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Prof. Dr. Michael Böwer
www.katho-nrw.de
Prävention von Gewalt und Grenzverletzungen
in institutionellen Schutzkonzepten der
Erziehungshilfe
10.6.2015 Fachforum Kindeswohl, Paderborn
„Kein Raum für Missbrauch.“
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… Ausgangspunkte.
Aktuell:
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„Kein Raum für Missbrauch ….“ Institutionelle Schutzkonzepte Prof. Dr. Michael Böwer
(Johann Hinrich Wichern 1833, Herv. M.B.)
Von »Liebe«, dem »richtigen Maß« an Nähe und Sicherheit zur »Achtsamkeit« . . .
Konzepte von Institutionen
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[» … und ihr Maß ist Geduld«]
o Erklärungen: „Schutz“ in Institutionen in interdisziplinärer Sicht
o Erkenntnisse, Tendenzen, Modelle: Sicherheit und Achtsamkeit
im Blick durch die „Glasdecke“ der sorgenden Institution
o Fazit: Zuverlässigkeit und sichere soziale Orte für Kinder und
Jugendliche
Drei Gesichtspunkte im sozialpädagogischen Blick:
„Kein Raum für Missbrauch ….“ Institutionelle Schutzkonzepte Prof. Dr. Michael Böwer
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o Erklärungen: „Schutz“ in Institutionen in interdisziplinärer Sicht
•Züchtigungsverbot
•Betriebserlaubnis
•Kinderrechte
• Pädosexualität
• Traumatologie, (Täter-/Opfer) Psychotherapie
•(Autoritäts-)Macht
•Gelegenheits-strukturen
Soziologie Psychologie
/Medizin
Recht, Politik
Soziale Arbeit/
Pädagogik
Gewalt, Sexualität und Aufwachsen in Gesellschaft
…
• Familienprinzip,
• Nähe-Distanz-Verhältnis
• Hilfe und Schutzauftrag
…
Kriminologie, Viktimologie Sexualpädagogik
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o Blick durch die organisationale Glasdecke der sorgenden Institution
->Wie im Bild des „Hängenbleibens“ von Frauen auf der Karriereleiter der
Organisation (glass ceiling effect) kommt es hier auf lange Zeit unsichtbare
Einschätzungen an, die institutionell darüber getroffen werden, sich einem
– unserem – Thema in bestimmter Weise (nicht) durchlassend zuzuwenden.
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Bei allem, was die bisherige öffentliche, fachliche und wissenschaftliche
Diskussion bislang ergeben hat, wird deutlich, dass:
die handlungsauslösende Wahrnehmung jedweder Gewalt in Institutionen
bislang weit hinter ihrer Entstehung und ihres Erleidens zurückhing,
Betroffene lange Zeit in Institutionen keine Ansprechpartner hatten, denen sie
sich hätten anvertrauen mögen und die ihnen uneingeschränkt geglaubt hätten,
Institutionell verschwiegen, verdrängt, verschoben, strafend gezüchtigt,
täterseitig und mitwissend mit Machtmitteln unterdrückt wurde,
nun das dringende Bedürfnis besteht, Sorge zu dafür zu tragen, dass Gewalt
in allen sozialen Nahräumen entgegen getreten wird – und dass alle Räume und
Orte für Kinder und Jugendliche „sicher“ sind.
„Kein Raum für Missbrauch ….“ Institutionelle Schutzkonzepte Prof. Dr. Michael Böwer
o Erkenntnisse: Blick durch die »Glasdecke« der sorgenden Institution
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Grundsätzlich gilt für Organisationen:
Sie sind nicht statisch - es findet ständig Wandel statt.
Sie sind nicht einfach formale Gebilde - sie werden „gemacht“ durch Akteure .
Sie bestehen aus Handlungen, Ereignissen, Konzepten, Regeln.
Sie sind vergleichsweise träge und ihre Routinen haben Nutzen: sie geben
Stabilität gegenüber Irritationen aus der Umwelt (vgl. Weick 1985).
Sie bewältigen Unsicherheit und Risiken der Moderne durch Programme und
produzieren als soziale, personbezogene Dienstleistungsorganisationen
Fürsorglichkeit (Hilfe, Diagnosen, Maßnahmen, Konzepte, Dienste).
In ihnen, wie in allen Systemen, ist Gewalt kaum monokausal erklärbar; sie
haben aber eine besondere Verantwortung als Sorgende Arrangements und
Institutionen der Gesellschaft.
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o Erkenntnisse: Blick durch die »Glasdecke« der sorgenden Institution
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o Tendenzen und Modelle: Sicherheits- vs. Achtsamkeitsstrategie
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• Fehlergefahr: Sicherheitsglaube, nun „alles geregelt“ zu haben, Fokus auf „finale Barrieren“
und „Einschleifen-Lernen“ lässt schwache Signale und Kultur unreflektiert.
Herausforderung: Auch hier Fehler möglich, aber begrenzbar.
Aktuelle Strategien näher betrachtet:
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o Tendenzen und Modelle: Sicherheits- vs. Achtsamkeitsstrategie
Risikoanalyse
„Passgenaues“ standardisiertes
Maßnahmenpaket
Trägerübergreifendes bzw.
einrichtungsübergreifendes (ggf. auch
„präambelhaftes“) Schutzkonzept
Ansprechpartner
dialogisches Ampelmodell, MindSet
Fokus auf „schwache Signale“,
„Aufmerksamkeit auf Abläufe“
HRO-Ansatz: Streben nach
Zuverlässigkeit und Handlungsfähigkeit
Sicherheit durch Technik
Achtsamkeit durch Kulturveränderung
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o Modelle: Risikoanalyse als sicherheitstechnologische
„Kontrolle des Erwartbaren“
„Basis eines Schutzkonzeptes bildet die sogenannte Risikoanalyse, die offenlegt, wo
die „verletzlichen“ Stellen einer Institution liegen – sei es im baulichen Bereich, im
Umgang mit Nähe und Distanz, sei es im Einstellungsverfahren. Die Ergebnisse dieser
Analyse zeigen, welche konzeptionellen und strukturellen Verbesserungen im Sinne
des Kinderschutzes erforderlich sind.“ (UBSKM 2015)
Fehlergefahren mithin:
Gültigkeitsanspruch
(„Offenlegung“),
Momentaufnahme,
Ein-Schleifen-Lernen,
nicht erwartbar dialogisch.
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o Tendenzen: Was hingegen meint „Achtsamkeit“?
Organisationen zeichnen sich sinnvollerweise durch eine „achtsame Kultur“ aus, die
o ihnen hilft, mit unklaren und unwägbaren Umweltbedingungen
o und vagen, fehleranfälligen Technologien umzugehen (vgl. Weick/Sutcliffe/Obstfeld 1999)
o während ihre Umwelt erwartet, dass sie mit „hoher Zuverlässigkeit“ agieren
o weshalb sie flexibel bleiben müssen, um „das Unerwartete zu managen“ (Weick/Sutcliffe 2010: 2ff.)
Fünf Prinzipien achtsamen Organisierens
1) kleinere Fehler und Störungen aufspüren,
2) groben Vereinfachungen widerstehen,
3) sensibel für betriebliche Abläufe bleiben,
4) flexibel reagieren,
5) die Orte des jeweils größten Sachverstandes nutzen (ebd.)
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o Modelle: MindSet der Kinder- und Jugendhilfe des Rauhen Hauses
Vgl. näher: Böwer/Brückner (2015): Das MindSet Achtsames Organisieren. In: Sozialmagazin H. 5/6 , S. 14-25
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Empirische Studien
Sexuelle Gewalt gegen Mädchen und Jungen in Institutionen, DJI (2011)
Monitoring des UBSKM (2013)
Auswertung der Hotline der DBK: Zimmer et al. (2014)
Adressat/innen- und Fachkräftebefragung „Ich bin sicher!“,
Landshut/Ulm/Hildesheim (lfd.)
Kindeswohlschutz organisieren – Jugendämter auf dem Weg zu
zuverlässigen Organisationen, Böwer (2012)
Schutzkonzepte, Hilfeplanung und SPFH, Schone et al. (2013)
Institutionelle Schutzkonzepte in der Erziehungshilfe »ISkE« (lfd.)
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o Erkenntnisse: Blick durch die »Glasdecke« der sorgenden Institution
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o Erkenntnisse: Blick durch die »Glasdecke« der sorgenden Institution
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Forschungsprojekt „Institutionelle Schutzkonzepte in Einrichtungen
der Erziehungshilfe (ISkE)“
Projektleitung: Prof. Dr. Michael Böwer
Wiss. Hilfskraft (Projektphase II): Sarah Remy Schmitz
Laufzeit: 8/2014 – (vorr.) 2/2016
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o Erkenntnisse: Blick durch die »Glasdecke« der sorgenden Institution
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Erste Erkenntnisse*
Was Schutzkonzepte sind, sein sollen oder könnten, ist weitgehend diffus.
Wichtig für die Etablierung von Schutzkonzepten in den Einrichtungen sind
Protagonist/innen („Kümmerer“) und hierarchischer Willen zur Umsetzung.
„Kein Raum für Missbrauch ….“ Institutionelle Schutzkonzepte Prof. Dr. Michael Böwer
* Basis: Expert/innen-Hearing, Sept. 2014 an der Univ. zu Köln (vgl. näher: Böwer et al. 2015a)
o Erkenntnisse: Blick durch die »Glasdecke« der sorgenden Institution
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Die Entwicklung von Schutzkonzepten ist eine „Organisations-Leistung“.
o Erkenntnisse: Blick durch die »Glasdecke« der sorgenden Institution
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Es braucht handhabbare und in die Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen
wie der Fachkräfte hineinreichende Konzepte auf dem Weg zu einer
sexualpädagogischen Haltung jenseits von Präambeln.
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Es braucht kundige Ansprechpartner und Zeit, bis das Neuerungen
institutionell bis in die Tiefe des Alltags „durchsickern“.
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Zum Nachlesen…Veröffentlichungen zum Projekt
„Kein Raum für Missbrauch ….“ Institutionelle Schutzkonzepte Prof. Dr. Michael Böwer
Böwer, Michael; Heinrichs, Britt; Naß, Mareike (2015a):
Institutionelle Schutzkonzepte in der Erziehungshilfe. Befunde einer
Forschungswerkstatt im Rahmen des Forschungsprojektes >ISkE<. In: BAG Die Kinderschutz-Zentren e.V. (Hrsg.): Kindgerecht. Verändertes
Aufwachsen in einer modernen Gesellschaft. Köln: Eigenverlag. S. 141-152
Dies. (2015b): "Wo man sich ja auch nichts vormachen muss: das ist auf
Papier, ne?!" Ansatzpunkte und erste Befunde des Forschungsprojektes
"Institutionelle Schutzkonzepte in Einrichtungen der Erziehungshilfe". In:
Böwer, M./Kotthaus, J.: Praxis des Kinderschutzes. Sozialmagazin-
Themenheft 5I6. S. 44-53*
https://www.beltz.de/fachmedien/sozialpaedagogik_soziale_arbeit/zeitschriften/sozialmagazin.html
o Erkenntnisse: Blick durch die »Glasdecke« der sorgenden Institution
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Paderborn Schutz von Kindern und Jugendlichen in Institutionen Prof. Dr. Michael Böwer
o Anstoß zur Diskussion: „Hohe Zuverlässigkeit“ … eine fachliche
Orientierungsgröße sicherer »Sozialer Orte«?
These 1: Vollständige Sicherheit ist nicht erwartbar und nicht herstellbar.
These 2: Fehlentscheidungen und Fehlwahrnehmungen sind stets möglich.
These 3: Allenfalls können für Organisationen „Halbwegs-Sicherheiten“
geboten werden - jede muss sich kontinuierlich um hohe Zuverlässigkeit
bemühen.
These 4: Dies gelingt womöglich, in dem sie ihre »Aufmerksamkeit auf
Abläufe« ausrichtet: Wahrnehmungen, Transparenz, Regeln und Praxen des
Miteinander-Umgehens stetig reflektiert und handhabbare (smarte) Verfahren
dialogisch mit Adressat/innen und Mitarbeiter/innen entwirft.
These 5: So wird es möglich, für Kinder und Jugendliche - und mit ihnen -
einen lebenswerten, entwicklungsförderlichen »sozialen Ort« (Winkler 1988)
zu stiften, der sicherer wird durch achtsame Praxen – ohne „sicher“ zu bleiben.
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in institutionellen Schutzkonzepten der
Erziehungshilfe
10.6.2015 Fachforum Kindeswohl, Paderborn
„Kein Raum für Missbrauch.“
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!