Post on 01-Aug-2020
Andreas Krützen
Rundgang durch Vaals Schwerpunkt „Kirchengeschichte vor Ort“
Fassung Januar 2012
Andreas Krützen: Rundgang durch Vaals (NL) - Seite 1
Rundgang durch Vaals (NL)
WEG: Akener Straat, Bergstraat, Clermontplein, St. Paulus Straat, Lindenstraat, Kerkstraat.
1) Kleine Wacht (Kleng Wach), kleiner oder auch alter Zoll Das niederländische Grenzhäuschen wurde um 1890 errichtet; der Übergang war aber nur
für Fußgänger zulässig und wurde in den Kriegen und Nachkriegszeiten hermetisch
abgesperrt. Die niederländische
Zollverwaltung verkaufte es
nach1972 an die Gemeinde Vaals für
einen Gulden und übertrug es
schließlich dem Vaalser
Heimatverein “St. Tolbert“, der es -
nach Restaurierung- als “das kleinste
Museum der Niederlande“ (Bertram
1999: 222) seither betreut. Der an
diesem Zollhäuschen angelehnte
“Adlerstein“, ein Grenzstein des
ehemaligen Aachener Reiches , hat
nach Meinung einiger “Tolberter“
früher einige Meter weiter westlich
gestanden (vgl. Bertram 1999: 222;
vgl. Heemkundekring 2004: 7).
2a) Ehemaliges Pastorat
(Pastorie) der kath.
Pfarrkirche St. Paulus,
(Vaals, Akener Straat 2) Im Stadtarchiv der Stadt Aachen
befindet sich eine Akte „Pfarrhaus in
Vaals und dortige Grenzen 1660-
1806“ (Bertram 1995: 25), die eine Vielzahl von Auseinandersetzungen um dieses Haus und
die Grenzziehung beinhaltet. Es ist leider nicht bekannt, wann hier das Pastorat gebaut
wurde, oder das dortige Haus als Wohnung für den Pfarrer angekauft wurde. Sicherlich aber
verlief damals die Grenze des Aachener Reichs weiter westlich und Pfarrhaus sowie
Pfarrkirche lagen “im Reich“. Der noch vorhandene Turm aus dem 13. Jh. könnte ein Grenz-
und Bewachungspunkt gewesen sein. Im sogenannten Partagevertrag von 1661 zwischen
den Generalstaaten und dem Aachener Reich, der am 25.12.1662 ratifiziert wurde, kam es
zu einer kuriosen Grenzziehung, die mitten durch das Pastorat verlief. „Zij liep bij de
Weleerwarde Heer door de slaapkamer“ (Hermans 1981: 58). Von 1663 gibt es auch eine
Skizze in den Akten, wo die Bebauung mit Kirche, Pastorat und “Poell“ (Schlagbaum)
eingezeichnet ist. Noch anschaulicher zeigt dies eine um 1700 entstandene Zeichnung der
Akenerstraat (vgl. Bertram 1995: 26/27).
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Erst 1816 wurde durch eine
erneute Grenzkorrektur das
Pastorat ganz nach Vaals verlegt;
dafür mussten die Niederländer
ein ganzes Haus, (ejjen Katz) in
Lemiers an Laurensberg und
damit an Preußen abgeben. Bei
einer genauen Untersuchung des
Eckhauses 1987 wurde
festgestellt, dass eigentlich nur im
Mittelteil noch alte Baureste
(Kellergewölbe mit altem
Mauerwerk, nur mit der Axt
behauene Dachbalken usw.) des
Pastorats vorhanden sind; die
Teile rechts und links wurden viel
später angebaut. Als die jetzige
St. Paulus-Kirche 1892 in der
Kerkstraat fertiggestellt war,
baute man 1912/13 ein neues
Pastorat daneben und die alte
Pastorei wurde an die Fam.
Schmalen-Flesch verkauft, die es
1924 zu einem Wohn- und
Geschäftshaus umbauten (vgl.
Bertram 1995: 30).
Bei den Auseinandersetzungen und Streitereien zwischen den “Papisten“ und Reformierten
spielte auch dieses Haus immer wieder eine Rolle. So soll der katholische Pfarrer -entgegen
dem Verbot der Staaten General- hier Taufen und Trauungen vorgenommen haben. Dieser
wehrte sich aber mit dem Argument, dass er diese Handlungen in dem Teil des Hauses
vornahm, das im “Katholischen Reich von Aachen“ gelegen sei. Die zwischen 1664 und
1673 im Taufregister von St. Paulus vermerkten Taufen werden wahrscheinlich hier
stattgefunden haben. (vgl. Franssen 1994: 97)
2b) Ergänzungen, (Zitate) zum Pastorat St. Paulus, Vaals Am 27.07.1660 beantragt der Pastor „Sigerus A. Thenen“ bei der Reichstadt Aachen eine
Holzlieferung zur Reparatur „an Dürren und Finster Gespan, wie auch an einen newen Trap“.
Er verweist darauf, dass das „Pastoral Hauß noch im Reich von Aachen gelegen ist.“. In der
Antwort heißt es, dass die Stadt Aachen ihm für seine Scheune bereits 1654 Holz
zugewiesen habe und durch die Aachener Waldwächter habe fällen lassen. Da er dieses
Holz habe liegen lassen, wäre es nach dem großen Stadtbrand 1656 anderweitig verwendet
worden (Bertram 1995: 30).
In Zusammenhang mit dem Partagevertrag kommt es am 17.10.1663 zwischen den
Generalstaaten und der Reichsstadt Aachen zu folgender Vereinbarung: Die Reichsstadt
verzichtet auf ihren Anspruch auf die „kerke van Vaels ende het territoire van dien,
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streckende tot aen de blauwe limitsteen staende neffens de pastorye huysinghe“ (Bertram
1995: 30)
Aus einer schriftlichen Beschwerde des o.a. Pastors vom 09.11.1673 geht hervor, dass
französische Soldaten bei ihm folgendes entwendeten: „70 oder 80 Pfund Zinn; 2 fette Kühe
und 1 Rind; 2 wollene Jacken; 3 oder 4 Betttücher; 15 oder 16 Servietten; 2 oder 3
Handtücher; 6½ Maß Hafer; 8 pattacons (8 Reichstaler) an Geld; den Vorrat an Schinken
und Speck; 1 neue Hose aus Antwerpener Seide; 4 Breviere; 20 Pfund Butter; ungefähr 60
Käse und 2 neue Betten“ (Bertram 1995: 33; übersetzt vom Autor).
Die Franzosen hatten den Katholiken zwar wieder die Gottesdienste in ihrer Kirche gestattet
(1672-1678), aber auch beim “Furagieren“ gab es eine gewisse Gleichbehandlung bei den
“Glaubensbrüdern“. Ob dem “armen“ Pastor etwas zurückgegeben oder erstattet wurde, ist
nicht bekannt.
In einem Schreiben vom 05.02.1692 wird nochmals die Rechtslage bezüglich Pastorat
verdeutlicht: „...erstlich weiset der Augenschein und ist wahr dass die große Pfordt der
Pastorey zu Valß alle Zeit seye gelegen plieben und gehoret habe zu (diese?) Seithe deß
großen und alten Limit Steins, (d.h. auf Aachener Gebiet), dergestalt daß niemahlen die H H
General Staatten präedentiert, ob solle die Pfordt auf ihre Grundt oder Territorio
liggen….“.(Bertram 1995: 33)
3) Franse Kerk / Waalse Kerk (Vaals, Akener Straat) Eine reformierte Gemeinde mit französischer Liturgie-Sprache wurde bereits 1558 in Aachen
gegründet. Wahrscheinlich waren das überwiegend Kupferschläger aus Frankreich und der
Wallonie, die 1554 in Aachen Zuflucht fanden. Sie erhielten - wie auch vorher schon die
Tuchwirker-Familien - die Bürgerrechte. Nachdem die freie Reichsstadt Aachen sich im
Augsburger Religionsfrieden 1555 zum “Alten Glauben“ bekannte, wurden nach und nach
die reformierten Gottesdienste verboten und die
Prediger der neuen Bekenntnisse ausgewiesen.
Viele zogen nach Burtscheid, Stolberg und
insbesondere nach Vaals, um dort an
Gottesdiensten teilzunehmen. Die französisch-
reformierte Gemeinde traf sich zunächst in einer
Scheune und baute dann die 1667 vollendete
Kirche in der Akener Straat. Wie die
Niederdeutsch Reformierten, waren sie
kalvinistischer Prägung und unterschieden sich
eigentlich nur in der Sprache beim Gottesdienst. In
Zusammenarbeit mit Burtscheid konnte diese
Gemeinde bis 1884 fortbestehen. Bei der Kirche
war auch ein kleiner Friedhof und im Gebäude
befinden sich noch einige Fragmente von
Grabsteinen. Das Kirchengebäude hatte man
bereits 1801 an deutschen Reformierten
übertragen, die es 1837 an einen Bäcker
verkauften. Als man 1850 die Kirche zu einem
Wohnhaus umbaute, verschwand das Türmchen
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mit Glocke auf dem Dach. Die Hausbewohner haben noch die Windfahne von diesem
Türmchen bewahrt und zeigen sie bei besonderen Anlässen (z.B. Tag des Denkmals). Die
Beulen und Schussspuren auf diesem “Posaunen-Engel“ erzählen noch immer die
Geschichte einer Auseinandersetzung zwischen Katholiken und Protestanten im Jahre 1757
(vgl. Abb. Heemkundekring 2005: 3). Damals haben Schützen aus dem Aachener Reich (in
Vaalserquartier gab es Mitglieder der Vaalser Schützenbruderschaft) diese schöne
Windfahne mit dem Posaunen-Engel als Zielscheibe missbraucht. Wegen dieses
Zwischenfalls lies der evangelische Pfarrer 30 Mann Kavallerie aus Maastricht anrücken (vgl.
Franssen 1994: 76-77; vgl. Hermans 1981: 59).
Die Franse Kerk ist nicht leicht zu finden, da sie links in der “zweiten Reihe“ der Akener
Straat liegt und nur durch eine schmale Gasse (zwischen Nr. 10 und 16) erreicht wird. Von
der deutschen Seite aus (Landgraben), hat man freie Sicht auf einen Giebel mit Ziersteinen.
Die ehemalige Kirche wird heute immer noch Wohnhaus genutzt, befindet sich aber in
miserablen bis baufälligen Zustand.
4a) Hervormde Gemeente (Niederdeutsch-Reformierten) und ihre
Kirche Die reformierte Gemeinde mit deutscher Liturgie-Sprache wurde mit dem ersten Gottesdienst
am 21.03.1649 in der kath. St. Paulus-Kirche gegründet. Im Jahr 1999 feierten sie –jetzt als
“Protestantse Kerkgemeenschap Gulpen-Vaals, Toeristengemeente“ (vgl. Vermeijden 1999:
1ff) das 350-jährige Bestehen. Bis zum 05.05.1663 wurde die Kirche “simultan“ von beiden
Konfessionen genutzt. Leider kam es immer wieder zu Streitereien, gegenseitigen Vorwürfen
und Aussperrungen. Danach durfte die Kirche -gestützt auf die Gesetze und Verordnungen
der Generalstaaten- nur noch von den Reformierten bis zur Fertigstellung ihrer eigenen
Kirche im Jahre 1672 benutzt werden. Die Katholiken mussten “in das Aachener Reich“
ausweichen, kath. Gottesdienste und Sakramenten-Spendung wurden verboten. So werden
u.a. zwischen 1650 bis 1673 Vaalser Kinder in der Kapelle St Peter von Orsbach, der St.
Quirinuskapelle zu Melaten, und im Pastorat (s.o. 2) getauft (vgl. Franssen 1994: 67).
Da die kath. Kirche zu klein und außerdem auch baufällig war, plante die reformierte
Gemeinde ab 1669 einen Neubau. Das Aachener Münsterstift wollte hierzu natürlich nichts
beitragen. So haben die Generalstaaten den Neubau des bekannten niederländischen
Architekten Pieter Post vollständig finanziert. Wegen der vielen Gräber in bzw. unter der
Kirche, hat man diese nicht abgerissen, sondern nur den Chorraum. Dies geschah wohl
kaum aus Rücksicht auf die kath. Gemeinde. Man wollte vielmehr „wegen der vielen Leichen
die da begraben lagen, …den großen Gestank …aber auch Bestürzung und Aufruhr….“
vermeiden (Vermeijden 1999: 19; übersetzt vom Autor). Die neue Kirche wurde daher im
rechten Winkel an die Nordseite des alten Turmes angebaut. Am Palmsonntag, 10.04.1672
wurde sie dann feierlich in Gebrauch genommen. Doch ihre Freude an der neuen Kirche
währte nur kurze Zeit. Schon am 07.07.1673 wurde sie von den Katholiken in Beschlag
genommen (aufgebrochen und das Schloss ausgetauscht), weil inzwischen französische
Truppen einmarschiert waren. Es war wohl mehr eine “Revanche“ für die Besetzung 1649,
denn die Schlüssel für die kath. Kirche waren dem Pfarrer am 04.07.1673 bereits
zurückgegeben worden. Jetzt musste die deutsche reformierte Gemeinde in die französische
Kirche (s. o. 3) ausweichen und konnte erst am 30.06.1680 in die eigene Kirche
zurückkehren. „Gott sey Ehre und Danck in Ewigkeit, das gestern den 30 juny Sontags
unsere steutsche Kirche von alle Superstition und Abgöttische Wesen gesaubert, wiederumb
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recuperirt und den Reformirten
Gottesdienst gepflegt habe.“
(Vermeijden1999: 20 f) Noch heute
wird die Kirche von der
protestantischen Gemeinde
Gulpen-Vaals für Gottesdienste
genutzt. Sie wird aber auch von
vielen Touristen aufgesucht, um die
noch weitgehend vorhandene,
historische Inneneinrichtung zu
bewundern oder den Klängen der
herrlichen Teschemacher-Orgel
von 1772 zu lauschen. Sie wurde
zuletzt 1986 von Grund auf
restauriert und ist neben der
musikalischen
Gottesdienstgestaltung auch für
Konzerte bestens geeignet. Es gibt
noch zwei weitere “touristische“
Besonderheiten: Die Hervormde
Kerk ist das älteste protestantische
Gotteshaus in Limburg und die
wohl einzige “evangelische“ Kirche
in den Niederlanden, die einen
“katholische“ Glockenturm hat. (vgl.
Kern 2000: 57 f; vgl. Vermeijden 1999: 21 ff).
4b) Ergänzungen (Zitate) zur Hervormde Gemeente, Vaals „Extrakt aus unserem Kirchenbuch S. 166: Haar Hoogh Moog(ende) hebben in den beginne
van het jaar 1649 de publique oevening van der religie te Vaels geopent in het bijsonder ten
beste van de verdruckte Gemeente binnen Aken, ten welcken aansien meede een Predicant
in de hooghduitse tael bij haar Hoogh Moogende ist toegestaen geworden;....om den
godsdienst te Vaels te moogen besoeken.en ten eynde den Predicant van Vaels binnen de
Stadt Aken met syne wooninge mocht geleden werden. De Heeren Commisarissen van haar
Hoogh Moogende groot moeyte aangewend, en sulx bij de Magistraat van Aken door Spezial
tractaat geobtineert hebben, dat de Roomsche pastoor daarentegens te Vaels syne Pastorije
en daarvan dependeerende goederen in gestaedig besit behouden soude, ...“ (Vermeijden
1999: 12)
Gerichtsbeschluss über die „Violente Occupation der Deutschen Kirche zu Vaels“ (06.bis
08.07.1673):…
“...weil die deutsche reformierte Kirche auf christlichem (lies: katholischem) Terrain gebaut
wurde und es der Wille Seiner Majestät des Königs ist, dass an die Nicht-Katholiken der
Gebrauch von nicht mehr als einer Kirche zugestanden werde, befiehlt folglich der Herr
Gouverneur d’Estrades d. d. 21. Juli 1673 zu Maastricht auf die Deutsche Anfrage: dass die
Deutsche Gemeinde ihren freien Gottesdienst mit gleichen Rechten ausüben soll in der
Franze kerk zu Vaals....“ (Franssen 1994: 81; übersetzt vom Autor))
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Bei Verhandlungen zwischen dem Kirchenrat der Nederlands Hervormde Gemeente und
dem Kirchenvorstand von St. Paulus sollte der Streit um die Besitzansprüche des Geländes
um die beiden Kirchenbauten endlich beigelegt werden. Durch einen notariellen Vertrag
(Cremers, Gulpen) vom 28.03.1913 wird ein Teil des Terrains an die Nederlands Hervormde
Gemeente übertragen. (vgl. Franssen 1994: 82)
HINWEIS: Auf dem Parkplatz vor der hier beschriebenen Kirche befindet sich -nahe der
Eingangstür- in der Ecke des Parkplatzes eine Stützmauer und darin eingelassen ein
Blaustein mit Inschrift. Er stammt aus der Giebelwand der St. Paulus Kirche von 1833, die
hier gestanden hat. Die Inschrift lautet:
Praesentibus / Dominus Renero Schmeiz Pastore / Et Barone Antonio / de Pelzer
Berensberg / Consule
hoC qVo parVa fVIt / nVnC HaeC spatIosIor aeDes CathoLICI tVrbIs aeDIfICata LoCo
Der zweite Teil ist ein Chronogramm, d.h. die Großbuchstaben sind als römische Ziffern zu
betrachten und ergeben addiert die Zahl 1833 (Baujahr). (2D = 1000; 7C = 700; 2L = 100; 5V
= 25; 8I = 8)
In Anwesenheit der Herren Renier Schmeiz, Pastor, und Baron Antonio de Pelzer
Berensberg, Bürgermeister.
An der Stelle, wo eine kleine (Kirche) stand, ist nun eine größere für das katholische Volk
gebaut worden.(vgl. Franssen 1994: 28; Übersetzungen vom Autor)
5a) Die Kirche der Lutheraner (heute Kopermolen, von
Clermontplein) Die Lutheraner, die in Aachen und Burtscheid keine Gottesdienste mehr abhalten durften,
hatten auch in Vaals anfänglich Probleme und konnten erst am 25.07.1669 ihren ersten
ungestörten Gottesdienst in einem Zimmer des Hauses (Lokal) “Römer“ abhalten. 1695
kaufte man für die Gottesdienste vom Pastor in Holset die “Franse schuur“ und als die Zahl
ihrer Anhänger weiter wuchs, erwarb man schließlich 1695 den “Koperhof“ (frühere
Kupferschlägerei; “Molen“ bedeutet wohl Antrieb eines Schmiedewerkes durch den Vaalser
Bach “de Gau“). Am 12.04.1736 fand die Grundsteinlegung für die neue Lutheraner-Kirche
durch den Reichsgrafen von Seckendorf statt und bereits ab 1737 konnten hier die
Gottesdienste für die “deutsche evangelisch-lutherische Gemeinde“ gehalten werden (vgl.
Heemkundekring 2005: 1f). Bei Predigten, Christenlehre, Gebeten und Liedern bediente man
sich der deutschen Sprache. Unter Leitung des Maastrichter Architekten Sprenger wurde die
Kirche 1937 gründlich restauriert. Bis 1955 blieb sie in gottesdienstlichem Gebrauch. Heute
ist dort ein Kulturelles Zentrum von Vaals, “Stichting Kopermolen“, ein einmalig schöner
Raum für Ausstellungen und Konzerte (vgl. Franssen 1994: 78; vgl. Hermans 1981:36; vgl.
Kern 2000: 57).
Die Kirche hat einen achteckigen Grundriss mit einem Seitenverhältnis von etwa 1 zu 2. Sie
gleicht mit ihren vielen Fenstern einer riesigen Laterne, weshalb die Vaalser sie auch
“Lantaer“ oder “Luuet“ nannten. Ursprünglich hatte sie drei Türen, Haupteingang an der
Südseite, der Eingang gegenüber dem Clermont-Haus wurde zum Fenster umgebaut. Die
Umleistung mit behauenen Schlusssteinen ist im Stil des Aachener Architekten Laurenz
Mefferdatis (St. Peter und Theresienkirche) gestaltet. Die Innen-austattung ist auch noch
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heute fast vollständig erhalten: Kanzel und Altarnische (1738) wurden von dem Aachener
Architekten Johann Joseph Couven entworfen. Das Gestühl (“herenbanken“) trägt u.a.
Kartuschen und Wappen von Johann Arnold Clermont, Maria Elisabeth Sophie Emming-
haus, und der Familie Pastor (Ludwig-XIV-Stil / Rokoko-Stil). Der Sinn eines verschlossenen
Gestühls mit Schiebetüren ist nicht genau bekannt (Klausner aus Melaten oder Besucher,
die nicht gesehen werden wollten). Die Orgel von “Joannes Baptista Hilgers“ aus
Aachenwurde 1765 fertiggestellt. Sie wurde immer wieder umgebaut und restauriert: 1812,
1938, 1968 und zuletzt 2010. Wegen ihrer guten Klangqualitäten (sanft und gefühlvoll) sind
die Orgelkonzerte sehr beliebt (vgl. Museum de Kopermolen 1996; vgl. Vaalser Weekblad
Januar 2011-ohne Seitenangabe-).
5b) Ergänzung zur “Finanzierung der Luther-Kirche“ Der Aachener Stadtschreiber Johannes Janssen schreibt am 14.02.1736: „Heute fand in
Aachen aus Anlass der Verlobung der Erzherzogin Maria-Theresia mit Fürst Stephan von
Lothringen ein Freudenfest statt“ (Hermans 1981: 36). Der Reichsgraf von Seckendorf, der
als General ein kaiserliches Heer in Aachen befehligt, greift zur Versorgung seiner Offiziere
und Mannschaften mit vollen Händen immer tiefer in die Stadtkasse. Jannsen schreibt
weiter: „Aber so viel Geld ist für Soldaten und Pferde nicht erforderlich, General Säckenfäger
(Seckendorf) braucht das Geld zum Bau einen Luthers Tempel zu Faels“ (Hermans 1981:
36). Tatsächlich liegen zwischen Grundsteinlegung und Verlobung nur zwei Tage. Das
katholische Aachen ist froh, als der General und sein Heer am 08.05.1736 die Stadt
verlassen (vgl. Museum Kopermolen 1996).
Im Grundstein befinden sich Gold- und Silbermünzen, sowie ein Dokument mit den Namen
der „kerkmeesters Conrad en Esaias Klermondt“, diese waren wohl auch die Initiatoren und
Hauptförderer der Lutheraner Gemeinde bzw. Kirche (Hermans 1981: 36). Er trägt als
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Inschrift - nur noch schwer lesbar -, ein Chronogramm in lateinischer und deutscher Sprache.
Die Großbuchstaben ergeben -als römische Ziffern addiert- jeweils das Jahr der
Grundsteinlegung: 1736.
LapIs fVnDaMentaLIs ChrIsto VIVante sVpposItVs fVit (--XII apr.--) Mit hVLfe Vnsers
herrn IesV ChrIst eIn neVer grVnDsteIn VnterLeget Ist (1 M = 1000, 1 D = 500, 1 C = 100,
2 L = 100, 6 V = 30, 6 I = 6 : 1736!)
6) Die Mennonitenkirche, (Mennonietenkerk, von Clermontplein) In Vaals gab es schon zu Beginn des 17. Jh. eine Mennonitengemeinde, Vertriebene aus
Aachen und Burtscheid, die sich in einem kleinen Haus trafen, von dem es heißt: „das
Versammlungshaus der Taufgemeinde ist klein, mit Lehmwänden hochgezogen und mit
einem Rieddach gedeckt“ (Franssen 1994: 76). In einem Gebäudekomplex, gegenüber dem
Stammhaus der Familie von Clermont, hatten sie später (ab 1740 ?) ein eigenes Gotteshaus.
Bis wann es existierte, ist nicht bekannt (1775-1780 ?). Der Tuchfabrikant Clermont hat hier
später noch eine Weberei und Färberei betrieben, weshalb die Vaalser das Haus wohl immer
noch als “Verves“ (Färberei) bezeichnen.
Schließlich erwarb es ein jüdischer Geschäftsmann (Gerathwold), der den ursprünglichen
Turm entfernen und zwei kleine Ecktürme dafür errichten ließ (vgl. Franssen 1994: 76).
Lange Zeit gab es hier auch ein Cafe “ Et Türmsche“. Zur Zeit (2011/12) werden hier -unter
Auflagen des Denkmalschutzes- Eigentumswohnungen eingerichtet.
Bei den Mennoniten handelte es sich um eine kalvinistisch geprägte Gruppe oder
“Bruderschaft von Täufern“
(Wiedertäufern), die man nach
dem Theologen Menno Simons
(1496-1561) benannt hat, der
eine eher gemäßigte Richtung
vertrat. Es gab sehr
unterschiedliche Formen und
Auswüchse, die zu Verboten,
Vertreibungen und
Hinrichtungen führten.
Gemeinsam war den meisten
die Ablehnung der Kindertaufe
und die Verweigerung von
Eidesleistung und Kriegsdienst.
Extreme Gruppen lehnten z.B.
Privateigentum ab und lebten in
polygamen Großfamilien. 1523
entstand eine erste Gemeinde in Zürich, 1535 riefen fanatische Anführer der Sekte (u.a. Jan
Bokelson und Jan van Leiden) im westfälischen Münster das “Königreich Zion“ aus. Für
diese Revolution und Machtübernahme wurden sie und ihre Anhänger wurden durch die
kaiserlichen Truppen auf grausame Weise hingerichtet (vgl. Hermans 1981:33f).
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7) Clermont-Stammhaus (heute Gemeindeverwaltung, Clermontplein)
Johann Arnold von Clermont -früher Klermondt, “Standesveränderung 1752“- (vgl, Vaessen
1925/1985: 28), ein vermögender Tuchmacher aus Aachen, hatte zunächst 1961 das adelige
Landgut Vaalsbroek mit dem gesamten Areal an Grund, Boden und Rechten gekauft. Durch
den Architekten Joseph Moretti, der zu dieser Zeit in Aachen wohnte (-baute u.a.
Ungarnkapelle-), ließ er die Gebäude zu einem ansehnlichen “Schloss“ (Kasteel) herrichten
und umgestalten. Prächtige Gärten und Parks wurden nach englischen Vorbild angelegt (vgl.
Heemkundekring 2011: 16f).
Noch im gleichen Jahr (1661) wurde der Grundstein für sein Strammhaus auf dem heutigen
Clermontplein gelegt, fertiggestellt 1765. Auch hier baute er nach den Plänen des bereits
erwähnten Architekten Joseph Moretti. Es war Wohnhaus und Manufaktur (Gewerbebetrieb)
in einem: Weberei, Färberei, und Verwaltung. Der Gebäudekomplex war ursprünglich
geschlossen um einen Innenhof angelegt, wovon heute nur noch “drei Flügel“ bestehen. Der
Wohnbereich für seine Großfamilie (mit 13 Kindern!) lag im Südflügel mit Blick auf Garten
und Park (vgl. Hermans
1981:31f; vgl.
Heemkundekring 2011: 7)
Die Umsiedlung des
Lutheraners Clermont von
Aachen nach Vaals wird wohl
in erster Linie wegen der
Möglichkeit der freien
Religionsausübung erfolgt
sein. Es gab aber auch zu der
Zeit in Aachen
Einschränkungen bei der
Textilverarbeitung,
insbesondere beim Waschen
und Färben. Für die
Denkweise und das
Selbstbewusstsein dieser
Familie Clermont sprechen wohl die beiden Inschriften am Hauptgebäude: Außengiebel über
dem Tor: “Spero inviduam“ (Ich erwarte Missgunst, Neid), und an der Hofseite: “Nil
volentibus arduum“ (Nichts ist zu schwierig für den, der will!). Seine Tuche müssen von
außerordentlicher Qualität gewesen sein, denn nicht nur der Deutsche Kaiser, sondern auch
der russische Zar kauften bei ihm die Uniformstoffe. Durch die Erfolge von Clermont kamen
viele weitere “vertriebene Protestanten“ nach Vaals, so neben den Tuchmachern auch
andere Handwerker und Gewerbetreibende (so z.B. Kupfer und Messingschmiede). Für die
Entwicklung von Vaals war dies von größter Bedeutung. Die Geschichte der Familie
Clermont und die wirtschaftlichen Blütezeit von Vaals hat der Kaplan Adolph Vaessen in
seiner “Geschichte von Vaals“ sehr ausführlich dargestellt (Vaessen 1925/1985: 27f).
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Clermont lebte bis 1795 mit seiner Familie
in diesem Gebäude. Er hat noch eine
ganze Reihe von Häusern bauen lassen
(u.a. auch für seine Meister am
Clermontplein), am bedeutsamsten aber
neben Kasteel Vaalsbroek ist “Schloss
Blumenthal“(Grundsteinlegung 1791).Er
hat hier nur wenige Monate gewohnt und
als er am 05.12.1695 verstarb, war
“Kasteel Bloemendal“ noch nicht vollendet.
Er und seine Frau wurden in ihrem
Mausoleum in Vaalsbroek beigesetzt
(Heemkundkring 2011: 5).
Das Stammhaus wurde 1858 von dem Textilfabrikanten Tyrell aufgekauft, später übernahm
es ein Immobilienmakler. Für viele Jahrzehnte diente der Komplex als “billige Mietskaserne“
(20 Familien) und war schließlich total heruntergekommen. 1950 wurde das Gebäude von
der Gemeinde aufgekauft und von 1975 bis 1779 nach alten Originalplänen völlig restauriert
und als Sitz für die Gemeindeverwaltung hergerichtet. Das Zimmer des Bürgermeisters und
das Standesamt (trouwzaal) erinnern heute noch ein wenig an die Pracht vergangener
Zeiten (Heemkundekring 2011: 7f).
8) Die Sankt Paulus-Kirchen in Vaals
Die erste Kirche?
Ab wann genau es in Vaals eine katholische Gemeinde oder eine Kapelle bzw. Kirche gab,
ist leider nicht bekannt. Der “katholische“ Turm an der Hervormde Kerk, der sogenannte
“Gemeentetoren“ ist jedenfalls das älteste, noch erhaltene Gebäude in der Gemeinde Vaals.
Es ist möglich, dass er bereits im 11. Jahrhundert, oder erst später im 13. errichtet wurde
(vgl. Heemkunde-kring 2004: 4). Bereits am Ende des 11. Jh. werden in einer Auflistung der
Reichgüter im Besitz des Marienstiftes zu
Aachen die Kirchen in Gemmenich und Vaals genannt. Eine andere Quelle nennt (vor 1200)
bei den Reichgütern von Gemmenich u.a. zwei Kapellen, die in Montzen und Vaals gelegen
sein sollen (vgl. Franssen 1994:10f).
Die zweite Kirche und ihr Turm
Früheste Erwähnungen einer Vaalser Kirche Sankt Paulus findet man u.a. in einer
Übereinkunft aus dem Jahre 1266 zwischen den Predigtherren-Klöstern von Lüttich und
Maastricht und in einer Akte aus dem Jahr 1280, wo es um den Gutshof Paffenbroich
(Aachen-Vaalserquartier) des Aachener Marienstifts geht (vgl. Franssen 1994: 8f). Es ist also
wohl davon auszugehen, dass nach einer (kleinen) Kapelle eine größere Pfarrkirche mit
Turm gebaut wurde. Sie war “geostet“ (Achse der Akener Straat) und damit gegen die
Ostseite des noch heute vorhandenen Turmes angebaut.
Ein weiteres, sicheres Beweisstück für die Existenz einer Pfarrkirche St. Paulus in Vaals
findet sich in einer Übereinkunft nach Beilegung eines Streits über die Pflichten des
“Zehntherren“ vom 16.06.1313. Hierin heißt es u.a., dass das Marienstift Sorge tragen muss
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für die Dächer vom kleinen und großen Chor, die Pfarrgemeinde für die “afsiden“ Dächer und
den Turm. Interessant ist vielleicht noch der Hinweis, dass das Kapitel für die
Dorfgemeinschaft einen Stier und einen Eber bereitstellen muss (vgl. Franssen 1994: 16f;
vollständiger, lateinischer Urkundentext ebenda: 238) Trotz dieser Übereinkunft kam es
immer wieder zu Streitigkeiten, nicht nur vor kirchlichen, sondern auch weltlichen Gerichten,
so z.B. 1402/1403, als es um die Anschaffung einer Glocke (banklok) ging. Im Jahre 1406
wurde dann endlich doch die Glocke angeschafft. Ihre Inschrift lautet:
“+ ego vocor S. Paulus Apostolus et facta su i honore hu + ano d. MCCCCVI +“; „+ Ich heiße
Sankt Paulus Apostel und bin gemacht zu seiner Ehre +, anno domini 1406“ (Franssen 1994:
18; übersetzt vom Autor)
Die alte, “katholische“ Glocke hängt nach über 600 Jahren heute immer noch im Turm und
wird bei besonderen Feierlichkeiten der Protestantischen Gemeinde Gulpen-Vaals elektrisch
geläutet. Bis auf den heutigen Tag müssen die Kirchengemeinden selbst für Turm und
Glocken aufkommen.Im Jahre 1648, -ein Jahr vor der “Inanspruchnahme“ durch die
Reformierten- , musste der Turm noch umfassend erneuert werden. Der damalige Pastor
Sigerus A. Thienen hält im Kirchenregister fest:
„anno 1648 den 16 September hab ich und sempmentliche nachber unser parochie Vaels
den newen Kirchtur verdingt an M Geradt Crous vor 75 Acher Richsthl. Und 7 thunen beirs
jeder thon vor 12 gl. Ex summa 85 1/2 Richsthl“ (Franssen 1994: 19); d. h.….75 Aachener
Reichstaler und 7 Faß Bier. Auch zwei positive Beispiele für die Kapitelherren des Aachener
Marienstifts sollen nicht unerwähnt bleiben: 1730 haben sie für die große Glocke ein
Glockenseil spendiert und 1754 trugen sie, -aus freien Stücken- 1/3 der Kosten für die
Herstellung des Glockenstuhls im alten Turm!
Noch einige Anmerkungen zur Nutzung des Turmes. Zur Zeit des Aachener Reiches diente
er höchstwahrscheinlich als Wachtturm am Landgraben im “Vaalser-Quartier“. Nach seiner
Bauweise (Türe und Fenster) diente er auch als Verteidigungsturm und in mehreren
Perioden als Gefängnis. Schließlich haben sowohl katholische Pfarrer und Schulmeister als
auch evangelische Prediger dort ihre (1580-1660) Wohnung gehabt (vgl. Heem-kundekring
2004: 5).
Damals -wie heute- gibt es in den Niederlanden keine Kirchensteuer. Die Einkünfte für
Pfarrer und Kirche mussten also von den Gemeindemitgliedern (hauptsächlich Gutshöfen)
aufgebracht werden. Zum Pfarrgebiet gehörte nicht nur das Dorf Vaals, sondern auch der
größte Teil von Vaalserquartier. Hier nun die addierten „Kirchen-Renthen“ gemäß den
Eintragungen in den Kirchenbüchern von 1569 bis 1670:
14 Schilling, 7 ½ Aachener Gulden, 33 Aachener Mark, 54 Bauschen, 24 Aachener
Heller, 7 Rader Heller, 2 Tortisen (Zierkerzen von Peter Krutzen), 4 Kannen Wein, 8
Hähne, ½ Huhn, 55 Liter Rapssaat, ca. 118 Liter Hafer, ca. 447 Liter Roggen, und ca.
32 Liter Spelt/Dinkel. (Bertram 1995: 16).
Wie schon unter 4) erklärt, benutzte die neu gegründete niederdeutsch reformierte
Gemeinde ab 1649 bis 1663 diese Kirche gemeinsam mit der katholischen Sankt Paulus
Gemeinde. Da die Kirche sehr baufällig war und für die zunehmende Zahl der Evangelischen
Christen zu klein wurde, kam es zu dem jetzt noch vorhandenen Kirchenbau, vollendet am
10.04.1672. Die neue Kirche hat den Katholiken wohl sehr gut gefallen und so haben sie
diese am 07.07.1673 bis zum 30.06.1680 einfach in Beschlag genommen. Das war zwar
Andreas Krützen: Rundgang durch Vaals (NL) - Seite 12
unchristlich aber vielleicht verständlich, denn sie waren immerhin wegen Gottesdienstverbot
10 Jahre ohne Kirche und 17 Jahre mussten sie ihre Kirche mit den Evangelischen teilen. In
mehreren Quellentexten, ja sogar im Kirchenregister von Sankt Paulus wird fälschlicherweise
im Jahr 1973 von einem neuen Kirchengebäude “nova ecclesia“ gesprochen (vgl. Franssen
1994: 22). Auf den tatsächlichen Neubau einer Kirche mussten die Katholiken noch bis 1751
warten.
Die dritte Kirche von 1751
Die alte Kirche war nicht nur baufällig, sondern wurde auch von den Reformierten z. T. als
Schulgebäude genutzt; 1671 ließen sie noch Reparaturen ausführen und gaben die
Schlüssel schließlich 1673 zurück. Für die nun rd. 1000 Seelen (1658: 380 Kommunikanten)
war die Kirche auch zu klein. Auch wies die Kirchengemeinde darauf hin, dass 1/3 der
Mitglieder aus “dem Reich Aachen“ (sprich Vaalserquartier) stammen und das Kapitel des
Marienstifts zu Aachen den “grote en pastorale tienden“ bekämen. Das Kapitel war bereit
(obwohl dazu nicht verpflichtet) die Kosten für den Neubau zu übernehmen, allerdings mit
einer Reihe von Auflagen: u.a. mussten Frachten und schwere Arbeiten von den
Pfarrangehörigen übernommen werden. Bei den Materialfrachten bis zu 5 Stunden
Entfernung sollten 2/3 gratis geleistet werden (vgl. Franssen 1994: 23ff: Vertragstext ebenda:
240f). Die alte Kirche wurde ab 14.04.1751 bis zu den Fundamenten abgebrochen,
Grundsteinlegung war am 27.04.1751. Zwischenzeitlich wurden in der Kaplanei (Schule) in
Vaalserquartier die Gottesdienste gehalten und Sakramente gespendet. Ab 1753 fanden die
Dienste in der neuen Kirche statt. Am 10.08.1759 wurde das große Kreuz, das früher über
dem Eingang der alten Kirche gehangen hat, gegen den Protest der Reformierten an der
Außenseite gegenüber der Straße aufgehängt. Dieses Kreuz hatte schon vorher (Urteil vom
17.09.1738) Anlass zu Streitereien gegeben (vgl. Franssen 1994: 90). Die feierliche
Konsekration aber fand erst am 19.06.1770 durch den Weihbischof von Lüttich statt.
Zur Verdeutlichung sei nochmals darauf hingewiesen, dass die neue Kirche -wie die
vorherige- im rechten Winkel zur “Hervormde Kerk“ stand und an die Ostseite des Turmes
mit dem Chorraum angebaut war. Aus der Akener Straat schaute man also auf das Portal.
Die vierte Kirche von 1833
Inzwischen war die Seelenzahl auf 1457 angewachsen und die Kirche war wieder zu klein.
Bei einem Neubau war allerdings nicht mehr mit einer Unterstützung durch das Aachener
Marienstift zu rechnen, denn infolge der französischen Revolution war das Zehntrecht
abgeschafft und nur ein kleiner Teil der Besitzungen hatte das erste Aachener Domkapitel
1803 zurückerhalten. Es kam wohl deshalb auch nicht zu einem völligen Neubau, sondern
zum Anbau einer Kirche in neoklassizistischem Stil. Es waren eigentlich drei Baukörper:
a) niedriges Zwischenglied (Chorraum) östlich vom Turm
b) breitere und höhere Restkirche von 1751 mit 2 Fensterreihen und
c) noch breiterer und noch höherer Anbau mit 3 Fensterreihen.
(vgl. Franssen 1994: 26, Foto der Kirche).
Kommentar des Autor zu diesem “Ensemble“: Hübsch-Hässlich!
Der Vollständige Um- und Anbau wurde in neun Monaten realisiert. Die Gemeinde musste -
außer 350 Materialfuhren und 276150 selbstgebackenen Ziegeln- 5.330 hfl aufbringen; die
niederländische Regierung gab 1000 hfl und die belgische 3000 hfl an Subventionen. Damit
man eine Vorstellung von den Kosten hat: Ein Handwerker verdiente pro Tag etwa 0,60 hfl;
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das entsprach dem Preis von 1 kg Käse oder 1 ½ kg Fleisch; das Jahreseinkommen lag bei
etwa 150 bis 200 hfl (vgl. Franssen 1994: 28).
Schon 1834 konnte sich die Gemeinde eine neue Glocke leisten; Inschrift: “Le 28 octobre
L’AN 1834“ (Franssen 1994:28). Sie hängt noch heute im Vierungstürmchen der jetzigen St.
Paulus Kirche (kerkstraat) und wird als sogenannte Taufglocke “gebayert“. Erst am
13.06.1850 wurde die Kirche durch den Administrator des Vikariats Limburg konsekriert (vgl.
Franssen 1994:27ff).
Nach Umzug in die jetzige Pfarrkirche von 1893 wurde die “alte“ anderweitig genutzt (Schule,
Pfarrsaal). Erst 1912/13 wurde eine Zwischendecke eingezogen und das z.T. noch
vorhandenes Kircheninventar verkauft. Im sogenannten Patronat hatte man damit auf der
ersten Etage einen großen Saal für Theateraufführungen, Konzerte und andere
Veranstaltungen geschaffen, im Erdgeschoss waren Räume für die Pfarrjugend und die
Borromäus-Bibliothek eingerichtet worden. Im Jahre 1967 wurde das Patronat abgerissen
und das Gelände an Frans Souren verkauft. Später entstand hier der Parkplatz (vgl. Kern
200: 56).[aus der Giebelwand erhaltener Blaustein mit Inschrift siehe unter 4a)]
Die jetzige (fünfte)Sankt Paulus-Kirche von 1892/93
Als die Kirche von 1833 wieder einmal zu klein wurde, -man zählte inzwischen fast 4000
Seelen-, gab der Bischof von Roermond am 20.02.1890 die Genehmigung zur Planung einer
neuen Kirche und zum Ankauf des Geländes in der Kerkstraat, da das alte Gelände für den
Neubau nicht reichte. Für die Fertigung (Backen) der Ziegelsteine wurde der
Kirchengemeinde eine Wiese (10.000
m², Burgbeemden) für eine
Jahrespacht von 80 hfl zur Verfügung
gestellt. Die Wiese musste allerdings
später entsorgt und mit gutem
Mutterboden vom Kirchengrundstück
aufgefüllt werden. Inzwischen hatte
der Kirchenvorstand den Architekten
J. Kaiser aus Maastricht mit den
Entwürfen beauftragt. Nach
Genehmigung durch das Bistum
(25.11.1891) übernahm der
Bauunternehmer Gerard Beckers aus
Sittard für 53.000 hfl den Auftrag. Am
09.05.1892 fand die
Grundsteinlegung statt und am
04.08.1893 konnte schon das Kreuz
auf die Kirchturmspitze gehievt
werden. Die mit der Leitung und
Aufsicht beauftragte Vaalser Firma
Göbbels hat viel dazu beigetragen,
dass dieses prächtige Bauwerk
zustande gekommen ist. Bereits am
20.08.1893 wurden die drei neuen
Glocken geweiht und auf die Namen
“Maria Immaculata“, “St. Joseph“ und
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“St. Paulus“ getauft. Die Glocken wurden einschließlich Glockenstuhl (6000 Mark) von drei
Familien gestiftet. Schließlich wurde die neue Kirche am 24.10.1893 durch den Bischof von
Roermond, Fr. A. H. Boermans, feierlich konsekriert (vgl. Franssen 1994:30ff).
Kurze Baubeschreibung: Dreischiffige neugotische Kirche in Kreuzform, 47 m lang und 18 m
breit und im Mittelschiff 20 m hoch; der Glockenturm ist 63m hoch, das Turmkreuz 6 m hoch
und 2 m breit. Die beim Bau verwendeten Backsteine wurden vor Ort gefertigt, dabei auch
viele ausgefallene Formen und zur Verzierung eine Menge Steine mit Glasuren.
Wie bei jedem großen Bauprojekt sind schon kurz nach Fertigstellung weitere
Aufwendungen für die Ausstattung und auch schon für Reparaturen fällig. Hier einige
Beispiele:
1896: Fliesen des Chor und Kirchenfußbodens, Arbeitslohn 2.000 Mark;
1897: Turmuhrwerk, z.T. geschenkt, 1.937 Mark;
1900: Kirche erhält eine Gasbeleuchtung, 1.540 Mark;
1903: Abschluss der farbigen Ausmalung, insgesamt 6.000 Mark;
1908: Reparatur an Kreuz und Hahn des Turmes, 1.355 Mark
1911: Anbau große Sakristei, Westseite, 6.100 hfl;
1911: Neue Zentralheizung in der Kirche, 2.200 hfl;
1922: Einsturzgefahr von Gewölben (Dombaumeister J. Buchkremer, Aachen)
Verstärkungsmaßnahmen im Bereich der Vierung, Schwerlastverkehr
verursacht große Probleme, 2.400 hfl;
1925: Elektrische Beleuchtung für die Kirche, 1.393 hfl
1926: Dachreparaturen, incl. Kleines Türmchen, 3.180 hfl
1932: Elektrischer Antrieb für Glockengeläut, 1935 hfl;
1943 Glocken von den Nazis gestohlen, kleine Glocke (1833) wird gerettet
1946 Drei neue Glocken: Pius (XII.), “Laudo Deum verum“; Guilellmus
(Bischof), “Defunctos ploro, festa decoro“; Eugenius (Pastor), “Voco vos ad
sacra, venite“; insgesamt 14.500 hfl
1956-1957 Neues Uhrwerk im Turm, Elektrisches Geläut, 7.000 hfl
1958-1961 Restauration der Bleiverglasungen, 38.000 hfl
1963 Neues Pflaster Vorhof, Revision Turmuhr und Glocken, Umstellung auf
Ölheizung, Holzboden unter den Bänken, u. a. m. 75.000 hfl
1975-1978 Erste große Restauration: Dachstuhl-Reparatur, Turm und Dächer
neu decken, Elektroinstallation, Außenwände neu verfugt, Anstrich etc.;
insgeamt 1.213.411,63 hfl, für die Pfarrgemeine waren 166.237,38 hfl, ca.
13,7 % zu tragen.
1988-1989 Zweite große Restauration: Nach Beratung durch Dombaumeister
H. K. Siebigs und Statiker M. Kempen aus Aachen erfolgen zunächst
Stabilisierungsmaßnahmen durch Stahlanker im Mittelschiff und
Verankerungen in der hölzernen Dachkonstruktion, Angelus-Turm vollkommen
erneuert und anderes mehr; Insgesamt 2.477.323,48 hfl, davon musste die
Gemeinde 884.345,48 hfl, ca. 35,7 % aufbringen (vgl.Franssen 1994: 36ff).
Addiert man diese Teilsummen der unvollständigen Aufzählung - ohne Berücksichtigung des
Kaufkraftschwundes -, so ergeben sich: 12.832 Mark und 3.842.442 hfl, mehr als das 70-
fache der genannten Neubaukosten!
Andreas Krützen: Rundgang durch Vaals (NL) - Seite 15
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Jubileumuitgave van “De Bergketen“, Vaals NL, ohne VerlagFranse Kerk / Waalse
Kerk(Vaals, Akener Straat)
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