Das städtebauliche und architektonische Erbe der EXPO 2000 ... · unter Leitung von Kenzo Tange...
Transcript of Das städtebauliche und architektonische Erbe der EXPO 2000 ... · unter Leitung von Kenzo Tange...
bildung in weiten Bereichen neue Strukturen. Be-
reits 1873 hatte Wien die Neuordnung der Innen-
stadt zum Thema gemacht, im 20. Jahrhundert wa-
ren programmatische Beiträge für Montreals „terre
des hommes“ oder für Osaka als experimenteller
Bauplatz der Stadtutopien aus den 1960er Jahren
unter Leitung von Kenzo Tange bereits die Regel.
Insbesondere das Motto von Mon treal markiert
einen qualitativen Sprung: die Entstehung eines
globalen Bewusstseins. Diese EXPO hat mit dem
Wohnhügel von Moshe Safdie zum ersten Mal eine
Wohnarchitektur als Zeichen, verstanden als Alter-
native zur Zersiedlung der Landschaft.
Auch Deutschland konnte in der Vergangenheit
auf Weltausstellungen architektonische Maßstäbe
setzen: Der Beitrag von Ludwig Mies van der Rohe
1929 in Barcelona wurde stilbildend für die moder-
ne Architektur, nicht zuletzt durch Mies‘ Entwurfs-
prinzipien des „freien Grundrisses“ und des „flie-
ßenden Raumes“. Gleiches gilt für die Deutschen
Pavillons von Egon Eiermann 1958 in Brüssel und
von Frei Otto und Rolf Gutbrod 1967 in Montreal,
Letzterer mit einem Zelt als „Ausstellungsgebäu-
de“. Das hatte es bis dahin auf Weltausstellungen
noch nicht gegeben. Eine Weiterentwicklung ist
die Zeltkonstruktion für die Olympischen Spiele
58
Das städtebauliche und architektonische Erbe der EXPO 2000 – eine Nachlese
Wolfgang Schneider
Von Weltausstellungen gingen stets wesentliche
städtebauliche und architektonische Impulse aus.
Am Beispiel der EXPO 2000 skizziert der Beitrag
die Planungsprozesse mit Wettbewerben, die Rea-
lisierung wichtiger Bauprojekte ebenso wie he-
rausragende Elemente der Landschafts- und Frei-
raumplanung. Neben architektonischen Neuheiten
im Hallenbau auf dem EXPO- und Messegelände
wird auch die (unrühmliche) Geschichte des Deut-
schen Pavillons thematisiert. Einigen markanten
und in Erinnerung bleibenden Architekturstate-
ments unter den Nationenpavillons stand aller-
dings vielfach Dutzendware gegenüber, die dem
Anspruch an Nachhaltigkeit nicht gerecht werden
konnte.
1. Weltausstellungen als Zeitmesser
Wenn die These stimmt, dass Weltausstellungen
als Entwürfe von dem Spiel mit der Imagination als
Antrieb für soziale Prozesse leben, dann haben
diese Entwürfe ein besonderes Verhältnis zum
Bewusstsein der Zeit. Von ihnen gingen wesent-
liche Impulse für neue Konzepte zum Städtebau
und zur Architektur aus. Ihre Bilder, Inszenierun-
gen und Projekte prägen bis in die Gegenwart
städtebauliche Leitbilder. Die Ausstellungsgelände
aber, wo sie nicht als Symbole und monumentale
Anlagen eine über die Zeit hinausgehende Wir-
kung erlangten, hinterließen die vergänglichsten
Bauten. Analog zu H.G. Wells’ Roman „The Time
Machine“ von 1895 gehen die architektonischen
Umwelten der Weltausstellungen von der Vorstel-
lung aus, dass Vergangenheit und Zukunft zitierba-
re Zeitebenen einer Zeitreise sind.
Weltausstellungen wurden und werden immer
wieder zu Sinnbildern von Paradigmenwechseln
stilisiert, zuweilen mit epochaler Bedeutung. In der
Philosophie werden diese Sinnbilder allerdings als
Fortfall von Kausalität und Substanz gedeutet. Sie
erfüllten in der Vergangenheit die Sehnsüchte der
Menschen und bewirkten eine tiefgreifende Verän-
derung von Öffentlichkeit. Auch als sie noch Mes-
sen der Erfindungen und der neuartigen Industrie-
produkte waren, boten die „Expositions Universel-
les“ bereits architektonisch wegweisende Bauten
mit virtuosen Konstruktionen wie zum Beispiel den
Londoner Kristallpalast oder den Pariser Eiffelturm.
Nicht weniger revolutionär als ihre Architektur
waren auch die Themen der ersten Weltausstellun-
gen, erforderten doch Industrialisierung und Stadt-
Luftaufnahme Messe- und Expogelände; Foto: Michael Lindner
59
DAS STäDTEBAULICHE UND ARCHITEKTONISCHE ERBE DER EXPO 2000 – EINE NACHLESE
ländes als gebaute Stadt mit klaren Kanten vor, die
allerdings so nicht realisiert werden konnte. Die
mit den Preisträgern durchgeführte Überarbeitung
ergab gravierende Veränderungen gegenüber der
Ursprungsplanung: die Aufwertung des Ostteils
durch die Einfügung der „EXPO-Plaza“ und das
„Pavillongelände Ost“. Das Ergebnis dieses Pla-
nungsprozesses war ein weit ausgearbeitetes
Städtebau- und Strukturkonzept für ein kompaktes
Ausstellungs gelände, das bereits alle wesentlichen
Struktur lemente der späteren Geländeplanung
enthielt.
Die Vielschichtigkeit der Aufgabenstellung erfor-
derte ein einfaches, robustes Konzept als konsis-
tente Planungsgrundlage. Ab Sommer 1993 wurde
die Erarbeitung des Masterplans für das Weltaus-
stellungsgelände dem Büro AS&P Albert Speer &
Partner (Frankfurt) und den Landschaftsplanern
Kienast, Vogt und Partner (Zürich) übertragen.
Darin wurden „sowohl die städtebauliche Struktur
des Weltausstellungsgeländes weiterentwickelt als
auch wesentliche Aspekte wie Verkehr, Lage der
Besuchereingänge, Belange der Sicherheit … Der
Masterplan war koordinierendes Instrument in ei-
nem Planungsprozess mit einer großen Zahl von
Beteiligten … Von diesem Planwerk, das auf dem
Prinzip der ,offenen Planung‘ beruht, ging eine
wichtige ordnende und leitende Funktion für die
vielen an der Konzeption und Realisierung der
vielfältigen Baumaßnahmen beteiligten Akteure
aus“ (Jürgen Eppinger, ehem. Leitender Baudirek-
tor der Planungsgruppe Weltausstellung). Das
Messegelände wurde nach einem orthogonalen
System neu geordnet und um zwei ebenfalls ortho-
gonale Pavillonflächen ergänzt.
Einen besonderen Beitrag stellten neben den ein-
zelnen Objektplanungen die Landschafts- und
Freiraumplanungen dar, die in hohem Maße zur
Strukturierung und Qualität des Gesamtgeländes
beigetragen haben. Dazu gehören beispielsweise
die „Allee der Vereinigten Bäume“ als axiale Ost-
West-Verbindung, der „EXPO-See“ und das weit-
hin sichtbare und größte freitragende, von Weiß-
tannen gestützte Holzdach der Welt, das Wahrzei-
chen „EXPO-Dach“ (Architekt Prof. Herzog & Part-
ner). Mit der „EXPO-Plaza“ erhielt das Gelände
darüber hinaus einen „gut dimensionierten und
vielfältig nutzbaren modernen Platzraum“ (Eppin-
ger), der nach einem städtebaulichen Wettbewerb,
den das Büro von Gerkan, Marg und Partner
gewonnen hatte, durch das Büro WES realisiert
wurde. Erwähnung finden sollte auch der land-
schaftsplanerische Wettbewerb „EXPO-Ost“, den
Kamel Louafi gewann. Die auf der Grundlage
dieses Wettbewerbes realisierten Gartenanlagen
im Ostteil des Geländes „Gärten im Wandel“,
„ EXPO-Park“ und „Park-Agricole“ gehörten nicht
nur aufgrund ihres herausragenden Konzeptes,
sondern auch durch die hohe Qualität ihrer Reali-
sierung zu den Stärken des Geländes.
Überhaupt Wettbewerbe: Zu den besonderen
Anstrengungen im Hinblick auf Architekturquali-
tät gehörten diverse Wettbewerbsverfahren, die im
Vorfeld der Weltausstellung auch für Bereiche au-
ßerhalb des Messegeländes durchgeführt wurden.
Zu erwähnen sind beispielsweise die Realisie-
rungswettbewerbe für die Messehallen 8, 9 und 13,
den Bahnhof Hannover Messe/Laatzen oder die
„Familie“ der Fußgängerbrücken zur Verbindung
der einzelnen Geländeteile, die auch umgesetzt
wurden.
3. Architektonische Neuheiten im Hallenbau auf dem EXPO- und Messegelände
Im Zuge der Neuausrichtung im Messehallenbau –
alles ebenerdig, hell, also viel Licht, Luft und Grün
– entstanden auf dem damals aktuellsten Stand der
1972 in München von Frei Otto und Günther Beh-
nisch, verstanden als ein durch internationale
Fernsehübertragungen vermitteltes Bild des Zu-
sammenwirkens von Mensch, Natur und Architek-
tur, das zum Image deutscher Offenheit und Trans-
parenz wurde – ein Gegensatz zur Monumentalität
der Olympischen Spiele 1936 in Berlin.
Weltausstellungen, so schreibt André Bideau, sind
wie Olympische Spiele und andere Großereignisse
Teil einer sogenannten „Verwertungsdynamik“, für
die der Begriff „Festivalisierung“ geprägt wurde.
Die damit zusammenhängende Instrumentalisie-
rung von Architektur als „Event“ war nicht nur
Gegenstand der Kritik in den einschlägigen Feuil-
letons, sondern – wie die zahllosen, fast apokalyp-
tischen Beschreibungen über Sinn und Zweck von
Weltausstellungen zeigen – eine mehr oder weni-
ger offene Zivilisationskritik. Gutmeinende Apolo-
gien von Zukunftsoptimisten waren eher selten.
Und doch hat mit der EXPO 2000 eine Weltausstel-
lung neuen Typs als Großversuch für Nachhaltig-
keit und den schonenden Umgang mit Ressourcen
einen weiteren, gewaltigen Schritt nach vorne
getan.
2. EXPO 2000 als Weltausstellung neuen Typs mit Wettbewerben und herausragenden Projekten
Die Überlegungen, in Hannover eine Weltausstel-
lung auszurichten, gingen einher mit dem Ziel, den
Messestandort auszubauen. Da die herkömmli-
chen Weltausstellungen als nicht mehr zeitgemäß
galten und die Stadt eine neue Form der Weltaus-
stellung entwickeln wollte, kam der Aufsichtsrat
der Messe zu dem Konsens, eine Weltausstellung
zum Thema „Mensch – Natur – Technik“ auszu-
richten, die nicht nur ein temporäres Ereignis ist,
sondern ein bestehendes Gelände und dessen
Infra struktur nutzt und gleichzeitig als Motor für
die Stadtentwicklung von Hannover dient. Die
Thematik umfasste den hehren Anspruch, sich mit
Natur und Umwelt auseinanderzusetzen, mit Res-
sourcen sorgfältig umzugehen, den Menschen in
den Mittelpunkt und gleichzeitig die Themen
Nachhaltigkeit und Nachnutzung in den Vorder-
grund zu stellen.
In einem spannenden Kopf-an-Kopf-Rennen konn-
te sich Hannover 1990, also vor 20 Jahren, mit nur
einer Stimme Mehrheit gegenüber Toronto durch-
setzen. Ausschlaggebend für den Zuschlag war ein
neues Konzept, das sich inhaltlich von anderen
Weltausstellungen abhob: Erstmals in der Ge-
schichte der Weltausstellungen wurde der zentrale
Ausstellungsbereich mit 600 „Weltweiten Projek-
ten“ in der Stadt, der Region, in Deutschland und
in der ganzen Welt verbunden (s. Beitrag Ahrens).
Zusätzlich sprach für Hannover der weltweite Be-
kanntheitsgrad als Messestadt mit einem intakten
und ausbaufähigen Gelände. In Kanada hatte es
außerdem bereits Weltausstellungen gegeben,
während in Deutschland noch nie eine Weltaus-
stellung ausgerichtet worden war.
Der Rat der Stadt Hannover ließ 1992 eine Bürger-
befragung durchführen. Das Ergebnis – 51,5 Pro-
zent für und 48,5 Prozent gegen die EXPO 2000 –
war knapp. Dennoch: Die Planungen konnten be-
ginnen. Wettbewerbe spielten eine entscheidende
Rolle bei der Entwicklung und Konkretisierung der
Geländeplanung. Als erster wurde der „Stadt- und
landschaftsplanerische Ideenwettbewerb Weltaus-
stellung EXPO 2000 in Verbindung mit dem Struk-
turkonzept Bereich Messe/Kronsberg“ ausgelobt.
Die Stadt Hannover brachte dazu ihr in Sichtweite
zum Messegelände gelegenes Filetgrundstück am
Kronsberg ein. Die Ende 1992 preisgekrönte Arbeit
der Schweizer Gruppe Arnaboldi/Cavadini/Hager
sah als städtebauliches Merkmal die Umklamme-
rung respektive Einrahmung des alten Messege-
60
DAS STäDTEBAULICHE UND ARCHITEKTONISCHE ERBE DER EXPO 2000 – EINE NACHLESE
61
DAS STäDTEBAULICHE UND ARCHITEKTONISCHE ERBE DER EXPO 2000 – EINE NACHLESE
Das freitragende Holzdach mit seinen fünf sanften
Schwüngen scheint auf dem Gebäude zu schwe-
ben. Dieser Eindruck wird durch die allseitig trans-
parente Fassade unterstrichen. Besucher können
die Halle vom südlichen Teil des Messeparks aus
betreten oder das obere Eingangsplateau an der
Hallennordseite nutzen. Diese Eingangsplattform
dient gleichzeitig als Bindeglied zwischen den bei-
den Teilen des Weltausstellungsgeländes. Von hier
aus führt die sogenannte EXPOnale, die zentrale
Brücke, zur Plaza hinüber; eine zusätzliche riesige
Freitreppe bildet die „Freiluftbühne“ zum Messe-
park und zur „Allee der Vereinigten Bäume“.
Mit unserem damaligen Büro hatten wir die Mög-
lichkeit, ebenfalls einen Beitrag zur Neuausrich-
tung der Hallenarchitektur zu leisten: Die neue
Halle 14 ist ein wichtiges Bindeglied zwischen den
großen Freiräumen West und Mitte. Unter einem
leicht gesattelten Dach staffelt sich im Süden eine
170 Meter lange Fassade zur 26 Meter breiten
„ Allee der Vereinigten Bäume“. Die großzügige
Öffnung zur Allee bietet dem Besucher eine klare
Orientierung und einen erlebbaren Naturbezug.
Eine „Lichtfuge“ markiert den Übergang zur be-
stehenden Halle 15, deren Dach von der neuen
Kragkonstruktion abgehängt wurde. Aber auch mit
dem Fernsehstudio des NDR, dem NORD/LB-Pa-
villon als Konferenzzentrum – ein in Scheiben,
Schichten und Körper aufgelöstes Bauvolumen –
konnten wir auf dem EXPO- und Messegelände
ein Stück anspruchsvoller und zeichenhafter
Architektur verwirklichen – inklusive einem „Dach
der Begegnung“ und einem textilen Membran-
Dach.
Die bereits erwähnte Fußgängerbrücke „EXPO-
nale“ nimmt als Übergang zwischen den Ausstel-
lungsgeländen West und Ost eine Sonderstellung
ein. Zum Zeitpunkt der EXPO war sie angeblich
die größte Fußgängerbrücke Europas, ein Stück In-
genieurbaukunst der besonderen Art. Die Archi-
tekten und Ingenieure (von Gerkan, Marg & Part-
ner in ARGE mit Schlaich, Bergermann und Part-
ner) hatten eine filigrane Konstruktion aus Stahl
und Stahlbeton mit einer Länge von 127 und einer
Breite von 30 Metern geschaffen. Tausende Men-
schen liefen tagtäglich über die zum Teil mit Dou-
glasienholz belegten Segmente. Das Bild wurde je-
doch vor allem durch die Stahlstützen geprägt, die
sich in den Himmel emporreckten und gleichzeitig
ein Meer von Leuchtstelen bildeten, eindrucksvoll
– gerade in der Nacht – auch für die darunter
durchkommenden Autofahrer auf dem Messe-
schnellweg. Die Brücke formulierte so einen star-
ken architektonischen Ausdruck für die Ideale
einer weltumspannenden und Verbindungen
knüpfenden Ausstellung. 2009 wurde die EXPOna-
le jedoch um die Hälfte ihrer Breite demontiert
beziehungsweise „rückgebaut“. 32 der 174
Leuchtstelen wurden abgebaut und so bleibt kaum
mehr als der mittlere Streifen zurück. EXPO-
Dimensionen werden heute nicht mal zur CeBIT
benötigt. Bleibt zu hoffen, dass die Douglasien im
Sinne der Nachhaltigkeit noch anderweitige Ver-
wendung finden.
4. Sonderfall Deutscher Pavillon – eine endlose unrühmliche Geschichte
Eine zentrale Rolle im städtebaulichen Konzept
nimmt die EXPO-Plaza ein. Sie entstammt einem
Konzept des Büros gmp von Gerkan, Marg & Part-
ner, das 1996 den städtebaulichen Wettbewerb
gewonnen hatte: Ein quadratisch geformter Platz
als Veranstaltungs- und Empfangsraum, der mit
einer Fläche von 100.000 Quadratmetern deutlich
größer ist als der Petersplatz in Rom – und
Zukunftsoptimismus ausstrahlt(e). An allen Seiten
bebaut und durch klare Raumkanten begrenzt,
Technik und der ökologischen Überlegungen eine
Reihe architektonisch und konstruktiv markanter
Hallen, die über eine Fläche von ca. 450.000 Quad-
ratmeter verfügen. Diese Entwicklung setzte ein
mit dem Neubau des Tagungszentrums (Architek-
ten Storch und Ehlers), das sich durch Tageslicht in
allen Räumen von „geschlossenen Kongressma-
schinen“ abwandte. Nach diesen Erkenntnissen
entstanden später die neuen Hallenbauten, ge-
prägt von klaren Formen und hohen technischen
und ökologischen Maßstäben. Die Wandlung von
reinen „Funktionscontainern“ (Sepp Heckmann)
hin zu einer gestalterisch anspruchsvolleren Archi-
tektur begann mit der 15.000 Quadratmeter großen
Halle 2 (Architekten Bertram und Bünemann) und
setzte sich mit dem Neubau der Halle 4 fort (Archi-
tekt Prof. Marg, gmp), eine mit 21.000 Quadratme-
tern freitragende Halle. Mit der Halle 26 (Architekt
Prof. Herzog) und ihren bis zu 29 Meter hohen ein-
drucksvollen „Wellenbergen“ (Dietmar Branden-
burger) folgte ein weiterer inno vativer Meilenstein
in der Entwicklung von Messehallen.
Einen energietechnisch raffinierten, feinsinnig ele-
mentierten Bau stellt die 26.000 Quadratmeter
überspannende freitragende Halle 13 (Architekt
Prof. Ackermann) mit ihren charakteristischen
„Flügeln“ dar: verbrauchte Hallenluft wird durch
ein System aus so genannten Venturi-Flügeln
durch Unterdruck abgesaugt. Die Halle dient
gleichzeitig als Empfangshalle für den EXPO-Ein-
gang West und wird vom dortigen neuen Messe-
fernbahnhof Laatzen erschlossen. Ein weiterer
Triumpf der Größe und architek tonischen Qualität
konnte 1999 mit der Fertigstellung der 250 Meter
langen und 144 Meter breiten Doppelhalle 8/9
( Architekt Prof. Marg, gmp) auf der Ostseite des
Messegeländes gefeiert werden: Die Halle verfügt
über eine Ausstellungsfläche von rund 30.000 Qua-
dratmetern, davon 22.000 Quadratmeter stützen-
frei. Die Konstruktion ist Hängebrücken entlehnt:
Messehalle; Foto: Deutsche Messe AG
62
DAS STäDTEBAULICHE UND ARCHITEKTONISCHE ERBE DER EXPO 2000 – EINE NACHLESE
63
DAS STäDTEBAULICHE UND ARCHITEKTONISCHE ERBE DER EXPO 2000 – EINE NACHLESE
wenige Materialien sowie aus einheitlichen Modu-
len, verzinktem Stahl, Sichtbeton und Glas, erbaut,
gaben dem Pavillon ein unverwechselbares
Erscheinungsbild. Über die gesamte Länge von
75 Metern begrenzten 16 Meter hohe stählerne
Kolonnaden als Säulenwand den Pavillon zur Plaza
und bildeten gleichzeitig den Rahmen für die Brü-
cke, über die der Besucher das Gebäude betrat. Ein
Kreuzgang umgab den Gesamtkomplex und dien-
te als Wandel- und Ausstellungsbereich. Im Sakral-
raum trugen die Wände aus lichtdurchlässigen
Alabasterplatten zur indirekten Beleuchtung und
zur kontemplativen Stimmung des Raumes bei.
Ein Höhepunkt der EXPO-Baukunst.
5. Pavillons der Nationen – eine subjektive Auswahl heraus- ragender Architekturstatements
Es gab bei den Solitären aber noch andere Höhe-
punkte. So zum Beispiel die EXPO-Pavillons der
Niederlande und der Schweiz, die zunächst wie
„architektonische Antipoden“ (Hubertus Adam)
wirkten: Hier ein hoch aufragendes avantgardisti-
sches Gebilde, dort eine eher zurückhaltende Holz-
struktur, die zum teilweise marktschreierischen
Treiben ringsum Abstand zu wahren suchte. Bei
näherer Betrachtung offenbarten sich jedoch Ähn-
lichkeiten, denn den Pavillons lag das gleiche
entstanden hier signifikante Bauwerke wie die
heute TUI-Arena genannte Multifunktionshalle,
das Radisson Hotel, der Christus-Pavillon, das
Global House – und der Deutsche Pavillon.
Eine unrühmliche Position auch bei dieser Welt-
ausstellung nahmen die Vorgänge um Wettbewerb
und Realisierung eben dieses Deutschen Pavillons
ein. Wie schon 1992 in Sevilla gelang es in Ermang-
lung eines öffentlichen Bauherrn nicht, ein Wett-
bewerbsergebnis produktiv umzusetzen. Das
Problem: Die Bundesrepublik Deutschland stand
als „Bauherr“ nicht zur Verfügung, stattdessen soll-
te ein „nachrüstungsfähiges“ Gebäude auf der
EXPO gemietet werden. 1997 wurde daher eine
Trägergesellschaft Deutscher Pavillon gemeinsam
mit dem Bund gegründet, der mit 54 Prozent
Anteilseigner war, den 16 Bundesländern mit 27
Prozent und mit der EXPO-Beteiligungsgesell-
schaft der Deutschen Wirtschaft mit 19 Prozent.
Letzterer war der Hauptmieter dieses Pavillons, der
auch direkten Einfluss auf das begehrte, was ge-
baut werden sollte. Ebenfalls 1997 wurde ein inter-
nationaler Architektenwettbewerb veranstaltet,
„ohne dass man eigentlich wusste, welche Nut-
zung der Pavillon haben sollte“ (Sepp Heckmann).
Nachdem im Folgenden die Inhalte mehr und mehr
präzisiert wurden, stellte man fest, dass der Ent-
wurf von Florian Nagler auch nach zweimaliger
Überarbeitung damit nicht in Einklang zu bringen
war. Nagler stieg aus. Nachdem auch der damalige
Bauherr, die Firma Siemens, verhältnismäßig spät
im Dezember 1997 das Boot verließ, musste ein
neuer Investor gefunden werden. Zum Zuge kam
ein Unternehmer-Architekt, der als Generalüber-
nehmer auftrat. So konnte leider kein der Bedeu-
tung der Aufgabe entsprechendes architektoni-
sches Spitzenprodukt entstehen. Der Rest ist un-
rühmliche Deutsche-Pavillon-Geschichte und das
Gegenteil von beispielhafter Planungs- und Ver-
fahrenskultur.
Aber bekanntlich wiederholt sich Geschichte: Für
den Bau des Deutschen Pavillons bei der EXPO
2010 in Shanghai hatte das Bundeswirtschaftsmi-
nisterium die Koelnmesse International beauftragt,
ein sehr umfangreiches Leistungspaket auszu-
schreiben. Es umfasste neben Architektenleistun-
gen wie Konzepterstellung und Planung auch die
Realisierung der Innen- und Außengestaltung
inklusive Rückbau, Entsorgung und Transportleis-
tungen, also gewerbliche Leistungen, die norma-
lerweise Bauunternehmen und Speditionen besor-
gen. Hier wurden Dinge miteinander vermischt,
die nicht zu überzeugenden architektonischen
Lösungen führen. Im Sinne der Verfahrenskultur
wäre zum Beispiel ein zweistufiges Verfahren bes-
ser gewesen; als Stufe eins: Durchführung eines
geistigen Leistungs- bzw. Architektenwettbe-
werbs zur Erlangung von Konzepten, die durch ei-
ne fachlich kompetente Jury mit dem Ziel bewertet
wird, alle nicht herausragenden Arbeiten auszu-
sondern. In Stufe zwei könnten dann die Angebote
zu den weiteren Leistungsbestandteilen eingeholt
werden.
Die Kritik der Architektenschaft an dieser Art von
Verfahren ist klar: Es geht den Beteiligten ganz
offensichtlich um einen Preiswettbewerb und
nicht um Architekturqualität. Es ist eine zuneh-
mende Tendenz bei öffentlichen Auftragsvergaben
festzustellen, Planung und Ausführung zu koppeln
und ein Konsortium zu suchen, das alle Leistungen
gleichermaßen erfüllt. Das Nachsehen habt das
Qualitätsniveau und damit die Baukultur.
Ein anderer – positiver – Fall war der Christus
Pavillon (Architekt Prof. von Gerkan, gmp) als Ort
der Stille und Besinnung auf dem Gelände der
EXPO-Plaza, der in seinem Habitus an ein Kloster
erinnerte. Er war so konzipiert, dass er für die Er-
weiterung des Zisterzienserklosters in Volkenroda
in Thüringen wieder verwendet werden konnte.
Klare geometrische Formen und Reduzierung auf Der Niederländische Pavillon; Bildquelle: Hatje Cantz Verlag
64
DAS STäDTEBAULICHE UND ARCHITEKTONISCHE ERBE DER EXPO 2000 – EINE NACHLESE
65
DAS STäDTEBAULICHE UND ARCHITEKTONISCHE ERBE DER EXPO 2000 – EINE NACHLESE
Lärchen- und Föhrenholz zu neun Meter hohen
Stapeln geschichtet und bildeten ein verwinkeltes
System aus Gängen und Höfen. Eine labyrinthi-
sche Raumstruktur. Diese nach allen Seiten offene
Form symbolisierte augenfällig die Selbstwahrneh-
mung der Schweizer. Eine Freilichtarchitektur, die
den Besuchern keine festgelegten Wege vorgab.
Darüber hinaus sprachen Klang- und Lichtinstalla-
tionen sowie der Duft des Holzes die Sinne an.
Mehr „transluzent“ präsentierte sich Japan mit
einem von Shigeru Ban aus Tokio entworfenen, voll
recycelbaren Pavillon. Dieser für seine Häuser aus
recyceltem Papier bekannte Architekt setzte den
Werkstoff erstmals in großem Maßstab ein. Erst
eine so genannte „Zustimmung im Einzelfall“ und
zahlreiche Sondergenehmigungen hatten diese
einmalige Konstruktion ermöglicht. Ein Experi-
ment, gebildet aus einem gekrümmten Flächen-
tragwerk, das aus kreuzweise gegeneinander ver-
schränkten gebogenen Pappröhren bestand. Das
Dach des Pavillons wurde von Stahlstützen hoch-
gestemmt, bis die endgültige gewölbte Dachform
erreicht war. Als Dachhaut diente eine lichtdurch-
lässige Membran aus Textilien und Papierkunst-
stoff, die den Pavillon überspannte, aber auch den
Witterungsbedingungen standhielt.
Über 100 eigens von Finnland nach Hannover ge-
flogene Bäume symbolisierten die große Bedeu-
Entwurfsprinzip, nämlich das der Schichtung, zu-
grunde. Türmten die Niederländer in ihrer Struktur
Landschaftslayouts übereinander, so stapelten die
Eidgenossen Holz. Treffender lassen sich Nähe
und Unterschied der beiden immer noch führen-
den Architekturnationen wohl kaum versinnbildli-
chen.
Im Einzelnen: Der niederländische Ausstellungs-
beitrag „Holland schafft Raum“ wurde von den
Architekten MVRDV aus Rotterdam wörtlich ge-
nommen. Sie stapelten in dem rund 40 Meter
hohen Pavillon typische holländische Landschaf-
ten übereinander. Fast 90 Prozent der Grund-
stücksfläche blieb dadurch unbebaut und konnte
als „Garten“ genutzt werden. Der Entwurf thema-
tisiert die Fähigkeit der Niederländer, den ihnen
zur Verfügung gestellten Raum optimal zu nutzen,
und erinnert an die Polder, die durch künstliche
Landgewinnung entstanden sind. Eine effiziente
und platzsparende Bauweise, die es ermöglichte,
alle Facetten des Landes auf engstem Raum und
optisch wirkungsvoll darzustellen.
Mit dem von Peter Zumthor erdachten „Klangkör-
per“ aus gestapelten Holzbalken, die nach der
Weltausstellung als Bauholz weitergenutzt werden
konnten, präsentierte sich die Schweiz eindrucks-
voll und „nachhaltig“. Wie in einem Holzlager
wurden 3.000 Kubikmeter frisch geschnittenes
IInnenansicht Schweizer Pavillon; Bildquelle: Hatje Cantz Verlag Der ungarische Pavillon; Bildquelle: Hatje Cantz Verlag
66
DAS STäDTEBAULICHE UND ARCHITEKTONISCHE ERBE DER EXPO 2000 – EINE NACHLESE
67
DAS STäDTEBAULICHE UND ARCHITEKTONISCHE ERBE DER EXPO 2000 – EINE NACHLESE
tung des Waldes für die finnische Gesellschaft. Der
Pavillon mit dem Namen „Windnest“, Architekten
SARC aus Helsinki, steht noch heute auf dem Ge-
lände. Ein „nachhaltiges“ Ensemble aus zwei vier-
geschossigen Gebäuderiegeln und einem einge-
fassten dichten Birkenwäldchen, durch das man
über hölzerne Brücken von einem Gebäudeteil in
den anderen gehen kann. Die Außenfassaden der
beiden geschlossenen Gebäuderiegel bestehen
aus wärmebehandeltem Birkenholz, das auch als
Holzrost auf der Dachhaut liegt. Der Bereich des
Birkenwäldchens ist nicht überdacht. Die dem
Wald zugewandten Fassaden der Pavillonflügel
und die den Wald nach außen abgrenzenden Flä-
chen sind Glaswände mit Tragwerken aus Stahl.
Der rumänische Pavillon, entworfen von studio a
architekten aus Chur und Zürich, wurde als
„Grünes Netzwerk“ schon 1999 an der Accademia
di Arte in Mailand als neue beispielhafte Architek-
tur ausgezeichnet. Die Wände des temporären
Ausstellungsgebäudes bestanden aus einer mem-
branbespannten zweifachen Gerüstkonstruktion
mit einer Tiefe von zwei und einer Höhe von neun
Metern. Eine feingliedrige Metallstruktur bildete
den Rahmen für Pflanzen – den eigentlichen
Bedeutungsträger des Pavillons.
Noch auf dem Gelände und wohl Abrisskandidat ist
der spanische Beitrag, entwickelt von Cruz y Ortiz
aus Sevilla, der sich nach außen als großer Kork-
block mit tiefen Zäsuren darstellt. Die zerklüftete
äußere Geometrie des Gebäudes steht im Gegen-
satz zu der präzisen Form und Strenge der Innen-
räume und des Hofraumes, dem öffentlichen Platz.
Der ungarische Pavillon, eine von György Vadasz
aus Budapest entworfene Skulptur, bestand aus
einem 20 Meter hohen, organisch geformten Bau-
körper aus bogenförmigen Schalen, der von einem
niedrigen L-förmigen Bau umgeben war. Dieser
markante Solitär, die hölzerne „Blüte“ soll als
Eingangsportal zu einem Wohn- und Gewerbe-
gebiet in Abu Dhabi wieder aufgebaut werden.
Ergo: Wer die EXPO damals selbst besucht hat,
weiß, welche eindrucksvolle Architektur sich an
den großen Achsen darstellte. Wer heute auf diesen
Wegen geht, sieht vor allem Tristesse. Stichworte
genügen, um das Erbe zu beschreiben:
– Niederlande: Pavillon steht verwahrlost und
von Vandalismus gekennzeichnet auf dem Ge-
lände. Eine Nachnutzung ist wegen der offe-
nen Bauweise schwierig.
– Schweiz: Pavillon wurde zu 60 Prozent als Bau-
holz verkauft und auf einem Vereinsgelände
am Rande von Banteln/Gronau verbaut. Der
verbleibende Rest wurde auf der Landesaus-
stellung Expo.02 in der Schweiz verwendet.
– Japan: Pavillon wurde recycelt/wiederverwen-
det.
– Finnland: Pavillon steht noch auf dem Gelände
als (F)INBOX, einem Bürozentrum.
– Rumänien: Pavillon in Rumänien wieder aufge-
baut.
– Spanien: wollte seinen Pavillon als Kulturzent-
rum nutzen, hatte aber keine Unterstützung
bei den Konzepten. Der Pavillon verfällt zuse-
hends und wird vermutlich abgerissen.
6. Fazit
Nun ließe sich über viele andere Nationen-Pavil-
lons, über deren Sinnhaftigkeit und Nachhaltigkeit,
lange und ausführlich kritisch reflektieren. Aber
angesichts der heute auf dem südöstlichen Gewer-
bepark-Gelände anzutreffenden Tristesse fallen
mir bei bestem Willen keine freundlichen Worte
ein. Der Zustand der meisten Pavillons ist erbärm-
lich: Beispielhaft erwähnt sei nur der von Wild-
wuchs befallene, vor sich hin rottende niederlän-
dische Beitrag. Ein Trauerspiel. Auch für ein jetzt
gewöhnliches Gewerbegebiet, dessen Vermark-
tung dadurch nicht leichter werden dürfte.
Zusammenfassend muss festgestellt werden, dass
im Gegensatz zu den von mir positiv beschriebenen
Bauwerken bei den meisten, um Aufmerksamkeit
und Originalität bemühten Nationen Dutzendware
als Ausstellungspavillons erbaut wurde, die nicht nur
ästhetisches Mittelmaß darstellte, sondern dem Ge-
danken der Nachhaltigkeit in keinster Weise gerecht
wurde. Anspruch und Wirklichkeit klafften meistens
auseinander. Wahre Ikonen sind eben selten.
Ob auch der als „Raumskulptur“ in Eigenlob em-
phatisch gepriesene Deutsche Pavillon für die
EXPO 2010 in Shanghai als ein „Meisterwerk auf
Zeit“ gelten wird, darf schon vor der Fertigstellung
bezweifelt werden. Die metaphysische Beschrei-
bung von balancity, einem Kunstwort aus „Balan-
ce“ und „City“ – Stadt als gebautes Sinnbild für die
Balance von Vielfalt und Dichte, gebildet aus unter-
schiedlichen historischen Schichten, Räumen,
Funktionen und Atmosphären – täuscht darüber
hinweg, dass Städte vor allem dauerhaft angelegt
sind und ihre Architektur die Prinzipien der Nach-
haltigkeit berücksichtigen sollte. Insofern ist das
computeranimierte Architektur-Exponat mehr
Fiktion denn Vision.
Weltausstellungen erscheinen in unserer globa-
lisierten Welt als Relikte einer Zeit, deren Rezep-
turen heute nicht mehr tauglich sind. Ihre Funk-
tionen sind überholt und als Konkurrenz der Natio-
nen erschöpft sich das Medium Weltausstellung
wie andere Medien in der Kurzlebigkeit. Ich be-
zweifele den Sinn der nationalen Selbstbespiege-
lungen mit ihrem chronischen Zukunftsoptimis-
mus. Aber: Für eine Stadt wie Hannover war die
EXPO 2000 ein Segen. Sie bescherte ihr neue Infra-
strukturprojekte wie hervorragend ausgebaute
Autobahnanbindungen, einen topmodernisierten
Hauptbahnhof samt mustergültig gestaltetem
Heute: der niederländische Pavillon; Foto: Wolfgang Schneider
68
DAS STäDTEBAULICHE UND ARCHITEKTONISCHE ERBE DER EXPO 2000 – EINE NACHLESE
69
DAS STäDTEBAULICHE UND ARCHITEKTONISCHE ERBE DER EXPO 2000 – EINE NACHLESE
Literatur
Architektur EXPO 2000 Hannover (2000); Hatje
Cantz Verlag und EXPO 2000 Hannover GmbH
Städtebau im Zeichen der EXPO 2000, Die neunzi-
ger Jahre in Hannover; Landeshauptstadt Hanno-
ver 2000
Der Architekt, EXPO 2000; Ausgabe 1/1997
BDA-Jahrbücher 1994; 1996/1997; 1998/1999;
2000/2001; Bund Deutscher Architekten BDA in
Niedersachsen
HAZ 29.08.2007 Kulturteil: Interview mit dem Prä-
sidenten der Architektenkammer Niedersachsen
über deutsche EXPO-Pavillons – und den Streit um
den Bau für 2010 in Shanghai
Bahnhofsvorplatz und viele andere in der Innen-
stadt realisierte Projekte. Am meisten aber profitier-
ten der Messestandort respektive das Messegelän-
de mit seinen beeindruckenden Architek turen,
wenngleich sich die Ausnutzung der Hallen im Zu-
ge des Strukturwandels der Wirtschaft und in Zeiten
der Finanzkrise als zunehmend schwierig erweist.
Wenn wir im Jahr 2010 wehmütig zurückblicken
auf die Zeit der EXPO 2000, dann erinnern wir uns
auch eines zehnjährigen spannenden Planungs-
prozesses, der jetzt seine Entsprechung findet: Mit
Hannover City 2020+ ist wieder ein Megaprojekt
aus der Taufe gehoben worden, welches das Ge-
sicht der Stadt verändern wird. Gegenwärtig wird
in dem Prozess Hannover City 2020+ ein städte-
baulich-landschaftsplanerischer Ideenwettbewerb
für die Innenstadt durchgeführt, der bis Sommer
2010 abgeschlossen werden soll. Das Verfahren ist
dadurch geprägt, dass die Öffentlichkeit eingebun-
den und der Entscheidungsprozess transparent
gestaltet wird.
Es ist wohl richtig, dass es „zum Wesen der Utopie
gehört, dass ihre Ziele unerreichbar sind, dass wir
ihrer aber bedürfen, wir ein möglichst fernes Ziel
brauchen, ein gewagtes Stimulans – die Heraus-
forderung. Eine Utopie stellt alles in Frage, auch die
Realität. Sie will die Renaissance, nicht bloß die
Reform“. Manfred Sacks Traktat „Wie entsteht
gute Architektur?“ aus dem Jahre 1993 eignet sich
noch heute hervorragend als Sinngeber und
Korrektiv für die Entscheidungsträger, schreibt er
doch von Utopie und der Kultur des Bauherrn und
davon, dass die Kultur alles Geplanten und Gebau-
ten nicht zuletzt auch den Anspruch seiner Bau-
herren wiedergibt. Baukultur ist Synonym für –
herausragende – Qualität. In diesem Sinne ist das
Prinzip Hoffnung von entscheidender Bedeutung.
In mir lebt die Hoffnung, dass auch auf dem EXPO-
Gelände noch Baukultur von einst gerettet und
neue entstehen kann.
Bahnhofvorplatz Hannover
70
DAS STäDTEBAULICHE UND ARCHITEKTONISCHE ERBE DER EXPO 2000 – EINE NACHLESE
71
DAS STäDTEBAULICHE UND ARCHITEKTONISCHE ERBE DER EXPO 2000 – EINE NACHLESE