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Kommunikationsethik I
Vorlesung mit ÜbungenBachelor-Studiengang Kommunikationswissenschaft
Universität Leipzig
Dr. Carsten Brosda
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / I 2
Worum geht es in dieser Vorlesung?
Was ist Kommunikations- und Medienethik?Was untersucht sie?Wie lässt sie sich begründen?
Welche empirische Relevanz besitzen sie?Wie kann Ethik in der Praxis helfen?
auf der Makroebene (Gesellschaft)auf der Mesoebene (Mediensysteme)auf der Mikroebene (Individuum)
Erarbeitung eines Analyserasterszur Beantwortung dieser Fragen
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / I 3
Worauf stützt sich diese Vorlesung?
Leipziger Tradition der medienethischen Analyse Das Analyseraster hat sich bewährtz.B. Lehrveranstaltung von Prof. Dr. Michael Haller (WS 07/08)
Breite Literatur zum Thema, z.B.Debatin, Bernhard / Funiok, Rüdiger (Hrsg.) (2003): Kommunikations- und Medienethik. Konstanz.Funiok, Rüdiger (2007): Medienethik. Verantwortung in der Mediengesellschaft. Stuttgart.Haller, Michael / Holzhey, Helmut (Hrg.) (1992): Medien-Ethik. Beschreibungen, Analysen, Konzepte. Opladen. (2. Aufl. 1993)Schicha, Christian / Brosda, Carsten (Hrsg.) (2000): Medienethik zwischen Theorie und Praxis. Normen für die Kommunikationsgesellschaft. Münster
Weitere Literaturhinweise folgeneigene Liste im Verlauf der Lehrveranstaltung
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / I 4
Um welche Fragen geht es heute?
Wieso ist Kommunikations- und Medienethik relevant?Was ist Ethik?Wie wird Medienethik als angewandte Ethik konzipiert?Welche Spannungsfelder entstehen zwischen Normsystemen?Wie funktioniert Abwägung?Wie löst man Konflikte generell?Nach welchem Schema analysiert man Wertkonflikte?
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / I 5
Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick
Immer wieder sonntags…
…äußern sich Medienmacher zu Problemen ihres beruflichen Alltags.…klagen gesellschaftliche Gruppen einen anderen Stil in Journalismus, Werbung oder Public Relations ein.…empören wir uns als Publikum über die Medien.
Dabei geht es oft um ethische Fragen – einige Beispiele für heftig diskutierte Ereignisse:
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / I 6
Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick
Geiselnahme mit Live-Interviews
Dreitägiges Geiseldrama 1988Banküberfall – Irrfahrt von Gladbeck über Bremen nach Köln weiter nach FrankfurtDrei Tote
MedienhysterieLive-Interviews in der Kölner CityBoulevard-Reporter fuhr im Auto mit.Journalisten behindern Polizeiarbeit
Sensationslust oder Erfüllung des Informationsauftrags?
P.S.: Der Presserat hat diese Frage beantwortet und solche Interviews für unzulässig erklärt.
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / I 7
Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick
Was darf Satire -?
In 30. September 2005 veröffentlichte die dänische Zeitung Jyllands-Posteneine Serie „islamkritischer“Karikaturen.An den Veröffentlichungen entzündeten sich wütende Proteste im Nahen Osten.
Freiheit der Satire oder Verunglimpfung einer Religionsgemeinschaft?
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / I 8
Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick
„Experimente wie mit Ratten“
„Performatives Ereignisfernsehens“Die erste Big Brother-Staffel war heftig umstritten.
Kritiker fürchteten die Aufgabe der Menschenwürde.Befürworter betonten die Freiwilligkeit der Teilnahme.
Mittlerweile läuft die Sendung in der 8. Staffel, ohne Aufsehen zu erregen.
Mediennormalität oder Menschenverachtung?
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / I 9
Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick
Gekaufte Dialoge im „Marienhof“
Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft hat 2002 Dialogteile der ARD-Serie „Marienhof“ produziert.
60.000 Euro, 7 SendungenThemen: Zeitarbeit, Bildung, Steuer-/AbgabensenkungKein Quellenverweis
„Monitor“ deckt Zusammenarbeit in 2005 auf
Propaganda oder Werbung für die Marktwirtschaft?
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / I 10
Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick
Bunte Pullis für Sterbende
Benneton schockt in den 90er Jahren mit Bildern von Kranken und Kriegsopfern.Zeitungen lehnen Motive teilweise ab.Kampagnenmacher Oliviero Toscanini: „Mag die Werbung auch eine Industrie sein, so ist sie doch trotzdem eine Kunst.“
Provokation oder Kunst?
Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / I 11
Ethische Fragen sind allgegenwärtig
Beispiele stammen aus allen Bereichen der Medien
JournalismusUnterhaltungPublic RelationsWerbungPolitische Kommunikation
Kritik nimmt oft eine Kommunikations- und Medienethik zum Maßstab
Aber was charakterisiert ethische Fragen?
Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / I 12
Was ist Ethik?
Wissenschaftliche Beschäftigung mit Genese und Anwendung von Normen
„Moralphilosophie“ bzw. „Reflexionstheorie der Moral“Moral bezeichnet die Normen, die Handeln anleiten.Ethik reflektiert diese moralischen Normen und ihre Begründung.
Ethik sucht nach allgemeingültigen Begründungen für gutes und gerechtes Handeln.
Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / I 13
Verantwortungsbewusstsein als Ziel
Aufklärung menschlicher PraxisEinübung in ethische ArgumentationsweisenMoralisches Handeln als unverzichtbare Qualität der Humanität
Ethik macht sensibel dafür, dass jeder über die Güte seines Handelns verantwortlichentscheiden sollte und (meistens) auch kann.
Sie zielt auf Innen- bzw. Selbststeuerung.
Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / I 14
Struktur kommunikativen Handelns
begründen
prüfen
GemeinsameSituationsdefinition
Verständigungsorientierung durch Grundstruktur von Sprache
WahrheitRichtigkeitWahrhaftigkeit
WahrheitRichtigkeitWahrhaftigkeit
Machteinflüsse Machteinflüsse
Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / I 15
Kommunikative Interaktion beruht auf weit reichenden Annahmen
Widerspruchsfreiheit und Konsistenz Wahrhaftigkeit und ArgumentativitätFairness
Gleichberechtige Anerkennung aller TeilnehmerTransparenzOffenheitFreiheit von äußeren Zwängen
Diese Diskursregeln sind Grundlage einer allgemeinen Kommunikationsethik!
Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / I 16
Angewandte Ethik: Ideale in der Praxis
Angewandte Ethiken beschäftigen sich mit dem Verhältnis von
Idealnormen(Philosophie)
Praxisnormen(v.a. Recht und Politik)
Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / I 17
Die Erzengel-Perspektive
Idealnormen formulieren Prinzipien,die abstrakt sind unddie intersubjektive Gültigkeit besitzen.
Diskurse über Ethik sind in der Idealvorstellung „herrschaftsfrei“.
Problem: Idealnormen sind oftzu allgemein,zu unbestimmt,zu rigide,
um faktisch als Regeln für die konkrete Praxis dienen zu können.
Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / I 18
Verschiedene Quellen für Idealnormen
Mögliche Begründungen für normative Ethik
Grund- und Menschenrechteallgemeine Prinzipien oder MaximenInstitutionelle RollenerwartungenVertragsmodelleArgumentative DiskurseReligionTradition…
Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / I 19
Die Mühen der Ebenen
Praxisnormen: bereichsspezifische „Durchführungsregeln“, die den historischen und sozio-ökonomischenRahmen berücksichtigen.
Diskurse über Ethik sind geprägt vonZeitknappheitkonkreten Herrschafts- und Gewaltverhältnisseen,Informationsgefälle.
Ethische Diskurse werden erst durch institutionelle Vorkehrungen möglich.
Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / I 20
Medien sind ethisch relevant
Praxisnormen werden in angewandten Ethiken formuliert.
Angewandte Ethiken gibt es in vielen Bereichen:
MedizinWissenschaftÖkologie…
Auch mediales Handeln braucht angesichts seiner gesellschaftlichen Bedeutung eine angewandte Bereichsethik.
Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / I 21
Gesellschaftliche und politische Bedeutung der Medienkommunikation
Herstellen von ÖffentlichkeitKonstitutiv für DemokratieKonkrete gesellschaftliche Erwartungen
InformationOrientierungPartizipationSoziale Integration
Qualität von Medienkommunikationist entscheidend.
Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / I 22
Spezifika der Medienkommunikation
Medienkommunikation basiert auf Humankommunikation
GeltungsansprücheVerständigungsorientierung
Aber: höhere KomplexitätKeine direkte InteraktionDritter Partner vermitteltGeltungsansprüche sind mehrfach gebrochenNicht rein lebensweltlichSystemischer Rahmen mit entsprechenden MachtstrukturenFiktionale FormateLudische (spielerische) Formate
Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / I 23
Ethik in den Medien
Medienmacher haben als Vermittler einen Freiraum, der nicht durch harte Normen geregelt ist.
Harte Normen sind v.a. strafrechtliche oder privatrechtliche Vorschriften (erlaubt vs. nicht erlaubt)
Es gibt nicht eine „Top-Norm“ oder ein Regelwerk, die eine Unterscheidung zwischen „falsch“und „richtig“ ermöglichen würden.
Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / I 24
Ethische Spannungsfelder der Medienkommunikation
Aufgrund der Komplexität medialer Kommunikation gibt es mehrere Werte- und Normensysteme
Sie sind nicht deckungsgleich,aber gleichzeitig gültig.
Widersprüchliche Zielnormen erzeugen Spannungsfelder.
Die verschiedenen Ansprüche und Erwartungen können sich im konkreten Fall ergänzen oder widersprechen.
Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / I 25
Sechs relevante Wert- und Normensysteme des Medienhandelns
Individuelle Einstellungen
Berufsrolle
Kommunika-tionswünschedes Publikums
Ökonomische Imperative
Systemische Funktions-
zuschreibungen
Medialer Kommunika-tionsmodus
Medienhandeln
Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / I 26
1. Medialer Kommunikationsmodus
Individuelle Einstellungen
Berufsrolle
Kommunika-tionswünschedes Publikums
Ökonomische Imperative
Systemische Funktions-
zuschreibungen
Medialer Kommunika-tionsmodus
Medienhandeln
Öffentliche Kommunikation allgemeines InteressePrangerwirkung („Bloßstellen“)
Vermittelte KommunikationDisperses Publikum
Wünsche und Bedürfnisse nur begrenzt und abstrakt bekannt
Spezifika der Mediengattungen und -typen
Formate sind vorgegebenTechnik bestimmt Art der Kommunikation
Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / I 27
2. Funktionszuschreibungen an dasjeweilige Funktionssystem
Individuelle Einstellungen
Berufsrolle
Kommunika-tionswünschedes Publikums
Ökonomische Imperative
Systemische Funktions-
zuschreibungen
Medialer Kommunika-tionsmodus
Medienhandeln
Beispiel Journalismusdemokratietheoretische Aufgaben (Information; Meinungsbildung)gesellschaftspolitische Funktionen (wie Integration, Mobilisierung oder Nutzwert)
meritorische Funktionen**Meritorik = Lehre vom (ökonomisch nicht rentablen) allgemeinen Gut (Bildung, Gesundheit)
Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / I 28
3. Ökonomische Imperative
Individuelle Einstellungen
Berufsrolle
Kommunika-tionswünschedes Publikums
Ökonomische Imperative
Systemische Funktions-
zuschreibungen
Medialer Kommunika-tionsmodus
Medienhandeln
Medienwettbewerb Duales SystemKoppelung an Werbefinanzierung
MehrwertstrebenPrivatwirtschaft: Wachstum, Rendite
Machtstreben UnternehmermentalitätKonzern-Management
Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / I 29
4. Kommunikationswünsche desPublikums (Bedürfnisstrukturen)
Individuelle Einstellungen
Berufsrolle
Kommunika-tionswünschedes Publikums
Ökonomische Imperative
Systemische Funktions-
zuschreibungen
Medialer Kommunika-tionsmodus
Medienhandeln
Partizipationswünsche Sozialität
Kompensationswünsche Entschädigung für Mühen der Rezeption
VersicherungswünscheMinderung von Unsicherheit und Ungewissheit
KontemplationswünscheGedankliche und emotionale Verbundenheit mit der Welt
Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / I 30
5. Berufsrolle
Individuelle Einstellungen
Berufsrolle
Kommunika-tionswünschedes Publikums
Ökonomische Imperative
Systemische Funktions-
zuschreibungen
Medialer Kommunika-tionsmodus
Medienhandeln
Traditionen (Herkünfte)Berufsorganisation (Rollenverständnis)Formalisierung des Handwerks (Ausbildung)Selbstkontrolle (als Ausdruck der Professionalisierung)
Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / I 31
6. Individuelle Einstellungen der Medienakteure
Individuelle Einstellungen
Berufsrolle
Kommunika-tionswünschedes Publikums
Ökonomische Imperative
Systemische Funktions-
zuschreibungen
Medialer Kommunika-tionsmodus
Medienhandeln
Selbstbilder SozialisationBerufsperspektivenPersönlichkeitsstruktur
Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / I 32
Normenkonflikte sind Alltag
Auf den einzelnen Handlungsebenen
…und…
zwischen den verschiedenen Handlungsebenen
Keine der einzelnen Ebenen ist „unmoralischer“ als eine andere
Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / I 33
Wie kann Medienethik bei der Lösung dieser Normkonflikte helfen?
Sie kann der medialen Praxis Hinweise geben und sie anleiten.
Sie hilft dabei, die Normsysteme (z.B. Profession vs. Publikum) gegeneinander abzuwägen.
Konkrete Entscheidungen müssen Medienakteure moralisch selbst rechtfertigen.
Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / I 34
Wie wäge ich richtig ab?
Ein kniffliges Beispiel aus dem SZ-Magazin vom 29.9.2006
Stimmt das konkret?Wer wohnt hier wirklich?
Dokumentarische Verantwortung
vs.Zuspitzung im Leseinteresse
Wie entscheidet man sich hier richtig?
Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / I 35
Was wäge ich ab?
Eigenes Selbstverständnis
„Was kann ich vor mir selbst verantworten?“; Gewissen
vs.Folgen der eigenen
Handlungen für DritteObjekte/Betroffene des Berichts
VertragstreueLeistungserbringer bemüht sich, die nachgefragte Leistung zu erbringen
vs.
Orientierung auf Verständigung
Sprachliche Interaktion ist auf Geltungsansprüche (wahr, richtig,
wahrhaftig) bezogen
PräsentationslogikZuspitzen, aber nicht überziehen
(Glaubwürdigkeit erhalten) vs.
InformationsfunktionSachüberprüfung; Sachbericht
erfordert dokumentarische Bilder
Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / I 36
Wie wird dieser permanente Abwägungsprozess verlässlicher?
GrundkonsensSchnittmengen („gesicherte“ Normen wie: Wahrhaftigkeit, Verzicht auf physische Gewalt, Gleichbehandlung)Grundrechte & Wertekonsens
„Kodifizierung“ dieses Grundkonsenses in einer angewandten Bereichsethik („Medienethik“), die die Besonderheiten medialen Handelns berücksichtigt.
Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / I 37
Aber: Das Meiste bleibt unsicher und muss regelmäßig verhandelt werden
Konkrete Normenkonflikte auf verschiedenen Handlungsebenen und Wertemustern lassen sich nicht prinzipiell lösen.
In diesen Konflikten geht es nicht um Moral gegen Unmoral, sondern um Synchronisation dissonanter oder gegensätzlicher Moralen.
Wichtig: Unterschiedliche Bereichsethiken dürfen nicht zu unterschiedlichen Ethiken führen.
Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / I 38
Sechs theoretische Vorschlägezur Konfliktlösung
Hierarchisierung der NormenBegrenzung der Geltung von MoralenSonder-/BerufskodizesUniversalisierung moralischer Sätzeempirische Analyse der Motive und FunktionsablaufeSynchronisation der Berufs- bzw. Sonderethik
Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / I 39
1. Hierachisierung der Normen
top-down-VerfahrenKlassischer Ansatz
Je nach Blickwinkel stehen unterschiedliche Normen an der Spitze der Hierarchie:
Allgemeine Moral: „Du sollst nicht lügen“Berufsnorm: „Stell‘ Öffentlichkeit her!“Systemnorm Marktwirtschaft: „Sorg‘ für die größtmögliche Reichweite/Quote!“
Problem: autokratische Normenbegründung
Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / I 40
2. Begrenzung der Geltung von Moralen
regionale, zeitliche, strukturelle BegrenzungenLiberaler Ansatz
BeispieleAufmerksamkeit ist das Höchste (und was ist mit der Menschenwürde?)Voyeurismus ist legitim (und wie steht es um Privatsphäre?)Das „Normale“ bestimmt die Moral (aber das Amoralische wandelt sich)
Problem: Grenzziehungen können sehr willkürlich sein.
Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / I 41
3. Sonder- und Berufskodizes
wie in Medizin, Recht, Kirche, Medienindustriegesellschaftlicher Ansatz
Beispiele:Ich habe das Leben zu schützen bzw. zu verlängern (und Thema Sterbehilfe?)Ich darf andere täuschen (Recherche)
Problem: Kollisionen zwischen allgemeiner Moral und Berufsmoral schaffen Legitimationsprobleme.
Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / I 42
4. Universalisierung moralischer Sätzeund Interessen
Ansätze für Globalisierung und Zivilgesellschaft
Beispiele:Menschenwürde (Oder doch zuerst die Grundbedürfnisse?) Unversehrtheit (Wer/was macht krank?) Rechte auf Persönlichkeitsentfaltung (Aber was ist, wenn man sie nicht entfalten will?)
Problem: Verallgemeinerung von Werten geht nur um den Preis ihrer Abstraktion.
Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / I 43
5. Empirische Analyse der Motiveund Funktionsabläufe
bottom-up-Verfahrenangelsächsische Tradition
Beispiele:Folgenhaftigkeit des Handelns Fallbezogene Konfliktentscheidungen
Problem: Wie begründet man, dass die Normen allgemein gelten sollen?
Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / I 44
6. Synchronisation der Berufsethik
auf dem Boden der Grundwerte durch Situationsanalyse Ansätze für werteplurale, komplexe Zivilgesellschaften
Beispiele aus dem redaktionellen Entscheidungshandeln:
Aktualität – Wahrheit/VollständigkeitÖffentlichkeit – PersönlichkeitsschutzMarketing für redaktionelle Themen
Problem: Aufwändiges, anspruchsvolles Verfahren, das hohe Professionalität verlangt.
Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / I 45
Also: Was tun bei Konflikten?
Generell:KonfligierendeNormensysteme genau kennenSich Geltungsgründe bewusst machen
Situativ:Normenkonflikt erkennenSituation analysierenHandlungsspielräume erfassen
Es gibt kein ethisches Patentrezept!
Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / I 46
Die Analyseebenen…
1. Die Makroebene - Die Organisation der Gesellschaft: Werte, Normen, Rechtssystem
2. Die Mesoebene - Die Organisation der Medien: Ökonomie des Mediensystems und Funktionen des Medienhandelns als Beruf
3. Die Mikroebene - Handlungsweisen des Medienakteurs: individuelles Berufshandeln
Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / I 47
…und der übliche Kollisonsverlauf
1. Die Makroebene - Die Organisation der Gesellschaft: Werte, Normen, Rechtssystem
2. Die Mesoebene - Die Organisation der Medien: Ökonomie des Mediensystems und Funktionen des Medienhandelns als Beruf
3. Die Mikroebene - Handlungsweisen des Medienakteurs: individuelles Berufshandeln
Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / I 48
Makroebene
Der Analyseansatz
Die Kultur (ihre Geschichte, ihre Mentalitäten, ihre Wertemuster) bestimmt die Geltungsgründe der Moral
Die mit der demokratischen Ordnung verbundenen Erfordernisse
(Gewährleistungen)
MesoebeneDie Imperative der Ökonomie (Markt und Wettbewerbsgesellschaft)
MesoebeneAn Medienkommunikation gebundene Merkmale und
Erfordernisse
Medienakteur
Mikroebene
Beispiele Ethik Medienethik Spannungsfelder Abwägung Konfliktlösung Analyseansatz Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / I 49
Die nächsten Vorlesungstermine
5.5. Begründungen der Medienethik19.5. Makro-Ebene:
Gesellschaftliche ErwartungenRechtlicher Rahmen
2.6. Meso-Ebene:Organisatorische RahmenbedingungenÖkonomische Imperative
16.6. Mikro-Ebene:Handeln und Entscheiden unter Medienzwängen
30.6. Medienethische Reformbedarfe
im Juli Klausur
Kommunikationsethik II
Vorlesung mit ÜbungenBachelor-Studiengang Kommunikationswissenschaft
Dr. Carsten Brosda
Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / II 2
Rückblick: Wo stehen wir?
Themen der letzten SitzungWieso Medienethik?Spannungsfelder zwischen unterschiedlichen NormsystemenBeispiele für argumentative Abwägung
Offen geblieben ist die Frage nach den Begründungen unterschiedlicher Ethiken
Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / II 3
Um welche Fragen geht es heute?
Vorlesung: Wie werden ethische Anforderungen begründet?
TugendenWerteZweckeDiskurseFunktionen
Gruppenarbeit: Wie lassen sich die klassischen Ethik-Konzepte auf die Medien übertragen?Abschluss: Welche Medienethik-Perspektiven gibt es?
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / II 4
Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick
Begründungsfragen
Ethik richtet sich auf moralisches Handeln
Deskriptive Ethik: Eingrenzung und ExplikationNormative Ethik: Erörterung der fundamentalen Begründungsfragen
Begründung oder Rechtfertigung von Moral kein rein philosophisches, sondern Alltags-Problem
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / II 5
Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick
Wie entsteht eine Pflicht zur Begründung? – Ein Beispiel
[nach Norbert Hoerster 1976]
A will sich von seiner Frau scheiden lassen, um seine Sekretärin zu heiratenB hält das für moralisch falsch und macht A deswegen VorhaltungenA fragt nach Gründen für die moralische Verurteilung
B könnte folgende Begründungen ins Feld führen:
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / II 6
Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick
Grund 1: Der Wille Gottes
„Wenn Du Dich scheiden lässt, versündigst Du Dich; nach dem Willen Gottes darf eine gültig geschlossene Ehe zu Lebzeiten der Ehepartner nicht aufgelöst werden.“
Religiöse Begründung
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / II 7
Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick
Grund 2: Das Versprechen
„Du hast Deiner Frau durch die Eheschließung in bindender und feierlicher Form versprochen, zeitlich unbegrenzt mit ihr zu leben. Ein solches Versprechen darf man nicht brechen, nur weil man jemanden kennen gelernt hat, den man attraktiver findet.“
DeontologischeBegründung
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / II 8
Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick
Grund 3: Der allgemeine Nutzen
„Das Unglück, das Du durch eine Scheidung über Deine Frau und Deine Kinder brächtest, würde das Glück, das Du in Deinem Alter noch für Dich und Deine neue Frau erwarten könntest, weit überwiegen. Man darf sein eigenes Glück nicht auf Kosten anderer verfolgen.“
Utilitaristische Begründung
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / II 9
Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick
Grund 4: Die eigenen Interessen
„Auf die Dauer gesehen würdest Du Dir in Deiner Situation mit einer Scheidung und einer Wiederheirat nur schaden. Man sollte nie etwas tun, wodurch man auf lange Sicht die eigenen Interessen verletzt.“
Egoistische Begründung
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / II 10
Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick
Debatte beginnt, wenn die Geltung der Gründe bestritten wird
Immer zwei AspekteBegründung eines moralischen PrinzipsBehauptung, dass kritisiertes Handeln unter das Prinzip fällt
A kann……bestreiten, dass die Norm sein Handeln betrifft.…die Norm anzweifeln.
Zweite Option ist Grundlage einer ethischen Debatte, in der Gründe für und wider die Geltung einer Norm diskutiert werden.
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / II 11
Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick
Gängige Wege der Moralbegründung
Tugenden (Aristoteles, Platon)Deontologie (Kant)Utilitarismus (Bentham, Mill)Gesinnung vs. Verantwortung (Weber)Gerechtigkeit (Rawls)Verantwortung (Jonas)Diskurse (Habermas) Funktionen (Luhmann)Begründende Selbstreferenz (Konstruktivismus)
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / II 12
Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick
Platon: Idee des Guten als Ursprung aller Tugenden
Ethik ist eine praxisorientierende Theorie
Tugenden im Zentrum
Ein Leben gemäß der Tugenden ist Voraussetzung dafür, Glück zu erreichen
Tugenden richten sich nicht gegen falsche Neigungen, sondern sollen die richtigen wecken.
Platon, 427-347 v. Chr.
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / II 13
Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick
Die Kardinaltugenden
Gerechtigkeit(als koordinierende Tugend)
ErwerbtreibendeSelbstzuchtBegehren
KriegerTapferkeitMut
PhilosophenkönigeEinsichtErkennen
StaatsaufbauTugend„Seelenbestandteil“
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / II 14
Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick
Aristoteles: Politisch-sittliche Existenz
Kritik an der Ideenlehre PlatonsIdeen sind Teil der „Gesamtheit der Erscheinungen“Empirischer AnsatzTugenden werden gelehrt bzw. eingeübt
Praxis zielt auf Glück (eudaimonia)
Vier Strategien, Glück zu erreichenGenussausrichtungGelderwerbPolitisch-sittliche ExistenzTheoretische Existenz
Aristoteles384 -322 v. Chr.
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / II 15
Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick
Tugenden einüben
Verstandesmäßige Tugendenwie Weisheit, Klugheit, Auffassungsgabesind das Ergebnis von Belehrung
Ethische Tugendenwie Großzügigkeit, Besonnenheit, Tapferkeitsind das Ergebnis der Gewöhnung und Einübung.
Klugheit (sittliche Einsicht) ermöglicht, die sittliche Grundausrichtung situationsgerecht zu konkretisieren.
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / II 16
Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick
Das Maß der Mitte als Maßstab
„Mesótes-Lehre“ nach AristotelesReflektieren von Extrempositionen, und gefühlte Identitätsbalance.
Beispiele:Mitte von Furcht und Tollkühnheit
TapferkeitMitte von Wolllust und Stumpfheit
MäßigungMitte von Verschwendung und Geiz
Großzügigkeit
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / II 17
Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick
Kant: Vom Wert der Handlung an sich
Nicht mehr gutes Leben, sondern gutes Handeln im Mittelpunkt
Zentrale AnnahmenMenschen sind vernunftbegabt Menschen haben einen freien Willen
Guten Willen formulieren und seine Umsetzung ermöglichen
universelle Grundlage des Gutennicht Interessen, sondern aus Pflicht gespeistfür sich genommen bereits moralisch wertvoll
Immanuel Kant,1724-1804
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / II 18
Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick
Suche nach der Maxime des Handelns
Moralische GesetzeSubjekt wird selber zum GesetzgeberMoral ist nicht heteronom, sondern autonomMaximen wie der kategorische Imperativ leiten HandelnHandlungsgründe sollen universell gelten und sind deshalb notwendig abstraktBewertung danach, ob eine Handlung von einer bestimmten inneren Beschaffenheit ist
„Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“
(aus: „Kritik der praktischen Vernunft“, 1788)
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Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick
Pflichten sind wichtig
Vier Typen von PflichtenPflicht gegen sich selbstPflicht gegen andereVollkommene Pflicht (Verstoß nicht denkmöglich)Unvollkommene Pflicht (Verstoß denkmöglich, widersprüchlich)
Deontologische Pflichtethik
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Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick
Bentham & Mill: Vom Nutzen der Dinge
Utilitaristische EthikNutzen einer Handlung für die AllgemeinheitZiel: Maximierung des allgemeinen Glücks
Drei BegründungenWerttheorieAggregation individuellen Wohlergehens Konsequentialistische Auslegung
Teleologische (zielorientierte) Ethik
Jeremy Bentham1748-1832
John Stuart Mill,1806-1873
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Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick
Probleme des Utilitarismus
Handlungskonsequenzen nur schwer abschätzbar -„Gefangenendilemma“.Nutzenmaximierung bedeutet noch keine gerechte NutzenverteilungMoralische Rechte wie Menschenrechte nicht begründbarVergangene Vereinbarungen kein Maßstab
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Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick
Weber: Gesinnung oder Verantwortung?
Gesinnungsethik beurteilt allein die Intention des Handelns.
Verantwortungsethik beurteilt auchden Zweck der Handlung im Lichte der empirischen Umstände.
Weber: „abgrundtiefer Gegensatz“
Aber: Verantwortungsethik ist keine reine Folgenethik, sondern berücksichtigt auch Handlungspflichten
Max Weber,1864-1920
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Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick
Rawls: Ein Vertrag über Gerechtigkeit
Gerechtigkeit als Fairness
Grundsätze nach RawlsGrundfreiheiten so umfangreich wie sozial verträglich möglichUngleichheiten müssen wenig Begünstigten die bestmöglichen Aussichten bieten
Wahl dieser Grundsätze erfolgt im Urzustand
John Rawls1921-2002
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Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick
Faire Entscheidungssituation als Gedankenexperiment
„Urzustand“ heißt „Schleier des Nicht-Wissens“über späteren gesellschaftlichen Status
Konsequenz:
Jeder wird eine Gesellschaft wählen, in der auch der schlechteste Platz akzeptabel ist
Vertragstheorie plus Spieltheorie („Maximin-Regel“)
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Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick
Jonas: Das Prinzip Verantwortung
Das Gute ist „objektiv“ im Sein bestimmt
Ökologischer Imperativ„Handle so, daß die Wirkungen deiner Handlungen verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden.“
Ähnlich schon Albert Schweitzer:„Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will.“
Hans Jonas1903-1993
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Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick
Habermas: Ethik im Diskurs
Ziel: argumentativer Konsens über Normen
Diskursethik besagt, „[…] daß nur die Normen Geltung beanspruchen dürfen, die die Zustimmung aller Betroffenen als Teilnehmer eines praktischen Diskurses finden (oder finden könnten)“.
Prozedurale Moraltheoriedeontologischkognitivistischformalistischuniversalistisch
Jürgen Habermas* 1929
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Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick
Regeln für Diskurse
Abstinenz zu inhaltlichen KlärungenMoralphilosophie beschreibt die ProzedurenKonkrete Fragen werden von den Betroffenen diskutiert
Fokus auf DiskursregelnWiderspruchsfreiheit und Konsistenz Wahrhaftigkeit und ArgumentativitätFairness
Institutionelle Vorkehrungen für Diskurse
Keine Letztbegründung, sondern Plausibilität der Geltung der Regeln
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Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick
Luhmann: Ethik ist gescheitert
Akademische Ethik ist gescheitert („paradigm lost)Ethik kann Moral nicht begründen, sondern findet sie vorMoral soll mit moralfreien Begriffen erfasst werden – z.B. als Komplexitätsreduktion
„Die Gesamtheit der faktisch praktizierten Bedingungen wechselseitiger Achtung und Missachtung macht die Moral einer Gesellschaft aus.“
Niklas Luhmann1927-1998
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Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick
Ironie als ethische Chance
Moral neigt zum Enthusiasmus.Für eine enthusiastische Moral gibt es keine Ethik.
Ethik ist in Moral verwickelt: Betroffensein und Mitleiden einerseitsironische Distanz andererseits.
Nur in ironischer Distanz ist Reflexion der Moral möglich
Moralischen Enthusiasmus vermeidenProblemidentifikation ermöglichen
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Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick
Konstruktivistische Ethik
Frage nach der Verantwortung des „Beobachters“ bzw. des „Konstruierenden“
Soziologisch: Zweckrationale Dimensionmit Blick auf das Handeln in Systemen und in der Interaktion kognitiver Systeme Frage nach der Brauchbarkeit der Konstruktion
Erkenntnistheoretisch:Wertrationale Dimension
mit Blick auf das handelnde Individuum volle Verantwortung und Begründungsfähigkeit
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Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick
Verantwortung des „Konstruierenden“
Fünf ethische Prinzipien (Baum/Scholl 2000)
ethische Reflexivität gegenüber den eigenen Konstruktionen und ihren Wirkungen auf andereVerantwortungsakzeptanz für die Konstruktion als Folge der Autonomie des Konstruierenden Verlässlichkeit der Konstruktionen Toleranz gegenüber der Vielzahl möglicher Konstruktionen Begründungspflicht für die jeweils eigene Konstruktion
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / II 32
Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick
Statt einer Zusammenfassung:Ein Moralphilosoph, der etwas taugt,…
…predigt nicht Moral, sondern analysiert sie.…ist ein Spezialist dafür, moralische Überzeugungen explizit zu formulieren.…ist darauf trainiert, moralische Dissense zu strukturieren.…wird unangenehm, wenn in die Kiste schmutziger Tricks gegriffen wird:
Immunisierungsstrategien,moralische Diskreditierung Andersdenkender, Zuständigkeitsanmaßen
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / II 33
Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick
Statt einer Zusammenfassung:Ein Moralphilosoph, der etwas taugt,…
…weiß, dass es in moralischen Kontexten Fragenverbote und Reflexionstabus gibt, aber er akzeptiert sie nicht.…geht nicht davon aus, dass die motivierende Kraft moralischer Überzeugungen allzu groß ist.…weiß, dass zur Klärung moralischer Fragen auch Sachverstand aus anderen Disziplinen herangetragen werden muss.
(Rainer Hegselmann)
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Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick
…und jetzt
PAUSE!PAUSE!
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Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick
Gruppenarbeit
Begründungsmuster müssen von Ideal- auf Praxisebene konkretisiert werden.
Gruppendiskussion zuTugendethikDeontologische EthikUtilitarismusVertragsmodellenDiskursethik
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Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick
Leitfragen für Gruppenarbeit
Inwiefern lassen sich die Überlegungen des jeweiligen Ansatzes übertragen?…auf einzelne Bereiche
JournalismusPRWerbungFiktionale AngeboteSpielshows
…auf welcher EbeneIndividuenInstitutionenPublikum
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Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick
Wie geht‘s weiter?
20 Minuten Gruppendiskussion
5 Minuten Präsentation je Gruppe
Diskussion
Ausblick
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Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick
Tugenden in der Medienethik
Normativ-ontologische Ansätze
Ausführliche Tugendkataloge(z.B. von Emil Dovifat 1962)
Idee der Mäßigungberufliche Tugend des Journalismus (Boventer)angemessener Medienkonsum (Lübbe)
Heute kaum mehr zeitgemäß!
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Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick
Deontologie in der Medienethik
Handlungsprinzipien, die „gutes“mediales Handeln anleiten können, sind im ethischen Diskurs weit verbreitet.
Berufliche Kodizes (Pressekodex, PR, Werbung) sind häufig in deontologischer Sprache verfasst.
In Frankreich heißt die journalistische Berufsethik sogar „Déontologie“
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Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick
Utilitarismus in der Medienethik
Medienethische Ansätze greifen v.a. die Folgenbewertung auf, ohne umfassend utilitaristisch zu argumentieren.
Folgen medialen Handelns sind schwer abzuschätzen
AusdifferenziertheitVermittlungunsichere Wirkungshypothesen
Eher individuell - Utilitarismus lässt sich kaum in allgemeine Gebote fassen
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Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick
Gesinnung vs. Verantwortung in der Medienethik
Beliebte kommunikationswissenschaftliche Unterscheidung mit Weberschen Begriffen
Journalismus (gesinnungsethisch – Herstellen von Öffentlichkeit)Politik oder PR (verantwortungsethisch – Zwecke).
Aber: Diese Interpretation ist unzulänglichDeontologische Ethik ist nicht gleich Gesinnungsethik Journalisten haben eigene Handlungsziele Journalismus muss sich auch für Folgen rechtfertigenMaxime und Folgen kollidieren heftig im Journalismus
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / II 42
Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick
Verträge in der Medienethik
Rawlssche Theorie ist relevant für die Begründung einer demokratischen Medienordnung und ihre Institutionen.
Vertragstheoretische Überlegungen spielen bei der Formulierung von Kodizes etc. eine Rolle
Gedankenexperiment des „Schleiers des Nichtwissens“ ist eine wertvolle Entscheidungsheuristik
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Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick
Diskurse in der Medienethik
Formal: Ethik für Diskurse über EthikVerfahren zur Klärung berufsethischer FragenSelbststeuerung über ethische DiskurseAnleitung für berufliche Debatten über Ethik
Aber auch materiell: Ethik medialer DiskursePrüfung der Akzeptabilität von Geltungsansprüchenreflexive Vermittlung; Einhaltung der Diskursregeln gesellschaftliche Teilhabe
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Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick
Systeme in der Medienethik
Starker Kontrapunkt zum normativen Individualismus
System- und Rollenerwartungen thematisieren
Individualethik muss um Professions-und Institutionenethik ergänzt werden.
Bietet wenig Handlungsanleitung
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / II 45
Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick
Konstruktivismus in der Medienethik
Erkenntnistheoretischer Schwerpunkt
Ertrag der Reformulierung des individualethischen Verantwortungsbegriffs offen
Probleme:Möglichkeit intersubjektiverVereinbarungen bleibt unklarGefahr der Beliebigkeit
Aber auch:Chance der individualethischen Ansprache
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / II 46
Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick
Nicht nur eine Frage der Perspektive...
Medienethik ist keine Frage einer bestimmten theoretischen Ausrichtung
Selbst „amoralische“ Theorien denken über Ethik nachIdeologiebildung hat keinen ZweckDen einen Begründungsrahmen gibt es nicht
Medienethische Konzepte……beziehen meist Handlungsmaxime und Handlungsfolgenaufeinander – und untersuchen Kollisionen.…sind heute eher formal als materiell angelegt, d.h. sie beraten eher die Praxis, als dass sie sie anweisen.…differenzieren zwischen Individuum, Institution, System etc.
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / II 47
Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick
Geltungsgründe in der Empirie
Ab jetzt geht es um diese verschiedenen Ebenen der Geltung ethischer Überlegungen
Wechsel von der normativen zur deskriptiven Ethik (Explikation und Eingrenzung)
Beim nächsten Mal: Die Makro-Ebeneder gesellschaftlichen Erwartungen unddes rechtlichen Rahmens
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / II 48
Einführung Begründungsfragen Ethikansätze Gruppenarbeit Medienethik Ausblick
Die nächsten Vorlesungstermine
19.5. Makro-Ebene:Gesellschaftliche ErwartungenRechtlicher Rahmen
2.6. Meso-Ebene:Organisatorische RahmenbedingungenÖkonomische Imperative
16.6. Mikro-Ebene:Handeln und Entscheiden unter Medienzwängen
30.6. Medienethische Reformbedarfe
Kommunikationsethik III
- Die Makro-Ebene
Vorlesung mit ÜbungenBachelor-Studiengang Kommunikationswissenschaft
Dr. Carsten Brosda
Einführung Öffentlichkeit Grundrechte Spannungsfelder Gruppenarbeit Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 2
Rückblick: Wo stehen wir?
Themen der letzten SitzungenWarum ist eine Kommunikations-und Medienethik relevant?Wie können ethische Aussagen begründet werden?Welche Spannungsfelder bestehen zwischen unterschiedlichen ethischen Ansprüchen?
Jetzt kann der Einstieg in die Analyse der verschiedenen Ebenen beginnen.
Einführung Öffentlichkeit Grundrechte Spannungsfelder Gruppenarbeit Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 3
Makro-Perspektive
MesoebeneDie Imperative der Ökonomie (Markt und Wettbewerbsgesellschaft)
MesoebeneAn Medienkommunikation gebundene Merkmale und
Erfordernisse
Medienakteur
Mikroebene
[von Michael Haller übernommen]
Die mit der gesellschaftlichen,
demokratischen Ordnung
verbundenen Erfordernisse
Makroebene
Einführung Öffentlichkeit Grundrechte Spannungsfelder Gruppenarbeit Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 4
Um welche Fragen geht es heute?
Vorlesung: Welche kulturellen und gesellschaftlichen Anforderungen und Begrenzungen formulieren wir für Medienkommunikation?
ÖffentlichkeitskonzepteMenschenrechte, GrundgesetzBVerfGE, Rundfunkstaatsverträge, Landespressegesetze
Gruppenarbeit: Diskussion aktueller FallbeispieleAbschluss: Wie lassen sich die Normen der Makroebene operationalisieren?
Einführung Öffentlichkeit Grundrechte Spannungsfelder Gruppenarbeit Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 5
Einige Literaturhinweise
Zum Thema Öffentlichkeit u.a.Habermas, Jürgen (1990): Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchung zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft. Frankfurt am Main. (Neuauflage mit aktualisierendem Vorwort)Gerhards, Jürgen (1997): Diskursive versus liberale Öffentlichkeit. In: KZfSS, Heft 1/1997, 49. Jg., S. 1-34.Imhof, Kurt (2003): Der normative Horizont der Freiheit. „Deliberation“und „Öffentlichkeit“: zwei zentrale Begriffe der Kommunikationswissen-schaft. In: Publizistik Sonderheft 4/2003, S. 25-57.Pöttker, Horst (Hrsg.) (2000): Öffentlichkeit als gesellschaftlicher Auftrag. Klassiker der Sozialwissenschaft über Journalismus und Medien. Konstanz.
Zum Thema Medienrecht u.a.Branahl, Udo (1996): Medienrecht. Eine Einführung. 2., überarbeitete Auflage. Opladen. [mittl. 5., vollständig überarbeitete Auflage 2006] Berg, Klaus / Kohl, Helmut / Kübler, Friedrich (Hrsg.) (1992): Medienrechtliche Entscheidungen. Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Presse- und Rundfunkrecht. Konstanz.
Einführung Öffentlichkeit Grundrechte Spannungsfelder Gruppenarbeit Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 6
Zwei Perspektiven
Systematisch
Wie wird Öffentlichkeit heutzutage gewährleistet?Grundgesetz und Urteile des BundesverfassungsgerichtsLandespressegesetze und Rundfunkstaatsverträge
Historisch
Wie ist Öffentlichkeit entstanden?
Welche idealtypischen normativen Erwartungen sind
mit ihr verknüpft?
Einführung Öffentlichkeit Grundrechte Spannungsfelder Gruppenarbeit Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 7
Herausforderungen der Moderne
WirtschaftlichErhöhter InformationsbedarfGewerbefreiheit ermöglicht ‚Handel‘ mit Informationen
PolitischAbstraktion des Staates vom Herrscher - VermittlungsinstanzWachsendes bürgerliches Selbstbewusstsein
KulturellBuchdruck schafft SchriftkulturLegitimationsverlust kirchlicher oder monarchischer Interpretationdynamisches Gesellschaftsverständnis
Verkehr und TechnikVerbesserte Reproduktionsbedingungen Verbesserte Verbreitungsbedingungen
Einführung Öffentlichkeit Grundrechte Spannungsfelder Gruppenarbeit Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 8
Herstellung von Öffentlichkeit nötig
Reaktion auf Differenzierung und SegmentierungWeniger individuelles Erfahrungswissen
Geschwächter Blick für gesamtgesellschaftliche ProblemeSchwindende Kompetenz, allgemein verbindliche Entscheidungen zu treffen
Es braucht eine Sphäre, in der Orientierung und Gemeinsamkeit entstehen.
Einführung Öffentlichkeit Grundrechte Spannungsfelder Gruppenarbeit Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 9
Idealtypus bürgerliche Öffentlichkeit
Räsonnement statt MachtdemonstrationSphäre zur Diskussion allgemeiner AngelegenheitenZunächst: Literatur – dann Politik(rechtliche) Gewährleistung privater SchutzräumePrinzipiell unabgeschlossenes PublikumTeilnehmerkreis: Bürgerliche ‚Klasse‘ – Bildung und BesitzEntscheidungen anhand argumentativer Qualität
Ideal: Unbeschränkte Kommunikation als Grundlage von Demokratisierung Faktisch nie verwirklicht,aber Idee zeigt Wirkung
Einführung Öffentlichkeit Grundrechte Spannungsfelder Gruppenarbeit Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 10
Enorme normative Bedeutung
konzeptionelle Einlösung der bislang abstrakten Beteiligungs-rechte aufgeklärter Bürger
Arkanbereiche werden öffentlich begründungsbedürftig
Idee der Öffentlichkeit dringt regulativ auf ihre Umsetzung
Streben nach Meinungs- und PressefreiheitKritik und Kontrolle der Staatsmacht
Einführung Öffentlichkeit Grundrechte Spannungsfelder Gruppenarbeit Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 11
Öffentlichkeit wird zum gesellschaftlichen Strukturprinzip
kommunikative Verflüssigung von Macht- und Herrschaftsansprüchenargumentationsgestützte Revision gesellschaftlich-politischer Entscheidungenrationale Begründung gesellschaftlicher Prinzipien des ZusammenlebensBewährung von Traditionen im Räsonnement aller BetroffenenMeinungsfreiheit und Kunstfreiheit
Makro-Normeneiner Ethik der Öffentlichkeit
Einführung Öffentlichkeit Grundrechte Spannungsfelder Gruppenarbeit Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 12
Strukturwandel der Öffentlichkeit
Formale Relevanz von Öffentlichkeit als Legitimationsressource im demokratisch-politischen Prozess steigt
Sicherung der formalen Funktionsfähigkeit von Öffentlichkeit
durch Verrechtlichungdurch Etablierung von Massenmedien
Einführung Öffentlichkeit Grundrechte Spannungsfelder Gruppenarbeit Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 13
Verrechtlichung von Öffentlichkeit
positiv formulierte staatsbürgerliche Partizipationsrechteinstitutionelle und verfassungsrechtliche Garantien
Öffentlichkeit wird zu einer Institution im Zentrum des demokratischen Prozesses.Sie vermittelt zwischen staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen.
Einführung Öffentlichkeit Grundrechte Spannungsfelder Gruppenarbeit Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 14
Etablierung von Massenmedien
Gesellschaftliche Bedeutungmaterielle Grundlage öffentlicher Kommunikationinstitutionelle Gewährleistung von Öffentlichkeit
Politische Bedeutungintermediäres System„Resonanzboden für externe Themen, Informationen oder Meinungen“ (Otfried Jarren)
Volkswirtschaftliche BedeutungVoraussetzung einer hochgradig differenzierten und anpassungsfähigen Wirtschaft‚Informationstransport‘ aller Art
Einführung Öffentlichkeit Grundrechte Spannungsfelder Gruppenarbeit Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 15
Folgen des Strukturwandels
Öffentlichkeit wird zweiseitig begehbarUrsprünglicher Zugang: Lebensweltliche KommunikationJetzt auch: Zugriff durch Staats- und Wirtschaftsakteure
Gefahr einer normativen Entleerung durch Funktionalisierung
Die Qualität ihrer rechtlichen Sicherung wird zur zentralen ethisch-politischen Aufgabe!
Einführung Öffentlichkeit Grundrechte Spannungsfelder Gruppenarbeit Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 16
Debatte über das „richtige“Öffentlichkeitsmodell
Liberale ÖffentlichkeitsmodelleMarktverständnis öffentlicher KommunikationPrinzip eines freien Gedanken- und Meinungsaustauschs zentrale Anforderung: Zugangsoffenheit.
Deliberative ÖffentlichkeitsmodelleGleiche Teilnahme- und ArtikulationsmöglichkeitenSelbstaufklärung der Beteiligten‘, LernfähigkeitRationalerer Output durch Begründungspflichten
Einführung Öffentlichkeit Grundrechte Spannungsfelder Gruppenarbeit Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 17
Es geht um die Ausgestaltung
Wichtig: Umstritten ist nicht, dass Öffentlichkeit gebraucht wird, sondern nur, was von ihr erwartet wird!
Die Unterschiede in den Konzepten haben Auswirkungen auf die abgeleiteten Normen.Die wichtigsten Makro-Normen sind die rechtlichen Rahmenbedingungen.
Daher: Wechsel zur systematischen Analyse
Einführung Öffentlichkeit Grundrechte Spannungsfelder Gruppenarbeit Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 18
Meinungsfreiheit ist ein Menschenrecht
Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948
„Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt die Freiheit ein, Meinungen ungehindert anzuhängen sowie über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Gedankengut zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.“
Einführung Öffentlichkeit Grundrechte Spannungsfelder Gruppenarbeit Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 19
Präzisierung notwendig
Ähnliche Aussagen in:Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten des EuroparatesErklärung zum Weltethos des Parlaments der Weltreligionen Allgemeinen Erklärung der Menschenpflichten
Aber: Menschenrechte müssen in einklagbare Grundrechte übersetzt werden
Einführung Öffentlichkeit Grundrechte Spannungsfelder Gruppenarbeit Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 20
Grundrechte formulieren Werte und Ansprüche
Konkretisierung und Ergänzung der Menschenrechteunmittelbare Geltung - für den Staat bindendNicht nur
klassische Grundrechte / Abwehrrechtesondern auch
soziale Leistungsrechteinstitutionelle GarantienMitwirkungsrechte
Kollisionen zwischen verschiedenen Grundrechten verlangen Abwägung und Entscheidung
Einführung Öffentlichkeit Grundrechte Spannungsfelder Gruppenarbeit Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 21
Meinungsfreiheit im Grundgesetz
Artikel 5
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Einführung Öffentlichkeit Grundrechte Spannungsfelder Gruppenarbeit Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 22
Folgerungen aus Artikel 5 GG?
MeinungsfreiheitInformationsfreiheitMedienfreiheitZensurverbot
auchGrundrechtsschranken
Einführung Öffentlichkeit Grundrechte Spannungsfelder Gruppenarbeit Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 23
Meinungsfreiheit
bezieht sich auf das Äußern und Verbreiten der eigenen Meinung oder von Informationenumfassende Rede- und MitteilungsfreiheitSchutz umfasst jede denkbare Form – aber es gibt eine bedeutende Unterscheidung
Unwahre Tatsachenbehauptungen sind nicht verboten (Ausnahme: „Ausschwitzlüge“), aber nicht geschützt. Sie müssen im Streitfall gerichtlich beweisbar sein.Wertende Stellungnahmen umfassend geschützt unabhängig davon, ob sie „wertvoll“ oder „wertlos“, „richtig“oder „falsch“, emotional oder rational sind.
Auch Kunst ist geschützt.
Einführung Öffentlichkeit Grundrechte Spannungsfelder Gruppenarbeit Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 24
Informationsfreiheit
Recht, sich ungehindert aus allgemein zugänglichen Quellen zu informieren
Allgemein zugänglich sind Quellen, aus denen ein individuell nicht bestimmbarer Personenkreis schöpfen kanninsbesondere auch ausländische Quellen
Auf individueller Ebene komplementär zu Meinungsfreiheit
Meinungs- und Informationsfreiheit wurden als individuelle Abwehrrechte etabliertMeinungsfreiheit ist mittlerweile ein etabliertes Teilhaberecht, Informationsfreiheit zunehmend auch (Beispiel: Informationsfreiheitsgesetz)
Einführung Öffentlichkeit Grundrechte Spannungsfelder Gruppenarbeit Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 25
Medienfreiheit
„Öffentliche Aufgabe“ der MedienMassenmedien sind „Medium“ und „Faktor“ im Prozess der öffentlichen Meinungs- und Willensbildung (BVerfG zu Rundfunk)staatsunabhängig organisierter Meinungsmarkt, der die gesellschaftliche Vielfalt widerspiegelt Vielfaltspostulat bezogen auf das Gesamtangebot der Berichterstattung
Außenpluralität (verschiedene Anbieter)Binnenpluralität (medieninterne Vielfalt)
Einführung Öffentlichkeit Grundrechte Spannungsfelder Gruppenarbeit Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 26
Medienfreiheit: Presse
„Eine freie Presse ist für die freiheitliche Demokratie schlechthin konstitutiv“
(BVerGE 1958 ff.)
Schutz umfasst den gesamten Herstellungsprozess (Rechte für alle Mitarbeiter)Pressetätigkeit darf nicht von staatlicher Zulassung abhängig seinKeine Standesgerichtsbarkeit
Einführung Öffentlichkeit Grundrechte Spannungsfelder Gruppenarbeit Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 27
Medienfreiheit: Rundfunk
Schutz umfasst gesamte Programmgestaltungöffentlich-rechtliche Anstalten: binnenpluralistischer Ansatzprivate Sender: unterschiedliche Modelle des PluralismusBindung an Programmgrundsätze, die vom Aufsichtsrat (öffentlich-rechtlich) bzw. von LMA (privat) kontrolliert werden
Einführung Öffentlichkeit Grundrechte Spannungsfelder Gruppenarbeit Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 28
Zensurverbot
Staatliche Maßnahmen, durch die die Herstellung oder Verbreitung eines Geisteswerks von behördlicher Vorprüfung und Genehmigung seines Inhalts abhängig gemacht wird sind verboten
Es darf kein Veröffentlichungsverbot mit Erlaubnisvorbehalt geben!
Einführung Öffentlichkeit Grundrechte Spannungsfelder Gruppenarbeit Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 29
Grundrechtschranken
Normkollisionen zwischen Meinungsfreiheit und anderen Grundrechten möglich
Schutz der persönlichen EhreÜble Nachrede und Verleumdung (Tatsachenbehauptungen)Schmähkritik (Meinungsurteile)
Schutz der PersönlichkeitsrechteSchutz der JugendSchutz von UnternehmenSchutz des StaatesSchutz des öffentlichen Friedens
Einführung Öffentlichkeit Grundrechte Spannungsfelder Gruppenarbeit Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 30
Kollision mit unsicherem Ausgang
Normen können Meinungsfreiheit begrenzenz.T. klare gesetzliche Schranken (falsche Tatsachen)z.T. Güterabwägung (Berichte aus der Privatsphäre)
Öffentliches Interesse ausschlaggebendOft: Grundrechtsschutz für die MeinungsfreiheitAber: Es bleibt ein ungeregeltes „Niemandsland“.Und: Manche Grundrechtsschranken wiegen auch aus kultureller Tradition schwer
Medienakteure müssen auch selbst abwägen, ob sie höherrangige andere Rechte verletzen.
Einführung Öffentlichkeit Grundrechte Spannungsfelder Gruppenarbeit Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 31
Grundgedanken des Medienrechts
Öffentliche Aufgabe der Medien und insbesondere des Journalismus durch Privilegien schützen und stärken (z.B. Informationsrechte)Sorgfaltspflichten – auch ethische relevante Hinweise – formulieren (z.B. Beweislastumkehr; Recherche)Ansprüche der Betroffenen auf faire Behandlung sichern (z.B. Gegendarstellungsrecht)
Landespressegesetze und Rundfunkstaatsvertrag versuchen diese Normen zu synchronisieren
[von Michael Haller übernommen]
Einführung Öffentlichkeit Grundrechte Spannungsfelder Gruppenarbeit Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 32
Öffentliche Aufgabe lt. LPGe und RStV
Einerseits:Aus „unabhängiger Sicht“ berichtenzutreffend (wahrhaftig) informierenüber allgemein Wichtiges informieren Beitrag zur Meinungsbildung leistenWürde des Menschen achten (insb. RStV)
normative Funktionszuweisungenberufethische Forderungen
[von Michael Haller übernommen]
Einführung Öffentlichkeit Grundrechte Spannungsfelder Gruppenarbeit Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 33
Öffentliche Aufgabe lt. LPGe und RStV
Andererseits keine strafbaren Inhalte publizieren (LPGe)
die „Achtung vor Leben, Freiheit, [...] vor Glauben und Meinung anderer“ wahren (RStV)
Kommentar und Bericht „deutlich trennen“Kennzeichnung „entgeltlicher“ Veröffentlichungen
Ebenfalls normative Zuweisungen
[von Michael Haller übernommen]
Einführung Öffentlichkeit Grundrechte Spannungsfelder Gruppenarbeit Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 34
Ethikrelevante Rechtsforderungen
Trennung von öffentlicher und privater SphäreUnabhängige Information und Kommentierung als Voraussetzung der OrientierungRespekt vor der Menschenwürde
Voraussetzungen einer funktionierenden Öffentlichkeit (am Beispiel Journalismus)
Aber: Qualität von Öffentlichkeit lässt sich rechtlich nicht abschließend regeln!
z.T, [von Michael Haller übernommen]
Einführung Öffentlichkeit Grundrechte Spannungsfelder Gruppenarbeit Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 35
…und jetzt
PAUSE!PAUSE!
Einführung Öffentlichkeit Grundrechte Spannungsfelder Gruppenarbeit Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 36
Gruppenarbeit: Fallbeispiele
LeitfragenWo liegt das ethische Problem –auch angesichts der verschiedenen Anspruchssysteme (Sitzung I)?Wie ist der Fall der Erwartungen an Öffentlichkeit zu bewerten?Sind – auf den ersten Blick -rechtliche Probleme erkennbar?
Vorgehen20 Minuten Gruppendiskussion5 Minuten Präsentation je Gruppe
Einführung Öffentlichkeit Grundrechte Spannungsfelder Gruppenarbeit Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 37
Darf man das Foto eines toten Mädchens veröffentlichen?
Die BILD veröffentlichte am 5. April 2008 ein Obduktionsfoto eines in Schwerin in der Wohnung ihrer Eltern verhungerten fünfjährigen Mädchens.
Einführung Öffentlichkeit Grundrechte Spannungsfelder Gruppenarbeit Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 38
Sind Beleidigungen Pflicht?
Pop-Produzent Dieter Bohlen fällt in der RTL-Sendung „Deutschland sucht den Superstar“regelmäßig durch Ausfälle gegenüber den Kandidaten auf.
Einführung Öffentlichkeit Grundrechte Spannungsfelder Gruppenarbeit Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 39
Lässt sich alles ästhetisieren?
Die italienischen Modedesigner „Dolce & Gabbana“haben 2007 u.a. mit diesem Motiv Werbung für ihre Kreationen gemacht.Besonders in Italien und Spanien gab es heftige Kritik.
Einführung Öffentlichkeit Grundrechte Spannungsfelder Gruppenarbeit Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 40
Darf man Demonstranten kaufen?
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat im Dezember 2006 bezahlte Hostessen vor dem Reichstag gegen die von der Bundesregierung geplante Gesundheitsreform demonstrieren lassen.
Einführung Öffentlichkeit Grundrechte Spannungsfelder Gruppenarbeit Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 41
Rechtfertigt die Konfrontation in einem scharf geführten Wahlkampf alles?
Im hessischen Landtagswahlkampf 2008 hat der Roland Koch (CDU) ein kontroverses Plakat in einer „negative campaigning“-Aktionvorgestellt.
Einführung Öffentlichkeit Grundrechte Spannungsfelder Gruppenarbeit Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 42
Ist das Private immer öffentlich?
Immer mehr Menschen veröffentlichen private Informationen über sich im Internet……und wundern sich, wenn Dritte davon Gebrauch machen.
Einführung Öffentlichkeit Grundrechte Spannungsfelder Gruppenarbeit Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 43
Darf man Witze über Nazis machen?
Im Herbst 2007 präsentieren Harald Schmidt und Oliver Pocher in ihrer ARD-Sendung ein Gerät namens „Nazometer“, das bei historisch „sensiblen“Begriffen Alarm schlägt.Die viel kritisierte Satire war Thema in den ARD-Programmgremien.
Einführung Öffentlichkeit Grundrechte Spannungsfelder Gruppenarbeit Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 44
Wie stellt man ethnischeoder religiöse Gruppen dar?
Am 23. Dezember 2007 hat die ARD einen „Tatort“-Krimi mit dem Titel „Wem Ehre gebührt“ausgestrahlt, in dem es um einen mutmaßlichen Inzest-Fall in einer alevitischen Familie ging. Die Aleviten warfen den „Tatort“-Machern vor, uralte Vorurteile wieder aufleben zu lassen.
Einführung Öffentlichkeit Grundrechte Spannungsfelder Gruppenarbeit Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 45
Gesellschaften brauchen Öffentlichkeit
Öffentlichkeit ist weiter eine normative KategorieIhre Gewährleistung verändert sich
Viel-Kanal-Bedingungen (Ausdifferenzierung vs. Marginalisierung)Internet (Zerfaserung vs. Interaktivität)Gesellschaftswandel (veränderte Rezeptionsbedingungen)
Erwartungen bleibenInformation, OrientierungPartizipationRationalisierungauch: Bildung, Unterhaltung
Einführung Öffentlichkeit Grundrechte Spannungsfelder Gruppenarbeit Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / III 46
Verantwortung im Mediensystem
Medienrecht gibt ethisch relevante OrientierungAllgemeine HandlungsmaximenKonkrete Verbote und Grundrechtsschranken
Aber: Abstrakte Rechtsvorschriften reichen nicht –ethische Orientierung erwächst aus Medienhandeln.
Deshalb beim nächsten Mal:
Der Blick auf die Meso-Ebene der Medieninstitutionen und der Selbststeuerung!
Kommunikationsethik IV
- Die Meso-Ebene
Vorlesung mit ÜbungenBachelor-Studiengang Kommunikationswissenschaft
Dr. Carsten Brosda
Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / IV 2
Rückblick: Wo stehen wir?
Themen der letzten SitzungenBegründungskontexte der Kommunikations- und MedienethikNormen auf der Makro-Ebene –Öffentlichkeits-Modelle und rechtliche Vorschriften
Jetzt geht es weiter mit den Spannungsfeldern und Selbstregulierungsversuchen der Meso-Ebene.
Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / IV 3
Um welche Fragen geht es heute?
Welche Spannungsfelder existieren auf der institutionellen Ebene des Mediensystems und wie wird damit in den einzelnen Feldern umgegangen?
Mechanismen der ethischen SelbstregulierungProfitorientierung vs. Herstellung von Öffentlichkeit
Was steht in den verschiedenen Medienethik-Kodizes?
Publizistische GrundsätzeDPRG-SelbstverpflichtungWerberatProgramm-Richtlinienetc.
Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / IV 4
Makroebene
Der Analyseansatz
Die Kultur (ihre Geschichte, ihre Mentalitäten, ihre Wertemuster) bestimmt die Geltungsgründe der Moral
Die mit der demokratischen Ordnung verbundenen Erfordernisse
(Gewährleistungen)
Medienakteur
Mikroebene
[von Michael Haller übernommen]
Mesoebene
Imperative derÖkonomie (Markt und
Wettbewerb) Medienkommunikation gebundene Merkmale
und Erfordernisse
Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / IV 5
Steuerung von Makro zu Meso
Makro-Ebene
=> Rechtliche Steuerung
=> GesellschaftlicheMoral
Meso-Ebene
=> Berufsethische Steuerung
Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / IV 6
Presse- oder Gewerbefreiheit?
Pressefreiheit Gewerbefreiheit
Freiheit von Zensur – Orientierung auf Öffentlichkeit„Jedermannsrecht“vorwiegend individualrechtlich
Eigentumsfreiheit –Orientierung auf ÖkonomieFreiheit der Medienbetriebestrukturrelevante Regulierung
Starke Wechselwirkungen
Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / IV 7
(1) Meinungsfreiheit vs. Arbeitnehmerpflichten
Medienschaffende
Recht auf freieMeinungsäußerung
Pflichten als Arbeit-oder Auftragnehmer
Artikel 5 GG z.B. ArbeitsrechtPressefreiheitPressefreiheit GewerbefreiheitGewerbefreiheit
Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / IV 8
(2) Öffentlichkeit vs. Markt
Medienprodukte
diskursfähigmeritorisch
marktfähigwerberelevant
Öffentlichkeit MarktPressefreiheitPressefreiheit GewerbefreiheitGewerbefreiheit
Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / IV 9
Medienprodukte sind „Kuppelprodukte“
Koppelung von immateriellen Inhalten und materieller Form => VerkaufbarkeitErfolg auf Zuschauermarkt und Werbemarkt angestrebtPublizistisch-redaktioneller Teil
Primär auf Lesermarkt gerichtetÖffentliches und meritorisches Gutnicht marktfähig
WerbeteilPrimär auf den Werbemarkt gerichtetPrivates und nicht meritorisches Gutvoll marktfähig
Querfinanzierung:Werbeerlöse ermöglichen redaktionelle Inhalte
Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / IV 10
Konsequenz der Kuppelung
Quote /Auflage
Budget
Inhalt
Notwendige Ressourcen für „gute“Medienprodukte sind in einem marktgesteuerten Mediensystem nur bei Erfolg (auf beiden Märkten) vorhanden
Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / IV 11
(3) Publizistik vs. Ökonomie
Medienbetrieb
Kommunikative Qualität
ÖkonomischerProfit
Publizistische Ziele Ökonomische ZielePressefreiheitPressefreiheit GewerbefreiheitGewerbefreiheit
Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / IV 12
Medien als Wirtschaftsbetriebe
Zweck eines Medienbetriebs ist (nach Otfried Jarren) die„kostengünstige Her-, Bereitstellung und Distribution von Informations- und Kommunikationsangeboten“Dies geschieht nach ökonomischen Prämissen
Offene AlltagsfragenWer bestimmt, was geschrieben, produziert und gesendet wird?Wer legt die Selektions- und Präsentationskriterien fest?Wer entscheidet über Erfolgsmaßstäbe?
Rein zweckrational utilitaristisch?Oder auch werthaltige Handlungsmaximen?
Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / IV 13
Handeln im Medienbetrieb
Strukturierung(ermöglichend)
MediatisierungKolonialisierung
(Zwänge)
Medienhandeln
MedienbetriebBerufsrollen / Organisation /
technische Strukturen
Publizistische Programme
Ökonomische Programme
Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / IV 14
Empirisch: Profitinteresse wird in allen Spannungsfeldern wichtiger
Bedeutung der ökonomischen Programme im Medienbetrieb wächst
Verschärfter Wettbewerb als zunehmend dominierendes Steuerungsprinzip
Das heißt: Ökonomisierung…der Entscheidungsprämissen…der Entscheidungsprogramme…der Ressourcenallokation…des Angebots (nach Klaus-Dieter Altmeppen)
Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / IV 15
Gesucht: Eindämmungsstrategien
Unterschiedliche Blickwinkel in der PraxisMedienakteure (Journalisten, auch Unterhaltungsexperten) klagen über wachsenden Einfluss der Wirtschaftsinteressen.Werbe- und PR-Fachleute sehen Chancen der Medienbeeinflussung
Normative Suche nach einer Stärkung der Öffentlichkeitslogik in den Medien. Möglichkeiten:
Eine auch rechtlich gewährleistete SphärentrennungMechanismen verstärkter ethischer Selbststeuerung (Selbstkontrolle)
Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / IV 16
Unterschiedliche Mediensphären
ökonomischer Wettbewerb zur Steuerung unangemessenflexible Organisationsstrukturen Organisatorische Stärkung publizistischer Normen(z.B. durch Redaktionsstatute etc.)
Private Gebrauchswert-information
ökonomischer Wettbewerb zur Steuerung angemessenKorrektur von Marktversagen durch Urheberrechts-, Qualitätstransparenz- und Wettbewerbspolitik
„Forumsbereich“
MeritorischeInformation
ÖffentlicheInformation
Medienproduktion
Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / IV 17
Ethische Selbstkontrolle ist in allen Sphären von Bedeutung
ForumsbereichVerantwortung für MeinungsfreiheitNotwendige Alternative zur staatlichen Regulierung
Selbstkontrolle notwendig
Private GebrauchswerteVerantwortung für GewerbefreiheitMinimierung staatlicher Regulierung
Selbstkontrolle sinnvoll
Beide Bereiche streben nach……Akzeptanz und Vertrauen des Publikums…weitreichender Autonomie
Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / IV 18
Freiwillige Medienselbstkontrolle
Gesellschaftliche Leistungsfähigkeit von Öffentlichkeit als regulierendes PrinzipOrientierung auf das GemeinwohlWahrung der Berufsethik nach innenVerteidigung von Medienfreiheiten nach außen
Literaturhinweis:Achim Baum u.a. (Hrsg.): Handbuch Medienselbstkontrolle. Wiesbaden 2005
Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / IV 19
Die Maxime der Freiwilligkeit
Abwehr äußererEingriffe
Gewährleistung gesellschaftlicher Leistungen
Öffentliche MoralMedienrecht
Selbstbindung durch berufliche Moral
kodifizierte gesellschaftliche Anforderungen
professionelle Anerkennungrechtliche Vorschriften
InnensteuerungAußensteuerung
SelbstkontrolleFremdkontrolle
Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / IV 20
Media Accountability Systems
„An M*A*S is any non-governmental means of inducing media and journalists to respect theethical rules set by theprofession. “
(Claude-Jean Bertrand)
Über 80 derartige M*A*S sind weltweit bekannt
www.media-accountability.org
Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / IV 21
Differenzierung von M*A*S
Dokumente (geschrieben, gesendet, online)z.B. Ethik-Kodizes, Korrekturboxen, Leserbriefe
Individuen, Gruppen und Institutionenz.B. Ombudsleute, Media-Watch-Dogs, Medienkritiker
Prozessez.B. Ethik-Ausbildung, Forschung, Zuschauerbeteiligung
M*A*S können sowohl intern, als auch extern oder kooperativ gestaltet sein.
Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / IV 22
M*A*S-Beispiel: Verbände und Räteder Medienselbstkontrolle
Professionelle Zusammenschlüsse von Akteuren des jeweiligen Medienzweigs
zum Teil inklusive gesellschaftlicher Akteurezum Teil inklusive wirtschaftlicher Akteure
Unterschiedliche Regulierungsmodelle:(I) Freiwillige Selbstkontrolle(II) Regulierte Selbstkontrolle(III) Gesellschaftliche Kontrolle
Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / IV 23
(I) Freiwillige Selbstkontrolle
Ziel ist die Bewahrung von Handlungsfreiheitengesetzliche Eingriffe verhindernImage der Branche schärfenProfessionalisierung stärkenVerstöße mit öffentlichen Rügen ahnden („Prangerwirkung “)
Träger: Berufs- oder WirtschaftsverbändeBeispiele
Deutscher PresseratDeutscher WerberatDeutscher Rat für Public Relations
professionelle Anerkennung
Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / IV 24
Freiwillige Selbstkontrolle der gedruckten MedienZuständig für redaktionellen Teil der PrintmedienMitglieder des Presserates
journalistische Berufsverbände djv und djuVerlegerverbände BDZV und VDZ
Grundlage: „Publizistische Grundsätze“(erstmals 1973, aktuelle Fassung von 2005)Instrument: Rügen durch BeschwerdeausschussSpruchpraxis: www.presserat.de
Freiwillige Selbstkontrolle I:Deutscher Presserat
Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / IV 25
Freiwillige Selbstkontrolle II: Deutscher Werberat
Gründer: Zentralausschuss der Dt. WerbewirtschaftGrundlagen der Entscheidungen
Grundregeln zur kommerziellen Kommunikation (2007)spezifische Richtlinien z.B. zu Werbung mit und vor Kindern, Alkoholwerbung, Reifenwerbung, Verkehrsgeräuschen, Diskriminierung, Werbung mit Politikern
Bearbeitung von Beschwerden durch Branchenvertreter
Wenn berechtigt: Hinweis an den WerbetreibendenWenn die Kampagne nicht beendet wird: öffentliche Rüge
Spruchpraxis: www.werberat.de
Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / IV 26
Freiwillige Selbstkontrolle III: Deutscher Rat für PR e.V.
TrägerDeutsche Public Relations Gesellschaft (DPRG)Gesellschaft der Public Relations Agenturen (GPRA)
Beschwerdeausschuss mit Branchenvertretern und kooptierten Experten (Hochschullehrer und Altgediente)Grundlage der Beurteilungen:
Code d‘AthenesCode de LisbonneDPRG-SelbstverpflichtungenRichtlinien des Rates
Spruchpraxis: www.drpr-online.de
Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / IV 27
(II) Regulierte Selbstkontrolle
Umsetzung gesetzlicher VorschriftenExplizite Zuweisung der Verantwortung an die MedienakteureInsbesondere im Bereich Jugendschutz
Grundlage: Jugendschutzgesetz von 2003Beispiele
Freiwillige Selbstkontrolle FilmFreiwillige Selbstkontrolle FernsehenUnterhaltungssoftware SelbstkontrolleFreiwillige Selbstkontrolle Multimedia
Professionelle und staatliche Anerkennung
Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / IV 28
Regulierte Selbstkontrolle I: Freiwillige Selbstkontrolle Filmwirtschaft
Jugendgefährdende FilmeTräger: Filmwirtschaft, Bundesregierung (Kultur und Medien sowie Familie), Landesjugendschutzbehör-den, Kirchen, ARD, ZDF, LandesmedienanstaltenExperten prüfen Filme, Videos, Trailer und Werbefilme auf Antrag durch Inhaber der RechteAltersfreigaben: O.A., ab 6, ab 12, ab 16, n.u. 18www.fsk.de
Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / IV 29
Regulierte Selbstkontrolle II: Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen
Jugendgefährdende Sendungen im FernsehenVorbild FSKgegründet durch private FernsehsenderTätigkeiten
Begutachtung von Fernsehsendungen Altersfreigabe nach SendezeitBeratung der Sender
Experten prüfen Programm und bestimmen Altersfreigabewww.fsf.de
Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / IV 30
Regulierte Selbstkontrolle III: Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle
Jugendgefährdende ComputerspieleTräger: Wirtschaftsverbände, Oberste Landes- und Bundesjugendbehörden, Kinder- und Jugendhilfe, Kirchen, Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, Kultusministerkonferenz, MedienpädagogenLeistungen
Beratung von Anbietern von SoftwareproduktenPrüfung von Informations-, Instruktions- und LernprogrammenAlterskennzeichnung durch Experten:O.A., ab 6, ab 12, ab 16, keine Jugendfreigabe
www.usk.de
Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / IV 31
Regulierte Selbstkontrolle IV:Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia
Jugendgefährdende Beiträge um InternetMitglieder: AOL, Deutsche Telekom, T-Online, Google, Microsoft, Yahoo, VPRT, Bundesverband digitaler WirtschaftEinrichtung einer Beschwerdestelle
Bemängelt werden Kinderpornographie, Rechtsradikalismus und Gewaltdarstellungen im NetzPrüfungsausschuss: Juristen, Medienwissenschaftler, Medienpädagogen, Soziologen, Journalisten, IT-Experten
www.fsm.de
Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / IV 32
(III) Gesellschaftliche Kontrolle
Einbeziehung gesellschaftlicher Akteure in die MedienkontrollePrinzip der öffentlich-rechtlichen InstitutionenStaatsferne soll gewährleistet sein – maximal Aufgabe der RahmenbestimmungGesellschaftlich relevante Gruppen übernehmen Steuerung und Zielkontrolle
professionelle und gesellschaftliche Anerkennung
Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / IV 33
Gesellschaftliche Kontrolle I:ZDF-Fernsehrat (1962)
77 Mitglieder
Aufgaben u.a.Beratung in ProgrammfragenWahl des IntendantenGenehmigung des HaushaltesBehandlung von Zuschauerbeschwerden
JournalistenverbandDGB und VerdiZeitungsverlegerZentralrat der JudenLandwirtschaftchristliche KirchenArbeitgeberverbändePolitische ParteienDeutscher BeamtenbundBund und Länder
Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / IV 34
Gesellschaftliche Kontrolle II:Landesanstalt für Medien NRW
Strukturmerkmaleöffentlich-rechtlich organisiertgebührenfinanziert
gesetzlich festgelegte Aufgaben u.a.Förderung der MedienkompetenzSicherung der MeinungsvielfaltSanktionierung bei RechtsverstößenFörderung offener KanäleMedienforschungBeratung von Betreibern der KabelbetreiberÜberwachung des JugendschutzesÜberwachung der Werbebestimmungen
Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / IV 35
Kritik an den Selbstkontrollinstanzen
Konflikte zwischen publizistischen und wirtschaftlichen Zielen (z.B. Presserat)Manchmal nur „Alibifunktion“Nur Rügen, keine Geldstrafen - „Zahnlose Tiger“Nichtöffentlichkeit der BeschwerdeverfahrenMangelnde Bekanntheit der Gremien
Aber nachvollziehbares Prinzip: Kontrolle bleibt in der „Währung“ der Öffentlichkeit – das heißt: Aufmerksamkeit für Verfehlungen
Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / IV 36
Ethik-Kodizes liefern Maßstäbe
Selbstkontrollinstitutionen gewährleisten die Verfahren der Selbstkontrolle
Debatte über NormenFeststellen und Ahnden von Normverstößen
Dafür braucht es Maßstäbe.
Diese finden sich in ethischen Kodizes und Leitlinien der Berufs- oder Branchenverbände.
Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / IV 37
Kodizes in vielen Formen
Print-Journalismus: Publizistische Grundsätze des Deutschen PresseratesPublic Relations: Selbstverpflichtung von DPRG-Mitgliedern und Code de LisbonneWerbung: Grundregeln zur kommerziellen Kommunikation des Deutschen Werberatesund Advertising Self Regulation ChartaFernsehen: z.B. Richtlinien für Sendungen des Zweiten Deutschen Fernsehens
Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / IV 38
Gruppenarbeit: Ethik-Kodizes
LeitfragenWelche Kernvorgaben formulieren die Ethik-Kodizes?Inwiefern sind die Kernvorgaben für den jeweiligen Medienbereich spezifisch?Wie sehen Sie die Chancen einer Realisierung in der Praxis?
Vorgehen20 Minuten Gruppendiskussion5 Minuten Präsentation je Gruppe
Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / IV 39
Charakteristika der Ethik-Kodizes
Kodizes sind meist Mischung ausdeontologischen Handlungsmaximen undteleologischen Folgenabschätzungen.
Regelmäßig finden sichBekenntnisse zum Prinzip der Öffentlichkeit Bekräftigungen rechtlicher VorschriftenHinweise zur Regelung gängiger NormkonfliktePraktische Konkretisierungen abstrakter Postulate
Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / IV 40
Kritik an Ethik-Kodizes
Idealisierende Forderungenzum Teil sehr vagezum Teil bloße Wiederholung gesetzlicher Regelungenoft nur Verbote, keine „positiven“ Leitbilderbisweilen historisch erklärliche,aber heute willkürlich wirkende Geltungsbereiche
z.B. Pressekodex nur PrintWas ist mit einem Journalismuskodex?
Einführung Presse- vs. Gewerbefreiheit Eindämmung Selbstkontrolle Kodizes Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / IV 41
Der Einzelne bleibt in der Pflicht
Selbstkontrollinstanzen und Ethik-Kodizesdämpfen die Wucht ökonomischer Einflüsse undgeben Hinweise für gutes Medienhandeln.
Aber sie lassen den Einzelnen nicht aus der Verantwortung.Die Umsetzung der Normen bewährt sich in konkreten Entscheidungssituationen.
Deshalb beim nächsten Mal:Die Mikro-Ebene des medialen Handelns
Kommunikationsethik V
- Die Meso-Ebene (Forts.)- Die Mikro-Ebene
Vorlesung mit ÜbungenBachelor-Studiengang Kommunikationswissenschaft
Dr. Carsten Brosda
Einführung Kodizes Verantwortungsebenen Individuum Entscheidungen Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / V 2
Rückblick: Wo stehen wir?
Themen der letzten SitzungenBegründungskontexte der Kommunikations- und MedienethikNormen auf der Makro-Ebene –Öffentlichkeits-Modelle und rechtliche VorschriftenSpannungsfelder auf der Meso-Ebene – ökonomische Logik und Selbstkontrolle
Jetzt geht es weiter mit den Inhalten der Ethik-Kodizes und der Verantwortung der Akteure auf der Mikro-Ebene.
Einführung Kodizes Verantwortungsebenen Individuum Entscheidungen Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / V 3
Um welche Fragen geht es heute?
Was steht in den wesentlichen medienethischen Kodizes?
Welche Kernvorgaben werden formuliert?Sind sie jeweils branchen- und bereichsspezifisch?
In welchen Situationen agieren Medienakteure ethisch?
Spannungsfelder medialen Entscheidens und HandelnsWelche Leitbilder helfen bei der Synchronisation konflikthafter Normen?
Einführung Kodizes Verantwortungsebenen Individuum Entscheidungen Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / V 4
Ethische Kodizes geben Hinweise
BeispielePrint-Journalismus: Publizistische Grundsätze des Deutschen PresseratesPublic Relations: Selbstverpflichtung von DPRG-Mitgliedern und Code de LisbonneWerbung: Grundregeln zur kommerziellen Kommunikation des Deutschen Werberatesund Common Principles der EASAFernsehen: z.B. Richtlinien für Sendungen des Zweiten Deutschen Fernsehens
Welche Kernvorgaben werden formuliert?Sind sie jeweils bereichsspezifisch?
Einführung Kodizes Verantwortungsebenen Individuum Entscheidungen Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / V 5
Pressekodex normiert Printmedien
(1) Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde
(2) Sorgfalt(3) Richtigstellung(4) Grenzen der
Recherche(5) Berufsgeheimnis(6) Trennung von
Tätigkeiten(7) Trennung von Werbung
und Redaktion(8) Persönlichkeitsrechte
(9) Schutz der Ehre (10) Religion,
Weltanschauung, Sitte
(11) Sensationsbericht-erstattung, Jugendschutz
(12) Diskriminierungen(13) Unschuldsvermutung(14) Medizin-
Berichterstattung(15) Vergünstigungen(16) Rügenabdruck
Einführung Kodizes Verantwortungsebenen Individuum Entscheidungen Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / V 6
Normenkonflikte im Pressekodex
Beispiele auf der MakroebeneMenschenwürde - Persönlichkeitsrechte
vs. Imperativ des VeröffentlichensVerbot sensationeller Darstellung
vs. Sensorfunktion der Öffentlichkeit(Berichte über Katastrophen und Bevölkerungswarnungen
Beispiele auf der Meso-EbeneSorgfaltsgebot
vs. ökonomische EffizienzkriterienRichtigstellung durch Rügenabdruck
vs. Unternehmensimage
Einführung Kodizes Verantwortungsebenen Individuum Entscheidungen Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / V 7
Kodizes der Werbewirtschaft
Formale Bekenntnisse zur SelbstkontrolleVage allgemeine Normierungen
Grundwerte der Gesellschaft, Anstand und Moral achtenVerbrauchervertrauen bewahrenKinder und Jugendliche körperlich oder seelisch nicht schadenDiskriminierung nicht dulden oder befördernGewalttätiges, aggressives oder unsoziales Verhalten nicht dulden Angst, Unglück und Leid nicht instrumentalisierenSicherheit der Verbraucher
Begründung für fehlende Konkretion:Gerechtigkeit im Einzelfall als ZielKonkretere Generalnormen werden kreativer Branche nicht gerechtGesonderte Richtlinien für spezifische Problemfelder
Einführung Kodizes Verantwortungsebenen Individuum Entscheidungen Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / V 8
PR (1): DPRG-Selbstverpflichtung
(1) Öffentlichkeit dienen, Wahrhaftigkeit(2) Anwalt der Interessen des Auftraggebers(3) Loyalität zu Organisation, in der gearbeitet wird(4) Korrigierendes Einwirken auf Auftraggeber bei
Verstößen gegen Achtung und Fairness(5) Information nach bestem Wissen und Gewissen(6) Achtung der Unabhängigkeit und Freiheit von
Gesprächspartnern(7) Ansehen des Berufsstandes nicht beschädigen
Einführung Kodizes Verantwortungsebenen Individuum Entscheidungen Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / V 9
PR (2): Code de Lisbonne
(1) Geltungsbereich(2) Menschenrechte(3) Aufrichtigkeit, moralische
Integrität, Loyalität(4) Transparenz(5) Respekt vor Kodizes(6) Keine Vertretung
konkurrierender Interessen(7) Diskretion(8) Auftraggeber informieren(9) Geschäftsinteressen(10) Keine Erfolgsvereinbarung(11) Kein Erfolgshonorar
(ausgesetzt
(12) Keine Zuwendung von Dritten
(13) (pers.) Verpflichtung auf Kodex
(14) Unabhängigkeit der Informationsmedien
(15) Keine Täuschung der Öffentlichkeit
(16) Gekaufte Kommuniktion(17) Kein unlauterer
Wettbewerb(18) Kein Schaden am
Berufsstand(19) Verbreitung des Kodex
Einführung Kodizes Verantwortungsebenen Individuum Entscheidungen Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / V 10
Normkonflikte in PR-Kodizes
Konkrete Verpflichtung gegenüber Partikularinteresse des Auftraggebers
vs. allgemeine Bekenntnisse zur Gemeinwohlförderung in Öffentlichkeit
Strategische Kommunikationvs. Verständigungsorientierung der Öffentlichkeit
Einführung Kodizes Verantwortungsebenen Individuum Entscheidungen Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / V 11
ZDF-Richtlinien
Allgemeines: Menschenwürde, Wahrhaftigkeit und Sachlichkeit, Trennung von Nachricht und KommentarFamilie, Bildung: Jugendschutz, Bildungsauftrag, Ehe und Familie, Gleichstellung von Mann und FrauDemokratie: Grundsätze des demokratischen und sozialen Rechtsstaates, Pluralität, Zugänglichkeit, Meinungsbildung, Überparteilichkeit, AusgewogenheitKulturelles ErbeFrieden und VölkerverständigungReligiöse ToleranzVom Grundgesetz geschützte sittliche Wertordnung
Einführung Kodizes Verantwortungsebenen Individuum Entscheidungen Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / V 12
Normkonflikte in ZDF-Richtlinien
Zuspitzung im Sinne von Aufmerksamkeitvs. Ausgewogenheit
Meinungsfreiheit und Überparteilichkeitvs. Verpflichtung zum besonderen Schutz von Ehe und Familie(Darstellung von Missständen als „Einzelfall“)
Formale mediale Professionalitätsgebotevs. konkret formulierte, inhaltlichegesellschaftliche Erwartungen
Einführung Kodizes Verantwortungsebenen Individuum Entscheidungen Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / V 13
Charakteristika der Ethik-Kodizes
Kodizes sind meist Mischung ausdeontologischen Handlungsmaximen undteleologischen Folgenabschätzungen.
Regelmäßig finden sichBekenntnisse zum Prinzip der Öffentlichkeit Bekräftigungen rechtlicher VorschriftenHinweise zur Regelung gängiger NormkonfliktePraktische Konkretisierungen abstrakter Postulate
Einführung Kodizes Verantwortungsebenen Individuum Entscheidungen Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / V 14
Kritik an Ethik-Kodizes
Idealisierende Forderungenzum Teil sehr vagezum Teil bloße Wiederholung gesetzlicher Regelungenoft nur Verbote, keine „positiven“ Leitbilderbisweilen historisch erklärliche,aber heute willkürlich wirkende Geltungsbereiche
z.B. Pressekodex nur PrintWas ist mit einem Journalismuskodex?
Einführung Kodizes Verantwortungsebenen Individuum Entscheidungen Ausblick
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / V 15
Der Einzelne bleibt in der Pflicht
Selbstkontrollinstanzen und Ethik-Kodizesdämpfen die Wucht ökonomischer Einflüsse undgeben Hinweise für gutes Medienhandeln.
Aber sie lassen den Einzelnen nicht aus der Verantwortung.Die Umsetzung der Normen bewährt sich in konkreten Entscheidungssituationen.
Deshalb richtet sich der Blick auch auf dieMikro-Ebene des medialen Handelns
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Makroebene
Der Analyseansatz
Die Kultur (ihre Geschichte, ihre Mentalitäten, ihre Wertemuster) bestimmt die Geltungsgründe der Moral
Die mit der demokratischen Ordnung verbundenen Erfordernisse
(Gewährleistungen)
MesoebeneDie Imperative der Ökonomie (Markt und Wettbewerbsgesellschaft)
MesoebeneAn Medienkommunikation gebundene Merkmale und
Erfordernisse
Mikroebene
[von Michael Haller übernommen]
Akteure
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Die Frage nach der Verantwortung
Erinnern Sie sich?Kommunikationsethik zielt auf intersubjektive KommunikationÖffentlichkeit ist das Produkt kommunizierender AkteureMeinungsfreiheit ist ein Individualrecht
Und auch daran?Presse- und Medienfreiheit sind institutionelle GarantienKodizes richten sich an OrganisationenÖkonomische Imperative werden stärker
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Was bedeutet dieses Spannungsfeld?
Wer trägt die Verantwortung bei Verfehlungen?Der Einzelne, weil er die letztlich entscheiden muss?Die „Umstände“ (System, Institutionen), weil sie ethisch angemessenes Handeln eventuell nicht ermöglichen?Das Publikum, weil es ja gar nichts anderes haben möchte?
Um welche Ebene geht es?Individuelle Sensibilisierung durch IndividualethikStrukturelle Gestaltung durch SystemethikAllgemeine Appelle durch Publikumsethik
(vgl. dazu Pürer, Heinz: Ethik in Journalismus und Massenkommunikation.Versuch einer Theorien-Synopse. In: Publizistik, 37. Jg., Heft 3/1992, S. 304-321)
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(1) Individualethik
Persönliche VerantwortungKonkrete Beachtung gesetzlicher Bestimmungen und KodizesMitmenschliche Achtung gegenüber Objekt und PublikumSchlüsselrolle des Einzelnen und seiner Entscheidungen bedingt Verantwortung
Appell an die persönliche Moral
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(2) Systemethik
Eigentlich besser: StrukturethikEnsemble verschiedener Normsetzungen („Stufen“)
GesetzgeberMedieneignerMedienmitarbeitern (Hierarchien)
Individuen werden von Verantwortung entlastet,aber nicht gänzlich aus ihr entlassenSchwierig zu konzipieren
Individuen sind zentrale ethische VerantwortungsträgerIntersubjektive ethische Diskurse begründen NormenHandeln prägt Strukturen, die ihrerseits Handeln beeinflussenFrage, ob Strukturen, ethisches Handeln motivieren oder behindern
Appell an „moralische Sensibilität“ politischer und medialer Strukturen (Institutionen)
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(3) Publikumsethik
weist dem Publikum im Prozess der Massenkommunikation Verantwortung zuGedanke der „Medien-Ökologie“Steuerung der Medienqualität durch Rezeptionsverhalten
Verweigerung minderwertiger SendungenKritische Reaktionen auf fragwürdige Inhalte
Appell an Moral des Publikums
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Kein Entweder-Oder
Der Einzelne kann und darf nicht aus der Verantwortung entlassen werden, …
…aber er ist nicht alleine für alles verantwortlich.
Ein Beispiel: …
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Beispiel: Geiselnehmer live im Radio
9:30: 2 Bankräuber in Steglitz, Beute 5.000 €.9:50: Ein Bankräuber steigt in Doppeldecker-Bus. Polizistin hinterher, er entwindet ihr die Waffe. Irrfahrt beginnt - an roten Ampeln werden die meisten Insassen frei gelassen (ca. 20). Täter schießt sich durchs Hosenbein, ohne sich zu verletzen.10.41: Bus von SEK gestoppt - Busfahrer flüchtet - zwei Geiseln: 25j. Polizistin und 52j. SFB-Hörfunkredakteur.11.19 - 12.05: Täter fordert und bekommt Cola und Handy - erlaubt auch den Geiseln zu telefonieren. ca.12.35: Täter ruft 91,4 an und gibt Interview…
[von Michael Haller übernommen]
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Beispiel: Geiselnehmer live im Radio
ca.12.35:Täter ruft 91,4 an und gibt Interview…
[von Michael Haller übernommen]
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Warum wird dieses Interview gesendet?
Quote?Anerkennung durch Kollegen?„Sensationslust“ des Publikums?Eigene Jobsicherheitsbedürfnisse?Handlungsmaximen? (Goldene Regel, etc.)Ethik-Kodizes?…
Welcher Maßstab gilt für den entscheidenden Redakteur?
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(Zu) Viele Anforderungen…
Individuelle Einstellungen
Berufsrolle
Kommunika-tionswünschedes Publikums
Ökonomische Imperative
Systemische Funktions-
zuschreibungen
Medialer Kommunika-tionsmodus
[von Michael Haller übernommen]
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Nach welchem Maßstab abwägen?
„Jeder ist sich selbst der Nächste…“Ökonomische Vernunft –persönliche Nutzenmaximierung?
„Was Du nicht willst, das man Dir tut…“Deontologische Vernunft –Goldene Regel bzw. kategorischer Imperativ?
„Entscheidend ist, was hinten rauskommt…“Teleologische Vernunft – Folgenabschätzung?
Jeder Maßstab kann vernünftig sein.Aber allein greifen sie zu kurz
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Ganz unterschiedliche Beispiele…
Journalist Udo Röbel und das Geiseldrama von GladbeckPublizist Tom Kummer und die FaktenFernseh-Juror Dieter Bohlen und die angehenden SuperstarsPR-Berater Klaus Kocks und die öffentlichen LügenWerbefotograf Oliviero Toscani und die Bilder
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Gruppenarbeit:Individuelle Entscheidungen?
LeitfragenWie schildern die Medienakteure ihre Handlungs- und Entscheidungssituationen?Wie gehen sie mit den Erwartungen um, die an sie gestellt werden?Was beeinflusst ihre Entscheidungen?
Vorgehen20 Minuten Gruppendiskussion5 Minuten Präsentation je Gruppe
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Individuelle Verantwortung reicht nicht
Erstens: Pluralismus der Moralenkein allgemein anerkannter Maßstab im Alltag
Zweitens: Widersprüche auf der Mesoebeneüberfordern die „Vernünftigkeit“ des Einzelnen
z.B.: kommerzielle Ziele vs. Berufsrolle
Drittens: Der Einzelne folgt seinen persönlichen Bedürfnissen, Ängsten und Wünschen
[von Michael Haller übernommen]
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Professionalität als Lösung?
Normenkonflikte entstehen, weil ein Medienakteur
keine Handlungsspielräume oder keine Alternativen sieht (nur Entweder-oder-Situationen) – oder keine Handlungssicherheit besitzt (kein Bewusstsein für Grundwerte, Fairness u.a.)
Individuelle und systemische Gründe
[von Michael Haller übernommen]
Einführung Kodizes Verantwortungsebenen Individuum Entscheidungen Ausblick
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Beim nächsten Mal…
Reflexion des eigenen Tuns ist wichtigDeshalb geht es in unserer letzten Sitzung auf der Mikroebene weiter um die Frage:Was tun in kniffligen Situationen?
Wo bekomme ich Rat und Anregung?Was verschafft mir Orientierung?
Fallbeispiele und positive LeitbilderZusammenfassung und Fazit
Kommunikationsethik VI
- Die Mikro-Ebene (Forts.)- Abschluss
Vorlesung mit ÜbungenBachelor-Studiengang Kommunikationswissenschaft
Dr. Carsten Brosda
Einführung Maßstäbe Fallbeispiele Normkonflikte Maßstab Öffentlichkeit Schluss
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Rückblick: Wo stehen wir?
Themen der letzten SitzungenBegründungskontexte der Kommunikations- und MedienethikNormen auf der Makro-Ebene –Öffentlichkeits-Modelle und rechtliche VorschriftenSpannungsfelder auf der Meso-Ebene – ökonomische Logik und Selbstkontrolle (Ethik-Kodizes)Verantwortung des Individuums
Heute: Abschluss, Wiederholung und Fazit
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Um welche Fragen geht es heute?
Wie kann ein Medienakteur mit seiner Verantwortung umgehen?
FallbeispieleNormsynchronisation
Noch einmal zum Abschluss: Warum Medienethik?
Normative Kraft der ÖffentlichkeitPositive Leitbilder
Wiederholung und Vertiefung wichtiger Aspekte.
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Gute Vorbilder?
„Pures Adrenalin jagte durch meinen Körper. Ich befand mich mitten in einem Kinofilm. Live und in Farbe. Zu einem kühlen Kopf war ich nicht mehr fähig. … So folgte zwangsläufig ein Reflex dem anderen. … Ich stand wie unter Trance.“(Udo Röbel)„Ich habe einfach ein sehr abstraktes Verhältnis zu meiner Arbeit bekommen, ein surreales. Ich wollte das entdecken, es war wie ein Rausch, es hat soviel Spaß gemacht, solche Geschichten zu entwerfen, zu designen.“(Tom Kummer)
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Gute Vorbilder?
„Jetzt regen sich die Leute alle auf, weil ich bei DSDS den schlechten Kandidaten ein paar lustige Sprüche reindrücke, aber das ist doch nur Show. Ich bin Entertainer, ich will die Leute unterhalten.“ (Dieter Bohlen)„Da stellt sich überhaupt nicht die Wahrheitsfrage. Ich spiele meine Rolle als PR-Mann.“ (Klaus Kocks)“Ich verkaufe keine Produkte. Ich verkaufe eine Betrachtungsweise. Benetton braucht Bilder. Benetton braucht Kommunikation. Die Brücke ist das Geld, das mich bezahlt.” (Oliviero Toscani)
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Moral des Medienhandelns?
Selbstzeugnisse von Praktikern oszillieren zwischen zwei Extrempositionen
zynisch-abgeklärte Distanz (oft individuell)emphatische Selbstüberhöhung (oft Gruppe)
Medienethische Reflexion hilft, den Realitätsgehalt dieser beiden moralischen Positionen zu analysieren, zu bewerten und Alternativen zu zeigen.
Das ist notwendig. Ein fiktionales Beispiel:
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Möglichkeiten der Moral?
„I‘m mad as hell.And I‘m not going to takethis anymore“
(aus: „Network“,medienkritischer Spielfilm von 1976)
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So that you can take it: Medienethik
Reflexionstheorie der Moral des MedienhandelnsBeratung bei der Entwicklung und Anwendung moralischer Gebote und Verbote in den Medien
Hilfestellung bei dem Versuch, „gut“ in den Medien zu handeln
Konkrete Praxisnormen einer Angewandten Ethik im Anschluss an die abstrakten Idealnormen der Moralphilosophie
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Ganz konkret: Was tun?
Handeln verlangt Entscheiden.Entscheidungen haben Konsequenzen.
Konsequenzen nicht immer abzusehenEntscheidungen nicht immer frei
Drei Fallbeispiele aus dem JournalismusEingriff in die PersönlichkeitssphäreZwänge des WettbewerbsSensationelle Berichterstattung
Aus: Institut zur Förderung des publizistischen Nachwuchses (IfP) /Deutscher Presserat (Hrsg.) (2005): Ethik im Redaktionsalltag. Konstanz.
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(1) Eingriff in Persönlichkeitsrechte?
Lokalpolitikerin und Ehefrau des Bürgermeisters wird beim Ladendiebstahl einer Parfümflasche ertappt.Regionalzeitung berichtet mit Namensnennung und weist darauf hin, dass es sich um Gemeindevertreterin handelt.
Besteht ein Zusammenhang zwischen Amt, Mandat und Straftat, der Namensnennung rechtfertigt?Was spricht dafür, Straftaten öffentlicher Mandatsträger in der Öffentlichkeit bekannt zu machen, was dagegen?
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Verlässlichkeit kann geprüft werden
Beschwerde: Namensnennung verstößt gegen PersönlichkeitsrechteRedaktion: Transparenz der Verlässlichkeit von Lokalpolitikern, evtl. hätte auf Namensnennung verzichtet werden können, nicht aber auf Hinweis auf Funktion und Ehefrau des Bürgermeisters
Presserat: Beschwerde unbegründetLokale Person der ZeitgeschichteÖffentliche Kritik an Verlässlichkeit zulässig und nötig
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(2) Unzulässige Zuspitzung?
Jugendmagazin berichtet über Anfälligkeit Jugendlicher für rechtsextreme Propaganda.Bericht ist illustriert mit Fotos, die Jugendliche mit Utensilien der rechten Szene (Nationalzeitung, Bomberjacken etc.) zeigen, die von der Redaktion zum Bildtermin mitgebracht wurden. Jugendlichen wurde zugesagt, als „normale“ Schüler abgebildet zu werden. Außerdem sollten sie ein Honorar bekommen
Ist es gerechtfertigt, die Interviewten über die Ziele einer Reportage im Unklaren zu lassen, wenn man bestimmte ideologische Tendenzen aufdecken will?Ist es grundsätzlich (bei Reportagen, bei Fotos etc.) legitim, eine Situation für die Leser zu inszenieren?
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Irreführung der Leser nicht zulässig
Beschwerde: Mutter eines Jugendlichen hält die Darstellungen für erfunden, sie seien außerdem für ein Honorar gekauft wordenRedaktion: Jugendliche wurden mit rechtsextremen Gedanken konfrontiert, um Beeinflussung offen zu legen.
Presserat: Öffentliche RügeUnlautere Methoden bei der Beschaffung von personenbezogenen Daten, Nachrichten, Informationen und Bildern (Ziff. 4)Journalist wird zum Handelnden auch durch das Honorarangebot)Irreführung der Leser – Verstoß auch gegen Sorgfaltspflicht (Ziff. 2)
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(3) Sensationelle Aufmachung?
Pressekodex Ziffer 14:„Bei Berichten über medizinische Themen ist eine unangemessen sensationelle Darstellung zu vermeiden, die unbegründete Befürchtungen oder Hoffnungen beim Leser erwecken könnte“
Wo sehen Sie Gefahren des Titelbildes?Wie weit darf die Zuspitzung auf der Titelseite gehen?
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Hoffnungen nicht unberechtigt wecken
Beschwerde: Titelbild weckt unberechtigte Hoffnungen bei BetroffenenRedaktion: Titelbild ist von Geschichte, die differenziert alle Seite darstellt, nicht zu trennen
Presserat: MissbilligungInsbesondere die Formulierung „Ende des Sterbens“ weckt unberechtigte Hoffnungen.Suggestive Wirkung des Titelbildes wird von Forschungsergebnissen nicht gedeckt.
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Normkonflikte abwägen & entscheiden
Aufmerksamkeit(Wirkung)
Komplexität der Darstellung
Aktualität/ Wettbewerb
Wahrhaftigkeit der Aussagen
Persönlichkeits-sphäre (Opfer)
Öffentliches Interesse
[von Michael Haller übernommen]
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Was beeinflusst die Entscheidungen?
Individuelle Einstellungen
Berufsrolle
Kommunika-tionswünschedes Publikums
Ökonomische Imperative
Systemische Funktions-
zuschreibungen
Medialer Kommunika-tionsmodus
[von Michael Haller übernommen]
ProfessionalitProfessionalitäät &t &Ethische SensibilitEthische Sensibilitäätt
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Mit Konflikten umgehen lernen
Potenzielle AntwortenStrukturen kommen einzelnen Normen entgegenIndividuelle Abwägungen und Entscheidungen sind nötig
Gefahr in normativen Praxisdebatten:Einseitige Betonung einzelner Maßstäbe
übertriebene Selbstidealisierung – Berufsideologieübertriebene Anpassung an Zwänge – Zynismus
Notwendig: Rationale NormsynchronisationProfessionelle RoutinenEthische Reflexion moralischer Maßstäbe
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Formale Leitlinien zur Synchronisation unterschiedlicher Normen
Professionalität: genaue Kenntnis des Gestaltungsraums einer NormSchaffung von Handlungsalternativen, Erweitern der SpielräumeRespekt (Achtung) vor der Persönlichkeit jedes IndividuumsAbschätzen der „Wirkung“ auf Adressaten undauf Objekte der PräsentationBerücksichtigung fundamentaler Grundwerte
[von Michael Haller übernommen]
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Die offene Frage: Welche Medienethik?
Es gibt eine Moral des Medienhandelns. Es ist offen, aus welchen Quellen sie sich speist.
Welcher normative Referenzrahmenstrukturiert mediales Handeln?Welche moralischen Begründungen werden in der Normsynchronisation akzeptiert?Welche Maßstäbe zur Bewertung medialen Handelns werden als legitim bewertet.
Kurz: Vor welchem Hintergrund wird die Moral des Medienhandelns reflektiert?
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Normative Referenzen der Medienethik
Abstrakte Prinzipien aus der EthiktheorieNormative Gehalte öffentlicher KommunikationFremdregulierung: Rechtliche PostulateÖkonomische Zielprogrammierung der Medienbetriebe Selbstregulierung: Media Accountability Systems und EthikkodizesVerantwortung des Einzelnen
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Aber was ist das genuin Eigenedes medialen Handelns?
Die Herstellung von Öffentlichkeit durch medienvermittelte Kommunikation !
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Die normative Kraft des Öffentlichen
Moderne Gesellschaften brauchen Öffentlichkeit zur Selbstregulierung
Orientierung über gemeinsame Situation Diskurs- und Debattenräume => MeinungsbildungReservoir an Deutungs- und Bedeutungsangeboten
Wer öffentlich kommuniziert, lässt sich auf grundlegende normative Erwartungen ein.Diese Erwartungen sind der genuine Hintergrund medienethischer Reflexionen.
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Die eigentümliche Kraft der Sprache
Wer spricht, der sagt nicht nur etwas, sondern baut auch eine soziale Beziehung auf (Doppelstruktur der Rede)
Propositionen: inhaltliche AussagenIllokutionen: soziale Beziehungen (performative Verben)
Wer spricht, erhebt GeltungsansprücheWahrheitRichtigkeitWahrhaftigkeit
Wir sind bereit, Geltungsansprüche im Zweifelsfall zu diskutieren und zu begründen.
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Verständigungsorientierung
Wer spricht, der unterstellt, dass der Partner sich mit ihm verständigen will – auch kontrafaktisch.
Öffentlichkeit basiert auf diesen Annahmen.
Die Unterstellungen sind bei Produktion und Rezeption medialer Inhalte wirksam!Würde man nicht davon ausgehen, dass Verständigung möglich ist, wäre jeder kommunikative Aufwand völlig umsonst.
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Aus diesen Überlegungen lassen sich positive Leitbilder entwickeln
Das Beispiel:
Diskursethik des Journalismus!
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Argumente als Maßstab
Diskursethik beschreibt Verfahren zur Normbegründung und belässt die inhaltliche Klärung praktischen Diskursen.
Sie rekonstruiert Gefährdungen und Bedingungen für die Möglichkeiten verständigungsorientierter Kommunikation in modernen Gesellschaften.
Wahrheit und normative Richtigkeit werden in öffentlichen Diskursen von den Betroffenen erörtert und festgestellt.
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Formale und prozedurale Ethik
Öffentliche Diskurse sind Grundlage von Demokratie und friedlichem Zusammenleben. Diskursethik beschreibt, wie sie geführt werden.Deshalb keine inhaltlichen Vorgaben, sondern:
Ethik für Diskurse über journalistische EthikVerfahren zur Klärung berufsethischer FragenSelbststeuerung des Journalismus über ethische DiskurseAuch die Synchronisation von Normen erfolgt diskursiv
Ethik journalistischer DiskursePrüfung der Akzeptabilität von Geltungsansprüchenreflexive Vermittlung; Einhaltung der Diskursregeln
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Journalismus soll reflexiv vermitteln
Erwartung an Journalismus ist eine kommunikativ reflexive Vermittlung und Prüfung der Akzeptabilität der Geltungsansprüche öffentlicher Aussagen.Damit verknüpfte Zielvorstellungen:
Gewährleistung gesellschaftlicher Kommunikation ermöglicht soziale Verständigung und Integration.Reflexive Vermittlung ermöglicht soziale Orientierung.Inanspruchnahme der kommunikativen Kompetenz von Rezipienten ermöglicht soziale Teilhabe.Journalismus dient der Reproduktion individueller, kultureller und sozialer Ressourcen der Lebenswelt.
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Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / VI 30
Konkrete Maßstäbe sind ableitbar
Umfassende RechercheInklusion aller BetroffenenRelevanzPrüfung der GeltungsansprücheNachvollziehbarkeit des journalistischen UrteilsVollständige Vermittlung
Argumentative VermittlungExplikation der sozialen DimensionResponsivitätKontextualisierungLebensweltliche AnschlussfähigkeitKritisierbarkeit
Einführung Maßstäbe Fallbeispiele Normkonflikte Maßstab Öffentlichkeit Schluss
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Kluge Medienethik nutzt zwei Perspektiven
Präskriptiv: Theoretisch-normative Begründung von HandlungsnormenDeskriptiv: Empirische und praktische Analyse bestehender Handlungs- und Entscheidungsmuster im Hinblick auf ihre moralische „Programmierung“
Medienethik rekonstruiert und bewertet die moralischen Unterstellungen, die Medienakteure in ihrem Handeln machen.
Einführung Maßstäbe Fallbeispiele Normkonflikte Maßstab Öffentlichkeit Schluss
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / VI 32
Deshalb ist Medienethik wichtig
Transparentmachen der handlungsleitendenNormenIdentifikation und Analyse bestehender NormkonflikteBegründung eigenständig normativer medialer HandlungsmaßstäbeAbgleich mit den RealisierungsbedingungenWiderstand gegen die Unterwerfung unter „importierte“ bzw. kolonialisierendeHandlungsimperative (Ökonomie etc.)
Einführung Maßstäbe Fallbeispiele Normkonflikte Maßstab Öffentlichkeit Schluss
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / VI 33
Das positive Beispiel zum Schluss
Der Kriegsfotograf James Nachtwey reflektiert seinen Beruf und seine Arbeit.
(aus dem Film „War Photographer“)
Einführung Maßstäbe Fallbeispiele Normkonflikte Maßstab Öffentlichkeit Schluss
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Denken Sie im Beruf daran:
Normen strukturieren Ihr Handeln.
Ethische Reflexion kann Ihnen dabei helfen,diese Normen zu erkennen,sie zu bewertenund sich je nach Gültigkeit zwischen ihnen zu entscheiden.
Einführung Maßstäbe Fallbeispiele Normkonflikte Maßstab Öffentlichkeit Schluss
Dr. Carsten Brosda - Vorlesung Kommunikationsethik - SoSe 2008 / VI 35
Denken Sie im Beruf daran:
Ethik ist Nachdenken über Moral.
Medienethik ist auch Nachdenken darüber, wie Sie Ihren Job nicht nur erfolgreich, sondern auch gut machen können!
Literatur zur Vorlesung „Kommunikationsethik“ (Sommersemester 2008)
Für einen ersten Überblick zum Thema Ethik:
Birnbacher, Dieter / Hoerster, Norbert (Hrsg.) (1976): Texte zur Ethik. München. [darin insbesondere: Hoerster, Norbert: Ethik und Moral, S. 9-23.]
Höffe, Otfried (Hrsg.) (2008): Lexikon der Ethik. 7., neubearbeitete und erweiterte Auflage. München
Höffe, Otfried (Hrsg.) (2006): Lesebuch zur Ethik. Philosophische Texte von der Antike bis zur Gegenwart. München
Pauer-Studer, Herlinde (2003): Einführung in die Ethik. Wien.
Pieper, Annemarie (2007): Einführung in die Ethik. 6. Auflage. Tübingen; Basel.
Zur Medienethik allgemein:
Debatin, Bernhard / Funiok, Rüdiger (Hrsg.) (2003): Kommunikations- und Medienethik. Konstanz.
Funiok, Rüdiger (2007): Medienethik. Verantwortung in der Mediengesellschaft. Stuttgart.
Funiok, Rüdiger / Schmälzle, Udo F. / Werth, Christoph H. (Hrsg.) (1999): Medienethik – eine Frage der Verantwortung. Bonn.
Haller, Michael / Holzhey, Helmut (Hrg.) (1992): Medien-Ethik. Beschreibungen, Analysen, Konzepte. Opladen. (2. Aufl. 1993)
Holderegger, Adrian (Hrsg.) (1999): Kommunikations- und Medienethik. Interdisziplinäre Perspektiven. Freiburg (CH); Wien.
Institut zur Förderung des publizistischen Nachwuchses (IfP) / Deutscher Presserat (Hrsg.) (2005): Ethik im Redaktionsalltag. Konstanz.
Karmasin, Matthias (2002): Medien und Ethik. Ditzingen.
Leschke, Rainer (2001): Einführung in die Medienethik. Stuttgart.
Pürer, Heinz (1992): Ethik in Journalismus und Massenkommunikation. Versuch einer Theorien-Synopse. In: Publizistik, Heft 3/1992, 37. Jg., S. 304-321.
Schicha, Christian / Brosda, Carsten (Hrsg.) (2000): Medienethik zwischen Theorie und Praxis. Normen für die Kommunikationsgesellschaft. Münster
Teichert, Will (1996): Journalistische Verantwortung. Medienethik als Qualitätsproblem. In: Nida-Rümelin, Julian (Hrsg.): Angewandte Ethik. Die Bereichsethiken und ihre theoretische Fundierung. Ein Handbuch. Stuttgart, S. 750-776.
Wiegerling, Klaus (1998): Medienethik. Stuttgart; Weimar.
Zu einzelnen medienethischen Konzepten
Normativer Individualismus
Boventer, Hermann (1984): Ethik des Journalismus. Zur Philosophie der Medienkultur. Konstanz.
Kritischer Rationalismus
Spinner, Helmut F. (1985): Das ‚wissenschaftliche Ethos‘ als Sonderethik des Wissens. Über das Zusammenwirken von Wissenschaft und Journalismus im gesellschaftlichen Problemlösungsprozeß. Tübingen.
Empirische Ansätze
Rath, Matthias (Hrsg.) (2000): Medienethik und Medienwirkungsforschung. Opladen; Wiesbaden.
Konstruktivismus
Baum, Achim / Scholl, Armin (2000): Wahrheit und Wirklichkeit. Was kann die Journalismusforschung zur journalistischen Ethik beitragen? In: Schicha, Christian / Brosda, Carsten (Hrsg.): Medienethik zwischen Theorie und Praxis. Normen für die Kommunikationsgesellschaft. Münster, S. 90-108.
Weischenberg, Siegfried / Scholl, Armin (1995): Konstruktivismus und Ethik im Journalismus, in: Gebhard Rusch / Schmidt, Siegfried J. (Hrsg.): Konstruktivismus und Ethik. DELFIN 1995. Frankfurt am Main, S. 214-240.
Systemtheorie:
Weischenberg, Siegfried (1992): Die Verantwortung des Beobachters. Moderne Medienethik aus der Perspektive einer konstruktivistischen Systemtheorie (1). In: Rundfunk und Fernsehen, Heft 4/1992, 40. Jg., S. 507-527.
Rühl, Manfred / Saxer, Ulrich (1981): 25 Jahre Deutscher Presserat. Ein Anlaß für Überlegungen zu einer kommunikationswissenschaftlich fundierten Ethik des Journalismus und der Massenkommunikation. In: Publizistik, Heft 4/1981, 26.Jg., S. 471-507.
Diskursethik
Brosda, Carsten (2008): Diskursiver Journalismus. Journalistisches Handeln zwischen kommunikativer Vernunft und mediensystemischem Zwang. Wiesbaden (insb. Kapitel VI)
Loretan, Matthias (2002): Diskursethisches Programm zur kognitiven Begründung der Medienethik. In: Communicatio Socialis, Heft 3/2002, 35. Jg., S. 265-297.
Steuerungsmechanismen
Ökonomie
Medien & Kommunikationswissenschaft, Heft 2/2001, 49. Jg. [Themenheft zu Ökonomisierung und Kommerzialisierung der Medien mit Beiträgen u.a. von Altmeppen, Heinrich, Knoche und Siegert]
Heinrich, Jürgen (1994): Medienökonomie. Band 1: Mediensystem, Zeitung, Zeitschrift, Anzeigenblatt. Opladen.
Karmasin, Matthias (1993): Das Oligopol der Wahrheit. Medienunternehmen zwischen Ökonomie und Ethik. Wien; Köln; Weimar.
Recht
Branahl, Udo (1996): Medienrecht. Eine Einführung. 2., überarbeitete Auflage. Opladen. [mittlerweile 5., vollständig überarbeitete Auflage 2006]
Selbstkontrolle
Baum, Achim u.a. (Hrsg.) (2005): Handbuch Medienselbstkontrolle. Wiesbaden.