2 tacheles - Nummer 30 - Herbst 2003tacheles-solingen.de/.../2018/03/tacheles-30-Herbst-2003.pdf ·...

20

Transcript of 2 tacheles - Nummer 30 - Herbst 2003tacheles-solingen.de/.../2018/03/tacheles-30-Herbst-2003.pdf ·...

Page 1: 2 tacheles - Nummer 30 - Herbst 2003tacheles-solingen.de/.../2018/03/tacheles-30-Herbst-2003.pdf · 2018-03-18 · tacheles - Nummer 30 - Herbst 2003 - 3 m Juli war es bereits in
Page 2: 2 tacheles - Nummer 30 - Herbst 2003tacheles-solingen.de/.../2018/03/tacheles-30-Herbst-2003.pdf · 2018-03-18 · tacheles - Nummer 30 - Herbst 2003 - 3 m Juli war es bereits in

2 - ttaacchheelleess - Nummer 30 - Herbst 2003

ttaacchheelleess � Zeitung für Emanzipation undSolidaritätDie Zeitung wurde von dem Redaktionskol-lektiv erstellt. Auflage 3000Kontakt und Zuschriften: c/oCafé Coura-ge, Klemens-Horn-Str. 3, 42655 Solingen,Fax: 0212 / 1 71 98, [email protected]: Ordensgemeinschaft�Beschäfti-gungshilfe Düsseldorf, Römerstr. 9, 40476Düsseldorf, 0211 / 44939870ViSdP und Herausgeber: Frank Knochec/o Cafe Courage, Klemens-Horn-Str. 3,42655 SolingenBankverbindung: SEB, BLZ 330 101 11,Kontoinhaberin: Pauline Ehl,Konto-Nr.: 297 349 6300

Titelbild: Heinz Mähner

3+4

4 56789101112

1314

1516+17

1819

Macht es den Leuten nicht zu gemütlich, sonst wollen sie nicht mehr raus - Die SiedlungGrimmstraße

Aufruf zur bundesweiten Demo gegen sozialen Kahlschlag

Landeshaushalt 2003/04: Soziale Klimakatastrophe statt Nachhaltigkeit

Dem Klimawandel auf der Spur - Rekordsommer lässt die Herzen höher schlagen

Fliegen zum Taxipreis - Billig fliegen und die ökologischen Folgen

Cross-Border-Leasing als Versuch, Geldwäsche zu legalisieren

Kampagne �Saubere Stadt�: Wenn der Reinigungstrieb zum Aggressionstrieb wird

Rathausparkplatz: Bürgermeinung nicht gefragt

Vorne einsteigen und Fahrausweis zeigen!

�Ich werde euch nie in meinem Leben vergessen!� Briefe von Kindern der Schülerhilfedes IB an ihre abgeschobenen FreundInnen

Kid́ s Site: Schulanfang

Keine �Sache der hoffnungslosen Verzweiflung�: die Demo zum 10. Jahrestag desBrandanschlags

Aufruf der VVN-BdA: Die Nazioffensive nach dem NPD-Freispruch stoppen!

Offene Briefe von Reiner Daams und Prof. Dr. Jörg Becker

�Out of control� - das Grenzcamp in Köln

LeserInnenbriefe

Page 3: 2 tacheles - Nummer 30 - Herbst 2003tacheles-solingen.de/.../2018/03/tacheles-30-Herbst-2003.pdf · 2018-03-18 · tacheles - Nummer 30 - Herbst 2003 - 3 m Juli war es bereits in

ttaacchheelleess - Nummer 30 - Herbst 2003 - 3

m Juli war es bereits in der lokalen Pres-se zu lesen: die Verantwortlichen der

Stadt denken zur Zeit darüber nach, wie dieseit Jahren brach liegende städtische Sied-lung Grimmstraße wieder wirtschaftlich nutz-bar gemacht werden kann. Einst von Obdach-losen bewohnt, soll die Siedlung in den näch-sten Jahren für AsylbewerberInnen bewohn-bar gemacht werden. Im Gegenzug sollen diederzeitigen teilweise angemieteten dezentra-len Heime aufgelöst werden. Die Pläne derstädtischen Verantwortlichen stehen in kras-sem Widerspruch zu den damaligen Zielendes Vereins �Raus aus der Sackgasse� e. V.,welcher bewirken konnte, dass sich das Ghet-to Grimmstraße auflöste.

Gisela Köller war von 1985-1992 in derSiedlung Grimmstraße als Sozialarbeiterinbeschäftigt. Von 1992-1995 arbeitete sie imBereich �Verhinderung von Obdachlosigkeit�der Stadt Solingen, seit 1995 ist sie im Be-reich Fortbildung / Personalentwicklung so-wie als freiberufliche Supervisorin und Fort-bildnerin für kollegiale Beratung tätig. Ehren-amtlich engagierte sie sich zunächst für denVerein �Raus aus der Sackgasse� e. V., seit1998 für den Bürgerverein �Rund um die Zie-tenstraße� e. V.

ttaacchheelleess sprach mit Gisela Köller über dieÜberlegungen der Stadt Solingen, die Sied-lung Grimmstraße für die in Solingen leben-den AsylbewerberInnen bewohnbar zu ma-chen.

ttaacchheelleess: Gisela, was denkst Du zu den Über-legungen der Verantwortlichen der Stadt So-lingen, die bisher existenten Übergangshei-me für AsylbewerberInnen in Zukunft in derSiedlung Grimmstraße zusammenzulegen.G. Köller: Ein riesengroßes Ghetto macht mirAngst. Es handelt sich ja wirklich um eine sehrgroße Siedlung.ttaacchheelleess: Was befürchtest Du genau?G. Köller: Die Menschen, die dort früher ge-wohnt haben, hatten kaum Chancen auf Ar-beit und eine Wohnung. Nun sind Asylbewer-ber sowieso schon stigmatisiert und ausge-grenzt, dort würden sie noch mehr abgeschot-tet leben und stigmatisiert werden. Ich ver-stehe das Dilemma der Verantwortlichen, diezur Zeit überlegen, was sie mit den Häusernmachen können. Die Stadt hat erfolglos ver-sucht, die Häuser zu verkaufen, sie abzurei-ßen war zu teuer. Die Häuser eignen sich auchnicht als normale Miethäuser. Ich befürchteSpannungen untereinander aufgrund der vie-

len sehr unterschiedlichen Nationalitäten. Daskriminelle Potential einiger weniger könntesich auf die nicht-kriminelle Mehrheit destruk-tiv auswirken und oft zu Konflikten führen.Wenn ich mir vorstelle, ich sei eine dort woh-nende Mutter mit heranwachsenden Kindern,würde mir diese Situation große Angst ma-chen: So viele Menschen dicht beieinander,Konflikte, Gewalt und dann diese extremeAbschottung nach außen hin... - und schließ-lich sind auch Aggressionen von außen zu

befürchten.ttaacchheelleess: Welche Erinnerungen kommen indem Zusammenhang bei dir auf, wenn Du anDeine damalige Arbeit in der Grimmstraßedenkst?

G. Köller: Wir haben damals beispiels-weise erfolglos gefordert, dass eine öffentli-che Telefonzelle in der Nähe der Siedlung in-stalliert wird, damit bei Gefahr schnell Hilfeangefordert werden kann.Damals war die nächste Telefonzelle 1 Kilo-meter weit entfernt. Ein weiteres Problem ist

wie schon erwähnt, die extreme Abschottungzur übrigen Bevölkerung, damals haben dieNachbarn die Siedlung gemieden und es istauch für die Zukunft zu befürchten, dass eskeinen Kontakt zwischen den Bewohnern derGrimmstraße und denen in der Umgebunggeben wird.

ttaacchheelleess: Könnte es Deiner Meinung nachauch die Möglichkeit geben, dass sich dieBetreuung von den AsylbewerberInnen in soeiner Siedlung verbessert?

G. Köller: Nur wenn der Prozess der Ver-legung und der Betreuung politisch begleitetwird. Sicher ließen sich die vorhandenen per-sonellen Ressourcen in so einem Siedlungs-gebiet besser bündeln und es gibt sicherlichauch einige Hausmeister in den jetzigen Hei-men, die hohe menschliche Qualitäten besit-zen, - aber nur wenn die Arbeit klug organi-siert und gemeinwesenorientiert gedacht wirdund von Anfang bis Ende von der Politik be-obachtet und begleitet wird, kann sichdie Betreuung verbessern. Dass dies

Foto: Heinz

Page 4: 2 tacheles - Nummer 30 - Herbst 2003tacheles-solingen.de/.../2018/03/tacheles-30-Herbst-2003.pdf · 2018-03-18 · tacheles - Nummer 30 - Herbst 2003 - 3 m Juli war es bereits in

4 - ttaacchheelleess - Nummer 30 - Herbst 2003

geschehen kann, entspricht jedochnicht meinen Erfahrungen: Als es bei-

spielsweise damals im ÜbergangswohnheimBahnstraße so häufig brannte, habe ich nichtein einziges Mal mitbekommen, dass die Po-litik nachfragte und sich beispielsweise da-nach erkundigte, welche Menschen dort indem Heim überhaupt leben. Ich habe die Be-fürchtung, dass das Personal in einem zukünf-tigen Ghetto wie der Grimmstraße dann stän-dig - auch im wörtlichen Sinne- Feuerwehrspielen muss, und dann brennt es ständig undniemand kümmert sich... - und die Drogen-abhängigen auf dem Bremsheyplatz sind undbleiben dann viel interessanter.

ttaacchheelleess: Bei den öffentlichen Diskussio-nen um die Leute vom Bremsheyplatz in Oh-ligs geht es häufig darum, dass diese, ähn-lich wie die AsylbewerberInnen, ebenfalls ausder Nähe der Bevölkerung verschwinden sol-len. Wie beurteilst Du diese Problematik?

G. Köller: Jeder andere Platz, auf demsich die Leute vom Bremsheyplatz aufhaltenwürden, wäre schlechter. Ein öffentlicher undeinsehbarer Platz ist z. B. einem Spielplatzeindeutig vorzuziehen, wo schlimmere Kon-flikte und Probleme vorprogrammiert wären.

ttaacchheelleess: Man kann also Parallelen erken-nen, was den aktuellen Umgang mit Obdach-losen, Junkies und AsylbwerberInnen betrifft?

G. Köller: Ich erkenne vor allem, dass esThemen gibt die populärer sind als andere.So fehlt mir eine positive Bezugnahme auf diepositive und integrative Arbeit, die beispiels-weise in den Stadtteilen geleistet wird. Es wärehilfreicher, die sozialen Probleme dieser Stadtgemeinwesenorientiert anzugehen und dieAsylbewerberheime in existierende Stadtteil-arbeit einzubinden, aber das ist natürlich miteinem so großen Ghetto wie der Grimmstra-

ße schwierig. Alle stadtteilorientierten Kon-zepte sind meiner Meinung nach maximal zufördern, - deshalb engagiere ich mich auchfür den Bürgerverein �Rund um die Zietenstra-ße�. Es wäre sinnvoller, statt spontane �Feu-erwehrmaßnahmen� gut durchdachte Konzep-te zu unterstützen, die eine nachhaltige Wir-kung haben. Leider bemüht sich niemand rich-tig um die Asylbewerber, da sie ja auch nichtlange bleiben sollen. De facto ist ihre Aufent-haltsdauer jedoch immer sehr viel länger alsanfangs angenommen. Was die Parallelenbetrifft, galt damals im Obdach eine ähnlicheDevise wie heute im Umgang mit den Asyl-

ngeregt durch Erwerbslosen-Initiativen, Sozialforen, Anti-Hartz-Bündnisse, Gewerk-schaftslinke und attac findet am 11. November in Berlin eine bundesweite Großde-

monstration gegen den sozialen Kahlschlag statt. Inhaltlich geht es gegen die Angriffe auf diesozialen Sicherungssysteme durch Agenda 2010, Hartz, Rürup, Renten- und Gesundheitsre-form.

Obwohl der DGB schon vor Monaten einen �heißen Herbst� ankündigte, wenn die Bundes-regierung den Sozialabbau fortsetze, boykottieren regierungsnahe Gewerkschaftskreise diesebitter notwendige bundesweite Aktion. Umso erfreulicher die Reaktion der Gewerkschaftsba-sis: Die ver.di-Bezirksverbände in Stuttgart und Berlin sowie der ver.di-Landesverband Rhein-land-Pfalz und der DGB-Kassel haben ihre Unterstützung dennoch zugesagt. Die DGB-Spitzewird ihre diesbezügliche Enthaltsamkeit wahrscheinlich nicht durchhalten können. Zur Mobili-sierung für die Demonstration sollen örtliche Bündnisse gebildet und am 20. Oktober regiona-le Aktionstage durchgeführt werden

bewerbern: �Macht es den Leuten nicht zu ge-mütlich, sonst wollen sie nicht mehr raus�. Abersowohl der Bürgerverein �Raus aus der Sack-gasse�, als auch ich als Sozialarbeiterin ha-ben damals eine gegenteilige Strategie ent-wickelt. Wir haben gezielte Integrationslei-stung geboten und die Leute sind trotzdem -oder gerade deshalb, weil wir sie fit gemachthaben - ausgezogen. Die Sozialarbeiter in denÜbergangswohnheimen haben den Zeitpunktdes Rückzugs der Asylbewerber zwar nicht inder Hand, aber zumindest könnten die Ver-antwortlichen versuchen, die soziale Verelen-dung zu verhindern.

ttaacchheelleess: Danke für das Gespräch.

Das Interview führte Eva Thomas

Page 5: 2 tacheles - Nummer 30 - Herbst 2003tacheles-solingen.de/.../2018/03/tacheles-30-Herbst-2003.pdf · 2018-03-18 · tacheles - Nummer 30 - Herbst 2003 - 3 m Juli war es bereits in

ttaacchheelleess - Nummer 30 - Herbst 2003 - 5

wei Milliarden Euro will die rot/grüneLandesregierung von NRW in den

nächsten beiden Jahren einsparen. Hauptop-fer werden soziale Einrichtungen und Leistun-gen freier Träger sein, die schon in den letz-ten Sparhaushalten teilweise bis aufs Exi-stenzminimum gekürzt wurden. Die sechs gro-ßen Wohlfahrtsverbände befürchten eine �So-ziale Klimakatastro-phe� und weisen im Zu-sammenhang mit an-deren Einschnitten indie soziale Sicherung,wie sie die Bundesre-gierung plant, auf exi-stenzbedrohende Si-tuationen für immermehr Menschen hin. Ineinem Aufruf �NRWbleib sozial� warnen sievor den hohen sozialenFolgekosten, die, imGegensatz zum auchvon der Landesregie-rung proklamierten Ge-bot der Nachhaltigkeit,durch ein solch kurz-sichtiges �Kaputtspa-ren� entstehen werden.

�Steinbrücks Spar-hammer� (ST vom25.9.03) trifft vor allemdie Frauenhäuser, dieAIDS-Hilfen, Frauenhelfen Frauen, Pro fa-milia, die Mädchen-treffs, die Häuser derJugend, alle Wohl-fahrtsverbände, die Erziehungsberatungsstel-len, die Volkshochschulen, die Bibliothekenund den gesamten Weiterbildungsbereich, dieBiologischen Stationen, Dritte-Welt- undAgenda-Gruppen, Verbraucherzentralen, dieSozialhilfekostenerstattung an die Kommunenund die Kindergärten. Die vierzigprozentigeKürzung der Personalkostenzuschüsse in zweiJahren und die Rückführung von Förderpro-grammen werden vor allem kleinere Trägernicht überleben. So befürchtet WuppertalsOberbürgermeister Hans Kremdahl jetztschon �das Aus für eine ganze Reihe von frei-en Trägern�. Gerd Brems, der Sprecher derArbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrts-pflege in Solingen befürchtet, dass die �so-ziale Landschaft� dann �völlig aus dem Lot�gerät. Befürchtet wird auch von grünen Sozi-alpolitikerInnen ein �Dominoeffekt�, der intak-te und erfolgreiche �Strukturen der Sozialar-beit� zerschlägt. Spekuliert wird, ob dieserDominoeffekt, dass bei drastischen Kürzun-

gen von zwei mal zwanzig Prozent die Exi-stenzgrundlage ganzer Einrichtungen inFrage gestellt wird, nicht sogar bewusst inKauf genommen wurde, um in vielen Fällenmit einem vierzigprozentigen Einsparungszielein hundertprozentiges Einsparungsergebniszu erreichen. Auch bei den Kindergärten, dievon 50 Millionen Sachkosteneinsparungen

zusätzlich getroffen werden, stellt sich dieseFrage. Schon jetzt ziehen sich z.B. die Kir-chen, mangels Finanzen �im Klingelbeutel�,hier aus der Verantwortung zurück. Weiterefinanzielle Einschränken steigern sicherlichnicht deren Bereitschaft, sich für den Erhaltihrer Kindergärten noch mehr zu engagieren.Aber hier sind ja in erster Linie die Kommu-nen und nicht das Land zuständig.

Richtig Mühe, die Ursache und damit auchdie Notwendigkeit für die 2 Mrd. Einsparun-gen zu erklären, gibt sich dabei die Landesre-gierung nicht. �Es muß halt gespart werden!�und �in Hessen�, wo Koch 1000 Sozialarbei-terInnen entlassen will, �ist ja alles noch vielschlimmer�.

Wenn rot/grün im Land über die Hinter-gründe der Finanzmisere reden würde, dannkämen sie schließlich nicht um die rot/grüneBundespolitik herum, die es wie bisher nochkeine andere Regierung Nachkriegsdeutsch-lands geschafft hat, die Umverteilung von

Unten nach Oben voran zu treiben und mitihren Steuergeschenken die Haushalte derKommunen und Länder zu ruinieren. Wer imGlashaus sitzt, der wirft bekanntlich nicht mitSteinen. Und auch der Vergleich mit Kochhinkt. Der hat seine Wahlen nämlich geradehinter sich. In NRW wird sich der erste Schubdes �Horror-Sparhaushaltes 2004/2005� (So-

linger Morgenpost)vor der Kommunal-wahl im September2004 und der zweitevor der Landtags-wahl 2005 entspre-chend bemerkbarmachen. In der Be-reitschaft zum Sozi-alabbau stehen sichCDU und rot-grünzwar in nichts nach,nur sind die einendabei noch dümmerals die anderen.

Für die notwen-digen Proteste ge-gen die Sparplänebleibt wenig Zeit. BisMitte Oktober müs-sen die verschiede-nen Ministerien demFinanzminister mit-teilen, wo konkretwie viel gekürzt wer-den soll. Bis Weih-nachten wollen dieRegierungsparteien�politische Klarheit�(was immer das

auch bedeuten soll) haben und im Januarbeginnt die Erste, Ende Januar die ZweiteLesung im Parlament.

Für den Straßenbau (100 Mio.), die West-LB (108 Mio.), die Trionale, die Fußball-WM,die Subventionen u.a. der Steinkohle uvam.ist jedoch im Doppelhaushalt immer noch ge-nug Geld da. Allein für den richtigerweise nichtdurchgesetzten Metrorapid wurden 150 Mio.in den Sand gesetzt und für den Verkauf derLandesbank WestLB, welche in den letztenJahren mehr als die Hälfte an Wert verlorenhat, könnte das Land mehrere Milliarden ein-nehmen, anstatt sie jedes Jahr neu zu sub-ventionieren.

Übrigens: Die führungstreue Solinger SPDsteht schon jetzt stramm hinter ihrer Landes-regierung und befürwortet die Haushaltsent-würfe. Für Sylvia Löhrmann ist der Landes-haushalt �hart aber fair�. Frank Knoche

Foto: Heinz

Page 6: 2 tacheles - Nummer 30 - Herbst 2003tacheles-solingen.de/.../2018/03/tacheles-30-Herbst-2003.pdf · 2018-03-18 · tacheles - Nummer 30 - Herbst 2003 - 3 m Juli war es bereits in

6 - ttaacchheelleess - Nummer 30 - Herbst 2003

em Rekord � Hochwasser 2002 folg-te der Rekord � Sommer 2003 mit

Rekord � Temperaturen über 40°. Eigentlichein Grund zur Freude, wenn da nicht so ko-mische Begleiterscheinungen wären wie �hoheOzonwerte� oder �Treibhauseffekt� oder �Kli-mawandel�. Selbst die Solinger Lokaltages-presse hatte sich genötigt gefühlt eine Ozon-hotline einzurichten, um die gefährdeten Per-sonengruppen aufzuklären. Doch was ist dennnun? Ändert sich unser Klima oder war ein-fach nur das Wetter schön?

Noch heißere Sommer erwartet

Viele Klimaforscher sind sich z.B. einig dar-über, dass der Klimawandel zum Großteil aufEinwirkungen durch den Menschen zurückzu-führen ist. Es ist zwar klar, dass einige be-sonders warme Monate noch kein Beleg füreinen Klimawandel sind, es werden aber inden nächsten Jahrzehnten häufiger heißeSommer für Deutschland mit jeweils nochhöheren Temperaturen als in diesem Jahr er-wartet. Schon jetzt war es im späten 20. Jahr-hundert auf der Nordhalbkugel der Erde wär-mer als in den gesamten 2000 Jahren zuvor!

Das Hochwasser im vergangenem Jahrund die monatelange Trockenheit sind fürFriedrich-Wilhelm Gerstengarbe vom Pots-dam-Institut für Klimafolgenforschung weite-

re Indizien für den bereits ablaufenden Klima-wandel. Witterungsturbulenzen wie diese sei-en normal bei einem Klima-Umbruch. Außer-dem hat ihm zufolge die Anzahl der bemer-kenswerten Wetterereignisse zugenommen.

«Innerhalb der letzten 50 Jahre hat sich welt-weit die Zahl der Extremereignisse mehr alsvervierfacht», sagte Gerstengarbe mit Verweisauf Daten der Versicherung Münchener Rück.

«Das ist mit großer Wahrschein-lichkeit auf den Klimawandel zu-rückzuführen, denn ein Klima, dassich ändert, wird instabiler unddann häufen sich die Extreme.»Ein langer kalter Winter wäre daebenfalls kein Widerspruch.

Naturkatastrophen:Versicherer warnen vor Kostendes Klimawandels

Angesichts des Klimawandels ha-ben Versicherer vor hohen Schä-den durch Naturkatastrophen inden kommenden Jahrzehnten ge-warnt. Nach Angaben der Münche-ner Rück könnten im Jahr 2003wetterbedingte NaturkatastrophenSchäden in Höhe von 70 Milliar-den Euro verursachen. Rekordre-genfälle, Überflutungen, Wirbel-stürme und Erdrutsche habendemnach allein bis Anfang Sep-tember diesen Jahres Schäden vonetwa 56 Milliarden Euro verursacht.Die Firma sammelt seit den 70er-Jahren Daten über Naturkatastro-phen und deren Kosten.

�Bislang gab es in diesem Jahr über 500große Naturkatastrophen�, so die Experten.�Viele der registrierten atmosphärischen Er-eignisse waren extrem.� So hätten die Regen-intensitäten die höchsten jemals von Meteo-

rologen und Klimaforschern ermittelten Wer-te erreicht. Folge solcher Ereignisse seien bei-spielsweise die Überflutungen in Süd- und Mit-telamerika, in Spanien, Frankreich und inDeutschland gewesen.

Auch für die Wirtschaft seien die Folgenbeträchtlich: Allein die Überschwemmungenim August letzten Jahres in Europa hättenVersicherungsverluste zwischen zwei und fünfMilliarden Euro verursacht.

Ozonsmog: Umweltministerium gegenFahrverbote

Zu kurzfristigen Konsequenzen konnte sich diePolitik allerdings nicht durchringen. So mein-te das Bundesumweltministerium diesenSommer lediglich, dass regional begrenzteund kurzfristige Fahrverbote nicht geeignetseien, die Ozonwerte zu verringern. Wichtigsei vielmehr, die Emission von Substanzenlangfristig zu reduzieren, die zu hoher Ozon-belastung führen könnten. Umweltverbändehatten der Bundesregierung vorgeworfen, zuwenig gegen den Sommersmog zu unterneh-men. «Mit einem konsequenten Fahrverbotkönnte die Belastung deutlich reduziert wer-den», sagte Greenpeace-Experte KarstenSmid. Der Bund für Umwelt und Naturschutz(BUND) bemängelte, dass es seit Auslaufendes Sommersmog-Gesetzes 1999 keineHandlungsanweisungen für Ozonalarm mehrgebe. Ernie

Foto: Anette

Page 7: 2 tacheles - Nummer 30 - Herbst 2003tacheles-solingen.de/.../2018/03/tacheles-30-Herbst-2003.pdf · 2018-03-18 · tacheles - Nummer 30 - Herbst 2003 - 3 m Juli war es bereits in

ttaacchheelleess - Nummer 30 - Herbst 2003 - 7

it diesem Slogan wirbt die Flugge-sellschaft Hapag-Lloyd zur Zeit in

diversen Tageszeitungen. Köln � Venedig für29,99 �. Oder darfs lieber Rom sein für 39,99�? In wirtschaftlich schlechten Zeiten hat derKampf um Kunden bei den Fluggesellschaf-ten einen neuen Trend hervorgebracht: Billig-flüge. Bei den Tiefstpreisen unterbieten sichdie Fluggesellschaften gegenseitig, allen vor-an die irische Fluggesellschaft Ryanair, dieeinen Teil ihrer Tickets gleich gratis abgibt.Umso erstaunlicher ist es, dass sich auf die-se Weise offenbar viel Geld verdienen lässt.Ryanair hat nacheigener Aussageden Umsatz imletzten Jahr ver-vielfacht und willin Zukunft weiterexpandieren.

Nun sind Bil-ligangebote zwarschön für denGeldbeutel, spie-geln jedoch inkeiner Weise dietatsächlichen Ko-sten, geschweigedenn die durchden Flugverkehrv e r u r s a c h t e nUmwel tkos tenbzw. �schädenwider.

Flugzeug ist klimaunverträglichstesMassenverkehrsmittel

Flugzeuge haben im Vergleich zu anderenVerkehrsmitteln einen sehr viel höheren En-ergieverbrauch. Im Vergleich zur Bahn ist derVerbrauch ungefähr dreimal so hoch - bezo-gen auf die zurückgelegte Entfernung. Berück-sichtigt man bei diesem Vergleich, dass beimFliegen wegen der hohen Reisegeschwindig-keit im Durchschnitt wesentlich weitere Strek-ken zurückgelegt werden als mit anderen Ver-kehrsmitteln, wird deutlich, dass der Energie-verbrauch noch wesentlich höher anzusetzenist. Untersuchungen, die den Aspekt Reise-zeit in die Berechnung einbeziehen, habenergeben, dass Fliegen ungefähr zehn- bis drei-ßigmal energieaufwendiger ist als Bahnfah-ren.

Noch schwerer wiegend als der hohe Kraft-stoffverbrauch ist die Tatsache, dass die vonden Flugzeugen erzeugten Abgase in der gro-ßen Höhe, in der sie fliegen, mehr Schäden

bewirken als die gleiche Menge von Abgasenund Schadstoffen in Erdbodennähe, wo sie inder Regel sehr viel schneller chemisch um-gewandelt und zum großen Teil abgebautwerden. Bei den für das Klima problemati-schen Emissionen handelt es sich um Koh-lendioxid (CO2), Stickoxide (Nox), Wasser-dampf und Aerosole. So führt z.B. der an sichharmlose Wasserdampf in der Atmosphärezur Bildung von Wolken, die auch dann nochvorhanden sind, wenn sich der für dasmenschliche Auge sichtbare Kondensstreifenschon wieder aufgelöst hat. Die Wolken in

dieser ansonsten wasserdampfarmen Höhen-schicht verstärken den Treibhauseffekt, da siedie kurzwelligen Strahlen der Sonne hindurch-lassen, die langwellige Wärmestrahlung, dievon der Erdoberfläche zurückgeworfen wird,jedoch zurückhalten.Unter Berücksichtigung dieser Tatsachenkommen Klimaforscher zu dem Ergebnis,dass Fliegen schätzungsweise 100mal klima-schädlicher ist als Bahnfahren. Diese Bilanzverschlechtert sich noch weiter, wenn Über-schallflugzeuge einbezogen werden.

Flugverkehr nimmt stetig zu

Vor diesem Hintergrund ist es erschreckend,dass im Vergleich mit anderen Verkehrsmit-teln ausgerechnet der Flugverkehr national wieinternational die größten Zuwachsraten auf-weist. Weltweit wird mit einer Verdopplung derVerkehrsleistung bis 2015 gegenüber 1995gerechnet, bis 2050 sogar mit einer Versechs-fachung. Ursachen für diese Zuwachsratensind zum einen der Trend, im Urlaub zu im-mer entfernteren Zielen aufzubrechen, zum

anderen zeichnet sich eine Zunahme bei Ge-schäftsreisen und Frachtverkehr ab.

Die durch die technische Weiterentwick-lung möglichen Einsparungen im Energiever-brauch und im Schadstoffausstoss können danicht mithalten. Laut Expertenmeinung wirdin naher Zukunft der Anteil des Luftverkehrsan den KIlimabelastungen den aller anderenVerkehrsmittel übertreffen.

Forderungen an die Politik ...

Um die Zunahme von Schadstoffemissionen

durch den Flugverkehr zu mindern, sind Maß-nahmen auf nationaler wie internationalerEbene notwendig. Hierzu gehören beispiels-weise schärfere Emissionsstandards, Flug-benzinbesteuerung, Abbau von Subventionenund die Verkehrsverlagerung auf umwelt-freundlichere Verkehrsträger. Leider fehlenbisher entsprechende Signale. Erst vor eini-gen Tagen hat die Bundesregierung noch ein-mal bekräftigt, dass eine Besteuerung vonFlugbenzin nicht vorgesehen ist.

... und an die Verbraucher

Unabhängig davon sollte sich jede/r Einzelnefragen, ob die für den nächsten Urlaub ge-plante Flugreise nicht auch mit anderen Ver-kehrsmitteln zu bewältigen ist. Und ob mansich den Luxus des Fliegens nicht nur ab undan leisten sollte. Schließlich ist es ja auch wasganz Besonderes, so hoch über dem Erdbo-den zu schweben und die Welt von oben zubestaunen. Da kann eine Taxifahrt nicht mit-halten. Und das darf sich dann auch ruhig imPreis niederschlagen. Dina

Page 8: 2 tacheles - Nummer 30 - Herbst 2003tacheles-solingen.de/.../2018/03/tacheles-30-Herbst-2003.pdf · 2018-03-18 · tacheles - Nummer 30 - Herbst 2003 - 3 m Juli war es bereits in

8 - ttaacchheelleess - Nummer 30 - Herbst 2003

as Cross-Border-Leasing (CBL) Ge-schäft mit dem Solinger Müllheizkraft-

werk (MHKW) scheint gescheitert. Der zu er-zielende Ertrag bleibt offensichtlich hinter denErwartungen zurück. Die zuständige Fachver-waltung geht jedenfalls davon aus, dass eswahrscheinlich nicht zu einem Vertragsab-schluß kommen wird. Mit diesem Rückzug ausden umstrittenen Leasinggeschäften mit US-amerikanischen Steuer-Tricks-Gesellschaftensteht Solingen nicht allein. In Frankfurt schei-terte jetzt nach einem erfolgreich angelaufenBürgerbegehren der von CDU, FDP und Grü-nen beschlossene Versuch, das auf 2,33 Mil-liarden geschätzte Stadtbahnsystem, inklusi-ve der U-Bahn, für einen Nettobarwertbetrag

von 60 bis 75 Millionen US-Dollar zu vermie-ten. Die Initiatoren des Bürgerbegehren, dar-unter attac, die GEW und die PDS hatten �ge-gen diesen Versuch Geldwäsche zu legalisie-ren� die für einen Bürgerentscheid notwendi-gen 40 000 Unterschriften gesammelt. DieGrünen sollen �kalte Füße� bekommen haben,wird gemunkelt. Noch vor wenigen Wochenhatte sich die Vertreterin der Frankfurter Grü-nen für das GBL ausgesprochen. Ihr �Argu-ment�: �Wenn die Firmen das alles so ma-chen und die Stadt nicht, habe ich mich ir-gendwann doch mal gefragt, ob wir das nichtauch machen sollen.�

In Mönchengladbach hatte die CDU denArrangeur des GBL-Deals gebeten, eine Ver-

Mehr als 1300 KriegsgegnerInnenblockierten im Frühjahr die US-Air-Basein Frankfurt. Sie erhielten dafürBußgeldbescheide von je 118,80 Euro.Die übergroße Mehrzahl hat dagegenWiderspruch eingelegt. Die tachelesdokumentiert den Widerspruch vonFrank Knoche.

Am 29. März 2003 habe ich an den vonder Kampagne �resist� organisierten Aktionenund speziell an der schon im Vorfeld ange-kündigten, befristeten und gewaltfreien Sitz-blockade vor der US-Air-Base in Frankfurt teil-genommen. Im Gegensatz zu Ihrer Auffas-sung habe ich damit nicht unrechtmäßig oderordnungswidrig gehandelt, sondern mein ver-fassungsmäßig garantiertes Recht in An-spruch genommen und die diesbezüglichePflicht - dort wo Recht zu Unrecht wird, Wi-derstand zu leisten � praktiziert.

Die schrecklichen Bilder des 1991er Golf-Krieges vor Augen, hätte ich es nicht ertra-gen, dieser �Menschenschlächterei� untätigund widerstandslos zuzuschauen. Nachdemder Generalbundesanwalt es abgelehnt hat-te, aufgrund u.a. auch meiner Strafanzeigegegen Bundeskanzler Schröder u.a. wegendes Verdachts der Vorbereitung und Unterstüt-zung eines Angriffskrieges ein Ermittlungsver-fahren einzuleiten, sah ich in dieser Form desProtestes die mir persönlich mögliche undgeeignetste Form, gegen diesen Krieg Wider-stand zu leisten

Die Frankfurter Rhein-Main-Air-Base istder größte Militärfrachthafen der US-Streitkräf-te außerhalb der USA, ohne die - im Zusam-menhang mit den anderen Militäreinrichtun-gen der USA in Deutschland - der völker-rechtswidrige Angriffskrieg gegen den Irak nurschwer möglich gewesen wäre. Von der Bun-desregierung hätte ich in diesem Fall die Ein-schränkung der Überflug- und Nutzungsrech-

te für eine kriegsvorbereitende und -durchfüh-rende Militärmaschinerie erwartet. Die bereitsAnfang November gegenüber dem US-Präsi-denten gegebene Zusage des Bundeskanz-lers, selbst im Falle einer Nichtmandatierungdurch die UN die �Bewegungsfreiheit unsererVerbündeten� nicht einzuschränken, musstejedoch von der Bush-Administration als �grü-nes Licht� der Bundesregierung für diesenvölkerrechtswidrigen Krieg gewertet werden.Dass Schröder diese Zusage als �eine politi-sche Entscheidung�, bei der es �nicht um Ju-risterei� gehe, wertete, lässt den Schluss zu,dass er sich der Rechtswidrigkeit seines Han-delns bewusst war. Wenn sich also die Re-gierung dem dem Völkerrecht entgegenge-setzten �Recht des Stärkeren� beugt, und deran Weisungen dieser Regierung gebundeneGeneralbundesanwalt nicht ermitteln will, weiles u.a. �an einer allgemein anerkannten undvölkerrechtlich verbindlichen Definition� desBegriffes �Angriffskrieg� mangeln würde ( Ein�seit nahezu 20 Jahren unerledigt gebliebe-ner Verfassungsauftrag�.), dann wird hier derindividuelle Widerstand zur ersten Bürger-pflicht. Im nachhinein stellt sich zudem her-aus, dass die entscheidenden Kriegsgründe,wie sie z.B. Tony Blair benannt hat (der Iraksei in der Lage, in wenigen Minuten Englandu.a. europäische Länder anzugreifen) bewus-ste Fälschungen waren. Angenommen, Blairhätte damals Recht gehabt - was zu diesemZeitpunkt noch als möglich galt - wäre er eingeeigneter Zeuge für die ernsthafte Bedrohungauch unseres Landes durch einen Krieg.Schließlich hat Saddam Hussein allen Län-dern, welche den Krieg gegen den Irak unter-stützen damit gedroht. Die direkte und indi-rekte Unterstützung eines Angriffskriegesdurch die Bundesregierung wäre somit geeig-net gewesen, eine solche Gefahr für unserLand herbeizuführen.

Ich bekenne aus diesen und weiteren Mo-tiven heraus, an besagter gewaltfreien Blok-kade teilgenommen zu haben und von zweifreundlichen und verständnisvollen Polizisten,die mir allerdings nicht ihren Namen sagenwollten, etwa 30 Meter weit weggetragen wor-den zu sein, um dann wie ein Schwerverbre-cher, gegen meinen ausdrücklichen Willen, er-kennungsdienstlich fotografiert und in einemGefangenentransportwagen abtransportiert zuwerden. Für diesen Vorgang noch Zeugen zuladen, ist also zumindest in meinem Fall nichtnotwendig und würde das Verfahren, welchesnach meiner Überzeugung auf Kosten derStaatskasse gehen wird, unnötig verteuern.

Deshalb beantrage ich nochmals die Ein-stellung meines Verfahrens. Hierbei berufe ichmich auf den Vorrang völker- und verfas-sungsrechtlicher Rechte und Pflichten. Insbe-sondere auf Art. 26 Abs. I des Grundgeset-zes (�Handlungen, die geeignet sind und inder Absicht vorgenommen werden, das fried-liche Zusammenleben der Völker zu stören,insbesondere die Führung eines Angriffskrie-ges vorzubereiten�, ... (sind) �verfassungswid-rig� und �unter Strafe zu stellen�.), Art. 20 GG(�Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ord-nung zu beseitigen, haben alle Deutschen dasRecht zum Widerstand, wenn andere Abhilfenicht möglich ist�.), Art. 69 der hessischenVerfassung welcher sich ausdrücklich zu Frie-den, Freiheit, Völkerverständigung und zurÄchtung des Krieges bekennt, sowie Art. 147(�Widerstand gegen verfassungswidrig aus-geübte öffentliche Gewalt ist jedermannsRecht und Pflicht.�) der Hessischen Verfas-sung.

Ich bitte Sie mir zur näheren und weiterenmündlichen Begründung, eine Redezeit von15 bis 20 Minuten einzuräumen.

sicherung gegen die Risiken solcher Geschäf-te abzuschließen. Es fand sich jedoch keinVersicherungsunternehmen, welches ein solchhohes Risiko auf sich nehmen wollte.

Selbst der stramm rechte CSU-PolitikerBeckstein geht auf Distanz: Es entstehe in derÖffentlichkeit �ein verheerendes Bild, wennKommunen auf Steuertricks hart an der Gren-ze der Legalität zurückgreifen�. Bayerns Fi-nanzminister Faltlhauser findet sogar Worte,die man eher von gestandenen Linken erwar-tet hätte: �Einen Ausverkauf der Städte undGemeinden wegen kurzfristig lukrativer Steu-ertricksereien und riskanter Finanzierungsmo-delle wollen wir verhindern.� Frank Knoche

Page 9: 2 tacheles - Nummer 30 - Herbst 2003tacheles-solingen.de/.../2018/03/tacheles-30-Herbst-2003.pdf · 2018-03-18 · tacheles - Nummer 30 - Herbst 2003 - 3 m Juli war es bereits in

ttaacchheelleess - Nummer 30 - Herbst 2003 - 9

ie durch massive Proteste u.a. derWohlfahrtsverbände und des Jugend-

stadtrates verhinderte Verschärfung der Stra-ßenordnung und die damit verbundene repres-sive Vertreibung �der Szene� von öffentlichenPlätzen wie dem Ohligser Bremshey-Platzscheint jetzt durch die Hintertür wieder aktu-ell zu werden. Der Dezernent für Ordnung undSauberkeit, Ralf Weeke, beabsichtigt imHerbst Oberbürgermeister Franz Haug imRahmen der Kampagne �Saubere Stadt� ei-nen Vorschlag für einen neuen Bußgeldkata-log zu unterbreiten. Vorbild für den sozialde-mokratischen Dezernenten sind dabei Düssel-dorf, wo die nicht sachgemäße Entsorgungeiner Zigarette doppelt soviel wie in Solingenund Frankfurt, wo das gleiche Delikt viermalsoviel kostet. Wenn es nach Weeke ginge,sollte auch der städtische Ordnungsdienst, derfür die Durchsetzung der Straßenordnungnotwendig ist, personell �ähnlich gut ausge-stattet� werden wie in Düsseldorf oder Wup-pertal. In Wuppertal kostet dieser Kommuna-le Ordnungsdienst (KOD) jährlich 80 000Euro. In Düsseldorf leistet sich die Landes-hauptstadt einen 80-köpfigen Ordnungs- undSicherheitsdienst (OSD).

Comeback der Sittenpolizei

Düsseldorfs Stadtzeitung für Politik & Kultur�Terz� kommentierte die �Law and Order� �Kampagne des CDU Oberbürgermeisters Er-win bereits als �Comeback der Sittenpolizei�.Seit Joachim Erwin (CDU), auf dem Neujahrs-empfang 2002 einer CDU Ortsgruppe, Schwu-le dazu aufforderte �sich besser nach Berlinzu verlegen�, macht der dortige OSD nicht nurJagd auf �Müllferkel� und �Kaugummispucker�.Sie fahnden an Baggerseen und in öffentli-

chen Toilettenanlagen nach praktizierendenHomosexuellen, die wegen �grob ungehörigenHandlungen� nach § 118 des Ordnungswid-rigkeitsgesetzes wegen �nicht ordnungsgemä-ßer Nutzung der öffentlichen Toiletten� mit ei-nem Bußgeld in Höhe von 300 Euro bestraftwerden können. Um Obdachlose, Drogen- undAlkoholabhängige, Schwule, Jongleu-re ohne Gewerbeschein, Graffiti-SprayerInnen, BettlerInnen und ande-re, nicht entsprechend konsumierendeund konforme Minderheiten besser kon-trollieren zu können, soll der OSD jetztsogar noch weiter personell aufgestocktwerden und darüber hinaus die Lizenzals Quasi-Stadtpolizei erhalten. Die�Terz� konstatiert hier einen eindeutigenZusammenhang zwischen �Reini-gungstrieb und Aggressionstrieb�.

Sozialere Konzepte wie in Solingen

Der vom Sozialdezernenten Smentek(CDU) unterstützte Versuch, die Proble-me der Szene-Treffpunkte in Solingenvor allem mit sozialpolitischen Maßnah-men allgemein verträglich zu gestalten,gerät immer mehr unter Druck. Nichtzuletzt deshalb, weil Nachbarstädte wieDüsseldorf und Leverkusen versuchen,mit ihrer repressiven Vertreibungs- undDrogenpolitik ihre Probleme auf Kostendes Umfeldes zu lösen. Die Situationam bahnhofsnahen Bremshey-Platz inOhligs soll sich dementsprechend u.a.durch �Methadon-Tourismus� verschärfthaben, weil besagte CDU-regierte Städ-te, im Gegensatz zu Solingen, ihre Hilfsange-bote für Abhängige eingestellt hätten. Aller-dings stellt sich die Stadt Solingen auch selbst

ein �Armutszeugnis� aus,wenn die dafür vorgesehe-ne Stelle eines zu 70 Pro-zent von der Landesregie-rung finanzierten Streetwor-kers, nicht eingerichtet wer-den kann, weil dafür die30prozentigen Eigenmittelder Kommune nicht bereit-gestellt werden.

Widerstand gegenPopulismus

Seltsam, dass so vieleCDU-regierte Kommunen inNRW etwa zeitgleich eineKampagne �Saubere Stadt�

starteten. Haben da wieder einmal langfristigarbeitende Parteistrategen eine Konzeptionentwickelt, wie und mit welchen Themen sichdie Partei für die anstehenden Wahlen profi-lieren könnte? Im Vorfeld der Kommunalwah-len im September 2004 wird da tatsächlicheine gewisse Berechnung nachvollziehbar: In

Zeiten des massiven Sozialabbaus durch rot/grüne Landes- und Bundespolitik und der da-mit verbundenen Verunsicherung der Men-schen kommt nämlich eine kommunale Law-and Order-Politik, die populistisch vermeintli-che Sicherheit im unmittelbaren Wohnumfeldvorgaukelt, besonders gut an. So wie wir dieSPD kennen, wird sie als Gegenstrategie ver-suchen, sich gegenüber den Konservativen alsdie noch konsequenteren Ordnungs- und Si-cherheitspolitiker zu profilieren. Richtig ernstwird es jedoch erst im Vorfeld der nahendenFußballweltmeisterschaft. Unter dem Vor-wand, dem �Hooligan-Problem� zu begegnen,könnte das demokratische Recht auf gleich-berechtigte Nutzung des Öffentlichen Raumesgenerell in Frage gestellt werden. Also: Wersich da nicht rechtzeitig wehrt, der lebt nunwirklich verkehrt!

Frank Knoche

Page 10: 2 tacheles - Nummer 30 - Herbst 2003tacheles-solingen.de/.../2018/03/tacheles-30-Herbst-2003.pdf · 2018-03-18 · tacheles - Nummer 30 - Herbst 2003 - 3 m Juli war es bereits in

10 - ttaacchheelleess - Nummer 30 - Herbst 2003

m 24.7. wurde von CDU, FDP, BfS und� nach zuerst deutlicher Ablehnung �

auch von der SPD gegen die Grünen ein In-vestorenauswahlverfahren für den Rathaus-parkplatz beschlossen. Hier soll �Verwaltung,Einzelhandel/ Dienstleistung Gewerbe, Woh-nen� angesiedelt werden. Von verantwortli-chen Politikern werden für die Bebauung zu-sätzlich zu einem Rathausneubau und Woh-nungen wahlweise ein Autohaus, eine Sport-halle für den eigenen Verein oder ein Hotelangegeben. Die Interessen der Bevölkerungder umgebenden Nordstadt spielen keineRolle und wurden im Vorfeld nicht untersucht.

Die Bezirksvertretung (BV) Mitte hatte sicham 10.7. auf die grüne Forderung nach einersofortigen vorgezogenen Bürgerbeteiligunghin auf Antrag der SPD dafür aus-gesprochen, �eine Bürgerver-sammlung für den Bereich derNordstadt und den an das Rat-hausparkplatz-Projekt angrenzen-den Wohnquartieren nach Been-digung der Vorprüfungen im Fe-bruar 2004 durchzuführen.� Dieshätte bedeutet, dass die BürgerIn-nen wenigstens vor der endgülti-gen Entscheidung für einen deracht von der Verwaltung ausge-wählten Bewerber die Pläne hät-ten sehen und kommentieren dür-fen. Doch der Planungsausschussbeschloss � mit den Stimmen derSPD � die Pläne erst zu veröffent-lichen, nachdem die Entscheidunggefallen ist.

Gefahr erkannt �Investorenplanung kommttrotzdem

Die 179 Bäume auf dem Platz,vor allem Platanen und Ahorn, die aufgrundihres Stammdurchmessers größtenteils unterdie Baumschutzsatzung fallen, spielen bei derAusschreibung des Investorenwettbewerbsnur eine geringe Rolle, auch wenn immerhinim Ausschreibungstext gefordert wird, es sol-len �freiraumplanerische Qualitäten mit mind.3.000 qm erarbeitet und unter größtmöglicherEinbeziehung der bestehenden Bäume� inte-griert werden. Die Vorstellung der Stadt, denRathausneubau über den Verkauf weitererPlatzteile zu finanzieren, lässt sich damit aberkaum vereinbaren und die Gefahr ist groß,dass nicht mehr viel von der grünen Lungeder Nordstadt übrig bleibt. Dies obwohl die�Ersteinschätzung der grünordnerischen Be-lange�, die vom VBS erstellt wurde und erstauf Nachfrage in der BV nachgereicht wurde,eine deutliche Sprache spricht:

-�Der umfangreiche Baumbestand desParkplatzes hat eine hohe Bedeutung für dasKleinklima in diesem Bereich, da er eine tem-peraturausgleichende Wirkung hat sowieSchadstoffe aus der Luft filtert. Die benach-barten Siedlungsbereiche sind dagegen durchhohe Versiegelungsgrade und eine damit ver-bundene nachteilige Wirkung für das Kleinkli-ma gekennzeichnet.�

-�Unter dem Aspekt �Biotopverbund in derStadt� stellt der Rathausparkplatz mit seinemumfangreichen Baumbestand ein Bindegliedzwischen den Freiflächen östlich der SolingerInnenstadt, insbesondere dem Friedhof, undden westlich der Innenstadt liegenden Freiflä-chen (Weyersberg, Grünzug Nacker Bachtal)dar. Eine Überbauung würde den Biotopver-

bund an dieser Stelle unterbrechen.�Der Leiter der Unteren Landschaftsbehör-

de schreibt: �Die Bäume sind vital, werdenregelmäßig kontrolliert und wo erforderlich,baumpflegerischen Maßnahmen unterzogen,so dass unter diesen Gesichtspunkten voneiner hohen Erhaltungswürdigkeit ausgegan-gen werden kann. Die Möglichkeit einen ca.20 Jahre alten Baumbestand im nur sehr we-nig durchgrünten Innenstadtbereich in einBebauungskonzept zu integrieren, sollte da-her in jedem Fall genutzt werden.�

Wie sehr die Planung auch an den Wün-schen der SolingerInnen vorbeigeht, machteder Leser-TED des Solinger Tageblattes (ST)vom 15.9. deutlich. Dies, obwohl nach einerAlternative, der Planung eines Stadtplatzes mitParkcharakter in der dichtbebauten und lärm-belasteten Nordstadt, gar nicht erst gefragt

worden war. Von 709 Anrufern sagten auf dieFrage �Soll auf dem Rathausvorplatz gebautwerden?� 76% nein, nur 20% unterstütztendas Verwaltungskonzept. Die Reaktion derRatsmehrheit auf dieses Meinungsbild warbezeichnend: CDU-FraktionsvorsitzenderBernd Krebs sagte dem ST am 17.9. dazu:�Wir müssen den Bürgern die Pläne wohl nochnäher bringen.� Und: �Wir ziehen das jetztdurch.�

CDU liebäugelt auch wieder mitÜberbauung des Neumarktes

Wenn es um den Ausverkauf der letzten frei-en Plätze in der Innenstadt geht, verdient auchder Graf-Wilhelm-Platz/Neumarkt wieder Auf-

merksamkeit. Bei der Bebauung desMühlenplatzes hatte die BV beschlos-sen, dass die verlorengegangenen so-zialen und ökologischen Funktionenauf dem Neumarkt ausgeglichen wer-den sollten. Im Mühlenplatz-Bebau-ungsplan wurde festgehalten, dassauf dem Neumarkt 24 große Bäumeanzupflanzen sind, um den Verlustauszugleichen.Der im Mai 2000 einstimmig gewähl-te Wettbewerbsentwurf des Teamsum den Berliner Architekten Quicksieht hier einen grünen Platz vor. Auchnach Änderungen im Planungsbeiratzusammen mit dem Architekten siehtder überarbeitete Entwurf einen Platzfrei von zusätzlicher Bebauung vor.Zum Graf-Wilhelm-Platz hin ist eineMultifunktionsfläche u.a. für den Wo-chenmarkt geplant, die von einerBaumreihe mit Sitzmöglichkeiten ander Straße Am Neumarkt und einerPergola mit Sitzen an der Bergstraßeeingerahmt wird. Vor C&A soll ein mit

Bäumen bestandener Stadtteilplatz und eineWasserfläche u. a. Gelegenheit zum Kinder-spiel bieten. Obwohl der Umbau ein Projektder Regionale 2006 ist und auf der Liste dervorrangigen Projekte des Landes steht, spe-kuliert die CDU jetzt, auf die Zusage des Lan-des sei kein Verlass. Krebs nutzt dies, um auchhier die Katze aus dem Sack zu lassen. LautST vom 19. 9. sagte er: �Um private Geldge-ber zu finden, sei vielleicht auch am Neumarktüber einen Investorenwettbewerb nachzuden-ken.� Ein Investorenwettbewerb auch für denNeumarkt würde bedeuten, dass drei Jahrenach der Wettbewerbsentscheidung dochwesentliche Teile des Platzes zugebaut undinsbesondere die Flächenanteile für den Stadt-teilplatz, der gerade den Kindern zugute käme,für weitere Geschäftsbauten geopfert würden.

Dietmar Gaida

Foto: Heinz

Page 11: 2 tacheles - Nummer 30 - Herbst 2003tacheles-solingen.de/.../2018/03/tacheles-30-Herbst-2003.pdf · 2018-03-18 · tacheles - Nummer 30 - Herbst 2003 - 3 m Juli war es bereits in

ttaacchheelleess - Nummer 30 - Herbst 2003 - 11

etreu dem erfolgreichen Motto �Ver-trauen ist gut, Misstrauen ist besser�

müssen die Fahrgäste der Stadtwerkeseit dem 1. August in Bussen vorne ein-steigen, dem Fahrer ihren Ausweiszeigen und hinten wieder aussteigen.An der Bushaltestelle merkt man esschon. Statt wie bisher am Bussteig ver-teilt, warten jetzt alle ganz vorne. Ent-sprechend lang ist die Schlange an dervorderen Türe. Nicht alle haben ihrenFahrausweis griffbereit. Hier zeigt sichaufs vortrefflichste die Weisheit des neu-en Modells, das Conrad Troullier, Ge-schäftsführer der SWS-Verkehrssparteim ST vom 23.7. wie folgt pries: �Es gibtdann keine Drängeleien mehr an den Tü-ren�

Die verlängerte Wartezeit an denBushaltestellen harmoniert aufs Vortreff-liche mit dem Busbevorrechtigungssy-stem, das mit Millionenförderung desLandes den Bussen eine Bevorrechti-gung an den Ampeln einräumt: So wirdauf kurzweilige Art die eingesparte Zeitwieder verbraucht.

Also: Schön den Fahrausweis vor-zeigen: Ja, ich bin berechtigt, eurenschönen Bus zu benutzen. Es ist schön,wenn mensch es endlich am Fahrer vor-bei geschafft hat. Auch wenn der Busgerade anfährt, während der Fahrgastsich an den dicht stehenden Menschenvorbei in den hinteren Teil des Bussesdurchkämpft, annehmend, hier besteheeine reelle Chance auf einen freien Platz.Der Fahrer - was soll er besseres ma-chen? - fährt seinen Kurs und der ist inSolingen schon mal kurvig, holprig undmanchmal sogar steil. Wer nicht auf-passt kann auch mal ein bisschen durch-geschüttelt werden beim Gang durch den Bus.Alte Leute oder diejenigen, die nicht so ganzsicher auf den Beinen sind, bleiben am be-

sten vorne stehen und warten auf den näch-sten Halt des Busses. Dann sind leider mei-

stens alle freien Plätze weg � da haben siehalt Pech gehabt.

Nun, ein Platz ist erklommen, im wahrstenSinne des Wortes.Mensch sitzt auf einemErzeugnis eines weiterendieser schönen Einfällezur Aufgabe �Wie er-schwere ich das Busfah-ren�: Dem in der neuenO-Bus-�Generation� ein-gesetzten SitzmodellRückwärts-Sitzen-im-freien Fall. Diese Sitzesind erhöht entgegen derFahrtrichtung ohne ge-genüberliegende Sitzeangebracht, sozusagendas adventure-Modellder Stadtwerke � man

muss das hier erklären, schließlich kennen vie-le tacheles-LeserInnen Busse nur noch aus

der Kindheit von Innen.Als der Fahrgast nach mitnehmen-

der Fahrt auf dem beschriebenen Sitz-modell schließlich an der erhofftenHaltestelle ankommt, mahnen ein-dringliche Pfeile, wo er aussteigensoll, nämlich hinten. Was er dannauch brav tut. Diejenigen, die nahe amFahrer stehen geblieben sind, müssensich spätestens jetzt ebenfalls durchden fahrenden Bus drängeln. Froh, al-len Anweisungen vollständig Folge ge-leistet zu haben, denkt der Fahrgastauf dem Fußweg über die unendlicheGüte der Stadtwerke nach, die mit die-ser Entscheidung �den Fahrgastflussverbessern können� (Dieses Zitatstammt wie die folgenden von Con-rad Troullier, entnommen der SM).

Dabei geht es doch um etwas vielwichtigeres: �Damit soll das Schwarz-fahren eingedämmt werden�. Wäh-rend es vor der Neuregelung tagsübernur vereinzelte Fahrscheinkontrollenin den Bussen gab, soll das Systemjetzt lückenlos werden. Um ganz si-cher zu gehen, belassen die Stadtwer-ke es nicht beim �Kontrollierten Ein-stieg vorne�. Die �Ticketprüfer werdenauch durch das neue System nicht ab-geschafft. Sie werden nach wie vornach dem Zufallsprinzip unterwegssein.�

Ja, das ist ein schönes Gefühl,wenn keiner umsonst im ÖffentlichenPersonennahverkehr mitfährt. Ja, esist schön, dass armen Menschen jetztdas Busfahren völlig unmöglich ge-macht wird. Die Alternative für diese

Gruppe zum Schwarzfahren, der Vorschlag,für Solingen-Pass-Berechtigte das Busfahrenzu ermäßigen bzw. ihnen ein Fahrtenkontin-gent frei zur Verfügung zu stellen, wurde jadankenswerterweise schon unter rot-grün vonder SPD abgelehnt. Jetzt sind diese Menschennoch mehr vom öffentlichen Leben ausge-schlossen. So sind wir Glücklicheren endlichauch im Bus unter uns.

Allen anderen aber wird die Größe derAufgabe sicher einleuchten: Angesichts dernur mäßig voranschreitenden Erderwärmung,den mageren Ozonwerten und dem immernoch viel zu langweiligen Klima müssen ein-fach effektivere Maßnahmen ergriffen werden.Allen muss gezeigt werden: Wenn du nur ir-gendeine Möglichkeit hast, diesen nervendenund unbequemen Ritualen beim Busfahren zuentkommen, dann kaufe ein Auto! Aber sub-ito! Dietmar Gaida

Foto: Heinz

Page 12: 2 tacheles - Nummer 30 - Herbst 2003tacheles-solingen.de/.../2018/03/tacheles-30-Herbst-2003.pdf · 2018-03-18 · tacheles - Nummer 30 - Herbst 2003 - 3 m Juli war es bereits in

12 - ttaacchheelleess - Nummer 30 - Herbst 2003

m Juni diesen Jahres wurde eine acht-köpfige Familie, die seit 11 Jahren in

Deutschland lebt, in die Türkei abgeschoben.Leyla und Yunus sind zwei der Kinder, die inSolingen aufgewachsen sind und hier einengroßen Freundeskreis hatten. Ein Teil ihrerFreunde und Freundinnen hat vor einiger ZeitBriefe an sie versendet - zum Abschied, zurErinnerung, zu Bewältigung der neuen Situa-tion....

tacheles dokumentiert hier auszugswei-se einen Teil der der Briefe von den Kindernder Schülerhilfe des Internationalen Bundes.

Na Ihr Süßen!

Alles klar bei euch? Bei mir nicht, seitdem ihrweg seit!Ich werde euch nie in meinem Leben verges-sen, (...). Ich wünsche mir von ganzen Her-zen, dass ihr wieder zurück kommt. Die Zeitmit Euch war eine sehr schöne Zeit, die ichnie vergessen werde.(...)Eure F.A.

Liebe Leyla und Yunus, liebe Familie!

Ich vermisse euch alle, - sogar Yunus. Ichdenke Tag und Nacht an euch. Ich hoffe, dassihr bald wieder kommt - dass ich euch in dieArme nehmen kann. (...) Ich vermisse euch.Y.B.

Liebe Leyla und Yunus!

(...) Es ist schade, dass ihr in der Türkei seid(...) Hoffentlich gefällt es euch in der Türkeigenau so, wie es euch in Deutschland gefal-len hat. Aber ihr kommt bestimmt bald wie-der nach Deutschland zurück. Ich wünscheaber auf jeden Fall viel Glück und hoffentlichkommt ihr bald wieder zurück, dass wünscheich natürlich deiner ganzen Familie!Bye, M.

Liebe Leyla und Yunus!

Wie geht es euch? Mir geht es gut. Wenn ihrhier wäret, ginge es mir aber besser. Hoffent-lich gefällt es euch in der Türkei so, wie eseuch hier in Deutschland gefallen hat. Grüßean eure ganze Familie von meiner Familie.Viel Glück!S.H.

Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.Bezirk 3560 Gruppe 1424Helmut EckermannBurger Landstraße 1942659 SolingenTel. 0212 / 41578

Page 13: 2 tacheles - Nummer 30 - Herbst 2003tacheles-solingen.de/.../2018/03/tacheles-30-Herbst-2003.pdf · 2018-03-18 · tacheles - Nummer 30 - Herbst 2003 - 3 m Juli war es bereits in

ttaacchheelleess - Nummer 30 - Herbst 2003 - 13

Wi tze

Die kleine Pauline steht am Hafen und wirft

ununterbrochen Steine ins Meer.

Verwundert fragt eine Spaziergängerin:

�Warum machst du das?� Pauline zeigt auf

ein Schild: Hier steht doch: �Deutsche

Werft!��

Frau Müller, schauen Sie mal, da krabbelt ein

Mann in Ihre Hundehütte!� � �Ja klar. Der

Tierarzt macht heute Hausbesuche!�

Der Geheimagent 007 stellt sein Fahrrad ab

und hängt einen Zettel daran: �Klauen

zwecklos! James Bond.� Nach einer Weile

kommt er wieder, doch der Zettel ist weg

und auf einem zweiten Zettel steht:

�Verfolgung zwecklos! Jan Ullrich.�

Gehen zwei Hunde durch

die Wüste. Sagt der eine

zum anderen: Wenn nicht

gleich ein Baum kommt,

mache ich mir in die Hose.�

Sagt der Lehrer: �Es gibt

zwei Wörter, die ich von

Euch nicht mehr hören

will. Das eine ist affengeil

und das andere saudoof.�

Fragt Paul: �Und welche

zwei Wörter sind das?�

LLiissssyy uunndd IIllllyy::SScchhuullaannffaanngg !!

Kid�s Site

Page 14: 2 tacheles - Nummer 30 - Herbst 2003tacheles-solingen.de/.../2018/03/tacheles-30-Herbst-2003.pdf · 2018-03-18 · tacheles - Nummer 30 - Herbst 2003 - 3 m Juli war es bereits in

14 - ttaacchheelleess - Nummer 30 - Herbst 2003

ehr als 1000 Menschen kamen ausund nach Solingen zur Demonstrati-

on anlässlich des 10. Jahrestages des Brand-anschlags in Solingen. Unter anderen berich-teten Die Stra-ße, FrankfurterR u n d s c h a u ,junge Welt,Hürriyet, KölnerStadt-Anzeiger,N e u e sDeutschland ,Solinger Mor-genpost, Solin-ger Tageblattund WO-C H E N P O S Tüber die De-monstration.

�Der Auf-stand der An-s t ä n d i g e nmuss weiterge-hen, notfal lsauch gegen dieZuständigen�,forderte derVertreter desFlüchtlingsra-tes NRW Ste-fan Keßler. Pe-ter Gingold, einÜberlebenderdes Widerstan-des und desH o l o c a u s t s ,Bundesspre-cher der VVN/Bund der Anti-faschistinnenund Antifaschi-sten appelliertevor al lem andie jungen Menschen, �die nicht vergessenhaben in welchem Land sie leben�. Es wärefür die Überlebenden des Holocausts �eine Sa-che der hoffnungslosen Verzweiflung, wennwir nicht immer wieder - wie heute auf dieserhoffnungsvollen Kundgebung - erleben wür-den, dass sich gerade junge Menschen en-gagiert und mutig sich den Nazis in den Wegstellen und ihnen keinen Fußbreit Boden über-lassen�. Für den Solinger Appell warf FrankKnoche den verantwortlichen Repräsentantendieser Stadt vor, aus Angst, dem Image So-lingens zu schaden, lieber zu schweigen undzu verharmlosen anstatt sich offensiv dem

Rassismus entgegen zu stellen. Özgür Demi-rel von der Föderation der demokratischen Ar-beitervereine DIDF wandte sich gegen dieSpaltung der Gesellschaft in Deutsche und

Ausländer.W ä hr en d

der gesamtenDemonstrationtrugen Antifa-s c h i s t I n ne naus Wupper-tal, Leverku-sen, Bonn undSolingen eineChronik derrassistischenund faschisti-schen Über-griffe sowiedes Wider-standes dage-gen vor � vomTag der fakti-schen Ab-

schaffung des Asylrechtes (23.5.93) bis heu-te. Der eindrucksvollste Moment der Demon-stration war die �Gedenk- und Trauerminutefür alle Opfer des Faschismus und Rassismusund insbesondere des Brandanschlages vonSolingen� am damaligen Tatort. Danach rezi-tierte Mehmet Yildiz vom Türkischen Volks-verein sein Gedicht �Die toten Kinder träumen�in türkischer und deutscher Sprache. Ein Ver-treter von kanak attak forderte eine Kampa-

gne für �die automatische Einbürgerung auchfür Leute die keine Papiere haben�.

Ein Beitrag der Antifa Wuppertal beleuch-tete das unsägliche Verhalten des Verfas-sungsschutzes, dessen dubioses Verhalten imZusammenhang mit dem Solinger Brandan-schlag bis heute nicht aufgeklärt wurde unddessen Rolle im NPD-Verbotsprozess deut-lich macht, dass er im Kampf gegen denRechtsextremismus völlig versagt. �Die Auf-lösung aller Organe des sogenannten Staats-und Verfassungsschutzes� war auch eine derzentralen Forderungen des Bündnisaufrufes.Weiterhin sprach ein Mitglied der Landesschü-lervertretung und ein Vertreter der autonomenantifaschistischen Gruppen in NRW.

Die symbolische Umbenennung von meh-reren Straßen nach den Namen der fünf Frau-en und Mädchen, die dem Anschlag zumOpfer fielen, machte augenfällig, dass es indieser Stadt nach zehn Jahren immer nochkeine Benennung einer Straße oder einesGebäudes in Erinnerung an die Opfer gibt.Das ST, die SM und Die Straße berichteten

über die symbolischeUmbenennung derSchweizer Straße in�Hülya Straße�. DieRatsmehrheit lehntees jedoch auch nachder positiven Reaktionab, eine Straße � wiein Frankfurt den �Hü-lya-Platz� � nach demNamen eines der Op-fer zu benennen.

Nach den Planun-gen der Parteien solldemnächst eine Stra-ße nach dem Her-kunftsort eines Teilsder Opfer, Mercimek inder Türkei, benannt

werden � immerhin ein Lichtstreif. Die Erin-nerung an die ermordeten Menschen in einemStraßen- oder Gebäudenamen in Solingenbleibt aber leider auch dann noch ein uner-füllter Auftrag. Dietmar Gaida

Page 15: 2 tacheles - Nummer 30 - Herbst 2003tacheles-solingen.de/.../2018/03/tacheles-30-Herbst-2003.pdf · 2018-03-18 · tacheles - Nummer 30 - Herbst 2003 - 3 m Juli war es bereits in

ttaacchheelleess - Nummer 30 - Herbst 2003 - 15

it Einstellung des Verfassungsge-richtsverfahrens wähnen sich NPD

und andere Neonazigruppen im Aufwind. Anfast jedem Wochenende findet irgendwo in derRepublik ein Aufmarsch von einigen Dutzendbis hin zu einigen Tausend Neonazis statt. DieNPD hat ihren �legalistischen Kurs�, wie auchihre zeitweilige Zurückhaltung gegenüber Na-ziskin- und Kameradschaftskreisen aufgege-ben, die ihrerseits von dem Karlsruher NPD-Erfolg profitieren und ihn nutzen. Das neueSelbstbewusstsein der NPD wie auch ande-rer Neonazikreise soll auf der Straßedemonstriert und der jeweilige �Füh-rungsanspruch� zur Schau gestelltwerden. Die Zahl nazistischer Gewalt-taten steigt wieder bedrohlich an.

Die Hauptsorge von Verfassungs-schutzämtern und Strafverfolgungs-behörden ist auf den störungsfreienAblauf von Neonaziaktionen gerichtet. Anti-faschistische Protestaktionen werden nachdem Desaster von Karlsruhe als verfassungs-feindliche Infragestellung von Bürgerrechtender politischen Konkurrenten dargestellt. DerSchutz der Nazis erhält geradezu Verfas-sungsrang! (...)

All dies mit Hilfe auch der Verfassungs-richter � wer sie jedoch kritisiert, wie es dieVVN-BdA tat, dem wird vorgehalten, dass die-se Kritik auf die Verfassungsfeindlichkeit desKritisierenden hinweist, der damit seine Miss-achtung der Unabhängigkeit der Justiz bekun-de. (Siehe den neuen Bundesverfassungs-schutzbericht.) (...)

Das Gericht hat nicht nur den NPD-Pro-zess verweigert, es hat auch � entgegen land-läufiger Ansicht � durchaus inhaltlich zumNeonazismus Stellung genommen: Es hat mitdem Spruch einer Kammer von drei Verfas-

sungsrichtern immer wieder dafür gesorgt,daß Neonazibanden auf den Straßen unse-res Landes aufmarschieren und Organisati-onsverbote der Innenminister umgehen durf-ten. Den Neonazis wurde bescheinigt, allen-falls eine �missliebige Meinung� zu vertreten.Damit wurden Verwaltungsgerichte, die derMeinung waren, dass �sich eine rechtsextre-mistische Ideologie auch nicht mit den Mit-teln des Demonstrationsrechts legitimierenlässt� (so das oberste Verwaltungsgericht vonNRW) ausgebremst. Die drei Verfassungsrich-

ter aus der Karlsruher Kammer,die zugunsten der Nazis votiertenund die im Namen aller 16 Ver-fassungsrichter sprachen, wurdennie von diesen Richterkollegenkorrigiert � dies ist aber unbedingtnotwendig und auch möglich. DieSympathien der federführenden

Karlsruher Richter, so mußte man vermuten,waren grundsätzlich eher bei den Rechten an-gesiedelt. Die NPD und andere Neonazis kön-nen jetzt ihre Hetzkampagnen ausweiten undsich immer frecher gebärden.

Dessen ungeachtet halten wir an den un-verzichtbaren Positionen des Grundgesetzesfest, die in unseren Losungen verankert sind:�Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg�(Artikel 26) und �Der Faschismus ist keineMeinung, sondern ein Verbrechen� (Artikel139). Weil der enge Zusammenhang zwischenNazi-Herrschaft und Expansionskrieg damalsgar nicht mehr zu übersehen war, stieß nach1945 der Vorsatz �Nie wieder Faschismus �nie wieder Krieg� auf breite Zustimmung. Diealliierte Gesetzgebung, die neben der Entmi-litarisierung Deutschlands die Auflösung derNazi-Organisationen und das Verbot eventu-eller Nachfolge-Organisationen vorschrieb,wurde noch 1949 � zusammen mit vielen an-deren Bestimmungen, die der historischenErfahrung zu verdanken sind � ins Grundge-

setz übernommen.Wir werden nicht davon ablassen, den ver-

fassungswidrigen Zustand anzuprangern, derdarin besteht,

- dass heute die größte Nachfolgeorgani-sation der verbrecherischen NSDAP, die NPD,zusammen mit anderen Alt- und Neonazis anfast jedem Wochenende mit ihren widerlichenParolen durch irgendeine Stadt unseres Lan-des marschieren darf und

- dass sie mit staatlich bezahlten V-Leu-ten ihre Kaderbestände auffüllen kann,

-dass die sogenannten �Kameradschaften�als unmittelbare Nachfolgeorganisationen derin den neunziger Jahren verbotenen Neona-zigruppen nahezu ungehindert agieren dürfenund mittels ihrer Aufmärsche schon großeOrtsgruppen in vielen Städten und Orten re-krutieren konnten,

-dass die Jugendlichen, die gegen die Na-zis demonstrierten, von der Polizei in Kesselnzusammengepfercht wurden und bisher nichtrehabilitiert worden sind,

- dass nicht einmal die Versammlungendes Präsidenten des Zentralrates der Judenohne Aufmärsche der Antisemiten stattfindenkönnen,

-dass � wie etwa in Wuppertal � Jugendli-che von Gericht gestellt werden, weil sie Na-ziversammlungen störten. (...)

Landesausschuss NRW der VVN-BdAWeitere Unterschriften an VVN-BdA Nord-

rhein-Westfalen, Gathe 55, 42107 Wupper-tal, e Mail: [email protected]

Hier könnte ihre Anzeige stehen!

Infos unter [email protected]

Page 16: 2 tacheles - Nummer 30 - Herbst 2003tacheles-solingen.de/.../2018/03/tacheles-30-Herbst-2003.pdf · 2018-03-18 · tacheles - Nummer 30 - Herbst 2003 - 3 m Juli war es bereits in

16 - ttaacchheelleess - Nummer 30 - Herbst 2003

Hochverehrter Herr Professor Becker,

dank des aufmerksamen Lesers der Ta-cheles, Herrn Jörn Tüffers, erreicht mich heu-te über den Umweg der Solinger Morgenpostdie Nachricht, dass Sie mir einen �offenenBrief� geschrieben haben. (...)

Sie haben völlig Recht: Die �Weltgemein-schaft� als �völkerrechtliches Subjekt�, wie Sieschreiben, gibt es nicht. Sie mögen allerdingsverzeihen, dass ich als normaler Bürger, dereine persönliche politische Meinung vertritt,nicht immer den formal richtigen Begriff ausder Charta der Vereinten Nationen benutzthabe. Diese meine Meinungsäußerung wartatsächlich nicht als Seminarbeitrag oder garals Leistungsnachweis im Rahmen eines Stu-diums der Politikwissenschaften gedacht. Vordiesem Hintergrund habe ich statt �VereinteNationen� einfach �Weltgemeinschaft� ge-schrieben. Ich will mich gerne bessern.

Im weiteren Verlauf Ihres Vortrags erläu-tern Sie die Verfassungswidrigkeit verschie-dener Bundeswehreinsätze. An dieser Stellefrage ich mich als juristisch relativ unkundi-ger Bürger, wie es sein kann, dass trotz Ihreskompetenten Urteils alle Klagen gegen dieseEinsätze vor dem Bundesverfassungsgerichtgescheitert sind. Leise schleicht sich der böseVerdacht ein, dass Juristen eine andere Auf-fassung vom Grundgesetz haben könnten alsder Politikwissenschaftler Professor Dr. Bek-ker. Ich gestehe: Als Schiedsrichter in dieserFrage tauge ich mangels Kompetenz nicht.Doch von wem soll ich mich in dieser Fragenun beraten lassen?

Im Hinblick auf die völkerrechtliche Bewer-tung des Kosovo-Krieges als auch des Irak-Krieges habe auch ich den juristisch nicht fun-dierten Eindruck, dass es sich hier um nichtdurch Beschlüsse respektive Resolutionen desSicherheitsrates der Vereinten Nationen völ-kerrechtlich legitimierte Einsätze nach Artikel7 der UN-Charta gehandelt hat, mithin warenbeide Einsätze auch in meinen Augen völker-rechtswidrig. Ich habe das auch nie bestrit-ten.

Ich bin gleichwohl der Ansicht, dass derKosovo-Einsatz moralisch nicht nur legitim,sondern geboten war, da es in meinen Augenhier tatsächlich um die Verhinderung bzw.Beendigung eines Völkermordes ging. Ich bin

auch immer noch der Meinung, dass man sichnicht auf den Standpunkt stellen kann, einVölkermord im Rahmen eines innerstaatlichenBürgerkriegs ginge die Weltgemeinschaftnichts an. Nun erklären Sie, dass der Begriff�Genozid� hier nicht zutreffe. Ehrlich gesagtinteressiert mich sprachliche Semantik nicht,wenn systematisch Tausende von Menschenumgebracht und Hunderttausende aus ihremLand vertrieben werden.

Im Bezug auf den von Ihnen erwähntenVölkermord in Ruanda bin ich der Auffassung,dass es ein Verbrechen war, hier nicht eben-falls militärisch einzugreifen, selbst wenn esein völkerrechtswidriger Einsatz ohne entspre-chenden Beschluss des UN-Sicherheitsratesgewesen wäre. Ich schreibe das wohlwissend,dass es außerordentlich gefährlich ist, nichtfundamental auf der Einhaltung des Völker-rechts zu bestehen, da letztlich nur die Ein-haltung des Rechtes weltweit zu Stabilität undFrieden führen kann. Aber die Welt ist leiderverdammt kompliziert, womöglich manchmalsogar für studierte Politikwissenschaftler.

Ganz anders liegt der Fall im Irak. Hierkonnte man zumindest aktuell nicht von einerähnlich gelagerten Situation sprechen, dieshabe ich in meiner Meinungsäußerung auchnicht. Im Gegenteil war und bin ich der Auf-fassung, dass der Krieg gegen den Irak in je-der Hinsicht illegal und illegitim war und ist .Auch wenn man die Entfernung von HerrnHussein von der Macht im Irak sicher grund-sätzlich nur begrüßen kann - wer da nicht si-cher ist, sollte sich erinnern, mit welch unge-heurer Brutalität dieser Mann gegen politischeMinderheiten und etwa das kurdische Volkinnerhalb seines Landes vorgegangen ist - gabes jenseits militärischer Gewalt eine Vielzahlnicht-militärischer Mittel, die Eindämmung dermilitärischen Bedrohung durch den Irak si-cherzustellen.

(...) Ich habe Hans Peters nach seinerRede deshalb Anti-Amerikanismus vorgewor-fen, weil er in seiner Wortwahl die USA imHinblick auf ihre Geschichte bis hin zum heu-tigen Tag die Rolle des kapitalistisch gefährli-chen Bösewichts zugewiesen hat (Nein, dasist nicht wörtlich so gefallen, das ist eine völ-lig subjektive Wahrnehmung meinerseits ge-wesen.).

Aber selbst im Bewusstsein der historischoft fatalen Außenpolitik der USA und selbstwenn mir manchmal speiübel wird, wenn ichAuftritte des (nicht) gewählten Präsidentendieses Landes höre und sehe, so halte ichdennoch die USA weder heute noch historischfür das wesentliche Grundübel unseres Pla-neten. Der heutige 8. Mai könnte beispiels-weise dazu beitragen, das tiefschwarze Bildüber die Geschichte der USA ein wenig auf-zuhellen. Da gibt es ganz andere Kandida-ten, übrigens auch im Hinblick auf das grund-sätzliche Staatsverständnis.

Und damit komme ich zum letzten ThemaIhrer Abhandlung, Ihre Klage über meinenpolitischen Stil und Ihre Mahnung, ich nähmemich zu wichtig. Zunächst zu den Fakten: Dievon Ihnen zum Anlass Ihres Briefes genom-mene Mail ist von mir nicht an den Verteilerdes Solinger Friedensforums geschickt wor-den. Es war eine Mail, die ich als persönlicheMeinungsäußerung an einige meiner grünenParteifreundinnen und -freunde geschickthabe. Ziel dieser Äußerung war, bei zukünfti-gen Aufrufen und Reden zu bedenken, dasses sicher eine ganze Reihe Menschen gibt,die den Irak-Krieg wie ich ablehnen, sich alsoauch an entsprechenden Protestaktionen be-teiligen möchten, die sich mit der fundamen-talen Ablehnung jeglicher militärischer Gewaltaber nicht identifizieren können. Im Hinblickauf die Programmatik von Bündnis 90/DieGrünen lässt sich zumindest festhalten, dassunter bestimmten Umständen auch diesesletzte Mittel nicht ausgeschlossen wird. Wiegesagt, es handelte sich also meinerseits umeinen rein parteiinternen Debattenbeitrag.Dass dieser dann ohne Abstimmung mit miran den kompletten Verteiler des Solinger Frie-densforums verschickt wurde, habe ich we-der gewollt noch zu vertreten. Ich habe miralso auch kein Recht zu irgendwas heraus-genommen und mich auch gar nicht wirklichwichtig genommen � na ja, vielleicht ein klei-nes bisschen, aber innerhalb meiner Partei.(...)

Mit freundlichen Grüßen

Reiner Daams

Page 17: 2 tacheles - Nummer 30 - Herbst 2003tacheles-solingen.de/.../2018/03/tacheles-30-Herbst-2003.pdf · 2018-03-18 · tacheles - Nummer 30 - Herbst 2003 - 3 m Juli war es bereits in

ttaacchheelleess - Nummer 30 - Herbst 2003 - 17

Lieber Reiner Daams,

ich danke Dir für Deinen Brief vom 12. Mai2003. Ich will in meiner Antwort an Dich nurauf den Kosovo-Krieg eingehen. ...

Du schreibst in Deiner Antwort u.a., dasses Dir bei dem Begriff �Genozid� nicht um Se-mantik gehe. Dann schreibst Du: �Ehrlich ge-sagt, interessiert mich sprachliche Semantiknicht, wenn systematisch Tausende von Men-schen umgebracht und Hunderttausende ausihrem Land vertrieben werden.�

Diese hier von Dir benutzten und quanti-tativ sehr hohen Zahlen möchte ich mit denZahlen konfrontieren, die mir als Wissen-schaftler gegenwärtig zur Verfügung stehen.Ich unterscheide dabei wie Du in �Tote� undin �Flüchtlinge�.

1. Tote

Auf der offiziellen Homepage des Den Haag-er Tribunals und dort in der Anklageschriftgegen Milosevic kann man die Toten zählen.Milosevic u.a. sind des Mordes an ca. 732Albanern angeklagt. Milosevic u.a. sind imübrigen nicht wegen Völkermords im Kosovoangeklagt... Im Herbst 1999 wurden nachAngaben des Tribunals 2.108 Opfer gefunden- Soldaten und Zivilisten, Frauen, Kinder, alteMenschen, Albaner und Serben, Opfer vonKriegshandlungen, NATO-Splitterbomben undHinrichtungen. Im Jahr 2000 wurden weitere680 Opfer ausgegraben. Die Gesamtzahl derToten im Kosovo-Krieg/Bürgerkrieg liegt alsolt. Haager Tribunal zwischen 2.000 und 3.000.

2. Flüchtlinge

Die offizielle Zahl des Tribunals beträgt800.000 Flüchtlinge und Vertriebene. Aller-dings verstecken sich hinter dieser Zahl sehrverschiedene Ursachen: Vertreibung, Kriegs-handlungen, NATO-Bombardement, Versor-gungsmangel, aber u.a. auch Terror der al-banischen UCK, die dafür sorgte, dass dieMenschen ihre Dörfer verließen. Unzweifelhaft

steht heute fest, dass die großen Fluchtbe-wegungen erst mit dem NATO-Bombarde-ment eingesetzt haben. In diesem Zeitraumflohen z.B. auch etwa 50.000 Kosovo-Serbennach Serbien.

Nach (!) dem Ende des Kosovokriegessind 250.000 Serben, Roma, Bosniaken, Tür-ken und Goraner aus dem Kosovo geflüchtetoder vertrieben worden. ...Gegenüber dieserRealität sprach während des Kosovo-Kriegesder Verteidigungsminister der Rot-Grünen Re-gierung Rudolf Scharping von 1,5 Mio. Flücht-lingen.

...

3. Gegenwärtige Situation im Kosovo

Die gegenwärtige Situation im Kosovo ist al-les andere als friedlich, sie unterscheidet sichkaum vom Zustand vor dem Krieg. Seit demJuni 1999, also: seit dem Eintreffen der KFOR-Truppen und der UNMIK-Verwaltung) wurdenu.a. 110 serbische Kirchen und Klöster zer-stört oder beschädigt. Und im �Spiegel� vom30. Juni 2003 heißt es: �Gescheitert sind dieHelfer [im Kosovo] vor allem beim Aufbau ei-ner toleranten multiethnischen Gesellschaft.Die serbische Minderheit lebt fast ausschließ-lich in Ghettos, 1.200 Serben wurden seitAnkunft der Friedenstruppen getötet, 1.140gelten als vermisst.�

...Ich ziehe aus diesen Informationen ein

erstes Fazit: Im Kosovo-Krieg gab es 2.000bis 3.000 Tote, durch das NATO-Bombarde-ment wurden weitere rd. 1.000 Menschen ge-tötet, und von den rd. 800.000 Flüchtlingenfloh der aller größte Teil dieser Menschen erstnach (!) Kriegsbeginn - nicht vorher. Ange-sichts dieser nüchternen Zahlen bleibt fest-zuhalten: Der Kosovo-Krieg war moralischnicht geboten, weil die zu seiner Rechtferti-gung behaupteten Toten- und Flüchtlingszah-len nicht stimmen.

Vor und während des Kosovo-Krieges hastDu öffentlich nie das gesagt, was Du jetztsagst, nämlich, dass dieser Krieg völkerrechts-

widrig war. Du sagst das zumindest jetzt. Unddas ist gut so. Hier stimme ich Dir zu. Vorund während des Kosovo-Krieges hast Dudiesen Krieg aber aus politisch-moralischenGründen stets mit zwei Argumenten befürwor-tet. Zum einen hast Du immer auf das schreck-liche Massaker von Racak im Januar 1999verwiesen, zum anderen hast Du auf die eth-nischen Vertreibungspläne im sog. Hufeisen-plan aufmerksam gemacht, einen serbischenPlan, den Verteidigungsminister Rudolf Schar-ping damals der Öffentlichkeit präsentierte.

Wir wissen heute zweierlei: Im Massakervon Racak gab es �nur� 45 Tote. Aber es istnoch bis heute umstritten, ob es sich bei die-sem Ereignis um ein Massaker an Zivilistenoder um ein �inszeniertes Massaker� gehan-delt hat, ... Und der sog. Hufeisenplan vonRudolf Scharping war eine Geheimdienstfäl-schung, mit der die Berliner Regierung diedeutsche Bevölkerung willentlich getäuschthat, ohne dass dieses Täuschungsmanöverjemals im Deutschen Bundestag diskutiertworden wären. (Dies im übrigen im Gegen-satz zu den USA und England, wo Tony Blairsund George Bushs Manipulationen von Ge-heimdienstberichten für den Irak-Krieg durchparlamentarische Gremien sehr wohl unter-sucht werden.) Da dieser Hufeisenplan alsoeine Fälschung war, wurde er auch nicht alsBeweismittel im Milosevic-Prozess zugelas-sen.

Ich ziehe aus diesen Informationen einzweites Fazit: Wenn Du vor dem Krieg auf-grund der damaligen Informationslage denKosovo-Krieg aus moralischen Gründen be-fürwortet hast, dann solltest Du Dich aus heu-tiger Sicht und mit einem Zuwachs an Wis-sen von Deiner damaligen Befürwortung öf-fentlich distanzieren. Auch Du bist von Dei-ner eigenen Regierung und den Massenme-dien übel getäuscht worden.

Mit freundlichem Gruß

Dein Jörg Becker

P.S. In Deinem Schreiben vom 12. Mai 2003wunderst Du Dich darüber, dass ich den Bun-deswehreinsatz im Kosovo als verfassungs-widrig einschätze, obwohl alle dementspre-chenden Klagen vor dem Bundesverfassungs-gericht gescheitert seien. Als Politiker solltestDu eigentlich wissen, dass der Generalbun-desanwalt in Karlsruhe, der über die Annah-me oder Ablehnung einer Verfassungsklageentscheidet, nicht unabhängig handelt. Alspolitischer Beamter ist er an verbindlicheWeisungen des Bundesjustizministers gebun-den und kann bei deren Nichteinhaltung ohneBegründung entlassen werden. Es handeltsich bei dieser Rechtslage um politische Ju-stiz, die die Unabhängigkeit staatsanwalt-schaftlicher Arbeit in Frage stellt. Es stündegerade der Partei der Grünen gut an, solcheobrigkeitsstaatlichen Muster unserer Justizgesetzgeberisch endlich zu korrigieren.

Page 18: 2 tacheles - Nummer 30 - Herbst 2003tacheles-solingen.de/.../2018/03/tacheles-30-Herbst-2003.pdf · 2018-03-18 · tacheles - Nummer 30 - Herbst 2003 - 3 m Juli war es bereits in

18 - ttaacchheelleess - Nummer 30 - Herbst 2003

egen Rassismus, Ausgrenzung, dasrepressive globale Migrationsregime,

Kontroll- und Überwachungstechniken undgegen Abschiebe- und Lagerpolitik. Grenzenverlaufen überall: im Flughafen wie auf demBahnhof, in der Innenstadt wie an der Staats-grenze. Um dem etwas entgegen zu setzen,reisten schätzungsweise 1.000 Personen ausder Bundesrepublik und ganz Europa an diePoller Rheinwiesen in Köln. Unter dem Motto�Out of Control� konnten sie dort ihre Zelteaufschlagen und sich am 6. AntirassistischenGrenzcamp vom 31. Juli bis zum 10. Augustbeteiligen.

Neben vielen Diskussionen und einemumfangreichen Auftaktforum stand die Pra-xis im Vordergrund. Zahlreiche Aktionen wur-den geplant und durchgeführt oder ergabensich spontan. Temperaturen bis zu siedenden40 Grad im Schat-ten hielten nur we-nige CamperInnendavon ab, ihrempolitischen Ver-ständnis kreativund voller Taten-drang Ausdruck zuverleihen.

Bei Ikea inKöln zum Beispielwurden Einkäufe-rInnen und Pas-santInnen daraufaufmerksam ge-macht, dass dieSchraubenbeutelfür einen Hunger-lohn in der An-schiebehaftanstaltBüren gefertigtwerden. Bei AccorHotels in Bonnfand ebenfalls eineAktion statt. Accor nutzt sog. �illegale� Migran-tInnen als billige Putzkräfte aus, ist am Chip-karten- und Gutscheinsystem für Flüchtlingebeteiligt, betreibt selber �Abschiebehotels�,bzw. Abschiebeknäste und bietet kompletteAbschiebungen als Dienstleistungen an. DieGrenzcamperInnen kippten vor dem EingangMüll aus, klebten Plakate und informierten diePassantInnen über die Vorgänge.

Vor dem �Ausländerzentralregister� (AZR)in Köln, das als zentrales Instrument der ras-sistischen Sondererfassung aller als �nichtdeutsch� kategorisierten Menschen in der BRDfungiert, protestierten ca. 150 AntirassistIn-nen. Die wohl umfangreichste Datensamm-lung in Deutschland speichert die Daten von

über 12 Mio. MigrantInnen allum-fassend und stellt sie AusländerIn-nen- und Grenzbehörden, Aus-landsvertretungen, BGS, Justizbe-hörden, BKA, VS und BND zur Verfügung.Dies ermöglicht nicht nur eine effektive Ab-schiebepolitik, sondern birgt noch ganz an-dere Gefahren - die Weitergabe von Datenan Verfolgerstaaten ist nur eine davon.

Wer soviel Übles benennt und seinem Un-mut Taten folgen lässt, der kriegt auch promptdie Quittung.

Der rechte Mob bewegte sich gar zweimalauf die Straße - einmal gleich mit 17 bürger-lich getarnten Pro-Köln Anhängern, einmal imZusammenschluss freier Kameradschaften.�Unten ohne� auf braunen Socken (Springer-stiefelverbot) wälzten sie sich zäh durchs Vier-tel und forderten, was faktisch auch geschah:

Das Grenzcamp möge verschwinden.Bereits am Vormittag erreichte die massi-

ve Polizeipräsenz der vergangenen Tage, ge-prägt durch Übergriffe, Festnahmen und Pro-vokationen, einen weiteren Höhepunkt: DasCamp wurde von mehreren Hundertschaftenumzingelt, Wasserwerfer und Räumpanzerbezogen Stellung, Tränengas und Schlagstockwurden eingesetzt. Im Laufe des Tages stei-gerte sich das Bedrohungsszenario immermehr. Erst glaubten die sich auf dem Campbefindlichen 360 TeilnehmerInnen noch aneine maßlos übertriebene Aktion zum �Schut-ze� der pöbelnden Nazis - nachdem diese sichaber verdünnisiert hatten, blieb die gewaltbe-reite Exekutive. Für mehrere Stunden wurde

das Wasser abgedreht - bei extrem hohenTemperaturen, was einer faktischen Körper-verletzung gleichkam; Internetverbindungenwurden gekappt, um den Kontakt zur Außen-welt zu erschweren, Hubschrauber umkreistendie Poller Rheinwiesen, Flutlicht blendete zumAbend hin die bereits eingekesselten Campe-rInnen. Aus Solidarität mit den illegalisiertenBesucherInnen und aus Überzeugung hattensie das Camp nicht �freiwillig� verlassen, wieihnen zu Beginn dieser Farce, in jedem Fallemit erkennungsdienstlicher Behandlung �an-geboten� wurde. Noch in der Nacht wurdendie zum Ende in bedrohlicher Nähe zu denPolizistInnen Stehenden, weil diese den Kes-

sel immer enger gezogen und ge-teilt hatten, in die Polizeikasernenach Brühl gebracht, erkennungs-dienstlich behandelt und bis in diefrühen Morgenstunden festgehalten.

Die Begründung für dieses un-glaubliche Vorgehen fiel derweilmehr als dürftig aus: Auf einer Pres-sekonferenz stellte die Polizeifüh-rung die Verhafteten kurzerhand alsinternationales Netzwerk gewalttä-tiger Linksradikaler dar, gegen die -zu über 70 % kriminell - insgesamt84 Ermittlungsverfahren eingeleitetwurden. Des weiteren ließ mandurchblicken, dass der rechtlichenDurchsetzung des Grenzcamps einfür allemal der Garaus gemachtwerden sollte. So wurde also fleißigMaterial gesammelt, um ein zukünf-tiges Verbot der unliebsamenGrenzcamps zu erreichen.

In der Nacht noch gab es zahl-reiche Proteste; in Köln blockierten

wütende DemonstrantInnen die Ringstraße,in Bremen wurde während der Live-Übertra-gung eines Konzertes der Kammerphilharmo-nie die Bühne geentert, eine Solidaritätskund-gebung verlesen und ein Transparent ge-spannt; in verschiedenen Städten über dasganze Bundesgebiet verteilt gab es ähnlicheAktionen.

Eine adäquate Antwort auf die Kölner Re-pressionswelle steht derweil noch aus.

Eine bundesweite Demonstration ist ge-plant - achtet auf Ankündigungen!

Entnommen aus derTerz vom September 2003

Page 19: 2 tacheles - Nummer 30 - Herbst 2003tacheles-solingen.de/.../2018/03/tacheles-30-Herbst-2003.pdf · 2018-03-18 · tacheles - Nummer 30 - Herbst 2003 - 3 m Juli war es bereits in

ttaacchheelleess - Nummer 30 - Herbst 2003 - 19

Feedback an die tacheles zum Thema�Abtrennung Wiese Weyersberg�...:

Hauptsache mal wieder Linkspopulisti-sches Gerede in dieser Zeitung... Was wirddenn alles nicht erwähnt? Die regelmäßigeZerstörung der in Eigenregie und auf freiwilli-ger Basis aufgebauten Baseballanlage, wel-che erst zur Absperrung führte (daher vorherja auch der mobile Zaun...).

Die dadurch enstehenden besseren Mög-lichkeiten zum Vereinssport, der für Jugendli-che wohl gemeinschaftsfördernder ist als lo-ses Bolzen.

Die danebenliegenden Fußballplätze, wo-von zwei nicht zum Ligabetrieb geeignet sindund somit immer zur Verfügung stehen, derRest wird auch nur am Wochenende undabends genutzt- eben genau wie die Wiese,ob mit oder ohne Abtrennung würde diese ehnicht zur Verfügung stehen.

Eure Absichten und Eure Einstellung inallen Ehren, Respekt vor Eurer Arbeit- aberlinke Brille bei allem und jedem ohne Objekti-vität- NEIN DANKE!

Greetz

*Der Autor hat unsgebeten, seinen Na-men hier zu entfer-nen. (März 2018)*

Sendungen im Oktober 2003. Soweit nichtsanderes angegeben ist, beginnen sie jeweilsum 19.04 Uhr auf den Wellen von Radio RSG(94,3 MHz Antenne / 99.95 MHz Kabel).Bürgerfunk aus Remscheid und Solingen imInternet: www.buergerfunk.bland.de. Hier gibt esInformationen über die Studios, Macher undMacherinnen, das Zwei-Säulen-Modell, Sendun-gen in RealAudio und vieles mehr.Änderungen des Programms sind aus techni-schen und sonstigen Gründen möglich.

1/10 19:00 No. 1 GFL2/10 19:00 Kultur Cafe Kraftstation3/10 19:00 Welle Courage VHS-SG4/10 18:00 Kraftstation

19:00 Rückblende Studiowelle5/10 18:00 Bit für Bit Studio Berg. Land

19:00 Full House VHS-SG6/10 19:00 Nightstorm GFL7/10 19:00 Radiostammtisch VHS-SG8/10 19:00 Money Money GFL9/10 19:00 Kraftstation

10/10 19:00 Die Stimme der Sen. KBW11/10 18:00 Playball Studiowelle

19:00 Talklang GFL12/10 18:00 Bass Line VHS-RS

19:00 Metal Inquision Studio Berg. Land13/10 19:00 Schulzeit Studiowelle14/10 19:00 Country Factory VHS-SG15/10 19:00 Radio Vertikal Remywood16/10 19:00 Kraftstation17/10 19:00 Urlaubsreif GFL18/10 18:00 Die Straße GFL

19:00 Unter Strom Studiowelle19/10 18:00 Medientipp Studio Berg. Land

19:00 Bücher, Leser, ... VHS-SG20/10 19:00 Stechuhr GFL21/10 19:00 Trendy Studiowelle22/10 19:00 KBW23/10 19:00 Subotnix Remywood24/10 19:00 Radio JAM VHS-RS25/10 18:00 Film ab GFL

19:00 Hangkgeschmedden VHS-SG26/10 18:00 Metal Inquision Studio Berg. Land

19:00 Snap Studiowelle28/10 19:00 Kreuzblende KBW29/10 19:00 VHS-RS30/10 19:00 Kraftstation31/10 19:00 KBW

Page 20: 2 tacheles - Nummer 30 - Herbst 2003tacheles-solingen.de/.../2018/03/tacheles-30-Herbst-2003.pdf · 2018-03-18 · tacheles - Nummer 30 - Herbst 2003 - 3 m Juli war es bereits in