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6 Industriegeschichte THAYNGER Anzeiger DIENSTAG, 2. OKTOBER 2018 THAYNGEN Als Heinrich von Kleist sein berühmtes «Käthchen von Heilbronn» schreibt, kümmert sich der zehnjährige Carl Heinrich Theodor Knorr (1800–1875) noch keinen Deut darum. Erst 1838 zieht der Sohn eines Schulmeisters aus Meerdorf bei Braunschweig in die Heimatstadt seiner zweiten Frau Karoline Seyffardt. In Heilbronn eröffnet er eine Fabrik zur Herstel- lung von Zichorie-Kaffeesurroga- ten. Daneben dörrt er Obst und handelt in einem separaten Ge- mischtwarenladen mit Landes- produkten. Etwas ungenau wird der Beginn der Knorr-Geschichte ins Jahr 1838 verlegt, denn Knorr verkauft sein ordentlich florierendes Unterneh- men mit 53 Arbeitern im Januar 1855 und beginnt wieder von vorn, diesmal mit einer Tuchfabrik, die er aber im Dezember 1858 wiederum verkaufen muss, diesmal wohl, um einen Konkurs zu vermeiden. Im dritten Anlauf wendet sich Knorr ab 1859/60 wiederum der Nahrungsmittelbranche zu. Mit dem C. H. Knorr Engros-Geschäft in Reis, Gerste, Sago und Landes- produkten geht es aber erst ab 1866 mit dem Firmeneintritt des aus- landserfahrenen Sohns Carl Hein- rich Eduard (1843–1921) richtig aufwärts. Dieser setzt auf fabrik- mässig hergestellte Nahrungsmit- tel und verfolgt insbesondere die aus Frankreich mitgebrachte Idee, Suppenpräparate aus getrockneten Zutaten herzustellen. Unterstützt wird er dabei vom jüngeren Bruder Alfred. Knorr-Produkte ab 1879 In Schaffhausen kann man spä- testens ab Mai 1879 Knorr-Pro- dukte kaufen. So bietet Albert Altor- fer in der «Krone» Knorr-Suppen- teige an, wie er seine Kunden per Inserat im «Schaffhauser Intelli- genzblatt» wissen lässt. 1881 preist die Witwe von Friedrich Votsch- Hess im Haus zum Roten Adler, Vor- stadt 13, «Knorr’s gangbarste Sup- penartikel» an, dazu aber auch Ha- fermehl und Hafergrütze. Auch das Heilbronner Fettlaugenmehl dürfte von Knorr stammen. Von einem Durchbruch in Schaffhausen kann man wohl 1888 sprechen, als Knorr erstmals selbst ein Inserat platziert: «Sich gut ernähren ist keine Kunst, wenn in der Küche Knorr’s be- kannte Suppeneinlagen verwendet werden. Zu haben – nebst Suppen- tafeln, Suppenkräutern sowie Ha- fer- und Gerstenmehl – in den meisten Colonial- & Delicatessen- Handlungen.» Seit 1884 produziert Knorr in einer neuen Fabrik Fertigsuppen in immer mehr Geschmacksrichtun- gen, in Pulverform, als Tafeln (seit 1886), in Wurstform (1889), als Tab- letten (1897) und als Würfel (1910). Der Export läuft bereits so gut, dass man 1885 eine österreichische Fi- liale in Höchst und eine schweize- rische im benachbarten St. Mar- grethen einrichtet. Hier werden die Heilbronner Produkte abgepackt, weil so weniger Zoll bezahlt werden muss. Genau das Gleiche geschieht übrigens in der Gegenrichtung. Die Kemptthaler Firma Maggi er- öffnet am 1. Mai 1887 in Singen im hinteren Teil des Restaurants Am- mann eine Abpackstelle, wo die in grossen Kanistern angelieferte Würze in die kleinen «Gütterli» ab- gefüllt wird. Heutzutage erobert unser Knorrli vom Reiat aus die ganze Welt. Doch der Beginn der Erfolgsge- schichte liegt in Heilbronn. Wann und warum ist die C. H. Knorr AG nach Thayngen gekommen? Andreas Schiendorfer Kommerzienrat Knorr entdeckt Thayngen Seit 1907 ist die Knorr auch in Thayngen tätig. Während des Wirtschaftsbooms nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte die Firma einen grossen Aufschwung. Archivbild: Knorr Nährmittel AG Eine am 14. Mai 1909 in Thayngen aufgegebene Post- karte mit dem Abbild einer Flasche Knorr-Sauce. Bilder: zvg Inserat für «Knorr’s Hafermehl» aus dem «Schaff- hauser Intelligenzblatt» vom 10. März 1896.

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6 Industriegeschichte THAYNGER Anzeiger DIENSTAG, 2. OKTOBER 2018

THAYNGEN Als Heinrich von Kleist sein berühmtes «Käthchen von Heilbronn» schreibt, kümmert sich der zehnjährige Carl Heinrich Theodor Knorr (1800–1875) noch keinen Deut darum. Erst 1838 zieht der Sohn eines Schulmeisters aus Meerdorf bei Braunschweig in die Heimatstadt seiner zweiten Frau Karoline Seyffardt. In Heilbronn eröffnet er eine Fabrik zur Herstel-lung von Zichorie-Kaffeesurroga-ten. Daneben dörrt er Obst und handelt in einem separaten Ge-mischtwarenladen mit Landes-produkten.

Etwas ungenau wird der Beginn der Knorr-Geschichte ins Jahr 1838 verlegt, denn Knorr verkauft sein ordentlich florierendes Unterneh-men mit 53 Arbeitern im Januar 1855 und beginnt wieder von vorn, diesmal mit einer Tuchfabrik, die er aber im Dezember 1858 wiederum verkaufen muss, diesmal wohl, um einen Konkurs zu vermeiden.

Im dritten Anlauf wendet sich Knorr ab 1859/60 wiederum der Nahrungsmittelbranche zu. Mit dem C. H. Knorr Engros-Geschäft in Reis, Gerste, Sago und Landes-produkten geht es aber erst ab 1866 mit dem Firmeneintritt des aus-landserfahrenen Sohns Carl Hein-rich Eduard (1843–1921) richtig aufwärts. Dieser setzt auf fabrik-mässig hergestellte Nahrungsmit-tel und verfolgt insbesondere die aus Frankreich mitgebrachte Idee, Suppenpräparate aus getrockneten Zutaten herzustellen. Unterstützt wird er dabei vom jüngeren Bruder Alfred.

Knorr-Produkte ab 1879In Schaffhausen kann man spä-

testens ab Mai 1879 Knorr-Pro-dukte kaufen. So bietet Albert Altor-fer in der «Krone» Knorr-Suppen-teige an, wie er seine Kunden per

Inserat im «Schaffhauser Intelli-genzblatt» wissen lässt. 1881 preist die Witwe von Friedrich Votsch-Hess im Haus zum Roten Adler, Vor-stadt 13, «Knorr’s gangbarste Sup-penartikel» an, dazu aber auch Ha-fermehl und Hafergrütze. Auch das Heilbronner Fettlaugenmehl dürfte von Knorr stammen. Von einem Durchbruch in Schaffhausen kann man wohl 1888 sprechen, als Knorr erstmals selbst ein Inserat platziert: «Sich gut ernähren ist keine Kunst, wenn in der Küche Knorr’s be-

kannte Suppeneinlagen verwendet werden. Zu haben – nebst Suppen-tafeln, Suppenkräutern sowie Ha-fer- und Gerstenmehl – in den meisten Colonial- & Delicatessen-Handlungen.»

Seit 1884 produziert Knorr in einer neuen Fabrik Fertigsuppen in immer mehr Geschmacksrichtun-gen, in Pulverform, als Tafeln (seit 1886), in Wurstform (1889), als Tab-letten (1897) und als Würfel (1910). Der Export läuft bereits so gut, dass man 1885 eine österreichische Fi-

liale in Höchst und eine schweize-rische im benachbarten St. Mar-grethen einrichtet. Hier werden die Heilbronner Produkte abgepackt, weil so weniger Zoll bezahlt werden muss. Genau das Gleiche geschieht übrigens in der Gegenrichtung. Die Kemptthaler Firma Maggi er-öffnet am 1. Mai 1887 in Singen im hinteren Teil des Restaurants Am-mann eine Abpackstelle, wo die in grossen Kanistern angelieferte Würze in die kleinen «Gütterli» ab-gefüllt wird.

Heutzutage erobert unser Knorrli vom Reiat aus die ganze Welt. Doch der Beginn der Erfolgsge-schichte liegt in Heilbronn. Wann und warum ist die C. H. Knorr AG nach Thayngen gekommen?Andreas Schiendorfer

Kommerzienrat Knorr entdeckt Thayngen

Seit 1907 ist die Knorr auch in Thayngen tätig. Während des Wirtschaftsbooms nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte die Firma einen grossen Aufschwung. Archivbild: Knorr Nährmittel AG

Eine am 14. Mai 1909 in Thayngen aufgegebene Post-karte mit dem Abbild einer Flasche Knorr-Sauce. Bilder: zvg

Persönliche Kopie von: ANDREAS KANTONSSPITAL SCHAFFHAUSEN

Inserat für «Knorr’s Hafermehl» aus dem «Schaff-hauser Intelligenzblatt» vom 10. März 1896.

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DIENSTAG, 2. OKTOBER 2018 THAYNGER Anzeiger Gemeindeleben 7Nach dem frühen Tod seines

Bruders Alfred (1843–1895) leitet Carl Heinrich Eduard Knorr die Firma allein, 1899 wird sie in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und beschäftigt rund 800 Mitar­beiter. Gleichzeitig erhält Knorr den Ehrentitel Kommerzienrat, der Wirtschaftspionieren, die sich für das Gemeinwohl engagieren, ver­liehen wird.

Schuhfabrik steht seit 1905 leerIn Thayngen wiederum wird

nach dem Bahnbau im Jahr 1863 mit grossem Enthusiasmus ein Korn­ und Kaufhaus gebaut, das seine Tü­ren aber bald schon schliessen muss. Das leer stehende Gebäude, zwischenzeitlich als Lager und so­gar als Turnhalle genutzt, wird ab 1891 von der Schuhfabrik Stengelin, Hosch und Rapp genutzt; im Feb­ruar 1904 wendet Kommanditär Jakob Zuberbühler einen Konkurs ab und verlegt danach die Schuh­fabrik nach Zofingen. Thayngen besitzt demnach attraktiven Fabrik­raum in Bahnhofsnähe, der von den Erben Zuberbühlers für 41 000 Fran­ken zum Kauf angeboten wird.

Kunde gibt den goldenen TippAls Carl Heinrich Eduard Knorr

eine grössere und zentraler gele­gene Abpackstelle an der Schweizer Grenze mit gutem Bahnanschluss sucht, scheint er den goldenen Tipp vom Schaffhauser Kaufmann Emil Wegmann­Jezler (1865–1936) erhal­ten zu haben – wie dessen Sohn, der Geologieprofessor Eugène Wegmann, in einem Brief vom 18. September 1978 glaubhaft versichert: «Mein Vater beriet den Herrn KNORR, so­dass er sich am Schluss in Thayn­gen niederliess. Ich weiss das aus einem eher amüsanten Grunde: Als Herr KNORR einmal nach Schaff­hausen kam, mussten wir Kinder lernen ‹Herr Kommerzienrat› zu sagen. Wir wussten nicht, was wir uns vorstellen sollten unter einem solchen Dinge und waren recht enttäuscht, als er nur ein Herr im Redingote [Gehrock] war.»

Emil Wegmann­Jezler führt das von seinem Schwiegervater ge­gründete Kolonialwarengeschäft zur Hagar (Vorstadt 18) und bietet seit 1895 per Inserat Knorr­Pro­dukte an, daneben allerdings auch, Geschäft ist Geschäft, Maggi’s Sup­penwürze. Auch an Ideen mangelt es nicht: 1907 stellt Wegmann­Jezler in seinem Schaufenster als Blick­fang das Modell eines Zebuwagens aus, mit welchem die Plantagen­besitzer auf Ceylon den Talanda­

Ceylon­Tee zum Hafenplatz Colombo bringen. Wegmann ist gut vernetzt und erfolgreich, aber auch streit­bar. 1928 wirft ihm der Kaufmänni­sche Verein vor, sieben und damit zu viele Lehrlinge als billige Arbeits­kräfte zu beschäftigen.

Betriebsaufnahme am 1. Juli 1907Am 25. Januar 1907 vermeldet

das «Intelligenzblatt», die Herren Knorr hätten die Gebäulichkeiten der ehemaligen Schuhfabrik ge­kauft; der Kaufvertrag datiert auf den 3. Mai. Bereits am 25. Juli er­fahren die intelligenten Leser: «Und wenn etwa Schmalhans Küchen­chef werden wollte, so wenden wir uns an die Herren Knorr, die ohne viel Geräusch vor acht Tagen den Betrieb ihres hiesigen Geschäftes begonnen haben.» Als offizielles Eröffnungsdatum wird der 1. Juli 1907 angegeben. Zu Beginn han­delt es sich noch um eine reine Ab­packstelle mit rund einem Dutzend Angestellten.

Wieso die Zeitung zweimal aus­drücklich von den «Herren Knorr» spricht, ist unklar. Die dritte Knorr­Generation tritt wohl erst später ins Geschäft ein. Vielleicht findet in dieser Floskel die weitgehende Identifikation der leitenden Ange­stellten mit dem Knorr­Familien­unternehmen ihren Ausdruck. So­wohl der Geschäftsstellenleiter und spätere Direktor Hermann Knodel als auch Betriebsleiter Chr. Esslin­ger sind schon in St. Margrethen für Knorr tätig. Dies führt zum Ku­riosum, dass Aufseher Esslinger be­reits im Dezember 1910 sein 25­Jahr­Dienstjubiläum feiert.

Die «Knorri» und ihre Geschichte

In der Ausstellung «Vom Ackerbau zur Ernährung» im Kulturzentrum Sternen findet auch die Firma Knorr (Uni­lever) breite Darstellung. Der «Thaynger Anzeiger» berichtet in loser Folge über Bekanntes und Unbekanntes aus der Geschichte der «Knorri». (r.)

Die Ausstellung «Vom Ackerbau zur

Ernährung» ist am kommenden

Samstag, 6., und am Sonntag, 7. Okto­

ber, von jeweils 13 bis 17 Uhr geöff­

net; Kulturzentrum Sternen, Kirch­

platz 11, Thayngen. Ebenfalls zu se­

hen sind die Kunstausstellungen von

Susanne Pohlmann und Franz

Buchter.

ZÜRICH Der alljährliche Herbst­ausflug führte eine kleine Schar Thaynger Gewerbler am Freitag­nachmittag, 21. September, in den Zoo Zürich. Nach der Ankunft durfte die kleine Gruppe zuerst einen erfrischenden Apéro, gespon­sert von der Organisatorin Heli, geniessen. Herzlichen Dank! Unter fachkundiger Führung zweier net­ter Damen wurden die Thaynger nachher durch die Masoala­Halle geführt. Für eine Stunde wurden wir in die Welt Madagaskars, des Regenwaldes, der Chamäleons, Ge­ckos, Flughunde und Lemuren entführt. Danach konnten die elf Besucher den Zoo auf eigene Faust erkunden. In der grossen neuen Elefantenanlage verloren sie sich

aber aus den Augen, und in zwei Gruppen wurden das Areal des Zoos und die verschiedenen Tiere begutachtet. Um 18 Uhr traf man sich wieder zum gemütlichen Apéro im Restaurant Altes Klösterli ausserhalb des Zoogeländes. Auch hier einen herzlichen Dank an die zwei nicht anwesenden Sponsoren. Ein vorzügliches Nachtessen bei interessanten Gesprächen, auch über die kommende Gewerbeaus­stellung «reiat heute», rundete diesen entspannenden Nachmittag ab. Ein grosses Dankeschön ge­bührt der Organisatorin Helene Eggli und dem Fahrer Res Meier.

Elsbeth SchalchGewerbeverein Reiat

Der Gewerbeverein in der Zürcher Masoala-Halle. Bild: zvg

Bei Geckos und Lemuren

Füllen Sie die leeren Felder mit Zah­len. Die Zahlen in jeder Reihe, jeder Spalte und in den beiden Diagona­len ergeben immer die gleiche Summe. Keine Zahl darf mehrfach vorkommen. Die Summe lautet 89; Schwierigkeitsgrad: schwer. Die Lö­sung des Rätsels wird in der nächs­ten Ausgabe veröffentlicht.

Hanspeter Leupp Schaffhausen

Schwierigkeitsgrad: schwer Lösung

1 9 18 39 22 1 9 18

10 2 14 40 23 10

24 11 36 24 11 3 15 36

16 20 12 4 16 37 20 12 4

8 5 25 8 5 25 30 21

Summe = 89

MAZARÄ

Ein Ehepaar hat eine Flugreise ge­wonnen und sitzt im Flugzeug. Für die Frau ist es der erste Flug, und so ist sie von allem fasziniert, was so passiert. Da sie einen Fensterplatz bekommen hat, schaut sie nach

WITZ DER WOCHE unten und ruft begeistert: «Schau mal, Hans, das ist ja wahnsinnig! Die Leute am Boden sind so klein wie Ameisen!» Der Mann ist erfah­rener und meint: «Beruhige dich doch, Rosa. Was du siehst, sind Ameisen. Wir sind ja noch gar nicht gestartet!»