Entfalten statt liften

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„Entfalten statt liften“ Erfahrungen und Ergebnisse aus dem Projekt mehrkultur55plus in Nordrhein-Westfalen gefördert vom:

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Erfahrungen und Ergebnisse aus dem Projekt mehrkultur55plus

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„Entfalten statt liften“Erfahrungen und Ergebnisse aus dem Projektmehrkultur55plus in Nordrhein-Westfalen

gefördert vom:

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gefördert vom:

Das Projekt mehrkultur55plus wurde von Mai 2004 bis Februar 2007 vom Institut für Bildung und Kultur koordiniert und vom Ministerium für Generationen, Familie, Frauen, und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen als Teil der Landesinitiative Seniorenwirtschaft gefördert.

Ansprechpartner:

Dr. Claus Eppe Ministerium für Generationen, Familie, Frauen, und Integration des Landes Nordrhein-WestfalenHorionplatz 1D - 40213 Düsseldorf Fon: +49 (0)211 8618 3320 Fax: +49 (0)211 8618 4460 [email protected] www.mgffi.nrw.de

Gerda SiebenInstitut für Bildung und Kultur Küppelstein 34D - 42857 RemscheidFon:+49 (0)2191 794 [email protected]

Institut für Bildung und Kultur e.V.

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Ältere Menschen als Kulturnutzer und Kulturschaffende: Erfahrungen aus dem Projekt mehrkultur55plus 3

Rückblick und Ausblick 3

Ergebnisse und Zukunftsperspektiven 5

Eckpunkte für eine zukunftsfähige Entwicklung 7

Überregionale Aktivitäten 8

Die Informations- und Marketingkampagne 8

Qualifizierungsmaßnahmen 13

Abschlusstagung: „Entfalten statt liften! Kunst und Kultur im 3. Lebensalter“ 15

Die Prozesse in den Projektregionen 17

Das System der Dialogmoderation 17

Regionale Aktivitäten:

Schwerpunkt: Vernetzen (Region Südwestfalen, Rheinschiene) 18

Schwerpunkt: Informieren (Region Niederrhein, Regio Aachen, Ruhrgebiet) 23

Schwerpunkt: Einbinden & Aktivieren (Ostwestfalen-Lippe, Südwestfalen, Bergisches Land) 24

Schwerpunkt: Kultureinrichtungen sensibilisieren (Münsterland, Ruhrgebiet) 28

„... das macht einfach mein Leben aus“ Kulturell aktive ältere Menschen in NRW: Zugänge, Motive, Barrieren 33

Anlass der Pilotstudie 33

Vorliegende Erkenntnisse über die Kulturnutzung Älterer 33

Die Befragung kulturell aktiver älterer Menschen: Methode und Probanden-Profile 34

Ergebnisse der Befragung 38

Zugänge 38

Motive 40

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Barrieren 42

Erklären verboten? - Fehlende Kulturvermittlung 44

Hinweise der Befragten zur Förderung des Kulturengagements älterer Menschen 45

Hinweise und Empfehlungen für Kulturanbieter 45

Hinweise und Empfehlungen für Verwaltung und Politik 48

Arbeitshilfen: „Entfalten statt liften“ – Frische Ideen für Kunst und Kultur® 49

Acht Anregungen für Kulturveranstalter/innen 51

Kulturmarketing für ältere Zielgruppen 53

Ältere Menschen als Kulturbotschafter/innen einbinden 55

Senioren/innen als Kulturmacher: Selbstorganisation fördern 56

Weiterführende Literatur (Auswahl) 57

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Ältere Menschen als Kulturnutzer und Kulturschaffende: Erfahrungen aus dem Projekt mehrkultur55plus

Rückblick und Ausblick „Entfalten statt liften!“: Dieses Motto hat das Projekt mehrkultur55plus knapp drei Jahre beglei-tet. Es ist in der Projektregion „Bergisches Land“ entstanden, wo ältere Teilnehmende bei einer Einstiegsveranstaltung darüber sprachen, worin für sie das besondere Potenzial von Kunst und Kultur liege. Eine Teilnehmerin sagte: „Für mich geht damit nach der Rente ein Tor auf für die Selbst-Entfaltung der Persönlichkeit.“ Darauf eine andere: „Genau: mit Kunst entfalten statt liften!“ Wir griffen dieses Motto sofort auf, denn es brachte auf den Punkt, was Kunst und Kultur in beson-derer Weise ermöglichen: eine Zunahme an Lebensgenuss und Entfaltungsmöglichkeiten.

Landesinitiative Seniorenwirtschaft

Das Projekt mehrkultur55plus ist im Mai 2004 als Teil der Landesinitiative Seniorenwirtschaft gestartet. Die Landesinitiative hat das Ziel, die wirtschaftlichen Chancen, die sich durch die gezielte Ansprache von Senioren/innen ergeben, besser auszuschöpfen und zugleich die Lebensqualität älterer Menschen zu verbessern. Dabei standen zunächst Bereiche wie seniorengerechtes Wohnen oder haushaltsnahe Dienstleistungen im Vordergrund. Doch auch der Freizeitbereich, Sport und Kultur spielen im Leben älterer Menschen eine wachsende Rolle.

So kam es zum Start dieses Projektes unter dem Titel: „Öffnung der Kulturwirtschaft für Seniorin-nen und Senioren“. Der etwas sperrige Name wurde nach lebhaften Diskussionen in die Kurzform mehrkultur55plus gebracht. Die Schwierigkeit, Alter über Lebensjahre festzulegen, war uns dabei bewusst, doch sollte mit dem Projekttitel die Positionierung klar werden: hier geht es um ältere Menschen ab 55 Jahren. Die Diskussion über den Altersbegriff, über die Definition von Alter und das Altersbild, begleitete das gesamte Projekt und wurde in allen Regionen geführt.

Dialogprozesse

Ein Ziel des Projekts war es, Kulturanbieter und ältere Menschen in einen Dialog zu bringen, um eine bessere Ausrichtung von Kulturangeboten auf die Bedürfnisse Älterer zu erreichen. Um inten-sive Dialogprozesse anregen zu können, wurden zunächst vier Regionen in NRW ausgewählt. Später kamen vier weitere Regionen hinzu, sodass NRW fast vollständig vertreten war. Die Einbin-dung der Regionen ist v.a. dadurch gelungen, dass für das Projekt Mitstreiter, so genannte Dia-logmoderatoren/innen, in den Regionen gewonnen wurden, die die Senioren- und die Kulturszene gut kennen und an ein regionales Netzwerk angeschlossen sind.

Diese Dialogmoderatoren/innen haben Aktive aus den Regionen in den Dialogprozess eingeladen: es wurden runde Tische, Vortragsveranstaltungen, Tagungen, Workshops organisiert, Arbeitsgrup-pen gebildet und konkrete Projekte initiiert und begleitet. Mit ihrer Unterstützung ist es über den Dialog hinaus zu vielen konkreten Kooperationen und Projekten gekommen, von denen einige über die eigentliche Projektlaufzeit hinaus umgesetzt werden. Zahlreiche Menschen in den Regionen haben sich inspirieren und aktivieren lassen, und neue Ideen in das Gesamtprojekt eingebracht. Mitgewirkt haben Künstler/innen, Fachleute aus Verbänden, aus der kommunalen Kulturverwaltung

Abschlusstagung in Köln am 17.01.2007 Foto: Jan Schmolling

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Spielerinnen des Altentheaters des Freien Werk-statt Theaters Köln in „Alle Tage Sonntag“ bei der

Fachtagung am 17.01.2007 in Köln Foto: Jan Schmolling

und der kulturellen Bildung, Vertreter von Industrie und Handwerk, Existenzgründer/innen und na-türlich auch ältere kulturinteressierte Menschen.

Kultur als Lebensmittel

Ein weiteres Ziel von mehrkultur55plus war es, die Chancen der Kulturwirtschaft im Prozess des demografischen Wandels in einer praxisnahen Form aufzuzeigen. Diese Aufgabe brachte weitrei-chende Diskussionen mit sich, denn Kultur ist keine einfache Ware wie eine Gehhilfe oder ein Handy. Kultur kann ein materielles Produkt sein, eine Dienstleistung oder der Inhalt eines Medi-ums. Kulturprodukte werden nur zum Teil auf einem echten Markt gehandelt. Der größte Teil der Kulturangebote in Städten und Regionen ist staatlich subventioniert. Viele kulturelle Produktionen werden von Nutzern und Genießern selbst hergestellt und erscheinen gar nicht auf einem „Markt“. In den Regionen wurde diskutiert, ob Kultur überhaupt als Ware gehandelt werden soll und inwie-weit es ein „Grundrecht auf Kultur“ geben müsste. Wir haben diesen Konflikt nicht lösen können, aber mit der Formel: „Kultur ist ein Lebensmittel“ betont, dass alle Menschen einen Zugang zu dem „Lebensmittel Kultur“ haben sollen, und dass dieser Zugang nicht aufgrund von Alter, kultureller Zugehörigkeit oder Armut verhindert sein darf. Ein solcher Anspruch relativiert den wirtschaftlichen Fokus und betont die Zielsetzung der Landesinitiative, die Lebensqualität älterer Menschen in NRW zu verbessern.

Kulturwirtschaft

Beim Blick auf die Kulturwirtschaft ergab sich eine weitere Fokussierung. Es zeigte sich, dass sich „die Großen der Branche“ (Buch- und Hörbuchmarkt, Medienkonzerne, Musicalbetreiber) bereits durch Marktanalysen und neue Produkte auf den demografischen Wandel einstellen. So kam es schon zu Beginn des Projektes zu der Entscheidung, besonders die öffentlich geförderten Kulturanbieter, Theater, Bibliotheken, Konzerthäuser, soziokulturellen Zentren, Volkshochschulen und die öffentlichen Kunst- und Musikschulen sowie kleinere private Kulturanbieter anzusprechen, wie lokale Kinobetreiber, private Theater, Museen, Kunstwerkstätten, Kunst- und Musikschulen und nicht zuletzt selbständige Künstler/innen. In der Gesamtheit handelt es sich also um ein äußerst breites Spektrum.

Ältere Menschen als Verbraucher und Produzenten von Kultur

Doch auch die älteren Menschen verharren keineswegs brav auf der Verbraucherseite. Wir fanden in allen Regionen ältere Menschen, die als Produzenten und Anbieter von Kunst und Kultur aktiv sind: sie spielen Theater, tanzen, singen, drehen und bearbeiten Filme oder schreiben Bücher.

Zudem sind Ältere sehr aktive und wichtige Kultur-vermittler, die Kulturreisen, Museumsführungen, Salons und Vortragsreihen immer häufiger selbst organisieren. Sie ziehen dabei neue Kultur-interessierte an. Viele der aktiven Älteren findet man in Bereichen, in denen sich soziales und kulturelles Engagement überschneiden.

Als Ehrenamtliche in sozialen oder kirchlichen Netzwerken, in Seniorenorganisationen, Medienstel-len, Stadtteilinitiativen, Altenheimen und Schulen füllen sie soziales Engagement mit kulturellen Inhalten: sie lesen vor, erzählen oder machen Musik für andere.

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Aktive Migrantinnen und Migranten

Migranten/innen sind sozial und kulturell genauso aktiv wie Einheimische. Doch gibt es noch zu wenige Berührungspunkte zwischen den Aktivitäten der Einheimischen und Zugewanderten. Beide Gruppen bewegen sich sehr stark innerhalb ihrer Bezüge, z.B. in den Migrantenorganisationen, in ihren Stadtteilen und Gemeinden. Hier muss der Dialog verbessert werden, damit Kulturanbieter ältere Migranten/innen, die ihren Lebensabend zunehmend im Zuwanderungsland verbringen, stärker in ihre Planungen einbeziehen und (ältere) Einheimische und Migranten/innen mehr von ihren jeweiligen Kulturaktivitäten erfahren.

Öffnung der Kulturangebote für Ältere – eine Zukunftsaufgabe

Da eine klare Trennung - hier Anbieter, dort Kunde bzw. hier kulturelles/künstlerisches Handeln, dort soziales Engagement - in der Realität eher selten ist, mussten Kooperationsnetze in den Re-gionen und Kommunen eng geknüpft werden. Eine Öffnung der Kulturangebote für die ältere Ge-neration gelang erfahrungsgemäß dort, wo soziale Akteure (z.B. aus der Stadtteilarbeit, aus Kir-chen und Wohlfahrtsverbänden) mit Künstler/innen zusammenarbeiteten, wo Schlüsselpersonen aus den Bezugsgruppen der Älteren gewonnen werden konnten, wo Kultureinrichtungen flexibel waren und die „Unruhe“ durch die neuen aktiven Nutzergruppen zuließen. Eine wirkliche Öffnung der Kulturangebote bedeutet aber nach wie vor, Pionierarbeit zu leisten. Nur wenige Kommunen gehen diese Aufgabe bisher systematisch an. Hier liegt eine wichtige Aufgabe für die Zukunft.

War es zu Beginn des Projektes noch so, dass der größte Teil der Kultureinrichtungen keine be-sonderen Anstrengungen machte, auf ältere Kulturnutzer/innen zuzugehen, so hat sich hier auch durch die Aktivitäten im Rahmen des Projekts mehrkultur55plus viel bewegt. Mit den mehr als 100 Veranstaltungen - Lesungen, Zukunftswerkstätten, künstlerischen Präsentationen, Seminaren und Tagungen - ist es gelungen, die Aufmerksamkeit in der NRW-Kulturszene für den demografischen Wandel stark zu intensivieren und eine engagierte Debatte quer durch das Land anzuregen. Inzwi-schen ist der Projekttitel zum Markenzeichen geworden und NRW gilt bundesweit als Vorreiter in diesem Politikfeld.

Ergebnisse und Zukunftsperspektiven

1. Neue Konzepte der Kundenorientierung

Wir brauchen im Kulturbereich neue Konzepte der Kundenorientierung und des Marketings für ältere Zielgruppen. Im Rahmen des Projektes wurden Module zum Thema Marketing entwickelt und durchgeführt. Wir konnten dabei feststellen, dass tendenziell die großen Kulturhäuser dies professionell leisten können, die Vielzahl der kleineren Anbieter bisher eher auf Intuition und guten Willen angewiesen ist und die Möglichkeit zur Qualifizierung gern annimmt.

2. Profilentwicklung und Qualifizierung

Viele Kulturanbieter wehren sich gegen ältere Besucher, weil sie fürchten, dann für Jünge-re nicht mehr attraktiv zu sein. Sie sehen sich im Konflikt zwischen Spezialisierung und Erweiterung der Angebotspalette. Notwendig sind gute Konzepte für die Profilentwicklung kultureller Einrichtungen. Soziokulturelle Zentren, die seit ihrer Gründung das Ziel verfol-gen, alle Generationen und sozialen Gruppen in ihrem Einzugsgebiet anzusprechen, sind oft Vorreiter bei der Entwicklung generationenübergreifender Konzepte. Obwohl ein großer Bedarf an intergenerationellen und interkulturellen Konzepten besteht, gibt es keine Zau-berformel für das Gelingen solcher Prozesse. Es gibt aber gute Beispiele, wie junge und al-te Menschen sehr erfolgreich zusammen künstlerisch aktiv sein können. Solche Kooperati-onen verlaufen oftmals nicht spannungsarm. Erfahrungen zeigen, dass der Anspruch „Ihr sollt generationenübergreifend zusammenkommen“ erst realisiert werden kann, wenn an-erkannt wird: jede soziale Gruppe hat das Recht, sich über eigene Stile und ästhetische Praxis von anderen abzugrenzen, eine eigene Identität zu festigen, eigene Themen zu be-arbeiten und Umsetzungsformen zu nutzen. Die Spannung zwischen dem abgrenzenden und dem integrativen Potenzial künstlerischer Ausdrucksformen ist bereits aus der interkul-

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turellen Arbeit bekannt. Eine Spannung, die nur über Neugier, Respekt und Anerkennung des jeweils anderen fruchtbar werden kann. Dies kann spontan gelingen, es kann aber auch notwendig sein, solche Prozesse zu initiieren und zu begleiten. Ausgebaut werden sollten Weiterbildungsmöglichkeiten für Haupt- und Ehrenamtliche in der interkulturellen und generationenübergreifenden Arbeit. Im Rahmen dieses Projektes haben wir erste Qua-lifizierungsmodule in der intergenerationellen Arbeit in den Bereichen Theater, Musik und bildende Kunst entwickelt.

3. Potenzial der Selbstorganisation

Als besonders innovativ ist im Rahmen des Projektes das Selbstorganisationspotenzial der Älteren aufgefallen. Die jetzt Älteren gehören einer Generation an, die ihr Leben lang Neu-es geschaffen, sich sehr erfolgreich organisiert hat und Autonomie als zentralen Wert ver-tritt. Ihr Selbstorganisationspotenzial zeigt sich z.B. in der Gründung von Seniorenakade-mien, in zahlreichen Kulturinitiativen, Chören, Bands, Kultursalons, Museen, Filmprojekten oder Kulturreisen, die zumeist gebildete Ältere ohne öffentliche Unterstützung organisieren. In den Kommunen und Kulturinstitutionen kommt es nun darauf an, diese Initiativen sinn-voll an die Kultureinrichtungen anzubinden. Kulturanbieter müssen lernen, den sehr selbst-bewussten älteren Menschen mit Offenheit zu begegnen. Das erfordert neue Kompetenzen und professionelle Kräfte, die nicht fürchten müssen, durch Ehrenamtliche ersetzbar zu werden.

4. Zugänge für besondere Zielgruppen

Beachtet werden soll nicht nur die große Gruppe der eher aktiven und mobilen Menschen zwischen 55 und 75 Jahren, sondern auch diejenigen Älteren, die durch gesundheitliche Einschränkungen, fehlende Mobilität oder geringe finanzielle Ressourcen nicht (mehr) aktiv an Kulturangeboten teilnehmen. Auch für diese Gruppen wurden in den beteiligten Regio-nen interessante Ideen und Projekte entwickelt: Altersheime, die zu Konzertveranstaltern werden und sich so auch für Besucher aus dem umliegenden Stadtteil öffnen, ein mobiles Kinoangebot für den ländlichen Raum, Kontaktbörsen für gemeinsame Kulturbesuche von mobilen und weniger mobilen Menschen, oder das Angebot „Kultur auf Rädern“, mit dem in Düsseldorf ältere Kulturinteressierte ein Besuchsprogramm entwickelt haben, mit dem sie Kultur zu den Menschen nach Hause bringen. Es geht zukünftig darum, solche Angebote nicht nur punktuell, abhängig vom persönlichen Engagement Einzelner und von eher zufäl-ligen Konstellationen vor Ort, sondern systematisch und in der Breite zu ermöglichen. Im Bereich der künstlerischen und kunsttherapeutischen Arbeit mit Hochaltrigen und demen-ziell Erkrankten gibt es einen deutlichen Weiterbildungsbedarf bei Kulturpädagogen/innen, Künstler/innen und Pflegekräften.

5. Kulturelle Bildung

Ein fünftes großes Thema ist kulturelle Bildung im Alter. Wer im Alter künstlerisch oder kul-turell aktiv wird, bildet sich. In allen Gesprächen mit kulturell Aktiven strahlten die Augen, wenn berichtet wurde, wie durch den ersten Schritt in einer Tanzgruppe, auf eine Bühne, hinter eine Kamera oder vor ein Mikrophon Herzklopfen und Ängste überwunden wurden, wie Ideen und Techniken erst schwer und dann leichter umzusetzen waren, wie viel Be-geisterung dabei war und das Gefühl erzeugte zu wachsen, klarer und selbstbewusster dazustehen und mit anderen in einen fruchtbaren Austausch zu kommen. Dies sind Bil-dungsprozesse im klassischen Sinne, die weit über reines Lernen hinausgehen. So ver-standene kulturelle Bildung öffnet die große Chance, sich auch im Alter zu entwickeln und jenseits von Verwertbarkeitsfragen etwas zu tun, das „Sinn“ macht. Die so gern genannten Schlüsselkompetenzen werden hier „ganz nebenbei“ entwickelt, z.B. Gedächtnis, Koordi-nationsfähigkeit, körperliche Präsenz, Sprache, Umgang mit Medien, emotionale Aus-drucksfähigkeit und Fantasie. Wir wissen jedoch noch zu wenig darüber, wie ältere Men-schen künstlerische Techniken lernen, wie ihnen gute Arbeitsweisen im Tanz-, Musik- oder

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Theaterbereich vermittelt werden können. Hier brauchen wir sowohl im Bereich der Bil-dungsforschung als auch in der Aus- und Weiterbildung der Fachleute mehr Initiativen und Raum für Methodenentwicklung.

6. Von Europa lernen

Der demografische Wandel ist ein globales Phänomen - Europa altert tatsächlich kollektiv. Es war darum sehr förderlich, dass das IBK zu Beginn des Jahres 2005 durch eine Förde-rung durch das Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes NRW die Gelegenheit bekam, ein europäisches Netzwerk zum Thema Kultur im Alter, „age-culture.net“, aufzubauen. Die wichtigste Erfahrung: in anderen europäischen Ländern gibt es viele innovative Ideen im Schnittfeld von Kultur und Alter – und: unsere europäi-schen Nachbarn sind an Zusammenarbeit und Austausch sehr interessiert. Für die Akteure in NRW ergab und ergibt sich hieraus Gelegenheit zum Fachaustausch mit europäischen Kollegen und eine Plattform, auf der zahlreiche Initiativen für eine engere Zusammenarbeit entwickelt wurden (www.age-culture.net).

Eckpunkte für eine zukunftsfähige Entwicklung Das Projekt mehrkultur55plus konnte einen Beitrag dazu leisten, dass die Tatsache, dass eine immer größere Zahl von Menschen gesund, gebildet und relativ gut sozial abgesichert die Lebens-phase ab 55 als zivilisatorische Errungenschaft gesehen wird. Kunst und Kultur, das wurde vielfäl-tig deutlich, sind wichtige Medien, um eine Gesellschaft des langen Lebens zu gestalten. Damit dies gelingt, müssen günstige Rahmenbedingungen geschaffen werden. Aus den Erfahrungen von mehrkultur55plus können fünf Eckpunkte für eine zukunftsfähige Entwicklung im Bereich Kultur und Alter genannt werden:

�� Die Entwicklung von Kulturangeboten für Ältere darf nicht auf Kosten von Angeboten für die Jüngeren gehen. Nicht zuletzt, weil künstlerisches und kulturelles Engagement im Alter am nachhaltigsten gefördert werden, wenn Menschen schon als Kinder oder Jugendliche positive Erfahrungen mit Kunst und Kultur gemacht haben. Dies ist u.a. ein Ergebnis der im Rahmen des Projekts durchgeführten Pilotstudie.

�� Kultur als Lebensmittel auch im Alter muss für Menschen aller gesellschaftlichen Gruppen zugänglich sein. Das Kulturinteresse und das kreative Potenzial von bildungsfernen, weni-ger mobilen und finanzkräftigen Älteren muss durch öffentlich geförderte Zugänge gestärkt werden.

�� Zahlreiche hoch motivierte ältere Menschen bringen neue Impulse in die Kulturszene. Sie können jedoch professionelle Arbeitsfelder und Strukturen nicht ersetzen. Vielmehr bedarf es neuer professioneller Kenntnisse und Ressourcen, um ehrenamtliche Aktive in eine öf-fentliche Struktur erfolgreich einzubinden.

�� Wir brauchen eine neue Initiative in der Bildung, Forschung und Weiterbildung - auch auf europäischer Ebene -, damit zeitgemäße Angebote, Formate, Strukturen und Methoden in Kunst und Kultur entwickelt werden können, die an die Nutzergruppen einer „alternden Gesellschaft“ angepasst sind.

�� Wichtig ist die Vernetzung dieses interdisziplinären gesellschaftlichen Feldes: Anbieter und Kunden, ehrenamtliche und professionelle Kräfte, Experten aus dem Kultur- und Sozialbe-reich, aus Lebenswelt und Wissenschaft.

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Die Homepage des Projekts „mehrkultur55plus“

Überregionale Aktivitäten

Die Informations- und Marketingkampagne Als eines der wesentlichen Ziele des Projektes wurde formuliert, Kulturanbieter und Kulturwirtschaft besser über Bedürfnisse und Möglichkeiten älterer Kulturnutzer/innen zu informieren.

Informations- und Forschungsbedarf an der Schnittstelle Senioren/innen und Kultur

Im Unterschied zu der Zielgruppe „Jugendliche und junge Erwachsene“ entstehen zielgruppenspe-zifische Marketingstudien und -konzepte zu älteren Kunden/innen erst in den letzten Jahren im Zuge des allgemeinen Booms der Seniorenwirtschaft. Informationen und Marketingkonzepte, die sich dabei konkret auf den Kulturbereich und seine Erfordernisse beziehen, sind jedoch nach wie vor rar. Aus diesem Grunde konnte bei der Realisierung dieses Projektbausteines nur zum gerin-gen Teil auf vorliegende Untersuchungen und Marketingkonzepte zurückgegriffen werden. So er-wies es sich beispielsweise als schwierig, kompetente und erfahrene Referenten/innen für das Thema Kulturmarketing für ältere Zielgruppen zu akquirieren. Zwar gibt es mittlerweile Exper-ten/innen für Kulturmarketing und für Seniorenmarketing, jedoch finden sich nur wenige Fachleute, die beide Bereiche abdecken. Vielfach erreichen Marketingspezialisten Kulturanbieter nicht, weil ihre Sprache und Ziele sowie ihr Habitus nicht das Selbstverständnis der Kulturleute treffen.

Marketing für ältere Zielgruppen

Marketingstudien und -konzepte aus anderen Bereichen der Seniorenwirtschaft und der Marktfor-schung wurden ausgewertet und auf die Schnittstelle Senioren und Kultur übertragen. Die gewon-nenen Erkenntnisse wurden in Vorträgen, Fachbeiträgen und Veröffentlichungen an Kulturwirt-schaft, Kulturinstitutionen und Kulturpolitik weitergegeben. Hier zeigte sich ein großer Informations- und Beratungsbedarf – sowohl bei Kulturveranstaltern als auch in der Kulturverwaltung. Bemer-kenswert ist die bundesweite Resonanz der Informations- und Marketingkampagne, die zeigt, dass das Land Nordrhein-Westfalen beim Thema Kultur und Alter eine Vorreiterrolle eingenommen hat.

Internetauftritt

Ein zweites wichtiges Instrument der Informations- und Marketingkampagne war die Internetseite des Projektes mehrkultur55plus, auf der umfangreiches Informationsmaterial und Projektbeispiele zu finden sind. Die Internetseite ist eine wichtige Kommunikationsschnittstelle, die Interessierten zu persönlicher Kontaktaufnahme animiert hat.

www.ibk-kultur.de/senioren

Neben Information und Beratung zu Bedürfnissen und Möglichkeiten älterer Kulturnutzer/innen sollten interessierten Kulturmachern Ideen und Praxisbeispiele aus dem In- und Ausland zugäng-lich gemacht werden.

Um dem allgemein geäußerten Defizit nach Informationsmöglichkeiten für ältere Menschen in Be-zug auf aktuelle Kulturangebote abzuhelfen, wurde auf der Projekthomepage ein Terminkalender installiert sowie ein Informationspool mit Anbietern kultureller Bildungsangebote.

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„Kultur ist ein Lebensmittel.“ Foto: Kirsten Witt

Viele dieser „Kulturdienstleister/innen" sind mobil und können auch in Senioreneinrichtungen, zu Vereinen oder auch in private Haushalte kommen. Im Bereich „Service“ auf der Internetseite: www.ibk-kubia.de wird dieser Pool weiter ausgebaut.

Positionspapiere - Handreichungen - Beratung

Neben Vorträgen und Präsentationen wurden Positionspapiere und Handreichungen für die Praxis erstellt und verbreitet. Dazu zählt beispielsweise das Positionspapier „Kulturelle Bildung und De-mografischer Wandel“ des Instituts für Bildung und Kultur sowie die Mitarbeit am Positionspapier des Deutschen Kulturrates zu Kultur und demografischem Wandel (beschlossen im Januar 2007).1 In Form von Handreichungen erhielten Praxisvertreter konkrete Hilfen und Anregungen für das Themenfeld Kultur und Alter.

Die telefonische und persönliche Beratung Interessierter wurde mit fortschreitendem Projektverlauf und wachsender Bekanntheit des Projektes ein zunehmend wichtiger Teil der Arbeit. In zahlreichen Beratungsgesprächen konnten für konkrete Anforderungen vor Ort Hilfen gegeben und Partner für die Zusammenarbeit vor Ort vermittelt werden. Die Präsenz des Projektes mehrkultur55plus auf den Seniorenmessen „Vitactiv“ in Essen (November 2005) und „Deutscher Seniorentag“ in Köln (Mai 2006) trug zur weiteren Nachfrage nach telefonischer Beratung bei. Häufige Themen bei die-sen Beratungsgesprächen war die richtige Ansprache der Zielgruppe, eine genauere Profilierung des Angebotsspektrums für verschiedene Zielgruppen, die richtige Nutzung der verschiedenen Medien oder auch die verbesserte Gestaltung von Service und Rahmenbedingungen.

Impulse für ein verändertes Altersbild

Aufbauend auf der Informations- und Marketingkampagne gab das Projekt mehrkultur55plus Im-pulse um das Bild vom Alter in der Öffentlichkeit und den Medien realistischer, positiver und diffe-renzierter zu gestalten. Dies zielte auf verschiedene Ebenen:

�� in der allgemeinen Öffentlichkeit, deren Altersbild vor allem durch die Medien geprägt wird,

�� bei Kunst- und Kulturschaffenden sowie Mitarbeiter/innen von Kulturbetrieben, deren Al-tersbild Einfluss auf die Gestaltung und Kommunikation von Kulturangeboten hat,

�� bei Senioren/innen selbst, deren eigenes Bild vom Alter sich auf die Lebensqualität und das Zusammenleben in der Gesellschaft auswirkt.

Corporate Identity

Für die Wirkung des Projektes in der Öffentlichkeit war die Ent-wicklung einer Corporate Identity (CI) wichtig. Sie geht von der Grundidee „Kultur ist ein Lebensmittel“ aus (Motiv „Apfel“) und betont in ihrem Design Frische und Lebendigkeit (orange und weiß).

Um den sperrigen ursprünglichen Projekttitel „Öffnung der Kul-turwirtschaft für Senioren/innen und Senioren“ leichter zugäng-lich zu machen, wurde die „Marke“ mehrkultur55plus geschaf-fen. Sie drückt das Projektziel prägnant und klar aus. Auch die Internetseite ist entsprechend der Projekt-CI gestaltet. Fotos und Testimonials von kulturaktiven Senioren dienen als Ein-stieg.

1 „Kultur und demografischer Wandel: Konsequenzen für kulturelle Bildung und Soziokultur", beschlossen vom Deutschen Kulturrat in der Sitzung am 18.01.2007. Der Text basiert auf einer Vorlage einer Arbeitsgruppe des Kulturrates mit Dr. Karl Ermert, Bundesakademie für kulturelle Bildung Wolfenbüttel, Gerda Sieben, Institut für Bildung und Kultur, Remscheid und Christiane Ziller, Bundesvereinigung Soziokultureller Zentren, Berlin.

Beide Papiere unter http://ibk-kubia.de/index.php?option=com_docman&task=cat_view&gid=128&Itemid=62

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Publikum bei „100 Learners in the Arts“ in Stirling, Schottland, Foto: Kirsten Witt

Die Seite wirkt frisch, lebendig und dynamisch. Es lassen sich verschiedene Schriftgrößen einstel-len.

Das Motto „Entfalten statt liften!“ betont einerseits die persönlichkeitsstärkenden Potenziale kultu-reller Aktivität im Alter und rekurriert andererseits ironisch auf den Anti-Ageing-Boom. Das einpräg-same Motto wurde bei der Pressearbeit eingesetzt, auf Banner und Plakate gedruckt und auf Tra-getaschen in die Öffentlichkeit getragen.

Zielgruppe: Allgemeine Öffentlichkeit

Um die allgemeine Öffentlichkeit zu erreichen, wurden Journalisten und Medienvertreter aus Pres-se und Rundfunk stark in alle Arbeitsbereiche des Projektes einbezogen, denn zunächst war es wichtig, vielseitige Hintergrundinformationen zu liefern, Journalisten für das Thema zu interessieren und als Mitstreiter der Imagekampagne zu gewinnen. So nahmen Journalisten an regionalen Run-den teil oder wurden gezielt als Moderatoren für Diskussionsveranstaltungen gewonnen. Mit re-gelmäßigen Presseinformationen, die einen umfangreichen landesweiten Presseverteiler bedien-ten, wurde nach und nach ein facettenreiches Bild vom Thema Alter und Kultur gezeichnet. An der Resonanz auf einschlägige Artikel ließ sich ablesen, dass das Thema beim Publikum auf großes Interesse stieß. Auch in den Regionen leisteten die Dialogmoderatoren/innen intensive Pressear-beit und informierten in den lokalen Medien über Kulturaktivitäten älterer Menschen, innovative Angebotsformen und gute Praxisbeispiele. Sie unterstützten lokale Kulturanbieter dabei, neuartige Angebotsformen bei älteren Zielgruppen über die Medien bekannt zu machen.

Zielgruppe: Kunst- und Kulturanbieter/innen

Um das Altersbild der Kunst- und Kulturanbieter realistischer und positiver werden zu lassen, er-wies sich der konkrete Dialog zwischen Kulturvertreter/innen und Senioren/innen als besonders effektiv. Im persönlichen Austausch über konkrete Veranstaltungen, über Bedürfnisse und Interes-sen, bezogen auf das Angebot vor Ort, zeigten sich sehr schnell Defizite und Entwicklungsmög-lichkeiten. Dank der regionalen Dialogstruktur des Projektes mehrkultur55plus konnten gemeinsam entwickelte Ideen auch direkt umgesetzt werden.

Ältere im Publikum – eine Menge Klischees

Zu den meist verbreiteten Klischees, die bei Kultur-veranstalter/innen vorzufinden sind, zählen Folgen-de: Ältere suchen vorzugsweise Unterhaltungsan-gebote auf; sie sind unflexibel, passiv und unbeweg-lich; sie interessieren sich nicht für Neues und wol-len kein Geld für Kultur ausgeben; sie wünschen sich Matineen oder Nachmittagsvorstellungen und schrecken vor allem jüngere Kulturbesucher ab.

Das Gegenteil ist der Fall: Ältere interessieren sich verstärkt für Kulturangebote, die eine Auseinander-setzung mit relevanten Themen ermöglichen und haben einen hohen Bildungsanspruch an Kulturver-anstaltungen. Sie möchten Neues lernen und sind bereit, sich auf Unbekanntes einzulassen.

Das zeigen u.a. Sinus Milieustudien, Besucherstatistiken und die im Projekt erstellte qualitative Pilotstudie. Einerseits gibt es kaum Rollen-Vorbilder für das „Neue Alter“ mit seinen scheinbar un-begrenzten Möglichkeiten. Auf der anderen Seite ist der eigene Anspruch der jetzt älter werdenden Generation an Selbstverwirklichung sehr hoch.

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Daher suchen viele in der aktiven Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur Orientierungsmöglich-keiten für ihren persönlichen Lebensweg. Kunst und Kultur bieten dafür Experimentierfelder, in denen lustvoll und spielerisch – aber dennoch mit dem notwendigen Ernst und Tiefgang – ver-schiedene Herangehensweisen an Lebensthemen ausprobiert und reflektiert werden können. Je nach Vorliebe geschieht dies allein oder gemeinsam mit Anderen, selbstorganisiert oder moderiert von professionellen Kulturvermittlern.

Ältere Kulturnutzer sind mehrheitlich mobil und engagiert – für diejenigen, die es nicht sind, müs-sen gleichwohl eigene Angebotsstrukturen entwickelt werden. Häufig engagieren sich mobile Seni-oren/innen für in ihrer Bewegung eingeschränkte Altersgenossen/innen. Die finanzielle Situation stellt für die Mehrheit der heutigen Senioren/innen keine Barriere für die Kulturnutzung dar. Häufig werden Angebote auch nach dem Motto „was nichts kostet, ist auch nichts wert!“ bewertet. Den-noch sollten Kulturveranstalter Sensibilität für finanziell eingeschränkte Nutzergruppen zeigen. Dabei ist von einer pauschalen Seniorenermäßigung jedoch abzuraten. Nachmittags-veranstaltungen erreichen nur einen bestimmten Teil älterer Menschen. Die meisten bevorzugen, zusammen mit dem „ganz normalen“ Publikum Kultur zu besuchen.

Wenn Nachmittagsveranstaltungen angeboten werden, sollten sie möglichst nicht mit dem aus-grenzenden Label „Für Senioren“ bezeichnet werden. Hartnäckig hält sich auch die Angst, dass man als Kulturveranstalter jüngere Zielgruppen verschreckt, wenn man stärker auf Ältere zugeht. Die Praxis zeigt jedoch, dass die bessere Ausrichtung auf die Bedürfnisse und Interessen von Se-nioren/innen allen Publikumsgruppen zu Gute kommt. Die tatsächlichen Wünsche beziehen sich nämlich auf der inhaltlichen Ebene vorrangig auf die künstlerische Qualität, die geistige Herausfor-derung; auf der Vermittlungsebene auf Professionalität, pädagogische Qualifikationen, gute Aufbe-reitung von Hintergrundinformationen und den Kontext. Im Bereich der Rahmenbedingungen wer-den freundliches und kompetentes Personal, persönlicher Kontakt, komfortabler Ticketkauf, einfa-che und übersichtliche Informationen, angenehmes Ambiente etc. genannt – Qualitätsmerkmale, die alle Generationen zu schätzen wissen.

Mit Vorurteilen aufräumen

Die oben genannten Vorurteile überhaupt erst als solche bewusst zu machen, bedeutete vielerorts einen langwierigen Prozess zu moderieren. Da im Laufe des Projekts das Thema Demografischer Wandel zunehmend in den Feuilletons diskutiert wurde und vor allem auch in den Kommunen Ge-hör fand, stieg die Bereitschaft zur Beteiligung in der zweiten Projekthälfte deutlich an. Häufig war auch zu beobachten, dass Mitarbeiter öffentlicher Kultureinrichtungen angehalten wurden, sich mit älteren Zielgruppen stärker zu beschäftigen. Durch die entstandenen konkreten Kooperationen vor Ort, die durch das Projekt initiiert, begleitet und unterstützt wurden, entstanden lokale Netzwerke, die vielerorts auch nach Projektende weitergeführt werden.

Freiwilliges Engagement von Senioren/innen

Es konnten, nach Analyse der konkreten lokalen Strukturen und Anforderungen, gezielte Konzepte und Strategien der Kulturentwicklungsplanung in Bezug auf die Kulturinteressen Älterer entwickelt werden. Eine wichtige Rolle spielt in diesem Zusammenhang die angemessene Einbeziehung frei-willigen Engagements von Senioren/innen im kommunalen oder regionalen Kulturleben. Immer mehr Ältere organisieren ihre Kulturaktivitäten und auch Angebote für Jüngere in Eigenregie. Dies geschieht mit hohem Anspruch und großem Einsatz, was aber von öffentlicher Seite nicht als Ein-sparpotenzial, sondern als gesellschaftlicher und kultureller Gewinn gesehen werden sollte. Kultur-einrichtungen brauchen Unterstützung und Qualifizierung, um Ehrenamtliche besser einbinden zu können. Kulturaktive Senioren/innen benötigen bessere Informationsmöglichkeiten, qualifizierte Ansprechpartner bei den Kultureinrichtungen, finanzielle Aufwandsentschädigung, Räume, Foren und Plattformen des Austauschs und der Vernetzung. Gerade in ländlichen Gebieten wird das Kulturangebot bereits heute und schon seit langem in großem Maße von älteren Menschen auf ehrenamtlicher Basis organisiert – leider häufig unter schwierigen Rahmenbedingungen und mit zu wenig öffentlicher und kommunaler Anerkennung.

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Zielgruppe: Senioren/innen

Nie war das Thema „Alter“ so en vogue wie gegenwärtig. Umso größer wird der Druck als Angehö-riger der Generation „55plus“ eine eigene persönliche Haltung zum Lebensabschnitt „Alter“ zu ent-wickeln. Wie bereits ausgeführt, bietet kulturelle Aktivität hier ein reiches Experimentierfeld. Das Projekt mehrkultur55plus hat versucht, älteren Menschen eine Plattform zu bieten, ihr eigenes Al-tersbild mit künstlerischen und kulturellen Mitteln zu entwickeln und sich vor allem damit auch öf-fentlich zu positionieren.

Ältere Künstler/innen und Kulturschaffende

Eine große Rolle hat in diesem Zusammenhang die Unterstützung älterer Künstler/innen und Kulturschaffender selbst gespielt. Denn diese Menschen sind lebendige Beispiele für ein neues, kreatives Bild vom Alter als einer Lebensphase, die neue Spielräume, neue Frei-heiten und zahlreiche Entwicklungsmöglichkeiten bietet.

Älteren Künstler/innen wurden Auftrittsmöglichkeiten als auch ein Forum zur Präsentation ihrer Angebote auf der Projekthomepage geboten. Das Projektteam war darüber hinaus behilflich bei der stärkeren Vernetzung von älteren Kulturschaffenden mit anderen lokalen Akteuren vor Ort. Dennoch ist die wirtschaftliche Absicherung älterer Künstler/innen vielfach prekär. In einigen Kunstsparten (z.B. Tanz) wird es mit zunehmendem Alter immer schwieriger Engagements zu bekommen und sich auf einem sehr dynamischen, an Jugend orientierten Markt zu behaupten. Viele haben zunehmend Probleme, die geringe Planbarkeit der Arbeitssituation als freier

Unternehmer/Künstler zu managen. Kommen dann Phasen mit ge-sundheitlichen Einschränkungen hinzu, kann der Anschluss an den Kunstmarkt verloren gehen. Vielfach haben Künstler/innen dadurch keine ausreichende Alterssicherung. (vgl. Dangel/ Piorkowsky 2006)

Einbindung der Seniorenvertreter/innen

Ein wichtiger Partner bei dem Anliegen, das Altersbild der Senioren/innen selbst weiter zu entwi-ckeln, waren die Seniorenverbände wie die BAGSO (Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenor-ganisationen), die Landesseniorenvertretung NRW sowie die kommunalen Seniorennetzwerke in den beteiligten Projektregionen (z.B. Seniorenbeiräte). Die Seniorenorganisationen zeigten eine große Offenheit für das Thema Kultur und Alter und unterstützen das Projektanliegen auf allen Ebenen. Große öffentliche Wirkung hatte die Präsenz des Projektes während des Deutschen Seni-orentags in Köln, an dem rund 2.000 Besucher/innen sich über Möglichkeiten, kulturell aktiv zu werden, informierten. Dabei wurde das Angebot des Projektes mehrkultur55plus von den Besu-cher/innen des Deutschen Seniorentags als wohltuendes Kontrastprogramm zu den sonstigen, teilweise eher defizitorientierten Themen der Messe empfunden. Hier zeigte sich, dass der Kultur-bereich ein Feld ist, mit dem es besonders gut gelingt, die Potenziale des Alters zu verdeutlichen.

Die Tänzerin Sônia Mota bei ihrem Auftritt im Rahmen der

Fachtagung in Köln Foto: Jan Schmolling

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Qualifizierungsmaßnahmen Vortrags- und Workshopreihe

Als ein Umsetzungsbaustein auf der überregionalen Ebene wurde vom IBK in Zusammenarbeit mit den Dialogmoderatoren/innen vor Ort eine Vortrags- und Workshopreihe entwickelt. Dazu wurde zunächst der regionale Bedarf an Information und Weiterbildung recherchiert. Das Programm um-fasste Vorträge und Workshops rund um das Thema Kulturmarketing für ältere Zielgruppen, Vor-träge und Workshops zu Ansätzen kultureller Aktivitäten für Alt und Jung, Vorträge zu innovativen Angebotsformen, die ältere Kulturinteressierte als Multiplikatoren gewinnen, sowie eine Lesung mit Diskussion zum Wandel des Altersbildes. Diese Veranstaltungen fanden in allen Regionen statt und wurden über die regionalen Netzwerke und Verteiler sowie in öffentlichen Medien beworben.

Durch die Arbeit in den Regionen zeigte sich immer wieder Bedarf an zusätzlichem Wissen, u.a. zu folgenden Themen:

�� Eckpunkte der Alterssoziologie und der soziologischen Forschung zum Freizeit-verhalten Älterer

�� Seniorenmarketing

�� Fördermöglichkeiten für Kulturprojekte mit Älteren

�� Methoden der Kulturarbeit mit Älteren

�� Formen der generationenübergreifenden Arbeit

�� Methode Zukunftswerkstatt

Mit der Vertiefung eines Themenfeldes in einer Region wurden spezielle Qualifizierungsbausteine entwickelt und angeboten, so z.B. Seminare in den Bereichen Seniorenmarketing, Kultur-tourismus, Öffentlichkeitsarbeit, ältere Frauen und Kultur oder Methoden der Ideenentwicklung und Prozessbegleitung.

Der Flyer zur Vortragsreihe

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Der Projekt-Beirat Für das Projekt konnte ein Beirat mit Vertreter/innen aus Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft, Wohl-fahrtsverbänden und Seniorenorganisationen gewonnen werden.

Die Mitglieder des Beirats gaben wertvolle Hinweise, stellten eine Vielzahl von Kontakten her und machten das Projekt in ihrem Wirkungsbereich bekannt. Der Beirat tagte fünfmal im Projektzeit-raum. An zwei Sitzungen des Beirates nahm die Ministerin Birgit Fischer bzw. der Minister Armin Laschet teil. Auch bei der Planung und Durchführung der Tagungen des Projektes haben sich Bei-ratsmitglieder aktiv beteiligt. Durch den Beirat konnte der Dialog zwischen den Handlungsfeldern Senioren-, Kultur- und Sozialpolitik in wirkungsvoller Weise interdisziplinär fruchtbar werden.

Beiratsmitglieder:

Dr. Hans-Georg Bögner SK Stiftung Kultur, Geschäftsführer / Kulturrat NRW e.V., Vorstand

Hans Georg Crone-Erdmann

Vereinigung der Industrie- und Handelskammern in Nordrhein-Westfalen, Hauptgeschäftsführer

Dr. Claus Eppe Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen, Referatsleiter, Medienkompetenz, Seniorenwirtschaft

Prof. Dr. Max Fuchs Akademie Remscheid, Direktor / Deutscher Kulturrat, Vorsitzender

PD Dr. Josef Hilbert Institut für Arbeit und Technik Gelsenkirchen, Forschungsschwer-punkt Gesundheitswirtschaft und Lebensqualität, Direktor

Ruth Hunecke Landesseniorenvertretung NRW, Stellvertretende Vorsitzende

Dr. Thomas Köster Nordrhein-Westfälischer Handwerkstag (NWHT), Hauptgeschäftsführer

Karin Nell Projektwerkstatt für innovative Seniorenarbeit, Leiterin

Birgit Ottensmeier Bertelsmann Stiftung, Leben und Wohnen im Alter

Prof. Dr. Eckart Pankoke † Universität Duisburg-Essen, Institut für Soziologie

Peter Rose Dezernent für Kultur, Jugend und Soziales a.D. der Stadt Gelsenkirchen

Andreas Roters Städtenetzwerk NRW, Geschäftsführer

Jutta Stratmann Agentur ProSe, Geschäftsführerin

Thomas Tenambergen Paritätischer Wohlfahrtsverband NRW, Fachbereich Arbeit, Leiter

Bernd Wagner Kulturpolitische Gesellschaft Bonn, Institut für Kulturpolitik, Leiter

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Der IBK Vorsitzende Prof. Dr. Max Fuchs, die Staatssekretärin Dr. Marion

Gierden-Jülich, die Kölner Bürgermeiste-rin Elfi Scho-Antwerpes und Dr. Claus

Eppe, MGFFI bei der Abschluss-Tagung in Köln (von links nach rechts)

Foto: Jan Schmolling

Abschlusstagung: „Entfalten statt liften! Kunst und Kultur im 3. Lebensalter“ Kulturbegeisterte ältere Menschen, Kulturanbieter und Fachvertreter der kulturellen Bildung sowie Interessierte aus der Seniorenarbeit trafen sich im Januar 2007 in der Alten Feuerwache in Köln, um Potenziale von Kunst und Kultur im 3. Lebensalter zu diskutieren und live zu erleben.

Eine der wichtigsten Botschaften der Tagung war, dass die Gestaltung des demografischen Wan-dels eine zentrale Zukunftsaufgabe unserer Gesellschaft ist und jede/n Einzelne/n betrifft. Die Teil-nehmer konnten sich einen Eindruck davon verschaffen, welch reichhaltigen Fundus Kunst und Kultur dafür bieten und welche Innovationskräfte sie freisetzen. Anhand der Erfahrungen und Bei-spiele im Projekt mehrkultur55plus schilderte die Leiterin des Instituts für Bildung und Kultur, Gerda Sieben, dass kulturelle Aktivität für Menschen aller Generationen ein Weg zur aktiven Teilhabe an der Gesellschaft ist. Deutlich wurde, dass künstlerische Erfahrung Alt und Jung gleichermaßen motiviert und Gefühlen von Ohnmacht und Fremdbestimmtheit entgegen wirkt. Kultur regt Kommu-nikation an, auch zwischen den Generationen sowie zwischen aktiven und weniger mobilen älteren Menschen.

Dr. Marion Gierden-Jülich, Staatssekretärin im Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration betonte in ihrer Eröffnungsrede, dass das Land NRW diese Potenziale erkannt habe und das Thema Kultur und Alter in Zukunft weiter fördern und begleiten wolle. Auch die Industrie- und Handelskammern in NRW sähen, so Hauptgeschäftsführer Hans Georg Crone-Erdmann, den großen Bedarf an integrativen gesellschaftlichen Initiativen angesichts demografischer Veränderungen und Globalisierung.

Die Kölner Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes forderte positive Bilder vom Alter. Die überwältigende Vielfalt von Kulturaktivitäten älterer Menschen – sei es als Kulturvermittler, ältere Künstler oder ehrenamtliche Mitarbeiter - die während der Tagung zu erleben war, sei lebendiger Beweis, dass Ältere ein Motor für die Kultur-szene sind.

Dies wurde besonders in den künstlerischen Beiträgen der Tagung deutlich: Das Altentheater des FWT Köln mit Szenen aus „Alle Tage Sonntag?“ begeisterte das Publikum und beeindruckte als Amateurtheater mit seinem hohen künstlerischen Niveau. Sônia Mota zeigte einen Ausschnitt aus ihrem aktuellen Tanztheaterstück „Vi-Vidas“. Mit 58 Jahren selbst eine ältere Kulturschaffende, berichtete sie den Teilnehmer/innen von ihren Erfahrungen.

Prof. Dr. Max Fuchs, Vorsitzender des IBK, erläuterte die Zukunftsaufgaben im Praxisfeld Kultur und Alter wie z.B. Beratung, Weiterbildung und Vernetzung. Einen Schwerpunkt der zukünftigen Arbeit des IBK (im Arbeitsbereich kubia – Europäisches Zentrum für Kultur und Bildung im Alter) bildet die Weiterbildung von Kulturpädagogen für die Arbeit mit älteren Zielgruppen. Darüber hin-aus werden beispielsweise Kommunen und Kultureinrichtungen beraten, wie sie erfolgreich Ange-botsstrukturen für alle Generationen entwickeln können.

Waren Kulturanbieter im Jahr 2004, als das Projekt mehrkultur55plus startete, noch zurückhaltend, sich für ältere Publikumsgruppen zu öffnen, lässt sich heute in dieser Hinsicht eine Aufbruchstim-mung beobachten. Kulturmacher sind mit Senioren/innen ins Gespräch gekommen und stellen fest, dass ältere Kulturinteressierte ein attraktives, belebendes und vielseitiges Publikum sind. Immer größer wird die Nachfrage nach Möglichkeiten, selbst aktiv zu werden: sei es künstlerisch oder organisatorisch. Entsprechende Angebote zum Mitgestalten oder im Bereich der kulturellen Bildung haben enormen Zulauf. Oliver Tettenborn von den Wuppertaler Bühnen berichtete von seinen Er-fahrungen mit dem „Club Theatersilber“. Karin Nell, Koordinatorin im EFI Programm NRW, stellte

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Das Plakat zur Abschluss-Tagung, Foto: Esther Haase

ein Aktivierungs- und Weiterbildungsmodell vor. Es nutzt künstlerische Herangehensweisen, um mit engagierten Älteren sehr persönliche Projekte zu entwickeln.

Dr. Angelika Kordfelder, Bürgermeisterin in Rheine, zeigte am Beispiel ihrer Stadt auf, wie der de-mografischen Wandel als kommunale Gesamtaufgabe erkannt und auf den verschiedenen Ebenen der Verwaltung und in Entscheidungsgremien umgesetzt werden kann. Das Schlüsselwort in die-sem Prozess ist „Lebensqualität“. Auf welche Weise Kulturinstitutionen anderer Kommunen in NRW auf die Herausforderungen eines sich wandelnden Kulturpublikums reagieren, erläuterte Dr. Christian Esch, Direktor des NRW Kultursekretariats. Das NRW Kultursekretariat hat unter dem Titel „Kultur und Alter“ die Auseinandersetzung mit dem Thema weitergeführt. Almuth Fricke, die beim Institut für Bildung und Kultur das europäische Netzwerk age-culture.net koordiniert, berichte-te von innovativen Ansätzen und guten Beispielen aus Schottland, Irland, den Niederlanden und Österreich.

Vier Foren am Nachmittag boten Gelegen-heit, mit Gesprächspartnern aus der Praxis konkrete Fragestellungen zu diskutieren. Themen waren die Qualifizierung von Fachkräften der kulturellen Bildung für Ältere, Kulturmarketing für ältere Zielgrup-pen, generationsübergreifende Konzepte und Erfahrungen der Selbstorganisation kulturell-künstlerischer Aktivitäten.

Das Verhältnis von Kulturinstitutionen zu kulturell aktiven Älteren, die selbst Angebote realisieren und als Multiplikatoren wirken, wurde im Rahmen der abschließenden Po-diumsdiskussion thematisiert. Beteiligt wa-ren Bernd Wagner (Institut für Kulturpolitik, Bonn), Ruth Hunecke (Landesseniorenver-tretung NRW), Gerda Sieben (IBK), Katja Lämmerhirt (professionelle Märchen-erzählerin und Leiterin eines Kulturstammti-sches) sowie Klaus Bremen (Gesellschaft für Soziale Projekte im Paritätischen Wohl-fahrtsverband).

Fazit: Die selbstbewussten und kompeten-ten Älteren in die Einrichtung einladen, sie angstfrei einbinden – das eröffnet Möglich-keiten für die Gewinnung neuer Besucher. Voraussetzung ist, dass dieses neue Arbeitsfeld auch professionell solide veran-kert wird.

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Die Prozesse in den Projektregionen

Gesamtkoordination

Da es sich bei dem Projekt mehrkultur55plus um ein landesweites und dezentrales Projekt handel-te, war zu Beginn des Projekts der Aufbau einer Organisationsstruktur notwendig, die eine Modera-tion und Stärkung der regionalen und überregionalen Vernetzungsprozesse möglich machte. Die Gesamtkoordination lag beim Institut für Bildung und Kultur (IBK).

Zu den Aufgaben der Gesamtkoordination gehörte, die entstehenden Teilprojekte bei Ausbildung ihres jeweiligen spezifischen Profils zu unterstützen, die Schwerpunktthemen und Teilprojekte kon-tinuierlich im Blick zu behalten und dabei durch Impulse und Anregungen Dynamik in die regiona-len Entwicklungen zu bringen. Zusätzlich wurde der Austausch und Informationstransfer in und unter den regionalen Netzwerken gefördert.

Das IBK war zudem behilflich bei Aufgaben der Logistik, der Öffentlichkeitsarbeit und beim Einwer-ben von Fördermitteln und regte zu Evaluation und Dokumentation der regionalen Prozesse an.

Das System der Dialogmoderation Das Projekt startete im Mai 2004 zunächst mit vier Regionen, die bis April 2006 aktiv sein sollten: Rheinschiene, Ruhrgebiet, Münsterland und Südwestfalen. Nach Erweiterung des Projektes wur-den im Frühjahr 2005 vier weitere Regionen integriert: Niederrhein, Regio Aachen, Ostwestfalen-Lippe und das Bergische Land.

Als Dialogmoderatoren konnten in allen acht Regionen sowohl Einzelpersonen als auch Institutio-nen gefunden werden, die sich mit großem Engagement für die Umsetzung des Leitgedankens von „mehrkultur55plus“ einsetzten. Es gelang in allen Regionen Partner zu gewinnen, die einen regio-nalen Netzwerkzugang herstellen konnten.

In der ersten Projektphase wurden die Dialogmoderatoren/innen beim Aufbau ihres regionalen Verteilers unterstützt und beraten. Mit ihnen gemeinsam wurden die ersten regionalen Runden geplant und deren Ergebnisse ausgewertet. Entsprechend wurden Inputs und Gastreferenten aus-gesucht, die die Diskussion während der regionalen Runden anregten. Dann wurden regionale Arbeitsschwerpunkte festgelegt, mögliche Kooperationen geplant und Perspektiven entworfen.

Alle Beteiligten haben sich weit über das vereinbarte Maß für das Projekt engagiert. Das Potenzial, das die Aktivierung der Region freisetzte, konnte aber aufgrund der relativ schmalen finanziellen

Dialogmoderatoren/innen:

Region Rheinschiene: Dr. Reinhold Knopp, stadtkonzepte, Düsseldorf

Region Ruhrgebiet: Klaus Bremen, Gesellschaft für Soziale Projekte, Wuppertal

Region Münsterland: Guido Froese, Aktion Münsterland, Münster

Region Südwestfalen: Susanne Thomas, Servicebüro Kulturregion Südwestfalen, Altena; Hans Adolf Müller, Meinerzhagen; Joachim Stöver, Ev. Akadamie Haus Nordhelle, Meinerzha-gen

Region Niederrhein: Maria Ebbers, Kleve / ab April 2005: Claudia Kressin, Kleve

Region Regio Aachen: Gabriele Frohn, Aachen und Regio Aachen

Region Ostwestfalen Lippe: Bettina Rinke, Museumsinitiative OWL e.V., Detmold

Region Bergisches Land: Almuth Fricke, Kommunikationszentrum die börse, Wuppertal, ab Dezember 2005: Gertrud Heinrichs, startpunkt e.V., Wuppertal

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Ausstattung für die regionale Arbeit nicht in allen Fällen voll ausgeschöpft werden. Da die regiona-len Dialogprozesse sehr unterschiedliche Gruppen von Akteuren ansprechen sollten, die Regionen sehr groß waren und stets mehrere Großstädte und einen weiten ländlichen Raum umfassten, war eine flächendeckende Aktivierung nicht möglich, nicht zuletzt weil die beteiligten Regionen unter-schiedliche kulturpolitische Zuständigkeitsbereiche aufwiesen. Besonders wirkungsvoll war die Anbindung der Dialogmoderatoren an die Büros der regionalen Kulturpolitik, die bereits über eine gute Infrastruktur und viel Erfahrung mit ihrer jeweiligen „Landschaft“ mitbrachten (Regio Aachen, Südwestfalen, Münsterland). Die „Mega-Regionen“ Ruhrgebiet und Rheinschiene konnten nur ex-emplarisch über die großen Städte aktiviert werden.

Die in den Regionen neu entstehenden Projekte konnten nicht durch mehrkultur55plus finanziell gefördert werden. Oftmals gab es Zurückhaltung bei Verantwortlichen kommunaler Kulturpolitik im Bildungs-, Sozial- und Kunstbereich die durchaus für gut befundenen Ideen aufzugreifen und eine „neue Zielgruppe“ zu definieren, weil bisher unklar ist, wie zusätzliche Aufgaben in diesem Feld zukünftig finanziert und umgesetzt werden können.

Regionale Aktivitäten - Schwerpunkt: Vernetzen In allen Regionen war der produktive Austausch zwischen Fachleuten aus Verbänden, der kom-munalen Kulturverwaltung, der kulturellen Bildung, dem Sozialbereich, Existenzgründer/innen, Künstler/innen und älteren Kultur interessierten Menschen Voraussetzung für konkrete Umset-zungserfolge. Die Aktivitäten in der Region Südwestfalen und der Region Rheinschiene sollen zur Veranschaulichung gelungener Vernetzungsprozesse im Folgenden näher beschrieben werden.

Synergieeffekte nutzen / Gemeinsam werben – Projektregion Südwestfalen

In Südwestfalen prägt eine enge Verknüpfung zwischen Industrie, Geschichte und Landschaft die Kultur. Dies ist der Ansatzpunkt für die Regionale Kulturpolitik, die Stärken und Eigenarten der Region neu und immer wieder ins Bewusstsein zu rücken und kulturell weiter zu bearbeiten. Die Auseinandersetzung mit der Industrie- und Kulturgeschichte fördert die kulturelle Zusammenarbeit in Südwestfalen.

Diese Zusammenarbeit wird vom Servicebüro der Kulturregion Südwestfalen (finanziert vom Mär-kischen Kreis, dem Kreis Siegen-Wittgenstein, dem Ennepe-Ruhr-Kreis, den Städten Hagen, Iser-lohn, Lüdenscheid und Menden, Siegen sowie dem Land Nordrhein-Westfalen) koordiniert. Das Servicebüro stellte daher einen idealen Partner und Dialogmoderator für das Projekt mehrkul-tur55plus dar.

In der Projektregion Südwestfalen fand zu Beginn des Projektes eine Verständigung über den Themenschwerpunkt „Intergenerationelle Ansätze und Projekte“, regionale Treffen sowie eine Zu-kunftswerkstatt statt.

Ein gutes Beispiel für Vernetzungsaktivitäten, die durch mehrkultur55plus angestoßen wurden, ist das Projekt „Tatort Technik“.

„Tatort Technik“

Neun kleinere Technikmuseen der Region schlossen sich im Herbst 2005 zusammen, um unter dem Motto „Tatort Technik“ Projekte anzubieten, die technische Industriedenkmale als Ausgangs-punkt für generationenübergreifende Angebote nutzt. Großeltern können dabei zusammen mit ihren Enkeln alte Handwerkstechniken erkunden. Die Museen entwarfen einen gemeinsamen Flyer und stellten als Kundenbindungs-Maßnahme einen Museumspass aus, beides unter dem Thema „Tatort Technik”.

Auf diese Weise gelang:

�� Förderung von gemeinsamen Museumsbesuchen von Großeltern und Enkelkindern

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�� Dialog zwischen den Generationen durch Vermittlung von alten Arbeitstechniken (die den Großeltern noch besser bekannt sind als den Eltern) und von Geschichtskultur

�� Dauerhafter Informationsaustausch und gemeinsame Werbung von kleinen Museen in Südwestfalen im Netzwerk

�� Kulturtouristische Inwertsetzung der Kulturregion durch Crossmarketing

�� Entwickeln und Ausprobieren von Werbestrategien zur Erreichung bestimmter Zielgruppen

Das Projekt „Tatort Technik” läuft weiter und wird nach Ende des Projektes mehr-kultur55plus über die Kulturregion betreut. Das Thema für 2007 lautet „Arbeiten wie die Väter” und „Geschichte(n) und Legen-den”.

Ferner werden sich 2007 drei weitere Technikmuseen dem Arbeitskreis an-schließen. „Tatort Technik“ soll mittelfristig in kulturtouristische Marketingstrategien der Region eingebunden werden.

Miteinander Kooperieren / Voneinander lernen - Projektregion Rheinschiene

Die Region Rheinschiene ist fiktiv, real gibt es ein Netzwerk verschiedener Städte. Sie wurde schwerpunktmäßig durch Aktivitäten in Düsseldorf, Köln und Bonn aktiviert. Auch wenn die Vor-aussetzungen in den Städten sehr unterschiedlich waren, sind doch alle geprägt durch ein reiches Kulturleben, eine Vielfalt von Akteuren und Netzwerken sowie eine große Szene aktiver älterer Menschen. Ausgehend von den Vorerfahrungen in Düsseldorf wurden zunächst drei Projektziele formuliert, die auf die Strukturen von Großstädten bezogen waren:

�� Vernetzung zwischen Akteuren aus den Bereichen Kultur und Soziales

�� Austausch von „best practice“-Erfahrungen über die Stadtgrenzen hinaus

�� Formulierung gemeinsamer Projektziele in den Stadtteilen

In Düsseldorf ergaben sich durch zahlreiche Praxisansätze (z.B. Kulturführerschein®, Blauer Mon-tag), die auf der Arbeit der Projektwerkstatt für Innovative Seniorenarbeit des Evangelischen Er-wachsenenbildungswerks Nordrhein (EEB) beruhen, Grundlagen für weitere Vernetzungen zwi-schen Akteuren aus der Sozial- und Kulturarbeit sowie der kommunalen Verwaltungsebene.

Es wurden Veranstaltungen durchgeführt zu den Themen und Arbeitsfeldern:

�� „Das Alter kultivieren“ - Aktionen zum Altersbild

�� Teilnahme Älterer an Aktionen zur kulturellen „Besetzung“ von Düsseldorfer Plätzen

�� Interkulturelle Kunstaktionen

�� Vortragsreihe

�� Kommunale Arbeitsgruppe zum Thema Senioren und Kultur in Düsseldorf

Auch in Bonn und Köln wurden Treffen organisiert, an denen Akteure aus den Bereichen Kultur und Soziales teilnahmen. Akteure aus den jeweils anderen Städten kamen zu den Treffen hinzu und stellten Projekte vor.

In Hinblick auf die oben genannten Ziele sind in den drei Städten völlig unterschiedliche Ergebnis-se zu bilanzieren:

�� In Düsseldorf verlagerte sich das Interesse von den großen Treffen hin zu neuen Koope-rationen in kleineren Gruppen. Hier wurde Unterstützung aus dem Projekt zur Formulie-rung neuer Arbeitsziele und Planungen eingefordert (Workshop zur Beratung des Kultur-

Kontakt und Info: Dialogmoderator: Hans-Adolf Müller, Meinerzhagen E-Mail: [email protected] Koordinierungsstelle Kulturregion Südwestfalen Susanne Thomas, Altena E-Mail: [email protected] www.kulturregion-swf.de http://tatorttechnik.kulturregion-swf.de/

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Kontakt und Info:

Dialogmoderator: Dr. Reinhold Knopp, Düsseldorf E-Mail: [email protected]

Düsseldorf:

PISA – Projektwerkstatt für innovative Seniorenarbeit www.ekir.de/eeb-nordrhein/pisa Düsseldorfer Netzwerke www.netzwerke-duesseldorf.de Museum Kunstpalast Düsseldorf www.museum-kunst-palast.de ZAKK – Zentrum für Aktion, Kultur und Kommunikation www.zakk.de

Bonn:

VHS Bonn www.vhs-bonn.de

Köln:

Theaterpädagogisches Zentrum e.V. www.tpz-koeln.de Kölner Seniorennetzwerke www.seniorennetzwerke-koeln.de Klüngelpütz Kabarett Theater www.kluengelpuetz.de Literaturhaus Köln www.literaturhaus-koeln.de

zentrums zakk, Aktionen mit dem „museum kunst palast“ und der Projektwerkstatt für inno-vative Seniorenarbeit (PISA), Unterstützung des Keywork-Projektes "Kulturzentrum der Generationen" beim Kinder- und Jugendtheater, Beratung des Seniorenbeirates etc.). Am Ende dieser Entwicklungen standen zahlreiche Veranstaltungen aber auch die Benennung eines der ersten Zuständigen für Kultur und Alter in der Kulturverwaltung einer Kommune.

�� In Bonn entwickelten die Akteure der ersten regionalen Runden vielfältige gemeinsame Ziele. Der Plan, eine Senioren-Akademie zu gründen, musste aufgrund von Schwierigkei-ten mit einem überregionalen Kooperationspartner ad acta gelegt werden. Die Idee der Senioren-Akademie wurde dann über die lokalen Volkshochschulen weiter verfolgt. Ein mit dem Zentrum für Altersforschung der Uni Bonn durchgeführter Zielfindungsworkshop brachte als Ergebnis die „Verbesserung der Anbindungen der Kultureinrichtungen zu den weiträumlichen Stadtgebieten über den ÖPNV".

�� In Köln wurden unter dem Stichwort „Offensive Theater“ Vorschläge zur Öffnung der Theater für ältere Menschen in Köln entwickelt und bei der „Theaterkonferenz e.V.“ (Zu-sammenschluss aller Kölner Theaterhäuser und Theatergruppen) vorgestellt. Diese Ver-sammlung mit dem ausgewiesenen Hauptthema der Verbesserung der Angebote für Seni-oren/innen im September 2006 wurde zur Überraschung der Veranstalter stärker von den Seniorennetzwerken als von den Theatern besucht. Sie fand im Kabarett Theater „Klün-gelpütz“ statt, das als direktes Ergebnis dieser Kampagne Angebote speziell für die Ziel-gruppe 55plus entwickelt hat (Hol- und Bring- Service, Vorstellungen am Vormittag, Vor-stellungen für Gruppen, thematische Abstimmung). Das Literaturhaus Köln startete im De-zember 2006 das Projekt „Lesekreis 55plus“. Ein weiterer Themenschwerpunkt war die Nachfrage nach Weiterbildungsangeboten für Fachkräfte aus den Bereichen Kultur und Soziales, die Kunst und Kultur stärker in die Arbeit mit Älteren einbeziehen wollen. Das theaterpädagogische Zentrum Köln startete ein Weiterbildungsmodul „Theaterarbeit mit Älteren“.

Schwerpunkt: Vernetzen

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Regionale Aktivitäten – Schwerpunkt: Informieren

Im Mittelpunkt vieler Projekte stand die Frage, wie potentiellen älteren Nutzern Informationen über vorhandene Kulturangebote zugänglich gemacht werden können. Die Bearbeitung dieser Frage-stellung brachte eine sorgfältige Recherche der kulturellen Angebote, eine benutzerfreundliche Aufbereitung der Informationen und nicht zuletzt durch die direkte Ansprache der Kulturveranstalter eine Sensibilisierung für die Thematik „Kultur und Alter“ mit sich.

Info-Brief – Projektregion Niederrhein

„Wir wissen zu wenig voneinander“ war die einhellige Überzeugung der Teilnehmer der ersten Regionalkonferenz am Niederrhein zu Beginn der Projektzeit im Jahr 2005.

Diese Einschätzung ist zu einem großen Teil der ländlichen Struktur des Niederrheins und der speziellen, lokal orientierten Struktur der Berichterstattung in den lokalen Medien geschuldet. Was im Nachbarkreis passiert, findet man nur heraus, wenn man aktiv z.B. in den Informationsangebo-ten des Internets forscht. Selbst die privaten Radiosender haben nicht die Reichweiten, um die gesamte Region Niederrhein mit Informationen zu versorgen.

Um ein entsprechendes Netzwerk aufbauen zu können, wurde ein eigenes Medium für Informatio-nen rund um das Thema Seniorenkultur am Niederrhein geschaffen. Kerngedanke dabei war es, ähnlich wie im Bergischen Land, einen neuen Weg der Kommunikation im Bereich Seniorenkultur zu beschreiten, nämlich mit den Informationen direkt zu den Nutzern von Kultur zu gehen. Informa-tionen sollten nicht nur „zum Abholen bereit“ auf eine Internetseite gestellt werden, sondern zu den Menschen kommen. Die Konzeption und das Erscheinen des Info-Briefes waren sehr erfolgreich. Bis November 2006 konnten drei Ausgaben veröffentlicht werden.

Kontakt und Info:

Dialogmoderatorin: Claudia Kressin, Kleve [email protected]

Kleve Marketing Ute Schulze-Heimig [email protected]

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Kontakt und Info:

Dialogmoderatorin: Gabriele Frohn, Aachen E-Mail: [email protected]

Regio Aachen Susanne Ladwein E-Mail: [email protected] www.regioaachen.de

Der Kultur- und Freizeitführer für Ältere aus Aachen

Kultur- und Freizeitführer für Ältere - Projektregion Aachen

Sehr engagiert erklärte eine Arbeitsgruppe in der Region Aachen die Erstellung eines „Kultur- und Freizeitführers für Ältere“ zu ihrer Sache. Aus den Diskussionen der drei großen Dialogrunden in der zweiten Jahreshälfte 2005 war hervorgegangen, dass es in der Region Aachen zwar bereits vielfältige Kulturangebote (auch) für Ältere gibt, Zugänge aber oft wenig transparent sind und ge-bündelte Informationen zu den Angeboten gänzlich fehlen.

Der „Kultur- und Freizeitführer für Ältere“ für die Region Aachen wurde über mehrere Schritte verwirklicht:

�� Vorstellung von acht exemplarischen Kulturein-richtungen der Region, die besondere Angebote für Ältere machen, in der Ausgabe des „Euregio Freizeitguide“ im Sommer 2006.

�� Durchführung einer Fragebogenaktion zur „Senio-renfreundlichkeit“ zunächst bei den Aachener Kul-tur-, Freizeit- und Alteneinrichtungen (mehr als 600 Adressaten) im August/September 2006. Die Einrichtungen sollten einerseits mit dieser Aktion für die Wünsche und Bedürfnisse ihrer älteren Kunden sensibilisiert werden, konnten anderer-seits aber auch ihre bereits bestehende senioren-freundliche Infrastruktur darstellen. Der Rücklauf von ca. 120 ausgefüllten Fragebögen ist in eine Datenmaske eingegeben worden.

�� Erstellung einer eigenständigen Publikation „Kul-tur- und Freizeitführer für Ältere“ mit ausgewählten Einrichtungen der Stadt Aachen im Herbst 2007.

„Kultur-Kompass" – Region Ruhrgebiet

In den 53 Städten und Gemeinden des Ruhrgebiets leben rd. 5,3 Mio. Menschen. Die Ausdehnung der Region beträgt von Osten nach Westen 116 km und von Norden nach Süden 67 km. Zugleich ist die Region gekennzeichnet durch ein vielfältiges und dichtes kulturelles Angebot: Dieses Ange-bot umfasst ca. 3.500 Industriedenkmäler, 200 Museen, 100 Kulturdenkmäler, 120 Theater, 100 Konzertstätten und 19 Hochschulen. Insgesamt werden pro Jahr rd. 250 Festivals und Feste ver-anstaltet.

Im Ruhrgebiet spielt daher neben der Information die Mobilität für die Nutzung kultureller Angebote und der dort vorhandenen Kultureinrichtungen eine zentrale Rolle. Dies gilt insbesondere für ältere Menschen.

Schwerpunkt: Informieren

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Kontakt und Info:

Dialogmoderator: Klaus Bremen, Wuppertal E-Mail: [email protected]

Verkehrsverbund Rhein-Ruhr www.vrr.de Klartext-Verlag Essen www.klartext-verlag.de

Die in zahlreichen Diskussionen entwickelten Kernfragen mündeten in dem Vorhaben, eine Befra-gung von ausgewählten Kultureinrichtungen der Region durchzuführen. Die Befragung (vgl. aus-führlich ab S. 29) bot Material für eine Zweit-Auswertung und Recherche, aus der schließlich der „Kultur-Kompass“ hervorging.

Dieser Kultur-Führer enthält eine Auswahl beispielhaft aktiver Kultureinrichtungen der Region, die sich den Anliegen älterer Menschen geöffnet hat bzw. geeignete Angebote bereithält.

Ein Novum stellt zudem die Kooperation mit einem großen Sponsor dar: dem Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR). Aufgrund des besonderen Interesses des Sponsors wurde die Befragungsregion über den engeren Raum des Ruhrgebietes (Kommunalverband) ausgeweitet auf die Region des VRR. Am „Kultur-Kompass“ waren neben dem VRR noch zwei Partner beteiligt: eine große Werbeagentur aus dem Ruhrgebiet sowie eine Projektgesellschaft des Paritätischen (GSP), die durch Mitwirkung zweier Journalistinnen die redaktionellen Inhalte stellte.

Mit dem „Kultur-Kompass“ verfügt der VRR als erster und größter Verkehrsverbund in Europa über eine Publikation, die sich in besonderer Weise mit den kulturellen Interessen älterer Menschen beschäftigt. Der Führer wurde allen Abonnenten des „Bären-Tickets“ zum reduzierten Preis angeboten. Über den Klartext-Verlag, Essen, gelangte der Kompass in den Buchhandel und zu den großen Buch-Anbietern im Internet. So fand er auch in das normale Händlersortiment und befindet sich mit ca. 80 % der Auf-lage (70.000 Exemplare) im Vertrieb.

Der Kulturtourkompass für Jung-gebliebene. Ideen und Anregun-gen rund um Kunst und Kultur

zwischen Rhein, Ruhr und Wup-per, Essen: Klartext Verlag 2006

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Regionale Aktivitäten - Schwerpunkt: Einbinden & Aktivieren

Ältere Menschen ganz direkt in jeder Phase von mehrkultur55plus einzubinden, war eine vom IBK konsequent verfolgte Zielsetzung des Projekts. Ältere Menschen beteiligten sich an den regionalen Runden und Veranstaltungen, sie traten in einen Dialog mit den Kulturanbietern, um gemeinsam eine bessere Ausrichtung von Kulturangeboten auf die Bedürfnisse Älterer zu erreichen. Älteren Künstler/innen wurde eine Plattform geboten, um sich einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen und sie wurden dazu ermutigt, mit eigenen Ideen in das Projekt einzusteigen.

Im Folgenden werden fünf solcher Projektvorhaben näher beschrieben:

„Kunst und ältere Menschen“: Projektregion Ostwestfalen-Lippe

In den 18 Monaten der Dialogmoderation mehrkultur55plus in Ostwestfalen-Lippe wurden einige Projekte konzipiert und auf den Weg gebracht, die das für die Region gewählte Thema „Kunst und Ältere Menschen“ umsetzten.

Zu den Anfängen: Im September 2005 fand im Lippischen Landesmuseum Detmold eine Regiona-le Runde statt, zu der neben Vertretern/innen von Senioreneinrichtungen aktive Künstler/innen, Kulturamtsleiter/innen und Menschen aus Weiterbildungseinrichtungen eingeladen waren. Die Teilnehmer/innen berichteten aus ihrer Arbeit und stellten vor, welche Angebote für Menschen 55plus es bereits in ihrem Bereich gibt. Festgestellt wurde, dass die Versorgung mit kulturellen Angeboten in den Städten vielfältig, in den ländlichen Bereichen und in den Alten- und Pflegehei-men dagegen weder ausreichend noch interessant ist.

Kunstprojekt „Erinnerungsstücke – Erinnerungslücken“

In einem Kunstprojekt mit Demenzkranken und ihren Angehörigen sollen neue Wege der Erinne-rung gegangen werden. Das Projekt ist in zwei Phasen geplant: Die erste Phase (in 2007) ist als Ausstellung mit Aktionen im Stadtmuseum Gütersloh konzipiert. Die zweite Phase (in 2008) soll einen europäischen Charakter haben und in/mit Krankenhäusern mit geriatrischen Abteilungen in den Orten Gütersloh (Deutschland), Gniezno (Polen) und Tuusulla/Kellokoski (Finnland) stattfin-den. Die Aktionen haben einen sozialpädagogischen Teil, gestaltet von den Kliniken, und einen künstlerischen Teil, gestaltet von den Künstlern/innen. Ausgangspunkt ist jeweils ein persönliches Erinnerungsstück der Senioren/innen. Das Gespräch über Erinnerung wird in Kunst verwandelt.

Die Ziele sind:

�� Aktivierung von Erinnerung

�� Senioren als Impulsgeber für Kunst (Stichwort „Alte für neue Ideen“)

�� Generationenvernetzung (Künstler/innen/Senioren/innen)

�� die Arbeit an den geriatrischen Kliniken transparenter machen

�� europäische Kontakte unter Senioren/innen aktivieren

Kunstprojekt „Minutengedanken“

Zwei (ältere) Künstler/innen haben ein Projekt entwickelt, bei dem Künstler/innen kreative Talente zunächst Unbeteiligter durch die Eröffnung von Möglichkeiten zur Mitwirkung fördern.

Die Aktion fand in öffentlichen Verkehrsmitteln statt. Die Mitreisenden wurden gebeten, ihre Ge-danken während der Fahrt auszusprechen, aufzuschreiben, zu malen und zu fotografieren. Dabei wurde besondere Aufmerksamkeit auf die Mitwirkung älterer Menschen gelegt. Die Befindlichkeit der Älteren wird häufig in düsteren Farben gemalt und ist mit Schlagworten besetzt (unflexibel, auf Hilfe angewiesen, Gedächtnisverlust). Diesem Bild wird ein kreatives Gestalten der Umwelt und das schnelle flexible Handeln und Agieren in diesem Projekt entgegengesetzt.

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Die Ergebnisse werden für ein breites Publikum aufbereitet und präsentiert, da wo sich viel bewegt, wo sich viele bewegen und wo die Kunst entstanden ist – in den Verkehrsmitteln.

„Kulturführerschein®“

Für den Kulturführerschein®, das Erfolgsmodell der Düsseldorfer Werkstatt für Innovative Senio-renarbeit, interessierten sich mehrere Bildungsinstitute in Ostwestfalen-Lippe. Die Idee des Kultur-führerscheins®: Kulturinteressierte (ältere) Menschen lernen die Institutionen und Kulturorte ihrer Stadt oder Region kennen. Sie erfahren, wie sich kulturelle Inhalte spannend für Andere aufberei-ten lassen und erfolgreiche Kulturexkursionen geplant werden. Daraus entwickeln sich neue Pro-jektideen für kulturelle Angebote von Älteren für Ältere.

Karin Nell stellte in Bielefeld das Modell auf einer Informationsveranstaltung 30 Interessierten aus verschiedenen Kultur- und Senioreninstitutionen vor. Mit Unterstützung aus Düsseldorf möchten die VHS Bad Salzuflen, die VHS Löhne und das Informationsbüro für Senioren/innen in Zusam-menarbeit mit dem Netzwerk Behinderte und Senioren/innen der Stadt Bad Salzuflen dieses Ange-bot auch in der Region OWL durchführen.

Intergenerationelles Theaterprojekt "LoveLetters" - Projektregion Südwestfalen

Die Akteure in der Projektregion Südwestfalen verständigten sich zu Beginn des Projektes auf den Themenschwerpunkt „Intergenerationelle Ansätze und Projekte“.

Im Frühjahr 2005 bildete sich der Arbeitskreis „Love Letters”, der das Geschichtsmuseum Lüden-scheid, das Theater „Junge Bühne Lutz” aus Hagen und das Seniorentheater „SenTheSie” aus Siegen zusammenführte. Namensgebend war hier die sich noch in Vorbereitung befindende Aus-stellung „Love Letters - Liebe am Lennestrand” (Dezember 2005 - Juni 2006) im Geschichts-museum Lüdenscheid. Das Ziel war, aus der umfangreichen Materialsammlung (seit 1780) The-men herauszugreifen und in Form von szenischen Darstellungen mit Alt und Jung in Szene zu setzen. Ferner sollte das Theaterstück „Der Krämerkorb” von Hans Sachs zur Aufführung kommen. Hier spielen drei Paare unterschiedlichen Alters zum gleichen Thema. Im Juni 2006 wurden zum Abschluss der Ausstellung in Lüdenscheid das Theaterstück und die szenischen Darstellungen aufgeführt – mit Erfolg und viel Resonanz in der lokalen Presse.

Kontakt und Info:

Dialogmoderatorin: Bettina Rinke, Detmold Museumsinitiative OWL E-Mail: [email protected] www.museumsinitiative-owl.de

Kulturführerschein® www.ekir.de/eeb-nordrhein/pisa

Kontakt und Info:

SenTheSie, Beate Gräbener [email protected] www.siwikultur.de/khb/4/2/2743.htm

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Aktion: Frisches Denken für Kunst und Kultur – Projektregion Bergisches Land

Eine Lesung mit Herrad Schenk (Autorin von „Der Altersangst-Komplex“) regte lebhafte Diskussio-nen an, in denen deutlich wurde, dass ein Bewusstsein über die Dauer und Qualität der Lebens-phase „Alter“ bisher kaum existiert. Anschaulich konnte die Autorin verdeutlichen, dass aufgrund der längeren Lebenserwartung eine dritte lang andauernde Phase des Alters immer wichtiger wird, die von den Menschen auf allen Ebenen (Liebe, Kultur, Bildung, Finanzen, Familie, Gesundheit etc.) sinnvoll gefüllt werden muss.

Im April 2006 folgte eine OPEN-SPACE Veranstaltung (Ideenwerkstatt) zum Thema Seniorenkultur unter dem Titel „Frisches Denken für Kunst und Kultur im Bergischen!“. Während der einführenden Podiumsdiskussion berichteten fünf „ältere“ aktive Kulturschaffende über ihre unterschiedlichen Wege in die kulturelle Arbeit. Ausgehend von der Erkenntnis, dass die Zeit nach dem Arbeitsleben zu lang ist, um sie „auf den Tod wartend“ zu verschwenden, appellierten die Protagonistinnen an die Anwesenden, den Mut zu haben bzw. Älteren den Mut zu machen, sich aktiv in das kulturelle Leben der Kommunen einzubringen. Schließlich formulierten die Diskutanten/innen den Wunsch nach einem zentralen Kulturtag für Seniorenkultur im Bergischen Land, auf dem sich alle Initiativen und Angebote der Region präsentieren und Interessenten/innen Kontakt aufnehmen können.

In der Abschlusspräsentation der Kleingruppenarbeit gelang eine Zuspitzung auf folgende Aspekte.

Die Bergische Region braucht:

�� Eine Plattform zur Beratung, Bündelung und gezielten Informationsweitergabe. Konkret soll hier ein Weg gefunden werden, wie Ältere

�� sich über Finanzierungsmöglichkeiten (städtische, andere öffentliche Mittel, Stiftungen, Pri-vate, etc.) informieren können,

�� Netzwerke, Partner, Austausch vermittelt bekommen können,

�� sich über Weiterbildung und Hintergrundinformationen informieren können,

�� in rechtlichen, organisatorischen Fragen, Öffentlichkeitsarbeit etc. Unterstützung erhalten,

�� Unterstützung durch eine effektive und zukunftsfähige Lobbyarbeit für Kultur von und für ältere Menschen erhalten können.

Konkret soll auch über eine Form der Fortbildung nachgedacht werden, bei der

�� Vertreter/innen unterschiedlicher Sparten neue Formen von Kulturvermittlung erarbeiten,

�� Kommunikationsprozesse zwischen Anbietern und Multiplikatoren optimiert werden,

�� kreative Formen der generationenübergreifenden Sozial- und Kulturarbeit entwickelt wer-den.

Schwerpunkt: Einbinden & Aktivieren

Das Buch von Herrad Schenk regte Diskussionen an

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Auf Basis dieser Ergebnisse wurden zwei Projektideen ausformuliert:

„Kultur55plus-Tage“ im Bergischen Land

Ziel ist eine öffentlichkeitswirksame, gebündelte Präsentation von Seniorenkulturangeboten im Bergischen Land. Die verschiedenen Anbieter erhalten die Möglichkeit, sich zu vernetzen. Geplant ist eine zwei- bis dreitägige Veranstaltung an einem großen Ort, der Aktiven, Interessierten, Laien, Profis und vielen Anderen, die Chance bietet, sich umfassend zum aktuellen Angebot zu informie-ren, sich auszuprobieren und selbst aktiv zu werden.

„Kreativtage mehrkultur55plus im Bergischen Land“

Ziel ist die Entwicklung innovativer Kulturan-gebote für Menschen ab 55. Neue Wege der Ansprache und Aktivierung von Senio-ren/innen sind für viele kulturell engagierte Einrichtungen von Bedeutung. Zentral ist hier, Ältere nicht nur als Konsumenten ins Auge zu fassen, sondern Möglichkeiten zu schaffen, damit die Zielgruppe sich selbst auf den Weg macht. Konkret bedeutet dies, Kul-turformen zu entwickeln, die an die vorhan-denen Ressourcen der Älteren anknüpfen, Spielraum für die selbstständige und Interes-sen geleitete Weiterentwicklung der Betroffe-nen eröffnen.

Kontakt und Info:

Dialogmoderatorin: Gertrud Heinrichs, Wuppertal Nachbarschaftsheim Wuppertal E-Mail: [email protected] www.nachbarschaftsheim-wuppertal.de

Startpunkt e.V., Wuppertal www.startpunkt.info

Das Projektmotto gedruckt auf Stofftaschen diente als Werbeträger der Imagekampagne

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Kontakt und Info:

Dialogmoderator: Guido Froese

Kulturbüro Münsterland Jan-Christoph Tonigs E-Mail: [email protected] www.aktion-muensterland.de

Regionale Aktivitäten – Schwerpunkt: Kultureinrichtungen sensibilisieren Die Projektregionen Münsterland und Ruhrgebiet haben sich mit jeweils anderer Akzentsetzung dem Thema „Öffnung der Kulturwirtschaft für Senioren/innen“ gewidmet.

Förderung der Kulturwirtschaft - Projektregion Münsterland

Als Träger der regionalen Aktivitäten konnte die „Aktion Münsterland e.V.“ gewonnen werden - eine Einrichtung des Kreises, die vor allem die Wirtschaftsförderung durch regionale Entwicklungsarbeit zum Ziel hat. Die Aktion Münsterland ist auch mit dem Büro der regionalen Kulturpolitik Münster-land verbunden.

Existenzgründungen

Die erste regionale Runde im September 2004 mit dem Schwerpunktthema „Existenzgründungen mit Kulturdienstleistungen für Senioren/innen“ war mit 25 freien Künstlern/innen und Teilnehmen-den aus der Kulturverwaltung, der Musikhochschule, dem Theaterpädagogischen Zentrum, der Beratungsstelle Frau und Beruf sowie dem Seniorenbeirat bunt besetzt. Partner bei der regionalen Arbeit des Projektes wurden auch verschiedene Einrichtungen der Wirtschaftsberatung und Wirt-schaftsförderung.

Zentrales Thema war das zielgruppenspezifische Marketing. Zahlreiche Einrichtungen der künstle-rischen Kulturarbeit und des Kulturtourismus suchen nach neuen Wegen, sich der Zielgruppe der älteren Menschen anzunähern. Dazu wurden Workshops und Seminare von verschiedenen Fach-referenten durchgeführt.

Generationenmarketing

Ein erstes eintägiges Seminar zum Thema „Generationenmarketing“ (Neues Alter – neues Leben) im Juni 2005 mit dem Marketingfachmann H.-J. Schmidt aus Köln gab einen Einblick in die Grund-strukturen zielgruppenspezifischen Marketings für die Altersgruppe 55plus. U.a. wurden in Arbeits-gruppen verschiedene Konzepte für konkrete Vorhaben entwickelt (z.B. Marketingplanung für die Volkshochschule in Detmold).

Im Januar 2006 wurde ein weiteres Seminar mit dem Marketingfachmann Mario Nantscheff durch-geführt. In seinem Workshop wurden die Teilnehmer/innen (u.a. von Museen, Kulturtourismusun-ternehmen, Verkehrsbetrieben) in der Entwicklung und Anwendung von Strategien von zielgrup-penspezifischen Marketingkonzepten geschult. War der Vortrag von H.-J. Schmidt eher allgemei-ner Natur, wurden hier sehr konkrete Hilfestellungen gegeben, die auch individuell weiterentwickelt werden konnten.

Es wurde ein weiterführendes Seminarkonzept entwickelt, das interessierten Existenzgründern eine mehrmonatige intensive Beschäftigung mit dem Thema und Begleitung bei der Umsetzung von Ideen bieten sollte.

Beispiel: „KinoMobil"

Zahlreiche Interessierte aus der Kino- bzw. Filmwirtschaft entwickelten unter dem Titel „KinoMobil" ein Konzept für ein Seniorenkino. Für das Projekt „KinoMobil", das mit einem Bus Kino in die ländlichen Gemeinden der Region Münsterland bringt, konnte eine eigene Projektfinanzierung gefunden werden. Es startet 2007.

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Öffnung der Kultureinrichtungen - Projektregion Ruhrgebiet

Ziel der Aktivitäten im Ruhrgebiet war es,

�� die Aufmerksamkeit der Verantwortlichen in den Kultureinrichtungen in der Rhein-Ruhr-Region (Ruhrgebiet) auf die Folgen des demografischen Wandels und seine Auswirkungen auf Nachfrage und Angebot der Einrichtungen und das Kulturleben in der Region insge-samt zu lenken und

�� die Kultureinrichtungen zu unterstützen, sich auf ein verändertes Publikum einzustellen.

Zielgruppe waren insbesondere die – zumeist kommunal geförderten – Kultureinrichtungen in der Region sowie die in den Kommunen verantwortlichen Mitarbeiter/innen in den Kulturämtern. Im Rahmen der in dem Projekt für die Region verfügbaren Ressourcen wurde zu Beginn der Projekt-umsetzung folgende Arbeitsplanung vorgenommen:

�� (aktivierende) Befragung der Kultureinrichtungen in der Rhein-Ruhr-Region insbesondere zu der Fragestellung, ob die Kultureinrichtungen auf eine älter werdende Gesellschaft an-gemessen vorbereitet sind;

�� Gewinnung eines strategischen Sponsors zur Umsetzung eines entsprechenden Projektes, das die Anliegen in der Dialogmoderation unterstützt;

�� begleitende Aktivitäten zur Unterstützung der Kultureinrichtungen.

Zur Vorbereitung der Befragung wurde durch die Dialogmoderation eine Begleitgruppe eingerich-tet, der in diesen Fragen kompetente ältere Menschen sowie professionelle Mitarbeiter/innen an-gehörten, die über ihre berufliche Tätigkeit einen Zugang zu der Gruppe der „55plus“-Nutzer/innen hat. In einem längeren Diskussions- und Verständigungsprozess wurden mit Unterstützung dieser Gruppe insbesondere die Themen näher identifiziert, die für die Kultur-Nutzung bzw. für eigene kulturelle Aktivitäten eine zentrale Bedeutung haben.

Leitende Fragen

�� Greifen Kultureinrichtungen die Lebensthemen älterer Menschen in einer gesellschaftli-chen Situation auf, in der diese Gruppe der Älteren einen immer größeren Anteil an der Gesamtbevölkerung bildet?

�� Wie können ältere Menschen an der Gestaltung des Kulturlebens systematisch beteiligt werden?

�� Sind die Kultureinrichtungen in ihrer (baulichen) Ausstattung auf ein älter werdendes Publi-kum eingestellt, das spezifische Unterstützungsbedarfe hat, um diese Angebote nutzen zu können?

�� Sind die Kultureinrichtungen in der Region in einer besonderen Weise dafür sensibilisiert, dass eine entsprechende Mobilität grundlegende Voraussetzung für viele ältere Menschen ist, ihre Angebote zu nutzen?

Fragebogen als „Checkliste"

Die Kernfragen wurden für die Erstellung eines Fragebogens operationalisiert und 382 Kulturein-richtungen aller Sparten vorgelegt. Im Sinne der Zielsetzung der Dialogmoderation sollte der Fra-gebogen vor allem auch als Kommunikationsmittel zu den Kultureinrichtungen dienen und das Anliegen des Projektes in die Kulturszene des Ruhrgebietes tragen. In einem begleitenden An-schreiben zu dem Fragebogen wurde den Kultureinrichtungen daher vorgeschlagen, den Fragebo-gen als „Checkliste“ zu nutzen und dadurch einen eigenen Eindruck darüber zu gewinnen, wie die jeweilige Kultureinrichtung auf den demografischen Wandel eingestellt ist. Bei der Ausgestaltung des Fragebogens spielte dieser Gesichtspunkt immer die ausschlaggebende Rolle für Fragestrate-gie und die konkrete Formulierung.

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Der Fragebogen wurde im Oktober 2005 versandt, ein Rücklauf seitens der Kultureinrichtungen wurde bis Dezember 2005 berücksichtigt. Von den 382 ausgewählten Kultureinrichtungen antwor-teten 70 (18,32 %). Dieses gegenüber dem Kulturangebot in der Region sehr begrenzte Antwort-Sample kann nicht als repräsentativ für die Kultureinrichtungen in der Region angesehen werden. Die Aussagekraft der Antworten steht vielmehr in der mit der Befragung verbundenen Zweckset-zung: Die Selbstauskünfte geben einen ersten Einblick, wie sich die Kultureinrichtungen selbst vorbereitet sehen, um auf die Anliegen älterer Menschen einzugehen.

Kultureinrichtungen im „demografischen Blindflug“?

Die Ergebnisse der Befragung lassen sich in folgenden Punkten zusammenfassen:

1. Die meisten der befragten Kultureinrichtungen (68,6 %) haben kaum eine Wahrnehmung über die Bedeutung älterer Menschen als Besucher/innen oder Zuschauer/innen ihrer Ein-richtungen. Dies liegt nicht am Desinteresse der Kultureinrichtungen, was die Gruppe der Älteren angeht. Vielmehr wissen die Kultureinrichtungen insgesamt kaum etwas über ihre Nutzer/innen (z.B. ihr Alter, das Geschlecht, den Wohnort oder deren nähere Interessen). Nur rund ein Drittel der antwortenden Kultureinrichtungen (31,4 %) geben an, dass sie Nä-heres über ihre Besucher/innen, z.B. durch eine Befragung, wissen. Solche Befragungen führen in der Regel nur größere und personell besser besetzte Kultureinrichtungen durch. Aber selbst diese besser ausgestatteten Kultureinrichtungen können dies nicht regelmäßig leisten. In der Regel bleibt es bei unregelmäßig gewonnenen und wenig repräsentativen In-formationen über die „Kunden“ der Einrichtung.

2. Spezifische Angebote in dem jeweiligen Programm der Kultureinrichtungen und ein Dialog mit den älteren Menschen vor Ort sind entwicklungsfähige und auf die Dauer entwick-lungsnotwendige Bereiche in den Kultureinrichtungen. Knapp die Hälfte (46 %) der antwor-tenden Kultureinrichtungen gaben an, dass sie mögliche Lebensthemen älterer Menschen nicht in die allgemeine Programmgestaltung mit einbeziehen. Dazu passt, dass die Mehr-heit (58,4%) der befragen Kultureinrichtungen auch keine spezifischen Programmangebote für ältere Menschen macht. Dazu passt des Weiteren, dass die Mehrheit (55,7 %) der be-fragten Kultureinrichtungen ältere Menschen nicht in die Programmgestaltung einbezieht. Schließlich nutzen weniger als die Hälfte der antwortenden Kultureinrichtungen (42,9 %) die Möglichkeit, spezifische programmbegleitende Angebote für ältere Menschen zu ma-chen.

3. Bei drei Vierteln der befragten Kultureinrichtungen (75,7 %) fühlt sich derzeit niemand zu-ständig für das eigene älter werdende Publikum. Es wird vielmehr als Problem angesehen. Es gibt keine entsprechenden Zuständigkeiten oder niemand in der Kultureinrichtung, der sich entsprechend kompetent macht. Das Fehlen einer solchen Kompetenz in den Kultur-einrichtungen führt in Verbindung mit dem geringen Wissen über das eigene Publikum zu einer Art „demografischen Blindflug“ der Kultureinrichtung.

4. Dagegen ist erfreulich, dass knapp die Hälfte (45,7 %) der antwortenden Kultureinrichtun-gen älteren Menschen Angebote zur eigenen kreativen Betätigung bietet. Dabei geht es um kreative Angebote (40 %) und um Weiterbildung (32,9 %). Beispiele sind Theaterpro-jekte mit älteren Menschen oder Ausstellungsprojekte.

5. Über die Hälfte (57,1 %) der Kultureinrichtungen gibt an, dass bei ihnen Möglichkeiten des freiwilligen und ehrenamtlichen Engagements auch für ältere Menschen bestehen. Diese Frage konnte im Rahmen der Befragung nicht weiter vertieft werden. Das Befragungser-gebnis ist wohl in erster Linie als Indiz dafür zu bewerten, dass die Kultureinrichtungen be-reit sind, freiwillig oder ehrenamtlich engagierten Menschen einen Platz zu geben. Aus dem Ergebnis lässt sich dagegen nicht ablesen, ob die Kultureinrichtungen auf die Mitar-beit von ehrenamtlich oder freiwillig engagierten Menschen organisatorisch vorbereitet sind. Aus begleitenden Gesprächen zu der Befragung ergibt sich eher der Eindruck, dass auch hier noch ein erheblicher Entwicklungsbedarf in den Kultureinrichtungen besteht.

6. Bei der baulichen Ausstattung der Kultureinrichtungen in Bezug auf ältere Menschen bleibt noch einiges zu tun: In den Bereichen Gastronomie, bei den Sitzmöglichkeiten (Museen)

Schwerpunkt: Kultureinrichtungen sensibilisieren

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und bei der Beschriftung scheinen die antwortenden Kultureinrichtungen bereits auf dem Weg hin zu größerer Nutzer/innen-Freundlichkeit für Ältere. Was die Barrierefreiheit des Gebäudes oder die Unterstützung des Hörens angeht, fehlt es vielfach noch an geeigneter technischer Ausstattung. Allerdings kommen insbesondere auf kommunal getragene Kul-tureinrichtungen mit den gesetzlichen Vorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen zur Gleichstellung erhebliche Anpassungserfordernisse zu.

7. In mehr als der Hälfte der befragten Kultureinrichtungen (62,9 %) gibt es keine besonderen Ermäßigungen für ältere Nutzer/innen. Nur in 37,1 % der antwortenden Einrichtungen, also einem guten Drittel, erhalten ältere Menschen Nachlässe bei den Eintrittspreisen bzw. be-sondere Konditionen, z.B. als Gruppe. Mit der künftigen Entwicklung der Alterseinkommen gilt es, auf diesen Punkt besonders zu achten, denn die Einkommenssituation älterer Men-schen wird sich in den nächsten 15 Jahren deutlich ändern – und damit auch die finanziel-len Zugangsmöglichkeiten zur Kultur.

8. Ein besonderes Stichwort in der Befragung ist das der Mobilität: Hier zeigen die Befra-gungsergebnisse, dass die Kultureinrichtungen mit ihrer Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr über gute Voraussetzungen verfügen, sich auf die Bedürfnisse einer älter wer-denden Gesellschaft einstellen zu können.

Allerdings stellt dies eine Momentaufnahme dar – noch im Projekt-Zeitraum hat die Bundesregie-rung Zuwendungen für den öffentlichen Nahverkehr gekürzt. Die Verkehrsverbünde, auch der VRR, haben auf diese Kürzungen mit einer Ausdünnung ihres Angebotes reagiert. Ebenfalls im Projektzeitraum wurden sowohl die Preise im Nahverkehr als auch bei der Deutschen Bahn erhöht. Unter dem Gesichtspunkt der demografischen Entwicklung muss festgehalten werden: Solche Maßnahmen sind geeignet, die gesellschaftliche Integration insbesondere älterer Menschen zu gefährden – die möglicherweise eingeschränkte Nutzung von Kultureinrichtungen durch fehlende Mobilitätsangebote ist dafür nur ein Indiz.

In der zweiten Hälfte des Jahres 2005 konnte der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) als Sponsor für das Anliegen des Projektes gewonnen werden. Eine Zweit-Auswertung der Befragung und wei-terführende Recherchen ergaben das Material für den „Kultur-Kompass“, der auf S. 22 f. ausführli-cher beschrieben wird.

4. Wirkung des Projekts mehrkultur55plus

Kontakt und Info

Dialogmoderator: Klaus Bremen, Wuppertal GSP – Gemeinnützige Gesellschaft für Soziale Projekte mbH E-Mail: [email protected]

http://www.vrr.de/de/global/presse/archiv/pressemitteilungen_2006/00789/index.html

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Die Zukunft der regionalen Initiativen – Einschätzungen der Dialogmoderatoren/innen

Mit der Starthilfe durch das Projekt mehrkultur55plus konnten ein interessantes Informationsange-bot entwickelt und flexible, niederschwellige Informationsnetze für die Zielgruppe der Älteren ge-knüpft werden, die sich während der Projektlaufzeit so weit etabliert haben, dass von ihrem Fortbe-stand nach Projektende ziemlich sicher ausgegangen werden kann. Kulturanbieter konnten zudem animiert werden, ihre Angebotspalette und ihre Angebotsformen in Bezug auf Ältere zu überden-ken.

(Projektregion Niederrhein)

Die begonnenen künstlerischen Projekte entwickelten sich zum Teil eigenständig, d.h. unter Feder-führung der beteiligten Künstler/innen und ohne die weitere Mitarbeit der Dialogmoderatoren/innen, weiter. Andere Aktivitäten werden über den Projektzeitraum hinaus Unterstützung benötigen.

(Projektregion Ostwestfalen-Lippe)

Es wurden Vernetzungsstrukturen (Kultur und Soziales) hergestellt und ein Projekttransfer ermög-licht. Um Kontinuität zu sichern, ist es wichtig, Schlüsselpersonen vor Ort weiterhin zu binden und zu vernetzen. Wo es gelingt, die großen Ideen der ersten regionalen Runden in kleinere konkrete Projektziele zu transformieren, können sich Akteure auch in kleineren Gruppen motiviert einbrin-gen.

(Projektregion Rheinschiene) Die politische Arbeit der Dialogmoderation hat zu einer Vernetzung und zu einer Verbreitung des Projektgedankens geführt und dazu beigetragen, dass wichtige kulturpolitische Maßnahmen einge-leitet wurden. So hat der Stadtrat Aachen im Frühjahr 2006 entschieden, ein Label zur Senioren-freundlichkeit von Kultureinrichtungen zu entwickeln. Des Weiteren wurde unter dem Stichwort „Förderung der Lebensqualität älterer Menschen“ und mit Verweis auf mehrkultur55plus die „För-derung von Initiativen, die älteren Menschen eine aktive Teilnahme am kulturellen Leben ermögli-chen“, in den grenzüberschreitenden Aktionsplan der Regio Aachen für das Interreg-Programm 2007-2013 aufgenommen.

(Projektregion Aachen)

In allen drei Städten auf der Rheinschiene wurde das Ziel formuliert, Akteure der Stadtverwaltung aus den Bereichen Kultur und Soziales stärker einzubinden. Insbesondere für die Entwicklung von dauerhaften stadtweiten Vernetzungsstrukturen ist diese Einbeziehung wichtig. Erleichtert wird dies durch die wachsende Akzeptanz des Themas in der Öffentlichkeit und auf politischer Ebene.

(Projektregion Rheinschiene)

Es wurde vielfach der Wunsch nach einem Folgeprojekt zu mehrkultur55plus geäußert, da mit zu-nehmender Weiterentwicklung der regionalen Projekte ein immer größer werdender Beratungsbe-darf entsteht.

(Projektregion Ostwestfalen-Lippe)

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„... das macht einfach mein Leben aus“ Kulturell aktive ältere Menschen in NRW: Zugänge, Motive, Bar-rieren

von Gerda Sieben

Anlass der Pilotstudie2 Der demografische Wandel3 wird den Anteil der älteren Menschen an der Gesamtbevölkerung bis zum Jahr 2050 verdoppeln. Dies wird sich auch in der Zusammensetzung des Kulturpublikums und der kulturell aktiven Menschen widerspiegeln. Welche Chancen ergeben sich durch den Zuwachs der Älteren für die Kultur? Wie kann Partizipation an Kultur für alle älter werdenden Menschen ge-fördert werden?

Mit diesen Fragen ist das Institut für Bildung und Kultur e.V. (IBK) im Jahr 2004 in das NRW-weite Projekt mehrkultur55plus gestartet. Über Kulturinteressen und Kulturpraxis älterer Menschen in NRW gab es zu diesem Zeitpunkt wenige Informationen. Darum wurde im Rahmen des Projektes eine eigene empirische Studie durchgeführt, um mehr über Zugangswege, Motive und mögliche Barrieren für die aktive kulturelle Beteiligung älterer Menschen zu erfahren. Im Zentrum der Befra-gung standen bereits kulturell aktive Ältere. In 30 einstündigen, leitfadengestützten Interviews wur-den sie ausführlich zu ihren Erfahrungen befragt. Da bisher keine Untersuchungen über Beteili-gungsformen älterer Migranten/innen an Kunst und Kultur in NRW vorliegen, wurden gezielt auch ältere Menschen mit Migrationserfahrung in die Studie einbezogen.

Vorliegende Erkenntnisse über die Kulturnutzung Älterer Auch wenn eine aktuelle und umfassende Untersuchung über die Kulturnutzung und –beteiligung älterer Menschen bisher in Deutschland fehlt, liefert eine Synopse vorhandener Untersuchungen zum Kultur- und Freizeitverhalten älterer Menschen erste Orientierungen: Als relativ gesichert gel-ten folgende Befunde4:

• Ältere Menschen praktizieren Kultur in vielfältiger Weise und sie äußern häufig den Wunsch, dies noch steigern zu wollen. Vor allem die Noch-Berufstätigen wünschen sich vielfältige Kulturaktivitäten im Ruhestand (vgl. Opaschowski 1998: 64).

• Etwa ein Viertel der Senioren/innen ist selbst künstlerisch aktiv (vgl. Agricola 1998). Dies relativiert Kohli, der bei den 55 bis 70 jährigen eine Quote von 20% findet, die bei den 70 bis 85 Jährigen auf 13% zurückgeht (vgl. Kohli et al. 2000: 155).

• Bildung, Einkommen und das Kulturangebot am Wohnort beeinflussen kulturelle Beteili-gung positiv. Umgekehrt scheinen geringe formale Bildung, wenig kulturelle Vorerfahrun-gen, geringes Einkommen und ein mageres kulturelles Angebot vor Ort Hemmfaktoren für kulturelle Beteiligung zu sein (vgl. Keuchel 2003 und Lodenkemper/ Schier 1981: 71).

• Viele ältere Menschen können sich Kultur leisten. Doch es gibt auch bedeutsame Grup-pen, die Kultur aus finanziellen Gründen nicht wahrnehmen können (vgl. Circel/ Roes 2004: 41-42).

• Im Ruhestand werden vorhandene Interessen gepflegt und ausgebaut. Oft folgt das Frei-zeitverhalten dem Muster einer Dehnung und Streckung von Tätigkeiten, die schon zuvor ausgeübt wurden. Die häufigsten Tätigkeiten im Alter sind nach wie vor: Fernsehen, Zei-

2 Die Studie wurde im Zeitraum von Dezember 2005 bis Februar 2007 im Rahmen des Projektes mehrkultur55plus, geför-dert vom MGFFI des Landes NRW, unter wissenschaftlicher Leitung von Gerda Sieben beim Institut für Bildung und Kultur in Remscheid durchgeführt. Mitgearbeitet haben Ursula Hütte und Dr. Mechthilde Kissler. In diesem Text werden ausge-wählte Ergebnisse zusammengestellt. 3 2010 wird mehr als 1/3 der Bevölkerung älter als 65 sein. Im bevölkerungsreichsten Bundesland NRW waren im Jahr 2003 3,3 Millionen Menschen älter als 65 Jahre (18,2 %). 2050 werden es 33 % sein. 60% davon sind weiblich. Der Frauenanteil steigt mit zunehmendem Alter. Bei den über 75jährigen sind es über 67%. 4 Die Sichtung vorhandener Untersuchungen zur Kulturnutzung älterer Menschen ist ausführlicher dargestellt in Sieben (2005).

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tungen und Zeitschriften lesen, Radio hören, Spazieren gehen sowie gegenseitige Besu-che bei Bekannten und Verwandten (vgl. Künemund 2001 und Glaser/ Röbke 1992).

• Männer und Frauen interessieren sich gleichermaßen für Kulturangebote, aber nicht immer für die gleichen Formen. So zeigen Frauen eine höhere Nachfrage nach musischen, künst-lerischen und gestalterischen Angeboten. Ist es bei den Männern ein Fünftel, das sich für eigenkreative Tätigkeiten bzw. für entsprechende Offerten manifest oder latent interessiert, liegt der Anteil bei den Frauen doppelt so hoch. Ältere Männer interessieren sich stärker für den gestalterischen Umgang mit Medien (vgl. Schröder/ Gilberg 2001: 149).

• Die Beteiligung an Kunst und Kultur geht mit zunehmendem Alter zurück. Es gibt jedoch Befunde, dass ein erhebliches Interesse an Kunst und Kultur erhalten bleibt, wegen zu-nehmender altersbedingter Einschränkungen nicht mehr in der vollen Breite gelebt werden kann. In Altersheimen gehören kulturelle Aktivitäten zu den wesentlichsten Beschäftigun-gen, sie werden hier aber nicht immer auf einem qualitativ befriedigenden Niveau und mit professioneller Methodik angeboten, sondern haben eher den Charakter von Beschäfti-gungsangeboten. (vgl. Miklautz 2001)

Der Fokus der meisten Untersuchungen ist auf Angebote der Hochkultur gerichtet. Alltagskulturell, soziokulturell oder interkulturell geprägte Aktivitäten ebenso wie hybride Kulturformen werden im Seniorenbereich (von der Forschung) noch zu wenig beachtet.

Im zwar wissenschaftlich nicht abgesicherten, jedoch breiten Überblick aus den Dialogprozessen in acht Regionen in NRW im Projekt mehrkultur55plus lassen sich folgende weiterführende Aspekte nennen und als Thesen für die Studie konkretisieren:

• Gesellschaftlicher Wandel durch das Nachwachsen immer neu und anders sozialisierter „Alten-Generationen“ äußert sich auch in neuen Formen der Kultur- und Kunstpraxis. Kunst und Kultur wird zunehmend in Kooperation mit anderen Freizeitangeboten wie Tourismus, Wellness, Sport, Religion, Event, (neue) Medien etc. gewünscht und auch praktiziert, fällt so aber aus vielen Statistiken heraus.

• Die wachsende Zahl selbstorganisierter Formen von Kulturpraxis wird mit herkömmlichen Publikumsstatistiken nicht ausreichend erfasst. So findet in der „Altenarbeit“ seit den spä-ten 80er Jahren eine deutliche Abkehr von betreuenden Ansätzen statt. Als handlungslei-tende Devise gilt zunehmend, Ältere zu ermutigen die eigenen Interessen selbst in die Hand zu nehmen. In diesem Sinne soll auch innovative Seniorenkulturarbeit5 nicht von au-ßen, sondern von den Älteren selbst definiert und gestaltet werden (vgl. Fischer/ Eichener/ Nell 2003). Mit dieser Richtungsänderung werden entsprechend neue Modelle kreiert und initiiert, in denen ältere Menschen nicht nur als Konsumenten bzw. passives Publikum, sondern auch als Produzenten aktiv werden. Es entstehen Formen aktiver Kulturbeteili-gung und künstlerischer Produktion wie Video-, Foto- und Schreibwerkstätten und Kunst-zirkel. Gemeinsam ist allen diesen Angeboten, dass sie sich nicht auf Kulturkonsum be-schränken, sondern die aktive Auseinandersetzung durch reflexive Aneignung oder gestal-terische Praxis mit einschließen. Im Bildungsbereich spiegelt sich der Trend zu selbst-organisierten Formen der kulturellen Bildung ebenfalls (vgl. Sommer et al. 2004).

• Heute gibt es kaum mehr eine Großstadt ohne eigenes Seniorentheater oder -orchester, ohne Bands, Chöre, Mal- und Fotografiezirkel oder Filmgruppen von Älteren. Deutlich spür-bar ist dabei das wachsende Bedürfnis der Älteren, biografische Themen und Stoffe, die mit der Aufarbeitung und Sicherung von eigenen Erfahrungen zu tun haben, künstlerisch-medial umzusetzen.

Die Befragung kulturell aktiver älterer Menschen Betrachtet man diese erste Bestandsaufnahme der Kulturaktivitäten älterer Menschen, wird klar: Die vorhandenen Untersuchungen zur kulturellen Beteiligung älterer Menschen beschränken sich

5 Das Institut für Bildung und Kultur in Remscheid veröffentlichte 1989 Handreichungen zur Seniorenkulturarbeit. Hier wur-den zahlreiche Beispiele selbstorganisierter Seniorenkulturpraxis in Theater, Seniorenbildung, künstlerischer Arbeit im Stadtteil, Musikprojekte etc. aufgenommen. Auch Glaser/ Röbke (1992) unterstrichen diesen Trend.

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Künstlerische Eigentätigkeit in den Kunstsparten Tanz, Theater, Musik, bildende Kunst, Literatur / Erzählen, Medien

Aktive Kunst/Kulturvermittlung in Organisation, Beratung oder Anleitung / Vermittlung von Kunst und Kultur

im Rahmen von Veranstaltungen, Kursen, Reisen, Literaturcafés, Theater- und Tanzgruppen, Chören, interkulturellen Begegnungszentren

und / oder

weitgehend auf Aktivitäten der passiven Kulturnutzung. Neue Kulturformen und aktive Kulturbeteili-gung werden nur in Ansätzen untersucht.

Darum war das Ziel der vorliegenden Pilotstudie, mehr darüber zu erfahren, was bereits künstle-risch/kulturell aktive ältere Menschen „motiviert“, wie sie zu ihrem Engagement gefunden haben und welchen persönlichen Gewinn/Sinn sie durch ihr Engagement erfahren. Im Umkehrschluss interessierten auch Hemmfaktoren und Barrieren.

Leitende Fragen waren:

• Wie haben ältere Menschen zu ihrer künstlerisch/kulturellen Aktivität gefunden? Welche Rolle spielen dabei die aktuelle Lebenssituation und die biografischen Bezüge?

• Wie üben sie ihr Kunst- und Kulturengagement aus?

• Welche positiven und negativen Erfahrungen machen sie bei ihrem Engagement?

• Welche Motive für ihre Aktivität nennen sie?

Für die Pilotstudie wurden kulturelle Aktivitäten definiert als:

In diesen Tätigkeitsfeldern interessieren Handlungen, die sowohl als individuelle Praxis als auch als Gruppenpraxis durchgeführt werden:

Die Befragung von Senioren/innen zu ihren Kulturaktivitäten und Bedürfnissen wurde mittels der Methodenkombination „Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse“ nach Gläser & Laudel (2004) durchgeführt. Dabei wurde von einem weiten Expertenbegriff ausgegangen. Die Auswer-tung mittels der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (1993) stellt eine theoriegeleitete, gleich-zeitig offene Methode dar, die sowohl hypothesenprüfend als auch hypothesengenerierend ist. Die Ergebnisse der Pilotstudie können im Sinne des quantitativen Paradigmas nicht repräsentativ sein, da die Stichprobe nicht die Verteilung von kulturaktiven Senioren/innen in der Bevölkerung abbil-

individuelle Initiative

Gruppenpraxis

selbstorganisiert

oder

fremdorganisiert

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den konnte (30 Interviews reichen dazu nicht aus).6 Sie berücksichtigt dennoch ausgewählte Grup-pen von kulturaktiven Senioren/innen in solcher Anzahl, dass qualitative Aussagen über Kulturakti-vitäten und ihr Zustandekommen getroffen werden können.

Probanden/innen-Profile

Zur Entwicklung des Interviewleitfadens und der Festlegung von Probanden/innenprofilen wurden theoriegeleitete Annahmen zu Kulturaktivitäten von Senioren/innen systematisiert. Da über die Kultur- und Kunstpraxis älterer Migranten/innen in NRW ist bisher wenig bekannt ist, wurde dieser Gruppe eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt und mit einem Drittel der Befragten in der Stu-die besonders berücksichtigt. Folgende Samplingkriterien waren für die Auswahl der Befragten leitend:

Probanden/innen 55plus Merkmale / Anzahl Profile

ohne Migrationshintergrund

(20 Interviews)

(1) Kulturell aktiv 55+ (2) Geschlecht (m/w) (3) Bildung (formal höher / formal niedriger) (4) Wohnort (Stadt / Land) 8 Profile möglich

mit Migrationshintergrund

(10 Interviews)

(1) Kulturell aktiv 55+ (2) Geschlecht (m/w), (3) Bildung (formal höher / formal niedriger) 4 Profile ggf. möglich (offene/pragmatische Herange-hensweise bei der Auswahl).

Im Zeitraum von Juli bis Dezember 2006 wurden insgesamt 30 Personen befragt. Drei der Inter-views wurden mit Paaren durchgeführt, von denen beide Partner kulturaktiv sind. 27 Interviews fanden mit kulturaktiven Einzelpersonen statt. Mehr als die Hälfte der Interviewpartner/innen (60%) sind Frauen, 40% sind Männer. Ein Drittel der Befragten (7 Frauen, 3 Männer) hat einen Migrati-onshintergrund.

Standorte

Bei der Befragung werden unterschiedliche Standorte berücksichtigt: die Interviewpartner/innen leben jeweils zur Hälfte in ländlichen bzw. klein-/ mittelstädtischen Regionen (Einwohnerzahl < 120 000) und in Großstädten (Einwohnerzahl > 120 000). Regionale Schwerpunkte für die Befragungen waren das Ruhrgebiet, Raum Aachen, Bergisches Land, Raum Köln / Bonn, Siegen.

Altersspanne und Geschlecht

Insgesamt ist eine breite Altersspanne der gesamten Probanden/innengruppe zu verzeichnen. Das Alter der Befragten liegt zwischen 55 und 81 Jahren. Es wurden etwas häufiger Frauen als Männer (18 gegenüber 12) befragt.

Probanden/innen nach Alter und Geschlecht Geschlecht Altersgruppe männlich weiblich

Anzahl

55 bis unter 60 Jahre 3 6 9 60 bis unter 65 Jahre 3 2 5 65 bis unter 70 Jahre 1 8 9 70 bis unter 75 Jahre 4 1 5 75 Jahre und älter 1 1 2 Gesamt 12 18 30

6 Die hypothesenfindenden Ergebnisse der Studie basieren auf einer qualitativen Auswertung der leitfadengestützten Inter-views, die biografische und narrative Elemente enthalten.

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Haushaltsformen

Bis auf zwei Befragte, die in Seniorenresidenzen wohnen, leben alle Probanden/innen im eigenen Haushalt. Überwiegend (2/3 der Befragten) leben mit PartnerIn bzw. Familienmitglied(ern) zusam-men. Ein Drittel der Interviewpartner/innen lebt alleine (1 Mann, 10 Frauen).

Bildungsstatus

Unter den Befragten ist insgesamt ein erhöhter Bildungsstand zu verzeichnen. Mehr als die Hälfte der Probanden/innen (17) hat einen hohen Bildungsabschluss (Abitur). Sechs der Interviewpart-ner/innen haben einen mittleren (1 Mann und 5 Frauen), sieben einen niedrigen Schulabschluss (2 Männer und 5 Frauen).

Probanden/innen nach Schulabschluss und Geschlecht Geschlecht Schulabschluss männlich weiblich

Anzahl

Abitur 9 8 17 Realschulabschluss 1 5 6 Volksschulabschluss 2 5 7 Gesamt 12 18 30

Angaben zu den befragten Migranten/innen

Unter den zehn Befragten mit Migrationshintergrund befinden sich jeweils fünf Arbeitsmigran-ten/innen (3 Frauen und 2 Männer) mit den Herkunftsländern Spanien und Griechenland und fünf Aus-/ Umsiedler/innen (4 Frauen und 1 Mann) aus Ländern der ehemaligen GUS (Russland, Ka-sachstan, Sibirien).

Standorte

Die befragten Aus-/Umsiedler/innen leben ausnahmslos in ländlichen bzw. klein-/ mittelstädtischen Regionen, während in der Gruppe der Arbeitsmigranten/innen zwei Personen ihren Wohnort in Großstädten und drei in ländlichen bzw. klein-/ mittelstädtischen Regionen haben.

Alter und Geschlecht

Zwischen den beiden Probanden/innengruppen mit Migrationshintergrund ist ein deutlicher Alters-unterschied festzustellen: Die Aus-/Umsiedler/innen dieser Studie sind mit 55 bis unter 65 Jahren deutlich jünger als die Gruppe der Arbeitsmigranten/innen, die zwischen 65 und 75 Jahre alt sind.

Haushaltsformen

Die gesamte Gruppe der befragten Migranten/innen lebt im eigenen Haushalt. Fast alle Arbeits-migranten/innen (4 Personen) leben mit Partner/in bzw. Familienmitgliedern zusammen, lediglich eine Person dieser Gruppe ist allein lebend. Etwas mehr als die Hälfte (3 Personen) der befragten Aus-/Umsiedler/innen lebt im Gegensatz dazu allein, zwei Personen dieser Gruppe leben jeweils mit Partner/in zusammen.

Bildungsstatus

Im Bildungsstatus sind ebenfalls große Unterschiede zwischen den beiden befragten Migran-ten/innen-Gruppen zu verzeichnen. Während die Gruppe der Aus-/Umsiedler/innen (die Hälfte der Gesamtgruppe) mit Abitur ausnahmslos über einen hohen Bildungsabschluss verfügt, finden sich bei den Arbeitsmigranten/innen zwei Personen (1 Mann und 1 Frau) mit mittlerem Abschluss, drei Personen (1 Mann, 2 Frauen)) haben die Volksschule besucht. Bei der Auswahl der Probanden waren diese Kriterien (Herkunftsland / Bildungsstand) nicht ausschlaggebend. Erst eine repräsen-tative Untersuchung kann klären, ob die begründbare Vermutung zutrifft, dass Aus- und Umsied-ler/innen aus den GUS Staaten im Durchschnitt besser gebildet sind, als Arbeitsmigranten/innen aus Südeuropa, die in den 60iger und 70iger Jahren nach Deutschland kamen.

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Ergebnisse der Befragung Die Ergebnisse der Befragung werden in drei Schritten dargestellt. Erstens werden Zugänge zur Kulturaktivität erläutert, zweitens die wichtigsten motivierenden Faktoren benannt und drittens Bar-rieren für das Kulturengagement aufgezeigt. In einem vierten Teil werden die zahlreichen Empfeh-lungen, die die Befragten für Kulturanbieter und die Kulturpolitik gegeben haben, stichwortartig vorgestellt. Die verwendeten Interviewpassagen sind aufgrund der besseren Lesbarkeit geglättet.

Zugänge

Persönliche Bedingungen des Beginns

Die Zugänge zur aktuellen Kulturarbeit lassen sich bei den Befragten zwei grundsätzlich unter-schiedlichen Szenarien zuordnen:

a) Kontinuität: Hier ist kulturelle Aktivität Ausdruck einer guten sozialen Integration und oft Folge eines lebensbegleitenden Interesses an Kunst und Kultur. Viele Befragte beschreiben, in die Kul-turaktivität „hineingewachsen“ zu sein. Förderlich für den Zugang zu kulturellen Aktivitäten waren Personen, die unterstützen und ermutigen. „Es waren immer Personen da, die mich letztlich geför-dert und auch ermutigt haben.“

Frau N, 81, Einheimische

Da kam die Museumsführerin, die ich gut kannte, zu mir und sagte: „Du musst mal ganz schnell kommen, die wollen einen Theaterkreis bilden, da musst du mitmachen.“

b) Diskontinuität / biografische Brüche: Hier wird die kulturelle Aktivität durch eine Erfahrung des Bruchs ausgelöst, z.B. Frühpensionierung, Scheidung, Tod des Partners, Krankheit oder Migration. Auf den Bruch folgt durch unterschiedliche Impulse das kulturelle Engagement als Teil einer per-sönlichen Neuorientierung. In mehreren Fällen wird das kulturelle Engagement als ein Element beschrieben, das aus einer Lebenskrise herausführt. Dabei spielen sowohl die positiven Erfahrun-gen im künstlerischen Handeln wie auch die soziale Resonanz eine förderliche Rolle.

Herr M:

Dazu gekommen bin ich, als ich frühpensioniert wurde. () Ich bin erst mal in ein ganz tiefes Loch gefallen und da hatte ich gar nichts mehr. () Eine Kollegin hat mich dann überredet, zur Theater-gruppe mitzugehen... und dann hab ich da so ein bisschen Blut geleckt und fand das ganz toll.

Frau U:

Ich hatte hier (in Deutschland) mehr Zeit. ( ) Mit der Arbeitslosigkeit und so. () Dann war ich eine ganz lange Zeit sehr krank. Das hat mich bewegt zu schreiben und ich habe das erste Band (eine Radioproduktion) veröffentlicht.“

In beiden Fällen, im Ausbau und der Fortführung von Aktivität in einem gesicherten sozialen Um-feld wie in der Neuaufnahme von kultureller Aktivität nach einem biografischen Bruch, wirken per-sönliche Ressourcen, frühere positive Vorerfahrungen mit Kunst und Kultur, Selbstvertrauen in bestimmten Gestaltungsbereichen „Ich konnte schon immer ganz gut schreiben“ oder „Ich habe schon immer gern gesungen...“ unterstützend. Insbesondere die befragten Zuwanderer aus den ehemaligen GUS Staaten können an frühere Kulturerfahrungen im Herkunftsland und ihre qualitativ hochwertige künstlerische Ausbildung dort anknüpfen. Sie finden in Deutschland häufig kein ent-sprechendes Arbeitsverhältnis und versuchen, über das ehrenamtliche Engagement zumindest einen Teil ihrer Kapazitäten einzubringen und wieder praktisch zu arbeiten.

Frau H, 55, Migrantin, GUS, leitet Theatergruppen mit Kindern und Jugendlichen :

Mit Anfang 40, wenn Du schon irgendwo Erfolg hattest, diesen Genuss, dann kannst Du nicht ein-fach als Putzfrau arbeiten. () Ich habe vormittags geputzt, nachmittags Hemden gebügelt. () Schon nach einem Monat habe ich in der Kirche einen Pastor kennen gelernt () Was wir dann gemacht haben, das war ... zuerst ein Krippenspiel. () Nachdem wir das gespielt haben, war da - erst ganz leise – der Applaus.

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Anders stellt sich dies bei den Arbeitsmigranten/innen dar, die oftmals aufgrund ihrer Herkunft aus armen, ländlichen Verhältnissen eine sehr geringe Schulbildung und wenig künstlerische Vorerfah-rung mitbringen. Entsprechend hat es gedauert, bis sie Selbstbewusstsein aufbauen konnten, die Zeit und Kraft fanden, das für sie oft neue Feld Kultur für sich zu erschließen. Sie beschreiben nachdrücklich, wie unsicher sie sich in diesem für sie neuen Feld zunächst fühlten und wie wichtig eine sensible Unterstützung, z.B. durch die Kursleitung, für sie war.

Frau W, 69 Migrantin, Mitglied einer internationalen Seniorentheatergruppe:

Du kannst durch das Theater viel erreichen, schau uns mal an: Wir sind nicht gebildet haben nicht mal die Schule besucht. Das Theater ist eine Weiterbildung für uns, dadurch entwickelst du dich weiter.

Ausgangspunkt für den Zugang in die aktuelle Kulturaktivität sind nach Ansicht der Befragten zeit-lich passende und dem Anforderungsniveau der Interessenten entsprechende Angebote. Sie wer-den angenommen, wenn eine eigene Suchbewegung, z.B. nach einem biografischen Bruch ein-setzt. Dann ist es zunächst wichtig an bestehende organisierte Angebote anzuknüpfen. „Der erste Anlaufpunkt ist immer eine organisierte Sache.“ Von hier aus ergeben sich häufig weitere Aktivitä-ten.

Ein gutes Beispiel für das Entwicklungspotenzial des kulturellen Engagements ist der Weg, den Herr M gegangen ist. Aus einem persönlichen Tief nach der Frühpensionierung nimmt er an einem Kurs für kreatives Schreiben teil. Er bringt ein gutes Selbstvertrauen mit und bekommt viel positive Resonanz durch die Gruppe. Schließlich wird er zum Leiter der Gruppe. Die Gruppe ist so stabil, dass sie nach dem Ende der Förderung im Kursprogramm der VHS selbstständig weiter arbeiten kann. Herr M entwickelt sich vom aktiven Teilnehmer kultureller Angebote zum vermittelnden Or-ganisator solcher Angebote.

Herr M, 68:

Ich habe gesehen, dass es kreatives Schreiben als Kurs gab. Und dann habe ich gedacht, och... das hat dir immer schon gelegen, so was zu schreiben. () Und dann haben wir die ersten Texte geschrieben und das ist mir so toll gelungen und die waren so beeindruckt davon, da war ich gleich integriert. () Als dann die Kursleiterin ausfiel haben sie mich einstimmig zum neuen Leiter gewählt (). Und so bin ich da eigentlich an diese Kurse gekommen. Ich habe mir noch ein bisschen Literatur besorgt und habe versucht weiterzumachen, Schrittchen für Schrittchen.() Nach der Streichung des Seniorenprogramms in der VHS sind wir dort ausgestiegen und haben uns selbständig gemacht.

Kulturorientierung in Kindheit und Jugend

Der überwiegende Teil der Kulturaktiven benennt frühe Kulturorientierung in Kindheit und Jugend als wichtigste Voraussetzung für ihren Zugang zur Kultur. „Interesse an Kultur bestand schon im-mer“ und eine Neigung zu spezifischen Kulturaktivitäten wie „Liebe zu Theater(-atmosphäre) von Kindheit an“, „Das Interesse an Musik begann sehr früh“, oder „In der Schulzeit Liebe zu Literatur, Theater, (Welt)-kulturgeschichte entdeckt“, oder „Erste Anfänge von Radioarbeit in der Jugend“. Vor allem die Herkunftsfamilie wird als kulturell prägend beschrieben.

Frau C:

Es war normal. Ich komme () aus einer mittelbürgerlichen Familie, in der Kultur, also bestimmte Teilhabe an der Kultur, zum guten Lebensstil gehört. Das war bei uns wirklich ganz selbstverständ-lich.

Alle Aktiven mit Abitur benennen eine frühe familiäre Förderung. Die Gruppe mit mittleren und niedrigeren Abschlüssen dagegen berichtet auch davon, zu Hause gar nicht an Kunst und Kultur herangeführt worden zu sein. In dieser Gruppe finden sich auch die wenigen Befragten, die erst im Alter einen Zugang zu Kunst und Kultur fanden.

Frau R: Ich bin nicht (kulturell G.S.) vorbelastet. Gar nicht. Ich bin ein Kriegskind.

Auch vom Einfluss der gegründeten eigenen Familie wird berichtet. So werden gesellschaftliche oder (sozial-) kulturelle Interessen im Zusammenspiel mit dem Partner ausgeprägt. Bei formal

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niedriger Gebildeten finden sich Hinweise auf kulturelle Anregungen durch die Kinder und durch die kulturell geprägte Herkunftsfamilie des Partners bzw. der Partnerin.

Frau AB, 65, gemeinsam mit ihrem Mann Moritaten- und Bänkelsängerin:

Musikalische Förderung? Nein, überhaupt nicht. Also bei meinen Eltern gleich Null. () Aber die Familie meines Mannes war sehr musikalisch. () Das war ganz leicht, ich habe einfach mit meinem Mann geübt.

Schulische Umgebung

Die schulische Umgebung spielt für die kulturelle Orientierung ebenfalls eine Rolle, v.a. Theaterbe-suche mit der Schule und Musik. Dabei wird deutlich, dass die Anregungen durch die Schule vor allem für diejenigen, die vom Elternhaus nicht kulturell gefördert wurden, ein hilfreicher Faktor für die Entwicklung ihres Interesses an Kunst und Kultur gewesen sind.

Herr B:

„Nein, von zu Hause war da gar nichts,... das ist eigentlich über die Berufsschule entstanden. Dort gab es Lehrer, die noch einiges vermitteln konnten, die also auch gewissermaßen versuchten, die Kinder aus unteren Schichten an das Theater heranzuführen, an die Literatur heranzuführen, ...

Diese Aussagen stützen die aktuelle Forderung über ausreichende kulturelle Bildung an Schulen, um den Zugang für alle Kinder zu Kunst und Kultur zu sichern.

Berufliche Ressourcen

Einige Probanden, vor allem die Kulturvermittler, kommen aus Kulturberufen, sozialen Berufen oder dem Managementbereich. Sie greifen in ihrem späteren kulturellen Engagement auf die hier erworbenen Kompetenzen zurück. Spezielle Kenntnisse wie plattdeutsche Sprache und berufliche Erfahrungen, wie Körperarbeit durch Sport und besondere Organisationsfähigkeiten werden als hilfreiche Vorerfahrungen für die aktuelle kulturelle Aktivität benannt. Kulturaktive nutzen ihren z.T. hohen Bildungsstand und ihre gute berufliche Position, aus der sie Managementerfahrungen und Einflussmöglichkeiten in das kulturelle Engagement einbringen.

Herr K, 63, Manager:

Zu unserem 125 jährigen Firmenbestehen haben wir entschieden, dass man jungen Leuten etwas anbieten sollte im Bereich Musik und das speziell in meinem Bereich... Richtung Jazz. Wir wollten ein Podium bieten, das jungen Musikern die Möglichkeit gibt, sich auch einmal vor einem großen Auditorium zu präsentieren. () Dann haben wir in den zweiten fünf Jahren einen Wettbewerb krei-ert. Damit zusammen hing eine Schulung, eine Vorbereitung auf diesen Wettbewerb durch nam-hafte ortsansässige Musikpädagogen.

Motive Das breite Spektrum der Motive für das aktuelle Kulturengagement lässt sich in zwei große Berei-che teilen, die durch die besonderen Inhalte der künstlerischen und kulturellen Aktivität verbunden sind:

• Motive, die sich auf soziale Resonanz beziehen,

• Motive, die sich auf Möglichkeiten der Selbsterfahrung und das persönlichkeitsentwickeln-de Potenzial künstlerischen Handelns beziehen.

Soziale Resonanz: Kontakt, Anerkennung, anderen etwas Positives geben

Motive, die sich auf soziale Resonanz beziehen, beginnen mit dem Wunsch, Kontakte (generatio-nenübergreifend) aufzubauen oder zu pflegen, gemeinsam etwas zu erleben, Spaß und Freude zu teilen. Oft nennen die Befragten den Wunsch, Auseinandersetzungen und anregende Gespräche zu führen, gemeinsam (z.B. mit dem Partner) etwas Interessantes zu tun.

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Frau X:

Ich liebe es mit Menschen zu arbeiten. Egal in welchem Alter, weil ich davon profitiere. Menschen sind überhaupt das Wichtigste für mich.

Anerkennung und Zuspruch durch andere werden als persönlicher Gewinn und motivierender Fak-tor genannt. Sowohl als Organisator von kulturvermittelnden Angeboten als auch als künstlerisch darstellender Mensch ist Anerkennung für die Befragten wichtig.

Frau W, 69, Migrantin, Theatergruppe:

Mich hat es beeindruckt, wie vielen Menschen es gefallen und interessiert hat, uns beim Theater-spielen zuzuschauen. Sie haben gesagt: Ah! Sieh mal, [Fr.W.] spielt da. Als ich auf der Bühne war, haben sie geschrieen und applaudiert. Mich hat beeindruckt, wie sehr mich die Menschen lieben.

Neben dem sozialen Kontakt und der Anerkennung durch andere möchten viele der Befragten anderen etwas Positives geben. Sie möchten zur Integration, zur Freude und Lebensqualität ande-rer beitragen. Dabei werden die Künste sowohl als Mittel zum (sozial-integrativen) Zweck einge-setzt, als auch als etwas „an sich Wertvolles und Sinnvolles “ angesehen, das vermittelt werden sollte.

Herr M, leitet eine Gruppe „Kreatives Schreiben“:

Ich hab jetzt einen dabei, der ist schwer krank. Das einzige, was ihm geblieben ist, ist das Schrei-ben. Und jetzt fahren wir hin, holen ihn, () damit er zu den Treffen kommen kann. () Das ist, was ihn aufrecht hält.

Frau X:

Ich empfinde das Seniorentheater nach wie vor als Bereicherung. () Es ist für mich, als würden plötzlich junge Mädchen oder junge Männer auf der Bühne stehen, die sich Strapse anziehen und sagen: „Mensch, mein Leben lang musste ich mich immer beherrschen, in allen Dingen, ich durfte nichts und jetzt darf ich all das ausleben.“ () Deshalb ist das für mich eine ganz tolle Erfahrung.

Selbsterfahrung - das persönlichkeitsentwickelnde Potenzial künstlerischen Handelns: Ästhetischer Genuss und Entwicklungspotenzial

Im Mittelpunkt dieser Motivation steht der Wunsch, die besonderen Erfahrungen im künstlerischen Handeln als in sich „schön, beglückend, Freude bereitend, wohltuend“ zu erleben.

Frau Y:

Was in meinem Inneren wirklich gut tut, ist die Musik. Etwas zu machen, das wirklich schön ist und einem selber wohl tut.

Frau AB:

Das Singen an sich befreit so, und das tut der Seele gut. Das ist einfach toll. Ich fühle mich unheimlich gut.

Neben dem ästhetischen Genuss nennen viele der Befragten anregende Erfahrungen und das Entwicklungspotenzial durch die künstlerische Auseinandersetzung. Dies wird zwar nicht in allen Phasen als angenehm empfunden, bringt aber, wenn es zu einem gelungenen Ergebnis kommt, das Gefühl gewachsen zu sein, etwas geleistet zu haben, auf das man stolz sein kann. Damit eng verbunden ist die Freude über die Anerkennung dieser Leistung durch Andere (Applaus). Am Ende eines solchen Prozesses steht dann die Erfahrung eines (gemeinsam) gewachsenen Selbstbe-wusstseins, das für viele Probanden ein wichtiges Ergebnis ist.

Frau N, 81, Theatergruppe:

Sich in diese Rolle hineinzusetzen. Sich so zu geben, wie du dich sonst nie gibst. Also entgegen-gesetzt, was du sonst tust. Das ist auch ein gewisser Reiz, der dahinter steckt... Man würde ja sonst nie so aus sich herausgehen. Und das muss man ja lernen, man muss sich öffnen. Ja. Das macht auch Spaß.

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Mit der künstlerischen Auseinandersetzung entwickelt sich auch ein Repertoire, um im künstleri-schen Ausdruck biografische Themen aufarbeiten zu können, Ideen Ausdruck zu geben, inneren Erfahrungsreichtum nach außen zu kehren und in eine Form zu bringen.

Herr L, 67:

Für mich und, ich glaube, auch für die ganze Gruppe war es ganz wichtig, sich mit der Nachkriegs-zeit und den 50er Jahren noch einmal intensiv zu beschäftigen. Da ist v i e l aufgearbeitet, verar-beitet worden. Das ganze Elend der Zeit. () Dadurch ist uns allen doch s e h r viel klar geworden.

Frau V, 68, Migrantin:

Das Theaterspiel hat für uns eine sehr große Bedeutung, weil damit sehr viele persönliche Ge-schichten verbunden sind. Geschichten aus meinem Leben, als ich nach Deutschland gekommen bin.

Hierbei wird sowohl der Aspekt der eigenen persönlichen Klärung genannt als auch die Möglich-keit, mit den gestalteten biografischen Erfahrungen, sei es als Theaterstück, als Prosa, als Ausstel-lung oder als Videofilm Erfahrungen und Sichtweisen zu veröffentlichen und damit in einen genera-tionen– und /oder kulturübergreifenden Dialog treten zu können.

Barrieren

Gesundheitliche Einschränkungen

Als Barrieren zum kulturellen Engagement werden vor allem gesundheitliche Einschränkungen sowie Verlust der Initiative, z.B. nach dem Verlust des Partners genannt.

Strukturelle Barrieren

Weitere Barrieren sind fehlende bzw. unpassende Angebote, Probleme der Erreichbarkeit dieser Angebote und geringe finanzielle Mittel. Die strukturellen Barrieren spiegeln sich auch in den Emp-fehlungen für Kulturanbieter, die die Befragten geben. Viele Befragte nennen die Anforderung, ein eigenes Kulturangebot organisatorisch zu sichern, die finanziellen Ressourcen zu akquirieren, die Gruppendynamik der Beteiligten richtig zu moderieren.

Frau C, 67, eigene Märchen- und Kulturprogramme:

Ich bin mein eigener Manager. Die Ideen dann durchzusetzen, an den Mann, an die Frau, an die Organisation zu bringen, das ist auch meins. Also man ist so eine Ein-Frau-Firma.

Nicht alle Befragten äußern sich so selbstbewusst. Viele benennen hier einen Weiterbildungs- und Unterstützungsbedarf. Der hohe zeitliche Einsatz im kulturellen Engagement kann ebenfalls zur Barriere werden, wenn die Kräfte nachlassen oder wenn es nicht gelingt, Aufgaben sinnvoll zu delegieren. Die oft mehrfach engagierten Aktiven benötigen gute Selbststeuerungsfähigkeiten. Weitere notwendige Kompetenzen und damit auch mögliche Barrieren, die genannt werden, sind: die Befähigung, Verpflichtungen eingehen zu können, über längere Zeiträume durchzuhalten, so-wie Unabhängigkeit, Sparsamkeit und Mobilität, Eigeninitiative, Durchhaltevermögen, Kontaktfreu-digkeit und Professionalität. Darüber hinaus wird die Fähigkeit erwähnt, widersprüchliche Erwar-tungen der sozialen Umgebung (Kritik und Konflikte in der Gruppe) aushalten und moderieren zu können.

Fehlende Integration

Migranten/innen benennen zudem sprachliche Einschränkungen als Barriere für ihr eigenes Enga-gement.

Frau V, 68, Migrantin:

Ich kann nicht lesen und schreiben, ich konnte die deutsche Sprache nicht, war auch sehr schüch-tern. Ich habe nicht verstanden, was sie [erg.: die Theaterpädagogin] bei den Proben von mir wollte - also hatte ich Verständigungs-Schwierigkeiten.

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Außerdem beschreiben sie die Tatsache, dass viele ältere Migranten über längere Zeiträume zwi-schen Herkunftsland und Deutschland pendeln, als Problem für eine kontinuierliche Arbeit. Sie bemängeln fehlendes Interesse der Einheimischen an Kulturangeboten aus der migrantischen Szene.

Soziale Ungleichheit

Die wichtigste Barriere im Zugang zu Kunst und Kultur ist auch im Alter soziale Ungleichheit. Sie spiegelt sich in Unterschieden der Bildung aber auch bereits in einem unterschiedlichen Umgang mit Kultur im familiären Zusammenhang. (Fehlende kulturelle Bildung in Kindheit und Jugend wie das Erlernen eines Instruments) Neben den offensichtlichen Benachteiligungen in der Hinführung zu aktiver Kulturbeteiligung wirken soziale Unterschiede aber auch subtil. Kultur und die aktive Nutzung künstlerischer Verfahren sind immer noch Mittel der sozialen Abgrenzung, das bestätigen auch diese Interviews. Die Wahrnehmung der Kultur als Distinktionsmittel im Sinne von Pierre Bourdieu (1982 / 1992), als etwas Exklusives, „nur für bestimmte Schichten“ Zugängliches, schwer Verständliches und Kostspieliges wird von vielen Befragten thematisiert. Dabei wird der wahrgenommene soziale Unterschied von sozial weniger gut gestellten Probanden sowohl als Barriere als auch als Herausforderung erlebt. Hemmungen und Unsicherheiten in der aktiven Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur werden nur von Befragten mit mittlerem und niedrigem Bildungsabschluss formuliert. Sie beschreiben zudem ihre Freude, wenn es ihnen gelungen ist, diese Barrieren zu überwinden.

Frau N, 81, Seniorentheatergruppe:

Die größten Bedenken hatte ich, weil alle oder die meisten einen Hochschulabschluss hatten. Da hatte ich so ein bisschen Bedenken, dass ich nicht angenommen würde. Also immer dieser Zwei-fel, du bist nicht so viel wert wie die Anderen.

Frau V, 68, Migrantin:

Das Theaterspielen gibt mir Mut, Befriedigung und Selbstbewusstsein, weil es mich weiterbildet, weil ich ja keine Bildung als Kind genossen habe. () Ja, ich habe heute keine Hemmungen mehr und habe auch meine Unsicherheit überwunden, wenn ich mit andere Menschen spreche, bin ich noch selbstbewusster.

Ganz anders Frau Y, mit hohem Bildungsabschluss, die auch eine neue künstlerische Ausdrucks-form erlernt, aber zu keinem Zeitpunkt daran zweifelt, dass ihr dies auch gelingen wird.

Frau Y :

Jetzt bin ich also in meinem Blockflötenquartett. Wir arbeiten richtig ernst. Wir lassen uns sogar die Lehrer kommen, mit denen wir immer einmal in der Woche arbeiten () Dann geht es aber wirklich Note für Note.

Personen, die eine persönliche oder familiäre Orientierung des sozialen Aufstiegs mitbringen oder sich aufgrund von Migrationserfahrung, Kriegs- oder Nachkriegserfahrung herausgefordert sehen, ihren sozialen Status zu verbessern, reagieren hier mit großer Sensibilität. Im Rahmen dieser per-sönlichen Motivationslage ist möglicherweise auch der Wunsch verankert, den Zugang zu Kunst und Kultur (stellvertretend?) für andere, weniger Privilegierte zu ebnen, Kunst und Kultur allen zu-gänglich machen zu wollen und als Mittel der sozialen Verständigung und nicht der Zuspitzung von Unterschieden zu nutzen.

Herr B, 71, ehemaliger Kulturmanager:

Das Wichtigste an der Kultur ist der soziale Frieden. Dass wir uns heute nicht mehr totschlagen.

Frau H, 57, Migrantin:

Ich finde, das ist meine Aufgabe... diesen jungen Leuten zu zeigen, was Kunst ist.

Frau C, Einheimische, 67,eigene Kulturprogramme und Museumsführungen:

Ich brauche kein besonderes Programm, weil ich 65 bin. Das ist ja Unfug. Sondern es braucht eine Einführung, damit die Senioren aus ganz verschiedenen sozialen Schichten, sich gemeint fühlen.

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Erklären verboten? - Fehlende Kulturvermittlung Interessant ist in diesem Zusammenhang die Erfahrung, die Frau R. gemacht hat. Sie hat sich mit 70 Jahren, aus dem Sport kommend, erstmalig mit der Teilnahme an einem Tanztheaterstück mit künstlerischer Gestaltung beschäftigt. Dabei hat sie „eine ganz neue Welt“ entdeckt und ausge-hend von der Tanztheatererfahrung weitere Erkundungen im Kulturbereich gemacht.

Frau R:

Ich bin nicht vorbelastet. Gar nicht. () Das ist eigentlich durch das Tanztheaterprojekt entstanden, dass ich mich jetzt mehr in diese Kultursache reintaste.

Im Rahmen der Tanztheaterproduktion lernte sie neue, abstraktere Gestaltungsweisen kennen, die sie zuerst irritierten, ihr dann aber gut gefielen. Als die Aufführung des Tanztheaterstückes an-stand, interessierten sich sowohl ihre Bekannten aus der Seniorenwohnanlage als auch aus dem Sportverein für die Aufführung. Sie ahnte, dass ihre Bekannten die gleichen Schwierigkeiten wie sie selbst haben könnten, die Formensprache der Tanztheaterinszenierung zu verstehen. Folge-richtig ist sie in die Rolle der Kulturvermittlerin gewechselt und hat einen Handzettel produziert, der die wichtigsten Eckpunkte zum Verständnis der Inszenierung enthielt. Die Reaktion der Kursleiterin und der anderen Teilnehmenden war verblüffend:

Frau R: Die taten sich genauso schwer, um das zu begreifen, was die einzelnen in den Stücken darstellten. Und denen hatte ich schon vorher einen Auszug mit Erklärungen gegeben.

Frage: Hat das etwas gebracht mit den Erklärungen?

Frau R: Ja, ja! Es wurde l e i d e r nicht gern gesehen von unseren anderen Leuten.

Frage: Warum?

Frau R: Es gab ein Verbot, weil es...es sollte nicht sein.

Frage: Man sollte den Leuten das nicht vorher erklären?

Frau R: Ja. Das empfand ich als Handicap für Ältere, die mit Kultur nichts zu tun haben und neu-gierig sind, was treibt denn einer von uns da? Ich bin hergegangen, habe diesen Zettel ausgefüllt mit eigenen Erklärungen. Das war so hilfreich.

Frage: Und?

Frau R: Es wurde abgelehnt. Es gab auch kein Einführungsgespräch. Gar nichts. Es fing einfach an. Der erste kam auf die Bühne. Spannend! Schön eigentlich. Aber derjenige, der so etwas noch nie gesehen hat, ist vielleicht ratlos. Und bei der zweiten Aufführung wurde mir von Anfang an ge-sagt: „Keine Zettel verteilen, das kommt nicht mehr in Frage!“

Das Beispiel macht nicht nur deutlich, wie groß die Entwicklungsdynamik auch bei Menschen sein kann, die spät einen Zugang zu künstlerischer und kultureller Beteiligung finden. Es zeigt auch, dass sie sofort erkennen, wo Barrieren für Andere liegen könnten und wie diese Barrieren zu ü-berwinden wären. Frau R., quasi als Vorreiterin ihrer Bekannten aus dem Turnverein und der Seni-orenwohnanlage, möchte den Weg zu den Erfahrungen, die sie gemacht hat, ebnen. Sie stößt dabei auf deutlichen Widerstand von anderen (möglicherweise gebildeteren) Teilnehmern der Tanztheatergruppe und der Kursleiterin, die Kulturvermittlung durch Erklärungen ablehnen. Eine Öffnung durch „banale“ Erklärung wird als Verletzung der künstlerischen Interpretationsfreiheit angesehen, dient aber im Ergebnis dem Ausschluss bildungsferner Zuschauer.

Glücklicherweise gibt es auch Gegenbeispiele, bei denen systematisch unterstützt wird, was Frau R spontan getan hat: Es werden „Keyworker“ gewonnen, die ihre Kunsterfahrung an Menschen aus ihrem sozialen Milieu vermitteln.

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Hinweise der Befragten zur Förderung des Kulturengagements älterer Men-schen Die Befragung richtete sich nicht nur auf die eigenen Erfahrungen und Zugangswege zum kulturel-len Engagement. Sie wollte auch die Nähe der Befragten zu anderen Älteren, sei es als Mitstreiter ihrer Kunstpraxis, sei es als Zielgruppe für ihre Vermittlungstätigkeit für eine Einschätzung von Zugangswegen und Barrieren im Allgemeinen nutzen. Die Interviewpartner/innen gaben eine Fülle von Hinweisen und Empfehlungen zur Förderung des Kulturengagements von Senioren/innen, die sich an Kulturanbieter sowie Verwaltung und Politik richten. Diese werden im Folgenden zusam-menfassend dargestellt.

Hinweise und Empfehlungen für Kulturanbieter

Heranführung an Kulturengagement:

• Stärkere Zuwendung der Kulturanbieter zur Gruppe der Senioren/innen,

• Gezielt bildungsferne Schichten berücksichtigen,

• Schon vor Beginn des Ruhestands sollten Menschen für Kunst- und Kultur aktivieren,

• Eine stärkere Integration von Kulturschaffenden aus dem Migranten/innenmilieu,

• Zur Förderung von Kulturaktivität bei Migranten/innen wecken mehr Ermutigung und Ab-bau von Barrieren Neugier für das Aufnahmeland und die Herkunftsländer.

Ansprache

Persönliche Ansprache:

• Ansprache über Multiplikatoren, die bereits das Vertrauen genießen, z.B. Wohlfahrtsorga-nisationen, Kirchen, Ärzte,

• Bestehende Netzwerke als Kommunikationskanal für persönliche Ansprache nutzen.

Zielgruppengerechte Ansprache:

• Zielgruppengerechte Ansprachewege wählen und die Erreichung der angestrebten Ziel-gruppen überprüfen,

• Senioreneinrichtungen sollten die hausintern Informationen über Veranstaltungen auf ihre Attraktivität zu überprüfen,

• Transportangebote für den Besuch von externen Kulturveranstaltungen sicher stellen,

• offene Kulturangebote direkt im Haus entwickeln,

• Migranten/innen zu ihren kulturellen Bedürfnissen befragen und mit persönlicher Einladung über Kulturangebote informieren,

• Ansprache von Migranten/innen über Vereine und Kulturbegegnungseinrichtungen.

Öffentlichkeitsarbeit:

• Öffentlichkeitsarbeit mit zielgruppengerechten Marketingkonzepten unter Nutzung unter-schiedlicher Medien,

• Lokale, ortsteilgebundene Öffentlichkeitsarbeit, z.B. durch Straßenaktionen,

• Bessere Platzierung der Kulturbeiträge aktiver Älterer im Programm und der Werbung von Kultureinrichtungen,

• Aushänge, Wurfsendungen, Programmhefte, attraktiv gestaltete Hinweise in (Stadtteil-) Zeitungen und Berichte über Kunst und Kultur(aktivitäten) Alterer,

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• Migranten/innen durch die Printmedien der unterschiedlichen Migrantengruppen erreichen,

• Ansprache älterer Menschen über Radio und Fernsehen, durch Regionalprogramme und Ratgeber-Sendungen für Senioren/innen.

Die Einstellung der Interviewpartner/innen zur Nutzung des Internets für Öffentlichkeitsarbeit von Kulturanbietern ist unterschiedlich. Es wird einerseits auf Schwellenängste hingewiesen und der Wunsch nach mehr Zugang von Senioren/innen zu diesem Medium geäußert. Auf der anderen Seite wird die wachsende Nutzung des Internets als Medium der Zukunft auch durch ältere Men-schen betont.

Die Ausrichtung von Angeboten: kultur- und generationenspezifisch oder intergenerationell und interkulturell?

Die Empfehlungen der InterviewpartnerInnen hinsichtlich der Ausrichtung von Angeboten auf be-stimmte Personengruppen unter den Senioren/innen sind unterschiedlich. Von einigen Befragten Senioren/innen werden alters- bzw. Migranten/innen-spezifische Angebote gewünscht. Vielfach wird jedoch darauf hingewiesen, dass unter Berücksichtigung gesellschaftlicher Entwicklungen (Zunahme von Heterogenität / Individualisierung), eine Ausrichtung auf bestimmte Alters- bzw. Herkunftsgruppen reduziert werden sollte, und sogar abschreckend wirke.

Der Umgang mit jungen Menschen wird von Senioren/innen vielfach als erfrischend, lebhaft und hilfreich angesehen.

Eine Betonung des Themas Migration führt nach der Meinung von einigen Interviewpartner/innen zu Etikettierungen, dagegen wirke die Fokussierung auf neutrale Themen und Anlässe integrie-rend. „Sprachabhängige“ Veranstaltungen wie Vorträge, Filme nur für Migranten/innen und „spra-chunabhängige“ Angebote, wie Kulturfeste für Einheimische von bzw. mit Migranten/innen sollten gezielt eingesetzt werden.

Gestaltung und Inhalte von Kulturangeboten

Berücksichtigung seniorenspezifischer Besonderheiten:

• Der Umgang mit der speziellen Gruppendynamik in Senioren/innen-Gruppen erfordert Per-sönlichkeit und pädagogisches Geschick. Beide Fähigkeiten und ausreichend Personal sind notwendig,

• Sensibilität gegenüber Herkunft und Traditionen der Teilnehmenden,

• Fortbildung von MitarbeiterInnen in seniorengerechten Methoden, z.B. auf Dialog und ani-mierende Moderation achten.

Unterstützung, Begleitung und Moderation von Initiativgruppen:

• Förderung und Begleitung von Initiativ- und Basisgruppen zur Unterstützung der Eigeniniti-ative älterer Menschen,

• Kleinere Interessensgruppen, die sich aus Großgruppen herausbilden, durch professionel-le Moderation und fachliche Begleitung anfänglich unterstützen,

• Kompakt-Seminare ermöglichen intensives Zusammenarbeiten, führen unterschiedliche Teilnehmende zusammen und fördern den Gruppenzusammenhalt.

Neuland zugänglich machen: Kulturvermittlung für Ältere:

• Mehr kulturvermittelnde Angebote für ältere Menschen, z.B. in Form von Einführungen, Er-klärungen oder Nachbereitungen, durch die niemand diskriminiert wird,

• seniorenspezifische Bedürfnisse beachten, kürzere Zeitdauer der Veranstaltungen, ausrei-chend Pausen, Bereitstellung von Sitzgelegenheiten,

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• Kulturinteresse und Kontaktbedürfnisse stärker in die Angebote integrieren, z.B. gemein-same Projekte, Reisen oder Treffpunkte,

• Zweisprachige Kulturveranstaltungen und Kulturreisen, u.U. unter Regie von Migran-ten/innen, sprechen Einheimische und Migranten an,

• Älteren Migranten/innen nennen einen großen Bedarf nach Begegnungen mit Landsleuten. Derartige Begegnungen könnten im Kontext von Tanzen, Singen, Musik mit leichter Gym-nastik stattfinden.

Rahmenbedingungen für Kulturaktivitäten

Organisationsstrukturen:

• Neben Vereinsstrukturen auch offenere Organisationsformen für Kulturaktivitäten entwi-ckeln,

• Kulturarbeit nicht nur ehrenamtlich organisieren,

• Aufwandsentschädigungen und verstärkte Anerkennung der Leistung ehrenamtlicher Tä-tigkeit,

• Mehr Offenheit der Kulturträger (insbesondere Wohlfahrtsverbände) hinsichtlich der Selbständigkeit und Umsetzung der Ideen Ehrenamtlicher,

• Organisatorische Fragen (z.B. Raumfrage) für Ehrenamtliche ohne Gerangel und Kosten regeln,

• Unter Verweis auf altersbedingte Einschränkungen wird auch die institutionelle Organisati-on und Durchführung von Veranstaltungen sowie die personelle Unterstützung durch die jüngere Generation gewünscht,

• Öffnung von Seniorenheimen durch Veranstaltungen auch für Außenstehende.

Infrastruktur – Erreichbarkeit – Veranstaltungszeiten:

• Von einigen InterviewpartnerInnen werden Wünsche hinsichtlich seniorengerechter Zeiten für Veranstaltungen geäußert, die sich am Tagesrhythmus Älterer ausrichten, wie Früh- oder Nachmittagsvorstellungen. Andere lehnen dies für sich selbst ab, finden es aber für „die anderen“ sinnvoll.

• Die Veranstaltungsorte sollten zentral und gut erreichbar sein, um für Senioren/innen eine selbständige und autonome Teilnahme zu ermöglichen. (Parkmöglichkeiten, Erreichbarkeit mit öffentlichem Nahverkehr, Vereinbarungen zwischen Öffentlichem Nahverkehr und Kulturanbietern).

• Mitfahrgelegenheiten sowie Hilfen und Transportmöglichkeiten für Mobilitätseingeschränk-te und Behinderte sollten organisiert werden.

Finanzielle Rahmenbedingungen:

• Unterschiedliche Ansichten der InterviewpartnerInnen werden im Hinblick auf die finanziel-len Rahmenbedingungen geäußert: Kulturangebot zum Nulltarif wird von einigen abge-lehnt. Kulturaktive Senioren/innen weisen darauf hin, dass ein gesicherter Finanzrahmen zur Durchführung von Aktivitäten vorhanden sein muss.

• Im Zusammenhang mit aktuellen gesellschaftlichen, insbesondere arbeitsmarktpolitischen Entwicklungen fällt es jedoch vielen Senioren/innen schwer, die Kosten für Kulturveranstal-tungen und damit verbundenen Fahrten aufzubringen. Darum wird Kulturanbietenden eine moderate Preisgestaltung für Veranstaltungen empfohlen.

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Hinweise und Empfehlungen für Verwaltung und Politik

Aktivierung und Förderung von Mitbestimmung:

• Mehr Beteiligung Älterer in Kulturbelangen. Statt Nachfrageankurbelung, Erziehung und Bevormundung wird Mitbestimmung älterer Menschen gewünscht,

• Kommunen sollten beratend und unterstützend die selbstständige Planung von Aktivitäten älterer Menschen begleiten und ihnen Anstöße und Räume zu Eigenaktivität geben,

• Hilfestellungen zur Vorbereitung der Gestaltung des Ruhestandes bei Renteneintritt.

Verbesserung von Rahmenbedingungen:

• Zur Förderung von Kulturaktivität im Alter wird auf die Bedeutung kultureller Bildung in der Jugend hingewiesen,

• Ein Abbau von formalisierter Bürokratie bei der Kulturförderung wird gewünscht, v.a. bei Älteren, die sich um die Organisation und Finanzierung von Kulturprojekten kümmern,

• Migranten/innen wünschen sich mehr kommunale Angebote für Senioren/innen (nach dem Beispiel einiger Herkunftsländer) und die Aufrechterhaltung der Treffpunkte als kulturelle Begegnungsstätten für Migranten/innen und Einheimische,

• Mehr Freiraum für experimentelle Angebote,

• Mehr Unterstützung kulturaktiver Senioren/innen auf überregionaler Ebene.

Finanzierung von Kulturförderung:

• Sparmaßnahmen im Kulturbereich im Allgemeinen werden bemängelt. Kulturförderung sei jedoch nicht nur eine Frage der Finanzen, sondern auch eine Frage der politischen Unter-stützung und Anerkennung,

• Spezielle Fonds für Kulturaktivitäten Älterer einrichten,

• Die Verbindung öffentlicher und privater Initiativen stärker fördern,

• Finanzielle Unterstützung von Kulturaktivitäten bedürftiger Senioren/innen bereitstellen,

• Finanzielle Zuschüsse zur Fortsetzung erfolgreicher Kulturangebote, die auch von Einhei-mischen besucht werden, gewähren.

Förderung des ehrenamtlichen Engagements:

• Gesellschaftliche Aufwertung des Ehrenamtes,

• Ehrenamtlich tätige Senioren/innen nicht als (unbezahlte) „Hilfskräfte“ missbrauchen,

• Raum für ehrenamtliche Ältere in Gremien mit Kulturvermittlern und Förderern schaffen,

• Qualifizierungsmöglichkeiten für ehrenamtlich kulturell Aktive geben.

Unterstützung und Förderung des Austauschs zwischen den Kulturen:

• Kulturelle Vielfalt fördern, z.B. Möglichkeiten zu kulturellem Austausch zwischen den Ge-nerationen schaffen, keine Schließung von Begegnungsstätten,

• Mehr Unterstützung der Migranten/innen bei Kulturaustausch und Integration,

• Die Neugier der Einheimischen auf andere Kulturen sollte gezielter gefördert werden.

Berücksichtigung der Interessen Älterer in den Medien:

• Bei der Programmgestaltung öffentlicher Medien, insbesondere Regionalfernsehen und Lokalradio, sollte das Kulturinteresse von Senioren/innen stärker berücksichtigt werden.

• Seitens befragter Migranten/innen wird empfohlen, die verstärkte Einrichtung von Lokalra-diosendungen für Migranten/innen zu erwägen.

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Arbeitshilfen:

„Entfalten statt liften“ – Frische Ideen für Kunst und Kultur®

Mit den folgenden Arbeitshilfen möchten wir Ihnen Anregungen für Ihre praktische Arbeit für und mit Älteren geben.

��Entfalten statt liften – Frische Ideen für Kunst und Kultur®: Acht Anregungen für Kulturveranstalter

��Entfalten statt liften – Frische Ideen für Kunst und Kultur®�

Kulturmarketing für ältere Zielgruppen

��Entfalten statt liften – Frische Ideen für Kunst und Kultur® Ältere Menschen als Kulturbotschafter einbinden

��Entfalten statt liften – Frische Ideen für Kunst und Kultur®�

Seniorinnen und Senioren als Kulturmacher

Weitere Beratung kann nachgefragt werden bei:

im Institut für Bildung und Kultur e.V.

Küppelstein 34

42857 Remscheid

Tel. 02191. 794 294

E-Mail: [email protected]

www.ibk-kubia.de

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„Entfalten statt liften“ – Frische Ideen für Kunst und Kultur®: Acht Anregungen für Kulturveranstalter/innen

1. Die Gruppe der älteren Menschen differenziert betrachten

Sie sollten Ihre Zielgruppe genau kennen lernen und Ihre Vorhaben darauf zuschneiden! (Publi-kumsstatistik, Befragung, Referenzgruppen)

2. Unterschiedliche Motive der Kulturnutzung ernst nehmen

Greifen Sie verschiedene Motive der Kulturnutzung in Ihrem Angebot gezielt auf, z.B. ästhetischer Genuss, Kommunikation und soziale Kontakte, Freude an sinnlicher und geistiger Ansprache, Ori-entierung, Sinnsuche, Bildungsinteresse!

3. Angebote für unterschiedliche Kulturinteressen entwickeln

Neue Formate und die Öffnung des Repertoires sind gefragt! Auch Rahmenveranstaltungen und Hintergrundinformationen sprechen die Interessen Älterer an.

4. Über die Hochkultur hinausdenken: Angebote der Off-Szene, Medienszene und Soziokul-tur ausbauen

Das Publikum der Off-Szene altert mit ihr! Hinterfragen Sie Ihr Altersbild. Öffnen Sie Ihre Angebote auch für die Zusammenarbeit zwischen den Generationen.

5. Eigene künstlerische Aktivität ermöglichen

Immer mehr Ältere sind daran interessiert, selbst künstlerisch aktiv zu werden! Öffnen Sie Ihre Einrichtung für ältere Kulturmacher/innen.

6. Kulturelle Bildungsangebote als Schlüssel zu kultureller und sozialer Beteiligung aus-bauen

Berücksichtigen Sie in Ihren kulturpädagogischen Angeboten besondere Bildungsbedürfnisse Älte-rer: Interesse herrscht an Themen, die sich mit Lebenssinn, Ethik, Philosophie, Politik und Ge-schichte beschäftigen!

7. Selbstorganisierte Kultur- und Bildungsangebote für und mit anderen unterstützen

Die neuen Alten sind aktiv, engagiert, interessiert und selbstbestimmt. Unterstützen Sie sie dabei, selbst aktiv zu werden oder kulturelle Angebote für andere zu machen! Sie werden Ihnen neue Besucher ins Haus locken!

8. Guten Service schätzen alle Altersgruppen

Gute Erreichbarkeit, barrierefreie Räumlichkeiten, freundliches Personal und Beratung, persönli-cher Kontakt, komfortabler Ticketkauf, übersichtliche Informationen und ein angenehmes Ambiente schaffen gute Rahmenbedingungen für alle Nutzer.

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„Entfalten statt liften“ – Frische Ideen für Kunst und Kultur®: Kulturmarketing für ältere Zielgruppen

Grundlagen für einen gelingenden Dialog

Die Gruppe der Älteren ist heterogen und umfasst mehrere Generationen. Einfache Eintei-lungen nach Alter greifen zu kurz. Wichtig sind auch die sozialkulturelle Zugehörigkeit und die Lebenssituation der angestrebten Zielgruppe.

Lernen Sie Ihre Zielgruppe möglichst genau kennen!

Gesundheitszustand/ Mobilität

Interessen

Bildungsbedürfnisse

Lebensstil

Ansprüche (Rahmenbedingungen, Inhalte)

Motive der Kulturnutzung

Sonstiges

Überlegen Sie, wie Sie diese Zielgruppe erreichen und informieren wollen!

„Klassische“ Kommunikationswege (Presse und Medien, Druckerzeugnisse/ Programmbroschüre/ Postkarten, Direktmailings, Internetplattform)

Informelle Kommunikationswege (Empfehlungen, Freundeskreise, Netzwerke, Kulturbotschafter)

Kundenbindungs-Strategien (Preisgestaltung, Abo-Reihen, Werkstattgespräche, Freundeskreise, Förderverein, Aktionen)

Kooperationen eingehen (Wohlfahrtsverbände, soziale Träger)

wohnortnahe Angebote, Angebote an ungewöhnlichen Orten, die Ältere erreichen

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Richten Sie Ihr Programm und die Rahmenbedingungen auf die ältere Zielgruppe aus!

� Guten Service wissen alle Altersgruppen zu schätzen!

o Information über Rahmenbedingungen, Gastronomie, Parkplätze

o Hintergrundinformationen

o Telefonischer Service, Ansprechpartner in der Einrichtung

o Erreichbarkeit (Zusammenarbeit mit örtlichen Verkehrsbetrieben, Bring- und Holdienste zur Kultur, Mitfahr-Modelle, mobile Kulturangebote)

o Veranstaltungszeiten

o Preisgestaltung

� Rahmenprogramme, die weitere Interessen aufgreifen wie Gesprächskonzerte, Theaterfüh-rungen und Werkstattgespräche sind wirksame Instrumente der nachhaltigen Kundenbin-dung!

� Bieten Sie Angebotsformen, die soziale Barrieren senken und auch bildungsferne Ältere ansprechen, und gehen Sie Kooperationen ein mit Sportvereinen, kirchlichen Einrichtungen, soziokulturellen Trägern, Unternehmen, Reiseveranstaltern, Kleingartenvereinen, Altenhei-men, Migrantenorganisationen usw.

Prüfen Sie, wie seniorengerecht Ihre Kultureinrichtung ist!

Barrierefreiheit (Erreichbarkeit, Hörhilfen, Lichtverhältnisse, Lesbarkeit von Informationen und Be-schilderungen)

Fähigkeiten der Mitarbeiter, sich auf Ältere einzustellen (Kommunikation, Service)

Möglichkeit für Ältere, in der Einrichtung selbst aktiv zu werden (Förderer, Ehrenamt, Clubs)

Stärken Sie das Ansehen der Kultureinrichtung bei der älteren Bevölkerung (Vertrauen, Qualität, Kommunikation)

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„Entfalten statt liften“ – Frische Ideen für Kunst und Kultur®: Ältere Menschen als Kulturbotschafter/innen einbinden Kulturbesuche und -aktivitäten werden vielfach von älteren Menschen selbst organisiert und veran-staltet. Gewinnen Sie Ältere als Kulturbotschafter/innen für Ihr Haus. Gemeint sind jene älteren Menschen, die „viele andere kennen“ – es gibt sie in jedem Viertel, in jeder Szene, in jeder Gruppe. Jeder kennt sie: sie stellen etwas auf die Beine, organisieren, bündeln, kommunizieren, vernetzen jeweils auf ihre ganz persönliche Art. Sie sind hervorragende Multiplikatoren, um Kulturangebote in ihrer Szene und Altersgruppe bekannt zu machen und andere dafür zu begeistern.

Erreichen und binden Sie Schlüsselfiguren an Ihre Kulturinstitution!

Schlüsselfiguren sind:

Suchen Sie den Dialog mit bereits bestehenden Gruppen!

(Kreise, die gemeinsame Kulturbesuche, Ausflüge oder Reisen organisieren, Gesprächskreise, Erzählcafés, Philosophische Zirkel, Literaturclubs, Freizeitgruppen, Chöre)

Im Umfeld meiner Einrichtung gibt es folgende Gruppen:

Machen Sie Ihr Angebot persönlich!

VIP-Effekt schaffen: maßgeschneiderte Angebote, die der Allgemeinheit nicht zugänglich sind, z.B. exklusive Veranstaltungen, Spielplan schon vor der Presse erhalten, Blick hinter die Kulissen, Ge-spräche mit Künstlern etc.

Für uns würde passen:

Essen und Trinken: nie die Wichtigkeit der menschlichen Grundbedürfnisse unterschätzen!

Kann organisiert werden in Kooperation mit:

Neugier und Abenteuerlust wecken: Erlebnisse bieten, die Zugänge in bisher unbekanntes Gebiet ermöglichen (Blick in die Werkstätten etc.), neue Räume öffnen!

Spannend in unserem Hause ist:

Kommunikationsräume schaffen und pflegen!

In unserem Haus trifft man sich am Besten im:

��

Wärme und Geborgenheit: Zugehörigkeit, Vertrauen und ein „kulturelles Zuhause“ bieten!

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„Entfalten statt liften“ – Frische Ideen für Kunst und Kultur®: Senioren/innen als Kulturmacher: Selbstorganisation fördern �

Ältere Menschen, die selbst kulturell aktiv werden oder kulturelle Bildungsangebote für an-dere machen wollen, brauchen Unterstützung!

Öffnen Sie Ihre Einrichtung für selbstorganisierte Kulturaktivitäten Älterer zum Beispiel durch:

Vermittlung von Netzwerken, Kooperationspartnern

(Vermittlung von) Weiterbildung und Hintergrundinformationen

Lobbyarbeit für Kultur von und mit älteren Menschen

Austausch mit anderen Kulturmachern

Beratung zu Finanzierungsmöglichkeiten (städtische, andere öffentliche Mittel, Stiftungen, Sponso-ring)

Beratung zu rechtlichen, organisatorischen Fragen, Öffentlichkeitsarbeit, Marketing

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Weiterführende Literatur (Auswahl)

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Europäisches Zentrum für Kultur und Bildung im Alterim Institut für Bildung und Kultur e.V.

Küppelstein 34, D-42857 Remscheidwww.ibk-kultur.dewww.ibk-kubia.de

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