1 Diagnose und Differentialdiagnose - Klinische und pathologische Grundlagen der...

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Diagnose und Differentialdiagnose- Klinische und pathologische Grundlagen der

Parkinson-Erkrankung -

Multisystematrophie- vom P(arkinson)-TypMSA-P

Multisystematrophie- vom C(erebellären)-TypMSA-C

Demenz vom Lewy Body Typ(DLBD)

Parkinson-Syndrom(PS)

Pure autonomic failurePAF (-P)

Progressive supranukleäre Paralyse (PSP) „Richardson‘s Syndrom“

PSP-Parkinsonismus

Synukleinopathien Tauopathien

Corticobasale Degeneration(CBD)

Frontotemporale Demenz (FTDP-17) (Pick-Komplex)

Pure Akinesia with gait freezing(PAGF)

Synukleinopathien / Tauopathien

Parkinson-Syndrome:Prävalenzen

IPS 110/100 000DLB 50/100 000MSA 8/100 000PSP 7/100 000CBD 1/100 000

Gerlach / Reichmann / Riederer Die Parkinson-Krankheit Springer Verlag 4. Auflage 2007.

4

Idiopathisches Parkinson-Syndrom

Unterstützende Kriterien für die Diagnose idiopathisches Parkinson-Syndrom

• Einseitiger Beginn• Dopa-induzierte Dyskinesien• Ruhetremor• Eindeutiges Ansprechen auf L-Dopa• Nicht durch Zusatzsymptome komplizierter Verlauf von 10 und mehr Jahren

# Video halbseitiger Tremor

1 Diagnose des IPS

Bradykinesie plus mindestens 1

der folgenden Symptome:

• Rigor• 4-7 Hz Ruhetremor• Haltungsinstabilität

2 Diagnose des IPS

Erfüllung der Kriterien für 1 plus mindestens 3 derfolgenden Kriterien:

• einseitiger Beginn• persistierende Asymmetrie• Ruhetremor• progredienter Verlauf• initial gute L-Dopa-Response• Wirksamkeit von L-Dopa > 5 Jahre• >10-jähriger klinischer Verlauf• L-Dopa-getriggerte Chorea

3 Ausschlusskriterien für die Diagnose des IPS

Nachweis von mindestens 1der folgenden Kriterien:

• wiederholte zerebrale Ischämien• wiederholte SHTs• wiederholte Enzephalitiden• intrakranielles Neoplasma• schubförmige Symptomzunahme• okulogyre Krisen• Neuroleptikaeinnahme • Parkinson-Syndrom bei > 1

Blutsverwandten • dauerhafte Remission• strikte Halbseitigkeit > 3 Jahre • supranukleäre Störung der

Okulomotorik• zerebelläre Symptomatik• frühzeitig autonome Störungen• frühzeitige Demenz• Pyramidenbahnzeichen• initial fehlende L-Dopa-Wirksamkeit

Hauptkriterien der British-Brain-Bank für die klinische Diagnose des IPS (1-3)

„Red Flags“ für atypisches Parkinson-Syndrom

Hinweise auf atypisches Parkinson-Syndrom

• Nichtansprechen auf L-Dopa• Frühes Auftreten vegetativer Symptome (orthostatische Hypotonie, Inkontinenz, Impotenz) • Supranukleäre vertikale Blickparese• Cerebelläre Zeichen• Frühzeitige Stürze (in den ersten 5 Jahren)• Babinski• Frühe Demenz• Kortikale Symptome (Aphasie, Apraxie)• Somnolenzphasen (spontan oder nach Neuroleptika)• Deutlicher Antecollis• Deutliche Dysarthrie, Dysphagie

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MSA

Klinische Differentialdiagnose des idiopathischen Parkinson Syndroms:

Essentieller Tremor

Tremor bei IPS vs. Essentieller Tremor

Leitsymptome und differentialdiagnostische Abgrenzung

Tremor bei IPS• 4-7 Hz• meist Ruhetremor• seltener Halte-/Aktionstremor• Maximum Extremitäten • halbseitige Betonung• keine familiäre Belastung• Erkrankungsgipfel ~60. LJ• Response auf L-Dopa,

Anticholinergika, Budipin• meist weitere extrapyramidal-

motorische Störungen

Essentieller Tremor• 6-9 (max.-12) Hz• meist Halte- und

Aktionstremor• Maximum Kopf/Hals• Bilateralität• häufig familiäre Belastung• Erkrankungsgipfel ~45. LJ• sehr schlechte bzw. keine

L-Dopa-Response • Response auf ß-Blocker,

Primidon, C2H50H • keine weiteren extra-

pyramidal-motorischen Störungen

11

MSA

Klinische Differentialdiagnose des idiopathischen Parkinson Syndroms:

Multisystematrophie (MSA)

MSA – klinische Bereiche

Autonomes Versagen und Blasendysfunktion• Symptome: orthostatische Hypotonie; Blaseninkontinenz• Kriterien: RR-Abfall >30 syst., >15 diast.; Inkontinenz

Parkinsonismus• Symptome: Bradykinese, Rigor, Haltungsinstabilität, Ruhe- oder Haltetremor• Kriterien: Bradykinese + mindestens 1 weiteres Symptom

Cerebelläre Dysfunktion• Symptome: Gangataxie, cerebelläre Dysarthrie, Extremitätenataxie,

anhaltender Nystagmus• Kriterien: Gangataxie + mindestens 1 weiteres Symptom

Pyramidenbahndysfunktion• Babinski mit Reflexsteigerung

nach Gilman et al., 1996

Klinische Charakteristika der MSA

• Anterocollis • Myoklonischer Halte- und Aktionstremor• Respiratorischer Stridor• Spontane Dystonie (orofacial u. Platysma) „Risus sardonicus“

Wenning et al., 2003

14

MSA

Klinische Differentialdiagnose des idiopathischen Parkinson Syndroms:

Progressive supranukleäre Blickparese (PSP)(Steele-Richardson-Olszewski-Syndrom)

PSP

Beginn nach 1 Jahr1. Haltungsinstabilität, Stürze 63% 69%

2. Dysarthrie 33% 40%

3. Bradykinese, symmetrisch, axial betont 13% 22%

4. Visuelle Störungen (Verschwommensehen, Doppelbilder)

13% 64%

5. Kognitive Störung 8% 52%

6. Vertikale Blickparese relativ spät

Krankheitsbeginn > 40 Jahre

Spontanverlauf:

Nach Steele J., Richardson C., Olszewski J, 1964

Unterschiedliche klinische Phänotypen bei pathologisch bestätigter PSP

„Richardson‘s Syndrom“(54% der Fälle) Früh im Krankheitsverlauf StürzeSupranukleäre BlickpareseKognitive StörungM/F-ratio 2/14-repeat/3-repeat tau-ratio: 2,84

PSP-Parkinsonismus(32% der Fälle)

Asymmetrischer BeginnTremorInitial mäßiges Ansprechen auf L-DopaM/F-ratio 1/14-repeat/3-repeat tau-ratio: 1,63

Klinikopathologische Studie bei 103 Fällen mit gesicherter PSP. Dabei fand sich in einem Drittel der Fälle eine spezifische, vom üblichen klinischen Bild (Richardson-Syndrom) abweichende Präsentation (PSP-Parkinsonismus).

14% der Fälle konnten keiner spezifischen klinischen Form zugeordnet werden.

Williams et al.: Brain 2005;128:1247-1258

PSP: 3 klinische Varianten

Richardson’s syndrome PSP-P PSP-PAGF*

Rigidität axial deutlich mehr als Extremitäten

axial weniger oder gleich wie Extremitäten axial

Bradykinesie mild moderat moderat

Tremor nein ja/nein (Ruhe oder „jerky“ postural) nein

Frühe Stürze ja nein nein

Frühe posturale Instabilität ja nein ja

Frühe kognitive Defizite häufig nein nein

Frühe okulomotorische St. ja nein nein

Dopa-Responsivität nein oft nein

Hyposmie nein nein -

Kardiale MIBG-Szintigraphie/SPECT normal normal* normal*

Williams and Lees Lancet Neurol 2009:8;270–279 mit Modifikationen

* PAGF = Pure Akinesia with Gait Freezing

Retrocollis bei PSP

„Der erstaunte Blick“ bei PSP

20

MSA

Klinische Differentialdiagnose des idiopathischen Parkinson Syndroms:

Corticobasales Syndrom (CBS)

Corticobasales Syndrom (CBS)

Einschluss Ausschluss

Lang et al.,1994

Rigor + 1 kortikale Störung(Apraxie, alien limb)oderAsymmetrischer Rigor, Dystonie u. Reflexmyoklonus

• Frühe Demenz• Frühe vertikale Blickparese• Ruhetremor• Deutliche autonome Störung• Ansprechen auf Dopa

Kumar et al., 1998

Progredienter Verlauf, asymmetrischer Beginn, kortikale Störung undAkinetisch-rigides Syndrom, Dopa-resistent, Dystonie, fokaler Myoklonus

Movement Disorders Society Scientific Issues Committee Report: Litvan et al., 2003

CBSKlinische Symptomatik (n=147)

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100Schmerzen

cerebellärDysarthrie

BlickparesePyramidenbahnzeichen

VerschiedenesAphasieDemenz

alien limbDyspraxie

kortikale StörungMyoklonus

Dystonieandere mot.Symptome

TremorGangstörungBradykinese

RigorParkinsonismus

Kompoliti et al., 1998

%

23

MSA

Klinische Differentialdiagnose des idiopathischen Parkinson Syndroms

Diffuse Lewy-Body-Erkrankung (DLBD)

DLBD-Kriterien I

1. Central feature (obligat): Demenz (Gedächtnisstörungen, insbesondere zu Beginn, nicht notwendigerweise im Vordergrund. Aufmerksamkeit, Exekutivfunktionen und visuell räumliche Störungen können prominent sein).

2. Core features (Zwei „core features“ genügen für die Diagnose einer wahrscheinlichen DLB, ein „core feature“ für eine mögliche DLB) fluktuierende Kognition (mit wechselnder Wachheit) wiederholte visuelle Halluzinationen spontan entstandene Zeichen eines Parkinson Syndroms

DLB sollte nicht diagnostiziert werden, wenn sich die Demenz im Zusammenhang mit einem voll ausgeprägten Parkinson-Syndrom manifestiert. Für Studienzwecke wirdweiterhin das Limit von einem Jahr zwischen Manifestation des Parkinson-Syndroms und der Demenz empfohlen.

Mc Keith et al.: Neurology 2005

DLBD-Kriterien II

3. Suggestive features (diagnostisch relevant für „mögliche DLB“ oder in Verbindung mit einem core feature für „wahrscheinliche DLB“) REM-Schlaf Verhaltensstörung Schwere Neuroleptika-Sensitivität Reduzierte Dopamin-Transporteraufnahme im SPECT/PET

4. Supportive features (ohne nachgewiesene diagnostische Spezifität) Transiente Bewusstseinsverluste, schwere autonome Dysfunktion Halluzinationen in anderen Modalitäten, Systematisierter Wahn, Depression Medial temporale Strukturen in der Bildgebung relativ gut erhalten Generalisiert niedrige Tracer-Aufnahme im Perfusions-SPECT/PET mit reduzierter Occipitaler Aktivität Abnormale MIBG Szintigraphie Prominente slow-wave-Aktivität im EEG mit transienten temporalen sharp waves

Mc Keith et al.: Revised citeria for the clinical diagnosis of dementia with Lewy bodies. Neurology 2005

Diffuse Lewy-Körperchen-Erkrankung und Pharmaka

1. Dopa-Responsivität

2. Niedrige Schwelle für L-Dopa-induzierte psychotische Entgleisungen

3. Hohe Neuroleptika-Sensitivität (Clozapin am ehesten geeignet)

4. Cholinesterase-Inhibitoren wirksam

Vaskuläres Parkinson-Syndrom

• „SAE-Typ“ (häufig): Gangbild vorwiegend betroffen („Lower body parkinsonism“)

- meist breitbasig, oft ataktisch (Romberg pathologisch) - Ursache meist multilokuläre oder diffuse Enzephalopathie - nicht Dopa-responsiv - DD zum Normdruckhydrozephalus

• „Parkinson-Typ“ (selten): Parkinson-Syndrom mit mehreren Kardinalsymptomen

- Ursache z.T. singuläre fokale Läsionen , teils Dopa-responsiv

Modifiziert nach Ebersbach und Poewe, Nervenarzt 2006

28

MSA

Differentialdiagnose des idiopathischen Parkinson Syndroms:

Genetik

Genetisch bedingte Parkinson-Syndorme

Monogentische Formen

Risikogene

Gasser T, Hardy J, Mizuno Y. Milestones in PD genetics: Mov Disord 2011 May; 26(6):1042-8.

30

MSA

Differentialdiagnose des idiopathischen Parkinson Syndroms:

Pathologie

Braak et al. J Neurol 2002

Alpha-synuclein-positive Inklusionen

Alpha-synuclein positive Inklusionen :

• Lewy-Körper kortikal-klassisch• Perikardiale Inklusionen • Lewy-Neuriten• Spheroide

32

Essentieller Tremor

Differentialdiagnose des idiopathischen Parkinson Syndroms:

Apparative Verfahren:Riechtest

Analysen des Riechvermögens

Normosmie

Hyposmie

Funktionale Anosmie

0

15

30

45

IPS MSA PSP andere (CBD, ET, psychogen)

TDI Score

Ergebnisse von Riechprüfungen bei 50 Patienten mit Parkinson-Syndromen

TDI-Score (Summe aus Riechschwelle, Geruchsidentifikation und -diskriminierung).

Müller et al.,Dresden / 2002

34

Essentieller Tremor

Differentialdiagnose des idiopathischen Parkinson Syndroms:

Apparative Verfahren:Sonographie

unauffällig

schwach echogen

deutliche SN-Hyperechogenität

Hirnparenchym – Sonographie

Transkranielle Duplex-Sonographie bei der Differentialdiagnose des IPS: Ein systematischer Überblick

35 Studien

1534 IPS-Patienten

- 200 (13%) nicht eindeutig

- 1167 (87%) SN-Hyperechogenität

2340 gesunde Probanden in der Kontrollgruppe

- 276 (12%) Hyperechogenität

130 Atypisches Parkinson-Syndrom

- 41 (30%) Hyperechogenität

%

Vlaar AM et al: J Neurol 2009; 256: 530-8

37

Essentieller Tremor

Differentialdiagnose des idiopathischen Parkinson Syndroms:

Apparative Verfahren:Funktionelle Bildgebung

Nandhagopal, R. et al. Neurology 2008;70:1478-1488

Funktionelle Bildgebung präsynaptischer dopaminerger Neurone: DaTSCAN

Kontrolle

PS

• 6-[18F]-fluoro-l-dopa (18FD) = Striatale Aufnahme, • AADC (Aromatische Aminosäuren Decarboxylase) Aktivität und präsynaptische vesikuläre

Speicherkapazität; • 11C-dihydrotetrabenazine (DTBZ) = Vesikulärer Monoamintransporter Typ 2 (= dopaminerge Neurone);

• Wiederaufnahme von Dopamin (DA) aus dem Cytosol in die dopaminergen Terminalen• 11C-d-threo-methylphenidate (MP) = (ß-CIT) = Dopamin Transporter (DAT) ;

• Wiederaufnahme von Dopamin (DA) vom synaptischen Spalt in die dopaminergen Terminalen.

IPS und DaTSCAN

Reduktion ß-CIT-Uptake und PD-Progression über 4 Jahre

Nach CALM PD Studie. Arch Neurol. 2004 Jul;61(7):1044-53.

DaTSCAN bei Bewegungsstörungen

Normale Kontrolle Asymmetrische Reduktion bei IPS, stärker ausgeprägt im Putamen

PSP mit beidseitig verringerter Aktivität ohne vermehrte Ausprägung im Putamen

Essentieller Tremor

41

Essentieller Tremor

Differentialdiagnose des idiopathischen Parkinson Syndroms:

Apparative Verfahren:Strukturelle Bildgebung

MRT - Bildgebung

MSA

• Atrophie und Hypointensität (T2-Sequenz) des Putamens• schmale Hyperintensitäten lateral des Putamens (T2-Sequenz)• Pons- und Kleinhirnatrophie• (Hyperintensitäten im Hirnstamm)

PSP

• Abflachung Vierhügelplatte• sog. Mickey-Mouse-Zeichen

CBD

• Umschriebene kortikale Atrophie

NDH

• Innere Atrophie

SAE

• Periventrikuläre

Marklagerdegeneration • IPS -> Normalbefund

MSA (SND > OPCA )

„Hyperintense putaminal rim“

2 Jahre 38 %4 Jahre 80 %

Watanabe et al., 2002

2 Jahre 38 %4 Jahre 80 %

„Hot cross bun“

2 Jahre 64 %4 Jahre 100 %

MSA (SND > OPCA )

Watanabe et al., 2002

Multisystematrophie cMRT(OPCA-Typus)

Deutliche Atrophie von Pons, Medulla und Cerebellummit Erweiterung des IV. Ventrikels

cMRT bei PSP

MRT eines Patienten mit PSP: Abflachung der Vierhügelplatte

Quelle: Peter Vieregge,Lemgo

Unilaterale kortikale Atrophie der Perizentralregion (Nachweisbarkeit in > 50 % der Fälle)

Kortikobasale Degeneration (CBD)cMRT