INSTITUT FUR STATISTIK -...
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INSTITUT FUR STATISTIKDER LUDWIG–MAXIMILIANS–UNIVERSITAT MUNCHEN
Seminararbeit
Variable Annuities
Manuela Holzlwimmer
Dozenten: PD Dr. Christian Heumann
Sebastian Kaiser
Betreuer: Ulrich Nogel
Abgabetermin: 31. August 2010
Inhaltsverzeichnis
1 Lebensversicherungen zur Altersvorsorge 3
2 Einfuhrung: Variable Annuities 3
2.1 Lebensversicherungsprodukte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
2.2 Garantieformen in VAs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
2.3 Geschichte der VAs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
2.4 Vor- und Nachteile von VAs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
3 Pricing von VA-Policen 11
3.1 Optionen in VA-Garantien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
3.2 Modellierung des Zinses und der Volatilitat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
4 Absicherung der Garantien 16
4.1 Absicherung durch Hedging . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
4.2 Absicherung durch Produktgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
5 Ausblick 20
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1 Lebensversicherungen zur Altersvorsorge
”By providing financial protection against the major 18th and 19th century risk of
dying too soon, life insurance became the biggest financial industry of that century...
Providing financial protection against the new risk of not dying soon enough may
well become the next century’s major and most profitable financial industry.“
Peter Drucker,”Innovate or Die“, The Economist, September 1999
Laut einer Umfrage von Axa Equitable aus dem Jahr 2007 sind in Deutschland 54% der be-
fragten Personen in der Altersgruppe der 45- bis 54-Jahrigen der Meinung, dass das staatliche
Rentensystem nicht mehr existieren wird, wenn sie 75 sind. Bei den 35- bis 44-Jahrigen sind es
bereits 66% (vgl. Condron: 2008). Ahnliche Zahlen erhalt man fur die USA und Großbritannien.
Die Menschen leben außerdem immer langer. Laut statistischem Bundesamt betrug die durch-
schnittliche Lebenserwartung fur einen 65-jahrigen Mann im Jahr 2008 noch 17 Jahre und fur
eine Frau gut 20 Jahre. Um den Lebensstandard auch im hohen Alter zu halten, gewinnt die
private Altersvorsorge zunehmend an Bedeutung. Gerade zur Absicherung gegen Langlebigkei-
trisiken stellen Versicherungsprodukte im Moment meist die einzige Moglichkeit dar. Allerdings
verlieren konventionelle Produkte aufgrund der niedrigen Zinsen in den letzten Jahren zusehends
an Attraktivitat, da sowohl die garantierte Verzinsung als auch die Uberschussbeteiligungen im-
mer geringer ausfallen. Andererseits sind auch die Aktienmarkte von starken Schwankungen und
insbesondere drastischen Kurssturzen gepragt, was ein Fondsinvestment fur die Altersvorsorge
relativ riskant macht. Dagegen waren verschiedene fondsgebundene Produkte mit eingebauten
Garantien sehr erfolgreich (vgl. Ruß: 2008). Da der Lebensversicherungsmarkt in den letzten
Jahren ein recht geringes Wachstum verzeichnet hat, hofften die Versicherungen, mit neuen
Garantieprodukten wieder hohere Verkaufszahlen erzielen zu konnen. Zu solchen neuartigen
Produkten zahlen die Variable Annuities.
2 Einfuhrung: Variable Annuities
Da es sich bei Variable Annuities um Lebensversicherungsprodukte handelt, wird im ersten
Schritt etwas genauer auf die verschiedenen Produkte eingegangen, die aktuell auf dem Lebens-
versicherungsmarkt zu finden sind.
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2.1 Lebensversicherungsprodukte
Bei einer Lebensversicherung ist der Versicherungsfall definiert als das Erleben eines bestimm-
ten Zeitpunkts (Erlebensfall) oder als Tod des Versicherten wahrend der Versicherungsdauer
(Todesfall). Die Leistung kann die Auszahlung eines Kapitalbetrags oder einer Rente sein (vgl.
Gabler Verlag).
Lebensversicherungen konnen weiterhin in verschiedene Kategorien unterteilt werden. So gibt
es auf der einen Seite die klassische Rentenversicherung und auf der anderen Seite fondsgebun-
dene Versicherungen. Bei der klassischen Rentenversicherung zahlen alle Versicherungsnehmer
in einen Topf ein. Dieses Geld wird in den Deckungsstock investiert. Dem Versicherungsnehmer
wird eine bestimmte Mindestverzinsung fur seine Beitrage garantiert, die eventuell noch durch
eine Uberschussbeteiligung erganzt wird. Die lebenslangen Rentenzahlungen werden uber den
Ausgleich im Kollektiv gewahrleistet. Versicherungsnehmer, die fruher versterben, finanzieren
die Rentenzahlungen von Menschen, die uberdurchschnittlich lange leben.
Auf der anderen Seite stehen die fondsgebundenen Lebensversicherungen. Hierbei werden die
Beitrage des Kunden in einen Fonds investiert, welcher allein dem Versicherungsnehmer gehort.
Dadurch hat der Versicherungsnehmer die Moglichkeit, an den Entwicklungen am Aktienmarkt
zu partizipieren, was in der Vergangenheit bei einem ausreichend langen Anlagehorizont in den
meisten Fallen zu einer hoheren Rendite gefuhrt hat als eine Investition in festverzinsliche Pro-
dukte.
Die fondsgebundenen Lebensversicherungen lassen sich wiederum in Produkte mit Garantie
und Produkte ohne Garantie unterscheiden. Bei Lebensversicherungen ohne Garantie tragt der
Kunde das komplette Risiko. Falls der Wert des Fonds zum Ende der Laufzeit gesunken ist,
erhalt der Kunde entsprechend geringere Auszahlungen. Im Rahmen von staatlich geforderten
Rentenplanen wie der Riester-Rente oder im Bereich der betrieblichen Altersversorgung sind
jedoch Kapitalgarantien vorgeschrieben. Außerdem sind viele Menschen risikoavers und wollen
ihre Verluste begrenzen. Daher gibt es zahlreiche fondsgebundene Lebensversicherungsprodukte
mit Garantien, zu denen neben den Variable Annuities auch Garantiefonds und Hybridprodukte
gehoren. Bei Hochststandgarantiefonds erhalt der Kunde die Garantie, dass er bei Falligkeit
mindestens das investierte Geld zuruckerhalt. Außerdem erfolgt zum Beispiel einmal im Monat
die Festlegung eines neuen Hochststandes, falls der aktuelle Kurs des Garantiefonds die bisheri-
gen Hochststande ubersteigt. Dieser Wert wird dann zum Laufzeitende garantiert. Eine solche
Garantie wird gewahrleistet, indem bei fallenden Aktienkursen so viel in festverzinsliche Pa-
piere umgeschichtet wird, dass durch die festen Zinsen die gegebenen Garantien erfullt werden
konnen. Dadurch besteht ein sogenanntes Monetarisierungsrisiko. Es kann namlich bei stark
sinkenden Aktienkursen passieren, dass ein großer Teil des Guthabens oder im Extremfall sogar
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der gesamte Anlagebetrag in sichere Produkte investiert ist, was die Rendite auf den Zinssatz
fur festverzinsliche Papiere beschrankt.
Ein weiteres Garantieprodukt sind Hybridprodukte. Bei statischen Hybriden wird ein Teil des
Kundengeldes in konventionelles Sicherungsvermogen investiert, um die Garantie zu gewahrleisten.
Das restliche Geld wird dann in risikantere Anlagen wie zum Beispiel Aktienfonds investiert.
Dieser Anteil kann jedoch sehr klein sein, wenn die Zinsen auf risikolose Produkte niedrig sind.
Folglich besteht auch nur eine geringe Chance fur eine uberdurchschnittliche Rendite. Neben
den statischen Hybridprodukten existieren noch einige andere Varianten wie dynamische Hybri-
de oder Hybridprodukte mit Garantiefonds (vgl. Ruß und Kling: 2009d).
Schließlich gibt es noch die zumindest in Deutschland relativ neue Form der Variable Annuities.
Hierbei werden die Gelder des Kunden vollstandig in einen Fonds investiert und der Kunde
kann gegen Gebuhr verschiedene Garantieleistungen hinzukaufen. Diese Garantien werden je-
doch nicht wie bei den anderen Garantieprodukten in der Anlage selbst erzeugt, sondern werden
unabhangig davon vom Versicherungsunternehmen gegeben. Diese Vorgehensweise garantiert ei-
ne hohe Transparenz und Flexibilitat. So kann der Kunde jederzeit uber sein Geld verfugen
und (in einem gewissen Rahmen) selbst entscheiden, in welche Fonds sein Geld investiert wird.
Außerdem sieht der Kunde genau, wie viel er fur welche Leistung bezahlt, da zu Beginn so-
wohl die Garantie- als auch die Managementgebuhren in Prozentpunkten des Fondsvermogens
festgelegt werden. Die Begleichung der Gebuhren erfolgt dann uber den jahrlichen Verkauf von
Fondsanteilen. Im Gegensatz dazu wird bei den anderen Garantieprodukten in der Regel keine
explizite Gebuhr angegeben. Stattdessen gibt es eine indirekte Gebuhr in Form geringerer Ren-
diten, die durch die Garantieerzeugung entstehen. In Deutschland gibt es Variable Annuities
gegen Einmalzahlung oder gegen laufende Pramienzahlung. In den USA, wo Variable Annuities
zuerst vertrieben wurden, existieren nur Policen gegen Einmalzahlung. Da in Europa allerdings
laufende Zahlungen ublicher sind, gibt es bei den VAs in Deutschland beide Varianten (vgl. Ruß
und Kling: 2009a).
2.2 Garantieformen in VAs
Variable-Annuity-Policen konnen prinzipiell in vier wesentliche Garantieformen unterteilt wer-
den.
Bei den”Guaranteed Minimum Death Benefits“ (GMDB) handelt es sich um garantierte To-
desfallleistungen. Beim Tod des Policenhalters wahrend der Vertragslaufzeit wird mindestens
eine zu Vertragsbeginn festgelegte Summe an die Hinterbliebenen ausbezahlt, haufig in Hohe
der Einmalzahlung. Falls der Fondswert zu diesem Zeitpunkt geringer ist als die Garantiesum-
me, ubernimmt die Versicherung die Differenz zwischen Fondsguthaben und Garantiesumme.
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Bei einer guten Fondsperformance erhalten die Erben das Fondsguthaben. Das Pendant fur
den Lebensfall ist die garantierte Ablaufleistung (Guaranteed Minimum Accumulation Benefit
bzw. GMAB). Dabei wird dem Kunden, wenn er bis zum Falligkeitstermin lebt, mindestens
eine vorher garantierte Summe aubgezahlt. Auch hier ubernimmt die Versicherung den etwaigen
Fehlbetrag zwischen Fondsguthaben und Garantiewert.
Ein weiteres Beispiel fur eine Lebensfallgarantie ist die garantierte Mindestrente (Guaranteed
Minimum Income Benefit bzw. GMIB). Falls der Versicherungsnehmer diese Garantie in An-
spruch nimmt, erhalt er bei Uberleben der Ansparphase eine lebenslange Rente in garantierter
Mindesthohe. Damit kann der Versicherungsnehmer zwei Unsicherheitsquellen ausschalten, die
normalerweise mit fondsgebundenen Rentenversicherungen einhergehen. So hangen die Auszah-
lungen einer fondsgebundenen Rentenversicherungen einerseits von der Hohe des Fondsgutha-
bens bei Rentenbeginn und andererseits auch vom Verrentungsfaktor ab. Dieser Faktor gibt
an, wie hoch die Rente pro Einheit Fondsguthaben ist und wird teilweise erst bei Rentenbe-
ginn festgelegt. Die Hohe des Verrentungsfaktors ist abhangig vom Zinsniveau sowie dem Alter
und Geschlecht des Kunden. Bei der garantierten Mindestrente dagegen weiß der Kunde be-
reits bei Vertragsabschluss, wie hoch seine Rente ausfallen wird. Neben der Inanspruchnahme
der Garantierente hat der Kunde allerdings noch die Moglichkeit, sich das Geld am Ende der
Ansparphase als Einmalbetrag ausbezahlen zu lassen oder das Guthaben ohne Garantie zu ver-
renten. Bei den beiden zuletzt genannten Varianten sind die Auszahlungen an den Policenhalter
also ausschließlich vom Fondswert abhangig und werden von der vereinbarten Garantiesumme
nicht beeinflusst. Die garantierten Renten von GMIB-Produkten sind meist vergleichsweise hoch.
Allerdings konnen die Renten wahrend der Bezugsphase weder steigen noch fallen, was inflati-
onsbereingt (normalerweise) zu einer fallenden Rente fuhrt. Es gibt aber auch Policen, bei denen
die Rente jahrlich um ein oder zwei Prozent ansteigt. Allerdings ist bei diesen Produkten das
Rentenniveau zu Beginn entsprechend niedriger.
Beim neuesten VA-Produkt, dem”Guaranteed Minimum Withdrawal Benefit“ (GMWB), han-
delt es sich um garantierte Entnahmeleistungen. Der Kunde kann wahrend der Produktlaufzeit
einen garantierten Betrag entnehmen, meist in Hohe der Einmalzahlung. Dabei wird zu Ver-
tragsbeginn ein bestimmter Betrag festgelegt, der jahrlich ohne Abschlage entnommen werden
darf. Dieser liegt haufig bei sieben Prozent des Anlagebetrags. Meist sind auch Entnahmen uber
dem festgelegten Betrag moglich. Diese Entnahmen gehen allerdings mit zusatzlichen Kosten
und unter Umstanden auch mit einer Reduktion der Garantie einher. Denkbar ist zum Beispiel,
dass das Garantieniveau auf das Minimum aus Fondsguthaben und Garantie gesetzt wird. Bei
fallenden Aktienkursen kann es bei GMWBs passieren, dass das Fondsguthaben bereits aufge-
braucht ist und der Kunde trotzdem noch Entnahmen tatigen darf. Diese werden dann von der
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Versicherung ubernommen. Falls das Konto bei Falligkeit noch einen positiven Kontostand auf-
weist, kann der Kunde frei uber das Restguthaben verfugen. Dabei sind sowohl eine Auszahlung
als auch eine Verrentung denkbar. Im Todesfall steht den Hinterbliebenen des Versicherungsneh-
mers das vorhandene Fondsguthaben als Todesfallleistung zur Verfugung. Seit einigen Jahren
gibt es die sogenannten GMWBs for life. Dabei garantiert der Versicherer lebenslange Entnah-
men in unbegrenzter Gesamthohe, solange die jahrlichen Entnahmen einen Maximalbetrag nicht
ubersteigen. In Deutschland liegt dieser bei vier bis funf Prozent des eingezahlten Betrages. In
Deutschland werden GMWBs for life aus steuerlichen Grunden jedoch nicht als”Entnahme aus
dem Fondsguthaben“, sondern als”Rente aus dem Fondsguthaben“ konstruiert. Falls beim Tod
des Policenhalters noch Fondsguthaben vorhanden ist, geht dieses auch hier an die Hinterblie-
benen (vgl. Ruß und Kling: 2009b).
In der Vergangenheit haben sich in den USA besonders die garantierten Rentenleistungen sehr
gut verkauft. Inzwischen werden sie als beliebteste Garantie aber zunehmend von Variable An-
nuities mit garantierten Entnahmeleistungen verdrangt.
In ihrer urspruunglichen Form bezogen sich die VA-Garantien meist auf den Einmalbetrag. In-
zwischen konnen die verschiedenen Garantien meist noch um sogenannte Rider erganzt werden.
Die gangigsten Rider sind Roll-ups und Ratchets. Als Roll-up wird eine Zusatzoption bezeichnet,
bei der als Garantiebetrag die Einmalzahlung plus einer jahrlichen Verzinsung festgelegt wird.
Eine andere Moglichkeit fur einen Garantiebetrag ist der Hochststand des Fonds, gemessen an
bestimmten Stichtagen. Diese Option wird als Ratchet oder Lookback bezeichnet. Auch eine
Kombination aus verschiedenen Ridern ist moglich. So werden beispielsweise garantierte Todes-
fallleistungen angeboten, bei denen die Auszahlung das Maximum aus Fondsvermogen, Ratchet
und Roll-up ist. Dabei existieren dann aber meist Hochstgrenzen fur den Auszahlungsbetrag.
Fur die vorgestellten Garantien werden jahrliche Betrage zwischen 0.25-0.75% des Fondsgut-
habens fallig, wobei die garantierte Todesfallleistung die gunstigste Garantie ist, wahrend fur
GMWBs die hochsten Gebuhren fallig werden (vgl. Holler und Klinge: 2006a).
Mehrere Veroffentlichungen haben sich daruber hinaus mit dem Thema beschaftigt, welcher
Betrag fur die verschiedenen Garantieformen angemessen ware (vgl. u.a. Milevsky und Salisbu-
ry: 2006 oder Bauer et al.: 2006). Obwohl sich diese Frage nur sehr schwer beantworten lasst,
nicht zuletzt aufgrund der komplexen Struktur von VAs, kommen viele Veroffentlichungen zu
dem Ergebnis, dass die Gebuhren fur GMDBs im Allgemeinen zu teuer sind. GMWBs dagegen
sind eher unterbewertet. Blamont und Sagoo (2009) zeigen, dass mit den ublichen Annahmen
(eine Volatilitat von 20% und jahrliche Entnahmen von sieben Prozent des Einmalbetrags) die
faire Gebuhr fur eine GMWB-Police 0,52% des Fondswerts pro Jahr betragt. Eine Gebuhr in
dieser Hohe ist durchaus ublich. Allerdings werden hierbei weitere Kosten, um beispielsweise
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Versicherungsrisiken abzudecken, vernachlassigt. Hinzu kommt, dass sich der Wert der Garantie
bei einer 30%-igen Volatilitat mehr als verdoppelt. Wenn die Bedingungen nicht optimal sind,
also die Volatilitat mehr als 20% betragt und zudem der Kunde vielleicht noch mehr als sieben
Prozent des Einmalbetrags pro Jahr entnehmen darf, kann davon ausgegangen werden, dass
die Garantiegebuhren zu gering bemessen sind. Fur diesen Sachverhalt gibt es einige mogliche
Erklarungen. Besonders in den USA herrscht ein starker Wettbewerbsdruck unter den Anbie-
tern. Um Marktanteile zu gewinnen, konnten die Versicherungskonzerne (kurzfristig) auch nicht
kostendeckende Produkte anbieten. Andererseits bestehen die Kosten bei VAs nicht nur aus
den Garantiegebuhren. Wenn die ubrigen Kosten hoch genug angesetzt werden, konnten die ge-
ringen GMWB-Gebuhren aufgrund von Subventionierung durch andere Gebuhrenbestandteile
zustande kommen. Schließlich konnte auch eine eingeschrankte Fondsauswahl das Risiko des
Versicherungsunternehmens so weit reduzieren, dass die niedrigen Gebuhren gerechtfertigt sind.
2.3 Geschichte der VAs
Die Geschichte der Variable Annuities beginnt in den den USA der 1950er Jahre. Dort wur-
den VAs zum ersten Mal im Rahmen von Rentensparplanen von der”Teachers Insurance And
Annuity Association - College Retirement Equities Fund“ begeben. Allerdings handelte es sich
dabei um Lebensversicherungen ohne Garantien, die in den Vereinigten Staaten ebenfalls als VAs
bezeichnet werden. Erst 1980 kam das erste Produkt mit Todesfallgarantie auf den Markt. An-
fang der 1990er Jahre begannen die Versicherungen, von den steigenden Aktienkursen beflugelt,
GMDBs mit Zusatzoptionen zu entwerfen, zum Beispiel Roll-ups (vgl. Marquardt et al.: 2008).
1996 gab es dann auch die erste Erlebensfallgarantie in Form von garantierten Mindestrenten.
Mit dieser Innovation begann auch der Siegeszug der Variable Annuities in den USA. Zu Be-
ginn des 21. Jahrhunderts wurden erste GMAB- und (nicht lebenslange) GMWB-Produkte ein-
gefuhrt. Die neueste Innovation”Guaranteed Minimum Withdrawl Benefits for life“ stammt aus
dem Jahr 2005. Der Variable-Annuity-Markt in den USA wuchs in den 1990er Jahren begunstigt
durch steigende Aktienkurse stark an. Im Jahr 2000 war bereits eine Billion US-Dollar in Varia-
ble Annuities investiert. Nach dem Platzen der Dotcom-Blase fielen die Aktienkurse und damit
auch die Absatze bei den VAs, da die stark aktienlastigen Produkte wenig Ertrag versprachen.
Nach 2005 zogen die Verkaufe wieder an und im Jahr 2007 wurden schließlich Variable Annuities
fur 180 Milliarden US-Dollar gekauft.
Ein weiterer großer Markt fur Variable Annuities ist Japan. Obwohl es VAs dort erst seit Beginn
des Jahrtausends gibt, hat sich Japan zum zweitgroßten Absatzmarkt fur Variable Annuities
entwickelt. In Folge von Deregulierungsmaßnahmen im Finanzbereich, welche unter anderem
den Verkauf von VAs moglich machten, begann ING Life, 1999 als erstes Unternehmen VAs
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mit Todesfallgarantie in Japan zu vertreiben. Wenig spater gab es auch die ersten garantierten
Ablaufleistungen. Weitere Versicherungen traten auf den Markt ein und versuchten Variable
Annuities uber ihre klassischen Vertriebswege zu verkaufen, allerdings nur mit maßigem Erfolg.
Erst mit dem Markteintritt von Hartford Life, einem US-amerikanischen Versicherungsunter-
nehmen, begann der Siegeszug der VAs in Japan. Im Gegensatz zu den bisherigen Anbietern
verkaufte Hartford Life seine Produkte uber Wertpapiermakler und war damit sehr erfolgreich.
Auch heute noch wird der japanische Markt in erster Linie von US-Versicherern dominiert. Im
Oktober 2002 kam es dann zu weiteren Deregulierungen, wodurch es nun auch Banken erlaubt
war, Variable Annuities zu vertreiben. Dies fuhrte zu einem starken Anstieg der Verkaufszahlen.
Wahrend Variable Annuities zu Beginn des Jahrtausends noch ein Nischenprodukt in Japan
waren, ist der VA-Markt innerhalb weniger Jahre auf 100 Milliarden US-Dollar angewachsen
(vgl. Ruß und Kling: 2009a).
Fur den großen Erfolg der Variable Annuities in Japan gibt es einige Grunde. Hier ist insbeson-
ders die seit Jahren andauernde Niedrigzinsperiode zu nennen, die eine Investiton in festverzins-
liche Papiere unattraktiv macht. Ein weiterer Faktor ist die starke Uberalterung der Gesellschaft,
was zu einer verstarkten Nachfrage nach Produkten fur die Altervorsorge fuhrt. Hinzu kommt
noch eine starke Risikoaversion insbesondere der alteren Bevolkerung Japans und eine ausge-
pragte Sparkultur (vgl. Ledlie et al.: 2008).
Da sich diese Faktoren auch auf den deutschen Markt ubertragen lassen, erwartete man auch
hier ein großes Potential. Momentan werden Variable Annuities in Deutschland nur aus dem
europaischen Ausland, vornehmlich aus Luxemburg und Irland, heraus angeboten. Der Grund
dafur sind die Bilanzierungsvorschriften in Deutschland. Diese fuhren dazu, dass ein Angebot von
VAs aus Deutschland wirtschaftlich praktisch unmoglich ist. So sind die Versicherer gezwungen,
fur garantierte Leistungen eine Mindestruckstellung zu bilden. Dabei bleibt unberucksichtigt, ob
die Garantien ausreichend am Kapitalmarkt abgesichert sind. Folglich mussen trotz perfekter
Absicherung unter Umstanden Ruckstellungen gebildet werden. Im April 2006 gab es mit dem
TwinStar der AXA-Gruppe das erste Variable-Annuity-Produkt in Deutschland. Dabei han-
delt es sich um eine garantierte Rentenleistung. In den darauffolgenden Jahren wurden auch
garantierte Ablaufleistungen und GWMBs for life eingefuhrt. Damit die Versicherer VAs nicht
mehr nur aus dem Ausland heraus anbieten konnen, wurde im August 2008 ein Gesetzesentwurf
verabschiedet, der die Anderung der Bilanzierungsvorschriften vorsah. Im Zuge der Finanzkrise
wurde die Umsetzung dieses Vorhabens jedoch auf unbestimmte Zeit verschoben.
Auch ansonsten ist die Finanzkrise nicht spurlos am VA-Markt vorbeigegangen. Einige Produkte
wurden vollstandig eingestellt, da sie nicht mehr zu vertretbaren Kosten absicherbar waren, weil
manche Finanzinstrumente gar nicht mehr oder nur zu entsprechend hohen Kosten verfugbar
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waren. Bei anderen VA-Policen kam es zu Anpassungen. Es wurden beispielsweise die Garan-
tieleistungen reduziert oder die Gebuhren erhoht. Der Grund sind auch hier die im Zuge der
Krise stark gestiegenen Absicherungskosten (vgl. Ruß und Kling: 2009b).
2.4 Vor- und Nachteile von VAs
Es gibt verschiedenste Grunde, wie sich die Popularitat von Variable Annuities erklaren lasst.
Ein wichtiges Argument ist die Moglichkeit, an einem Aufwartstrend an der Borse zu partizi-
pieren, bei gleichzeitiger Absicherung gegen einen Totalverlust. Außerdem bieten VAs mit den
entsprechenden Ridern eine Langlebigkeitsgarantie. Im Gegensatz zu Fondsentnahmeplanen, aus
denen man nur solange Geld erhalt, bis das ganze Vermogen aufgebraucht ist, zahlt eine Variable-
Annuity-Police mit GMIB bis zum Lebensende des Versicherungsnehmers eine garantierte Sum-
me. Außerdem werden VAs als Lebensversicherungsprodukt steuerlich begunstigt. So dienen in
den USA viele Investitionen in Variable Annuities nicht der Altersvorsorge, sondern lediglich
der steuerbegunstigten Anlage in Investmentfonds (vgl. Holler und Klinge: 2006a). Weiterhin
uberzeugen VAs durch ihre transparenten Gebuhren. Wahrend andere fondsgebundene Lebens-
versicherungsprodukte oftmals in der Kritik stehen, die tatsachlichen Gebuhren zu verschleiern,
werden bei den Variable Annuities die Gebuhren explizit in Prozentpunkten des Fondsgutha-
bens ausgewiesen. Außerdem bieten VAs im Gegensatz zur klassischen Lebensversicherung ein
hohes Maß an Flexibilitat, wie die Moglichkeit den Vertrag zu stornieren oder unter bestimm-
ten Bedingungen Anpassungen vorzunehmen. Schließlich kann der Kunde, zumindest in einem
gewissen Rahmen, selbst uber die Fondsauswahl bestimmen und unabhangig von seiner Invest-
mentstrategie seinen individuellen Bedurfnissen entsprechende Garantien hinzukaufen.
Allerdings haben Variable Annuities nicht nur Vorteile. Ein wichtiger Punkt sind die teil-
weise sehr hohen Kosten. Neben den Garantiegebuhren fallen noch zusatzliche Kosten wie
Management- und Abschlussgebuhren an. Fur ein Produkt der Allianz bezahlt der Kunde
etwa funf Prozent des Einmalbetrags als Abschluss- und Vertriebskosten. Zusatzlich werden
jahrliche Gebuhren fur Verwaltung, Fondsmangement und Absicherung erhoben, die sich insge-
samt auf rund 3,5 Prozent des Fondswerts belaufen (vgl. Reiche: 2008). Dies hat wiederum eine
geschmalerte Rendite zur Folge. Ein anderer Faktor ist die große Komplexitat mancher Produk-
te. Besonders garantierte Entnahmeleistungen sind fur den Versicherungsnehmer aber nur dann
wirklich rentabel, wenn er sich finanzrational verhalt. Um eine optimale Ausubungsstrategie zu
entwickeln, ist es fur den Kunden jedoch unabdingbar, das Produkt richtig zu verstehen.
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3 Pricing von VA-Policen
Wie vorhin beschrieben, wird bei Variable Annuities fur jede Garantie eine seperate Gebuhr
festgelegt. Um eine angemessene Hohe fur die Garantiegebuhr bestimmen zu konnen, muss der
Wert jeder Garantie berechnet werden. Dabei ist es jedoch nicht moglich, einen allgemeinen
Bewertungsansatz fur alle Garantieformen anzugeben, da sich die einzelnen Garantien stark un-
terscheiden. Allerdings ahneln alle Garantien langlaufenden Put-Optionen. Genau wie eine Put-
Option nur ausgeubt wird, wenn der Fonds-Wert unterhalb des Ausubungspreises liegt, greift die
Garantie nur dann, wenn das Fondsguthaben unter dem Garantiewert liegt. Zur Bewertung von
Garantien lasst sich also das Options-Pricing-Verfahren heranziehen. Allerdings sind die zugrun-
deliegenden Optionen teilweise sehr komplex. So muss man im Normalfall auf exotische Optionen
zuruckgreifen. Diese unterscheiden sich von Standardoptionen (Plain-Vanilla-Optionen) in min-
destens einem der folgenden Punkte. Der Wert einer klassischen Option hangt nur von einem
Underlying ab. Bei einer exotischen Option dagegen konnen die Kurse mehrerer Basisinstrumen-
te von Bedeutung sein. Außerdem hangt die Hohe der Zahlung bei Ausubung nicht unbedingt
linear vom Kurs des Underlyings ab. Die Zahlungen konnen dabei auch ein fixer, vom Kurs un-
abhangiger Wert sein. Außerdem kann neben dem Kurs zum Ausubungszeitpunkt auch der Kurs
wahrend der Optionslaufzeit die Zahlungshohe beeinflussen. Schließlich ist bei einigen exotischen
Optionen das Ausubungsrecht an bestimmte Bedingungen geknupft, beispielsweise in Bezug auf
den Kursverlauf des Basiswertes (vgl. Schafer und Adam-Muller: 1998). Einige Merkmale von
exotischen Optionen finden sich auch bei Variable Annuities wieder. Beispielsweise wird das
Geld bei VAs normalerweise nicht in eine einzige Aktie investiert, sondern in einen oder meh-
rere Fonds. Folglich hangt die Garantie auch nicht nur von einem Underlying ab, sondern von
mehreren Basisinstrumenten. Der Fall, dass auch der Kursverlauf die Auszahlung beeinflusst,
liegt unter anderem bei Policen mit einem Lookback-Rider vor. Im Folgenden werden einige
Optionen, die in einem engen Zusammenhang mit den Garantien aus Variable Annuities stehen,
naher behandelt.
3.1 Optionen in VA-Garantien
Je nach Garantieart sind die zugrundeliegenden Optionen unterschiedlich komplex. Wahrend es
sich bei den Optionspendants von einfachen GMABs und GMDBs um Plain-Vanilla-Optionen
handelt, sind die Entsprechungen fur GMIBs oder VAs mit Lookback-Rider bereits exotische
Optionen. Der Wert einer garantierten Ablaufleistung entspricht einer europaischen Put-Option
zum Falligkeitstermin. Dies ist leicht nachvollziehbar, da eine Standard-GMAB-Police lediglich
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garantiert, dass am Ablauftag mindestens die Pramienzahlung ausgezahlt wird. Die Garantie
kann folglich nur am Falligkeitstag ausgeubt werden und die Garantiehohe ist ein zu Beginn
festgelegter Wert.
Bei einer garantierten Todesfallleistung besteht das Options-Pendant bereits aus einer Reihe
von Put-Optionen, da es keinen festen Ausubungstermin gibt, sondern dieser durch den Tod
des Versicherungsnehmers bestimmt wird. Die garantierten Rentenleistungen entsprechen wie-
derum einer Exchange-Option. Diese Option hat den Austausch zweier Assets bei Falligkeit
zum Vertragsgegenstand. Es kann zum Beispiel der Austausch von Anteilen einer Aktie gegen
Anteile einer anderen Aktie vereinbart werden oder auch der Austausch von Wahrungen. Bei
Variable Annuities mit GMIB dagegen kann der Versicherungsnehmer sein Fondsguthaben gegen
eine vorher festgelegt Rentenzahlung tauschen (vgl. Schu und Schmidt: 2008). GMWBs konnen
keiner speziellen Optionsstruktur zugeordnet werden. Allerdings zeigen Milevsky und Salisbury
(2006), dass sich die Auszahlungsstruktur bei konstanter Entnahme des Maximalbetrags durch
eine feste Rentenzahlung und einen Quanto-Asian-Put nachbilden lasst. Bei finanzrationaler
Ausubung entspricht die Auszahlungsstruktur dagegen einer festen Rentenzahlung und einer
amerikanischen Option (jedoch nicht mit klassischer Auszahlungstruktur). Auch die Rider ent-
sprechen wiederum bestimmten Optionen. Ein Ratchet entspricht einer Lookback Option. Dabei
hangt die Auszahlung nicht nur vom Kurs am Ausubungstag, sondern von extremen Kursrealisa-
tionen wahrend der Laufzeit ab. Die Auszahlung eines Lookback-Puts ist die Differenz zwischen
dem Kurs am Ausubungstag und dem maximalen Kurs wahrend der Laufzeit. Ein Lookback-Put
erlaubt es dem Kaufer also, das Underlying zum hochsten wahrend der Laufzeit beobachteten
Preis zu verkaufen. Allerdings hangt der Wert einer solchen Option stark davon ab, wie oft das
Maximum bestimmt wird, wobei bei VAs eine jahrliche Hochststandsfestsetzung ublich ist (vgl.
Ruß und Kling: 2009a).
Die Bewertung von Optionen ist abhangig von ihrer jeweiligen Gestalt und kann unterschiedlich
komplex sein. Bei Variable Annuities hat man jedoch nicht nur die Schwierigkeit, die enthaltene
Option korrekt zu bewerten, sondern es mussen zusatzliche Finanz- und Versicherungsrisiken
berucksichtigt werden. Ein wichtiger Punkt hierbei ist die lange Laufzeit der VAs, die einer Be-
wertung mit dem klassischen Black-Scholes-Modell widerspricht. Im Black-Scholes-Modell wird
namlich davon ausgegangen, dass sowohl der Zins als auch die Volatilitat uber die Zeit kon-
stant sind. Diese Annahme mag fur Optionen mit einer Laufzeit von einigen Monaten durchaus
tragbar sein. Variable-Annuity-Policen laufen jedoch oftmals 20 oder 30 Jahre. Fur einen so
langen Zeitraum ist die Annahme einer konstanten Volatilitat bzw. eines konstanten Zinses je-
doch nicht mehr haltbar. Daher muss fur eine korrekte Bewertung das Black-Scholes-Modell so
erweitert werden, dass auch ein stochastischer Zins und stochastische Volatilitat berucksichtigt
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werden konnen. Dies ist von zentraler Bedeutung fur die Bewertung von VA-Policen, da Ben-
hamou und Gauthier (2009) zeigen, dass bei Verwendung des Black-Scholes-Modells der Garan-
tiewert deutlich geringer ausfallt, als er eigentlich ist. Eine Moglichkeit, um den veranderlichen
Zins zu berucksichtigen, sind Short-Rate-Modelle, welche im nachsten Punkt behandelt wer-
den. Anschließend wird das Heston/Hull-White-Modell eingefuhrt, mit welchem zusatzlich die
stochastische Volatilitat modelliert werden kann.
3.2 Modellierung des Zinses und der Volatilitat
Eine Moglichkeit zur Berucksichtigung der Zinsstruktur sind die sogenannten Short-Rate-Modelle,
mit welchen das Verhalten des kurzfristigen Zinssatzes modelliert werden kann. Die Short Rate
ist der Zinssatz r, der zum Zeitpunkt t fur einen infinitisimal kurzen Zeitabschnitt gilt. Die
Short-Rate lasst sich damit auch als Verzinsung eines Zero-Coupon-Bonds interpretieren, der im
nachsten Moment fallig wird.
Eine wichtige Eigenschaft von Zinsmodellen ist Berucksichtigung der sogenannten Mean Reversi-
on. Dabei handelt es sich um die Ruckkehr zum langfristigen Durchschnittsniveau. Im Gegensatz
zu Aktienkursen, fur die man einen Drift unterstellt, geht man bei Zinsen davon aus, das diese
nicht beliebig weit steigen oder fallen konnen, sondern immer wieder auf ihr langfristiges Durch-
schnittsniveau zuruckkehren. Die okonomische Uberlegung dahinter ist, dass niedrige Zinssatze
die Konjunktur beleben und in Folge mehr Geld nachgefragt wird. Diese erhohte Nachfrage nach
Geld fuhrt zu steigenden Preisen, also hohren Zinsen. Bei einem hohen Zinsniveau kommt es
zu einer Konjunkturabschwachung und schließlich zu einer Verringerung der Geldnachfrage, was
die Zinsen sinken lasst.
Ein Short-Rate-Modell, das die Mean-Reversion berucksichtigt, ist das Vasicek-Modell. Dieses
lasst sich folgendermaßen darstellen:
dr(t) = κ[θ − r(t)]dt+ σdW (t)
Dabei ist r(t) der kurzfristige Zinssatz zum Zeitpunkt t und θ das langfristige Niveau des Zinses.
κ ist die Geschwindigkeit der Mean-Reversion. κ ist immer positiv und gibt an, wie schnell der
Zinssatz wieder auf seinen langfristigen Mittelwert zuruckkehrt. σ ist die Volatilitat des Zinses
und damit ein Maß fur die Schwankung der Short-Rate um den Mittelwert. W (t) bezeichnet
einen Wiener Prozess.
Das Vasicek-Modell berucksichtigt zwar die Mean-Reversion des Zinssatzes. Allerdings handelt
es sich dabei um ein sogenanntes Gleichgewichtsmodell. Bei diesen Modellen werden Annah-
men uber okonomische Variablen getroffen und daraus ein Prozess fur den kurzfristigen Zinssatz
abgeleitet. Die Schwache dieser Modelle ist, dass sie nicht exakt an die aktuelle Zinsstruktur
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angepasst werden konnen und sogar deutliche Abweichungen auftreten konnen. Daher ist zum
Beispiel die Bewertung von Anleihen mit Hilfe von Gleichgewichtsmodellen nur unzureichend.
Eine Verbesserung in diesem Punkt wird mit No-Arbitrage-Modellen, wie dem Hull-White-
Modell, erreicht. Die zugehorige Modellformel ist:
dr(t) = [θ(t)− ar(t)]dt+ σdW (t)
Bei den No-Arbitrage-Modellen ist im Gegensatz zu den Gleichgewichtsmodellen die Zinsstruktur
kein Modelloutput sondern ein Modellinput. Durch die Zeitabhanigkeit des Parameters θ ist
dann eine exakte Anpassung des Modells an dieaktuelle Zinsstrutur moglich. Die Kritik am
Hull-White-Modell bezieht sich meist darauf, dass in diesem Modell ein negativer Zins moglich
ist, was in der realen Wirtschaft normalerweise nicht vorkommt. Ein alternatives Modell, das
keinen negativen Zins zulasst, ware das Modell von Cox, Ingersoll und Ross. Dort wird σ aus
dem Hull-White-Modell durch σ√r ersetzt (vgl. Hull: 2009).
Zur Modellierung der stochastischen Volatilitat kann das Heston-Modell herangezogen werden,
in welchem die Volatilitat einem stochastischen Prozess folgt. Das Heston-Modell wird unter
anderem verwendet, um Derivate mit Smiles zu bewerten. Um sowohl den stochastischen Zins
als auch die stochastische Volatilitat bei Variable Annuities in die Bewertung einbeziehen zu
konnen, benotigt man eine Kombination aus den beiden Modellen. Dies fuhrt zum Heston/Hull-
White-Modell (vgl. Benhamou und Gauthier: 2009):
dS(t) = r(t)S(t)dt+√V (t)S(t)dWS(t)
dV (t) = κ[φ− V (t)]dt+ σV√V (t)dWV (t)
dr(t) = [θ(t)− ar(t)]dt+ σrdWr(t)
S(t) ist der Kurs des Underlyings, V(t) die Volatilitat und r(t) der Zinssatz. W(t) bezeichnet
einen Wiener Prozess. κ ist die Rate der Mean Reversion der Volatiltat und φ der langfristi-
ger Mittelwert der Volatilitat. Die Volatiliat hat also wie der Zins keinen Drift, sondern kehrt
immer wieder zum langfristigen Mittelwert zuruck. Je großer κ ist, desto schneller erfolgt diese
Ruckkehr. Die Volatilitat der Volatiliat wird mit σV bezeichnet. Indem man in der Gleichung
fur die Veranderung des Zinses a ausklammert, erhalt man eine Interpretation fur θ(t) und a.
So ist θ(t)a der langfristige Mittelwert des Zinses und a die Geschwindigkeit der Mean Rever-
sion des Zinses. σr ist die Volatilitat des Zinssatzes. ρSV ,ρSr und ρV r sind die Korrelationen
zwischen den Wiener Prozessen. Das Heston/Hull-White-Modell kann folglich genauso wie das
Black-Scholes-Modell zum Pricing verwendet werden.
Zusatzlich zu diesen finanzmathematischen Herausforderungen gilt es bei der Bewertung von
14
Garantien auch noch gewisse Versicherungsrisiken miteinzubeziehen.
Hierzu zahlen zum Beispiel Annahmen zur Sterblichkeit der Versicherungsnehmer. Wenn bei
garantierten Ablaufleistung nur die Halfte der Kunden bis zur Falligkeit lebt, dann konnen auch
hochstens 50% der Garantien werthaltig werden, da die Garantie nur greift, falls der Kunde
bei Falligkeit noch lebt. Je hoher die Annahmen in Bezug auf die Sterblichkeit der Versiche-
rungsnehmer ausfallen, desto gunstiger konnen die Versicherungen die Garantien anbieten. Falls
sie die Annahmen allerdings zu hoch ansetzen, kann dies zu enormen Kosten auf Seiten der
Versicherung fuhren. Ahnlich verhalt es sich mit garantierten Rentenleistungen, bei denen die
Versicherung Annahmen daruber treffen muss, wie lange ihre Kunden leben und damit die Ga-
rantierente in Anspruch nehmen. Je langer die Kunden leben, desto hoher mussen die Gebuhren
sein. Bei den GMIBs kommt noch erschwerend hinzu, dass der Kunde die Moglichkeit hat, die
Garantie nicht in Anspruch zu nehmen und sich das Geld ausbezahlen oder zu aktuellen Kon-
ditionen verrenten zu lassen. Versicherungsnehmer, die sich gegen eine Inanspruchnahme der
Garantie entscheiden, verursachen fur die Versicherung keine Kosten. Um diesen Faktor in die
Produktkalkulation einfliesen lassen zu konnen, mussen allerdings wieder Abschatzungen zum
Kundenverhalten getroffen werden, die bei Nichtzutreffen zu Fehlern beim Pricing fuhren. Ge-
rade in Deutschland oder Europa ist das momentan noch ein relativ schwieriges Unterfangen,
da wenig Erfahrungswerte vorliegen und nicht unbedingt von Zahlen aus den USA auf den eu-
ropaischen Markt geschlossen werden kann. Auch bei GMWBs hangt der Wert der Garantie und
damit die Kosten fur die Versicherung stark vom Entnahmeverhalten der Kunden ab. Wie bei
den ubrigen Garantien mussen auch hier fur die Bewertung mehr oder weniger starke Annahmen
getroffen werden. In der Regel gehen die Versicherungen bei ihren Kalkulationen von einem nicht
rational handelnden Kunden aus. Dies kann sich jedoch spatestens beim Verkauf der Police an
Investmentgesellschaften als gefahrlich erweisen (vgl. Ledlie et al.: 2008).
Wenn die Versicherungsgesellschaft alle Punkte in Betracht gezogen hat, gibt es bei der Be-
wertung von Variable Annuities grundsatzlich zwei mogliche Herangehensweisen. Der erste Weg
fuhrt uber das Losen partieller Differentialgleichungen. Die zweite Moglichkeit ist die Bewer-
tung uber Monte-Carlo-Simulationen. Der Vorteil bei partiellen Differentialgleichungen (PDE)
ist, dass sie teilweise genauere Ergebnisse liefern und zur Berechnung von optimalen Entnahme-
strategien verwendet werden konnen. Allerdings ist das Losen von PDEs eher im akademischen
Bereich ublich, um gewisse Abschatzungen treffen zu konnen. Fur die praktische Umsetzung
sind eigentlich nur Monte-Carlo-Simulationen relevant, da bereits bei der Berucksichtung von
einigen stochastischen Großen das Losen von partiellen Differentialgleichungen an seine Gren-
zen stoßt. Ein Simulationsansatz ermoglicht dagegen die Kombination verschiedener Modelle,
zum Beispiel die bereits angesprochenen Modelle fur einen stochastischen Zins oder eine uber
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die Zeit veranderliche Volatilitat. Außerdem kann auch das Kundenverhaltens in die Simulation
integriert werden. So lassen sich VA-Policen relativ einfach stornieren. Die Anzahl der Stornie-
rungen steht jedoch in einem engen Zusammenhang mit dem Kursverlauf des zugrundeliegenden
Fonds. Auf der einen Seite beenden besonders viele Versicherungsnehmer ihre Police vorzeitig,
wenn die Kurse stark steigen, um das Geld in ein neues Produkt zu investieren und sich damit
ein hoheres Garantieniveau zu sichern. Andererseits sind gerade bei fallenden Kursen und einem
schlechten Wirtschaftsumfeld Kunden unter Umstanden dazu gezwungen, den VA-Vertrag zu
kundigen, da sie das Geld benotigen. Auch solche Zusammenhange konnen in die Simulation
integriert werden (vgl. Blamont und Sagoo: 2009).
4 Absicherung der Garantien
Bei Variable Annuties wird die Garantie nicht im Produkt erzeugt, sondern vom Versiche-
rungsunternehmen gegeben. Dafur erhalt der Versicherer jahrlich einen gewissen Prozentsatz
des Fondsguthabens als Gebuhr. Problematisch dabei ist, dass der Versicherer umso niedrigere
Garantiegebuhren erhalt, je schlechter der Fonds performt. Bei einem ungunstigen Kursverlauf
steigt allerdings auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Garantie greift. Gegen dieses”Mismatch-
Risiko“ muss sich der Versicherer absichern. Dafur gibt es verschiedene Moglichkeiten. Die
drei gangigsten Vorgehensweisen sind keine (spezielle) Absicherung, Ruckversicherung und Hed-
ging. Keine spezielle Absicherung kann dann Sinn machen, wenn die Variable Annuitiy-Policen
nur einen kleinen Teil in der Bilanz des Versicherers ausmachen. Der Versicherer bildet dann
Ruckstellungen fur seine VA-Policen und hofft, dass diese Ruckstellungen und Gewinne aus an-
deren Geschaftsbereichen fur mogliche Zahlungen ausreichen. Diese Vorgehensweise ist unter
Umstanden sinnvoll, da die beiden anderen Moglichkeiten meist sehr teuer sind und sich daher
erst bei großeren VA-Bestanden rechnen. Allerdings mussten die beiden US-amerikanischen Ver-
sicherer American Skandia und Allmerica Financial feststellen, dass Self-Insurance auch schief
gehen kann. Beide Unternehmen hatten VAs mit garantierten Todesfallleistungen angeboten und
diese nicht weiter abgesichert. Infolge des Barenmarktes in den Jahren 2000 bis 2002 mussten
beiden Versicherer erhebliche Zahlungen leisten, in Folge ihr Eigenkapital erhohen und eine Ver-
schlechterung ihres Ratings hinnehmen (vgl. Holler und Klinge: 2006b).
Eine Moglichkeit, um die Garantien ohne großen Aufwand abzusichern, ist die Ruckversicherung.
Dabei reicht der Erstversicherer gegen Pramienzahlung einen Teil seiner Risiken an den Ruckversicherer
weiter. Meist springt der Ruckversicherer ein, wenn eine bestimmte Schadenhohe uberschritten
wird. Bei der Ruckversicherung ist problematisch, dass die Absicherung meist sehr teuer ist,
da die Ruckversicherer in der Vergangenheit herbe Verluste mit Variable Annuities erlitten ha-
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ben. Insbesondere im Umfeld der fallenden Kurse um die Jahrtausendwende mussten zahlreiche
Ruckversicherer feststellen, dass ihre Pramien zu knapp kalkuliert waren und sie ihr Risiko nicht
ausreichend gehedged hatten. Dies hatte zur Folge, dass viele Ruckversicherer erst einmal aus
dem Geschaft mit VAs ausgestiegen sind und der Ruckversicherungsmarkt fur Variable Annuities
zeitweise fast vollstandig ausgetrocknet war. Inzwischen haben die Ruckversicherer neu kalkuliert
und ein aktives Risikomanagement eingefuhrt. Daher werden auch wieder Ruckversicherungen
angeboten, allerdings meist mit deutlich hoheren Pramien (vgl. Ledlie et al.: 2008).
Die dritte Variante, die Auflegung eines Hedging-Programms, ist mit hohen Personal- und IT-
Kosten verbunden. Bei einem ausreichend großen VA-Bestand stellt sie aber in den meisten
Fallen die bevorzugte Variante dar.
4.1 Absicherung durch Hedging
Beim Hedging werden die Garantien am Kapitalmarkt abgesichert, indem die Garantiegebuhren
in ein Hedging-Portfolio investiert werden. Dieses Portfolio muss so gestaltet sein, dass es zu
Beginn denselben Wert wie die Garantien hat und auf Kapitalmarktanderungen genauso rea-
giert wie der Wert der Garantien, so dass fallige Garantien aus dem Hedging-Portfolio beglichen
werden konnen.
Der Wert jeder Garantie reagiert auf Veranderungen am Kapitalmarkt. So macht zum Beispiel
eine hohere Volatilitat die Garantie wertvoller, da es wahrscheinlicher wird, dass die Garantie
greift. Man mochte nun erreichen, dass das Hedging-Portfolio moglichst ahnlich wie die Garanti-
en reagieren. Um ein solches Verhalten zu gewahrleisten, kann man auf Sensitivitatskennzahlen
zuruckgreifen. Da die meisten dieser Kennzahlen mit griechischen Buchstaben bezeichnet wer-
den, nennt man sie auch”Greeks“ oder auf deutsch
”die Griechen“. Aus mathematischer Sicht
handelt es sich bei den Greeks um partielle Ableitungen der Optionspreis-Formel nach den jewei-
ligen Parametern. Der wichtigste Grieche fur das Hedging ist Delta. Delta wird als erste partielle
Ableitung nach dem Aktienkurs berechnet und gibt an, wie sich der Optionspreis andert, wenn
der Preis des Underlyings um einen kleinen Betrag steigt oder sinkt. Anschaulich handelt es sich
um die Steigung der Kurve, welche den Zusammenhang zwischen Optionspreis und Underlying
darstellt. Wenn das Delta einer Kaufoption 0.7 betragt, dann fuhrt eine Anderung des Aktien-
preises um einen kleinen Betrag zu einer Anderung um 70% dieses Betrags beim Optionspreis.
Angenommen, man hat Kaufoptionen auf 1000 Aktien verkauft. Bei einem Delta von 0.7 konnte
man dieses Geschaft durch den Kauf von 700 Aktien absichern. Wenn die Aktien um einen Euro
steigen, macht man mit den Aktien 700 Euro Gewinn, wahrend gleichzeitig der Optionspreis um
circa 0.7 * 1 Euro steigt und damit zu einem Verlust von 700 Euro auf die verkauften Optionen
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fuhrt. Ein Portfolio, das aus den 1000 Optionen und den 700 Aktien besteht, wird als deltaneutral
bezeichnet, da das Delta der Aktienposition das Delta der Optionsposition ausgleicht. Ziel des
Delta-Hedgings ist ein deltaneutrales Portfolio. Deltaneutralitat ist jedoch nur fur einen kurzen
Zeitraum gewahrleistet, da der Wert fur Delta nur fur kleine Veranderungen gilt. Bei großeren
Kursanderungen muss Delta neu berechnet und damit auch das Absicherungs-Portfolio ange-
passt werden. Die regelmaßige Anpassung bezeichnet man auch als Rebalancing und ist typisch
fur eine dynamische Hedging-Strategie. In einem zeitstetigen Modell kann das Risiko nur durch
kontinuierliches Hedging perfekt abgesichert werden. Dies ist jedoch aus praktischen und vor
allem finanziellen Grunden nicht moglich. Deshalb muss ein Kompromiss zwischen Kosten und
Gute der Absicherung getroffen werden. Dies erreicht man zum Beispiel uber die Festlegung von
Schwellenwerten. Ein solcher Schwellenwert ist unter anderem von der Eigenkapitalausstattung
des Unternehmens und den Kosten fur das Hedging-Programm abhangig. Falls der festgeleg-
te Schwellenwert uberschritten wird, fuhrt man eine entsprechende Veranderung am Portfolio
durch (vgl. Hull: 2009). Unternehmen in den USA, die dynamisches Hedging betreiben, passen
ihr Hedging-Portfolio in der Regel einmal wochentlich an (vgl. Holler und Klinge: 2006b).
Allgemein gilt, dass Delta umso starker schwankt, je naher eine Option am Geld ist. Optionen,
die tief im Geld sind, machen absolut gesehen fast die gleichen Bewegungen wie der Aktienkurs,
da die Option mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ausgeubt wird. Optionen aus dem Geld reagie-
ren dagegen fast uberhaupt nicht auf Aktienkursveranderungen.
Viele Versicherer beschranken sich auf Delta-Hedging, was bei starken Verwerfungen am Fi-
nanzmarkt problematisch werden kann. So sind beispielsweise wahrend der Finanzkrise die Vo-
latilitaten stark angestiegen. Um dagegen abgesichert zu sein, empfiehlt es sich, neben Delta
auch Vega zu hedgen. Dabei handelt es sich um die partielle Ableitung nach der Volatilitat. Der
Vega-Wert einer Option misst also die Sensitivitat des Optionspreises gegenuber Schwankungen
der Volatilitat des Basiswertes. Ein großer Wert fur Vega bedeutet, dass der Wert des Portfolios
sehr empfindlich auf kleine Anderungen der Volatilitat reagiert. Optionen am Geld reagieren am
starksten auf Volatilitatsanderungen. Daher nimmt Vega die großten Werte nahe dem Basispreis
an.
Die dritte wichtige Kennzahl beim Hedging von Variable Annuities ist Rho. Rho gibt die
Veranderung des Optionspreises bei einer infinitisimalen Anderung des Zinssatzes an. Wahrend
Rho beim Hedging gewohnlicher Optionen meist eine untergeordnete Rolle spielt, ist diese Kenn-
zahl fur das Hedging von VAs durchaus von Bedeutung. Auch hier liegt der Grund in der langen
Laufzeit der Variable Annuities, was die Unsicherheit uber den Zins erhoht.
Da beim dynamischen Hedging haufige Anpassungen notig sind, ist es wichtig, dass die zur Ab-
sicherung verwendeten Derivate hoch liquide sind und geringe Transaktionskosten haben. Aus
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diesem Grund werden Delta-Risiken meist mit Future-Kontrakten abgesichert. Fur Vega sind
Optionen gebrauchlich und fur Rho Swaps.
Eine Alternative zum dynamischen Hedging ist statisches Hedging. Dabei wird im Gegensatz zum
dynamischen Hedging eine am Anfang vorgenommene Absicherung nie angepasst. Um trotzdem
ein zufriedenstellendes Hedging-Ergebnis zu erhalten, muss man hier ein Wertpapier erwerben,
dass sich moglichst die ganze Vertragslaufzeit uber, aber zumindest bei Falligkeit, genauso wie
die abzusichernde Option verhalt. Diese Vorgehen funktioniert bei einfachen Garantien wie ga-
rantierten Ablaufleistung relativ gut, da es hier ausreichend ist einen Korb europaischer Plain-
Vanilla-Optionen zu kaufen. Bei den komplexeren Garantien, wie GWMBs, ist eine statische
Absicherung meist nicht so einfach, da es normalerweise keine Wertpapiere gibt, die genau den
Garantiefall abdecken und daruberhinaus liquide gehandelt werden. Meist muss man hier auf
dem OTC-Markt speziell entwickelte Produkte erwerben.
Der Vorteil des dynamischen Hedging-Ansatzes ist, dass individuelle Garantien entwickelt wer-
den konnen und diese auch abgesichert werden konnen, wahrend man beim statischen Hedging
darauf angewiesen ist, dass ein entsprechendes Produkt am OTC-Markt erworben werden kann.
Außerdem kann beim dynamischen Hedging besser auf das Kundenverhalten reagiert werden.
Bei Variable Annuties darf der Kunde normalerweise wahrend der Laufzeit den Fonds wechseln.
Da beim dynamischen Hedging vornehmlich liquide gehandelte Derivate zur Absicherung ver-
wendet werden, kann auf eine solche Anderung relativ unkompleziert reagiert werden. Gerade
bei komplexen Produkten sind dagegen die zur statischen Absicherung verwendeten Wertpapiere
meist hoch exotisch und dadurch relativ illiquide. So ist die Anpassung eines statischen Hedges
meist mit hohen Kosten verbunden. Allerdings sind die Kosten fur die Implementierung eines
dynamischen Hedging-Programms und die Anforderungen an Personal und IT wesentlich hoher
als fur ein statisches Hedging-Programm. In der Praxis bietet es sich oftmals an, dynamisches
und statisches Hedging zu kombinieren. So kann beispielsweise fur einfache Garantien ein stati-
scher Hedge durchgefuhrt werden und fur kompliziertere Produkte werden die Risiken, die uber
ein statisches Hedging nur schwer zu beseitigen sind, mit einem dynamischen Ansatz verringert
(vgl. Ledlie et al.: 2008).
Genau wie beim Pricing sieht sich der Versicherer auch beim Hedging mit verschiedensten
Schwierigkeiten konfrontiert. So besteht immer ein gewisses Basisrisiko. Dieses ruhrt daher,
dass die Kunden in aktiv gemanagte Fonds investieren konnen. Viele Wertpapiere gibt es jedoch
nur fur Aktienindizes. Zudem ist die genaue Zusammensetzung des Fonds oftmals unbekannt.
Daher muss das Versicherungsunternehmen versuchen, mit den zur Verfugung stehenden Wert-
papieren die Entwicklung der Fonds nachzubilden, die den Variable Annuities zugrunde liegen.
Je weiter die Performance des Fonds und die Performance der Nachbildung auseinander gehen,
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desto schlechter funktioniert aber das Hedging. Weiterhin gibt es kaum Wertpapiere, die so lange
Laufzeiten haben, wie die Garantien in VA-Produkten. Diesem Problem versucht man durch den
periodischen Kauf und Verkauf von Wertpapieren zu begegnen. Schließlich ist auch das Kunden-
verhalten ein großer Risikofaktor. So werden gewisse Annahmen uber das Stornoverhalten und
die Sterblichkeit der Policenhalter getroffen und die Garantien entsprechend dazu abgesichert.
Wenn nun weniger Kunden sterben als angenommen wurde, dann liefert das Hedging-Portfolio
moglicherweise nicht die gesamte Garantie (vgl. Ruß und Kling: 2009c).
4.2 Absicherung durch Produktgestaltung
Gewissen Risiken kann bereits durch eine durchdachte Produktgestaltung begegnet werden. So
wird bei GMWBs oftmals ein Zeitraum festgelegt, in dem noch keine Entnahmen getatigt werden
durfen. Auch Bonuselemente konnen verwendet werden, um das Verhalten der Kunden zu steu-
ern. Eine Beschrankung der Fondsauswahl auf Indexfonds erleichtert das Hedging, da genugend
liquide gehandelte Derivate verfugbar sind. Außerdem kann die Fondsauswahl so beschrankt
werden, dass keine Fonds mit ubermaßig hoher Volatilitat gewahlt werden konnen. Auch eine
Aufteilung in 60% Aktien und 40% festverzinsliche Produkte ist durchaus ublich (vgl. Blamont
und Sagoo: 2009). Ferner konnen im Vertrag Zwangsumschichtungen festgelegt werden, sollte die
Volatilitat eine gewisse Grenze ubersteigen. Beim Axa TwinStar gibt es bespielsweise die Klau-
sel, dass ein vom Kunde gewahlter Fonds durch einen weniger volatilen Fonds ersetzt werden
darf, falls die rollierende Zwolfmonatsvolatilitat uber 30% liegt. Fur eine hohere Planungssicher-
heit konnte die Gebuhr auch zu Vortragsbeginn kassiert oder die Hohe der Gebuhr als fester
Prozentsatz des investierten Betrags festgelegt werden. Um Kundigungen bei steigenden Kursen
zu verhindern, ist die Einfuhrung einer Hochststandsgarantie sinnvoll (vgl. Ruß: 2008).
5 Ausblick
VAs sind in Deutschland der breiten Offentlichkeit bisher unbekannt geblieben und auch die
Absatzzahlen bleiben noch hinter den Erwartungen zuruck. Einer der Grunde fur den geringen
Bekanntheitsgrad der VAs ist sicherlich die Tatsache, dass Variable Annuities nur von einigen
deutschen Versicherungen uber ihre auslandischen Tochter vertrieben werden und der Verkauf
aus dem Inland heraus (noch) nicht moglich ist. Die weitere Entwicklung des Variable-Annuity-
Marktes in Deutschland hangt von zahlreichen Faktoren ab. Dazu gehort unter anderem die
Anderung der Bilanzierungsvorschriften. Die Regierung wird im Zuge der Finanzkrise jedoch
noch vorsichtiger erwagen, ob eine Deregulierung des Versicherungsmarktes wunschenswert ist.
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Außerdem haben die Deutschen, die bereits vor der Krise keine ausgepragte Aktienkultur besa-
ßen, ihre Aktienengagement infolge der Borsenturbolenzen noch weiter zuruckgefahren. Ob sie
dann zukunftig bei ihrer Altervorsorge auf Variable Annuities setzen, bei welchen Aktien und
Fonds im Zentrum stehen, bleibt abzuwarten. Alles in allem sind VAs fur finanzwirtschaftlich
aufgeklarte Investoren sicherlich ein interessantes Produkt. Fur den normalen Anleger sind sie
allerdings teilweise nur schwer verstandlich und damit ist auch die Beurteilung, ob eine Gebuhr
angemessen ist oder nicht, schwierig.
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