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E-Learning in der kompetenzorientierten Trainerausbildung: der Trainer als Wissensexperte /
Christoph Dolch (Auszug aus der Veröffentlichung in: FdSnow. - Nr. 37 (2010), S. 45-52)
Abstract:
Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit dem Einsatz von eLearning in der
modernen Traineraus- und Fortbildung im Leistungssport. Ausgehend von den
Anforderungen an kompetenzorientierte Trainerausbildungsprogramme werden die
Entwicklungen im Bereich eLearning in den vergangenen Jahren und ihre
Auswirkungen auf den Bereich Aus- und Fortbildung herausgearbeitet. Aus den
Ergebnissen resultiert die Konzeption einer eLearning-Plattform an der
Trainerakademie Köln, die in den Hauptfunktionen ein Werkzeug der
Studienorganisation, des Informations- und Wissensmanagements, der
Kommunikation und der Reflexion sein soll. Dadurch sollen nicht nur formale und
informelle Lernprozesse unterstützt, sondern auch Möglichkeiten zu
selbstorganisiertem und lebenslangem Lernen geschaffen werden.
The following article deals with the use of e-learning in modern coach education
programs in performance sport. Starting from the requirements for a competency-
based coach education, the developments in e-learning in recent years and their
impact on the area of education and further training are identified. The findings result
in the concept of an e-learning platform at the Coaches Academy Cologne with
functions which help to organize the studies, provides information- and knowledge
management and tools for communication and reflection. As formal and informal
learning processes are supported the platform creates opportunities to self-organized
and lifelong learning.
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Abb. 1: Kompetenzbegriff und Kompetenzdimensionen (Nordmann 2006)
E-Learning in der kompetenzorientierten Trainerausbildung: der Trainer als Wissensexperte /
Christoph Dolch (Auszug aus der Veröffentlichung in: FdSnow. - Nr. 37 (2010), S. 45-52)
eLearning in der kompetenzorientierten Trainerausbildung
Der Trainer als Wissensexperte
Trainerinnen und Trainer1 im Leistungs- und Spitzensport agieren in einem äußerst
komplexen Tätigkeitsfeld. Dies erfordert von ihnen eine spezielle Expertise. Franke
(2008) spricht in diesem Zusammenhang vom Trainer als „Wissens-Experte“ und
„Konstrukteur von Wettkampferfolgen“. In der Aus- und Fortbildung von Trainern
nimmt der Erwerb entsprechender Handlungskompetenzen (vgl. Abb. 1) einen
entscheidenden Stellenwert ein (vgl. Nordmann 2010). Es stellt sich daher die Frage,
wie sich diese Kompetenzen in Trainerausbildungsprogrammen wirksam entwickeln
und ausbilden lassen.
Handlungskompetenzen setzen sich aus Fähigkeiten, Kenntnissen und Haltungen
zusammen und gehen damit über „Wissen“ im engeren Sinne weit hinaus. Sie sind
situationsgebunden und werden über einen längeren Zeitraum sowohl in formalen als
auch informellen Lernprozessen erworben. (vgl. Abb. 2)
Entsprechend sind Traineraus- und Fortbildungsprogramme mehr als nur reine
Wissensvermittlungsprogramme. Finck (2010) stellt folgerichtig folgende
Anforderungen an moderne Trainerausbildungsprogramme:
1 Nachfolgend wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit des Textes auf die explizite Nennung der jeweiligen weiblichen und männlichen Bezeichnung handelnder Personen verzichtet. Gemeint sind stets beide Geschlechter.
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Aufgrund der Tatsache, dass formale Ausbildungsprogramme nur ein
Teilbereich innerhalb des beruflichen Werdegangs von Trainern abdecken,
spielt die Fähigkeit zu lebenslangem und selbstorganisierten Lernen eine
entscheidende Rolle. Diese muss in formalen Ausbildungsszenarien
unbedingt vermittelt werden.
Trainer-Expertise beruht auf Erfahrungslernen und Reflexionsprozessen.
Trainerausbildung muss diese Prozesse unterstützen und fördern. Die
Fähigkeit zur Reflexion muss entwickelt und ausgebildet werden, um
„Praxiserfahrungen zu verstehen und daraus zu lernen“. (Finck 2010, S. 15)
Trainer-Experten müssen auf eine breite deklarative Wissensbasis in den
Bereichen Trainingswissenschaft/Trainingsmethodik, Sportartspezifik, und
Pädagogik zurückgreifen können, um in verschiedenen Coachingsituationen
handlungsfähig zu sein. (vgl. Nash/Collins 2006)
Die Behandlung von Problemen in einem sozialen Netzwerk ist eine
Voraussetzung, um „neues Wissen“ zu kreieren.2
2 im Sinne des experimentellen Lernens müssen Lernprozesse stets an konkreten aus der Praxis abgeleitenden Problemen vollzogen werden. Der Umgang mit diesen Problemen in einem sozialen Lernumfeld (z.B. mit Referenten, Mentoren, Trainern aus anderen Sportarten) ermöglicht neue Sichtweisen und Lösungswege. Es entsteht „neues Wissen“.
Abb. 2: Formelles und informelles Lernen bei Trainern (Finck 2010)
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eLearning im Wandel
In den letzten Jahren hat sich die Nutzung des Internets rasant weiterentwickelt.
Aktuelle Studien wie z.B. die für bundesdeutsche Erwachsene ab 14 Jahren
repräsentativen ARD/ZDF-Onlinestudien belegen, dass 100% der 14 und 29-jährigen
in Deutschland zumindest gelegentlich im World Wide Web unterwegs ist. In der
Gruppe der 30-39-jährigen sind es inzwischen 90%. Knapp die Hälfte der von allen
Onlinern im Netz verbrachten Zeit entfällt inzwischen auf Kommunikation. Davon
entfallen ein knappes Drittel auf sogenannte soziale Netzwerke und jeweils ein
weiteres Drittel auf E-Mail sowie andere Umgebungen wie zum Beispiel
Gesprächsforen. (vgl. van Eimeren/Frees 2010). Das Internet und der Computer
gehören also inzwischen zum Alltag der Deutschen und sind sozusagen
allgegenwärtig. Viele sprechen deshalb inzwischen auch vom ubiquitous computing3.
Gleichzeitig änderte sich in den vergangenen Jahren auch die Art der Nutzung und
Wahrnehmung des Internets (Kerres 2006). Waren es bis Anfang des neuen
Jahrtausends vor allem statische Webseiten, die im Vergleich zu heute kaum
Möglichkeiten zur Interaktion zwischen Betreiber und Nutzer boten, so änderte sich
das in den letzten fünf Jahren deutlich in Richtung des sogenannten sozialen Webs,
inzwischen besser bekannt als Web 2.0.
War früher im sogenannten Web 1.0 die Trennung zwischen Autor und Nutzer eines
Inhalts klar definiert, verschwindet diese Trennung inzwischen. User-generated
Content ist einer der zentralen Begriffe im Web 2.0. Benutzer erstellen und/oder
bearbeiten im Internet bereitgestellte Inhalte inzwischen selbst.
Ubiquitous computing erlaubt einer breiten Masse nicht nur die Nutzung qualitativ
hochwertiger Informationen und Inhalte, sondern auch die Generierung derselben.
Resultat sind rasant wachsende Internetumgebungen wie Youtube, Flickr, StudiVz
und Facebook, auf denen durch Web 2.0 Funktionen riesige Mengen an
Informationen blitzschnell verbreitet werden und andererseits z.B. mit Hilfe des
„gemeinschaftliches Indexierens“ kanalisiert und verarbeitet werden können. Auf
Umgebungen wie Youtube oder Flickr wird ein weiterer Trend der Nutzung des
Internets sichtbar. Rohwetter (2008) spricht sogar von einer Revolution mit Ansage
3 bezeichnet sinngemäß die Allgegenwärtigkeit (Ubiquität, engl. ubiquity) der rechnergestützten Informationsverarbeitung.
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und meint dabei die allmähliche Verschiebung lokaler Datenspeicherung und lokaler
Rechenleistung ins Internet („Cloud Computing“).
Nicht verwunderlich ist die Tatsache, dass die Entwicklungen rund um das Thema
Web 2.0 sich auch auf die Aus- und Weiterbildungslandschaft ausbreitete. Innerhalb
kürzester Zeit war ein neuer Begriff geboren und bei Wissenschaftlern,
Bildungsverantwortlichen und Entwicklerfirmen hoch im Trend: eLearning 2.0.
Ursprünglich eingeführt wurde der Begriff von Stephen Downes (vgl. Downes 2005).
Dabei übertrug er die Entwicklungen im Internet hin zum sogenannten Web 2.0
weitgehend auf den Bildungskontext.
Jadin/Wageneder (2009) definieren den Begriff in einer Arbeitsdefinition treffend:
"Von eLearning 2.0. kann dann gesprochen werden, wenn unter Einsatz von
Web 2.0-Medien bzw. von Social Software wie Wikis, Weblogs und RSS Lernende in
kollaborativen Lernaktivitäten Inhalte selbständig erarbeiten und erstellen und für ihre
Lernziele verwenden. Gemäß dieser Definition wird ein wesentliches Merkmal eines
eLearning 2.0 klar erkennbar: Die Selbständigkeit der Lernenden beim
Wissenserwerb.“
Unter Social Software wird im Allgemeinen jede Anwendung verstanden, die als
hauptsächliche Funktion die Kommunikation und Interaktion mit anderen Personen in
Netzwerken im Internet ermöglichen oder fördern (vgl. Kirchner/Bernhard 2010). Die
Betonung von Interaktivität und Partizipation sowie das soziale Feedback machen
Web 2.0 Anwendungen zu Werkzeugen, die für informelles Lernen und
Wissensmanagement prädestiniert sind. Neben Fachwissen können insbesondere
auch sozialen Kompetenzen erworben werden (vgl. Erpenbeck 2006).
Kerres (2006, S. 5) bringt einen weiteren wichtigen Punkt ins Spiel wenn er betont:
„Über konstruktivistische Ansätze und ePortfolios wird Lernen zur „Performanz“; ich
lerne, indem ich bestimmte (beobachtbare) Lernaktivitäten „zeige“. Ich entwickle ein
Projekt, tausche mich mit Anderen in einem Forum aus und reflektiere meine
Aktivitäten in einem Blog. Der Unterschied zwischen scheinbar privatem Lernen und
öffentlichen Prüfen entfällt.“
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eLearning 2.0 meint auch einen Umstieg von Standard-Lernmanagementsystemen
zu sogenannten Personalisierten Lernumgebungen (PLE). Während frühere
Lernmanagement Systeme die klassische Lehrer-Lerner Beziehung im Klassenraum
abbilden, indem z.B. zentral Lerninhalte zum Download bereit gestellt werden, sind
Personalisierte Lernumgebungen auf einem Nutzer zentrierten Lernansatz aufgebaut
(vgl. Schaffert/Hilzensauer 2008). Dem Lernenden soll ermöglicht werden, das
eigene Lernen selbstorganisiert und individuell zu steuern, sich aber über Netzwerke
auch mit anderen Personen zu verbinden. Lernen wird damit auch ein
Netzwerkbildungs-Prozess. Laut Kerres (2006, S. 6) wäre ein Lernmanagement-
System in diesem Zusammenhang „ein Tor, das Wege ins Internet weist – und
neben diesen Wegweisern gerne auch (eigene) Inhalte und Werkzeuge bereithält.“
Es soll nicht nur Inhalte bereitstellen, sondern auch von außen aggregieren können.
Folgen für die Traineraus- und Fortbildung an der Trainerakademie Köln
Wie lassen sich nun die Anforderungen einer modernen Trainerausbildung mit den
Entwicklungen der neuen Medien und Technologien verbinden?
Die Trainertätigkeit als „lernendes Fach“ erfordert vernetzte Lernstrukturen, in denen
formelle und informelle Lernprozesse gekoppelt und didaktisch-methodisch
miteinander verbunden werden. Werkzeuge aus dem Bereich des Webs 2.0 wie
Wikis und soziale Netzwerke zielen darauf ab, diese Prozesse zu unterstützen.
Reflexionsprozesse und selbstorganisiertes Lernen erscheinen für die Entwicklung
von Handlungskompetenzen für Trainer von zentraler Bedeutung. Tools wie Weblogs
und E-Portfolios fördern beides. Moderne und flexible Lernmanagement-Systeme
stellen den Lerner stark in den Vordergrund, bieten Informations- und
Kollaborationsmöglichkeiten und unterstützen damit lebenslanges Lernen.
Eine Schlussfolgerung muss also sein, eine moderne Lehr- und Lernumgebung für
die Traineraus- und -fortbildung aufzubauen. Sie sollte nicht nur wie bisher
Dokumente und studienbegleitende Materialien zur Unterstützung der Lehre, bzw.
des Präsenzunterrichts sowie Tools zur Studienverwaltung bereitstellen, sondern
darüber hinaus moderne Kommunikations- und Lernwerkzeuge zur
Kompetenzentwicklung integrieren. Sie muss in allen Phasen der Aus- und
Fortbildung für Trainerinnen und Trainer einsetzbar sein und den Studierenden auch
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Abb. 3: Struktur der Lernumgebung der Trainerakademie Köln
nach Ablauf ihres Studiums als Informations- Wissensmanagementsystem zur
Verfügung stehen. Im Rahmen eines integrierten Lernkonzepts (Blended Learning)
muss eine didaktisch sinnvolle Verknüpfung mit den Präsenzveranstaltungen
ermöglicht werden (vgl. Sauter und Bender 2004; Dolch 2003).
Die Trainerakademie Köln des DOSB entwickelt deshalb die Lehr-/ Lernumgebung
Trainer-im-Leistungssport.de (http://www.trainer-im-leistungssport.de). Der Zugang
wird zunächst auf die Studierenden, Koordinatoren und Dozenten der
Trainerakademie Köln beschränkt. Die jeweiligen Rechte der Nutzer werden über
Rollen definiert und verwaltet. In einem weiteren Schritt soll die Nutzergruppe dann
um die Absolventen der Trainerakademie, im Leistungssport tätige Trainer und
Sportverbände erweitert werden.
Aufbau und Struktur
Abbildung 3 zeigt die Struktur der Lehr-/Lernumgebung Trainer-im-Leistungssport.de.
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In einem ersten Schritt werden die im Folgenden beschriebenen Hauptfunktionen
implementiert:
Studienverwaltung/Dokumentenverwaltung
Die Studien- und Dokumentenverwaltung soll den Studierenden ein übersichtliches
Studien- und Prüfungsverwaltungssystem bieten. Studierende können sich online für
Seminarwochen und Fortbildungen an- bzw. abmelden und sich einen Überblick über
die geplanten Seminarwochen in Ihrem persönlichen Stundenplan anzeigen lassen.
In ihrem Online-Studienbuch können sie den bisherigen Studienverlauf und die
bisher erbrachten Prüfungsleistungen verfolgen. Lehrende haben die Möglichkeit,
begleitend zu Ihrem Unterricht, den Studierenden Dokumente zur Vor- und
Nachbereitung des Unterrichts zur Verfügung zu stellen. Ebenso besteht die
Möglichkeit, Aufgaben für die Studierenden zu verfassen. Zu erledigende werden in
einem persönlichen Kalender angezeigt und können von dort aus bearbeitet werden.
Neben der Funktion als Lern-Management-System, die eher formale Lernprozesse
unterstützt und begleitet, werden auch Werkzeuge zur Unterstützung informellen
Lernens integriert.
Blogs
Unter Blogs oder auch Weblogs versteht man regelmäßig geführte Journale oder
Tagebücher im Internet. Im Bildungskontext werden Blogs vor allem in informellen
Lernszenarien als Lerntagebücher eingesetzt, die in erster Linie dazu dienen, den
eigenen Lernprozess zu dokumentieren und zu reflektieren. Nutzer können in
einzelnen Beiträgen, die aus Text, Bildern aber auch Video oder Audiodateien
bestehen können, eigene Gedanken, Statements und Erfahrungen festhalten. Jeder
Beitrag wird mit einem Timestamp versehen und Kategorien bzw. Schlagworten
zugeordnet. Deshalb können Weblogs auch als eine Art persönliches
Informationsmanagement- und Recherchesystem verwendet werden. Sie stellen eine
gute Möglichkeit dar, sich einem Thema anzunähern und sich mit diesem
auseinanderzusetzen. Durch die Verlinkung mit anderen Blogs (Blogroll) bzw.
anderen Blogbeiträgen und die Möglichkeit der Kommentierung werden
Diskussionen und die Gruppenarbeit zwischen den Nutzern gefördert. (vgl. Appelt
2010). Es entsteht ein Netzwerk, das sich mit einem bestimmten Thema
auseinandersetzt. Damit entsteht eine untereinander vernetzte Wissenstruktur die
von Lernenden aktiv konstruiert wird. (vgl. Röll 2003)
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Die Lehr-/Lernumgebung der Trainerakademie ist eine Multiuser-Blog-Umgebung.
Das bedeutet, jeder Nutzer hat die Möglichkeit, einen eigenen Blog zu führen. Aus
der Sicht der Studierenden kann das zum Einen bedeuten, das Studium und einzelne
Seminare durch ihr Weblog zu begleiten. Sie werden z.B. aufgefordert, die im
Studium behandelten Themen in ihrer praktischen Trainertätigkeit zu erproben und
die daraus resultierenden Erfahrungen zu dokumentieren und zu reflektieren.
Genauso wäre aber auch eine eher informelle Nutzung denkbar, indem Trainer
Informationen und Dokumente rund um ihre eigene Trainertätigkeit in ihrem Blog
sammeln, sich mit Trainerkollegen über Blogeinträge austauschen und vernetzen
und so ein persönliches Informationsmanagementsystem aufbauen. Der Weblog ist
Teil des persönlichen E-Portfolios (siehe unten) und trägt in diesem Zusammenhang
dazu bei, eigene Lernprozesse und Kompetenzentwicklungen aufzeigen.
Aus der Perspektive von Lehrenden, Experten und Anbieter bieten sich weitere
Möglichkeiten der Nutzung. Dozenten können über aktuelle Ergebnisse in ihrem
Forschungsgebiet berichten oder weiterführende Inhalte aus den Seminaren
veröffentlichen.
Eine wichtige Voraussetzung für das Funktionieren von Weblogs als Lerninstrument,
ist die grundsätzliche Bereitschaft und Motivation, sich selbstgesteuert und individuell
mit einem Thema auseinanderzusetzen.
Wikis
Sogenannte Wikis sind Hypertext-Systeme für Webseiten, dessen Inhalte von den
Benutzern nicht nur gelesen, sondern auch online direkt im Browser bearbeitet
werden können. Das bekannteste Wiki ist wahrscheinlich Wikipedia, eine freie
Enzyklopädie, die vollständig durch freiwillige und ehrenamtliche Autoren aufgebaut
wurde. In der Wirtschaft, aber auch im Bildungskontext, werden Wikis häufig zum
Wissensmanagement einer Institution eingesetzt. Die Idee dabei ist, dass alle Nutzer
alle Seiten oder Dokumente innerhalb der Wiki-Umgebung nach eigenen Wünschen
bearbeiten und verändern und so ihr Wissen innerhalb der Institution weitergeben
(vgl. Abb. 4).
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Abb. 4: Funktionsprinzip Wiki (mod. nach Wiliams 2008)
Wikis können aber auch zum kollaborativen Lernen in Projekt- und Referatsgruppen
eingesetzt werden. Die Funktion der Versionskontrolle, die typisch für Wiki-Systeme
ist, erlaubt dabei eine strukturierte Dokumentation der Vorgehensweise der
Arbeitsgruppen (vgl. Thelen und Gruber 2003). In einem Pilotprojekt des deutschen
Skiverbandes wird ein Wikisystem bereits mit Erfolg eingesetzt. Das Projekt
„Skibaserl“ versucht mit einem Wiki unterschiedliche Arten von explizitem und
implizitem Wissen der verschiedenen Akteure im Innovationsnetzwerk Ski Alpin zu
organisieren und so das Wissensmanagement zu verbessern (vgl. Waibel et al.
2009).
E-Portfolio
Kompetenzorientierte Ausbildungen erfordern Prüfungswerkzeuge, die nicht nur das
Ergebnis eines Lern- und Arbeitsprozesses sichtbar machen, sondern den Prozess
an sich aufzeigen können. Als geeignetes Werkzeug hierfür tauchte in den 80er
Jahren hierzu die Idee der Portfolioarbeit auf. (vgl. Elbow & Belanoff 1997) Als
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Portfolio bezeichnet man eine Sammlung von Dokumenten, die einen Lernprozess,
oder die Lernbiographie eines Individuums über einen längeren Zeitraum
beschreiben bzw. dokumentieren können. Ein wesentliches Ziel der Portfolioarbeit
ist die Erhöhung der (Selbst-)Reflexivität der Nutzer (vgl. Stangl Jahreszahl). Im
Zusammenhang mit e-Learning und neuen Medien wird häufig auf die digitale Form
eines Portfolios zurückgegriffen. Dabei handelt es sich um ein sogenanntes E-
Portfolio, das gesammelte Dokumente und Informationen in digitaler Art meist
netzbasiert speichert und zusammenfasst. In der Literatur finden sich zahlreiche
verschiedene Typen von E-Portfolios (z.B. Arbeitsportfolio, Entwicklungsportfolio,
Bewerbungsportfolio, Lernportfolio, Präsentationsportfolio oder Reflexionsportfolio),
die Baumgartner (2007) jedoch in drei Grundtypen eingeteilt hat:
A) Reflexionsportfolio
Ein Reflexionsportfolio kann zum einen eine Art Lernportfolio darstellen, bei
der der Nutzer aus eigener Motivation heraus seine Lernentwicklung durch
selbst-reflektierende Einträge darstellt. Zum anderen kann ein
Reflexionsportfolio auch ein Beurteilungsportfolio sein. Dieses Portfolio
unterscheidet sich in zwei wesentlichen Punkten zu dem Lernportfolio. Es wird
zur formalen Beurteilung genutzt und die Lernaufgaben sowie die
Bewertungskriterien sind von außen vorgegeben.
B) Entwicklungsportfolio
Wie bei einem Lernportfolio, steht auch bei Entwicklungsportfolios die
Reflexion des eigenen Entwicklungsprozesses im Vordergrund. Im Gegensatz
zum Lernportfolio wird hier jedoch auf eher die Entwicklung des beruflichen
Werdegangs abgebildet und ist daher mehr auf die äußere Entwicklung
orientiert.
C) Präsentationsportfolio
Das Präsentationsportfolio dient der Außendarstellung und Präsentation. Es
kann sowohl auf Produkte orientiert sein, als auch als eine Art
Bewerbungsmappe, die die gelungensten Arbeiten des Lernenden enthält,
angesehen werden.
Hilzensauer (2008) definiert das E-Portfolio eher als Methode denn als Tool und
unterstützt Häcker (2005) in der Aussage, E-Portfolios unterstützten den Wandel weg
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von der fremdbestimmten Leistungsfestellung und hin zur selbstbestimmten
Leistungsdarstellung. Besonders wichtig beim Einsatz von E-Portfolios erscheinen
ihm die folgenden Schritte: Der Lernende definiert seine Ziele selbst und nicht die
Institution. Der Lernende sammelt sogenannte Wissensartefakte und Beiträge und
reflektiert darüber. Die Kommunikation mit einem „Portfoliobegleiter“ oder Tutor bzw,
mit anderen Nutzern ist ein wichtiger Bestandteil der Portfolioarbeit im Netz.
Die Lehr-Lernumgebung der Trainerakademie stellt den Nutzern Werkzeuge zur
Führung eines E-Portfolios zur Verfügung. In einem Hauptbereich Reflexion können
die Studierenden und Nutzer persönliche Blogeinträge, Praktikumsberichte und
Kommentare bzw. Diskussionsbeiträge einordnen und reflektieren. Dieser Teil des E-
Portfolios bildet die persönlichen Erfahrungen aus Lern- und Arbeitsprozessen ab
und reflektiert diese. Es entsteht eine Sammlung von Wissensartefakten und
reflexiven Einträgen. In einem Präsentationbereich können die Nutzer besonders
gelungene Beiträge jeglicher Art präsentieren und damit eine Art
Präsentationsportfolio aufbauen. Es kann als Bewerbungsmappe geführt werden, die
die gelungensten Arbeiten des Lernenden enthält.
Ausblick Informations- und Wissensmanagement
In einem weiteren Schritt soll auf der Lehr- Lernumgebung der Trainerakademie,
insbesondere unter dem Aspekt des lebenslangen Lernens, neben den angeführten
Funktionen zur Unterstützung formaler und informeller Lernprozesse, ein
Informations- und Wissensbereich für Trainer im Leistungssport aufgebaut werden.
Basierend auf den Artikeln des neu entwickelten Trainer-Info-Letters der
Trainerakademie, stehen an dieser Stelle der Wissenschaftstransfer in die
Trainingspraxis und das Wissensmanagement im Vordergrund. Wie von
Muckenhaupt (2009) in seiner Trainerstudie zur Informationsversorgung im
Spitzensport gefordert, sollen wissenschaftliche Erkenntnisse für Trainer in Form von
Artikeln, Podcasts und Experteninterviews aufbereitet und zur Verfügung gestellt
werden.
Ergänzend zu Präsenzveranstaltungen könnten sogenannte Webkonferenzen zum
Einsatz kommen. Unter einer Webkonferenz oder einem Online Meeting versteht
man über das Internet organisierte und durchgeführte „virtuelle“ Treffen zwischen
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Teilnehmern, die sich real an ganz unterschiedlichen Orten befinden können.
Anstelle des realen Konferenztisches tritt bei einer Webkonferenz meist der PC-
Desktop des Sitzungsmoderators. Es können Audio/Video-Konferenzen sowie Text-
Chats eingerichtet werden, wobei der Zugang und die Konferenzeinrichtung jeweils
über die Lernumgebung erfolgt. Eine browserbasierte Software ermöglicht z.B.
Präsentationen durch den Moderator, Dokumentensharing und die Nutzung einen
gemeinsamen Whiteboards.
Die Vorteile von Webkonferenzen liegen vor allem in den zu erwartenden
Einspareffekten bezüglich der Faktoren Zeit und Finanzen. Auf der einen Seite
können Reisezeit und Reiskosten eingespart werden und damit der sowieso schon
hohe Zeitdruck bei Trainern und Lehrenden gemildert werden. Andererseits ist der
fehlende direkte Kontakt zwischen Teilnehmern und Dozent häufig ein Nachteil, so
dass ein sorgsames Abwägen des Einsatzes von Webkonferenzen notwendig ist.
Struktur und Flexibilität
Die Strukturierung und das Wiederfinden von Daten ist bei Systemen dieser Art stets
eine große Herausforderung. Hierbei können allerdings ebenso Entwicklungen aus
dem Bereich Web 2.0, wie Tagging, Faceted Search und RSS wertvolle Dienste
leisten. Tagging meint die freie Verschlagwortung der Inhalte nach eigenen
subjektiven Kriterien der Nutzer. Dies bietet Vor- und Nachteile. Durch die
Aggregation individueller Schlagworte verschiedener Nutzer bilden sich kollaborative
Klassifikationssysteme, so genannte Folksonomies. Es entsteht ein gemeinsames
Vokabular der Nutzer, wobei die Schlagworte anderer Personen einfach in die
eigenen Wissensbestände übernommen werden können (vgl. Panke 2007). Ein
Nachteil kann allerdings die uneinheitliche Verschlagwortung der Daten sein, die eine
vollständige Informationssuche nahezu unmöglich macht. Hier es bietet sich zum
einen an, Methoden der halbautomatischen Indexierung (Vorschlagen von
passenden Tags bei der Tagvergabe) einzusetzen. Zum anderen können Daten und
Inhalte, zusätzlich zur freien Verschlagwortung, über eine so genannte
Facettensuche besser zugänglich gemacht werden. Dabei kann der Nutzer durch
das Filtern nach bestimmten Kriterien (Facetten) die Suche nach Informationen
immer weiter verfeinern. Facetten können beispielsweise die Art des Inhalts, die
Schlagwörter, der Autor des Beitrags oder das Jahr der Veröffentlichung sein.
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Bei RSS handelt es sich um eine Technik, die die einfache und strukturierte
Veröffentlichung von Änderungen auf Websites ermöglicht. Durch das Abonnement
von RSS Feeds4 kann sich ein Nutzer einen persönlichen „Informationscocktail“ zu
Themen, die interessant für ihn sind, zusammenstellen. Sobald neue Inhalte oder
Änderungen dazu erscheinen, wird er dann automatisch benachrichtigt.
Nutzungsmöglichkeiten für Verbände und Trainer im Leistungssport
Ein wichtiges Prinzip ist die Flexibilität der Umgebung. Grundsätzlich können
berechtigte Nutzer beliebig viele Gruppen bzw. Lernräume definieren, in denen
wiederum alle oben beschriebenen Lehr- und Lernfunktionen zur Verfügung stehen.
Für Verbände wird somit eine Möglichkeit geschaffen, völlig eigenständige
Lerngruppen auf der Umgebung zu gründen, zu verwalten und zu organisieren.
Dabei sind unterschiedliche Einsatzszenarien vorstellbar. Einerseits können im
Bereich der Traineraus- und Fortbildung Seminare organisiert und dazugehörige
Dokumente und Materialien abgelegt und verwaltet werden. Andererseits würde es
sich anbieten, Informationen und Wissen aus dem Verband zu sammeln,
aufzubereiten und so ein verbandsinternes Informations- und Wissensmanagement-
System aufzubauen (vgl. Waibel et al. 2009).
Für Absolventen der Trainerakademie und für Trainer im Leistungssport stehen,
neben der Studienorganisation und Dokumentenverwaltung von
Fortbildungsveranstaltungen, besonders die Funktionen des persönlichen
Informations- und Wissensmanagements im Vordergrund.
Kontakt:Trainerakademie Köln des DOSBChristoph Dolch Email: dolch@trainerakademie-koeln.de
4 englisch to feed – im Sinne von füttern, einspeisen, zuführen
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