27.03.20001 Informationsbegriff und Informationswissenschaft (1) Otto Oberhauser BMWV AGBA...
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27.03.2000 1
Informationsbegriff und Informationswissenschaft (1)
Otto Oberhauser
BMWV AGBA
Garnisongasse 7/21, 1090 Wien
01/4035158-17, [email protected]
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Information - was ist das?• lat. informatio - Bildung
• Cicero: Bildung durch Deutung eines Wortes; Belehrung, Unterweisung
• Mittelalter: Formung der Materie
• Neuzeit: Mitteilung, Nachricht, Wissen
• 18. Jh.: das uns von anderen mitgeteilte Wissen über Dinge, von denen wir nicht schon selbst wissen.
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Informationstheorie
• Hartley (1928), Shannon/Weaver (1948/49)
• math. Theorie der Nachrichtenübertragung
• wie kann mit einem Minimum an Symbolen ein Maximum an Informationen übertragen werden?
• keine Berücksichtigung der Bedeutung (Semantik) oder der Wirkung (Pragmatik) der übertragenen Zeichen
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Sender-Kanal-Empfänger-Modell
• Informationsgehalt: Mass der Ungewissheit des Empfängers in bezug auf die von der Quelle ausgewählten und ausgesandten Nachrichten
• Information: Reduktion von Ungewissheit (eines physikalischen Systems)
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Auswirkungen dieses Modells• trotz seiner Einschränkung auf technische
Systeme kam es zu einer raschen Ver-breitung dieses Modells auf andere natur- und sozialwissenschaftliche Bereiche
• nur sehr bedingt geeignet - – einseitige Ausrichtung– unberücksichtigt: Bedeutung, Auswirkung,
gesellschaftliche Randbedingungen (z.B. die Kommunikationssituation)
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Sputnik-Schock 1957/58• Technischer Rückstand:
– Computer, Miniaturisierung
• Versagen d. wiss. Informationssystems, Flut Situationsanalysen zu IuD:– Weinberg-Report (1963) USA– Rechnungshofgutachten (1962) BRD
• Informationspolitik, Fachinf.programme• Herausbildung neuer Disziplinen
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Zwei Disziplinen (?)
• Informatik - Datenverarbeitung (Technik)– theoret. Grundlagen (Math., Logik)– technische Fragen v. Computern u. Peripherie– praktische Seite, Programmierung
• Informationswissenschaft (Sowi)– Inform.probleme u. -prozesse in Wissenschaft,
Gesellschaft, Wirtschaft, Verwaltung
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Beispiel für ein IW-Institut
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IW: Gegenstandsbereich
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Lehre und Forschung (IW Graz)
• Lehre– Inform.vermittlung
– Inform.management– Grundlagen aus
Wissensmanagement, Datennetze, Inform.recht, Datensicherheit, Datenmodellierung, Anw.-software
• Querschnitts- bzw. Spezialausbildung
• Forschung– Inform.management
– Wissensmanagement
– Bibliotheksmanagement
– Einsatz von Hypermedia
– Wirtschaftlichkeit von Informationstechnologie
– Informationsrecht
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Terminologische Vielfalt- Computer Science – Information Science- Informatik, Informatics, Inform.wiss., Kybernetik- Library & Information Science, -Studies (LIS)- Bibliothekswiss., Dokumentation(swiss.)- Information Management- Knowledge Management- Knowledge Organization
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Information in neuerer Sicht– ... die schrittweise und wiederholte Beseitigung
von Ungewissheit in Problembehandlungs- und Problembewältigungsprozessen, in denen die Zuführung von Wissen notwendig ist
– Wissenszuführung durch Kommunikationspro-zesse, die technisch unterstützt sein können
– Zweck: den internen Zustand des Wissens beim Akteur so zu verändern, dass eine begründbare Entscheidung möglich wird
(Wersig, 1971; Seeger, 1990)
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Eine zweite Definition
• Information– ... die Teilmenge von Wissen, die in
Handlungssituationen benötigt wird und die im jeweils konkreten Fall nicht vorhanden ist
– muss also unter Berücksichtigung der jeweiligen Rahmenbedingungen aus Wissen erarbeitet werden
– „Wissen in Aktion“ (Kuhlen, 1991)
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Eigenschaften von Information
• handlungsrelevant• kontextbezogen• zeitabhängig• rezeptionsbedürftig• Neuigkeitswert • auch redundant(?) • auch grössere Verun-
sicherung möglich
• Hol- u. Bringschuld• trägt oft zur Problem-
identifikation bei• auch zufällig erwerbbar• immaterielles Gut• eine Ware• ein gesellschaftlicher
Faktor(nach Kuhlen, 1989)
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Daten, Information, Wissen
• Daten– symbolische Repräsentation von Sachverhalten
• Information– Bündel von Daten, das in einer propositionalen
Struktur (Aussagesatz) zusammengefasst ist
• Wissen– systematische Verknüpfung von Informationen
für Erklärung und Prognose
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Transform. Wissen - Information– Information benötigen = über spezielles Wissen
nicht verfügen– andere „Partner“ (Mensch, Buch, Datei)
verfügen hingegen (vermutlich) darüber– Inform.erarbeitung: Transformationsprozess
beim Übergang von Wissen zu handlungs-relevanter Information
– Inform.verwaltung: Transformationsprozess beim Übergang von Inform. zu Wissen (die dauerhafte Speicherung von Information)
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Inf.verwaltung u. -erarbeitung
Information
Handeln(Planen, Entscheiden)
Informations-verw altung
W issen
Informations-erarbeitung
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Inf.begriff in der Inf.wirtschaft
• Betriebl. Inform.- u. Wissensmanagement:– Inform.beschaffung u.
Wissensproduktion
– Erschliessung/Ordnung
– Betriebl. Kommunika-tionskultur
– Kapitalisierung von Inform. u. Wissen
• Klass. betriebswirtsch. Informationsdefinition– Information: „zweck-
bezogenes Wissen“
– nur solches Wissen ist Information, das dazu dient, Entscheidungen oder Handlungen vor-zubereiten
– „Wissen in Aktion“
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Das wissensschaffende Unternehmen
• I. Nonaka & H. Takeuchi, The Knowledge-Creating Company (1995)– Erfolg japanischer Unternehmen: Rugby-
Metapher vs. Staffellauf (1986)– wie entsteht neues Wissen, wie wird es
mitgeteilt– zentrale Begriffe: implizites / explizites Wissen
(M. Polanyi, The Tacit Dimension, 1985)
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Implizites u. explizites Wissen• implizites Wissen
– tacit knowlege
– „in people‘s heads“• learning by doing
• Werte/Ideale (innerlich)
• explizites Wissen– explicit knowledge
– in Dokumenten etc.
• Know-how = know-why + know-what
• Umwandlung von impl. Wissen in expl. Wissen ist Schlüssel für Schaf-fung neuen Wissens– Kreativität und neues
Wissen im Unter-nehmen nur unter Einbeziehung des impliziten Wissens der Mitarbeiter/innen
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Wissensmanagement• Umwandlung von implizitem in explizites
Wissen („Externalisierung“)Änderungen in der Organisationsstruktur, z.B.:
• freier Zugang zu Inf., offene Raumaufteilung, offene Besprechungen, fliessender Personalwechsel
• Ziel: implizites Wissen austauschen und in explizites umwandeln (in Datenbank speichern)
„Wissensingenieure“ (mittleres Management) Vermittler zw. „Wissenspraktikern“ (Mitarb., unt.
Mgmt.) u. „Wissensverwaltern“ (Führungskräfte) Middle-top-down-Modell des Wissensmanagements
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Informationswissenschaft• ... beschäftigt sich mit Inf.prozessen und -problemen in
Wirtsch., Wiss. u. Gesellschaft. Sie setzt sich mit Produktion, Speicherung, Übertragung, Suche, Auf-bereitung und Präsentation von Inf. auseinander. Ausserdem beschäftigt sie sich mit dem sozio-ökon. Umfeld dieser Inf.tätigkeiten (IW Graz, Homepage)
• ... ist die wiss. Disziplin, die sich mit der Unter-suchung der Rahmenbedingungen für eine produk-tive Nutzung vorhandenen Wissens befasst. Infor-mationsprobleme u. -prozesse in Wiss., Gesell-schaft, Wirtschaft u. Verwaltung zählen zum Gegenstand der IW. (W. Rauch, IW Graz)
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Information als Ding• M. Buckland, Information and information
systems (1991)– Information als Prozess (inf.-as-process)
• der Prozess der Wissensmitteilung
– Information als Wissen (inf.-as-knowledge)
• das, was in diesem Prozess vermittelt wird
– Information als Ding (information-as-thing)
• bestimmte Gegenstände sind informativ, weil sie die Qualität haben, Information zu vermitteln
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Vier Aspekte v. Inf. n. Buckland
INTANGIBLE(physikalisch nichtfassbar)
TANGIBLE(physikalisch fassbar)
ENTITY(Objekt)
inf.-as-knowledge Wissen
inf.-as-thing Daten Dokumente Gespeichertes Wissen
PROCESS inf.-as-process Informiert werden
Inf.verarbeitung Datenverarbeitung Wissensmanagement
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Was sind Informationsdinge?
• potentiell informativ– Dinge sind nicht in-
formativ an sich, son-dern zu einem bestimm-ten Zeitpunkt / in einer bestimmten Situation
– „Information“: in bezug auf Dinge, die diese Eigenschaft vermutlich auch zukünftig haben werden
• Evidenzcharakter:– ein Ding ist dann infor-
mativ, wenn es in ir-gendeiner Weise etwas unmittelbar nachweist
– z.B.:• Bücher in Bibliotheken
• Daten in Computern
• Objekte in Museen
• Ereignisse(Experiment)
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Der kognitive Ansatz• kognitiv: bekannt, erkannt, die Erkenntnis betreff.• Kognition: geistige Akte der Aufnahme u. Ver-
arbeitung von Informationen, erkenntnisleitenden Schemata u. Begriffen durch Empfindung, Wahr-nehmung, Denken, Lernen,Vorstellen, Erinnern– Kognitionswissenschaften: solche, die sich mit den
geistigen Tätigkeiten des Menschen befassen (Psycho-logie, Neurologie, Philosophie, Künstl. Intelligenz ..)
– Lernen, Verstehen von Information = fortlaufende aktive Integration v. neuem Wissen mit dem Vorwissen
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Cognitive (point-of-)view(point)– Neuorientierung der IW (seit etwa 1980)– Verschiebung des Forschungsinteresses weg
von Systemen/Dingen und hin zu Fragen wie• Wissensstrukturen
• Mensch-Computer-Interaktion
• Informationssuche (information seeking)
• menschliches Informationsverhalten im allg.
– besseres Verständnis dieser Fragen Design besserer Systeme, Benutzerinterfaces etc.
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Kern des kognitiven AnsatzesN. Belkin (USA), P. Ingwersen (Dänemark)
• Menschliche Wahrnehmung, Erfahrung und Wissens-strukturen bestimmen den Informationsprozess
• Informationsprozesse – bei Menschen, aber auch Maschinen – werden durch ein System von Kategorien oder Begriffen vermittelt, die eine Art inneres Modell der Aussenwelt der Informationsverarbeitenden darstellen
• Information = das, was einen subjektiven oder ver-objektivierten Wissenszustand (-struktur) modifiziert
• ein- u. dieselbe Information kann, je nach Wissensstruktur, unterschiedliche Auswirkungen haben
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Informationswunsch
– Belkin: „anomalous state of knowledge (ASK)“• ein Wissenszustand ausserhalb des Gewöhnlichen
• eine unbefriedigende Situation
• aus welcher der Wunsch nach Information entsteht
– Ingwersen: „desired information“ (Inf.wunsch)• Ungewissheit beim Informationssuchenden
• Suche nach relevanter Information
• Information: Erzeuger generiert Text aufgrund der (angenommenen) Ungewissheit d. Empfängers
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Komm.system aus kogn. Sicht• Erzeuger formt die eigene Wiss.struktur (ein best. Thema
betreffend), um sie zu kommunizieren
• Struktur wird mittels linguist. Regeln kommunizierbar (=Text)
• Text => Teilmenge der den potentiellen Empf. zugängl. Texte
• Empfänger bemerkt ASK im eigenen Wissenszustand und startet Kommunikationsprozess
• dieser ASK hat etwas mit jenem Teil der Wiss.struktur des Text-Erzeugers zu tun, welcher kommuniziert werden soll
• Empfänger konvertiert ASK in eine kommunizierbare Struktur (Anfrage, „query“), um damit aus der Menge der zugänglichen Texte jene(n) zu finden, der ASK aufheben könnte
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Grundelemente einer kogn. IW • Information in menschlichen kognitiven
Kommunikationssystemen
• „gewünschte Information“, Inform.bedarf
• Effektivität von Informationssystemen und Informationsvermittlung (transfer)
• Beziehung zwischen Inf. u. ihrem Erzeuger
• Beziehung zwischen Inf. u. ihrem Nutzer(nach Belkin, 1978)
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Weitere Ansätze zum Inf.begriff
• Informationswissenschaft:– Cybersemiotics (Søren Brier, 1996)– Hermeneutischer Ansatz (R. Capurro, 1986/92)
• Andere Disziplinen:– Sprachwissenschaft (Y. Bar-Hillel, R. Carnap)– Kybernetik (Maturana/Varela; N. Luhmann)– Kulturphilosophie (P. Janich)– Naturwissenschaft (C.-F. v. Weizsäcker)