

automatisierter Abruf; vollständige Erbringung innerhalb von 15 Min

Eigene Darstellung

Ausschreibungen und Produktdefinitionen auf den Regelreservemärkten Tabelle 1

häufigkeit der Ausschreibung Produktlaufzeit mindestangebotsgröße Pooling

mr werktäglich 4 Stunden 5 MW ja

Srr wöchentlichHT (Mo­Fr: 8­20 Uhr),NT (Mo­Fr: 20­8 Uhr;

Sa­So, Feiertage: 0­24 Uhr)5 MW ja

Prr wöchentlich 1 Woche 5 MW ja

Regelreservequalitäten

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Opportunitätskosten sind umso größer, je länger die Pro-duktlaufzeit ist. Somit werden die Arbitragemöglichkeiten zwischen Spot- und Regelreservemarkt eingeschränkt, was zu höheren Kosten und verzerrten Preissignalen führt. Ver-zerrte Preissignale führen wiederum zu ineffizienten An-reizen für die Flexibilisierung des Strommarktes.

Für flexible Lasten und andere Anbieter mit kleinen Portfo-lios können lange Produktlaufzeiten ein Hemmnis darstel-len. Für diese Anbieter entstehen im Vergleich zu kon-ventionellen Kraftwerken höhere Zusatzkosten, wenn sie ihre Leistung über mehrere Stunden auf einem konstanten Niveau bereitstellen beziehungsweise abrufen. Die zusätz-lichen Kosten entstehen insbesondere dadurch, dass sie sich gegen ungeplante Nichtverfügbarkeit absichern, um ihren Verpflichtungen jederzeit nachkommen zu können. Über kürzere Zeiträume wären die Anbieter jedoch durch-aus in der Lage, Leistung sicher bereitzustellen. Die Pro-duktlaufzeiten verzerren deshalb den Wettbewerb unnötig und bilden eine implizite Markteintrittsbarriere für flexible Verbraucher.

→ Ausschreibungszeiträume

Lange Ausschreibungszeiträume haben eine ähnliche Wir-kung wie lange Produktlaufzeiten und erschweren eben-falls die Synchronisation des Regelreservemarktes mit dem Spotmarkt. Je größer die Unsicherheit über den Spotmarkt-preis bei der Abgabe des Gebots am Regelreservemarkt ist, desto wahrscheinlicher wird es, dass die Allokation von Fle-xibilität zwischen den Märkten zum Zeitpunkt der Erfüllung suboptimal ist.

Die Effekte von langen Ausschreibungszeiträumen und langen Produktlaufzeiten sind in Abbildung 16 dargestellt. So steigt in den Abendstunden des 11. April der SRR-Leis-tungspreis mit dem Übergang zum Nebenzeit-Produkt, während zum gleichen Zeitpunkt der MR-Leistungspreis sinkt. Diese entgegengesetzte Preisentwicklung ist ein Hinweis auf die zu wenig differenzierte Abbildung von Opportunitätskosten bei langen Produktlaufzeiten. Ein weiterer Effekt ist am 13. April erkennbar: Während der Leistungspreis des vierstündigen MR-Produktes auf die

Mit der Einführung der Direktvermarktung im EEG 2012 wurde die rechtliche Grundlage für die Teilnahme Erneuer-barer Energien am Regelreservemarkt geschaffen. Auch für Erneuerbare Energien gilt, dass sie die Präqualifikationsbe-dingungen erfüllen müssen, um Gebote abgeben zu dürfen. Zurzeit bieten insbesondere Biomasseanlagen negative Re-gelleistung an.

3.4.1 Wie wirkt das Hemmnis?Es gibt viele Technologien, die zusätzlich zu konventionellen Kraftwerken als Anbieter von Regelreserve in Frage kom-men. Hierzu zählen neben flexiblen Lasten auch Erneuer-bare Energien und Pools kleiner Erzeugungsanlagen. Gerade für kleine Anbieter erschwert das derzeitige Regelreserve-marktdesign jedoch die Teilnahme unnötig. Dadurch wird über den erschwerten Zugang für flexible Verbraucher der Anbieterkreis künstlich eingeschränkt, die Kosten der Be-reitstellung von Regelreserve fallen ineffizient hoch aus.

Das gilt insbesondere in Situationen, in denen die Erzeu-gung Erneuerbarer Energien hoch und die Nachfrage gering ist und konventionelle Anbieter trotz sehr geringer oder sogar negativer Preise weiter erzeugen, um im Falle eines Abrufs Regelenergie liefern zu können. In diesen Situatio-nen entstehen für konventionelle Anbieter am Strommarkt zusätzliche Opportunitätskosten, die von den Anbietern in ihren Geboten am Regelreservemarkt einkalkuliert werden. Die Kosten des Systems steigen zusätzlich, wenn aufgrund einer ineffizient hohen Mindesterzeugung konventionel-ler Kraftwerke erneuerbarer Strom abgeregelt werden muss. Werden in diesen Situationen flexible Lasten zur Bereitstel-lung von Regelleistung eingesetzt, können konventionelle Kraftwerke ihre Erzeugung stärker reduzieren, die Integra-tion der Erneuerbaren Energien wird erleichtert.

→ Produktlaufzeiten

Grundsätzlich gilt für alle Anbieter von Regelreserve, dass lange Produktlaufzeiten die Opportunitätskosten der Bereit-stellung steigern. Da die Anbieter durch die Bereitstellung von Regelleistung in ihrem Einsatz und ihrer Vermarktung eingeschränkt sind, können sie weniger gut auf Preisän-derungen am Spotmarkt reagieren. Die damit verbundenen

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schaffung der Regelreserve am Zeitpunkt der Erfüllung liegt, desto geringer sind dagegen die Risiken und die entspre-chenden Kosten.

→ Präqualifikationsbedingungen

Zusätzlich zu den bisher genannten impliziten Hemm-nissen können Präqualifikationsbedingungen explizite Markteintrittsbarrieren darstellen. Die Präqualifikation soll sicherstellen, dass die zum Markt zugelassenen Anbie-ter technisch in der Lage sind, die hohen Qualitätsanforde-rungen der Reserve zu erfüllen. Dabei geht es unter ande-rem um die Reaktionsgeschwindigkeit der Anbieter und um ihre technische Zuverlässigkeit. Dementsprechend sollten die Präqualifikationsbedingungen zu den jeweiligen Pro-duktdefinitionen passen. Grundsätzlich gilt, dass unnötige Barrieren für flexible Lasten und andere alternative Anbie-ter beseitigt werden sollten, und dass die Anforderungen transparent und die Dauer der Verfahren nicht unnötig lang sein sollten.

negative Preisspitze im Spotmarkt mit einem Anstieg re-agiert, bleibt der SRR-Leistungspreis aufgrund der längeren Produktlaufzeit konstant. Durch den kürzeren Ausschrei-bungszeitraum der MR kann die Änderung der Opportu-nitätskosten am Spotmarkt in den Geboten berücksichtigt werden. Dagegen ist es unwahrscheinlich, dass die negative Preisspitze bereits bei der Abgabe der SRR-Gebote berück-sichtigt wurde.

Ebenso wie lange Produktlaufzeiten erhöhen auch lange Ausschreibungszeiträume die Opportunitätskosten der Be-reitstellung für alle Marktteilnehmer. Daraus können sich wiederum implizite Markteintrittsbarrieren und Wettbe-werbsverzerrungen ergeben. Je länger im Voraus die Be-schaffung stattfindet, desto schwerer ist die Marktteil-nahme für Anbieter, die zum Zeitpunkt der Ausschreibung noch Unsicherheit über ihre tatsächlich verfügbare Leistung haben. Das kann sowohl auf flexible Verbraucher als auch auf dargebotsabhängige Erzeuger zutreffen. Für sie entste-hen wiederum höhere Kosten, wenn sie ihre Verfügbarkeit mit langen Vorlaufzeiten zusichern müssen. Je näher die Be-

100

80

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-20

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Erze

ugun

g [G

W]

Prei

s [€

/MW

h]

Erzeugungsmix und Verlauf von Day­Ahead­Preisen und Leistungspreisen am Regelreservemarkt Abbildung 16

Eigene Darstellung

Stunde, Datum

Braunkohle

Pumpspeicher

LP neg. MR

Kernenergie

Wasser

LP neg. SRR

Steinkohle

Wind

DA-Preis DE

Sonstiges

Solar

Gas

Austausch

13 15 17 19 21 23 1 3 5 7 9 11

11.04.2014 12.04.2014 13.04.2014 14.04.2014

1 3 5 7 9 11 13 15 17 19 21 23 1 3 5 7 9 11 13 15 17 19 21 23

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3.4.3 Vorschlag zur Hemmnisbeseitigung und relevante Abwägungen

Bei der Diskussion von Vorschlägen zur Weiterentwick-lung des Regelreservemarktes betrachten wir zunächst ei-nen angestrebten Idealzustand und zeigen dann mögliche Zwischenschritte auf, die gegebenenfalls nötig sind, um die Anpassungsprozesse für die Marktteilnehmer und die ÜNB zu erleichtern.

Die oben genannten Prämissen könnten idealtypisch um-gesetzt werden, indem die Produktlaufzeiten an den Regel-reservemärkten auf eine Stunde verkürzt und die Aus-schreibungen kalendertäglich stattfinden. So liessen sich Unsicherheiten über die Marktsituation und die Verfüg-barkeit der Leistung zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe deutlich reduzieren, was auch flexiblen Verbrauchern zu-gute käme. Zudem würde das Angebot von solchen flexib-len Verbrauchern, die ihre Leistung nur über einen kürzeren Zeitraum abrufen können, erleichtert. Diese Anpassungen würden folglich relevante Hemmnisse für Lastflexibilität abbauen. Gleichzeitig würde eine vollständige Übereinstim-mung der Produkte und Zeiträume der Regelreservemärkte mit denen des Day-Ahead-Marktes erreicht. Auf diese Weise könnten Arbitragemöglichkeiten leichter genutzt werden, die Effizienz der Gebote an den Regelreservemärk-ten würde steigen. Flexible Verbraucher könnten so ihre Opportunitätskosten besser berücksichtigen und ihre Ein-satzentscheidung an den Märkten optimieren.

→ Anpassungen im Minutenreservemarkt

Die Entwicklung des Minutenreservemarktes ist bereits sehr weit in diese Richtung fortgeschritten. Mit weite-ren Änderungen lässt sich das Design optimieren, um die effiziente Allokation flexibler Ressourcen zusätzlich zu unterstützen. Die Frequenz der aktuell arbeitstäglichen Ausschreibungen sollte auf eine kalendertägliche Taktung erhöht und die Produktlaufzeit von vier auf eine Stunde verkürzt werden. Wie zurzeit auch, sollte die Beschaffung der MR vor der Day-Ahead-Auktion abgeschlossen sein, damit die Marktteilnehmer ihre Einsatzentscheidung bezie-hungsweise ihre Gebote entsprechend anpassen können.

3.4.2 prämissen der HemmnisbeseitigungDurch eine Weiterentwicklung der Regelreservemärkte können bestehende Hemmnisse für flexible Lasten abgebaut und die Kosten der Bereitstellung gesenkt werden. Grund-sätzlich gilt jedoch, dass das Regelreservemarktdesign und die Präqualifikationsbedingungen nur geändert werden sollten, wenn die Systemsicherheit auf heutigem Niveau gewährleistet bleibt.

Unter dieser Voraussetzung sollten die Anpassungen darauf abzielen, dass flexible Lasten an einem technologieoffenen, diskriminierungsfreien Wettbewerb zwischen allen poten-ziellen Anbietern von Regelreserve teilnehmen können. Dies ist Voraussetzung dafür, dass die Bereitstellung gleichzeitig sicher und kostengünstig erfolgen kann. Gerade da sich im Zuge der Energiewende der Technologie- und Erzeugungs-mix am Strommarkt ändert, sollten künstliche Marktbar-rieren und Wettbewerbsverzerrungen vermieden werden, damit sich die Anbieter mit den jeweils geringsten (Oppor-tunitäts-)Kosten am Markt durchsetzen.

Eine größere Anbieterzahl und -vielfalt kann auch die Wettbewerbsintensität erhöhen. Das Markt- und Pro-duktdesign sollte folglich nicht die Teilnahme potenzieller neuer Anbieter wie flexibler Verbraucher hemmen. Eben-falls mit Blick auf die Wettbewerbssituation sollten die Auktionen zeitlich so gelegt werden, dass die Regelreserve-märkte eine möglichst hohe Liquidität haben.

Gleichzeitig sollten die Maßnahmen so gestaltet werden, dass die Regelreservemärkte und die Spotmärkte besser aufeinander abgestimmt sind. Gerade für flexible Las-ten haben Opportunitätskosten eine große Bedeutung. Die Ausnutzung von Arbitragemöglichkeiten zwischen den Märkten sollte erleichtert werden, damit sich die Opportu-nitätskosten der Verbraucher in konsistente Preissignale übersetzen. Auf diese Weise kann erreicht werden, dass fle-xible Lasten dort zum Einsatz kommen, wo Bedarf und Nut-zen am höchsten sind.

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ter einhergehen kann. Aufgrund der bereits thematisierten Komplexität der Markträumungsalgorithmen sollten die Blockgebote wie bei der MR sinnvoll begrenzt werden.

Ein direkter Wechsel von dem heutigen HT-/NT-Modell auf Stundenprodukte stellt einen relativ großen Umbruch dar. Um den Marktteilnehmern und den ÜNB mehr Zeit für die notwendigen Anpassungsprozesse einzuräumen, könnte eine sukzessive Verkürzung der Produktlaufzeiten vorge-nommen werden. Denkbar ist beispielsweise, zunächst auf Produkte mit einer Laufzeit von vier Stunden umzusteigen und in einem späteren Schritt auf Stundenprodukte über-zugehen.

Die kalendertägliche Beschaffung der SRR sollte sowohl vor der MR-Auktion als auch vor dem Handelsschluss des Day-Ahead-Marktes stattfinden. Diese zeitliche Taktung ist aus zwei Gründen wichtig. Zum einen sollte die qualita-tiv höherwertige SRR vor der MR beschafft werden, um eine möglichst hohe Liquidität in der Auktion zu erreichen. Zum anderen sollten die Ergebnisse der Auktion bei der Einsatz-planung für den Spotmarkt berücksichtigt werden. Unter diesen Bedingungen ist es jedoch herausfordernd, wie heute die Option einer zweiten Auktionsrunde zu bewahren. In dieser zweiten Runde können die ÜNB in dem unwahr-scheinlichen Fall, dass der Bedarf in der ersten Auktion nicht vollständig gedeckt worden ist, zusätzliche Kapazi-tät beschaffen. Bei einer kalendertäglichen Ausschreibung müssten die Handelsabläufe jedoch deutlich gestrafft wer-den, um eine sinnvoll getaktete zweite SRR-Auktion abzu-halten. Alternativ könnte die ausgeschriebene Menge der MR kurzfristig erhöht werden. Obwohl nicht davon auszu-gehen ist, dass der Reservebedarf in einem eingeschwunge-nen Markt ungedeckt bleibt, könnte in der Übergangsphase eine zusätzliche Absicherung sinnvoll sein. Das gilt insbe-sondere aufgrund der zurzeit noch begrenzten Anbieterzahl. In Abschnitt 3.4.4 diskutieren wir denkbare Optionen.

Eine Weiterentwicklung des SRR-Marktes ist auch im Be-reich der Vergütung denkbar. Wie bereits in Abschnitt 3.3.3 dargelegt, sprechen einige Argumente gegen einen Wechsel zur Einheitspreisvergütung für den Abruf von SRR. Für die Vorhaltung von SRR-Leistung könnte dagegen ein Ein-

Dabei ist es denkbar, den Marktteilnehmern die Abgabe von Blockgeboten zu ermöglichen. Durch diese Blockgebote können die technischen Möglichkeiten einiger Anbieter un-ter anderem in Bezug auf Anfahrvorgänge besser abgebil-det werden. Da die Berücksichtigung von Blockgeboten die Komplexität der Algorithmen erhöht, die zur Berechnung des Marktergebnisses eingesetzt werden, sollten die Block-gebote auf ein sinnvolles Ausmaß begrenzt werden. Sie soll-ten zudem nicht mehr als vier Stunden umfassen, um nicht hinter das aktuelle Design zurückzufallen.

Eine Verbesserung des aktuellen MR-Marktdesigns ließe sich auch durch einen Wechsel des Preissystems erzielen. Das bereits in Abschnitt 3.3.3 für den MR-Abruf diskutierte Einheitspreissystem könnte auch auf die Vergütung der Leistung angewendet werden. Wieder gilt, dass einfachere Gebotsstrategien in komplexen Märkten tendenziell zu effi-zienteren Ergebnissen führen. Wird die Angebotserstellung vereinfacht, verringern sich die Hürden für kleine Anbieter.

→ Anpassungen im Sekundärregelreservemarkt

Der Sekundärregelreservemarkt ist derzeit in seiner Aus-gestaltung noch weiter von dem oben skizzierten Ideal ent-fernt als der Minutenreservemarkt. Dementsprechend sind die Hürden für die Teilnahme flexibler Lasten und anderer potenzieller Anbieter relativ groß. Die relevantesten Hemm-nisse sind die zurzeit wöchentliche Ausschreibung und die langen Produktlaufzeiten von zwölf Stunden (Haupttarif) beziehungsweise mehreren Tagen (Nebentarif). Eine Aus-wirkung dieser impliziten Markteintrittsbarrieren ist auch die weiterhin relativ geringe Zahl zugelassener Anbieter.

Deshalb sollte auch bei der SRR ein Umstieg auf kalender-tägliche Ausschreibungen mit stündlichen Produkten er-folgen. Da für den SRR-relevanten Kreis konventioneller Anbieter gilt, dass die Bereitstellung von Reserve mit länge-ren beziehungsweise kostenintensiveren Anfahrprozessen verbunden sein kann, ist die gleichzeitige Einführung von mehrstündigen Blockgeboten zu empfehlen. Diese Anforde-rung ist bei der SRR wichtiger als bei der MR, da bei der SRR ein Zuschlag für wenige, gegebenenfalls nicht zusammen-hängende Stunden mit hohen Zusatzkosten für die Anbie-

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tungsmengen versteigert werden, oder es werden lediglich sogenannte Market Maker bestimmt, die sich gegen eine Prämie zur Abgabe eines Gebotes in einer späteren zweiten Auktion verpflichten. Beide Ansätze sind in ihrer Wirkung ähnlich. Wir konzentrieren uns im Folgenden auf die erste Variante, die den Anforderungen des aktuellen Entwurfs des Network Code Balancing (ENTSO-E, 2014) näher kommt.

Das Modell eines Sekundärhandels bietet auch die Möglich-keit, die in der ersten Auktion eingegangenen Verpflich-tungen an andere Marktteilnehmer weiterzugegeben. So können später bekanntwerdende Informationen wie die Verfügbarkeit von Leistung oder die erwartete Situation am Spotmarkt durch eine Reallokation der SRR berücksichtigt werden. Dadurch können beispielsweise flexible Verbrau-cher, die eine Woche vor Lieferung noch größere Unsicher-heiten über ihre Verfügbarkeit haben, zu einem späteren Zeitpunkt in den Handel einsteigen. Um tatsächlich sicher-zustellen, dass im Sekundärhandel Anbieter zum Zuge kom-men, die nicht an der ersten Auktion teilgenommen haben, ist entweder eine Wiederverkaufspflicht oder eine Begren-zung der Beschaffung in der ersten Auktion auf einen Teil der insgesamt nachgefragten Reservemenge denkbar.

Der Sekundärhandel kann also dazu führen, dass Opportu-nitätskosten besser berücksichtigt und flexible Ressourcen effizienter auf den Regelreserve und den Spotmarkt verteilt werden. Im Ergebnis sinkt zwar nicht das Volumen der Vor-haltungskosten gegenüber der ersten Auktion, jedoch sollten durch den optimierten Einsatz am Spotmarkt die Gesamt-kosten gegenüber einem System mit einer wöchentlichen Auktion ohne Sekundärhandel sinken.

Der Sekundärhandel kann zentral oder dezentral ausgestal-tet werden. In der zentralen Variante organisieren die ÜNB den Wiederverkauf in einer anonymen Day-Ahead-Auk-tion. Gegenüber einem bilateralen, dezentralen Handel lässt sich so die Liquidität steigern und die Gefahr von Preisab-sprachen verringern. Außerdem wäre eine zentrale Auktion leichter in die im oben diskutierten Zielmodell angestrebte kalendertägliche Ausschreibung ohne Sekundärmarkt überführbar. Insbesondere aus diesem Grund ist sie der de-zentralen Variante vorzuziehen. Die genaue Ausgestaltung

heitspreissystem perspektivisch sinnvoll sein. Aufgrund der komplexen Gebotsstrategien im aktuellen Gebotspreis-verfahren sollte das Einheitspreisverfahren zu effiziente-ren Ergebnisse führen. Da strategisches Verhalten in einem Einheitspreisverfahren zu einem starken Anstieg der Kos-ten führen kann, sollte vor einem Wechsel geprüft werden, ob der Wettbewerb für diesen Schritt bereits ausreichend ist.

→ Anpassungen im Primärregelreservemarkt

Die Primärregelreserve stellt die höchsten Qualitätsanfor-derungen an die Anbieter. Sie setzt eine sehr schnelle Reak-tionsgeschwindigkeit sowie eine sehr hohe Verfügbarkeit voraus. Deshalb wird die PRR derzeit vorrangig von Grund-lastkraftwerken erbracht. Bei der PRR besteht wie in den anderen Teilmärkten Optimierungspotenzial im Markt- und Produktdesign. Nach einer erfolgreichen Umsetzung der täglichen SRR-Ausschreibung sollten deshalb die Erfah-rungen auf die PRR übertragen werden. Soweit technisch möglich, sollte die PRR-Beschaffung wie bei den anderen Produkten getrennt nach positiver und negativer Reserve erfolgen. Da die PRR in Kooperation mit niederländischen, schweizerischen und österreichischen ÜNB ausgeschrieben wird, sollten Änderungen mit den Nachbarmärkten koordi-niert werden.

3.4.4 AlternativvorschlägeGrundsätzlich sollten die Regelreservemärkte entsprechend der im vorhergehenden Abschnitt dargestellten Schritte weiterentwickelt werden. Besteht zusätzlicher Bedarf zur Absicherung des Übergangs, können weitere Maßnahmen geprüft werden. In diesem Sinne wäre insbesondere für die SRR ein Sekundärhandel denkbar.

Der Sekundärhandel erlaubt es, die Beschaffung von Leis-tung in ausreichendem Umfang sicherzustellen. Dazu wird eine erste Auktion abgehalten, die beispielsweise wie heute eine Woche vor Lieferung stattfindet. Durch die längere Vorlaufzeit der Auktion bleibt für den unwahrscheinli-chen Fall, dass der Bedarf in der ersten Auktionsrunde nicht gedeckt wird, ausreichend Zeit für eine weitere Aukti-onsrunde. In der Auktion können entweder direkt Vorhal-

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ziert werden, ohne das heutige hohe Niveau der Systemsi-cherheit zu beeinträchtigen.

3.5 Netznutzungsentgelte

Die Systematik der Netznutzungsentgelte beeinflusst direkt die Anreize flexibler Verbraucher. Sie bildet einen wichtigen Ansatzpunkt für die Erschließung von Flexibilitätspotenzi-alen.

Die Struktur und die Höhe der Strombezugskosten bestim-men, wie Verbraucher ihren Stromkonsum gestalten und ihre Flexibilität einsetzen. Die Stromkosten setzen sich da-

des Sekundärhandels sollte in weiteren Analysen unter-sucht werden. Die Vorteile einer kürzeren Produktlaufzeit sollten allerdings bereits in der ersten Auktion und in der Sekundärauktion genutzt werden.

Die Weiterentwicklung der Ausschreibungen und Produkte des Regelreservemarktes kommt unmittelbar flexiblen Verbrauchern sowie dem Stromsystem insgesamt zugute. Durch den Abbau von impliziten Markteintrittsbarrieren und Wettbewerbsverzerrungen wird die Nutzung des nach-frageseitigen Flexibilitätspotenzials erleichtert. Auf diese Weise können die Regelreserveprodukte kostengünstiger beschafft und der konventionelle Must-Run-Sockel redu-

Hemmnisse und Weiterentwicklungsmöglichkeiten bei Netznutzungsentgelten Abbildung 17

Eigene Darstellung

Die Netznutzungsentgelte beeinflussen unmittelbar die Strombezugskosten der Verbraucher.

Ursprung des Hemmnisses→ Die Netzentgeltsystematik verzerrt das Preissignal des Marktes und damit die Anreize→ Besonders relevant sind die Ausnahmeregelungen nach § 19 (2) Satz 1 ff. StromNEV

Wirkung des Hemmnisses→ Flexible Verbraucher passen ihre Last nicht ausreichend an die Marktsituation an→ Entgeltsystematik kann Verbraucher, die an Regelreservemärkten teilnehmen, benachteiligen→ Flexibilitätspotenziale werden nicht optimal genutzt

Prämissen der Weiterentwicklung→ Weiterentwicklungen Regelungen dürfen das Netz nicht vor neue Herausforderungen stellen (z.B. ineffizient hoher Netzausbau) → Im Rahmen der bestehenden Netzinfrastruktur marktdienlich flexibles Verhalten anreizen→ Teilnahme flexibler Lasten an den Regelreservemärkten sollte nicht gehemmt werden

Vorschläge zur Weiterentwicklung→ Bei der Bemessung der Benutzungsstunden und der Bezugsspitze wird Lastmanagement ab festzulegenden Preisgrenzen

nicht berücksichtigt→ Hohe Strompreise: Lastreduktion wird nicht berücksichtigt

→ Niedrige Strompreise: Lasterhöhung wird nicht berücksichtigt

→ Regelenergieabruf sollten nicht zur einer Erhöhung der Netzentgelte führen→ Dynamischere Methoden zur Bestimmung von Hochlastzeitfenstern entwickeln

Netznutzungsentgelte

Wirkung auf den Markt

Bei niedriger EE-Einspeisung und hoher Nachfrage wird der Bedarf an konventioneller Erzeugung gesenkt

Wirkung auf den Markt

Bei hoher EE-Einspeisung und niedriger Nachfrage wird mehr erneuerbarer Strom integriert und sein Marktwert stabilisiert

Wirkung auf das Netz

Tendenziell entlastende Wirkung der Lastreduktion, kein Konflikt

Wirkung auf das Netz

Lasterhöhung kann die Netzbelastung verstärken, netzseiti-ger Indikator kann unerwünschte Rückwirkung vermeiden

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Zum einen handelt es sich in der Regel um Großverbrau-cher mit signifikanten Verbrauchsvolumina und demnach mit großer Bedeutung für die Flexibilisierung der Nach-frage. Zum anderen verfügen sie bereits über die Technik zur Lastgangmessung, die eine wesentliche Voraussetzung für Lastmanagement ist. Die NNE leistungsgemessener Ver-braucher setzen sich aus einer Arbeitspreiskomponente und einer Leistungspreiskomponente zusammen (§17 Strom-NEV). Erstere ist abhängig von der Gesamtmenge des ver-brauchten Stroms, letztere richtet sich nach dem individu-ellen maximalen Strombezug im Laufe eines Jahres.

Zusätzlich bestehen auf Grundlage des §19 (2) StromNEV Ausnahmeregelungen zur Höhe der NNE für leistungsge-messene Verbraucher. §19 (2) Satz 1 StromNEV zur soge-nannten atypischen Netznutzung legt fest, dass Verteil-netzbetreiber einem Verbraucher ein reduziertes Entgelt anbieten müssen, wenn die individuelle Höchstlast des Ver-brauchers zeitlich nicht in einem Hochlastzeitfenster liegt. Die Hochlastzeitfenster beschreiben Situationen mit hohen Gesamtentnahmen aus dem Netz und werden jeweils ein Jahr im Voraus festgelegt. Zudem werden Lastspitzen, die nicht mit einem Hochlastzeitfenster zusammenfallen, von der Bestimmung der Leistungspreiskomponente ausgenom-men.

bei neben den Kosten der Stromerzeugung und des -ver-triebs auch aus administrativen Preisbestandteilen zusam-men. Zu letzteren zählen die Netznutzungsentgelte (NNE) sowie Abgaben, Steuern und Umlagen. Der Preis des Strom-großhandels ist also nur eine von mehreren Komponenten, die das Verbrauchs- und Flexibilitätsverhalten beeinflus-sen. Wie stark der Einfluss des Strompreises ist, bezie-hungsweise wie marktdienlich flexibel sich ein Verbrau-cher verhält, ist auch von den Effekten der administrativen Komponenten abhängig. Die NNE spielen dabei aufgrund ihrer Höhe und ihrer Systematik eine große Rolle.

NNE verteilen die Kosten des Netzbetriebs, des Netzan-schlusses und des Netzausbaus sowie Teile der Kosten der Systemdienstleistungen auf die Stromverbraucher. Die Struktur der NNE zielt grundsätzlich darauf ab, ein Ver-brauchsverhalten anzureizen, das die Bewirtschaftung des Netzes unterstützen soll. Gleichzeitig setzen die NNE in ei-nigen Situationen Anreize, die den Bedürfnissen des Mark-tes unnötigerweise entgegenstehen. Sie können deshalb die Flexibilisierung und insbesondere die Erschließung flexibler Verbraucher behindern.

Besonders relevant für die Flexibilisierung des Strommark-tes ist die Erschließung leistungsgemessener Verbraucher.

Relevante Bestandteile der Netzentgeltsystematik Abbildung 18

Eigene Darstellung

Leistungspreiskomponente: § 17 StromNEV→ Netzentgelte leistungsgemessener Verbraucher bestehen aus • einer Arbeitspreiskomponente abhängig von der Gesamtmenge des verbrauchten Stroms • einer Leistungspreiskomponente abhängig vom individuellen maximalen Strombezug (der Bezugsspitze) im Laufe eines Jahres Atypische Netznutzung: § 19 (2) Satz 1 StromNEV→ Netzbetreiber müssen Verbrauchern ein reduziertes Entgelt anbieten, wenn deren individuelle Bezugsspitze zeitlich nicht in einem

Hochlastzeitfenster liegt → Bezugsspitzen außerhalb von Hochlastzeitfenstern werden von der Bestimmung der Leistungspreiskomponente ausgenommen

Stromintensive Verbraucher: § 19 (2) Satz 2ff. StromNEV → Stromintensive Verbraucher haben Anspruch auf ein reduziertes Netzentgelt, sobald sie mindestens 7.000 Benutzungsstunden in

Höhe ihrer Bezugsspitze und einen Stromverbrauch über 10 GWh pro Jahr aufweisen

Netznutzungsentgelte: Relevante Regelungen

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cher verhindert wird. Vor diesem Hintergrund ergeben sich durch die Leistungspreiskomponente der NNE und die Aus-nahmeregelungen des §19 (2) StromNEV relevante Hemm-nisse für die Lastflexibilität.

3.5.1 Wie wirkt das Hemmnis?Die Regelungen aus §17 StromNEV (Leistungspreiskom-ponente) setzen wie bereits beschrieben Anreize für ein gleichmäßiges Verbrauchsverhalten. Verbraucher können ihre NNE reduzieren, wenn sie Bezugsspitzen vermeiden, die eine deutliche Abweichung gegenüber ihrer durch-schnittlichen Stromabnahme darstellen. Diese Anreize kön-nen dazu führen, dass flexible Verbraucher ihre Last auch dann nicht erhöhen, wenn der Strompreis besonders niedrig ist. Mit alleinigem Blick auf den Strompreis könnten die Verbraucher zwar Kosten sparen, wenn sie ihren Konsum von Hoch- in Niedrigpreisstunden verlagerten. Wenn diese Einsparung aber durch eine Steigerung des Leistungsprei-ses überkompensiert würde, verzichten die Verbraucher auf eine Anpassung ihres Konsums.

Gerade in Situationen mit einer hohen Einspeisung Erneu-erbarer Energien und einer niedrigen Nachfrage wäre eine Ausweitung des Verbrauchs nicht nur aus Sicht des Mark-tes wünschenswert, sondern würde potenziell auch das Netz entlasten. Darüber hinaus kann die Leistungspreiskom-ponente unerwünschte Rückwirkungen auf Verbraucher haben, die negative Regelreserve bereitstellen. Wenn ein Verbraucher im Falle eines Abrufs seine Last erhöht, kann daraus eine Erhöhung seiner Bezugsspitze und damit seiner NNE folgen. Im Gegensatz zur AbLaV besteht keine Rege-lung, die die Teilnahme der Verbraucher am Regelreserve-markt gesondert berücksichtigt. Der Verbraucher wird folg-lich die zusätzlichen Einnahmen aus der Bereitstellung von Regelreserve gegen die etwaigen Zusatzkosten abwägen. Die derzeitige Netzentgeltsystematik kann sich also auch nega-tiv auf das Angebot und die Kosten von Systemdienstleis-tungen auswirken.

Die Ausnahmeregelung für Verbraucher mit atypischer Netznutzung (§19 (2) Satz 1 StromNEV) kann ebenfalls dazu beitragen, dass ihre Konsumentscheidung verzerrt wird. Problematisch ist in diesem Zusammenhang die statische

Die Sätze 2 ff. aus §19 (2) StromNEV richten sich an stro-mintensive Verbraucher. Sie haben Anspruch auf ein re-duziertes Netzentgelt, sobald sie mindestens 7.000 Be-nutzungsstunden in Höhe ihrer Maximallast und einen Stromverbrauch über 10 GWh pro Jahr aufweisen. Mit einer weiteren Steigerung der Benutzungsstundenzahl steigt die maximal mögliche Reduktion stufenweise. Die tatsächliche Höhe der Reduktion ist auch von der sogenannten physika-lischen Komponente abhängig, die den Beitrag des Verbrau-chers zur Netzentlastung abbilden soll. Die physikalische Komponente entspricht den Kosten der Nutzung einer fikti-ven Leitung zwischen dem Netzanschlusspunkt des Ver-brauchers und einer geeigneten Erzeugungsanlage (BNetzA, 2013).

Die Netzentgeltstruktur für Verbraucher mit atypischer Netznutzung setzt Anreize, die hohe gleichzeitige Belas-tungsspitzen vermeiden und den Netzausbaubedarf nicht unnötig erhöhen sollen. Die Leistungspreiskomponente und die Regelungen für stromintensive Verbraucher sollen zu-sätzlich eine gleichmäßige Auslastung des Netzanschlus-ses fördern, damit die Netzinfrastruktur nicht unnötig groß dimensioniert werden muss. Aus Sicht des Netzes wirken diese Anreize in der Tendenz kostensenkend. Im Ergebnis werden die Stromkosten der Verbraucher allerdings stär-ker von dem Preissignal des Marktes entkoppelt. Das kann dazu führen, dass Netz und Markt unterschiedliche Signale an den Verbraucher senden. In Situationen mit niedrigen Strompreisen erhöht der Verbraucher dann seine Last unter Umständen nicht oder er senkt sie nicht bei hohen Strom-preisen. Auf diese Weise wird die vorhandene Flexibilität nicht optimal genutzt.

Sowohl auf der Seite des Marktes als auch auf der Seite des Netzes sind die Anreize fundamental begründet. Markt-dienliches Verhalten flexibler Verbraucher sollte nicht dazu führen, dass eine ineffizient hohe Netzbelastung entsteht. Die Koordination dieser Anreize ist jedoch gerade an der Schnittstelle des regulierten Netzbereichs und des wettbe-werblich organisierten Strommarktes komplex. Unnötige Hemmnisse für die Erschließung flexibler Lasten können dann entstehen, wenn auch in einer für das Netz unkriti-schen Situation ein marktdienliches Verhalten der Verbrau-

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braucher läuft jedoch Gefahr, diese Vergünstigung zu ver-lieren, wenn er sich flexibel nach dem Strompreissignal ver-hält: Reduziert er seinen Konsum in Knappheitssituationen, verringert dies seine Benutzungsstunden, wodurch er die kritische Stundengrenze unterschreiten könnte. Gleichzei-tig kann der Strombezug unter die Grenze von 10 GWh/a fallen. Erhöht der Verbraucher seinen Verbrauch, kann da-gegen seine Spitzenlast steigen und damit die Referenz-größe für die Benutzungsstunden. Er müsste damit im Jahr signifikant mehr Strom verbrauchen, um weiterhin von dem reduzierten Netzentgelt zu profitieren.

3.5.2 prämissen der HemmnisbeseitigungDamit das Flexibilitätspotenzial auf der Nachfrageseite bestmöglich für das Stromsystem als Ganzes genutzt wer-den kann, sollte die Struktur der Netzentgelte so überar-beitet werden, dass die Nachfrage an den Markt heran-geführt wird. Dafür ist es notwendig, dass das Preissignal des Strommarktes den Verbraucher möglichst unverzerrt erreicht. Dies wird umso wichtiger, je mehr der Bedarf nach Flexibilität im Zuge der Energiewende steigt. Gerade im

Festlegung der Hochlastzeitfenster auf Basis der viertel-stündlichen Netzlast des Vorjahres. Beispielsweise waren in der Vergangenheit hohe gleichzeitige Entnahmen aus dem Netz zur Mittagszeit ein Treiber für den Verteilnetzausbau. Dementsprechend konnte ein über die Mittagszeit defi-niertes Hochlastzeitfenster netzdienliche Anreize zu einer Verringerung der Last setzen. Mit einer zunehmenden PV-Einspeisung zur Mittagszeit kann sich die Situation jedoch wandeln, sodass durch die künstlich angereizte Lastreduk-tion sogar der Bedarf für den Netzausbau ansteigen kann. Hinzu kommt, dass in diesen Situationen üblicherweise auch der Markt von einer Erhöhung der Last profitieren würde.

Neben den bisher genannten Hemmnissen bestehen durch die Ausnahmen für stromintensive Verbraucher nach §19 (2) Satz 2 ff. StromNEV weitere Fehlanreize, die eine markt-dienlich flexible Steuerung der Last verhindern können. Verbraucher mit mehr als 7.000 Benutzungsstunden in Höhe ihrer Maximallast und einem Strombezug über 10 GWh/a zahlen ein reduziertes Netzentgelt. Ein solcher Ver-

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Illustrative Darstellung der Wirkung der Netzentgeltsystematik auf die residuale Lastdauerlinie Abbildung 19

Eigene Darstellung

Zeit

Ineffi zient hohe Last aufgrund gefahr reduzierter Benutzungsstunden und reduziertem gesamtverbrauch

Ineffi zient niedrige Last aufgrund gefahr einer erhöhten Bezugsspitze

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in ineffizientem Maße beeinträchtigt wird. Eine reduzierte Last könnte bei der Bemessung der Benutzungsstunden unberücksichtigt bleiben, sobald der Peis am Strommarkt eine vorher definierte Schwelle überschritten hat. Dadurch würde die Lastreduktion in Situationen mit hohen Preisen und hoher Nachfrage nicht nachteilig bewertet. Gleichzeitig müsste sichergestellt werden, dass das Verbrauchsverhalten nicht zu neuen netzseitigen Herausforderungen führt. In der Tendenz wird das Netz durch eine Lastreduktion in Knapp-heitssituationen allerdings entlastet.

Analog zu diesen Überlegungen sollte in Situationen mit ei-ner hohen Einspeisung Erneuerbarer Energien eine markt-dienliche Erhöhung der Last durch leistungsgemessene Verbraucher nicht zu höheren NNE führen, sofern das Netz nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt wird. Bei der Be-stimmung der Leistungspreiskomponente nach §17 Strom-NEV könnten Bezugsspitzen ausgenommen werden, die in Stunden mit niedrigen Preisen am Strommarkt auftreten. Für stromintensive Verbraucher würden diese Bezugsspit-zen zudem nicht als Bemessungsgrundlage für die Jah-resbenutzungsstunden herangezogen. Es ist jedoch nicht pauschal zu sagen, ob eine Erhöhung der Last in Situatio-nen mit niedrigen Strompreisen zu einer Verringerung oder Verstärkung der Netzbelastung führt. Deshalb sollte geprüft werden, ob zusätzlich zum Strompreis ein sinnvoller netz-seitiger Indikator angelegt werden kann, um die Effekte des Verbrauchsverhaltens auf die NNE zu bestimmen. Denkbar ist beispielsweise das Konzept der Hochlastzeitfenster zu diesem Zweck weiterzuentwickeln.

Die Festlegung sinnvoller Preisgrenzen ist jedoch mit Her-ausforderungen verbunden. Wie häufig bei regulatorischen Vorgaben, können keine optimalen Preisgrenzen bestimmt, sondern lediglich Abwägungen getroffen werden. In diesem Fall wird zwischen der netzseitigen Perspektive einerseits und der marktseitigen Perspektive andererseits abgewogen. Aus Sicht des Netzes wären keinerlei Ausnahmen von den bestehenden Regeln wünschenswert, während aus Markt-sicht das Einsatzverhalten vollständig unabhängig von den NNE erfolgen sollte. Vor diesem Hintergrund sollte eine sinnvolle Regelung darauf abzielen, Verzerrungen durch die NNE in Situationen zu vermeiden, in denen ein infle-

Bereich industrieller Verbraucher sind die technischen Vo-raussetzungen für Lastmanagement bereits gegeben, hier können große Potenziale mit geringen Kosten erschlossen werden.

Die Herausforderung liegt dabei allerdings in der Koor-dination von markt- und netzdienlichem Verhalten. Die marktdienlichen Anreize dürfen nicht dazu führen, dass unverhältnismäßige Folgewirkungen für den Netzbetrieb entstehen oder der Netzausbaubedarf in ineffizientem Aus-maß ansteigt. Gleichzeitig sollte die Netzentgeltsystema-tik so gestaltet werden, dass ähnlich wie bei der AbLaV kein unnötiges Hindernis für die Teilnahme flexibler Lasten am Regelreservemarkt entsteht. Wie bereits in Abschnitt 3.4 diskutiert, ist die Erweiterung des Anbieterkreises für Re-gelleistung von steigender Bedeutung.

In dieser Studie diskutieren wir Möglichkeiten zur Opti-mierung der Anreize für Verbraucher im Rahmen des be-stehenden Systems. Dementsprechend wird an dieser Stelle nicht die industriepolitische Motivation für die Entlastung stromintensiver Verbraucher hinterfragt.

3.5.3 Vorschlag zur Hemmnisbeseitigung und relevante Abwägungen

Die Regelungen des §17 StromNEV und die Ausnahmeregeln nach §19 (2) StromNEV bieten verschiedene Ansatzpunkte, um den flexiblen Einsatz derjenigen Verbraucher zu ermög-lichen, die besonders für Lastmanagement und die Bereit-stellung von Regelleistung geeignet sind.11

Vor diesem Hintergrund sollten sich aus einem marktdienli-chen Verhalten keine Nachteile für die Netzentgeltbelastung der Verbraucher ergeben. Dementsprechend sollte sich für stromintensive Verbraucher, die unter die Ausnahmerege-lungen des §19 (2) S. 2 ff. StromNEV fallen, keine Nachteile aus einer Reduktion der Last in Situationen mit einer hohen Nachfrage und einer geringen Einspeisung Erneuerbarer Energien ergeben, sofern das Netz durch ihr Verhalten nicht

11 Die hier diskutierten Optionen zur Weiterentwicklung basieren auf Connect (2014) sowie auf Arbeiten von r2b energy consulting GmbH und Fraunhofer ISI (vgl. Connect, in Veröffentlichung).

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xibles Verbrauchsverhalten mit besonders hohen Kosten einhergeht. Ein Ansatzpunkt wäre, die Preisgrenze für eine Lasterhöhung unterhalb der Grenzkosten eines typischen Grundlastkraftwerks anzusetzen, und die Preisgrenze für eine Lastreduktion oberhalb der Grenzkosten typischer konventioneller Spitzenlasttechnologien.

Auch beim Konzept der atypischen Netznutzung (§19 (2) Satz 1 StromNEV) lassen sich die Kompatibilität von netz- und marktseitigen Anreizen erhöhen. So sollte die Nutzung von Hochlastzeitfenstern als Indikator für die Netzbelastung nicht zu unnötig widersprüchlichen Anreizen von der Netz- und der Marktseite führen. Es sollte geprüft werden, ob die Vorlaufzeiten, mit denen die Zeitfenster bestimmt werden, verkürzt werden können. So könnten relevante Entwick-lungen wie beispielsweise der Ausbau der Erneuerbaren Energien schneller berücksichtigt werden. Durch eine Ver-kürzung der Zeiträume, auf die die Hochlastzeitfenster an-gewendet werden, könnten die Anreize der NNE besser mit der Netz- und Marktsituation übereinstimmen. Mit diesem Ziel wäre zu untersuchen, ob eine sinnvolle Methode zur dynamischen Definition der Hochlastzeitfenster entwickelt werden kann, die unter anderem die Einspeisung Erneuer-barer Energien berücksichtigt.

Wie die Anpassung des Verbrauchsverhaltens an das Strompreissignal sollte auch der Abruf von Regelenergie nicht die NNE erhöhen. Auch hier geht es um systemdien-liches Verhalten, das auf Anweisung des ÜNB erfolgt. Die entsprechende Lasterhöhung beziehungsweise die Lastre-duktion sollte ähnlich wie bei der AbLaV nicht die für die Leistungspreiskomponente relevante Bezugsspitze erhöhen oder über die Bewertung der Jahresbenutzungsstunden die Ausnahmeregelungen für stromintensive Verbraucher be-einflussen.

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→ Welche Wirkung haben flexible Verbraucher auf das Versorgungssystem?

Durch die Marktteilnahme flexibler Verbraucher ändert sich der optimale Technologiemix im Strommarkt, die Kosten der Stromversorgung sinken. Zudem ändert sich der Verlauf des Strompreises. Indem insbesondere flexible Verbraucher die nötigen Preissignale setzen, unterstützen sie die Vollkosten-deckung anderer Technologien.

→ Wie verändert sich die optimale Menge an Lastma­nagement bei einem steigenden Anteil Erneuerbarer Energien?

Der Wert der durch Verbraucher bereitgestellten Flexibilität steigt mit dem Ausbau Erneuerbarer Energien. Es werden mehr nachfrageseitige Optionen genutzt. Die im Vergleich zu einem weniger flexiblen System erzielten Kosteneinspa-rungen steigen, je höher der Anteil der Erneuerbaren Ener-gien ist.

→ Wie wirkt sich eine Veränderung des angenomme­nen Potenzials flexibler Verbraucher aus?

Bei einem größeren nachfrageseitigen Flexibilitätspotenzial werden die Vollkosten der Marktteilnehmer durch häufi-gere, aber niedrigere Preisspitzen refinanziert. Zudem wer-den in einem entsprechend flexibleren Versorgungssystem erneuerbare Erzeugungsanlagen seltener strompreisbedingt abgeregelt. Die veränderte Preisstruktur wirkt sich positiv auf den Marktwert der Erneuerbaren Energien aus.

Die quantitativen Analysen unterstreichen, dass flexible Verbraucher die Kosten der Stromversorgung senken, einen Beitrag zur Finanzierung von Kapazität leisten und ent-scheidend zur Integration Erneuerbarer Energien beitragen können. Damit diese Vorteile genutzt werden können, müs-sen jedoch die Voraussetzungen für eine Erschließung der Potenziale gegeben sein.

Flexible Verbraucher sind für die Transformation des Stromversorgungssystems von großer Bedeutung. Bei wachsenden Anteilen Erneuerbarer Energien steigt ihre Bedeutung für eine sichere und kostengünstige Versorgung. Im Zuge der Energiewende sollten nachfrageseitige Flexibi-litätsoptionen deshalb ebenso Zugang zum Markt erhalten wie flexible Erzeuger, die Flexibilitätsoptionen des Binnen-marktes und andere Anbieter von Flexibilität.

Flexible Verbraucher können über Lastverschiebung und freiwilligen Lastverzicht aktiv am Strommarkt teilnehmen. Ihre Einsatzentscheidung treffen sie dabei, indem sie ihren Nutzen des Stromverbrauchs gegen die Kosten des Strom-bezugs abwägen. Der Umfang der Nutzung nachfragesei-tiger Flexibilitätspotenziale hängt von den individuellen Opportunitätskosten und der Volatilität der Strompreise ab. Die Analyse aktueller Gebotskurven der Strombörse gibt Hinweise darauf, dass bereits heute Verbraucher aktiv am Stromhandel teilnehmen. Angesichts der großen Potenziale ist davon auszugehen, dass mit steigendem Bedarf und ent-sprechender Preisvolatilität weitere nachfrageseitige Flexi-bilitätsoptionen erschlossen werden.

Die Teilnahme flexibler Verbraucher am Strommarkt wirkt sich direkt auf das Marktergebnis aus. Wenn ein nachfra-geseitiges Gebot zum Ausgleich von Angebot und Nachfrage führt, spiegeln sich die Opportunitätskosten der Verbrau-cher in den Strompreisen wider. Diese Preise signalisieren dann die Zahlungsbereitschaft für Flexibilität und beein-flussen somit die wirtschaftlichen Anreize anderer Markt-teilnehmer. Somit verändert sich auch der Leistungs- und Erzeugungsmix.

Quantitative Analysen zeigen diese und weitere Wirkun-gen von Lastmanagement auf den Strommarkt. Durch die Anwendung eines vereinfachten Modellansatzes veran-schaulichen wir im ersten Teil dieser Studie die idealtypi-sche Wirkungsweise von Lastflexibilität und illustrieren die damit verbundenen positiven Effekte. Die Ergebnisse der Analyse geben Antwort auf drei zentrale Fragen:

4 Fazit und Empfehlungen

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→ als Bezugspreis für die Börsenpreisbindung das Maxi-mum beziehungsweise Minimum aller relevanten Spot-marktpreise gewählt wird.

Zudem sollten die Anreize adäquater gestaltet werden, in-dem zusätzlich

→ die relevanten Kosten der Regelleistungsvorhaltung ver-ursacherorientiert umgelegt werden.

Die Stärkung des AE-Mechanismus kann wertvolle Anreize zur Erschließung flexibler Lasten setzen und die Systemsi-cherheit stärken. Bei der Ausgestaltung sollte die Steigerung der Effizienz der Anreize gegen mögliche Rückwirkungen auf die finanziellen Risiken für Bilanzkreise und somit auf die Wettbewerbsintensität abgewogen werden.

→ Regelreservemarkt

Die Beschaffung von Regelleistung dient der Systemsicher-heit und folgt regulatorischen Vorgaben. Die Ausschreibun-gen und die Produkte sind derzeit so gestaltet, dass flexiblen Lasten die Teilnahme an den Märkten unnötig erschwert wird. Zudem sind der Regelreservemarkt und der Spotmarkt zeitlich nicht optimal aufeinander abgestimmt, die Anbie-ter können ihre Opportunitätskosten nicht effizient be-rücksichtigen. Dadurch werden die Preissignale der Märkte verzerrt und Flexibilitätsoptionen werden nicht optimal eingesetzt.

Durch eine Verkürzung der Ausschreibungszeiträume und Produktlaufzeiten ließen sich sowohl die impliziten Markt-eintrittsbarrieren für flexible Lasten reduzieren als auch die Koordination von Regelleistungs- und Spotmärkten ver-bessern. Bei allen Anpassungen gilt, dass die Systemsicher-heit weiterhin auf dem heutigen Niveau gewährleistet sein muss.13

13 Die hier diskutierten Optionen zur Weiterentwicklung ba-sieren auf Connect (2014) sowie auf gemeinsamen Arbeiten von Consentec GmbH, r2b energy consulting GmbH und Connect (vgl. Connect, in Veröffentlichung).

Damit der Bedarf an Flexibilität möglichst effizient gedeckt wird, sollte der Strommarkt zu einem Level-Playing-Field werden, auf dem sich die kostengünstigsten Anbieter von Flexibilität durchsetzen. Das derzeitige Markt- und Regu-lierungsdesign hemmt in einigen Bereichen die Erschlie-ßung flexibler Lasten und anderer Flexibilitätsoptionen. Die Hemmnisse zeigen sich dabei häufig in einer Verzerrung des Wettbewerbs oder in verzerrten Anreizen für die Marktteil-nehmer. Eine mögliche Konsequenz daraus ist ein subopti-maler und damit unnötig teurer Flexibilitätsmix. In die-ser Studie diskutieren wir für Lastmanagement besonders relevante Hemmnisse und zeigen auf, wie sie durch eine Weiterentwicklung des Markt- und Regulierungs designs abgebaut werden können.

→ Bilanzkreismanagement

Im Rahmen des Bilanzkreismanagements sorgen die ver-antwortlichen Marktteilnehmer für einen Ausgleich von Erzeugung und Verbrauch. Sie tätigen Ausgleichsgeschäfte und schaffen eine Nachfrage nach Flexibilität. Somit kön-nen sie zu einem marktbasierten Ausgleich von Ange-bot und Nachfrage beitragen. Die wirtschaftlichen Anreize für aktives Bilanzkreismanagement sind derzeit jedoch zu schwach, der Bedarf an Flexibilität wird nicht ausreichend im Markt sichtbar.

Die Anreize sollten durch eine Weiterentwicklung des Aus-gleichsenergiemechanismus (AE-Mechanismus) gestärkt werden.12 Die derzeitige Umlage der Kosten des Regelener-gieabrufs auf unausgeglichene Bilanzkreise kann effizienter gestaltet werden, indem

→ lediglich die Kosten des Abrufs in überwiegender Abruf-richtung berücksichtigt werden,

→ die Regelenergiekosten der Minutenreserve auf Basis ei-nes Einheitspreissystems bestimmt werden und

12 Diese Ansätze basieren auf Connect (2014) sowie auf gemein-samen Arbeiten von Consentec GmbH, r2b energy consul-ting GmbH und Connect (vgl. Connect, in Veröffentlichung).

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Studie | Aktionsplan Lastmanagement

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Situationen mit niedrigen Preisen erhöhen beziehungs-weise bei hohen Preisen reduzieren. Gleichzeitig können die Anreize die Teilnahme der Verbraucher am Regelreserve-markt hemmen.

Aus diesen Gründen sollte die Netzentgeltsystematik wei-terentwickelt werden.14 Aus marktdienlichem Verbrauchs-verhalten sollten sich jedoch keine unerwünschten Rück-wirkungen auf die Netzbelastung ergeben.

Insbesondere die Ausnahmetatbestände des §19 (2) Strom-NEV sollten so angepasst werden, dass

→ wenn eine vorgegebene Preisgrenze am Strommarkt überschritten (unterschritten) wird, eine Lastreduktion (Lasterhöhung) nicht nachteilig bei der Berechnung der Netzentgelte für die Verbraucher gewertet wird.

Um einen ineffizient hohen Anstieg der Netzbelastung zu vermeiden, können die genannten Regelungen an einen netzseitigen Indikator geknüpft werden. Die Netzentgelt-systematik sollte zudem so gestaltet werden, dass

→ eine Änderung der Last aufgrund eines Regelenergieab-rufs nicht negativ auf die Entgelte der Verbraucher wirkt.

Eine

→ Weiterentwicklung der Methode zur Bestimmung von Hochlastzeitfenstern

kann zudem dazu dienen, die Kompatibilität von markt- und netzdienlichen Anreizen zu erhöhen.

Durch den Abbau von Hemmnissen im Markt- und Regulie-rungsdesign kann die Teilnahme flexibler Lasten am Strom-markt bereits deutlich erleichtert werden. Auf diese Weise lassen sich die positiven Effekte flexibler Lasten nutzen und der Flexibilisierungsprozess im Kontext der Energiewende

14 Die Ansätze zur Weiterentwicklung basieren auf Connect (2014) sowie auf Arbeiten von r2b energy consulting GmbH und Fraunhofer ISI (vgl. Connect, in Veröffentlichung).

Das langfristige Ziel der Weiterentwicklung sollte für alle Regelreservearten

→ kalendertägliche Ausschreibungen und → stündliche Produkte

sein. Um die Anpassungsprozesse für die Marktteilnehmer und die Übertragungsnetzbetreiber abzufedern, kann ein schrittweises Vorgehen sinnvoll sein. Die nächsten Schritte für die Regelreservearten sollten wie folgt gestaltet werden:

→ Minutenreserve: kalendertägliche Ausschreibungen mit einstündigen Produkten, gegebenenfalls in Kombination mit Blockgeboten

→ Sekundärregelreserve: kalendertägliche Ausschreibun-gen in Kombination mit einem zentralen Sekundärhandel, einstündige Produkte in Kombination mit Blockgeboten

→ Primärregelreserve: getrennte Ausschreibung für positive und negative Reserve

Zudem sollten die

→ Präqualifikationsbedingungen zu den Produktdefinitio-nen passen,

um unnötige explizite Markteintrittsbarrieren für flexible Lasten zu vermeiden. Um grundsätzlich die Effizienz der Regelreservemärkte zu erhöhen, könnte sowohl für den Ab-ruf als auch für die Vorhaltung der Minutenreserve ein Ein-heitspreissystem eingeführt werden. Für die Vorhaltung der Sekundärregelreserve kann ebenfalls ein Einheitspreissys-tem in Erwägung gezogen werden. Dabei sollte untersucht werden, ob der Wettbewerb in diesem Segment für diesen Schritt ausreichend ist.

→ Netznutzungsentgelte

Die Netznutzungsentgelte beeinflussen die Strombezugs-kosten der Verbraucher und damit ihre wirtschaftlichen Anreize für ein flexibles Verbrauchsverhalten. Die derzei-tige Netzentgeltsystematik kann dabei zu Anreizen führen, die dem Strompreissignal widersprechen. Dadurch kann verhindert werden, dass flexible Verbraucher ihre Last in

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kostengünstig und sicher organisieren. Im Zuge der Trans-formation sollte das Markt- und Regulierungsdesign jedoch kontinuierlich auf Hemmnisse überprüft werden, um den sich ändernden Bedürfnissen des Stromsystems gerecht zu werden.

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Die Erzeugung aus Erneuerbaren Energien besteht je zur Hälfte aus Wind- und Solarstrom. Die gesamte erneuerbar erzeugte Strommenge ergibt sich aus einem vorgegebenen Anteil an der Nachfrage. Da dieser Anteil in den Szenarien variiert, beträgt die erneuerbar erzeugte Strommenge im 25 Prozent-Szenario 135,9 TWh, im 50 Prozent-Szenario 271,8 TWh und im 75 Prozent-Szenario 407,7 TWh. Anhand von historischen Einspeisestrukturen aus dem Jahr 2013 wer-den die Jahresstrommengen auf die einzelnen Stunden ver-teilt (EEX, 2015).

→ Variable Kosten

Die Kosten für den Einsatz konventioneller Technologien ergeben sich im Wesentlichen aus den Annahmen zu den Brennstoffpreisen und den CO2-Preisen. Den Annahmen zu den Brennstoffpreisen liegen die jeweiligen Einfuhrpreise für Deutschland aus dem Jahr 2013 zugrunde (BMWi, 2014; vgl. Tabelle 2). Für CO2 nehmen wir einen Preis in Höhe von 30 Euro/t an.

→ Investitionskosten

Die Investitions- und fixen Betriebskosten aller im Modell verfügbaren Technologieoptionen sind in Tabelle 3 aufge-führt. Zur Ermittlung der annuitätischen Kosten legen wir Abschreibungszeiträume zwischen 15 und 20 Jahren zu-grunde und setzen einen Zinssatz von 7,5 Prozent an.

→ Nachfrage und Erneuerbare Energien

Die Nachfrage liegt bei 543,6 TWh/a und entspricht der Nettonachfrage für das Referenzjahr 2013 aus dem geneh-migten Szenariorahmen für den Netzentwicklungsplan 2015 (BNetzA, 2014). Die Struktur der Nachfrage beruht auf stündlichen Nachfragedaten aus dem Jahr 2013 von ENTSO-E (2015). Die Differenz zwischen der hier unter-stellten Nachfrage und der Gesamtnachfrage nach ENTSO-E (2015) wird dabei als Band aufgeschlagen. Die Spitzenlast liegt bei 84,8 GW.

Annahmen zu Brennstoffpreisen Tabelle 2

Eigene Darstellung auf Basis von BMWi (2014)

[euro/ mWhth]

Braunkohle Steinkohle gas Öl

Preis 1,50 9,72 27,54 52,58

Annahmen zu Investitions­ und fixen Betriebskosten Tabelle 3

Eigene Annahmen

[euro/kWa],[euro/kW]

Braunkohle Steinkohle gud gt neA lastverschiebung lastverzicht

Annuitätische investitionskosten

196,2 147,1 75,5 51,0 0,7 ­ 2,2 2,5 ­ 37,1 0,0

fixe Betriebskosten

36,7 24,0 20,0 7,0 7,0 0,0 0,0

5 Anhang

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Literaturverzeichnis

Deutscher Bundestag (2012): Drucksache 17/11671 Verordnung über Vereinbarungen zu abschaltbaren Lasten. Deutscher Bundestag, 2012. Verfügbar online unter http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/116/1711671.pdf.

EEG: Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG 2014). Verfügbar online http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/eeg_2014/gesamt.pdf.

EnWG: Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz – EnWG). Verfügbar online unter http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/enwg_2005/gesamt.pdf.

EEX (2015): Daten der EEX Transparenzplattform. European Energy Exchange, 2015. Verfügbar online unter http://www.transparency.eex.com/de/.

ENTSO-E (2015): Country Data Packages. European Network of Transmission System Operators for Electricity, 2015. Verfügbar online unter https://www.entsoe.eu/data/data-portal/country-packages/Pages/default.aspx.

ENTSO-E (2014): ENTSO-E Network Code on Electricity Balancing Version 3.0, Stand 06.08.2014. European Network of Transmission System Operators for Electricity, 2014. Verfügbar online unter https://www.entsoe.eu/Documents/Network Prozent20codes Prozent20documents/NC Prozent20EB/140806_NCEB_Resubmission_to_ACER_v.03.PDF.

Frontier/Formaet (2014): Strommarkt in Deutschland – Gewährleistet das derzeitige Marktdesign Versorgungssicherheit? Frontier Economics Ltd., FORMAET Services GmbH, 2014.

Frontier/Consentec (2014): Folgenabschätzung Kapazitätsmechanismen (Impact Assessment). Frontier Economics Ltd., Consentec GmbH, 2014.

Plattform Erneuerbare Energien (2012): Bericht der AG 3 Interaktion an den Steuerungskreis der Plattform

AbLaV (2012): Verordnung über Vereinbarungen zu abschaltbaren Lasten (Verordnung zu abschaltbaren Lasten). Verfügbar online unter http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/ablav/gesamt.pdf.

BMWi (2014): Zahlen und Fakten – Energiedaten, Stand 21.10.2014. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2014. Verfügbar online unter http://www.bmwi.de/DE/Themen/Energie/energiedaten.html.

BNetzA (2014): Szenariorahmen 2025: Genehmigung. Az.: 6.00.03.05/14-12-19/Szenariorahmen 2025. Bundesnetzagentur, 2014.

BNetzA (2013): Positionspapier zur Wahrnehmung der Pflichten nach §4 Abs. 2 StromNZV und Ziffer 5.2. des Standardbilanzkreisvertrages durch die Bilanzkreisverantwortlichen. Bundesnetzagentur, 16.09.2013.

BNetzA (2012): Beschluss BK6-12-024. Bundesnetzagentur, 25.10.2012.

BNetzA (2011a): Beschluss BK6-10-097. Bundesnetzagentur, 12.04.2011.

BNetzA (2011b): Beschluss BK6-10-098. Bundesnetzagentur, 12.04.2011.

BNetzA (2011c): Beschluss BK6-10-099. Bundesnetzagentur, 18.10.2011.

Connect (2014): Leitstudie Strommarkt – Arbeitspaket Optimierung des Strommarktdesigns. Connect Energy Economics GmbH, 2014. Verfügbar online unter http://media.connect-ee.com//Connect_LeitstudieStrommarkt_20140702.pdf.

Connect (in Veröffentlichung): Leitstudie Strommarkt 2015. Connect Energy Economics GmbH mit Beiträgen von Consentec GmbH, Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung, r2b energy consulting GmbH.

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Literaturverzeichnis

Erneuerbare Energien, die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder, Stand: 15.10.2012. Verfügbar online unter http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/A/abschlussbericht-ag-3-plattform-erneuerbare-energien,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf.

r2b (2014): Leitstudie Strommarkt – Arbeitspaket Funktionsfähigkeit EOM & Impact-Analyse Kapazitätsmechanismen. r2b energy consulting GmbH, 2014.

StromNEV (2014): Verordnung über die Entgelte für den Zugang zu Elektrizitätsversorgungsnetzen (Stromnetzentgeltverordnung - StromNEV). Verfügbar online unter http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/stromnev/gesamt.pdf.

StromNZV (2014): Verordnung über den Zugang zu Elektrizitätsversorgungsnetzen (Stromnetzzugangsverordnung - StromNZV). Verfügbar online unter http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/stromnzv/gesamt.pdf.

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AUf DEUtScH

12 Thesen zur Energiewende Ein Diskussionsbeitrag zu den wichtigsten Herausforderungen im Strommarkt (Lang- und Kurzfassung)

Auf dem Weg zum neuen Strommarktdesign: Kann der Energy­only­Markt 2.0 auf Kapazitätsmechanismen verzichten?Dokumentation der Stellungnahmen der Referenten für die Diskussionsveranstaltung am 17. September 2014

Ausschreibungen für Erneuerbare EnergienWelche Fragen sind zu prüfen?

Das deutsche Energiewende­Paradox. Ursachen und HerausforderungenEine Analyse des Stromsystems von 2010 bis 2030 in Bezug auf Erneuerbare Energien, Kohle, Gas, Kernkraft und CO2-Emissionen

Die Energiewende im Stromsektor: Stand der Dinge 2014Rückblick auf die wesentlichen Entwicklungen sowie Ausblick auf 2015

Die Rolle des Emissionshandels in der EnergiewendePerspektiven und Grenzen der aktuellen Reformvorschläge

Der Spotmarktpreis als Index für eine dynamische EEG­UmlageVorschlag für eine verbesserte Integration Erneuerbarer Energien durch Flexibilisierung der Nachfrage

Effekte regional verteilter sowie Ost­/West­ausgerichteter SolarstromanlagenEine Abschätzung systemischer und ökonomischer Effekte verschiedener Zubauszenarien der Photovoltaik

Ein robustes Stromnetz für die ZukunftMethodenvorschlag zur Planung – Kurzfassung einer Studie von BET Aachen

Erneuerbare­Energien­Gesetz 3.0Konzept einer strukturellen EEG-Reform auf dem Weg zu einem neuen Strommarktdesign

Energieeffizienz als GeschäftsmodellEin marktorientiertes Integrationsmodell für Artikel 7 der europäischen Energieeffizienzrichtlinie

Kapazitätsmarkt oder Strategische Reserve: Was ist der nächste Schritt?Eine Übersicht über die in der Diskussion befindlichen Modelle zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit in Deutschland

Klimafreundliche Stromerzeugung: Welche Option ist am günstigsten?Stromerzeugungskosten neuer Wind- und Solaranalagen sowie neuer CCS- und Kernkraftwerke auf Basis der Förderkonditionen in Großbritannien und Deutschland

Kostenoptimaler Ausbau der Erneuerbaren Energien in DeutschlandEin Vergleich möglicher Strategien für den Ausbau von Wind- und Solarenergie in Deutschland bis 2033

Lastmanagement als Beitrag zur Deckung des Spitzenlastbedarfs in SüddeutschlandEndbericht einer Studie von Fraunhofer ISI und der Forschungsgesellschaft für Energiewirtschaft

Publikationen von Agora Energiewende

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Alle Publikationen finden Sie auf unserer Internetseite: www.agora-energiewende.de

Negative Strompreise: Ursache und WirkungenEine Analyse der aktuellen Entwicklungen – und ein Vorschlag für ein Flexibilitätsgesetz

Netzentgelte in DeutschlandHerausforderungen und Handlungsoptionen

Positive Effekte von Energieeffizienz auf den deutschen StromsektorEndbericht einer Studie von der Prognos AG und dem Institut für Elektrische Anlagen und Energiewirtschaft (IAEW)

Power­to­Heat zur Integration von ansonsten abgeregeltem Strom aus Erneuerbaren EnergienHandlungsvorschläge basierend auf einer Analyse von Potenzialen und energiewirtschaftlichen Effekten

Reform des KonzessionsabgabenrechtsGutachten vorgelegt von Raue LLP

Stromspeicher für die EnergiewendeUntersuchung zum Bedarf an neuen Stromspeichern in Deutschland für den Erzeugungsausgleich, Systemdienstleistungen und im Verteilnetz

Stromverteilnetze für die EnergiewendeEmpfehlungen des Stakeholder-Dialogs Verteilnetze für die Bundesrepublik – Schlussbericht

Vergütung von Windenergieanlagen an Land über das ReferenzertragsmodellVorschlag für eine Weiterentwicklung des Referenzertragsmodells und eine Anpassung der Vergütungshöhe

AUf ENgLIScH

12 Insights on Germany’s EnergiewendeAn Discussion Paper Exploring Key Challenges for the Power Sector

Benefits of Energy Efficiency on the German Power SectorFinal report of a study conducted by Prognos AG and IAEW

Comparing Electricity Prices for IndustryAn elusive task – illustrated by the German case

Comparing the Cost of Low­Carbon Technologies: What is the Cheapest Option?An analysis of new wind, solar, nuclear and CCS based on current support schemes in the UK and Germany

Current and Future Cost of PhotovoltaicsLong-term Scenarios for Market Development, System Prices and LCOE of Utility-Scale PV Systems

Load Management as a Way of Covering Peak Demand in Southern GermanyFinal report on a study conducted by Fraunhofer ISI and Forschungsgesellschaft für Energiewirtschaft

Power Market Operations and System ReliabilityA contribution to the market design debate in the Pentalateral Energy Forum

Publikationen von Agora Energiewende

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Agora Energiewende ist eine gemeinsame Initiative der Stiftung Mercator und der European climate foundation.

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Wie gelingt uns die Energiewende? Welche konkreten Gesetze, Vorgaben und Maßnahmen sind notwendig, um die Energiewende zum Erfolg zu führen? Agora Energiewende will helfen, den Boden zu bereiten, damit Deutschland in den kommenden Jahren die Weichen richtig stellt. Wir verstehen uns als Denk- und Politiklabor, in dessen Mittelpunkt der Dialog mit den relevanten energiepolitischen Akteuren steht.

071/07-S-2015/de