Regionale Gewerkschafts Blätter
Heft 32
Die Geschichte der Volkswagen-Aktie
und die Rolle der Gewerkschaften
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INHALT
Von den ersten Überlegungen Seite 2
Exkurs 1: Vom ADGB zur DAF Seite 2
Finanzierung und Bau des KdF-Wagens – Seite 2
der Weg zur Kriegsproduktion
Rolle und Aufgabe der Alliierten Seite 3
Demokratische Legitimierung Seite 3
Exkurs 2: Die Problematik mit den KdF-Wagen-Sparern Seite 4
Die Politik will privatisieren oder vom „Feilschen“ Seite 5
zwischen Bund und Land Niedersachsen
Exkurs 3: Rolle der DGB-Gewerkschaften – Seite 6
Gewerkschaftliche Forderung einer Stiftung
Die Entscheidung wird politisch abgeschlossen Seite 6
Vorbereitungen und Ausgabe der Volkswagen-Aktie Seite 7
Zeitzeugenberichte Seite 8
Die Volkswagenwerk-Aktie im Spiegel der Karikatur Seite 9
Benutze Literatur und Quellen Seite 10
Materialsammlung Anlage 1: Muster der ersten Aktien mit einem Seite 12
Nennwert von 100 DM aus dem Jahr 1961
Anlage 2: Aus: Gewerkschaftliche Monatshefte Seite 13
im März 1958 – Achim von Loesch:
Volkswagen oder „Volks“-Aktien?
Die zwei Gesetzesvorschläge zur Neuordnung
des Volkswagenwerks
Anlage 3: Protesttelegramm des Seite 21
DGB-Bundesvorstandes an den SPD-Vorsitzenden
Anlage 4: Vertragsabsprachen Land Niedersachsen Seite 22
und Bundesregierung - 11./12. November 1959
Anlage 5: Redemanuskript von Otto Brenner Seite 25 zur Protestkundgebung
am 30. November 1959 in Hannover
Anlage 6: „VW-Aktien - Schnell auf Touren“ Seite 34 aus „Spiegel“ 13/1962
Personenregister Seite 37
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Von den ersten Überlegungen
Exkurs 1:
Vom ADGB zur DAF
Finanzierung und Bau des KdF-Wagens – der Weg zur
Kriegsproduktion
Die Geschichte der Volkswagen-Aktie und die Rolle der Gewerkschaften
1930 wurde in den Gremien des „Reichsverbandes der
Deutschen Automobilindustrie“ (RDA) erstmals über ein Projekt
diskutiert, ein kostengünstiges Auto zu fertigen. Im Februar
1933, zur Eröffnung der Automobilausstellung, kündigte
Reichskanzler Hitler erstmals an, ein Projekt, das Auto für
Jedermann, politisch zu initiieren. Die Begleitung durch die RDA-
Fachgremien geschah mit sehr kritischen (konkurrenzorien-
tierten) Betrachtungen und Äußerungen nachdem bekannt
wurde, dass Ferdinand Porsche eine Studie entwickeln sollte.
Der Büroräume des Allgemeinen Deutschen Gewerkschafts-
bundes, soweit noch nicht besetzt, wurden am 2. Mai 1933 von
den Nationalsozialisten gestürmt. Menschen werden zum Teil
brutal geschlagen, Gewerkschafter kamen bei diesen faschis-
tischen Aktionen zu Tode. Der Grundbesitz des ADGB, ein-
schließlich des gesamten Vermögens, wurden der faschistischen
Deutschen Arbeitsfront (DAF) übertragen. Auf der Gründungs-
sitzung wurde Dr. Robert Ley im Mai 1933 Vorsitzender.
Der Haushalt der NS-Reichsregierung überstieg 1937 das Vier-
fache der steuerlichen Jahreseinnahmen (ca. 40 Milliarden
Reichsmark). In einem Gespräch im Juli 1937 zwischen Hitler und
Ley wird Ley angewiesen, den Bau eines Verwaltungs- und
Ausbildungs-Werkes im Vorwerk Braunschweig und Produk-
tionshallen bei Fallersleben zu finanzieren. Das ist die eigent-
liche Geburtsstunde des Kraft-durch-Freude-Wagen (KdF).
Die DAF entnahm direkt aus ihrem Guthaben 50 Millionen
Reichsmark (fast ausschließlich Mittel des ehemaligen ADGB).
Die Werksgrundsteinlegung erfolgte im Mai 1938, die
Produktion des KdF-Wagens begann 1941, es wurden knapp 630
KdF-Wagen für Privatkunden produziert, die Kriegsproduktion
von Waffen und „Kübelwagen“ hatte sehr bald Vorrang.
3
Rolle und Aufgabe der Alliierten
Demokratische Legitimierung
Am 10. April 1945 wurde die Produktion in der KdF-Stadt einge-
stellt. Zwei Bürger der KdF-Stadt und zwei deutsch-amerikani-
sche Ingenieure verhandelten mit amerikanischen Militärs. Sie
erreichten, dass amerikanische Einheiten ins Werk kamen. Am
14. April erfolgte die vollständige Besetzung der „Stadt des KdF-
Wagens“. In den ersten Maitagen wurde im VW-Werk die Arbeit
wieder aufgenommen, weit mehr als 90 Prozent der Maschinen
waren sofort einsetzbar.
Am 25. Mai 1945 veranlassten die Amerikaner die Umbenen-
nung der KdF-Stadt in Wolfsburg. Die Bilanz zum Jahresende
1945: 1.785 Fahrzeuge verschiedener Typen wurden im VW-
Werk hergestellt und an die Alliierten geliefert, darunter sind
55 Personenwagen zur zivilen Nutzung. Beschäftigt waren zum
Jahresende 1945 insgesamt 6.033 Männer und Frauen. Am 26.
März 1946 verabschiedete der Alliierte Kontrollrat den für alle
Besatzungszonen „1. Level of Industry-Plan“. Die Pkw-
Produktion wurde auf jährlich 40.000 Fahrzeug-Einheiten festge-
legt, auf die britische Zone entfielen 20.000 Fahrzeuge. Bis Ende
des Jahres 1946 waren 10.810 Fahrzeuge hergestellt, davon nur
750 für deutsche Dienststellen. Auf dem Schwarzmarkt wurde
ein Fahrzeug zwischen 20.000 bis 30.000 RM gehandelt.
Am 12. Mai 1946 erfolgte die „Anerkennung der gewerkschaft-
lichen Vorläufer-Organisation“ durch die britische Militär-
verwaltung und am 1. Juni 1946 übernahm Wilhelm Kiesel die
Gewerkschaftsführung der „Allgemeinen Gewerkschaft“. Am
1. September 1946 fand die erste Generalversammlung der
„Allgemeinen Gewerkschaft“ mit Bildung der Wirtschafts-
gruppen für den Bereich Gifhorn-Wolfsburg statt.
Am 10. Mai 1947 wurde eine Betriebsvereinbarung mit dem Titel
„Auf die gute Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaft, Betriebs-
rat und Werksleitung“ mit der britischen Militärbehörde unter-
schrieben; die Mitbestimmungsforderungen blieben in diesem
Dokument weit gehend unberücksichtigt. Zum Jahreswechsel
1947/48 wurde in Gesprächen zwischen den genannten Beteilig-
ten keine Einigkeit zur Einsetzung eines Arbeitsdirektors erreicht.
Nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland 1949 und
in den folgenden Jahren wurde die „Treuhänderschaft“ für das
Volkswagenwerk von den Alliierten auf die Bundesregierung
übertragen. Ab 1953 gab es erste Überlegungen zur Teilprivati-
sierung des VW-Komplexes.
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Exkurs 2:
Die Problematik mit den
KdF-Wagen-Sparern
Am 8. Oktober 1948 wurde der „Hilfsverein ehemaliger Volks-
wagensparer e.V., Niedermarsberg“ gegründet. Der Verein
wollte nun alle 336.668 KdF-Wagen-Sparer vertreten. Am
7. Mai 1949 wurden zwei Klagen auf Vertragserfüllung beim
Landgericht Hildesheim eingereicht. Es ergingen in den folgen-
den Jahren drei Urteile, die Klagen wurden in den verschiedenen
Instanzen wegen „Unzumutbarkeit“ abgewiesen. Das OLG Celle
erließ die Auflage, dass die KdF-Wagen-Sparer mithilfe einer
Zeitungsanzeigenserie gesucht wurden. Ende 1953 hatten sich
127.610 Berechtigte mit 134.809 Ansprüchen gemeldet. Es
folgten drei weitere Prozesse, bis hin zum VIII. Zivilsenat des
Bundesgerichtshofes. Es wurden Gutachten erstellt, in denen von
einer „Entreicherung der Volkswagensparer“ gesprochen wurde,
wie auch vom „Versagen der Rechtsprechung“.
Im Februar und März 1958 fanden Gespräche mit Vertretern der
Bundesregierung und Vertretern der KdF-Wagen-Sparer statt.
Das Ziel, eine außergerichtliche Beilegung des Rechtsstreites zu
erreichen. Den Sparern wurde ein Rabatt auf das Standard-
modell von 1.379 D-Mark eingeräumt, sie hätten einen Betrag
von 2.411 D-Mark dazuzahlen sollen. In der Bundespolitik
drängte die Zeit, am 20. Dezember 1957 brachte die CDU/CSU-
Fraktion mit der in der Bundestagsdrucksache 102 „Regelung der
Rechtsverhältnisse bei der Volkswagen G.m.b.H.“ eine Antrag
ein, am 21. Januar 1958 lag der SPD-Antrag in der Bundestags-
drucksache 145 zur „Stiftung deutsches Volkswagenwerk“ vor.
Einen Tag später fand die erste Bundestagsdebatte statt. Bis
Ende der fünfziger Jahre hatte sich Volkswagen zu einem florie-
renden und dynamisch wachsenden Unternehmen entwickelt. Als
sich abzeichnete, dass die Gerichte die Klagen der VW-Sparer
gegen Volkswagen weiterhin abweisen würden, wurden die
Stimmen aus den Gewerkschaften deutlicher, die Eigentums-
anteile am Volkswagenwerk für sich reklamierten. Zusätzlich -
als weitere Anspruchsteller - erhoben nun auch die VW-Beschäf-
tigten Ansprüche und machten eigene Vorstellungen zur
Regelung der Eigentumsverhältnisse geltend, da sie das Unter-
nehmen in den letzten 15 Jahren zum Erfolg geführt hatten und
der Aufbau von Vermögenswerten im Unternehmen deshalb
ausschließlich auf sie zurückzuführen sei.
Am 9. November 1959 wurde die Prozessserie beendet. Das OLG
Celle stellte fest, „[…] zwischen dem VW-Werk und der ehemali-
gen ‚Deutschen Arbeitsfront‘ hat keine Vereinbarung bestanden,
die zu einer derartigen Forderung [VW-Lieferung] berechtige“.
5
Die Politik will privatisieren
oder vom „Feilschen“ zwischen Bund
und Land Niedersachsen
Minister der Bundesregierung führten Verhandlungen mit
Vertretern des Landes Niedersachsen. Das Ergebnis war ein
Kompromiss nach mehrjährigen intensiven und teilweise sehr
heftigen Diskussionen und Verhandlungen: Minister Lindrath
und Wirtschaftsminister Ahrens paraphierten am 11./12.
November 1959 den „Vertrag über die Regelung der Rechtsver-
hältnisse bei der Volkswagenwerk Gesellschaft mit beschränkter
Haftung und über die Errichtung einer Stiftung Volkswagenwerk“
zwischen der Bundesrepublik und dem Land Niedersachsen.
Vorausgegangen war ein Meinungsaustausch zwischen dem
Büro des niedersächsischen Ministerpräsidenten Kopf und den
Vertretern der Bundesregierung unter der Führung von Minister
Lindrath. Der ausgehandelte Vertrag bestimmte, dass zunächst
alle GmbH-Anteile der Bundesrepublik Deutschland zustehen
sollten. Die bei der Umwandlung der GmbH entstehenden
Aktien sollten wie folgt verteilt werden, die Bundesrepublik und
das Land Niedersachsen erhielten je 20 Prozent der Aktien, die
restlichen 60 Prozent sollten durch die Ausgabe von Aktien
privatisiert werden. Der zu bildende Aufsichtrats sollte aus
18 Personen bestehen, wobei arbeitgeber- und arbeitnehmer-
seitig die gleiche Anzahl von Mitgliedern entsendet und aus
ihren Reihen der Vorsitzenden zu bestimmen war.
Noch einige Wochen vorher, im Oktober 1959, drohte Minister-
präsident Kopf mit dem Gang zum Bundesverfassungsgericht für
den Fall, das der vorliegende CDU/CSU-Gesetzentwurf, „die
Eigentumsrechte dem Bund zu übertragen“, verwirklicht würde.
Er stellte dazu weiter fest, „das Land Niedersachsen sei mit einer
entschädigungslosen Enteignung nicht einverstanden“.
Die Erträge aus der Privatisierung sollte die zu gründende „VW-
Stiftung“ erhalten, die damit Wissenschaft und Technik in
Forschung und Lehre in Deutschland fördern sollte.
Am 23. November 1959 befasste sich auch die niedersächsische
SPD-Landtagsfraktion mit den Vorlagen. Stellvertretend zu der
recht ausführlichen Diskussion zwei Wortmeldungen: Alfred
Kubel stellte fest „… dass die Haltung der Gewerkschaften es mit
ermöglicht hat, den Kompromiss so weit voranzutreiben. […] Der
Standpunkt der Gewerkschaften sei viel einfacher zu vertreten
als die Haltung der Partei […] Bei der [früheren] Beschluss-
fassung im Landtag habe man seinerzeit nur über die Eigentums-
frage gesprochen. Von Privatisierung oder Nichtprivatisierung sei
nicht die Rede gewesen. […]
6
Exkurs 3: Rolle der
DGB-Gewerkschaften –
Gewerkschaftliche
Forderung einer Stiftung
Der SPD-MdL-Abgeordnete Janssen zitierte aus einem Brief, den
der Genosse Brenner an ihn geschrieben hatte und in dem sich
dieser nach wie vor gegen die Privatisierung aussprach, „[…] als
Gewerkschaftssekretär [ist er in Schwierigkeiten] die er jetzt in
den Auseinandersetzungen um diese Frage habe“.
In der folgenden Abstimmung entschied sich die SPD-Fraktion
mit großer Mehrheit für die Annahme der Vorlage. Dagegen
stimmten zehn Fraktionsmitglieder, bei einer Stimmenthaltung.
Die Gewerkschaften, namentlich der Vorsitzende Hans Böckler
hatten bereits 1949 und 1950 Ansprüche auf das Volkswagen-
werk erhoben mit dem Hinweis, „weil das beschlagnahmte
Gewerkschaftsvermögen Grundlage der DAF und ihrer wirt-
schaftlichen Unternehmen gewesen ist, also auch des Volks-
wagenwerkes“ . Im Rahmen der Diskussionen zur betrieblichen
Mitbestimmung wurde die Forderung fallen gelassen.
1957, nach dem CDU-Bundesparteitag, fanden Gespräche und
Meinungsaustausche zwischen den Gewerkschaften, Vertretern
der Bundesregierung und den Sprechern der SPD-Bundestags-
fraktion aus dem Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundes-
tages statt. Es ging dabei zentral um die Frage, wie und mit wel-
chen Mitteln kann eine Stiftung Volkswagen gegründet würde.
Die DGB-Gewerkschaften organisierten Proteste, den Anfang
machte eine Kundgebung im November 1959 in Hannover. Die
Hauptredner waren der IG Metall-Vorsitzende Otto Brenner und
Ludwig Rosenberg vom DGB. Ihre zentrale Forderung lautete
zusammengefasst „Hände weg vom Volksvermögen“. 2. Dezem-
ber 1959, die DGB-Kreisdelegiertenversammlung in Braun-
schweig tagte und reagieret mit „einer scharfen Erklärung“; im
Beschluss hieß es u.a.: „[…] Angesichts der laufenden Gespräche
nunmehr auch das VW-Werk zu verschleudern, bekennen sich die
Delegierten in Übereinstimmung mit der Belegschaft des VW-
Werkes […] das Werk in eine Stiftung zu überführen. […] die
Privatisierungsbestrebungen der Bundesregierung sind nichts
anderes als der Raub von Volksvermögen“. In einem Beschluss
des DGB-Landesbezirksvorstandes am 18. Dezember 1959 hieß
es: „[…] Der DGB hatte seine Ansprüche zurückgestellt […] die
Gewerk-schaften forderten die Überführung des Werkes in eine
Stiftung. […]“. Die gewerkschaftliche Forderung nach einem
Arbeitsdirektor wurde in einer Kabinettssitzung der Bundes-
regierung im Februar 1960 abgelehnt. Der Hauptgrund, es
werden Auswirkungen auf andere Konzerne befürchtet.
7
Die Entscheidung wird
politisch abgeschlossen
Vorbereitungen und Ausgabe
der Volkswagen-Aktien
In der Kabinettsitzung der Bundesregierung am 16. Dezember
1959 wurde festgestellt, dass der „Vergleich zwischen Bundes-
regierung und dem Land Niedersachsen zum „Gesetz über die
Regelung der Rechtsverhältnisse bei der Volkswagenswerk-
GmbH, dem sogenannten Vorschaltgesetz, bei Stimmenthaltung
der SPD zugestimmt [wurde]“. Der Bundestag beschloss am 16.
März 1960 das Volkswagen-Gesetz. Am gleichen Tag wurde aus
der niedersächsischen Staatskanzlei erklärt, Niedersachsen halte
an seinem Anspruch fest, dass sein 20 Prozentanteil an der
neuen Aktiengesellschaft ein uneingeschränktes Stimmrecht
erhält. Weiter heißt es, […] „Der Verkaufserlös und die
Dividenden aus den staatlichen Anteilen fließen einer Stiftung
zu, […] sie soll ihren Sitz in Niedersachsen haben“.
Die bisherige Volkswagenwerk-GmbH wurde zur Aktiengesell-
schaft; Bund und Land Niedersachsen verkauften 60 Prozent an
dem Unternehmen über die Börse. Um die Einflussmöglichkeiten
über den Konzern nicht zu verlieren, legten die Politiker fest:
Kein Aktionär kann mehr als 20 Prozent der Stimmrechte
ausüben, auch dann nicht, wenn er einen höheren Aktienanteil
besitzt. In einem Zeitungsbericht hieß es nach der Bundestags-
abstimmung: „[…] Besonders die Sozialdemokraten befürchten,
eine Konzentration der VW-Aktien in der Hand marktbeherr-
schender Unternehmen“.
Ab Oktober 1960 wurden etwa 17 Millionen Haushalte über die
Möglichkeit des Erwerbs der VW-Volksaktie informiert – mit
„Sozialrabatten“ wurden die angekündigten Anteile als Aktien
ausgegeben. In einer relativ kurzen Zeitspanne steigt der Wert
vom Ausgabekurs 350 Mark auf den Börsenkurs 730 DM (Mitte
April 1961). Dazu der „Spiegel“ im November 1960: „In den
Börsensälen wartet man schon darauf, das begehrte Papier in
den Kreis der westdeutschen Aktien von Weltruf aufzunehmen“.
Ende März 1961 stand fest, dass die Kleinaktionäre das Aktien-
angebot um etwa 66 Prozent überzeichnet hatten. Ein verheira-
teter Aktienkäufer mit drei Kindern und einem Einkommen unter
12.000 DM zahlte pro Aktie statt 350 DM nur 262,50 DM.
85 Prozent der Aktienkäufer wollten die Wertpapiere sofort bar
bezahlen, der weiteren Bewerber konnten mit Ratenzahlungen
die Aktien erwerben. Der Ausgabewert pro Aktie 350 DM -
Mitte April 1961 hatte die VW-Aktie einen Kurswert von 730
DM. Für die damalige Zeit war diese Wertverdoppelung
einzigartig.
8
Zeitzeugenberichte
„Meine Mutter hat dann wohl zum ersten Mal Aktien gekauft.
Aber ich nehme an, sie spekulierte weniger auf einen
Wertzuwachs der Aktien, sondern es erfüllte sie mit einer
gewissen Befriedigung, dass ihr ein winziges Stück des
Unternehmens gehörte. Wenn sie sich auch keinen Volkswagen
leisten konnte, so konnte sie eben immerhin doch ein Stück
dieses Unternehmens kaufen“.
***
„Es war ein wenig Goldgräberstimmung. Die Aktien konnten mit
einem Eigengeld von 100 DM pro Aktie erworben werden, die
fehlenden ungefähr 200 DM besorgten sich viele per Kredit.
Nach einigen Wochen war die Aktie beinahe das doppelte wert,
heute würde man von einem echten Schnäppchen sprechen. Ich
meine mich zu erinnern, dass mehr als doppelt so viele
Menschen sich beworben hatten, als Aktien zur Verfügung
standen. Damit waren dann auch für die CDU die Wahlen im
Herbst 1961 eigentlich schon gewonnen“.
***
„Ich habe mehrere Jahre bei VW-Wolfsburg gearbeitet. Wir
bekamen das Angebot als Beschäftigte zehn Aktien zu kaufen.
Das Besondere war, wer zehn Mitarbeiteraktien erwarb, musste
nur neun bezahlen, die zehnte Aktie war ein Geschenk. Und
außerdem bestand die Möglichkeit, die Aktien in 36 Monats-
raten abzubezahlen.“
9
Die VW-Aktie im Spiegel der Karikatur
„Es darf ruhig etwas
weniger sein“
„Guckt mal, unsere alten Freunde“
„Ich hab’s geschafft,
ich brauch nicht mehr
zu arbeiten“
10
Benutze Literatur und Quellen
Politik - Deutscher Bundestag, 2. Wahlperiode, Drucksache 2614
- Deutscher Bundestag, 2. Wahlperiode, Drucksache 2833
- Deutscher Bundestag, 3. Wahlperiode, Drucksache 102
- Deutscher Bundestag, 3. Wahlperiode, Drucksache 145
- Pressedienst der SPD-Bundestagsfraktion vom 14.10.1959 -
„Rechtsverhältnisse beim Volkswagenwerk“
- Wirtschaftsausschuss im Deutschen Bundestag,
Gegenüberstellung aus der 67. Sitzung am 14. Januar 1960
- Brief von Bundesminister Lindrath an Ministerpräsidenten
Hinrich Wilhelm Kopf vom 15.10.1959
- Anträge des Abgeordneten Wilhelmi - verteilte Vorlage -
vom 23. 02.1960
- Niedersächsischer Landtag, 4. Wahlperiode,
Landtagsdrucksache 92
- Protokollnotizen über die SPD-Fraktionssitzung am 23.11.1959
Gewerkschaften - Papier der IG Metall und des DGB „Vorläufiger Gesetzesentwurf
für die Neuordnung des Volkswagenwerkes“ vom 25.10.1956
- Bericht Dr. Karl Hinkel DGB-Niedersachsen vom 24.06.1957
„Volksaktie – Ja oder Nein“
- Metall: Die Stiftung als Träger einer Aktiengesellschaft –
Diskussionsgrundlage vom 12.11.1957
- Ergebnisprotokoll vom 20.12.1957 im WWI Köln,
eingeladen vom Hauptvorstand der IG Metall
- Redemanuskripte vom 30. 11.1959 von der Protestveranstaltung
der DGB-Gewerkschaften in Hannover –
Redner: Ludwig Rosenberg (DGB) und Kurt Brenner (IGM)
Zeitschriften/Zeitungen - Der Spiegel, Ausgaben 40/1960, 47/1960, 13/1961, 18/1961, 28/1961
- Berichte aus diversen Tageszeitungen, Braunschweiger Zeitung
mit der Wolfsburger Ausgabe aus 1959 und 1960 /
Frankfurter Allgemeine Zeitung Februar 1958 / Handelsblatt 1959 /
- Vierteljahresheft für Zeitgeschichte, Heft 4/1960 –
Paul Kluke: „Hitler und das Volkswagenprojekt“
11
MATERAILSAMMLUNG
Anlage 1: Muster der ersten Aktien mit einem Nennwert von
100 DM aus dem Jahr 1961
Anlage 2: Aus: Gewerkschaftliche Monatshefte im März 1958
Achim von Loesch: Volkswagen oder „Volks“-Aktien?
Die zwei Gesetzesvorschläge zur Neuordnung
des Volkswagenwerks
Anlage 3: Protesttelegramm des DGB-Bundesvorstands
an den SPD-Vorsitzenden
Anlage4: Vertragsabsprachen Land Niedersachsen
und Bundesregierung - 11./12. November 1959
Anlage 5: Redemanuskript von Otto Brenner zur Protestkundgebung am 30. November 1959 in Hannover
Anlage 6: „VW-Aktien – Schnell auf Touren“ Aus „Spiegel“ 13/1962, Seiten 25ff.
12
PERSONEN*)
Adenauer, Dr. Konrad
Ahrens, Hermann
Brenner, Otto
Deist, Dr. Wilhelm
Erhard, Prof. Dr. Ludwig
Hinkel, Dr. Karl
Kopf, Hinrich Wilhelm
Kurlbaum, Georg
Lindrath, Dr. Hermann
Ollenhauer, Erich
Rosenberg, Ludwig
*) Es wurden nur politische
Betätigungen nach 1945
berücksichtigt
* 5. Januar 1876, † 19. April 1967
CDU-Bundestagsabgeordneter von 1949 bis 1967
Bundeskanzler der BR-Deutschland von 1949 bis 1963
Vorsitzender der CDU von 1946 bis 1963
* 08. April 1902, † 14. Juli 1975
Landtagsabgeordneter in Niedersachsen von 1951 bis 1963
Mai 1959 bis Juni 1963 niedersächsischer Finanzminister
*08. November 1907, † 15. April 1972 Vorsitzender der Industriegewerkschaft Metall
von 1956 bis 1972
* 10. Dezember 1902, † 07. März 1964
SPD-Bundestagsabgeordneter von 1953 bis 1964
* 04. August 1897, † 05. Mai 1977
CDU-Bundestagsabgeordneter von 1949 bis 1977
Wirtschaftsminister von 1949 bis 1963
Bundeskanzler der BR-Deutschland von 1963 bis 1967
*14. Januar 1899, † 1974
DGB-Landesbezirk Niedersachsen (Lbz-Nds),
Leiter der Abteilung Wirtschaft, 1960 bis 1964
Geschäftsführendes Vorstandsmitglied im DGB-Lbz-Nds
*06. Mai 1893, † 21. Dezember 1961
SPD-Landtagsabgeordneter in Niedersachsen von 1947 bis 1961
1946 bis 1955 und 1959 bis 1961 Ministerpräsident
des Landes Niedersachsen *02. Mai 1902, † 23. Dezember 1988
SPD-Bundestagsabgeordneter von 1949 bis 1969
*29. Juni 1896, † 27. Februar 1960
CDU-Bundestagsabgeordneter von
1957 bis 1960 Bundesminister
im Ministerium für den wirtschaftlichen Besitz des Bundes
*27. März 1901, † 14. Dezember 1963 SPD-Bundestagsabgeordneter,von 1949 bis 1963
SPD-Kanzlerkandidat, SPD-Vorsitzender von 1952 bis 1963
*29. Juni 1903, † 23. Oktober 1977
DGB-Bundesvorstand, bis 1962 Abteilungsleiter Wirtschaft,
1962 bis 1968 DGB-Bundesvorsitzender
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