Post on 05-Oct-2020
Mik/ 08.11.2018/ 1
STEINBACHER FORUM
Digitale Bildung und Bildung in der digitalen Welt
Was kann und soll
gewerkschaftliche Bildung
in heutiger Zeit?
27. Oktober 2018
IG BAU, Steinbach/Ts.
Ralf Wilde
ver.di Bildung und Beratung gGmbH, Geschäftsführer
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Was könnte und sollte
gewerkschaftliche Bildung
heute sein?
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Gewerkschaftliche Bildung sollte sein ...
• Beitrag zur gewerkschafts- und gesellschaftspolitischen Qualifizierung
• Ort politischer Diskussion, Meinungsbildung und Angebot politischer Orientierung
• Ort individueller Stärkung und Persönlichkeitsentwicklung, zur Bewusstmachung
und Entwicklung individueller und gesellschaftlicher Werte
• Raum professioneller Erwachsenenbildung, moderner didaktischer Konzepte und
Entwicklungen
• positive gewerkschaftliche Erfahrung und Nährboden für etw. Mitgliedschaft
• Teil und Instrument gewerkschaftlicher Reorganisationsprozesse
• gewerkschaftliche Unternehmung in einem lukrativen Markt
• Beitrag zur (Arbeits-)Weltverbesserung
• (leider auch) Teil dieser Welt und Gesellschaft, in allen Ausprägungen und mit
allen Folgen, auch angesichts der aktuellen politischen Entwicklungen
• Befassung mit einer „digitaler“ werdenden Gesellschaft, Arbeitswelt und
„Kundschaft“ und entsprechenden Bildungsangeboten
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Wer ist b+b und vor welchen
exemplarischen Herausforderungen für
die gewerkschaftliche Bildungsarbeit
stehen wir?
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Wer ist „ver.di Bildung und Beratung gGmbH (ver.di b+b)?
• Seit ver.di-Gründung 2001 ausgegliederte ver.di-Tochter, um
„Gegnerfinanzierung“ zu entgehen; ver.di-Aufsichtsrat
• D.h. ausschließlich „arbeitgeberfinanzierte“ Bildungsarbeit für Gesetzliche
Interessenvertretungen (GIV) – Personal- und Sachkosten pauschal eingepreist
• Arbeitgeber zahlen alle entstehenden Kosten – keinerlei Inanspruchnahme von
Mitgliedsbeiträgen oder Drittmitteln
• Gemeinnützig, keine Gewinnerzielungsabsicht (Sem. umsatzsteuerbefreit)
• Bundeseinheitlicher Träger, aber regional/dezentral tätig; Sitz Düsseldorf
• Aktuell ca. 90 Beschäftigte; regelmäßige Ausbildung
• Qualitätszertifiziert seit 2006 (LQW)
• Ca. 2.100 – 2.600 Seminare/Jahr; ca. 25.000 bis 32.000 TN/Jahr
• Knapp 20 Mio. € Umsatz/Jahr
• Beratungstochter Rat.geber GmbH
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ver.di b+b in der ver.di-Bildungswelt
• Grundsätzliche Trennung zwischen „politischer“ und „arbeitgeberfinanzierter“
Bildung (für GIV) bei ver.di
• Im GIV Bereich neben ver.di b+b 5 Landesbildungswerke, DGB und A+L
• Ver.di GPB gGmbH (GewerkschaftsPolitische Bildung) organisiert bundesweit
politische, gewerkschaftspolitische und organisationspolitische Bildung;
Finanzierung ausschließlich über 20 % - Anteil an AR-Tantiemen
• Ver.di-LBz, -Bz und Fachbereiche organisieren teilweise eigene Bildung oder
delegieren an Landesbildungswerke
• Öffentliche Mittel an Landesbildungswerke für gesellschaftspolitische Bildung
• 9 ver.di-Bildungszentren als eigene Anbieter
• Ver.di-Jugend mit eigenen Mitteln und Angeboten
Im Spannungsfeld zwischen Vielfalt und Unübersichtlichkeit
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Herausforderung:
Der harte Wettbewerb im
kommerziellen Bildungsmarkt für
gesetzliche Interessenvertretungen
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Der harte Wettbewerb im Bildungsmarkt für Betriebsräte
Rahmenbedingungen:
• Einige gewerkschaftlichen Bildungsträger sind Unternehmen und damit zu
wirtschaftlichem Erfolg verdammt
• Wegfallende (Groß-)Kunden (Schlecker, Praktiker/Max Bahr, Kaufhof/Karstadt,...)
• Weitgehend gesättigter Markt
• Druck der Arbeitgeber nimmt wieder zu; Seminarteilnahme strukturell vielfach
erschwert
• Massive Konkurrenz mit kommerziellen Anbietern (ifb, W.A.F., POKO, profis, ...)
• neue Akteure kommen hinzu, auch aus ehemals „eigenen Reihen“
• HBS-Studie 2016: die Bindung von BR an „ihre“ gewerkschaftlichen
Bildungsanbieter lässt nach; bei ver.di ist sie signifikant schlechter als bei
anderen Gewerkschaften
• Das Bewusstsein vieler GS für Bildung, die Thematisierung und Orientierung auf
die eigenen Bildungsträger ist die Ausnahme
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Der harte Wettbewerb im Bildungsmarkt für Betriebsräte
Kommerzielle Konkurrenz:
• Ist erfolgreich und wächst
• Professionelles, kostspieliges Marketing; Offensive Werbestrategien
• Attraktive Hotels und Orte mit hohen Standards
• Attraktives kulturelles Rahmenprogramm und personelle Betreuung
• Geschenke ...
• Hohe Rabatte, aggressive Preispolitik
• Selbstdarstellung als „unideologisch“
• „Vollversorgung“ über das Seminar hinaus, erfolgreiche Kundenbindung
(„pre und after sales“)
• Sehr kundenorientiert
• Orientierung bei Konflikten auf Anwälte statt Gewerkschaft
• Moderner und schneller digitaler Auftritt (hohe Investitionen)
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Der harte Wettbewerb im Bildungsmarkt für Betriebsräte
Was Hauptamtliche und ehrenamtlich Aktive tun könnten:
• Das systematische Thematisieren von Bildung überhaupt
• Bildungsplanung und –beratung in Gremien (durch Träger)
• Integration der Qualifizierungsplanung in die Arbeitsplanung der Gremien
• Darstellung des Nutzens und der gewerkschaftlichen Notwendigkeit der
gewerkschaftlichen Träger („Alleinstellungsmerkmal“)
- politische/gewerkschaftliche Identitätsbildung
- näher an Branchenentwicklungen; hochspezifische Angebote
- Politisierung statt Verrechtlichung der GIV-Arbeit
- Einbindung gewerkschaftlicher Orientierung in Seminaren (TV-Sem.)
- strategische Orientierung
• Verknüpfung mit FB-Planungen
• Bildung als Thema in der Ausbildung von GS
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Herausforderung:
Wo und wie entsteht heute
gewerkschaftliches und
Arbeitnehmerbewusstsein?
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Gewerkschaftliches Bewusstsein im politischen Raum
• Die Lobby für übergeordnete Arbeitnehmerinteressen im politischen und
gesellschaftlichen Raum fehlt weitgehend oder erfolgt diskontinuierlich und
unsystematisch. Dies gilt auch für Gewerkschaften und Parteien.
• Es fehlt eine Klärung und Debatte, aber auch die Akteure, worin diese Interessen
bestehen können. Die alten Orientierungsmuster greifen nicht mehr, was sind
gewerkschaftliche und Arbeitnehmerinteressen heute, welche Themen spielen
eine Rolle?
• Eine Reduktion auf reine Klientelpolitik (Dieseldiskussion, Hambacher Forst, ...)
belässt es bei der Trennung von alter und neuen sozialen Bewegungen.
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Gewerkschaftliches Bewusstsein im Betrieb
• Wie entsteht heute innerbetriebliches gewerkschaftliches Bewusstsein?
• „In die Wiege gelegt“ stirbt aus, betriebliche gewerkschaftliche „Silberrücken“
auch ...
• In ver.di existiert in weiten Teilen kaum noch Vertrauensleute- oder
Betriebsgruppenarbeit, „gewerkschaftliches Leben“ wird in weiten Teilen nicht
wahrgenommen
• Gewerkschaftliches Gedankengut wird durch gewerkschaftlich orientierte GIV
(BR, PR, JAV, ...) getragen, die sich dafür häufig nicht zuständig fühlen
Was kann die gewerkschaftliche Bildung, und welche, hier tun?
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Herausforderung:
Einbindung der Bildungsarbeit
in innergewerkschaftliche Prozesse
Mik/ 08.11.2018/ 15
Einbindung in innergewerkschaftliche Prozesse
• Die Bildungsanbieter und ihre Teamenden/Bildungsmitarbeitenden sind vielfach
geübt und teilweise hochspezialisiert in der Organisation und Durchführung
solcher Prozesse
• Sie verfügen über soziale, kommunikative, organisatorische, strategische und
Beratungs-Kompetenzen
• Dieses knowhow und diese Ressourcen in Konzeption, Einsatz oder
Qualifizierung werden zu wenig genutzt, externe Beratung geht vor
• Dies gilt für zentrale und örtliche Reorganisationsprozesse, aber auch für die
Professionalisierung der alltäglichen Besprechungslandschaft
• Wie kann ein stärkerer Beitrag der Bildung zu einer lernenden Organisation
aussehen?
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Herausforderung:
Professionalisierung der
gewerkschaftlichen
Erwachsenenbildung und
Nachwuchsgewinnung
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Professionalisierung gewerkschaftlicher Bildung
• „Subjektorientierung“ als Stand der Dinge der Erwachsenenbildung,
d.h. traditionelle „Wissensvermittlung“ funktioniert nicht mehr (hat es nie ...).
Das erfordert andere Methoden, mehr Beteiligungsorientierung, selbstständige
Erarbeitung und Unterstützung beim Lernprozess.
• Spannungsfeld: Wo bewegen sich subjektive Erkenntnisse und Sichtweisen und
unsere gewerkschaftliche Sicht der Dinge nicht deckungsgleich und wie gehen
wir damit um? Wo hat das Subjekt Grenzen der Erfassung z.B. gesellschaftlicher
Rahmenbedingungen?
• Wie stellen wir „Bewusstsein“ her? „Die Wiege fehlt ...“
• Wie thematisieren wir Haltungen und Werte? Welchen Beitrag können wir leisten,
um von Aufgaben und Rolle zur Identität von z.B. Betriebsräten zu kommen?
• Aus der „Praxis für die Praxis“ ist der zentrale Wunsch der Teilnehmenden, wie
stellen wir das auch bei der Auswahl und dem Einsatz von Teamenden sicher?
Wie gewinnen wir Nachwuchs?
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Professionalisierung gewerkschaftlicher Bildung
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Herausforderung:
Digitalisierung von Gesellschaft,
Arbeitswelt, Bildung und „Kundschaft“
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Digitalisierung der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit
Allgemeine Erkenntnisse digitaler Zeiten
• Was unterscheidet Google, Amazon, ebay, wikipedia, Tesla, etc. von
Quelle, Kodak und Co?
• Schnelligkeit, Flexibilität, Dynamik
• „Nutzen statt besitzen“, Plattformen (uber, ...)
• Datensammeln und massive Kundenorientierung
• Welche Anforderungen haben Kunden, gilt das auch für Lernende?
Was heißt das für die Bildung und ihre Nutzer?
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Professionalisierung gewerkschaftlicher Bildung
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Digitalisierung der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit
3 Stränge der Digitalisierung, die uns als Bildungsanbieter betreffen
• Seminarthemen zur Digitalisierung
• Digitaler Alltag / digitaler Auftritt / digitale Infrastruktur
• Digitale Lernformen/Didaktik
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Digitalisierung der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit
Seminarthemen zur Digitalisierung
• Allgemeines/Überblick – was ist Digitalisierung?
• Spezifische Themen, z.B.
- gute digitale Arbeit
- agiles Arbeiten
• Klassische Themen – digital erweitert, z.B.
- Arbeitszeitgestaltung; mobile Endgeräte
- social media in der Arbeitswelt (Whatsapp zur Dienstplaninfo?)
- Datenschutz
- ...
• Branchen-/FB-spezifisch (in Absprache mit den FB), z.B.
- E-Government, E-Finance, Datenströme im Nahverkehr, E-Personalakte,
Versicherungswirtschaft, ...
Mik/ 08.11.2018/ 24
Digitalisierung der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit
Digitaler Alltag / digitaler Auftritt / digitale Infrastruktur
• Internet-Auftritt auf aktuellem Stand
• Digitalisierte/automatisierte Arbeitsabläufe; Elektronische Rechnungsstellung
• Optimiertes Anmeldeverfahren
• SEO-Analysen und SEO-Optimierung
• Google adwords Aktivitäten
• Einstellung eine „Online-Marketing-Spezialisten“
• DSGVO
• Apps
• Marktbeobachtung unter Digitalisierungsblickwinkel
• Aufbau eines CRM (technikbasiertes Kundenbeziehungsmanagement)
• Social media Aktivitäten
• Aufbau von TN-Kundenkonten
• Interne und externe Workshops, Qualifizierungsmaßnahmen
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Digitalisierung der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit
Digitale Lernformen/Didaktik
• Grundsätzlich: Ersetzt das Webinar das Präsenzseminar?
• Verändert sich „Lernen“? (Erkenntnisse der Neurowissenschaften)
• Tendenz: Einsatz „neuer“ Techniken in Präsenzseminaren (Smartphone)
• „Nachbetreuung der TN“ als Lernkontrolle im Netz? („uBrain“, Forum+“)
• Kurz-Webinare als alternative und/oder ergänzendes Angebot
• Prinzip Plattform: Nutzen statt besitzen – Folgen für Bildung?