VorlesungPortfoliomanagement
Priv.-Doz. Dr. Dr. Aurelio J. F. Vincenti
VertretungsprofessurBWL, Unternehmensfinanzierung
Fachbereich WirtschaftswissenschaftenUniversität Kassel
Wintersemester 2012/13
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 1
Kapitel 01 – Grundlagen:Kapitalmarkttheoretische Einordnung des
Portfoliomanagements I4 Grundkonzepte der Kapitalmarkttheorie:
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Kapitalmarkttheoriefür einen
vollkommenen Marktunter Sicherheit
Kapitalmarkttheoriefür einen
vollkommenen Marktunter Unsicherheit
Kapitalmarkttheoriefür einen
unvollkommenen Marktunter Sicherheit
Kapitalmarkttheoriefür einen
unvollkommenen Marktunter Unsicherheit
Kapitel 01 – Grundlagen:Kapitalmarkttheoretische Einordnung des
Portfoliomanagements II1. Vollkommenheit des Kapitalmarktes:
Merkmale:• Einheitlicher fester Marktzins i für Kapitalanlage und
Kapitalaufnahme (Sollzins = Habenzins).• Beliebige Verfügbarkeit von Kapital zum Zinssatz i (keine
Anlage- und Kreditlimits bzw. Liquiditätsprobleme).• Keine Steuern, Transaktionskosten,
Informationsunterschiede der Akteure.⇔Unvollkommene Märkte als Gegenteil.
2. Unsicherheit in Kapitalmarktmodellen:• Zukunft wird als sicher und planbar vorausgesetzt.• Zukunft ist unsicher in Form von (be)rechenbaren Risiken
(Wahrscheinlichkeiten).
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Kapitel 01 – Grundlagen:Kapitalmarkttheoretische Einordnung des
Portfoliomanagements IIIReale Finanz- und Kapitalmärkte:
• Teilweise erhebliche Marktunvollkommenheiten:– Informationsdifferenzen der Marktteilnehmer.– Liquiditätsprobleme und Kapitalrestriktionen.– Transaktionskosten.
• Marktunsicherheit: Zukunft ist risikobehaftet (berechenbare Entwicklung mit
Wahrscheinlichkeitsannahmen). Zukunft ist ungewiss (True Uncertainty in Form nicht
berechenbarer und nicht vorhersehbarer Entwicklungen).
Nutzbare portfoliotheoretische Modelle als Hilfsmittel des Portfoliomanagements können und müssen sich mit Marktunvollkommenheiten und Zukunftsrisiken befassen!
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Kapitel 01 – Grundlagen:Ziele der Vermögensanlage I
Wichtige Zielkriterien bei der Geld/Vermögensanlage:
1. Rendite / Rentabilität einer Vermögensanlage:
Ergebnis: Periodenendkapital + ev. Zwischenzahlungszuflüsse.Maximierung• des Vermögens bei gegebenem Einkommen (Entnahmen)• oder eines Entnahmestromes (Periodenentnahmen) bei
gegebenem Vermögen.⇔Aspekt der Wiederanlage (Ausschüttung, Wertsteigerung).
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Kapitel 01 – Grundlagen:Ziele der Vermögensanlage II
Wichtige Zielkriterien (Fortsetzung):2. Sicherheit / Unsicherheit der Anlage:
Sicherheitsstreben als Grundsatzannahme ⇔• Risiko als berechenbare Unsicherheitsform.
Kursschwankungen. Konjunkturabhängigkeit und Währungsschwankungen. Bonität des Vertragspartners (Totalverlust).
• Nicht berechenbare Unsicherheitsform.3. Liquidität der Anlage:
Handelbarkeit (Kauf / Verkauf) der Vermögensanlage z.B. auf einem Sekundärmarkt (Börse).
4. ( Weitere persönliche Nutzenziele, z.B Unabhängigkeit.)
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Kapitel 01 – Grundlagen:Formen der Vermögensanlage I
Wichtige Anlageklassen (Assetklassen):Zusammenfassung von Assets zu Klassen anhand
vergleichbarer Strukturen bei Rendite, Sicherheit, Liquidität:1. Festverzinsliche Instrumente:
(Anleihen bzw. Bondsund Geldmarktinstrument bzw. Cash):I.d.R. geringes Risiko / geringe Unsicherheit.
Geringe Kursschwankungen. Allerdings Konjunkturabhängigkeit und ev. auch Währungs-
schwankungen. Allerdings Bonitätsrisiko
(Teil- oder Totalverlust).
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Kapitel 01 – Grundlagen:Formen der Vermögensanlage II
Wichtige Anlageklassen (Fortsetzung):2. Immobilien:
I.d.R. höheres Risiko im Vergleich zu festverzinslichen Anlagen aufgrund von konjunktur- / zinsbedingten Preisschwankungen.Liquiditätsprobleme bei gewissen Immobilienanlagen.• Direkte Anlage in Immobilien.• Indirekte Anlage in Immobilien:
Immobilienfonds. Immobilienaktien
(Real Estate Investment Trusts – REITs).
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Kapitel 01 – Grundlagen:Formen der Vermögensanlage III
Wichtige Anlageklassen (Fortsetzung):3. Aktien (handelbare Unternehmensanteile):
• Nicht börsennotierte Aktien (⇔ eingeschränkte Liquidität).• Börsennotierte Aktien (⇔ i.d.R. hohe Liquidität):
Direkte Anlage in bestimmten Aktien. Indirekte Anlage in Aktienfonds.
I.d.R. noch höheres Risiko aufgrund von Kursschwankungen an der Börse. Abhängigkeit von: Unternehmens- und Branchenentwicklung. Konjunktur- / zinsbedingte Kursschwankungen.
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Kapitel 01 – Grundlagen:Formen der Vermögensanlage IV
Wichtige Anlageklassen (Fortsetzung):4. Rohstoffe:
• Industrielle Verbraucher: Direkte Nutzung.• Nichtindustrielle Anleger eher als Termingeschäft:
I.d.R. sehr hohes Risiko aufgrund von starken Kursschwankungen an der Börse. Abhängigkeit von: Starke konjunkturbedingte Kursschwankungen. Spekulationsobjekt.
5. Handelbare Rechte (i.d.R. Termingeschäfte):Optionen, Futures, Forwards, Swaps, derivative Finanzinstrumente⇔ sehr hohes Risiko (da zeitlich befristete Rechte).
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Kapitel 01 – Grundlagen:Wert/Preisverhältnis Einführung IZusammenhang zwischen dem Wert und
dem Preis einer Vermögensanlage:1. Verschiedene Wertekonzepte:
• Subjektiver Wert: Individueller Nutzen/Wert für ein Wirtschaftssubjekt.
• Objektiver Wert: Intersubjektiver allgemeiner Wert einer Anlage für alle Wirtschaftssubjekte.
2. Verschiedene Begrifflichkeiten:• Fundamentaler, intrinsischer, innerer, fairer Wert als
objektive Wertekonzept.• Marktwert als Bezeichnung für den Marktpreis / Kurs.
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Kapitel 01 – Grundlagen:Wert/Preisverhältnis Einführung II
Das Verhältnis zwischen dem Preis und dem Wert eines Assets – Preisbildungsprozess:
• Subjektive Wertschätzungen bilden die Grundlage.• Erst in einem weiteren Schritt gehen dann aus den
Werten auf dem Markt Preise hervor.• Werte sind daher potentielle Preise.• Dies bedeutet allerdings nicht, dass Wert und Preis in
ihrer Höhe übereinstimmen müssen.• Preis sind immer (zeitpunktabhängig) objektiv fassbar⇔ für Werte hängt dies von der jeweiligen wirtschaftstheoretischen Sicht ab.
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Kapitel 01 – Grundlagen:Wert/Preisverhältnis Einführung III
Verschiedene Wert-Preis-Relationen denkbar:1. Im Rahmen eines subjektiven Wertekonzeptes:
• Ausnahmefall: Preis und subjektiver Wert eines Assets stimmen überein ⇨keine Handlungsnotwendigkeit.
• Normalfall: Preis und subjektiver Wert weichen voneinander ab:
Subjektive Bewertung eines Assets höher als der aktuelle Marktpreis ⇨Kaufanreiz.
(Subjektive Bewertung eines Assets niedriger als der aktuelle Marktpreis ⇨Verkaufanreiz ⇔ auf einem funktionsfähigen „normalen“ Markt erhält der Verkäufer jedoch den Marktpreis.)
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Kapitel 01 – Grundlagen:Wert/Preisverhältnis Einführung IV
Wert-Preis-Relationen (Fortsetzung):2. Im Rahmen eines objektiven Wertekonzeptes:
• Normalfall: Preis und objektiver Wert eines Assets stimmen überein ⇨keine Handlungsnotwendigkeit:
Auf einem effizienten Markt. In einem Marktgleichgewicht: Preis = Wert.
• Ausnahmefall: Preis und objektiver Wert weichen voneinander ab:
Aktueller Marktpreis höher als der fundamentale Assetwert⇔ vorübergehende Marktstörung, z.B Spekulationsblase.
Aktueller Marktpreis niedriger als der fundamentale Assetwert⇔ vorübergehende Marktstörung, z.B. Liquiditätsprobleme.
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Kapitel 01 – Grundlagen:Ergebnis der Vorüberlegungen
1. Es gibt eine Vielzahl von verschiedenen Anlageformen aus denen bei der Bildung eines Portfolios ausgewählt werden kann.
2. Die verschiedenen Ziele einer Vermögensanlage stehen dabei zueinander im Widerspruch:⇨Eine per se ideale Kapitalanlage mit hoher Rendite bei zugleich möglichst hoher Sicherheit und zugleich möglichst großer Liquidität findet sich nicht!
3. Aufgabe des Portfoliomanagements ist es daher nicht, ein ganz bestimmtes Einzelasset zu suchen.
4. Entsprechend dem Zielsystem der jeweiligen Anleger soll vielmehr ein diversifizierter Anlage-Mix d.h. ein Portfolioaus verschiedenen Assetklassen, gefunden werden.
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Kapitel 01 – Grundlagen:Portfolio-Begriff I
Definition:Ein Portfolio (Portefeuille) ist die
Zusammenfassung aller Vermögensbestandteile (Assets) eines Wirtschaftssubjektes mit dem
Zweck der Beschreibung und Überprüfung dieses Portfolios in Hinblick auf seine
finanzwirtschaftlichen Eigenschaften. Dies betrifft vor allem die Aspekte Rendite, Sicherheit,
Liquidität, bezüglich derer das Portfolio als ganzes den Präferenzen des Wirtschaftssubjektes
entspricht.Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 16
Kapitel 01 – Grundlagen:Portfolio-Begriff II
Ergänzungen:1. Die einzelnen Assets in einem Portfolio unterscheiden
sich untereinander sowie vom (Gesamt-)Portfolio bezüglich ihrer Rendite, Sicherheit, Liquidität.
2. Maßgeblich in Hinblick auf die finanzwirtschaftlichen Eigenschaften ist stets das komplette Portfolio im Sinn einer Simultan- und Gesamtbetrachtung aller Vermögensbestandteile.
3. Eine Veränderung (Investition) bei einem einzelnen Assets ist daher nicht isoliert, sondern immer in Hinblick auf die Veränderung des Gesamtportfolios zu beurteilen.
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Kapitel 01 – Grundlagen:Portfolio-Begriff III
Ergänzungen (Fortsetzung):4. Aufgabe des Portfoliomanagements ist es folglich, die
Zusammenstellung bzw. den Mix der verschiedenen Vermögensanlagen (Assetallokation) im Portfolio eines Wirtschaftssubjektes entsprechend den o.g. Grundsätzen zu gestalten.
5. Hilfestellung (vor allem bei der Rendite-Risiko-Gestaltung) leistet dabei die Portfoliotheorie als Teil der Kapitalmarkttheorie. Wichtige Grundprinzipien sind:
• Prinzipielle Risikoaversion der Wirtschaftssubjekte.• Diversifikation der Vermögensanlage.
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Kapitel 01 – Grundlagen:Assetallokation I
Assetallokation sowohl als Prozess als auch als Ergebnis der Portfoliobildung.
• Top: Assetallokation auf Ebene der Assetklassen.• Bottom: Assetallokation auf Ebene der einzelnen
Assets.⇨Zwei grundsätzliche Methoden bei der Asset-Auswahl:1. Top-Down: Zusammenstellung des Portfolios zunächst
auf der Top-Ebene, anschließend Auswahl der Einzelanlagen (professionelle Vermögensverwaltung).
2. Bottom-Up: Ausgangspunkt ist die Selektion einzelner Assets (z.B. Empfehlungen – von Anlegern bevorzugt).
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Kapitel 01 – Grundlagen:Assetallokation II
Beispiel einer vereinfachten Assetallokation mit (nur) 3 (2) Assetklassen:
1. Cash bzw. Liquidität (Geldmarktinstrumente).2. Aktien (an der Börse gehandelt).3. Bonds (Festverzinsliche Anleihen).⇨Assetselektion (Top-Down) nach folgenden Prinzipien:1. Cashquote wird bestimmt durch Flexibilitätsbedarf
(geplanter und ungeplanter Bedarf an Geld).2. Aktienquote wird bestimmt durch objektive
Unsicherheitstragfähigkeit und subjektive Unsicherheitspräferenz des Anlegers.
3. Rest des Vermögens in Bonds.Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 20
Kapitel 01 – Grundlagen:Assetallokation III
UnterscheidungUnsicherheits- bzw. Risikotragfähigkeit (1) vs.
Unsicherheits- bzw. Risikopräferenz (2).Zu (1): Die Tragfähigkeit beschreibt die finanzielle Situation des Wirtschaftssubjektes (Privatperson, aber auch institutioneller Anleger) und ist insofern objektiv. Sie hängt ab von:
• Finanzielle Einkünfte und vorhandenes Vermögen.• Finanzielle Verpflichtungen und Schulden.• Finanzplanung für die Zukunft.
Zu (2): Die Präferenz beschreibt die jeweilige Einstellung des Wirtschaftssubjektes zur Unsicherheit und zum (Verlust-)Risiko und ist insofern stets subjektiv. Das Ausmaß der internen Risikotoleranz ist persönlichkeitsabhängig.
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Kapitel 01 – Grundlagen:Assetallokation IV
Weitere Unterteilung in zusätzliche Unterklassen möglich
(Fortsetzung des Beispiels mit 3 (2) Assetklassen):• Generelle Unterscheidung zwischen
Inlandsanlage vs. Auslandsanlage(Währungsschwankungen).
• Bei Bonds:– Differenzierung nach Laufzeiten:
Kurz vs. mittel vs. lang vs. sehr lang.(Je länger die Laufzeit, desto größere Zinsempfindlichkeit.)
– Nominalausschüttung (Zero Coupon Bond).– Bonität des Emittenten:
Staatsanleihe vs. Unternehmensanleihe.Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 22
Kapitel 01 – Grundlagen:Assetallokation V
Weitere Unterteilung (Fortsetzung)(Beispiel mit 3 (2) Assetklassen):
• Bei Aktien (an der Börse gehandelt): Differenzierung nach Branchen (ev. Währungsräumen). Differenzierung nach Growth vs. Value Stock.
a) Growth Stock: Niedrigere Dividende – Stärkeres Wachstum –Niedrigeres Book-to-Market Ratio.b) Value Stock: Höhere Dividende – Geringeres Wachstum –Höheres Book-to-Market Ratio.
Book-to-Market Ratio: des Unternehmens: I.d.R. < 1.
mit Buchwert: Bilanzielles Eigenkapital.mit Marktwert (Marktkapitalisierung): Börsenpreis x Aktienzahl.
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Kapitel 02 – Portfoliomanagement:Anlagestil I
Nach der anfänglichen Assetallokation und den ersten Transaktionen fallen im Zeitablauf (ständig) weitere
Anlageentscheidungen an:Dieser Sachverhalt betont den Aspekt der
Prozesshaftigkeit im Portfoliomanagement!Unterscheidung verschiedener Anlagestile:
Begriff: Der Anlagestil beschreibt das Verfahren, durch das ein vorhandenes Portfolio im Zeitverlauf und/oder aufgrund neuer Informationen den sich ändernden Gegebenheiten angepasst wird. Im Ergebnis kommt es dadurch zu einer veränderten Assetallokation.
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Kapitel 02 – Portfoliomanagement:Anlagestil II
Strategische vs. taktische Assetallokation• Strategische Assetallokation:
– Längerfristige Strukturierung des Portfolios aufgrund längerfristiger d.h. fundamentaler Charakteristika der ausgewählten Asset(sklassen).
– Keine Anpassung an kurzfristige Entwicklungen des Kapitalmarktes.
⇨Geringe Änderungen des Portfolios im Zeitverlauf.• Taktische Assetallokation:
– Anpassung des Portfolios an kurzfristige Entwicklungen wie z.B. neue Informationen, Trends, Marktstimmung.
⇨Häufige Änderungen des Portfolios im Zeitverlauf.Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 25
Kapitel 02 – Portfoliomanagement:Anlagestil III
1. Buy-and-Hold als passiver Anlagestil:Anwendung einer strategischen Assetallokation, d.h.keine kurzfristigen Käufe und Verkäufe von Assets.Beispiele sind „naive“ (oder ad-hoc) Diversifikation(Diversifikation anhand von Daumenregeln der Praxis) oder Marktkapitalisierungs-Methode (z.B. Anteile der Assets im Portfolio entsprechend einem Index).
Vorteile von Buy-and-Hold: Geringe (Transaktions)kosten: Informationsbeschaffungs-
und Durchführungskosten. Alles in allem gute Resultate derartiger Portfolios (gerade
auch im Vergleich mit anderen Anlagestilen).Auch bei passivem Anlagestil werden die Portfolios im Zeitverlauf angepasst – Re-Balancing.
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Kapitel 02 – Portfoliomanagement:Anlagestil IV
1. Buy-and-Hold (Fortsetzung):Buy-and-Hold bezieht sich auf das Management von Assets nach der erstmaligen Assetallokation.Empirisches zum Erfolg dieser Strategie:• Es gibt immer (einige) Portfolios mit einem aktiven Management,
die bessere Ergebnisse als der Markt bzw. passiv geführte Portfolios zeigen.
• Aber: Im Durchschnitt sind die Ergebnisse aktiv geführter Portfolios schlechter als ein Index / passiver Anlagestil.
(Kleinere) Privatanleger haben im Gegensatz zu professionellen Akteuren i.d.R. stets einen Informations- und Kostennachteil.⇨Gerade auf nicht informationseffizienten Märkten können aktive Anlagestile daher für solche Privatinvestoren problematisch sein.
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Kapitel 02 – Portfoliomanagement:Anlagestil V
2. Timing als aktiver Anlagestil:Der Zeitpunkt des Kaufs bzw. Verkaufs von Assets bzw. Assetklassen wird festgelegt:verschiedene Assets bzw. Assetklassen werden anhand einer Kennzahl miteinander verglichen. Sobald ein gewisser Wert dieser Kennzahl über- bzw. unterschritten wird, führt dies zu Kaufs- und Verkaufshandlungen, zum Wechsel von Assets bzw. Assetklassen.Beispiel: Fed-Modell (Auswahl zwischen Aktien und Bonds):• ⇨ Wechsel von Aktien zu Bonds.
• ⇨ Wechsel von Bonds zu Aktien.
(Mit dem KGV als dem Kursgewinnverhältnis eines Aktienindexes und dem Zins z.B. 10-jähriger Staatsanleihen.)
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Kapitel 02 – Portfoliomanagement:Anlagestil VI
3. (Stock-)Picking als aktiver Anlagestil:Selektion einzelner Assets (i.d.R. Aktien) oder ganzer Assetklassen nach gewissen Kriterien:Entweder im Portfolio stärker gewichtet (Bezugspunkt strategische Allokation) oder ausschließlich gekauft.⇔Nicht selektierte Assets „untergewichtet“ oder nicht im Portfolio vertreten.Mögliche Kriterien für das Stock-Picking:• Branchen – Länder – Growth vs. Value.• Einzelne Kennzahlen wie etwa das KGV (Price-Earnings-Ratio):
ö ä öß
.
• Komplexe Modelle mit verschiedenen Kriterien.
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Kapitel 02 – Portfoliomanagement:Anlagestil VII
4. Zyklisches Investment als aktiver Anlagestil:• Prozyklisches Investment:Selektion von Assets (i.d.R. Aktien) gemäß der Kursentwicklung der jüngeren Vergangenheit: Entscheidungen z.B. anhand von Durchschnittslinien der Kursverläufe (Marktentwicklung):Sinkende Kurse ⇨ Verkaufen – Steigende Kurse ⇨Kaufen.⇨Prozyklisches Investment als Art von „Portfolio-Versicherung“.⇔Probleme: Zeitverzögerung, Erkennen der Marktentwicklung.Ergebnisse dieses Anlagestils: Zugleich Chancen- und Schutzfunktion auf Kosten einer niedrigeren Rendite.• Momentum-Strategie (ähnlich): Nutzung von Trends und des ihnen innewohnenden Schwungs.• Antizyklisches Investment (konträr):Sinkende Kurse ⇨ Kaufen – Steigende Kurse ⇨Verkaufen.
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Kapitel 02 – Portfoliomanagement:Anlagestil VIII
5. Long-Short-Investment als aktiver Anlagestil:Grundstil von Hedge-Fonds (Funds): Gleichzeitiges Eingehen von Long- und Short-Positionen auf Wertpapiermärkten.• Long-Position: Erwartung steigender Kurse
⇨Kauf eines Wertpapieres.• Short-Position: Erwartung fallender Kurse
⇨Verkauf eines Wertpapieres.Ein Aktienkauf auf Kredit (Leverage-Effekt) ist eine Long-Short-Position (Long bei der Aktie, Short auf dem Geldmarkt).Short-Positionen in Wertpapieren durch:• Gedeckter Leerverkauf (Regel): Verkauf eines geliehenen
Wertpapiers (gegen Leihgebühren und Sicherheiten) – später Deckungskauf.
• Ungedeckter Leerverkauf (i.d.R. verboten): Verkauf ohne Besitz.
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Kapitel 02 – Portfoliomanagement:Anlagestil Überblick
Strategische Assetallokation(passive Anlagestile)
Taktische Assetallokation(aktive Anlagestile)
Buy-and-Hold• „naive“ Diversifikation • Marktkapitalisierungs-
Methode
Timing
(Stock-)Picking
Zyklisches Investment• Antizyklisches Investment• Momentum-Strategie• Prozyklisches Investment
Long-Short-Investment
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Kapitel 02 – Portfoliomanagement:Technische Analyse
Markttechnik bzw. technische Aktienanalyse:Bekanntes Hilfsmittel im Rahmen eines aktiven Anlagestils, vor allem im Rahmen zyklischer Anlagestrategien.
Grundidee:Marktteilnehmer reagieren auf Veränderungen ihrer Informationen zumeist in ähnlichen (kollektiv vorhandenen) Verhaltensmustern. Dies führt zu psychologisch begründbaren Kollektiv-Phänomenen des Verhaltens wie Herdentrieb, Marktstimmungen (z.B. Hot oder Cold Markets).⇨Aggregiert betrachtet lässt sich dieses Kollektiv-Verhalten der Marktteilnehmer anhand von Kursmustern an den Börsen erkennen und in gewisser Weise vorhersagen: Prognose von Trends!Markttechnik differenziert nicht zwischen „rationalen“ und „irrationalen“ Marktteilnehmern!
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Kapitel 02 – Portfoliomanagement:Fundamentalanalyse I
Fundamentalanalyse im Rahmen von Value Investing (nach Benjamin Graham):
Bekanntes Hilfsmittel im Rahmen eines aktiven Anlagestils, vor allem bei einer Stock-Picking-Strategie.
Grundidee:• Mittels einer Unternehmensbewertung wird zunächst ein
fundamental gerechtfertigter Wert für ein börsennotiertes Unternehmen ermittelt.
• Diese Größe wird mit dem aktuellen Börsenkurs als Marktwert verglichen.⇨Wenn der fundamentale Wert höher als der Marktwert ist, bedeutet dies eine Kaufempfehlung!
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 34
Kapitel 02 – Portfoliomanagement:Fundamentalanalyse II
Fundamentalanalyse (Fortsetzung):Unternehmenswert:Theoretisch einfach bestimmbar:Aus moderner finanzierungstheoretischer Sicht entspricht der Wert eines Unternehmens allen zukünftigen Zahlungszuflüssen aus dem Unternehmen an den Eigner, abgezinst auf die Gegenwart:⇨Damit ist der Unternehmenswert der Kapitalwert eines zukünftigen Zahlungsstroms auf einem unvollkommenen Markt unter Unsicherheit.Es handelt sich dabei um eine Prognose für mehrere unsichere Größen:• Unsichere, zukünftige (!) Cash Flows.• Unsicherer Diskontierungszins.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 35
Kapitel 02 – Portfoliomanagement:Fundamentalanalyse III
Fundamentalanalyse (Fortsetzung):Unternehmenswert:
Grundformel (entspricht der Kapitalwertformel):
bzw.
.Mit: UW = Unternehmenswert.
CFt = Zahlungsstrom (Cash Flow) aus dem Unternehmen an den Eigentümer in der Periode t.
i = Kalkulationszins.t = Periodenindexn = Planungszeitraum.
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Kapitel 02 – Portfoliomanagement:Fundamentalanalyse IV
Fundamentalanalyse (Fortsetzung):Die Vorgehensweise (damit auch das Problem) bei der Unternehmensbewertung besteht aus folgenden Schritten:1. Festlegung eines geeigneten Planungshorizontes.2. Schätzung der (unsicheren) Cash Flows für jede Periode.3. Bestimmung des relevanten (unsicheren) Kalkulationszinses
(der periodenspezifisch unterschiedlich sein kann).Zwei Folgerungen:• Jede Unternehmensbewertung (und deshalb auch jede
Fundamentalanalyse von Aktien) stößt besonders bei der Prognose der Zahlungsströme, aber auch bei der Festlegung eines geeigneten Kalkulationszinses auf Schwierigkeiten!
• Gerade die Cash-Flow-Bestimmung hängt stark von den verfügbaren Informationen des jeweiligen Bewerters ab!
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Kapitel 02 – Portfoliomanagement:Fundamentalanalyse V
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 38
Kapitel 02 – Portfoliomanagement:Fundamentalanalyse VI
Fundamentalanalyse (Fortsetzung):Festlegung des Diskontierungszinses:Hier unterscheiden sich die verschiedenen (wissenschaftlich fundierten) Methoden der Unternehmensbewertung:
• Kapitalmarkttheoretische Unternehmensbewertung:Nutzung eines („objektiven“) Marktzinses i (aus einer finanzierungstheoretischen Gleichgewichtsbetrachtung abgeleitet):Gesamte Zukunftsunsicherheit durch einen „marktgemäßen“ Risikozuschlag in i berücksichtigt.
• Investitionstheoretische Unternehmensbewertung:Nutzung eines individuellen, subjektiven Zinses i:Unvollkommener Kapitalmarkt ohne Fisher-Separation (Dilemma der Lenkpreistheorie) erfordert eigentlich Totalmodell. Zukunftsunsicherheit häufig als subjektiver Risikozuschlag in i.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 39
Kapitel 02 – Portfoliomanagement:Fundamentalanalyse VII
Fundamentalanalyse (Fortsetzung):In der Literatur wird der im Rahmen einer individuellen Fundamentalanalyse bestimmte „fundamentale“ Unternehmenswert, der vom aktuellen Marktwert abweicht, oft als der eigentliche „wahre“ und damit als objektiver Unternehmenswert bezeichnet, denn er beruhe ja auf objektiven Fundamentalgrößen des Unternehmens.
Aufgrund der bisherigen Ausführungen gilt (aus theoretischer Sicht):1. Ein durch eine investitionstheoretische Bewertung ermittelter
Unternehmenswert ist definitionsgemäß stets subjektiv.2. Ein durch eine kapitalmarkttheoretische Bewertung ermittelter
Unternehmenswert beruht implizit auf der Annahme eines Marktgleichgewichts. Das Value Investing begründet sich jedoch aus der Annahme eines aktuell fehlenden Gleichgewichts.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 40
Kapitel 02 – Portfoliomanagement:Fundamentalanalyse VIII
Fundamentalanalyse (Fortsetzung):Aufgrund der bisherigen Ausführungen gilt (aus praktischer Sicht):• Eine ordnungsgemäße Unternehmensbewertung erfordert neben
methodischen Kenntnissen stets ein vertieftes Wissen sowohl um die spezifische wirtschaftliche Situation des Unternehmens (als Objekt der Bewertung) als auch der zugehörigen Branche etc.
• Unternehmensbewertungen werden i.d.R. von fachlich qualifizierten Spezialisten durchgeführt, bei börsennotierten Unternehmen von speziellen Analysten (bzw. „Staranalysten“):– Unabhängige Analysten.– Analysten von Investmentbanken („Analyst Coverage“ als Teil
des Gesamtdienstleistungsangebotes dieser Investmentbanken).• Privatanleger haben i.d.R. keine Möglichkeit für eine eigenständige
Unternehmensbewertung und damit eigene Fundamentalanalyse.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 41
Kapitel 02 – Portfoliomanagement:Portfoliotheorie – Vorbemerkung I
Klassische Portfoliotheorie bzw. KPT(nach Markowitz)
Teilweise auch als „Moderne Portfoliotheorie“ bezeichnet:Grundkonzept:• Traditionelle taktische Anlagestile (wie Stock-Picking,
zyklisches Investment oder Timing) ohne Bedeutung.• Technische sowie Fundamentalanalyse ebenfalls
ohne Relevanz.⇔Anlagenentscheidungen werden anhand eines formalmathematisch fundierten, quantitativen Modells getroffen.
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Kapitel 02 – Portfoliomanagement:Portfoliotheorie – Vorbemerkung II
KPT (Fortsetzung):Problemstellung:
Bei der Maximierung des Geldvermögens für den Anleger als plausible zentrale Zielgröße handelt es sich jedoch stets um eine per se unsichere Größe.Es ist also (zunächst einmal) nicht möglich, verschiedene Wertpapierportfolios anhand ihrer Renditen einfach miteinander zu vergleichen! Dazu müssen vereinfachende (!) Modellannahmen gesetzt werden.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 43
Fernere ZukunftHeutet=0 t=1
Unsicherheit
Kapitel 02 – Portfoliomanagement:Portfoliotheorie – Vorbemerkung IIIKPT (Fortsetzung):
Merkmale der KPT:1. Zukunftsunsicherheit der verschiedenen Wertpapiere in Form
von Risiko ⇨Renditen als normalverteilte Zufallsgrößen.2. Rational handelnde risikoaverse Anleger. Aus 1. und 2.:Zielsystem der Vermögensanlage (Präferenzen der Anleger) ist ausschließlich anhand finanzieller Ziele beschreibbar:• Relevant sind Erwartungswert und Standardabweichung als
Ausdruck für Rendite und Risiko der jeweiligen Anlage:⇨Streben nach hohen Erwartungswerten bei zugleich niedriger Standardabweichung der Anlagerendite als Ziel.
• Liquidität als drittes Anlageziel sowie etwaige weitere Nebenziele werden nicht berücksichtigt.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 44
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Grundmodell I
Grundmodellder normativen (formalen) Entscheidungstheorie:• Endliche Menge einander ausschließender Handlungsalternativen:
ai (mit i = 1, 2, …, m).• Endliche Menge von ai unabhängiger und einander ausschließender
Umweltzustände: sj (mit j = 1, 2, …, n).• In Abhängigkeit von der gewählten Handlungsalternative ai sowie
der Umweltentwicklung sj ergeben sich n m spezifische Ergebnisvektoren eij , die in einer entsprechenden Ergebnismatrix, dem Entscheidungsfeld, zusammengefasst werden.
Zur Vereinfachung gilt außerdem, dass alle Kombinationen von ai mit sjjeweils durch einen einzigen Vektor eij eindeutig beschrieben werden und eine monetäre Größe darstellen.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 45
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Grundmodell II
Grundmodell (Fortsetzung): Entscheidungsfeld.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 46
S:
A:s1 ••• sj ••• sn
a1 e11 ••• e1j ••• e1n
••••••
••••••
ai ei1 ••• eij • •• ein
••••••
••••••
am em1 ••• emj ••• emn
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Grundmodell III
Unsicherheitskonzepte in der Entscheidungstheorie:
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Unsicherheit
Spiel Risiko Ungewissheit
Unsicherheit i. e. S.
mit objektiverWahrscheinlichkeit
mit subjektiverWahrscheinlichkeit Ambiguität Fundamentale
Ungewissheit
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Grundmodell IV
Unsicherheitskonzepte (Fortsetzung):• Entscheidungen unter Sicherheit (d.h. ai mit i = 1 und sj mit j = 1 und
damit nur einem möglichen Ergebnis e11) werden in der Entscheidungstheorie nicht betrachtet.
• Spielsituationen (Spieltheorie): Die jeweiligen Realisationen von sjhängen von den Handlungen eines rationalen Gegenspielers ab.
• Unsicherheit i.e.S.: Die jeweiligen Realisationen von sj werden durch die zufällige Entwicklung der Umwelt bestimmt.– Fundamentale Ungewissheit: Es gibt keine vollständige Liste
aller zukünftig möglichen Aktionen ai und Umweltzustände sj ; d.h. nicht alle Elemente des offenen Entscheidungsfeldes sind bekannt. Unerwartete Überraschungen können auftreten. ⇒Fundamentale Ungewissheit ist nicht berechenbar im Sinn einer rationalen Gewinnmaximierung.
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Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Grundmodell V
Unsicherheitskonzepte (Fortsetzung):– Ambiguität: Alle möglichen zukünftigen Ereignisse eij (und damit
das vollständige Entscheidungsfeld) sind grundsätzlich bekannt, wenn auch ohne Wissen von Eintrittswahrscheinlichkeiten dafür. Insofern ist die Zukunft hinsichtlich ihres Entwicklungspotentials determiniert. ⇒Ambiguität ist nur eingeschränkt berechenbar im Sinn einer rationalen Gewinnmaximierung.
– Risikosituationen: Zusätzlich zur vollständigen Kenntnis des Entscheidungsfeldes (mit allen ai, sj und eij) sind noch die Eintrittswahrscheinlichkeiten p(sj) (mit j = 1, 2, …, n sowie mit 0 p s 1und p ⋃ s 1) für alle sj bekannt. Diese p(sj) können entweder objektiver oder zumindest subjektiver Art sein. ⇒Risikosituationen sind berechenbar im Sinn einer rationalen Gewinnmaximierung.
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Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Grundmodell VI
Grundmodell (Fortsetzung): Entscheidungsfeld für Risiko.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 50
S:
A:
s1mit
p(s1)•••
sjmit
p(sj)•••
snmit
p(sn)
a1 e11 ••• e1j ••• e1n
••••••
••••••
ai ei1 ••• eij • •• ein
••••••
••••••
am em1 ••• emj ••• emn
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Grundmodell VII
Formalstruktur für Entscheidungsmodelle:Präferenzwert und Präferenzfunktion:Problemstellung:Entscheidungen sollen nur bezüglich einer Zielgröße, d.h. ohne Zielkonflikt, jedoch unter der Annahme risikobehafteter Erwartungen, getroffen werden:Jeder Handlungsalternative ai wird mittels einer Präferenzfunktion Φein Präferenzwert Φ(ai) zugeordnet (Φist hierbei die „Rechenregel“, während Φ(ai) das dadurch ermittelte „Rechenergebnis“ für ai bildet).Folgende Zuordnungen gelten:
Φ(ai) > Φ(ak) ⇔ ai ≻ ak ≻„wird vorgezogen“).
Φ(ai) = Φ(ak) ⇔ ai ∼ ak ∼ „ist gleichwertig“).Φ(ai) < Φ(ak) ⇔ ai≺ak ≺ „wird schlechter gesehen“).
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 51
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Grundmodell VIII
Entscheidungsregeln:Um eine gesuchte (optimale) Handlungsalternative ai zu finden, muss zunächst festgelegt werden, nach welchen Merkmalen diese optimale Handlungsalternative ermittelt wird. Dies erfolgt durch die Bestimmung einer Entscheidungsregel.Eine zentrale Entscheidungsregel in den Wirtschaftswissenschaften:Gesucht ist als (Optimal-)Alternative die Alternative, die den höchsten Präferenzwert Φ(ai) besitzt. Es gilt dabei:
: Φ .(Zielfunktion als formal-mathematische Darstellung dieser Regel).
Verbale Interpretation: Gesucht ist die Handlungsalternative ai mit dem höchsten, d.h. dem maximalen Präferenzwert Φ(ai) für das Subjekt (im Sinne individueller Nutzenmaximierung).
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 52
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Grundmodell IX
Entscheidungsregeln (Fortsetzung):Beispiel (aus dem Portfoliomanagement) für eine Regel, die auf dem Prinzip der Maximierung (einer gewählten Zielvariablen) beruht:Maximierung der Rendite (Rendite dabei als einzige relevante Größe).
Allgemein gibt es drei verschiedene Typen von Entscheidungsregeln:• Extremierungsregeln:
Möglichst großer oder kleiner Wert für die Zielvariable gewünscht:max: y oder min: y (z.B. Rendite eines Wertpapiers).
• Satisfizierungsregeln:Zielvariable soll nicht unter oder über einem gewissen Wert liegen:
y ≥ ymin oder y ≤ ymax (z.B. Bonität eines Wertpapiers; auchMindestrendite eines Wertpapiers).
• Fixierungsregeln:Zielvariable soll einen bestimmten Wert annehmen:
y = yfix (z.B. Wertpapier in bestimmter Währung ).Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 53
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Grundmodell X
Entscheidungsregeln (Fortsetzung):Bei mehreren Zielvariablen können diese gewichtet und zu einem einzigen Präferenzwert zusammengefasst (amalgamiert) werden.Ebenso ist es möglich, Extremierungs-, Satifizierungs- und Fixierungsregeln gleichzeitig anzuwenden (z.B. Optimierung einer Variablen unter Nebenbedingungen für andere Variablen).
Kennzahlen:Um die vorhandenen Handlungsalternativen ai eines (Entscheidungs-)modells durch Bildung der jeweiligen Präferenzwerte Φ(ai) ordnen zu können, wird stets ein geeignetes System von Kennzahlen benötigt, aus denen die Präferenzfunktion Φ ermittelt wird:
Kennzahlen sind ein Mittel zum Beschreiben und Vergleichen von verschiedenen Ergebnisverteilungen!
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 54
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Grundmodell XI
Kennzahlen (Fortsetzung):Präferenzwerte ai sind als Funktionen von Kennzahlen bestimmbar.
Einteilung von Kennzahlen nach ihrer Informationsbasis:
• Typ I: Der Wert der Kennzahl ist direkt anhand der möglichen Ergebnisse für die jeweilige Handlungsalternative ai bestimmbar (z.B. Maximal- max e oder Minimalergebnis min e von ai).
• Typ II: Zur Berechnung der Kennzahl werden zusätzlich die Ergebnisse anderer Handlungsalternativen berücksichtigt(z.B. maximales Bedauern beim Savage-Niehans-Kriterium: max max e e ).
• Typ III (für Risikosituationen): Zu Berechnung der Kennzahl sind die Eintrittswahrscheinlichkeiten der Umweltzustände heranzuziehen.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 55
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Grundmodell XII
Kennzahlen (Fortsetzung): Beispiel für Typ I (Ambiguität):
• Mini-Max-Prinzip (Pessimismus): max:Φ a min e :Alternative mit dem besten „schlechtestmöglichen“ Wert bevorzugt.
• Maxi-Max-Prinzip (Optimismus): max:Φ a max e :Alternative mit dem besten „bestmöglichen“ Wert bevorzugt.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 56
s1 s2 s3 s4 s5
a1 0 0 10 0 120 120 0
a2 20 30 20 20 20 30 20
a3 2 6 80 50 10 80 2
a4 40 10 10 15 15 40 10
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Grundmodell XIII
Kennzahlen (Fortsetzung): Beispiel für Typ II (Ambiguität):
Savage-Niehans-Kriterium: min:Φ a max max e e .
Bedauernsmatrix: Das maximale Bedauern wird minimiert, d.h. die Alternative gewählt, bei der der entgangene Gewinn im „schlechtestmöglichen“ Fall am geringsten ausfällt (Mini-Max-Regret-Prinzip).
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 57
s1 s2 s3 s4 s5 s1 s2 s3 s4 s5
mit k,i = 1, 2, …, m
a1 0 0 10 0 120 40 30 70 50 0 70
a2 20 30 20 20 20 20 0 60 30 100 100
a3 2 6 80 50 10 38 24 0 0 110 110
a4 40 10 10 15 15 0 20 70 35 105 105
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Grundmodell XIV
Kennzahlen (Fortsetzung):Mögliche Anwendung von Typ I und Typ II Kennzahlen bei einer Vermögensanlage, wenn Wahrscheinlichkeiten fehlen (Ambiguität):• Typ I: Mini-Max-Prinzip: Bei hohem Sicherheitsbedürfnis (geringe
Risikotragfähigkeit und geringe Risikopräferenz) werden bevorzugt Assets ausgewählt, bei denen die Rendite auch bei denkbar ungünstiger Entwicklung möglichst hoch ist. Relevant ist also stets die Minimalrendite einer Anlage ⇔Tendenz zu Cash und Bonds.
• Typ II: Savage-Niehans-Kriterium (Mini-Max-Regret-Prinzip):Grundsätzlich ebenfalls bei der Wertpapieranlage denkbar. Im Gegensatz zum eigentlichen Mini-Max-Prinzip steht hier jedoch die subjektive Einstellung zu entgangenen Gewinnen im Vordergrund. Dies führt zu anderen Anlageergebnissen, die nicht zwingend mit einem risikoarmen Wertpapierportfolio vereinbar sind ⇔Tendenz zu einem eher antizyklischen Anlagestil.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 58
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Grundmodell XV
Kennzahlen (Fortsetzung):Einteilung von Kennzahlen nach ihrem Informationsinhalt:• Zentralmaße (für Typ III Kennzahlen):
Kennzahlen, die sich auf einen mittleren, für die Ergebnisverteilung gleichsam „repräsentativen“ Wert beziehen: z. B. mathematischer Erwartungswert , Modus oder Median.
• Extremmaße (für Typ I bis III Kennzahlen):Kennzahlen, die sich auf gewisse extreme (besonders gute oder schlechte) Ergebniswerte beziehen: z. B. bestmögliches bzw. schlechtestmögliches Ergebnis, maximales Bedauern oder Fraktile.
• Streuungsmaße (für Typ I bis III Kennzahlen):Kennzahlen, die sich auf die Schwankungsbreite der möglichen Ergebniswerte beziehen: z. B. Variationsbreite, Varianz, Standardabweichung.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 59
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Grundmodell XVI
Kennzahlen (Fortsetzung) Zentralmaße:• Mathematischer Erwartungswert μ („Durchschnittswert“):
Arithmetischer Mittelwert einer Ergebnisverteilung mit den Eintrittswahrscheinlichkeiten als Gewichtungsfaktoren:
e ∙ p e ∙ p ⋯ e ∙ p ∙ mitp s 1.
Beispiel Zentralmaße:
Es gilt: 0 ∙ 0,25 30 ∙ 0,2 40 ∙ 0,15 60 ∙ 0,3 150 ∙ 0,1 .
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 60
sj mitp(sj)
s1 mitp(s1)=0,25
s2 mitp(s2)=0,20
s3 mitp(s3)=0,15
s4 mitp(s4)=0,3
s5 mitp(s5)=0,10
a1 0 30 40 60 150
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Grundmodell XVII
Kennzahlen (Fortsetzung) Zentralmaße:• Median: Höchster Ergebniswert, für den die Wahrscheinlichkeit,
mindestens erreicht zu werden, nicht unter 0,5 beträgt.Beispiel Zentralmaße: Der Median liegt hier bei 40.
• Modus: Wahrscheinlichster Wert.Beispiel Zentralmaße: Der Modus liegt hier bei 60.
• Spezialfall:Es existieren keine bzw. gleiche Wahrscheinlichkeiten für alle sj:
– Erwartungswert μ: ∙ ∑ . Beispiel Zentralmaße: μ 56.
– Median: Höchster Ergebniswert, der in mindestens der Hälfte aller sj nicht unterschritten wird. Beispiel Zentralmaße: Median 40.
– Modus: Häufigster Wert.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 61
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Grundmodell XVIII
Kennzahlen (Fortsetzung) Extremmaße:• Bestmöglicher Ergebniswert emax:
.
Beispiel Zentralmaße: e 150.
• Schlechtestmöglicher Ergebniswert emin: .
Beispiel Zentralmaße: e 0.
• Fraktilswert fP:Höchster Ergebniswert, für den die Wahrscheinlichkeit mindestens erreicht zu werden, nicht unter einer kritischen Schwelle p liegt.Der Median ist der Fraktilswert f0,5 für die Schwelle p = 0,5.Beispiel Zentralmaße: f0,8 = 0 und f0,2 = 60.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 62
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Grundmodell XIX
Kennzahlen (Fortsetzung) Streuungsmaße:• Variationsbreite:
Differenz zwischen maximalem emax und minimalem Ergebnis emin : .
Beispiel Zentralmaße: Die Variationsbreite beträgt 150.• Mittlere absolute Abweichung vom Erwartungswert μi:
∙ .
Absolute Abweichungen aller Einzelwerte vom Erwartungswert werden mit den Eintrittswahrscheinlichkeiten gewichtet und addiert.Beispiel Zentralmaße:Mittlere absolute Abweichung 0 45 ∙ 0,25 30 45 ∙ 0,240 45 ∙ 0,15 60 45 ∙ 0,3 150 45 ∙ 0,1 30.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 63
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Grundmodell XX
Kennzahlen (Fortsetzung) Streuungsmaße:• Varianz : Quadratische Abweichung vom Erwartungswert μi:
∙ .
Beispiel Zentralmaße:σ 0 45 ∙ 0,25 30 45 ∙ 0,2 40 45 ∙ 0,15 60 45 ∙0,3 150 45 ∙ 0,1 1725.
• Spezialfall: bei gleichen Wahrscheinlichkeiten für alle sj:
∙ .
Beispiel Zentralmaße (mit der Annahme von Gleichwahrscheinlichkeiten):σ 0 56 30 56 40 56 60 56 150 562584.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 64
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Grundmodell XXI
Kennzahlen (Fortsetzung) Streuungsmaße:• Standardabweichung bzw. Schwankungsbreite oder Streuung:
Wurzel der quadratischen Abweichung vom Erwartungswert μi:
∙ .
Beispiel Zentralmaße: σ σ 1725 41,5.• Spezialfall: bei gleichen Wahrscheinlichkeiten für alle sj:
∙ .
Beispiel Zentralmaße: σ σ 2584 50,8.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 65
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Grundmodell XXII
Kennzahlen (Fortsetzung) für stetige Zufallsgrößen:Gegeben ist X als stetig verteilte Zufallsgröße, wobei ihre Wahrscheinlichkeitsdichte f durch die zugehörige Dichtefunktion f(x) beschrieben werden kann:• Erwartungswert E[X] bzw. μX:
∙ .
• Varianz Var[X] bzw. :
∙ ∙ .
• Standardabweichung bzw. :Wurzel der Varianz.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 66
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Unter Risiko: Grundbegriffe I
Sicherheitsäquivalent:Das Sicherheitsäquivalent für eine Wahrscheinlichkeitsverteilung Ei, welche die finanziellen Konsequenzen der Alternative ai (unter Risiko) beschreibt, entspricht dem sicheren Einkommensbetrag S(ai), den der Entscheidungsträger subjektiv als äquivalent zur risikobehafteten Alternative ai und ihrer Wahrscheinlichkeitsverteilung Ei ansieht.Formal gilt deshalb für eine gegebene PräferenzfunktionΦ:
Φ Φ .Beide Präferenzwert (von und von ) müssen gleich sein.Außerdem: .
als die Differenz zwischen dem Erwartungswert der Wahrscheinlichkeitsverteilung von ai und dem zugehörigen Sicherheitsäquivalent heißt Risikoprämie.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 67
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Unter Risiko: Grundbegriffe II
Sicherheitsäquivalent (Fortsetzung):Zwei Deutungen des Sicherheitsäquivalents als subjektive Wertgröße:• Positive Sicht der risikobehafteten Alternative als Mindestbetrag:
Minimaler Preis, für den der Entscheidungsträger bereit ist, auf die Durchführung dieser Alternative zu verzichten bzw. bereit ist, diese Alternative und ihren risikobehafteten Zahlungsstrom zu verkaufen.
• Negative Sicht der risikobehafteten Alternative als Höchstbetrag: Maximale Versicherungsprämie, die der Entscheidungsträger bereit ist zu zahlen, um sich von den möglichen negativen Konsequenzen einer Alternative freizukaufen.
Maximaleinsatz M(ai) als Gegenstück zum Sicherheitsäquivalent:Maximaler Betrag, den der Entscheidungsträger bereit ist, zu zahlen, um eine bestimmte Alternative ai mit ihrem risikobehafteten Zahlungsstrom Ei durchführen zu können.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 68
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Unter Risiko: Grundbegriffe III
Sicherheitsäquivalent (Fortsetzung):• Beispiel a1 (Beispiel Zentralmaße) für S(a1) als Minimalpreis
(positive Sicht):
Angenommen S a 35 ⇒ π a 45 35 10.• Beispiel a2 für S(a2) als maximale Versicherungsprämie (negative
Sicht bzw. subjektiv als unangenehm bewertete Alternative):
μ2 30.Angenommen S a 35. ⇒ π a 30 35 5.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 69
sj mitp(sj)
s1 mitp(s1)=0,25
s2 mitp(s2)=0,20
s3 mitp(s3)=0,15
s4 mitp(s4)=0,3
s5 mitp(s5)=0,10
a1 0 30 40 60 150
sj mitp(sj)
s1 mitp(s1)=0,50
s2 mitp(s2)=0,25
s3 mitp(s3)=0,10
s4 mitp(s4)=0,10
s5 mitp(s5)=0,05
a2 0 10 20 30 450
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Unter Risiko: Grundbegriffe IV
Sicherheitsäquivalent (Fortsetzung):Unterscheidung Sicherheitsäquivalent und Maximaleinsatz:• Sicherheitsäquivalent: Subjektives Entscheidungsproblem, wenn
man eine Alternative ai mit ihrem risikobehafteten Zahlungsstrom Eibereits besitzt und den festen Betrag dazu sucht, für den man auf diesen Besitz verzichten würde.
• Maximaleinsatz: Subjektives Entscheidungsproblem, wenn man eine Alternative ai mit ihrem risikobehafteten Zahlungsstrom Ei nichtbesitzt und den festen Betrag dazu sucht, für den man diesen Besitz erwerben würde.
• Formal gilt deshalb hinsichtlich der PräferenzfunktionenΦ:Sicherheitsäquivalent: Φ Φ .Maximaleinsatz: Φ Φ .
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 70
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Unter Risiko: Grundbegriffe V
Sicherheitsäquivalent (Fortsetzung):Unterscheidung Sicherheitsäquivalent und Maximaleinsatz:
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 71
0
EiAusgangsposition
Sicherheitsäquivalent[Besitz Ei]
AusgangspositionMaximaleinsatz
[Besitz 0]
EndpositionMaximaleinsatz
[Besitz Ei - M(ai)]
EndpositionSicherheitsäquivalent
[Besitz 0 + S(ai)]
S(ai)
M(ai)
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Unter Risiko: μ-Prinzip I
μ-Prinzip bzw. Erwartungswertprinzip:Eindimensionale Entscheidungsregel unter Risiko, welche
verschiedene risikobehaftete Alternativen und damit verschiedene Wahrscheinlichkeitsverteilungen allein anhand ihrer jeweiligen
Erwartungswerte beurteilt. Es findet also eine Informationsverdichtung (bei gleichzeitigem Informationsverlust) auf eine einzige Größe, d.h.
den zugehörigen Erwartungswert μ statt ⇒μ-Prinzip.• Formal gilt für die Präferenzfunktion Φ beim μ-Prinzip:
Φ ∙ .
• Optimierungskriterium ist dann i.d.R. die Maximierung (manchmal auch die Minimierung):
: Φ .
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 72
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Unter Risiko: μ-Prinzip II
μ-Prinzip (Fortsetzung):Sicherheitsäquivalent und Maximaleinsatz (μ-Prinzip):
• Sicherheitsäquivalent:Hier gilt wegen Φ 0 S a Φ Emit Φ E ∑ e ∙ p μsowie Φ 0 S a Φ S a S adann: ∑ e ∙ p .
• Maximaleinsatz:Hier gilt wegen Φ 0 Φ E M amit Φ E M a ∑ e M a ∙ p μ M asowie Φ 0 0dann: ∑ e ∙ p .
Im Rahmen des μ-Prinzips fallen S(ai) und M(ai) also zusammen.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 73
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Unter Risiko: μ-Prinzip III
μ-Prinzip (Fortsetzung) - Wiederholungsfall:Wenn das μ-Prinzip auf Entscheidungssituationen angewandt wird, die sich (oftmals) wiederholen, gewinnen• das Gesetz der großen Zahlen (je mehr unabhängige
Beobachtungen stattfinden, desto stärker erfolgt eine Annäherung der Ergebnisse an die tatsächlichen - objektiven Wahrscheinlichkeiten für das beobachtete Ereignis) sowie
• der zentrale Grenzwertsatz (Summen von unabhängigen Zufallsgrößen eines Ereignisses sind approximativ normalverteilt)
an Bedeutung. Es gilt also:Mit einer zunehmenden Zahl an Wiederholungen steigt zugleich die Wahrscheinlichkeit, dass das tatsächlich eintretende Gesamtergebnis in der Nähe seines Erwartungswertes liegt. ⇒Das μ-Prinzip bildet hier grundsätzlich ein sinnvolles Entscheidungskriterium.Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 74
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Unter Risiko: μ-Prinzip IV
μ-Prinzip (Fortsetzung) – Portfoliomanagement:Bei der Übertragung des μ-Prinzips auf das Portfoliomanagement käme es zu einer Situation, in der die Entscheidungen zur Assetallokation in einem Portfolio hauptsächlich (oder ausschließlich) eindimensional anhand der Renditen der (risikobehafteten) Wertpapiere getroffen würden, während die Renditeschwankungen unbeachtet blieben!Für die Rendite Ri eines Wertpapiers i pro Periode gilt bekanntlich:
Periodenergebnis AnfangskapitalAnfangskapital
PeriodenergebnisAnfangskapital 1
mit dem Periodenergebnis als Summe aus dem Periodenendkapital und eventuellen Zwischen-Cash-Flows (z.B. Dividenden, Zinsen).Daraus folgt:
Periodenergebnis Anfangskapital ∙ 1 R .
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 75
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Unter Risiko: μ-Prinzip V
μ-Prinzip (Fortsetzung) – Portfoliomanagement:Die Rendite RP des Gesamtportfolios P berechnet sich dann als das mit dem jeweiligen relativen Wertpapieranteil xi im Portfolio gewichtete arithmetische Mittel aus den Einzelrenditen Ri der Wertpapiere.Es gilt deshalb:Dabei ist die (relative) Größe xi als Quotient aus dem absoluten Anteil Xieines Assets (in GE) und dem Gesamtportfolio XP (ebenfalls in GE) jeweils zum Periodenanfang definiert. Dies bedeutet:
x 1undxXX .
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 76
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Unter Risiko: μ-Prinzip VI
μ-Prinzip (Fortsetzung) – Portfoliomanagement:Beispiel für die Berechnung der Gesamtrendite eines Portfolios:Gegeben sind zu Jahresanfang: Gesamtportfolio = 420; Aktienanteil = 150; Bondanteil = 200; Termingeldanteil = 70. Während des Jahres kam es zu folgenden Renditen: Aktien = 14% (= 21; davon 16 Kursgewinn und 5 Dividende); Bonds = 6% (= 12; davon 2 Kursgewinn und 10 Zinsen); Termingeld = 4% (=2,8). Gesucht ist RP als Gesamtrendite.Es gilt:
R R ∙ x .
0,14 ∙150420 0,06 ∙
200420 0,04 ∙
70420 , 8,52% .
(Alternativ: R 21 12 2,8 420 ,⁄ bei, wie in diesem Beispiel, vorab bekannten Einzelgeldbeträgen.)Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 77
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Unter Risiko: μ-Prinzip VII
μ-Prinzip (Fortsetzung) – Portfoliomanagement:Die (künftige) Rendite eines Wertpapieres lässt sich als zufällige Ziehung einer konkreten Rendite aus einer (stetig verteilten) Grundmenge möglicher Renditerealisationen mit zugehörigen spezifischen Eintrittswahrscheinlichkeiten sehen. Nimmt man zusätzlich an, dass eine solche Ziehung ein unabhängiges Ereignis darstellt, sollte die tatsächlich künftig realisierte Rendite eines Assets normalverteilt um ihren (realen) Erwartungswert herum angeordnet sein.Einer Interpretation der Gesamtrendite eines Portfolios als Anwendung desμ-Prinzips im Wiederholungsfall, etwa indem möglichst viele Assets in dieses Portfolio aufgenommen werden, steht jedoch folgendes Problem entgegen: Eine große Zahl von Assets mit unterschiedlichen Einzelrenditen im Portfolio würde nur dann gemäß dem Gesetz der großen Zahlen zu einem quasi automatischen Ausgleich der Gesamtrenditeschwankungen im Portfolio führen, wenn die Renditen der Wertpapiere unabhängig voneinander sind. Dies ist jedoch nicht notwendigerweise der Fall! Um hier Aussagen treffen zu können, benötigt man Wissen um die Beziehungen zwischen den Einzelrenditen!
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 78
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Unter Risiko: μ-Prinzip VIII
μ-Prinzip (Fortsetzung) - Einzelentscheidung:Die Anwendung des μ-Prinzips auf Entscheidungssituationen, die nicht oftmals wiederholt werden können, ist problembehaftet.Beispiel Petersburger Paradoxon: Eine Münze (mit „Kopf“ und „Zahl“ als mögliche Ergebnisse) wird solange geworfen, bis „Kopf“ erscheint. Erfolgt dies beim ersten Wurf, beträgt der Gewinn 2 €, beim zweiten Wurf dann 4 €, beim dritten Wurf 8 € etc.Es gelten:Der Gewinn ist (stets) 2K für das Ergebnis „Kopf“ im K-ten Wurf.Die Zahl der möglichen Wurfrunden (und Ergebnisse) ist unendlich.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 79
p(Kopf) 2 2 2 … 2 ...
Gewinn 2 2 4 2 8 2 … 2 …
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Unter Risiko: μ-Prinzip IX
μ-Prinzip (Fortsetzung) - Einzelentscheidung:Petersburger Paradoxon:Erwartungswert:
e ∙ k?
2 ∙12 4 ∙
14 8 ∙
18 … 2 ∙ 2 1 ∞.
Daraus folgtwegen S a M a μ beim μ−Prinzip:
PetersburgerParadoxon PetersburgerParadoxon ∞.Bei Nutzung des μ-Prinzips müssten daher folgende Aussagen gelten: • Bei einem Maximaleinsatz von ∞ (Ausgangslage Spieler) sollte jeder
bereit sein, für seine Teilnahme als Spieler unendlich viel zu zahlen!• Bei einem Sicherheitsäquivalent von ∞ (Ausgangslage Bank) sollte
keiner bereit sein, auch für hohe Geldbeträge die Bank zu halten! Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 80
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Unter Risiko: μ-Prinzip X
μ-Prinzip (Fortsetzung) – Zusammenfassung:Das eindimensionale μ-Prinzip als Entscheidungsregel für (Einzel-) Situationen, die nicht häufig genug wiederholbar sind, kann zu Schwierigkeiten führen. Dies zeigen sowohl das Petersburger Paradoxon als auch die Realität, etwa durch:• Teilnahmen an Glückspielen: Die (Maximal-)einsätze sind hier höher als die
Erwartungswerte der Gewinne.• Abschluss/Existenz von Versicherungen: Die Sicherheitsäquivalente sind
höher als die zu erwartenden Zahlungsströme (Gebühren etc.).Für oftmals wiederholbare Entscheidungssituationen dagegen kann die Verwendung des Erwartungswertes (Blickwinkel von Spielbanken, Versicherungsunternehmen) dagegen durchaus eine sinnvolle Regelung sein.Allerdings haben die Überlegungen zur Nutzung der erwarteten Rendite als einzig verwendete Regel im Portfoliomanagement gezeigt, dass zusätzliche, ergänzende Kriterien, welche die Renditeschwankungen einzelner Wertpapiere in die Betrachtung mit einbeziehen, auch hier wünschenswert sind.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 81
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Unter Risiko: μ-σ-Prinzip I
μ-σ-Prinzip als zentralemehrdimensionale Entscheidungsregel:
Grundidee:Mehrdimensionale Entscheidungsregel unter Risiko, welche
verschiedene risikobehaftete Alternativen und damit verschiedene Wahrscheinlichkeitsverteilungen sowohl anhand ihrer jeweiligen
Erwartungswerte als auch ihrer jeweiligen Standardabweichungen als Schwankungsmaß beurteilt. Es findet also eine Informationsverdichtung
(bei gleichzeitigem Informationsverlust) auf zwei Größen, d.h. den zugehörigen Erwartungswert μ (Zentralmaß) und die zugehörige
Standardabweichung σ (Streuungsmaß) statt ⇒μ-σ-Prinzip.Formal gilt für die Präferenzfunktion Φ beim μ-σ-Prinzip:
Φ Φ ; .
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 82
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Unter Risiko: μ-σ-Prinzip II
μ-σ-Prinzip (Fortsetzung) – Grundidee:Optimierungskriterium ist dann i.d.R. die Maximierung: : Φ .Hinsichtlich der Abhängigkeit der Präferenzfunktion Φ von μ erscheint folgende Annahme plausibel:
Φ ;.
Hinsichtlich der Abhängigkeit der Präferenzfunktion Φ von σ hingegen sind mehrere sinnvolle Annahmen denkbar:
Φ ;entspricht .
Φ ;entspricht .
Φ ;entspricht ä μ−Prinzip .
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 83
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Unter Risiko: μ-σ-Prinzip III
μ-σ-Prinzip (Fortsetzung) – Grundidee:In einer Isoquantendarstellung entspricht Risikoscheu steigenden Indifferenzlinien, während im Gegensatz dazu Risikofreude durch fallende Indifferenzlinien gekennzeichnet ist:
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 84
σ
Φ3
Φ1Φ2
Es gilt Φ1 > Φ2 > Φ3.
σ
μμ
Φ1Φ2
Φ3
AB CD
0 0
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Unter Risiko: μ-σ-Prinzip IV
μ-σ-Prinzip (Fortsetzung) – Grundidee:In einer Isoquantendarstellung entspricht Risikoneutralität μ−Prinzipsenkrecht verlaufenden Indifferenzlinien:
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 85
σ
Es gilt Φ1 > Φ2 > Φ3.
μ
Φ3
0
Φ2 Φ1
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Unter Risiko: μ-σ-Prinzip V
μ-σ-Prinzip (Fortsetzung) – Sicherheitsäquivalent:Da das Sicherheitsäquivalent S a zu einer (unsicheren) Alternative aidefinitionsgemäß den gleichen Präferenzwert wie diese Handlung besitzt (formal: Φ 0 S a Φ E bzw. Φ S a Φ E ), muss S a deswegen auf der gleichen Φ-Isoquante (Indifferenzlinie) liegen. Konkret ist dies wegen σS a 0 stets der Schnittpunkt der Isoquante mit der x-Achse!
Im Gegensatz zum „einfachen“ μ-Prinzip lassen sich mit dem μ-σ-Prinzip sowohl die Versicherungsbereitschaft für negative Ereignisse als auch die Teilnahme an Glückspielen (positive Ereignisse) begründen:Beispiel:• Versicherungsereignis a1 mit folgenden (erwarteten) Cash Flows:
μ a 200undσ a 660 bei Risikoscheu: Φ ; .
• Glückspiel a2 mit folgenden (erwarteten) Cash Flows:μ a 5undσ a 53 bei Risikofreude: Φ ; .
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 86
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Unter Risiko: μ-σ-Prinzip VI
μ-σ-Prinzip (Fortsetzung) – Sicherheitsäquivalent:Beispiel - Isoquantendarstellung:• Versicherung a1 (mit μ a 200; σ a 660) ⇒ .• Glückspiel a2 (mit μ a 5; σ a 53) ⇒ .
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 87
σ σ
μμ
Φ a
0 0-200-400
300
600 Φ a
-10
40
20
20 40
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Unter Risiko: μ-σ-Prinzip VII
μ-σ-Prinzip (Fortsetzung) – Formen:Mögliche Präferenzfunktionen Φ μ; σ für das μ-σ-Prinzip:1 Φ ; ∙ . (Isoquanten hier als Geraden).2 Φ ; ∙ .
Mit a als Parameter für die individuelle Risikopräferenz. Dazu gilt:• Für a > 0 Risikoscheu: ; a für1. bzw. 2 ∙ a ∙ σ für2. .
• Für a < 0 Risikofreude: ; a für1. bzw. 2 ∙ a ∙ σ für2. .
In der Praxis findet sich häufig eine Vorgehensweise nach 1. oder 2., indem für risikobehaftete Kapitalanlagen ein (subjektiver) Risikozuschlag auf die erwartete Rendite μder Investition erfolgt, z.B. Equity Premium von Aktien im Vergleich zu Bonds. Je risikobehafteter die Anlage, desto höher ist dabei der Risikozuschlag (besonders hoch z.B. im Bereich des Venture Capital ~ 30%).
3 Φ ; ∙ mit a < 0 Risikoscheu; a > 0 -freude.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 88
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Unter Risiko: μ-σ-Prinzip VIII
μ-σ-Prinzip (Fortsetzung) – Formen:Logische Probleme der beiden (praktisch plausiblen) Präferenzfunktionen:Φ ; ∙ und Φ ; ∙ :Beispiel:
Allgemein gilt: ∑ ∙ und ∑ ∙ .0 ∙ 0,25 30 ∙ 0,2 40 ∙ 0,15 60 ∙ 0,3 150 ∙ 0,1 .0 45 ∙ 0,25 30 45 ∙ 0,2 40 45 ∙ 0,15 60 45 ∙ 0,3
150 45 ∙ 0,1 ⇒ 1725 , .0 ∙ 0,25 30 ∙ 0,2 40 ∙ 0,15 60 ∙ 0,3 100 ∙ 0,1 .0 40 ∙ 0,25 30 40 ∙ 0,2 40 40 ∙ 0,15 60 40 ∙ 0,3
100 40 ∙ 0,1 ⇒ 900 .Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 89
sj mitp(sj)
s1 mitp(s1)=0,25
s2 mitp(s2)=0,20
s3 mitp(s3)=0,15
s4 mitp(s4)=0,3
s5 mitp(s5)=0,10
a1 0 30 40 60 150a3 0 30 40 60 100
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Unter Risiko: μ-σ-Prinzip IX
μ-σ-Prinzip (Fortsetzung) – Formen:Beispiel: Verstoß gegen Dominanzüberlegungen:(1) Präferenzfunktion Φ ; ∙ :
Für a1 gilt: Φ a1 45 a ∙ 41,5.Für a3 gilt: Φ a3 40 a ∙ 30.Φ a1 = Φ a3 für 45 a ∙ 41,5 40 a ∙ 30 ⇒ ⁄ .Φ a1 > Φ a3 für 45 a ∙ 41,5 40 a ∙ 30 ⇒ ⁄ .Φ a1 < Φ a3 für 45 a ∙ 41,5 40 a ∙ 30 ⇒ ⁄ .
(2) Präferenzfunktion Φ ; ∙ :Für a1 gilt: Φ a1 45 a ∙ 1725.Für a3 gilt: Φ a3 40 a ∙ 900.Φ a1 = Φ a3 für 45 a ∙ 1725 40 a ∙ 900 ⇒ ⁄ .Φ a1 > Φ a3 für ⇒ ⁄ und Φ a1 < Φ a3 für ⁄ .
Nur für a 10 23⁄ bzw a 1 165⁄ wäre gemäß (1) und (2) Alternative a1 besser als a3. Betrachtet man beide Zahlungsreihen, dominiert a1 bei allen möglichen Entwicklungen a3 (Zustandsdominanz). Damit ist a1 prinzipiell a3 vorzuziehen!Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 90
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Unter Risiko: μ-σ-Prinzip X
μ-σ-Prinzip (Fortsetzung) – Formen: Sicherheitsäquivalent:Beispiel: Sicherheitsäquivalent für Zahlungsreihe a1 und a = 0,005:Allgemein: Φ bzw. Φ Φ bzw. Φ .
Für gilt definitionsgemäß: und .(1)Präferenzfunktion Φ ; ∙ :Für a1 gilt: Φ a1 Φ μ ; σ 45 0,005 ∙ 41,5 45 0,2075 44,7925.Für gilt: Φ S a Φ μ ; σ S a a ∙ σ S a ∙ 0
≝ , .(2)Präferenzfunktion Φ ; ∙ :Für a1 gilt: Φ a1 Φ μ ; σ 45 0,005 ∙ 1725 45 8,625
36,375.Für gilt: Φ S a Φ μ ; σ S a a ∙ σ
S a ∙ 0 ≝ , .Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 91
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Unter Risiko: μ-σ-Prinzip XI
μ-σ-Prinzip (Fortsetzung) – Formen: Sicherheitsäquivalent: Beispiel: Sicherheitsäquivalent für Zahlungsreihe a1 und a = 0,005:Allgemein: Φ bzw. Φ Φ bzw. Φ .
Für gilt definitionsgemäß: und .
(3)Präferenzfunktion Φ ; ∙ :Für a1 gilt: Φ a1 Φ μ ; σ 45 0,005 ∙ 2025 1725
45 1,5 43,5.Für gilt: Φ S a Φ μ ; σ
S a 0,005 ∙ S a σS 0,005 ∙ S ≝ 43,5 .
⇒ S 200 ∙ S 8700 0 ⇒ S , .
⇒ S(1) = 63,94 als die plausible Größe (nicht S(2) = 136,06).
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 92
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Unter Risiko: μ-σ-Prinzip XII
μ-σ-Prinzip (Fortsetzung) – Formen: Maximaleinsatz:Beispiel: Maximaleinsatz für Zahlungsreihe a1 und a = 0,005:Allgemein: Φ Φ bzw.Φ .
ist deshalb der Betrag, für den nachstehende risikoreiche Zahlungsreihe die gleiche Präferenz wie das sichere Nulleinkommen 0 besitzt.
Für μ* und σ* dieser Reihe gilt: ∗ und ∗ .Außerdem: und sowie Φ 0 Φ ; .(1)Präferenzfunktion Φ ; ∙ : Für gilt:Φ a M a Φ μ M a ; σ 45 M a 0,005 ∙ 41,5 ≝ 0.
⇒ 45 0,2075 , .
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 93
sj mitp(sj)
s1 mitp(s1)=0,25
s2 mitp(s2)=0,20
s3 mitp(s3)=0,15
s4 mitp(s4)=0,3
s5 mitp(s5)=0,10
0 M a 30 M a 40 M a 60 M a 150 M a
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Unter Risiko: μ-σ-Prinzip XIII
μ-σ-Prinzip (Fortsetzung) – Formen: Maximaleinsatz:Beispiel: Maximaleinsatz für Zahlungsreihe a1 und a = 0,005:(2)Präferenzfunktion Φ ; ∙ : Für gilt:Φ a M a Φ μ M a ; σ 45 M a 0,005 ∙ 1725 ≝ 0.⇒ 45 8,625 , .(3)Präferenzfunktion Φ ; ∙ : Für gilt:Φ a M a Φ μ M a ; σ
45 M a 0,005 ∙ 45 M a 172545 M a 0,005 ∙ M a 90 ∙ M a 300
43,5 0,55 ∙ M a 0,005 ∙ M a ≝ 0.⇒ M a 110 ∙ M a 8700 0.
⇒ M a , .⇒ (1) = 53,28 als die plausible Größe (nicht M a (2) = -163,28).
Für (1) und (2): . Für (3) dagegen: .
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 94
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Unter Risiko: μ-σ-Prinzip XIV
μ-σ-Prinzip (Fortsetzung) – Zwischenfazit:Das μ-σ-Prinzip repräsentiert eine zweidimensionale Entscheidungsregel, welche neben dem Erwartungswert einer risikobehafteten Zahlungsreihe auch deren Streuung in Form der Standardabweichung σ bzw. der Varianz σ2 sowie die subjektiven Vorlieben des jeweiligen Akteurs im Sinne risikoscheuen oder risikofreudigen Verhaltens berücksichtigt.Wohl zeigt eine genauere Betrachtung, dass manche Präferenzfunktionen als konkrete Realisationen dieses Prinzips unter gewissen Annahmen zu entscheidungslogischen Problemen führen können. Dennoch erscheint seine Nutzung insbesondere für Einzelentscheidungen intuitiv vernünftiger und auf jeden Fall von deutlich höherer Aussagekraft als z.B. eine eindimensionale Entscheidungsregel wie etwa die reine Erwartungswertmaximierung.Da gerade im Portfoliomanagement Rendite und Sicherheit einer Wertpapieranlage unter der Zusatzannahme risikoscheuer Anleger zentrale Kriterien bilden, liegt es daher nahe, speziell im Portfoliomanagement (bzw. ihrer Theorie) ein wichtiges Anwendungsfeld für das μ-σ-Prinzip zu sehen.Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 95
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Unter Risiko: Ergänzungen I
Zweidimensionale Entscheidungsregeln mitExtremmaßen:
Als Alternativen zum μ-σ-Prinzip bieten sich andere zweidimensionale Entscheidungsregeln an, die ebenfalls auf dem Grundsatz beruhen, ein Zentralmaß mit einem Unsicherheitsmaß zu kombinieren. Während als Zentralmaß i.d.R. weiterhin der Erwartungswert μ Verwendung findet, werden anstelle eines Streuungsmaßes Extremmaße verwendet. Ein Beispiel dafür soll nachstehend vorgestellt werden:• μ-emin-Prinzip: Neben μ integriert dieses Prinzip also noch das schlechtestmöglicheErgebnis emin in den Prozess der Entscheidungsbildung. Es lässt sich in zwei unterschiedlichen Ausprägungsformen darstellen, einerseits als ausschließliche Extremierungsregel, andererseits als gemischte Regel mit sowohl Extremierung als auch Satisfizierung als Nebenbedingung.Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 96
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Unter Risiko: Ergänzungen II
Entscheidungsregeln mit Extremmaßen (Fortsetzung):1. μ-emin-Prinzip als Extremierungsregel (Hodges-Lehmann-Regel):
: Φ :Φ ; λ ∙ λ ∙ .Beide Kennzahlen μ und emin finden sich in der zu maximierenden Präferenzfunktion wieder. Zusätzlich beschreibt λ einen subjektiven Gewichtungsparameter, der die Relevanz jeder Kennzahl für den Präferenzwert wiedergibt. Für die beiden Extremfälle λ 1 bzw. λ 0 Prinzip entspricht das Hodges-Lehmann-Prinzip damit dem μ-Prinzip bzw. dem Mini-Max-Prinzip.2. μ-emin-Prinzip als gemischte Regel:
: Φ :Φ und .steht dabei für das minimal unbedingt zu erreichende Ergebnis.
Kritik und mögliche Anwendung: Eine Kritik wird, vergleichbar dem Mini-Max-Prinzip, vor allem die einseitige Ausrichtung am negativen Extremwert betonen. Bei Zahlungsströmen mit einer geringen Variation der Ergebnisse und z.B. einer geringen Risikotragfähigkeit kann die Beachtung dieser Entscheidungsregel jedoch auch im Portofoliomanagement manchmal sinnvoll sein.Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 97
Kapitel 04 – Portfoliotheorie:Portfolio Selection Theory I
Klassische Portfoliotheorie als Anwendungsfalldes μ-σ-Prinzips – Einführung:
Die hauptsächlich in den 1950-er Jahren durch die Arbeiten von Markowitz geprägte KPT versucht vor allem zwei Problembereiche auf dem Gebiet der Wertpapieranlage bzw. des Portfoliomanagements zu lösen:1. Die KPT möchte eine theoretische Begründung für das empirische
Phänomen geben, dass (risikoscheue) Anleger normalerweise verschiedene Wertpapiere in ihr Portfolio aufnehmen und durch diese Diversifikation eine Risikostreuung erreichen möchten.
2. Die KPT möchte zugleich eine Handlungsempfehlung abgeben, wie ein rational handelnder Anleger einer derartige Diversifikation gestalten, d.h. die (für ihn) optimale Zusammensetzung des Portfolios wählen soll.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 98
Kapitel 04 – Portfoliotheorie:Portfolio Selection Theory II
KPT – Einführung (Fortsetzung):Vgl. zu den Kennzeichen der KPT auch die Ausführungen in Kapitel 02 – Portfoliomanagement (unter Portfoliotheorie – Vorbemerkung).
Weitere wichtige Merkmale der KPT:1. Der Planungszeitraum ist auf eine Zweizeitzonenbetrachtung
beschränkt. Dies bedeutet, dass nur einmalig die anfängliche Zusammensetzung des Portfolios im ersten Zeitpunkt t = 0 festgelegt wird. Nach dieser Entscheidung wartet der Investor ab, wie sich die Wertpapierrenditen im zweiten Zeitpunkt t = 1 tatsächlich realisieren.
2. Die Renditen der einzelnen Wertpapiere sind sowohl diskret als auch risikobehaftet, wobei ihre Wahrscheinlichkeitsparameter, d.h. die zugehörigen Erwartungswerte und Standardabweichungen der Einzelrenditen bereits anfänglich in t = 0 bekannt sind.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 99
Kapitel 04 – Portfoliotheorie:Portfolio Selection Theory III
KPT – Einführung (Fortsetzung):3. Die Entscheidung in t = 0 betrifft das Gewicht, d.h. den relativen
Anteil, mit der die einzelnen Wertpapiere in das Portfolio eingehen. Deshalb sind zum Anfangszeitpunkt nicht nur die Renditen der Einzelanlagen Zufallsparameter, sondern auch die Gesamtrendite bildet eine derartige Zufallsgröße.
4. Der Nutzen des Investors wird allein durch die Renditehöhe des Gesamtportfolios in t = 1 bestimmt. Spezielle Präferenzen hinsichtlich einzelner Wertpapiere und damit hinsichtlich der Zusammensetzung des Portfolios bestehen dagegen nicht. Auch die Entwicklung in der Zwischenperiode 0 < t < 1 ist bedeutungslos.
Insgesamt entspricht dieses Portfoliomodell deshalb strukturell einem typischen zweidimensionalen Modell aus der Entscheidungstheorie unter Risiko. Entscheidungstheoretische Überlegungen, die vor allem das μ-σ-Prinzip betreffen, können hier folglich angewendet werden. Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 100
Kapitel 04 – Portfoliotheorie:Portfolio Selection Theory IVPortfoliorisiko und Wertpapierrisiko :
Beispiel:Ein Anleger möchte zu Beginn des Jahres t = 0 insgesamt 10000 € in Wertpapieren anlegen. Als Kunde eines Börseninformationsdienstes bevorzugt er (Stock-)Picking als Anlagestil. Infrage kommen dabei die 2 Aktien a1 und a2. Deren Renditen sind diskrete standardnormalverteilte Zufallsgrößen, wobei die tatsächlichen Jahresrenditen der letzten fünf Jahre (t = - 5, - 4, …, -1) als gleichgewichtete Datengrundlage für die reale (und damit auch künftige) Wahrscheinlichkeitsverteilung dieser Einzelrenditen dienen.Dieser Ausgangssituation entspricht folgendes Entscheidungsfeld:
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 101
sj mitp(sj)
s1 mitp(s1)=0,2
s2 mitp(s2)=0,2
s3 mitp(s3)=0,2
s4 mitp(s4)=0,2
s5 mitp(s5)=0,2
Periode t t = - 5 t = - 4 t = - 3 t = - 2 t = - 1a1 0 -10 20 5 10a2 45 5 25 15 -15
Kapitel 04 – Portfoliotheorie:Portfolio Selection Theory V
Portfoliorisiko (Fortsetzung) - Beispiel:Wertpapierrenditen:
Allgemein gilt hier: ∙ ∑ und ∙ ∑ . Daraus folgt:
a1: ∙ 25 ∙ 5 15 15 0 5 ∙ 500 .
a2: ∙ 75 ∙ 30 10 10 0 30 ∙ 2000 .
Da eine Anlage allein in a2 wohl einen hohen Erwartungswert aber zugleich auch hohe Schwankungen in der Rendite verspricht, soll der Schwerpunkt der Anlage in a1 getätigt werden. Konkret soll der Portfolioanteil von a1 90% betragen, a2 hingegen soll lediglich mit dem Gewichtungsfaktor 10% darin vertreten sein.Gesucht ist folglich die Rendite μP des Gesamtportfolios P sowie die zugehörige Renditeschwankung σP.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 102
Kapitel 04 – Portfoliotheorie:Portfolio Selection Theory VI
Portfoliorisiko (Fortsetzung):Portfoliorendite allgemein:Mit ePj als der konkreten Portfoliorendite für ein sj (mit j = 1, 2, …, n) sowie μPals Erwartungswert und σP
2 als Varianz davon gilt zunächst:
∙ und ∙ ∙ .
Mit x1 bzw. x2 als den Anteilen von a1 bzw. a2 am Portfolio und e1j bzw e2j als ihren Renditen für ein sj gilt außerdem:
∙ ∙ .Wenn die Portfoliorendite für einen bestimmten Zustand sj dem mit den jeweiligen Anteilen gewichteten Durchschnitt der Einzelrenditen entspricht, muss dies auch für den Erwartungswert der Portfoliorendite μ zutreffen:
∙ ∙ .
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 103
Kapitel 04 – Portfoliotheorie:Portfolio Selection Theory VII
Portfoliorisiko (Fortsetzung) - Beispiel:Aus den allgemeinen Aussagen zur Portfoliorendite folgt:Wegen e x ∙ e x ∙ e gilt:
Das Gesamtportfolio weist dann nachstehende Merkmale auf:• x ∙ μ x ∙ μ 0,9 ∙ 5 0,1 ∙ 15 .• ∑ e ∙ p μ bzw. ∙ ∑ e μ fürp const.
∙ 4,5 8,5 20,5 6 7,5 6 ∙ 605 36 .⇒ , ( d.h. < als der gewogene Durchschnitt aus den Einzel-σ).P hat, trotz der Beimischung von a2, damit ein höheres μ und zugleich ein niedrigeres σ als a1. Für alle risikoscheuen Anleger gilt gemäß dem μ-σ-Prinzip deshalb Φ Φ a1 unabhängig vom subjektiven Grad der Risikoscheu.Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 104
sj mit p(sj) p(s1)=0,2 p(s2)=0,2 p(s3)=0,2 p(s4)=0,2 p(s5)=0,2a1 0 -10 20 5 10a2 45 5 25 15 -15
P (x1 = 0,9; x2 = 0,1) 4,5 - 8,5 20,5 6 7,5
Kapitel 04 – Portfoliotheorie:Portfolio Selection Theory VIII
Portfoliorisiko (Fortsetzung) - Korrelation:Das vorhergehende Beispiel hat gezeigt, dass die teilweise Substitution eines risikoarmen Wertpapiers in einem Portfolio durch ein per se risikoreicheres zweites Wertpapier zu einem (neuen) Mischportfolio führen kann, dessen Risiko (bei zugleich höherer Renditeerwartung) sogar kleiner ist als das des ursprünglichen, risikoarmen Wertpapiers.Offensichtlich kommt es unter gewissen Bedingungen im Portfolio zu einer Renditesteigerung und Risikominderung durch den partiellen Austausch eines risikoarmen gegen ein risikoreiches Asset.Die Ursache für diesen Sachverhalt liegt in der Korrelation zwischen den einzelnen Wertpapieren, die durch den Korrelationskoeffizientennach Pearson ρ formal beschrieben werden kann. Diese Größe ρbildet ein auf den Wertebereich 1; 1 standardisiertes Maß dafür, in welchem Umfang zwei unabhängige Zufallsvariablen gleichartig auf Veränderungen der Umweltzustände reagieren.Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 105
Kapitel 04 – Portfoliotheorie:Portfolio Selection Theory IX
Portfoliorisiko (Fortsetzung) - Korrelation:Der Korrelationskoeffizient nach Pearson beschreibt einen linearen Zusammenhang zwischen intervallskalierten, normalverteilten Größen.Formal gilt für die Korrelation zweier Wertpapiere:
,,
∙
mit , ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ .
Für die Varianz des Portfolios aus diesen Wertpapieren gilt deshalb:
e ∙ p μ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ , .
(Mit e x ∙ e x ∙ e und μ x ∙ μ x ∙ μ eingesetzt.)Beachte dagegen: μ x ∙ μ x ∙ μ ⇒ μ ist unabhängig von ρ , !
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 106
Kapitel 04 – Portfoliotheorie:Portfolio Selection Theory X
Portfoliorisiko (Fortsetzung) - Korrelation:Beispiel einer vollständig positiven Korrelation mit , :
Es gilt weiterhin für a1 sowie für a2 .
⇒ , e ∙ e ∙ p μ ∙ μ15 ∙ 150 900 75 250 75 .
⇒ ,cov ,σ ∙ σ
20010 ∙ 20 .
⇒Für , und , folgtdaraus:x ∙ σ x ∙ σ 2 ∙ x ∙ x ∙ σ ∙ σ ∙ ρ , 81 4 2 ∙ 0,09 ∙ 200 .
⇒ gewogenerDurchschnittausdenEinzel σund x ∙ μ x ∙ μ unverändert .
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 107
p(sj) p(s1)=0,2 p(s2)=0,2 p(s3)=0,2 p(s4)=0,2 p(s5)=0,2a1 0 -10 20 5 10a2 5 -15 45 15 25
Kapitel 04 – Portfoliotheorie:Portfolio Selection Theory XI
Portfoliorisiko (Fortsetzung) - Korrelation:Beispiel einer vollständig negativen Korrelation mit , :
Es gilt weiterhin für a1 sowie für a2 .
⇒ , e ∙ e ∙ p μ ∙ μ15 ∙ 450 300 75 50 75 .
⇒ ,cov ,σ ∙ σ
20010 ∙ 20 .
⇒Für , und , folgtdaraus:x ∙ σ x ∙ σ 2 ∙ x ∙ x ∙ σ ∙ σ ∙ ρ , 81 4 2 ∙ 0,09 ∙ 200 .
⇒ und x ∙ μ x ∙ μ unverändert .
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 108
p(sj) p(s1)=0,2 p(s2)=0,2 p(s3)=0,2 p(s4)=0,2 p(s5)=0,2a1 0 -10 20 5 10a2 25 45 -15 15 5
Kapitel 04 – Portfoliotheorie:Portfolio Selection Theory XII
Portfoliorisiko (Fortsetzung) - Korrelation:Beispiel ohne Korrelation mit , (≙ursprüngliches Beispiel):
Es gilt weiterhin für a1 sowie für a2 .
⇒ , e ∙ e ∙ p μ ∙ μ15 ∙ 50 500 75 150 75 .
⇒ ,cov ,σ ∙ σ
010 ∙ 20 .
⇒Für , und , folgtdaraus:x ∙ σ x ∙ σ 2 ∙ x ∙ x ∙ σ ∙ σ ∙ ρ , 81 4 85.
⇒ , unverändert und x ∙ μ x ∙ μ unverändert .
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 109
p(sj) p(s1)=0,2 p(s2)=0,2 p(s3)=0,2 p(s4)=0,2 p(s5)=0,2a1 0 -10 20 5 10a2 45 5 25 15 -15
Kapitel 04 – Portfoliotheorie:Portfolio Selection Theory XIII
Portfoliorisiko – Bestimmung (anhand der Korrelation):Allgemein gilt bekanntlich für ein beliebiges , :
∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ , .1. Für , (vollständig positive Korrelation) folgt:Wegen σ x ∙ σ x ∙ σ 2 ∙ x ∙ x ∙ σ ∙ σ ∙ ergibt sich:
∙ ∙ ⇒ ∙ ∙ .Eine derartige Zusammenfügung positiv korrelierter Einzelrisiken in einem Portfolio wird manchmal Risiko(ak)kumulation genannt.2. Für , (vollständig negative Korrelation) folgt:Wegen σ x ∙ σ x ∙ σ 2 ∙ x ∙ x ∙ σ ∙ σ ∙ ergibt sich:
∙ ∙ ⇒ ∙ ∙ . ∙ ∙ fürx ∙ σ x ∙ σ .
∙ ∙ fürx ∙ σ x ∙ σ .Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 110
Kapitel 04 – Portfoliotheorie:Portfolio Selection Theory XIV
Portfoliorisiko – Bestimmung (Fortsetzung):Zu 2. , :Die Kombination von zwei Einzelrisiken (Assets) mit einer vollständig negativen Korrelation, so dass bei geeigneter Mischung sich negative und positive Entwicklungen (teil)kompensieren, wird häufig auch als Hedging bezeichnet (gleichzeitiges Eingehen von Long- und Short-Positionen).Beispiel:Ausgangspunkt ist ein Warenexportgeschäft, das zu einer Forderung von z.B. 1 Mio. US $ führt. Diese Forderung wird jedoch erst in 6 Monaten fällig (Long-Position). Durch Verkauf eines gleich hohen Betrages von 1 Mio. US $ als Termingeschäft in ebenfalls 6 Monaten (Short-Position) kann diese Forderung gegen das Risiko einer künftigen Wechselkursschwankung zwischen € und US $ abgesichert werden.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 111
Kapitel 04 – Portfoliotheorie:Portfolio Selection Theory XV
Portfoliorisiko – Bestimmung (Fortsetzung):3. Für , (keinerlei Korrelatation) folgt:Wegen σ x ∙ σ x ∙ σ 2 ∙ x ∙ x ∙ σ ∙ σ ∙ ergibt sich:
∙ ∙ ⇒ ∙ ∙ .Eine derartige Zusammenfügung nicht miteinander korrelierter Einzelrisiken in einem Portfolio wird oftmals Risikodiversifikation bzw. Risikostreuung im engeren Sinn genannt.Allgemein gilt für , und , ∈ ; stets:
x ∙ σ x ∙ σ ∙ ∙ .Außer für die Grenzfälle x1 = 1 bzw. x2 = 1 ist die Risikostreuung des gemischten Portfolios bei ρ , 0immer kleiner als der gewichtete Durchschnitt der wertpapierspezifischen Risikostreuungen.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 112
Kapitel 04 – Portfoliotheorie:Portfolio Selection Theory XVIPortfoliorisiko – Diagramm der Portfoliolinien:
Für das Beispiel eines Zweiwertpapierportfolios mit a1 und a2 kann man den Anteil x1 von a1 sukzessive zwischen 1 und 0 verändern. Analog wegen x2 = 1 - x1 wird gleichzeitig x2 ebenfalls sukzessive zwischen 0 und 1 variiert. Auf diese Weise erhält man eine Folge unterschiedlicher μ-σ-Kombinationen.Diese lassen sich in einem μ-σ-Koordinatensystem (mit μ als der x-Achse und σ als der y-Achse) graphisch darstellen und werden dann Portfoliolinien genannt.Der konkrete Verlauf einer solchen Portfoliolinie hängt dabei nicht nur von den jeweiligen Wertpapiereigenschaften, sondern gleichzeitig auch von ihrer Beziehung zueinander, d.h. vom Korrelationskoeffizient ρ1,2ab. Für jeden Korrelationskoefizienten ρ1,2 zwischen +1 und -1 ergeben sich (bei Konstanz der wertpapiereigenen Parameter μ und σ) folglich unterschiedliche Portfoliolinien. Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 113
Kapitel 04 – Portfoliotheorie:Portfolio Selection Theory XVII
Portfoliorisiko – Portfoliolinien (Fortsetzung):
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 114
σ
μ0 10
20
5
,
15
15
5
10 X
X
Amit
x1 = 1
Bmit
x2 = 1
C(perfektes Hedging)
mitx1 = ⅔ und x2 = ⅓
,X
X
X
X X XX
XX
D(Minimum-Varianz-Portfolio)
mitx1 = 0,8 und x2 = 0,2
X
,
E mit
x1 = 0,9 und x2 = 0,1
Kapitel 04 – Portfoliotheorie:Portfolio Selection Theory XVIII
Portfoliorisiko – Portfoliolinien (Fortsetzung):• Ergänzung zur Portfoliolinie im Beispiel mit , :Punkt C als perfektes Hedging: μ 8,33undσ 0.Es gilt hier allgemein: σ x ∙ σ x ∙ σ 0.⇒x ∙ σ x ∙ σ bzw.x ∙ σ 1 x ∙ σ wegenx 1 x .⇒ eingesetztσ 10undσ 20⇒ und .
• Ergänzung zur Portfoliolinie im Beispiel mit , :Punkt D als Minimum-Varianz-Portfolio von : μ 7undσ 8,94.Es gilt hier allgemein: σ x ∙ σ x ∙ σ .Gesucht ist das Minimum von σ bzw. σ .⇒ 0mitx 1 x ⇒2 ∙ x ∙ σ 2 ∙ 1 x ∙ σ 0.
⇒ ∙∙ ∙
eingesetztσ 10undσ 20⇒ und .
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 115
Kapitel 04 – Portfoliotheorie:Portfolio Selection Theory XIX
Portfoliorisiko – Portfoliolinien (Fortsetzung):• Für eine Korrelation , gilt allgemein:Wenn in einem Portfolio aus zwei Wertpapieren beide Assets a1 und a2 vollständig positiv miteinander korreliert sind, lässt sich die Rendite μPdieses Portfolios nur erhöhen, wenn zugleich eine korrespondierende Steigerung des Risikos σP im Portfolio gleichen Umfangs akzeptiert wird. Erwartete Rendite und Risiko steigen hier immer proportional, denn sowohl μP als auch σP bilden den mit ihrem jeweiligen Anteil im Portfolio gewichteten Durchschnitt der Einzelrenditen bzw. Durchschnitt der Einzelrisiken.Formal gilt dazu:
∙ ∙ .∙ ∙ .
Die zugehörige Portfoliolinie bildet eine steigende Gerade!
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 116
Kapitel 04 – Portfoliotheorie:Portfolio Selection Theory XX
Portfoliorisiko – Portfoliolinien (Fortsetzung):• Für eine Korrelation , gilt allgemein:Wenn in einem Portfolio aus zwei Wertpapieren beide Assets a1 und a2 vollständig negativ miteinander korreliert sind, kann die erwartete Rendite μP dieses Portfolios zunächst erhöht und zugleich das Risiko σPgesenkt werden, indem a1 sukzessive durch a2 ersetzt wird. Dies lässt sich so lange fortsetzen bis der Punkt C eines perfekten Hedging erreicht ist, bei dem das Portfoliorisiko σP null beträgt. Hier gleichen sich die (gegenläufigen) Schwankungen beider Assets genau vollständig aus, so dass diese Mischung von Wertpapieren völlig risikofrei ist.Nach C ist eine weitere Steigerung von μP nur möglich, wenn zugleich eine überproportionale Steigerung von σP akzeptiert wird.Die zugehörige Portfoliolinie bildet einen Winkel mit einer zunächst fallenden Geraden sowie anschließend einer steigenden Geraden!
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 117
Kapitel 04 – Portfoliotheorie:Portfolio Selection Theory XXI
Portfoliorisiko – Portfoliolinien (Fortsetzung):• Für eine Korrelation , ; gilt allgemein:Wenn in einem Portfolio aus zwei Wertpapieren beide Assets a1 und a2 im Bereich von ρ1,2 > - 1 und ρ1,2 < + 1 miteinander korreliert sind, liegt die zugehörige Portfoliolinie stets im Bereich zwischen der oberen Grenzgeraden für ρ , 1sowie dem unteren Grenzwinkel für ρ , 1.Es handelt sich dabei um eine konvex gekrümmte Kurve!Diese Kurve fällt um so „bauchiger“ aus und liegt um so näher am unteren Grenzwinkel, je stärker ρ1,2 sich seinem unteren Grenzwert – 1 annähert. Nähert sich ρ1,2 dagegen seinem oberen Grenzwert + 1 an, führt dies zu einer abnehmenden Krümmung bzw. zu einer Streckung der Portfoliokurve, so dass sie in diesem Fall einer Geraden immer ähnlicher wird.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 118
Kapitel 04 – Portfoliotheorie:Portfolio Selection Theory XXII
Mischportfolio mit einer sicheren Anlage:In Abänderung des bisherigen Beispiels soll jetzt das risikobehaftete Wertpapier a2 durch eine vollständig sichere Anlage a3 mit μ3 = 1% und σ3 = 0 (z.B. Sparbuch) ersetzt werden. Betrachtet wird also ein Portfolio aus den beiden Anlagen a1 und a3.Es gelten dabei für Portfoliorendite μP und Portfoliorisiko σP folgende Zusammenhänge:1. ∙ ∙ (unverändert).2. x ∙ σ x ∙ σ 2 ∙ x ∙ x ∙ σ ∙ σ ∙ ρ ,
∙ für .Das Portfoliorisiko wird nur noch durch das Risiko σ1 von Wertpapier a1 sowie seinem relativen Anteil x1 am Portfolio bestimmt.Die zugehörige Portfoliolinie ist eine steigende Gerade!
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 119
Kapitel 04 – Portfoliotheorie:Portfolio Selection Theory XXIII
Mischportfolio mit einer sicheren Anlage (Fortsetzung):
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 120
σ
μ0 5
10
5
X
X Amit x1 = 1
Bmit x3 = 1
X Portfolio aus
x1 = 0,5 und x3 = 0,5⇒μP 3 und 5
Kapitel 04 – Portfoliotheorie:Portfolio Selection Theory XXIV
Portfolio mit mehr als zwei Wertpapieren:Für ein Portfolio mit m einzelnen Wertpapieren ai (i = 1, 2, …, m) gelten allgemein folgende Regeln für Portfoliorendite μP und Portfoliorisiko σP :
∙ .
(μP bleibt weiterhin der anteilsmäßig gewichtete Durchschnitt der Einzelrenditen.)Mit ρi,j als dem Korrelationskoeffizienten zweier beliebiger Wertpapiere i und j:
∙ ∙ ∙ ∙ ∙ , .
Zusammengefasst mit ρi,i = 1:
∙ ∙ ∙ ∙ , .
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 121
Kapitel 04 – Portfoliotheorie:Portfolio Selection Theory XXV
Portfolio mit mehr als zwei Wertpapieren (Fortsetzung):
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 122
σ
μ0
X
X
X
Portfolios aus a1 und a2
a1
a2
Xa3
X
X
X
X
X Portfolios aus a1 und a3
X
XX
Portfolios aus a2 und a3
XX
X
X
VerschiedenePortfolios
aus a1 und a2 und a3
X
X
Minimum-Varianz-Portfolio (MVP)
Kapitel 04 – Portfoliotheorie:Portfolio Selection Theory XXVIEffiziente Portfolios (risikobehafteter) Wertpapiere:
Ein Portfolio P1 mit der Rendite μP1 und dem Risiko σP1 dominiert ein zweites Portfolio P2 mit der Rendite μP2 und dem Risiko σP2:• Wenn P1 bei gleichem oder geringerem Portfoliorisiko eine höhere
Portfoliorendite als P2 aufweist. Es gilt in diesem Fall:und .
• Wenn P1 bei gleicher oder höherer Portfoliorendite ein geringeres Portfoliorisiko aufweist. Es gilt in diesem Fall:
und .Ein Portfolio P1 wird als effizient bezeichnet, wenn es kein anderes Portfolio P2 gibt, das P1 dominiert.Nicht effiziente Portfolios auf der Gegenseite werden stets durch mindestens ein anderes Portfolio dominiert.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 123
Kapitel 04 – Portfoliotheorie:Portfolio Selection Theory XXVII
Effiziente Portfolios (Fortsetzung):
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 124
σ
μ0
X
X
X
a1
a2
Xa3
X
X
X
X
X
X
XX
XX
X
X
EffizientePortfolios
aus a1 und a2 und a3
X
XNicht effiziente
Portfolios aus a1 und a2 und a3
MVP
Kapitel 04 – Portfoliotheorie:Portfolio Selection Theory XXVIII
Effiziente Portfolios (Fortsetzung):Durch die Einbeziehung der Möglichkeit, ein Portfolio aus mehr als zwei Wertpapieren zu bilden, kann für gewisse Renditeerwartungen ein risikoärmeres (und damit effizienteres) Portfolio hergestellt werden, als dies bei nur zwei Wertpapieren allein machbar ist.Möchte ein Anleger das für seine eigene Präferenzfunktion Φ μ ; σ optimale Portfolio finden, muss er jedoch nicht alle denkbaren Kombinationen an Wertpapieren analysieren. Interessant sind letztlich nur die effizienten Portfolios. Diese liegen auf der Effizienzlinie. Im vorhergehenden Beispiel ist dies der rot umklammerte Bereich steigender Portfoliolinien zwischen dem Minimum-Varianz- Portfolio (MVP) und a2. Portfolios auf der fallenden Linie zwischen a1und MVP gehören nicht dazu, da sich für sie stets Portfolios mit höherer Rendite μP bei gleichem Risiko σP2 im rechten Bereich der Graphik finden lassen.Die Effizienzlinie muss außerdem stets einen mehr oder weniger konvex gekrümmten Verlauf besitzen, d.h. jede Kombination zweier effizienter Portfolios verläuft stets vollständig oberhalb oder maximal auf der Effizienzlinie!
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 125
Kapitel 04 – Portfoliotheorie:Portfolio Selection Theory XXIX
Effiziente Portfolios (Fortsetzung):
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 126
σ
μ0
X
X
X
X
X
X
X(Konvexe) Effizienzlinie
bzw. Effizienzkurve(als Ort aller effizienten
Portfolios X)
X
X
Nicht effizientedominierte Portfolios(d.h. alle Portfolios links
oberhalb der Effizienzlinie)
MVP
X
Allgemeine Darstellung für eine beliebige Zahl von Wertpapieren im Portfolio
Kapitel 04 – Portfoliotheorie:Portfolio Selection Theory XXX
Effiziente Portfolios mit einer sicheren Anlage:Die Kombination einer sicheren Anlage as (mit σs = 0) mit einem einzigen risikobehafteten Wertpapier (mit σi > 0) ist bereits vorgestellt worden. Sie besitzt bekanntlich eine lineare Portfoliolinie mit konstanter Steigung.Analog dazu kann man sich nun die Kombination eines aus mehreren risikoreichen Wertpapieren bestehenden Mischportfolios ai ebenfalls mit einer solchen sicheren Anlage vorstellen. Auch hier besitzt die zugehörige Portfoliolinie dementsprechend die Form einer steigenden Geraden.Beschränkt man sich bei den Mischportfolios auf den Bereich effizienter Portfolios, die auf der Effizienzlinie bzw. –kurve liegen, zeigt es sich, dass die Kombination einer gegebenen Anlage mit einem derartigen effizienten (risikobehafteten) Portfolio um so günstiger zu bewerten ist, je geringer die Steigung der zugehörigen Portfoliogeraden ausfällt (d.h. je flacher diese Gerade verläuft).Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 127
Kapitel 04 – Portfoliotheorie:Portfolio Selection Theory XXXI
Effiziente Portfolios und sichere Anlage (Fortsetzung):
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 128
σ
μ0
X
X X
Effizienzliniebzw. Effizienzkurve
(als Ort aller effizienten risikobehafteten Portfolios ai)
MVP a1
X
Allgemeine Darstellung für eine beliebige Zahl von
risikobehafteten Wertpapieren und einer
sicheren Anlage
Sichere Anlage as
(mit σs = 0)
a2
a2* X
Tangential-portfolio aT
Kapitel 04 – Portfoliotheorie:Portfolio Selection Theory XXXII
Effiziente Portfolios und sichere Anlage (Fortsetzung):Die Abbildung der vorhergehenden Seite zeigt, dass jede Kombination von asmit einem effizienten Portfolio ai links von aT, durch eine Kombination von as und aT dominiert wird. Letzteres Portfolio weist die Portfoliogerade aller möglichen as-ai-Kombinationen mit der geringsten Steigung auf.Aber auch für jede Kombination von as mit einem effizienten Portfolio ai rechts von aT verläuft die zugehörige Portfoliogerade steiler als die Portfoliogerade von as und aT und links von der Effizienzkurve.Es wird daher sichtbar, dass die Kombination der sicheren Anlage as mit einem effizienten (risikobehafteten) Portfolio ai selbst nur dann effizient sein kann, wenn die Portfoliolinie zwischen beiden Anlagen genau eine Tangente an die Effizienzkurve der risikoreichen Wertpapierportfolios ai bildet. Das zugehörige risikobehaftete Portfolio heißt Tangentialportfolio aT!Je höher die Rendite μs der sicheren Anlage as, desto weiter rechts auf der Effizienzkurve liegt dieses jeweilige Tangentialportfolio. Es gilt also:
⇒ und .
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 129
Kapitel 04 – Portfoliotheorie:Portfolio Selection Theory XXXIII
Auswahl eines optimalen Portfolios aus der Effizienzlinie:Die Ermittlung effizienter Wertpapierportfolios in Form der Effizienzlinie gibt per se noch keine Antwort auf den zu Beginn dieses Kapitels angesprochenen Problembereich, wie ein rational handelnder Anleger die Diversifikation gestalten sollte. M.a.W.: Gesucht ist eine Handlungsempfehlung, aus der Fülle effizienter Portfolios, die sich durch die Mischung risikobehafteter Wertpapiere miteinander sowie mit einer sicheren Anlage ergeben, das für seine persönlichen Sicherheitsbedürfnisse optimale Portfolio auszuwählen.Dies geschieht durch Zusammenführung der Effizienzlinien mit den subjektiven Präferenzen (μ-σ-Prinzip) des Anlegers:• Rechnerisch durch Optimierung der Φ μ ; σ Präferenzfunktion unter
Beachtung des Funktionsgesetzes für die Effizienzlinien σ f μ .• Graphisch (nachfolgend) mittels Effizienz- und Indifferenzlinien.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 130
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Portfolio Selection Theory XXXIV
Optimales Portfolio und Effizienzlinie (Fortsetzung):μ-σ-Prinzip bei Risikoscheu (steigende Indifferenzlinien):• Präferenzfunktion Φ ; ∙ (mit a > 0).• Präferenzfunktion Φ ; ∙ (mit a > 0).
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 131
σ
μ
Φ2
0
Φ1
Φ3
σ
μ
Φ2
0
Φ1
Φ3
Es gilt Φ3 > Φ2 > Φ1.
Kapitel 03 – Entscheidungstheorie:Portfolio Selection Theory XXXV
Optimales Portfolio und Effizienzlinie (Fortsetzung):Optimales Portfolio graphisch als Punkt auf der Effizienzlinie, der die Indifferenzlinie mit dem höchsten Präferenzwert (noch) berührt.• Portfolio mit ausschließlich risikobehafteten Wertpapieren:
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 132
σ
μ
Φ2
0
Φ1
Φ3
σ
μ
Φ2
0
Φ1
Φ3
X
XMVP
OptimalesPortfolio aopt
EffizienzlinieOptimales
Portfolio aopt
Effizienzlinie
X
XMVP
aoptaopt
Kapitel 04 – Portfoliotheorie:Portfolio Selection Theory XXXVI
Optimales Portfolio und Effizienzlinie (Fortsetzung):• Portfolio mit ausschließlich risikobehafteten Wertpapieren:Unter der Bedingung, dass keine sichere Anlagealternative as für die Portfoliomischung verfügbar ist, gilt: Für eine Präferenzfunktion Φ μ ; σ μ a ∙ σ mit linearen
Indifferenzkurven ermittelt sich stets ein eindeutiges optimales Portfolio aopt. Je steiler die Indifferenzkurven verlaufen (d.h. je kleiner der subjektive Risikoaversionsparameter a ist), desto weiter rechts (höhere μ- und σ-Werte) liegt aopt.
Für eine Präferenzfunktion Φ μ ; σ μ a ∙ σ mit konkav gekrümmten Indifferenzkurven ermittelt sich stets ein eindeutiges optimales Portfolio aopt. Je weniger gekrümmt die Indifferenzkurven verlaufen (d.h. je kleiner der subjektive Risikoaversionsparameter a ist), desto weiter rechts (höhere μ- und σ-Werte) liegt aopt.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 133
Kapitel 04 – Portfoliotheorie:Portfolio Selection Theory XXXVII
Optimales Portfolio und Effizienzlinie (Fortsetzung):• Portfolio mit sicherer Anlage und risikobehafteten Wertpapieren:
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 134
σ
μ0
X
X
Effizienzlinie
MVP
Sichere Anlage as≙optimales Portfolio aopt
Tangentialportfolio aT
as
aT
X
Φ ; ∙
Φ1 Φ2 Φ3
Kapitel 04 – Portfoliotheorie:Portfolio Selection Theory XXXVIII
Optimales Portfolio und Effizienzlinie (Fortsetzung):• Portfolio mit sicherer Anlage und risikobehafteten Wertpapieren:
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 135
σ
μ0
X
X
Effizienzlinie
MVP
X
Sichere Anlage as
Tangentialportfolio aT
as
aT
X
Φ ; ∙
OptimalesPortfolio aopt
aopt
Φ1 Φ2 Φ3
Kapitel 04 – Portfoliotheorie:Portfolio Selection Theory XXXIX
Optimales Portfolio und Effizienzlinie (Fortsetzung):• Portfolio mit risikobehafteten Wertpapieren und sicherer Anlage:Wenn zusätzlich eine sichere Anlagealternative as verfügbar ist, gilt für eine Präferenzfunktion Φ μ ; σ μ a ∙ σ (lineare Indifferenzkurven): Für steilere Indifferenzgeraden als die Strecke zwischen as und aT
(d.h. für ein sehr kleines Risikoaversionsmaß a) gibt es ein aopt rechts von aT (höhere μ- und σ-Werte). ⇒ Kein Anteil von as ist im Portfolio!
Für flachere Indifferenzgeraden als die Strecke zwischen as und aT(d.h. für ein sehr großes Risikoaversionsmaß a) fällt aopt mit aszusammen. ⇒ Das Portfolio besteht nur aus as!
Für Indifferenzgeraden mit der gleichen Steigung wie die Strecke zwischen as und aT sind alle Linearkombinationen von as und aT(einschließlich der Endpunkte as und aT) gleichermaßen optimal.⇒ Es gibt damit kein eindeutig definiertes optimales Portfolio aopt!
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 136
Kapitel 04 – Portfoliotheorie:Portfolio Selection Theory XL
Optimales Portfolio und Effizienzlinie (Fortsetzung):• Portfolio mit sicherer Anlage und risikobehafteten Wertpapieren:
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 137
σ
μ0
X
X
Effizienzlinie
MVP
X
Sichere Anlage as
Tangentialportfolio aT
as
aT
Optimales Portfolio aopt
Φ ; ∙
aoptX
Φ1
Φ2
Φ3
Kapitel 04 – Portfoliotheorie:Portfolio Selection Theory XLI
Optimales Portfolio und Effizienzlinie (Fortsetzung):• Portfolio mit sicherer Anlage und risikobehafteten Wertpapieren:
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 138
σ
μ0
X
X
Effizienzlinie
MVP
X
Sichere Anlage as
Tangentialportfolio aT
as
aT
Optimales Portfolio aopt
Φ ; ∙aoptX
Φ1
Φ2
Φ3
Kapitel 04 – Portfoliotheorie:Portfolio Selection Theory XLII
Optimales Portfolio und Effizienzlinie (Fortsetzung):• Portfolio mit risikobehafteten Wertpapieren und sicherer Anlage:Wenn zusätzlich eine sichere Anlagealternative as verfügbar ist, gilt für eine Präferenzfunktion Φ μ ; σ μ a ∙ σ (konkav gekrümmte Indifferenzkurven mit senkrechtem Auftreffen auf die x-Achse für σ → 0): Indifferenzkurven mit geringer Krümmung (geringe Risikoscheu)
berühren die Effizienzkurve rechts von aT. ⇒ Es gibt ein eindeutiges aopt rechts von aT ohne Beteiligung der sicheren Anlage as!
Indifferenzkurven mit starker Krümmung (hohe Risikoscheu) berühren die Effizienzkurve im Bereich der Strecke zwischen as und aT. ⇒ Es gibt ein eindeutiges aopt links von aT als Linearkombination aus aT und der sicheren Anlage as!
Auch für extrem hohe Risikoscheu kann die sichere Anlage asniemals allein das optimale Portfolio aopt bilden!
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 139
Kapitel 04 – Portfoliotheorie:Portfolio Selection Theory XLIII
Optimales Portfolio und Effizienzlinie (Fortsetzung):• Portfolio mit sicherer Anlage und risikobehafteten Wertpapieren:
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 140
σ
μ0
X
X
Effizienzlinie
MVP
Sichere Anlage as≙optimales Portfolio aopt
Tangentialportfolio aT
as
aT
KonkavePräferenzfunktionenΦ ; ∙
mit Auftreffwinkel auf diex-Achse flacher als die
Strecke zwischen as und aT.⇒ aopt besteht nur aus as.
Φ1
Φ2
Φ3
X
Kapitel 04 – Portfoliotheorie:Portfolio Selection Theory XLIV
Optimales Portfolio – Fazit:Allgemein gilt:
• Je geringer die subjektive Risikoscheu des Anlegers ist, ausgedrückt durch ein niedriges a in den zugehörigen Präferenzfunktionen, desto steiler verlaufen die Indifferenzlinien dieser Präferenzfunktionen und desto weiter rechts oben kommt es zur Bildung des Optimalportfoliosdurch Berührung dieser Präferenzfunktionen mit der Effizienzkurve.
⇒Je geringer die subjektive Risikoscheu des Anlegers ist, desto höher fallen sowohl erwartete Rendite als auch Risiko des für ihn optimalen Mischportfolios aus.
Letztere Aussage lässt sich aus beiden betrachteten Formen desμ-σ-Prinzips (Φ μ ; σ μ a ∙ σ sowie Φ μ ; σ μ a ∙ σ ) ableiten und erscheint rational plausibel.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 141
Kapitel 04 – Portfoliotheorie:Portfolio Selection Theory XLV
Optimales Portfolio – Fazit (Fortsetzung):• Wenn es neben risikobehafteten Anlagemöglichkeiten auch ein sicheres
Wertpapier als Alternative gibt, wird diese sichere Anlagealternative im optimalen Portfolio um so eher überhaupt gar nicht vorkommen, je steiler die Indifferenzlinien verlaufen bzw. desto geringer die individuelle
Risikoscheu des Anlegers ist. flacher die Strecke zwischen Tangentialportfolio und sicherer Anlage
verläuft, d.h. je geringer die Rendite (Verzinsung) der sicheren Anlage ist. je höher die erwarteten Renditen der risikobehafteten Assets sind. je geringer die Risiken (als σ) der risikobehafteten Assets sind. je ausgeprägter die Diversifikations- bzw. Hedging-Effekte im
Portfolio sind, d.h. je niedriger die Korrelationskoeffizienten zwischen den einzelnen risikobehafteten Assets ausfallen.
Letztere Aussagen lassen sich ebenfalls aus beiden betrachteten Formen des μ-σ-Prinzips ableiten und erscheinen gleichermaßen rational plausibel.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 142
Kapitel 04 – Portfoliotheorie:Portfolio Selection Theory XLVI
Optimales Portfolio – Fazit (Fortsetzung):• Gibt es neben risikobehafteten Anlagemöglichkeiten auch ein sicheres
Wertpapier, liegt es nahe, durch welche Faktoren die Anteilsquote der sicheren Anlage im optimalen Portfolio determiniert wird:
Bei Nutzung der Präferenzfunktion Φ μ ; σ μ a ∙ σ ist die sichere Anlage entweder überhaupt gar nicht im optimalen Portfolio vorhanden oder letzteres besteht ausschließlich aus ihr.
Diese für eine Präferenzfunktion mit linearen Indifferenzlinien abgeleitete Aussage führt aus rationaler Sicht zu erheblichen Plausibilitätsproblemen.
Bei Nutzung der Präferenzfunktion Φ μ ; σ μ a ∙ σ dagegen sowie bei allgemein allen Präferenzfunktionen mit konkav gekrümmten, monoton steigenden Indifferenzlinien kann die sichere Anlage durchaus anteilig im optimalen Portfolio vorkommen (bei Φ μ ; σ μ a ∙ σjedoch kann letzteres niemals vollständig ausschließlich aus ihr bestehen).
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 143
Kapitel 04 – Portfoliotheorie:Portfolio Selection Theory XLVII
Optimales Portfolio – Fazit (Fortsetzung): Bei Φ μ ; σ μ a ∙ σ (Präferenzfunktionen mit konkav gekrümmten,
monoton steigenden Indifferenzlinien) fällt der prozentuale Anteil der sicheren Anlage im optimalen Portfolio um so höher aus, je höher die Risikoscheu des Anlegers (durch Festlegung des
subjektiven Risikoparameters a) ist. je höher die Rendite (Verzinsung) der sicheren Anlage ist. je geringer die erwarteten Renditen der risikobehafteten Assets sind. je höher die Risiken (als σ) der risikobehafteten Assets sind. je weniger ausgeprägt Diversifikations- bzw. Hedging-Effekte im
Portfolio vorkommen, d.h. je höher die Korrelationskoeffizienten zwischen den einzeln Assets ausfallen.
Diese für Präferenzfunktionen mit konkaven Indifferenzlinien abgeleiteten Aussagen sind rational deutlich plausibler als die vorherigen Ergebnisse für Präferenzfunktionen mit linearen Indifferenzlinien. Damit sind erstere letzteren als Entscheidungskriterien bei der Portfolio Selection vorzuziehen.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 144
Kapitel 05 – Nutzentheorie:Bernoulli-Prinzip I
Bernoulli-Prinzip – Grundidee:Daniel Bernoulli (1700-1782):Beurteilung von Glückspielen:• Nicht der Erwartungswert der möglichen Gewinne ist wichtig.• Maßgeblich ist vielmehr der Erwartungswert des aus den Gewinnen
sich ergebenden Nutzens.Diese Überlegungen wurden von John von Neumann und Oskar Morgenstern in den 1940-er Jahren wieder aufgegriffen und allgemein auf den Erwartungsnutzen (Expected Utility bzw. Risiko-Nutzen) bei unsicheren (risikobehaften) ökonomischen Entscheidungsfragen übertragen.⇒Das Bernoulli-Prinzip ist eine Entscheidungsregel, die auf der Grundlage einer kardinalen Messbarkeit des Nutzens die subjektive Risikoeinstellung des Entscheidenden berücksichtigt!
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 145
Kapitel 05 – Nutzentheorie:Bernoulli-Prinzip II
Bernoulli-Prinzip – Grundidee (Fortsetzung):Konkretisierung des Bernoulli-Prinzips:• Allen eij einer Handlungsalternative ai wird durch eine Nutzenfunktion
u(e) ein spezifischer Nutzenwert uij = u(eij) zugewiesen.• Der für die Entscheidung relevante PräferenzwertΦ(ai) einer
Handlungsalternative ai entspricht dem Erwartungswert dieser einzelnen uij = u(eij) Nutzenwerte.
Bevorzugt wird dann die Handlungsalternative ai mit dem höchsten Erwartungswert des Nutzens. Formal gilt dafür:
: Φ ∙ mitp s 1.
Zentrales Element und Unterschied zu den klassischen Regeln ist daher die Transformation von Ergebnisgrößen in Nutzengrößen!
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 146
Kapitel 05 – Nutzentheorie:Bernoulli-Prinzip III
Bernoulli-Prinzip – Grundidee (Fortsetzung):Beispiel:
Die Nutzenfunktion sei . Damit kann die zur obigen Ergebnisverteilung korrespondierende Nutzenverteilung erstellt werden:
Daraus folgt:Φ a ∑ e ∙ p 2 ∙ 0,1 4 ∙ 0,5 7 ∙ 0,2 3 ∙ 0,2 4,2.Φ a ∑ e ∙ p 9 ∙ 0,1 2 ∙ 0,5 5 ∙ 0,2 6 ∙ 0,2 4,1.Es gilt folglich: Φ(a1) > Φ(a2) ⇔ a1 ≻ a2 (obwohl μ1 = 20 < 22,3 = μ2).
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 147
p(sj) p(s1)=0,1 p(s2)=0,5 p(s3)=0,2 p(s4)=0,2e1j (von a1) 4 16 49 9e2j (von a2) 81 4 25 36
p(sj) p(s1)=0,1 p(s2)=0,5 p(s3)=0,2 p(s4)=0,2u(e1j) (von a1) 2 4 7 3u(e2j) (von a2) 9 2 5 6
Kapitel 05 – Nutzentheorie:Bernoulli-Prinzip IV
Bernoulli-Prinzip – Grundidee (Fortsetzung):Das im Rahmen des Bernoulli-Prinzips verwendete Nutzenkonzept wird in der Literatur synonym unter folgenden Bezeichnungen thematisiert:
Bernoulli-Nutzen, Neumann-Morgenstern-Nutzen,Erwartungs-Nutzen (Expected Utility), Risiko-Nutzen.
Das Bernoulli-Prinzip selbst bestimmt allerdings noch nicht die jeweilige Risiko-Nutzen-Funktion, die zur Bildung der entscheidungsrelevanten Präferenzwerte benötigt wird. Letztere hängt vielmehr von den subjektiven Risiko- und Präferenzeinstellungen des jeweiligen Entscheidungsträgers ab und bedarf daher einer gesonderten, individuellen Festlegung.Gleichzeitig ist jede Risiko-Nutzen-Funktion (RNF) positiv linear transformierbar, ohne dass dies das Entscheidungsergebnis verändert:Es gilt (ohne Veränderung der Präferenzrelationen): Φ ∙ Φ mitβ 0.⇒Für die Bestimmung einer RNF sind Nullpunkt und Maßeinheit deshalb beliebig wählbar!
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 148
Kapitel 05 – Nutzentheorie:Bernoulli-Prinzip V
Bernoulli-Prinzip – Risiko-Nutzen-Funktion:Wahlakt zwischen sicherem Einkommen und einer einfachen Chance:Einfache Chance (e‘; p‘; e‘‘): 2 mögliche Ergebnisse e‘ und e‘‘mit e‘ > e‘‘ sowie p‘ (als der Erfolgswahrscheinlichkeit) und p‘‘ (= 1 – p‘).Beispiel: Glückspiel (10000; 0,001; 0): Gewinn 10000 mit der Erfolgswahrscheinlichkeit von 0,1% sowie kein Gewinn 0 mit p = 99,9%.Durchführung der Bernoulli-Befragung zur Bestimmung des Risiko-Nutzens einer risikobehafteten Handlung (in 4 Schritten):1. Normierung der RNF: Da bei einer RNF Nullpunkt und Maßeinheit
wegen ihrer positiv linearen Transformierbarkeit beliebig wählbar sind, ist folgendes möglich:– Festgelegt werden zwei Werte e‘‘ und e‘, so dass das Intervall
dazwischen alle möglichen Ergebnisse eij der Handlung umfasst.– Vorgegeben sind dabei: u(e‘‘) = 0 und u(e‘) = 1.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 149
Kapitel 05 – Nutzentheorie:Bernoulli-Prinzip VI
Bernoulli-Prinzip – Risiko-Nutzen-Funktion (Fortsetzung):2. Festlegung des Wahlaktes (fiktiv):Anschließend wird die Wahl zwischen der sicheren Alternative ē und einer einfachen Chance (e‘; p‘; e‘‘) für den Befragten definiert.3. Ermittlung der kritischen Erfolgswahrscheinlichkeit p*(ē):Danach erfolgt eine Variation von p‘ bei gegebenem ē bis zu demjenigen kritischen Wert p*(ē), für den die einfache Chance und die sichere Alternative gemäß den subjektiven Präferenzen des Befragten als gleich angesehen werden.Unter diesen Bedingungen besteht dann Indifferenz zwischen ē und (e‘; p‘; e‘‘) mit p‘≙ p*(ē), d.h. es gilt hier:
(e‘; p*(ē); e‘‘) ∼ ē bzw.Φ(e‘; p*(ē); e‘‘) = Φ ē .
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 150
Kapitel 05 – Nutzentheorie:Bernoulli-Prinzip VII
Bernoulli-Prinzip – Risiko-Nutzen-Funktion (Fortsetzung):4. Ermittlung des (subjektiven) Risiko-Nutzens:Aus (e‘; p*(ē); e‘‘) ∼ ē bzw. Φ(e‘; p*(ē); e‘‘) = Φ ēgilt wegen max:Φ a ∑ u e ∙ p
folgendes: ē ∗ ē ∙ ∗ ē ∙ .Aufgrund der Normierung der RNF (Schritt 1) mit den beiden Vorgaben u(e‘‘) = 0 und u(e‘) = 1 folgt daraus dann:
ē ∗ ē .Unter diesen Umständen lässt sich die kritische Wahrscheinlichkeit p*(ē) unmittelbar als Nutzenwert u(ē) ansehen. Dies gilt zunächst für die sichere Alternative ē. Wegen der Indifferenzbedingung (Schritt 3) trifft dies aber auch für die einfache Chance (e‘; p‘; e‘‘) zu, so dass letztere auf diese Weise einen (subjektiven) Risiko-Nutzen-Wert erhält.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 151
Kapitel 05 – Nutzentheorie:Bernoulli-Prinzip VIII
Bernoulli-Prinzip – Risiko-Nutzen-Funktion (Fortsetzung):Beispiel:1. Normierung:
Alle möglichen Ergebniswerte für die Anlage in einem Wertpapier sind dem Intervall [0; 10000] zuordenbar. Es gelten also zunächste‘‘ = 0 und e‘ = 10000 sowie u(e‘‘) = 0 und u(e‘) = 1.
2. Wahlakt:Als sichere Anlagealternative wird ē = 3000 gewählt. Deshalb muss dieses sichere Ergebnis mit der einfachen Chance (10000; p‘; 0) verglichen werden.
3. Kritische Erfolgswahrscheinlichkeit:Betrachtet sei zunächst ein (sehr) niedriger Wert für p‘, z.B. p‘ = 0,1. In einer derartigen Situation werden Entscheidungssubjekte in der Regel das sichere Anlageergebnis 3000 bevorzugen.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 152
Kapitel 05 – Nutzentheorie:Bernoulli-Prinzip IX
Bernoulli-Prinzip – Risiko-Nutzen-Funktion (Fortsetzung):Beispiel:3. Kritische Erfolgswahrscheinlichkeit (Fortsetzung):
Auf der Gegenseite wird für einen (sehr) hohen Wert für p‘, etwap‘ = 0,9, das Befragungsergebnis umgekehrt ausfallen und Entscheidungssubjekte in der Regel sich für die einfache Chance(10000; 0,9; 0) entscheiden. Auf jeden Fall gibt es im Bereich dazwischen für jedes Entscheidungssubjekt genau einen Wert für p‘, bei dem eine (subjektive) Indifferenz zwischen einfacher Chance und sicherem Ergebnis besteht. Dieser Wert wird durch schrittweise Betrachtung und Einengung des relevanten Intervalls ermittelt. Wenn etwa eine befragte Person die beiden Präferenzaussagen (10000; 0,5; 0) ≺3000 und (10000; 0,7; 0) ≻ 3000 tätigt, lässt sich das Intervall, in dem Indifferenz gegeben ist, noch genauer angeben. Als fiktives Endergebnis sei dann (10000; 0,6; 0) ∼ 3000 angenommen.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 153
Kapitel 05 – Nutzentheorie:Bernoulli-Prinzip X
Bernoulli-Prinzip – Risiko-Nutzen-Funktion (Fortsetzung):Beispiel:4. Wegen allgemein (e‘; p*(ē); e‘‘) ∼ ē
bzw. speziell (10000; 0,6; 0) ∼ 3000gilt dann mit: p*(3000) = 0,6; u(0) = 0; u(10000) = 1und u ē p∗ ē ∙ u e 1 p∗ ē ∙ u efolgendes:
u 3000 0,6 ∙ u 10000 1 0,6 ∙ u 0 .u 3000 0,6 ∙ 1.
3000 , ; , ; .Der Risiko-(Erwartungs-Bernoulli-)Nutzen des Betrages 3000 beträgt damit 0,6. Er wird durch die Indifferenz dieses Betrages (als fiktives sicheres Einkommen) mit einer einfachen Chance und deren (Erfolgs-)Wahrscheinlichkeit determiniert.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 154
Kapitel 05 – Nutzentheorie:Bernoulli-Prinzip XI
Bernoulli-Prinzip – Risiko-Nutzen-Funktion (Fortsetzung):Eine Fortsetzung der Bernoulli-Befragung mit anderen Beträgen für die sichere Alternative ist jederzeit möglich. Damit lassen sich dann beliebig viele einzelne Risiko-Nutzwerte im jeweils normierten Bereich (hier im Bespiel im Intervall [0; 10000]) bestimmen. ⇒Auf diese Weise erhält man im Endergebnis eine spezifische und subjektbezogene Risiko-Nutzen-(Erwartungsnutzen-)Funktion für den jeweils Befragten. Diese RNF wird i.d.R. nicht linear sein, kann aber vielleicht approximativ durch eine nichtlineare mathematische Funktion (wie etwa die Funktion
) ersetzt werden.
Auf jeden Fall (und dies ist charakteristisch für das Bernoulli-Prinzip) erfolgt die Verknüpfung der individuellen Risiko- und Präferenz-Einstellungen des Entscheidungsträgers mit einer Entscheidungsregel durch die Ermittlung von Indifferenzrelationen. Letztere sind das zentrale Element, die RNF selbst ist nur eine Verdeutlichung davon.Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 155
Kapitel 05 – Nutzentheorie:Bernoulli-Prinzip XII
Bernoulli-Prinzip – Risiko-Nutzen-Funktion (Fortsetzung):Verlauf einer Risiko-Nutzen-Funktion:Grundsätzliche Annahme bei der ausschließlichen Betrachtung positiv bewerteter Handlungsergebnisse eij: Monoton steigender Verlauf mit
.
Drei Formen einer solchen Risiko-Nutzen-Funktion sind denkbar:
1. Linear steigender Verlauf: .
Es gilt hier ∙ . Daraus folgt für die Präferenzfunktion:Φ a ∑ u e ∙ p ∑ α β ∙ e ∙ p α ∙ ∑ p β ∙ ∑ e ∙ p .
Φ ∙ .Eine lineare RNF bedeutet also immer risikoneutrales Verhalten!
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 156
Kapitel 05 – Nutzentheorie:Bernoulli-Prinzip XIII
Bernoulli-Prinzip – Risiko-Nutzen-Funktion (Fortsetzung):Verlauf einer Risiko-Nutzen-Funktion (Fortsetzung):
2. Progressiv steigender bzw. konvexer Verlauf: .
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 157
u
e0 ē1 ē3ē2
u(ē1)
u(ē3)
u(ē2)
Es gilt: ē ∙ ē ∙ ē .Aber: ē ∙ ē ∙ ē .
∙ ē ∙ ēNutzendifferenz
Kapitel 05 – Nutzentheorie:Bernoulli-Prinzip XIV
Bernoulli-Prinzip – Risiko-Nutzen-Funktion (Fortsetzung):Verlauf einer Risiko-Nutzen-Funktion (Fortsetzung):
3. Degressiv steigender bzw. konkaver Verlauf: .
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 158
u
0
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti
u
e0 ē1 ē3ē2
u(ē1)
u(ē3)
u(ē2)
Es gilt: ē ∙ ē ∙ ē .Aber: ē ∙ ē ∙ ē .
∙ ē ∙ ēNutzendifferenz
Kapitel 05 – Nutzentheorie:Bernoulli-Prinzip XV
Bernoulli-Prinzip – Risiko-Nutzen-Funktion (Fortsetzung):Verlauf einer Risiko-Nutzen-Funktion (Fortsetzung):Grundsätzlich gelten für Risiko-Nutzen-Funktionen folgende Annahmen:1. Bei linear steigendem Verlauf der RNF entspricht der Nutzenwert eines
unsicheren Ereignisses mit dem gleichen Erwartungswert wie das Ergebnis einer sicheren Alternative auch dem Nutzen dieser sicheren Alternative ≙Risikoneutralität.
2. Bei progressiv steigendem bzw. konvexem Verlauf der RNF ist der Nutzenwert eines unsicheren Ereignisses mit dem gleichen Erwartungswert wie das Ergebnis einer sicheren Alternative stets höher als der Nutzen dieser sicheren Alternative ≙Risikofreude.
3. Bei degressiv steigendem bzw. konkavem Verlauf der RNF ist der Nutzenwert eines unsicheren Ereignisses mit dem gleichen Erwartungswert wie das Ergebnis einer sicheren Alternative stets niedriger als der Nutzen dieser sicheren Alternative ≙Risikoscheu.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 159Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti
Kapitel 05 – Nutzentheorie:Bernoulli-Prinzip XVI
Bernoulli-Prinzip – Risiko-Nutzen-Funktion (Fortsetzung):Einflussgrößen auf die Gestalt der individuellen Risiko-Nutzen-Funktion:• Geldnutzen (bzw. Höhenpräferenz) als Maßstab für die persönliche
Nutzenvorstellung gegenüber sicheren Geldergebnissen:Er ist Ausdruck des subjektiven Wohlempfindens (in Nutzwerten), welches mit unterschiedlichen sicheren Einkommens- bzw. Vermögenslagen einhergeht ≙ Ausdruck der subjektiven Zufriedenheit (in Nutzwerten) bei alternativen Einkommens- bzw. Vermögenslagen.
• Risikopräferenz als Maßstab für die persönliche Einstellung gegenüber Risikosituationen (bzw. Unsicherheit) bei Einkommens- bzw. Vermögenslagen.
Der Risiko-Nutzen im Rahmen des Bernoulli-Prinzips ist stets simultaner Ausdruck von beiden Einflussgrößen gemeinsam! Selbst wenn Geldnutzen und Risikopräferenz als rein introspektiv definierte Größen einzeln gar nicht sinnvoll empirisch voneinander getrennt werden können, ist die Bestimmung der RNF (wie das Beispiel der Bernoulli-Befragung zeigt) als Gesamtkonzept möglich.Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 160Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti
Kapitel 05 – Nutzentheorie:Bernoulli-Prinzip XVII
Bernoulli-Prinzip – Risiko-Nutzen-Funktion (Fortsetzung):
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 161Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti
Kapitel 05 – Nutzentheorie:Bernoulli-Prinzip XVIII
Bernoulli-Prinzip – Risiko-Nutzen-Funktion (Fortsetzung):Einflussgrößen auf die individuelle Risiko-Nutzen-Funktion (Fortsetzung):Die Abbildung auf der vorausgehenden Seite zeigt, dass Risiko-Nutzen-Funktion und „reine“ Geldnutzenfunktion wegen der zusätzlichen Wirkung der Risikopräferenz in gewissen Bereichen voneinander abweichen können:• Bei niedrigen Geldbeträgen (bis G1) bewirkt eine zunächst stark progressiv
steigende Risikopräferenz, dass die RNF trotz einer stets degressiv steigenden Geldnutzenfunktion in diesen Bereichen leicht progressiv verläuft.
• Bei mittleren Geldbeträgen (im Bereich G1 bis G2) liegt wohl immer noch eine (leicht) progressiv steigende Risikopräferenz vor. Dieser Sachverhalt wird jetzt jedoch durch die degressive Geldnutzenfunktion kompensiert, so dass ab G1 die RNF insgesamt bereits (leicht) degressiv steigt.
• Bei hohen Geldbeträgen (größer als G2) dagegen verlaufen beide Einflussgrößen degressiv und wirken dadurch gleichförmig auf die RNF ein. Diese ist deswegen selbst (stärker) degressiv steigend.
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Kapitel 05 – Nutzentheorie:Bernoulli-Prinzip XIX
Bernoulli-Prinzip – Rationalität und Axiome:Um rationale Entscheidungen unter Unsicherheit (bzw. in Risikosituationen) treffen bzw. um Empfehlungen zum rationalen Verhalten unter Unsicherheit für Wirtschaftssubjekte geben zu können, benötigt man ein Axiomensystem zu den Präferenzrelationen.
Aus einem solchen Axiomensystem lässt sichein geschlossenes präskriptives Konzept
im Sinn einer normativen Entscheidungstheorie ableiten.Axiome sind in diesem Kontext a-priori gesetzte Postulate ohne weiteren Beweis bzw. ohne zusätzliche Herleitung, die dennoch einen Anspruch auf Plausibilität und Rationalität besitzen.Nachfolgende vier (fünf) Axiome implizieren das Bernoulli-Prinzip und können insofern als Ausdruck eines vernünftigen bzw. rational begründbaren Entscheidungsverhaltens gesehen werden:
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Kapitel 05 – Nutzentheorie:Bernoulli-Prinzip XX
Bernoulli-Prinzip – Axiome (Fortsetzung):1. Ordinal- bzw. Rangordnungsprinzip:Für alle zur Auswahl stehenden Handlungsalternativen muss eine eindeutige und logisch konsistente (damit zugleich widerspruchsfreie) Rangordnung gefunden werden. Konkret erfordert das Postulat der Ordinalität die Gültigkeit zweier weiterer Prinzipien:• Vergleichbarkeit bzw. Vollständigkeit:Für zwei gegebene Handlungsalternativen a1 und a2 soll der Entscheidende stets eine persönliche Präferenzrelation a1 ≻ a2 (a1 wird a2 vorgezogen) oder a1 ≺a2 (a1 wird schlechter gesehen als a2) oder a1 ∼ a2 (a1 ist gleichwertig zu a2) aufstellen können. Alle vorhandenen Alternativen müssen also (vollständig) miteinander vergleichbar sein; es darf keine „Unklarheit“ diesbezüglich auftreten.• Transitivität:Für drei gegebene Alternativen a1, a2, a3 soll aus a1 ≽ a2 und zugleich a2 ≽ a3stets auch a1 ≽ a3 gefolgert werden.
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Kapitel 05 – Nutzentheorie:Bernoulli-Prinzip XXI
Bernoulli-Prinzip – Axiome (Fortsetzung):2. Dominanzprinzip:Liegen zwei gegebene Handlungsalternativen a1 und a2 jeweils in Form einer einfachen Chance mit a1 = (e‘; p‘ = p1; e‘‘) sowie a2 = (e‘; p‘ = p2; e‘‘) vor und es gelten e‘ > e‘‘ sowie p‘‘ = 1 – p‘, soll für p1 > p2 auch stets a1 ≻ a2 gefolgert werden. Dieses Postulat entspricht der Wahrscheinlichkeitsdominanz.Ersetzt man die einfache Chance (e‘; p‘; e‘‘) durch die sichere Alternative ē gelangt man zu einer absoluten Dominanzaussage: Für a1 > a2 gilt a1 ≻ a2.3. Stetigkeitsprinzip:Gegeben seien eine risikobehaftete Handlungsalternative aus zwei alternativen Zukunftslagen e‘ und e‘‘ mit den zugehörigen Eintrittswahrscheinlichkeiten p‘ und p‘‘ (= 1 – p‘) sowie eine Handlungsalternative mit einem sicheren Ergebnis ē. Es findet sich nun stets eine kritische Wahrscheinlichkeit p* (0 < p* < 1) für e‘, bei der der Entscheidungsträger die sichere Handlung als gleichwertig zur risikobehafteten Handlungsalternative ansieht. Es gilt: (e‘; p*; e‘‘) ∼ ē.(Dies entspricht übrigens genau Schritt 3 der Bernoulli-Befragung.)Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 165Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti
Kapitel 05 – Nutzentheorie:Bernoulli-Prinzip XXII
Bernoulli-Prinzip – Axiome (Fortsetzung):4. Substitutions- bzw. Unabhängigkeitsprinzip:Dieses Axiom betrifft zusammengesetzte Wahrscheinlichkeitsverteilungen.Eine bestehende Rangordnung von zwei Verteilungen darf sich nicht ändern, wenn alle beiden Verteilungen mit einer beliebigen dritten Verteilung in gleicher Weise kombiniert werden. Die beiden neuen zusammengesetzten Verteilungen sollten folglich in der gleichen Präferenzbeziehung zueinander stehen.Für zwei Verteilungen E1 und E2 gelten dabei folgende alternativ möglichen Formulierungen:• E1 ≻ E2 ↔ Ê1 ≻ Ê2 oder E1∼ E2 ↔ Ê1∼ Ê2
für Ê1 = (E1; π; E3) und Ê2 = (E2; π; E3)mit π (0 < π < 1) als Mischwahrscheinlichkeitund einer dritten beliebigen Verteilung E3.
• E1 ≻ Ê ≻E2 oder E1 ∼ Ê∼E2
mit Ê = (E1; π; E2) und π (0 < π < 1).
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Kapitel 05 – Nutzentheorie:Bernoulli-Prinzip XXIII
Bernoulli-Prinzip – Axiome (Fortsetzung):5. (Finales Gesamtergebnis – in Abgrenzung zu einer deskriptiven
Entscheidungstheorie manchmal als weiteres Axiom angesehen):Ausgangspunkt der Entscheidung ist die finale Totalposition als Gesamtergebnis und nicht die Veränderung der anfänglichen Position des Entscheidungsträgers, d.h. eine entscheidungsbedingte Vermögensänderung ist nicht relevant.Einige ausgewählte Problembereiche:1. Ordinalprinzip – Transitivität: Erfassbarkeits- und Bewertungsschwellen:Speziell bei sehr großen und sehr kleinen Wahrscheinlichkeitsverteilungen gibt es erhebliche Probleme, derartige Wahrscheinlichkeiten korrekt einzuordnen.4. Substitutions- bzw. Unabhängigkeitsprinzip:• Synergieeffekte aus der Kombination von Einzelfaktoren sowie etwaige
Komplementaritäten von Faktoren finden hier keine Berücksichtigung.• Framing-Effekt: Die Präferenzen für einzelne Alternativen werden in der
Realität häufig durch unterschiedliche Begleitsachverhalte verändert.Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 167Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti
Kapitel 05 – Nutzentheorie:Rationale Entscheidungsregeln IRationalität von (klassischen) Entscheidungsregeln:
Prinzipiell lässt sich die Rationalität einer Entscheidungsregel an ihrer Vereinbarkeit mit dem Bernoulli-Prinzip und dessen Axiomen messen:1. μ-Prinzip:Es ist bereits gezeigt worden, dass diese Regel wegen
∙bzw.
Φ ∙einer linearen Risiko-Nutzen-Funktion entsprechend dem Bernoulli-Prinzip gleichkommt.Das μ-Prinzip kann daher als rationale Entscheidungsregel betrachtet werden. Ihre Anwendung fordert allerdings stets risikoneutrales Entscheidungsverhalten.
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Kapitel 05 – Nutzentheorie:Rationale Entscheidungsregeln II
Rationalität von Entscheidungsregeln (Fortsetzung):2. μ-σ-Prinzip und quadratische Nutzenfunktion:Gegeben sei als RNF die Quadratfunktion ∙ mit a > 0. Es gilt:
Φ ∙ ∙ ∙ e ∙ p a ∙ e ∙ p .
Wegen ∙
und wegen σ e μ ∙ p e ∙ p μ ⇒ ∙
(vgl. dazu Kapitel 04 – Portfoliotheorie) folgt:
Φ ∙ ∙ ∙ .
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Kapitel 05 – Nutzentheorie:Rationale Entscheidungsregeln III
Rationalität von Entscheidungsregeln (Fortsetzung):Bekanntlich handelt es sich bei dem μ-σ-Prinzip um ein intuitiv zunächst überzeugendes Konzept, das sowohl die Rendite als auch das Risiko eines Wertpapiers berücksichtigt.Das μ-σ-Prinzip ist jedoch allein in der Form Φ ; ∙mit rationalem Entscheidungsverhalten gemäß dem Bernoulli-Prinzip vereinbar. Dies bedeutet gleichzeitig zwingend die Verwendung einer quadratischen Risiko-Nutzen-Funktion der Form ∙ (Parabel)!• Für a > 0 impliziert Φ ; ∙ dabei Risikoscheu.• Für a < 0 impliziert Φ ; ∙ dabei Risikofreude.Für andere Ausprägungsformen des μ-σ-Prinzips (z.B. Φ μ ; σ μ a ∙ σoder Φ μ ; σ μ a ∙ σ ) hingegen finden sich keine RNF, so dass ein gemäß diesen Regeln ermitteltes Φ μ ; σ dem Erwartungswert des Nutzens entspricht. Diese μ-σ-Prinzipien entsprechen daher nicht dem Bernoulli-Prinzip. Sie können in gewissen Situationen zu einem den Axiomen dieses Prinzips konträren, nicht rationalem Entscheidungsverhalten führen! Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 170Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti
Kapitel 05 – Nutzentheorie:Rationale Entscheidungsregeln IV
Rationalität von Entscheidungsregeln (Fortsetzung):Die quadratische Nutzenfunktion selbst führt bei ihrer Verwendung zu zwei Problembereichen:1. Eine zentrale Prämisse für eine Nutzenfunktion ist bekanntlich ihr monoton
steigender Verlauf mit .
Bei Parabeln (und damit allen quadratischen Nutzenfunktionen) ist jedoch jeweils nur ein Ast der Parabel monoton steigend, der andere monoton fallend. ⇒Quadratische Nutzenfunktionen sind daher stets nur für gewisse Ergebniswerte definiert: links (rechts) ihres Maximums (Minimums).
2. Quadratische Nutzenfunktionen als Spezialformen von Nutzenfunktionen des allgemeinen Typs u e α e ß mite αundβ 1 gehen stets von einer zunehmenden Risikoscheu des Entscheidungsträgers aus. Mit wachsendem Reichtum nehmen damit seine Risikoaversion und die Risikoprämien für unsichere Anlagen zu. So würde der Anteil risikobehafteter Assets am optimalen Portfolio z.B. mit wachsendem Reichtum sinken!
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Kapitel 05 – Nutzentheorie:Kennzahlen der Risikoeinstellung I
ARA als Maß für die Stärke der Risikoaversion:Die Risikoeinstellung manifestiert sich (graphisch) in der Stärke derKonkavität der RNF.Der Wert der zweiten Ableitung einer RNF allein eignet sich jedoch nichtals Kennzahl für die Stärke der jeweiligen Risikoeinstellung bzw. Risikoaversion (als den für die Portfoliotheorie relevanten Spezialfall).Gemessen wird die absolute Risikoaversion (ARA) deshalb durch den mit -1 multiplizierten Quotienten aus zweiter und erster Ableitung der RNF:
stetspositivwegen und .Gilt für die jeweiligen Risikoaversionen zweier Personen 1 und 2
, dann ist das Sicherheitsäquivalent S(ai) einer risikobehafteten Anlage ai bei Person 1 stets geringer als bei Person 2.Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 172Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti
Kapitel 05 – Nutzentheorie:Kennzahlen der Risikoeinstellung II
ARA (Fortsetzung):1. Konstante (absolute) Risikoaversion (CARA):
.
Die Risikoprämie für eine risikobehaftete Anlage (vgl. Kapitel 03 – Risiko: Grundbegriffe) als Differenz zwischen Erwartungswert und Sicherheitsäquivalent dieser Anlage ai ist in diesem Fall eine vom Ergebnis der Anlage (Reichtum des Anlegers) unabhängige Konstante.2. Zunehmende (absolute) Risikoaversion:
.
Die Risikoprämie für eine risikobehaftete Anlage als Differenz zwischen Erwartungswert und Sicherheitsäquivalent dieser Anlage ai nimmt in diesem Fall mit steigendem Ergebnis der Anlage (steigendem Reichtum des Anlegers) zu.
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Kapitel 05 – Nutzentheorie:Kennzahlen der Risikoeinstellung IIIARA (Fortsetzung):3. Abnehmende (absolute) Risikoaversion:
.
Die Risikoprämie für eine risikobehaftete Anlage als Differenz zwischen Erwartungswert und Sicherheitsäquivalent dieser Anlage ai nimmt in diesem Fall mit steigendem Ergebnis der Anlage (steigendem Reichtum des Anlegers) ab.Zu 1. Die einzige Funktion mit konstanter absoluter Risikoaversion (CARA) ist folgende RNF: mitεalsEULERscheZahlundβ 0.Es gilt dabei:
u′ e β ∙ ε undu e β ∙ ε .
⇒u eu e
β ∙ εβ ∙ ε
.
Wegen Φ ∙ Φ Positive lineare Transformierbarkeit) ist αbeliebig.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 174Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti
Kapitel 05 – Nutzentheorie:Kennzahlen der Risikoeinstellung IVARA (Fortsetzung):Zu 1. Der Vorteil dieser exponentiellen RNF mit konstanter absoluter Risikoaversion (CARA) liegt in folgender Überlegung:Bei gegebenem sicherem Vermögen eines Anlegers und der zusätzlichen Chance, ein unsicheres (risikobehaftetes) Asset ai mit unterschiedlichen möglichen Erträgen bzw. Gewinnen aus dieser Neuanlage zu erwerben, hängt das Entscheidungsverhalten hier nicht von der Höhe des Anfangsvermögens ab. Vor allem das Sicherheitsäquivalent S(ai), mit dem der Anleger das Asset ai bewertet, ist hiervon unabhängig. Als Nebenbedingung muss allerdings das Anfangsvermögen sicher bzw. risikofrei sein, um Diversifikationseinflüsse entsprechend der Portfoliotheorie auszuschließen.Zu 2. Eine wichtige Funktionsgruppe mit zunehmender absoluter Risikoaversion bildet
ßmit und .Zu dieser Gruppe gehört auch die Quadratfunktion ∙ als häufig verwendeter und mit dem μ-σ-Prinzip vereinbarer Spezialfall.
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Kapitel 05 – Nutzentheorie:Kennzahlen der Risikoeinstellung VARA (Fortsetzung):Zu 2. Es gilt dabei für u e α e ß:
u e β ∙ α e ß undu e β ∙ ß 1 ∙ α e ß .
⇒u eu e
β ∙ ß 1 ∙ α e ß
β ∙ α e ßß
.
Da β 1und e αdefiniert sind, muss stets positiv sein und wird mit steigendem e selbst größer.Die Probleme bei Nutzung einer RNF mit zunehmender absoluter Risikoaversion sind bereits bekannt. Sie bestehen vor allem aus der Eigenschaft dieser RNF, risikobehaftete Anlagemöglichkeiten bei höherem sicheren Vorvermögen niedriger zu bewerten als bei niedrigerem. Dies manifestiert sich dann in einem kleinerem Sicherheitsäquivalent S(ai) (bzw. höherer Risikoprämie) für das gleiche Asset bei steigenden Ausgangsvermögen des Entscheidungsträgers.Die Plausibilitätsschwierigkeiten einer derartigen Annahme, auch wenn die RNF rational im Sinne des Bernoulli-Prinzips sein kann, sind offensichtlich.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 176Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti
Kapitel 05 – Nutzentheorie:Kennzahlen der Risikoeinstellung VIARA (Fortsetzung):Zu 3. Wichtige Funktionsgruppen von Nutzenfunktionen mit abnehmender absoluter Risikoaversion bilden beispielsweise die bereits bekannte RNF
sowie vor allem RNF mit dem natürlichen Logarithmus, wie etwa mit .
Es gilt dabei z.B. für u e ln e α :
u e1
e α undu e1
e α .
⇒u eu e
1e α1
e α
e αe α .
Wegen e α muss stets positiv sein und wird mit steigendem e selbst kleiner.Dies führt dann bei steigendem Ausgangsvermögen zu einem größerem Sicherheitsäquivalent S(ai) (bzw. kleinerer Risikoprämie) für das gleiche Asset.
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Kapitel 05 – Nutzentheorie:Kennzahlen der Risikoeinstellung VIIARA (Fortsetzung):Zu 3. Im Gegensatz zu den Ergebnissen bei Verwendung einer RNF mit zunehmender absoluter Risikoaversion sind die Folgerungen, die aus der Verwendung einer RNF mit abnehmender absoluter Risikoaversion erhältlich sind insgesamt deutlich plausibler, um das reale Anlegerverhalten zu beschreiben. Damit steigt auch ihre Relevanz für das Portfoliomanagement.Es lassen sich bei Rückgriff auf eine Risiko-Nutzen-Funktion mit abnehmender ARA daher folgende Aussagen treffen:• Mit zunehmendem Wohlstand (größerem sicherem Vorvermögen) eines
Anlegers wird dieser eher eine geringere Risikoscheu in Hinblick auf ein Investment in eine zusätzliche risikobehaftete Wertpapieranlage besitzen.
• Ceteris paribus steigt mit der Höhe des bisherigen Vermögens das Sicherheitsäquivalent für eine zusätzliche risikobehaftete Anlage.
• Damit sinkt auch die Risikoprämie (als Differenz zwischen Erwartungswert und Sicherheitsäquivalent), die der Emittent des Wertpapieres dem Anleger bieten muss, damit dieser es in sein Portfolio aufnimmt.
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Kapitel 05 – Nutzentheorie:Kennzahlen der Risikoeinstellung VIII
RRA als Maß für die Stärke der Risikoaversion:Neben der absoluten Risikoaversion ARA(e) ist auch eine relative Risikoaversion RRA(e) vorstellbar. Für sie gilt:
∙ ∙ .
Eine wichtige Gruppe von RNF bilden in diesem Zusammenhang die iso-elastischen Risiko-Nutzen-Funktionen. Diese weisen eine konstante relative Risikoaversion CRRA auf, d.h. const.Es ist unmittelbar ersichtlich, dass das Produkt ∙ nur dann konstant sein kann, wenn ARA e für ein steigendes e kompensatorisch sinkt.• : Dies gilt für die RNF mit .
ARA e ⇒ ∙ e .
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Kapitel 05 – Nutzentheorie:Kennzahlen der Risikoeinstellung IX
RRA (Fortsetzung):• : Diese konstante relative Risikoaversion findet sich bei der
Potenzfunktion vom Typ ∙ mit als maßgeblicher RNF. Hier gilt:
u e e bzw.ee undu e α 1 ∙ e bzw. α 1 ∙
ee .
⇒u eu e
α 1 ∙ eeee
.
⇒ α 1e ∙ e .
Für α 1 ist RRA negativ. Dies bedeutet Risikofreude und eine konvex gekrümmte RNF.
Für α 0 und 0 α 1 ist RRA positiv. Dies bedeutet Risikoscheu und eine konkav gekrümmte RNF.
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Kapitel 05 – Nutzentheorie:Kennzahlen der Risikoeinstellung X
Vergleich CARA und CRRA:• CARA mit folgender RNF:
fürγ 0d. h. ARA e y 0.fürARA e 0.
• CRRA mit folgender RNF:
∙ fürγ 0d. h. RRA e 1 γ 1.
fürRRA e 1.Im Vergleich zeigt es sich: Bei höherem Ausgangsvermögen für CRRA (gegenüber CARA) fällt
der Nutzengewinn durch einen Vermögenszuwachs geringer aus. Bei geringerem Vorvermögen fällt dagegen der Nutzenrückgang für
CRRA (gegenüber CARA) durch einen Vermögensverlust stärker ins Gewicht.
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Kapitel 05 – Nutzentheorie:Kennzahlen der Risikoeinstellung XI
Vergleich CARA und CRRA (Fortsetzung):Diese Eigenschaften von CRRA werden auch durch empirische Studien bestätigt:• Wirtschaftssubjekte (bzw.) Anleger besitzen häufig einen
Referenzpunkt.• Auch ein starker Anstieg darüber hinaus bedingt nur geringe
Nutzenverbesserungen.• Auf der Gegenseite führt ein Abfall des Vermögens unter diesen
Referenzpunkt jedoch zu einem starken Nutzenverlust.Weiterhin gilt:• Bei einer CARA-RNF wird in der Tendenz über eine längere Zeit der
Gesamtanlagebetrag in Aktien konstant gehalten; für das variable Restvermögen dann eine sichere(re) Anlageform gewählt.
• Bei einer CRRA-RNF hingegen wird über eine längere Zeit der relative Anteil des Vermögens in Aktien konstant gehalten.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 182Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti
Kapitel 05 – Nutzentheorie:Kennzahlen der Risikoeinstellung XIIVergleich CARA und CRRA (Fortsetzung):Alles in allem geben daher Risiko-Nutzen-Funktionen vom Typ CRRA das realwirtschaftliche Entscheidungsverhalten tatsächlicher Anleger wohl etwas besser wieder als der Typ CARA:• Bei mittlerem Vermögen wird dieses Verhalten gut durch
als RNF approximiert (auch von Bernoulli selbst gewählt).• Bei sehr hohem Vermögen wird das Entscheidungsverhalten dagegen
„vorsichtiger“ und entspricht eher der RNF ⁄ ∙ mit α 0.Zur allgemeinen Verwendbarkeit von Risiko-Nutzen-Funktion:• Bei einer zeitlich kurzfristigen Betrachtung (z.B. Jahresperspektive mit
starken Schwankungen der Ergebnisse) helfen RNF nur wenig.• Bei einer Langfristbetrachtung kann dies anders sein. Hier kommt es
jedoch je nach Wahl der RNF zu erheblichen Ergebnisunterschieden. Zudem besteht hier stets das Problem der Änderung persönlicher Nutzeneinstellungen.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 183Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti
Kapitel 05 – Nutzentheorie:Prospect Theory I
Das Bernoulli-Prinzip bzw. die Erwartungsnutzentheorie bildet bekanntlich ein geschlossenes präskriptives Konzept im Sinn einer normativen Entscheidungstheorie.In der aktuelleren verhaltensorientierten Wirtschaftstheorie (Behavioral Economics) gibt es nun Tendenzen, diesen normativen Blickwinkel durch eine deskriptive und positive Entscheidungs- bzw. Nutzentheorie zu ergänzen.Bei dieser zweiten Perspektive stellt die Übereinstimmung zwischen den konzeptionellen Prämissen des Modells und der ökonomischen Wirklichkeit einen wichtigen Aspekt dar. Insbesondere geht es dabei um die Einarbeitung bedingt bzw. nicht rationaler Aspekte in das Verhalten der am Kapitalmarkt tätigen Parteien.Eine derartige deskriptive und positive Theorie menschlichen Entscheidungsverhaltens repräsentiert die Prospect Theory von Kahneman und Tversky.Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 184Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti
Kapitel 05 – Nutzentheorie:Prospect Theory II
Bei der Prospect Theory geht es vor allem um die Erkenntnis aus vielen empirischen Beobachtungen, dass in der realen Welt Wirtschaftssubjekte erhebliche Schwierigkeiten besitzen, mit Wahrscheinlichkeiten rational im Sinne des Bernoulli-Prinzips umzugehen und entsprechende rationale Kalkulationen, die sich aus den Axiomen der Erwartungsnutzentheorie ableiten lassen, auf Entscheidungen in Risikosituationen anzuwenden.
Dieses Konzept möchte deshalb primär das tatsächlich gezeigte Entscheidungsverhalten von Individuen unter Risiko unabhängig von
normativen Vorgaben beschreiben.
Insofern bildet es eine verhaltensorientierte und deskriptive Alternative zur herkömmlichen und präskriptiven Erwartungsnutzentheorie auf der Basis (vollkommen) rational handelnder Akteure.Gleichzeitig besitzt es eine konzeptionelle Nähe zur Psychologie und Soziologie.
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Kapitel 05 – Nutzentheorie:Prospect Theory III
Grundannahmen der Prospect Theory(empirisch, d.h. aus beobachtetem Verhalten hergeleitet):
1. Nicht-lineare Wahrnehmung von Wahrscheinlichkeiten:Individuen interpretieren gerade sehr kleine (und sehr große) Wahrscheinlichkeiten nicht, wie es eigentlich entsprechend dem Bernoulli-Nutzen sein sollte, in linearer Weise. Vielmehr werden diese Wahrscheinlichkeiten, eingebettet in das jeweilige Entscheidungsumfeld, als nicht-linear wahrgenommen.
⇒Sehr kleine Wahrscheinlichkeiten werden übergewichtet (überbetont).Größere Wahrscheinlichkeiten hingegen werden eher untergewichtet.
2. Relative Veränderungen bezüglich eines Referenzpunktes:Maßgeblich für die Bewertung sind nicht Gesamtergebnisse, etwa im Sinne des zu betrachtenden Gesamtvermögens, sondern relative Veränderungen in der Position des Entscheidungsträgers im Sinne von relativen Gewinnen bzw. Verlusten.
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Kapitel 05 – Nutzentheorie:Prospect Theory IV
Grundannahmen der Prospect Theory (Fortsetzung):⇒Entscheidungen sind referenzpunktabhängig. Dieser Referenzpunkt
muss allerdings nicht zwingend dem gegenwärtigen Zustand entsprechen. Zusammen mit dem angestrebten Zielpunkt definiert der Referenzpunkt Gewinne und Verluste.
3. Das Verhalten bei Gewinnen ist anders als bei Verlusten: Loss Aversion: Verluste werden deutlich negativer bewertet als
auf der Gegenseite gleich hohe Gewinne zu einer positiven Bewertung führen.
Im Bereich von Gewinnen zeigen Individuen ein risikoaversesVerhalten: Für eine Gewinnchance ist die Zahlungsbereitschaft geringer als der Erwartungswert des Gewinnes.
Im Bereich von Verlusten zeigen Individuen dagegen ein risikofreudiges Verhalten: Die Zahlungsbereitschaft zur Absicherung eines möglichen Verlustes ist gering.
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Kapitel 05 – Nutzentheorie:Prospect Theory V
Prospect Theory – Wertefunktion v(x):Als Folge derartiger Grundannahmen besitzt die Prospect Theory deshalb in Teilbereichen eine konvexe, in anderen Teilbereichen eine konkave Wertefunktion v(x) für relative Vermögensänderungen.Bei abnehmendem Grenznutzen (risikoaverse Einstellung) für positive Vermögensänderungen x sowie abnehmendem Grenzleid (risikofreudige Einstellung) für negative Vermögensänderungen x gilt konkret:
Konkavität für Gewinne (v˝(x) < 0, x > 0).Konvexität für Verluste (v˝(x) > 0, x < 0).
Weitere Merkmale der Wertefunktion v(x):• Am steilsten verläuft v(x) in der Umgebung des Referenzpunktes.• Zudem fällt der Kurvenverlauf für Verluste allgemein steiler aus als für
Gewinne (v(x) < -v(-x), x > 0). Diese zweite Charakteristik resultiert aus der Loss Aversion.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 188Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti
Kapitel 05 – Nutzentheorie:Prospect Theory VI
Prospect Theory – Wertefunktion v(x) (Fortsetzung):
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Wert(Nutzen)
(relativer)Verlust
(relativer)GewinnR
R = Referenzpunkt
(relative)Vermögensänderungen
Kapitel 05 – Nutzentheorie:Prospect Theory VII
Prospect Theory – Wertefunktion v(x) (Fortsetzung):Integration und Separation:
• Integration: Ein Individuum, wenn es zwei inhaltlich verbundenen Ereignissen (mit jeweils Gewinnen oder Verlusten) gegenübersteht, fasst diese mental als ein gemeinsames Ereignis zusammen.
• Separation (bzw. Segregation): Zwei inhaltlich verbundene Veränderungen des Vermögens werden getrennt voneinander mental verarbeitet und als Einzelereignisse beurteilt.
Unter Berücksichtigung der Wertefunktion ergeben sich dabei folgende Kombinationen von (Vermögens-)Ereignissen beim Mental Accounting:• Ergebnis mit 2 Gewinnen (x1 und x2):
Aufgrund der Konkavität von v(x(i)) im Bereich der Gewinne werden solche Ereignisse stets möglichst separiert voneinander wahrgenommen. Es gilt: v(x1) + v(x2) > v(x1 + x2).
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Kapitel 05 – Nutzentheorie:Prospect Theory VIII
Prospect Theory – Wertefunktion v(x) (Fortsetzung):• Ergebnis mit 2 Verlusten (-x1 und -x2):
Wegen der Konvexität von v(x(i)) im Bereich der Verluste wird es ein Individuum im Rahmen seines Mental Accounting bevorzugen, diese zu einem einzigen (großen) Verlust zusammenzufassen, also zu integrieren. Es gilt: v(-x1) + v(-x2) < v(-x1 + -x2).
• Gemischtes Ergebnis (x1 und -x2 ) mit einem Gewinn und einem Verlust gleichzeitig. In dieser Situation muss man eine Fallunterscheidung treffen:– Nettogewinn (einschließlich Nullsumme als Ergebnis) (x1 ≥ x2):
Hier ist zu berücksichtigen, dass die Wertefunktion der Prospect Theory grundsätzlich für Verluste steiler verläuft als für Gewinne. Insofern wird für x1 ≥ x2 stets Integration gewählt werden. Dieser Umstand wird mit dem Begriff Cancellation beschrieben.
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Kapitel 05 – Nutzentheorie:Prospect Theory IX
Prospect Theory – Wertefunktion v(x) (Fortsetzung):– Nettoverlust (x1 < x2):
Unter diesen Bedingungen gibt es wegen der Konvexität der Wertefunktion verschiedene Kombinationen von jeweils einem großen Verlustbetrag -x2
* mit einem jeweils kleinen Gewinnbetrag x1
*, ab der für den konstanten kleinen Gewinn x1* sowie für alle
großen Verluste, die mindestens den Betrag -x2* annehmen (aber
auch noch höher ausfallen können), eine Separation günstiger ist. Hier gilt hinsichtlich der Wertefunktionen: v(x1) + v(-x2) > v(x1 – x2). Diese Gegebenheit wird als Silver Lining charakterisiert.Für kleinere Verluste als -x2
* (bei gegebenem x1*) kommt es
dagegen auch bei Nettoverlusten (ähnlich wie bei Nettogewinnen) zu einer Integration (im Sinn einer Beinahe-Cancellation). Diesbezüglich muss dann folgende Beziehung zutreffen:v(x1) + v(-x2) < v(x1 – x2).
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Kapitel 05 – Nutzentheorie:Prospect Theory X
Prospect Theory – Wertefunktion v(x) (Fortsetzung):• Gemischtes Ergebnis (-x1 und x2):
In dieser quasi spiegelbildlichen Situation zum vorherigen Ereignis (mit x1 und -x2) gelten die analogen Aussagen zum Nettogewinn und Nettoverlust mit umgekehrten Vorzeichen. Auch hier treffen dementsprechend die bereits genannten Fallunterscheidungen in ein Separationsergebnis (Silver Lining) und zwei Integrationsergebnisse (Cancellation und Beinahe-Cancellation) zu.
Integration / Separation am Kapitalmarkt:Börsengang bzw. Initial Public Offering (IPO) von
Unternehmen.Bei erstmaligen Börsengängen von Unternehmen kommt es i.d.R. zu einem Underpricing der jeweiligen Aktien als empirisches Phänomen.
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Kapitel 05 – Nutzentheorie:Prospect Theory XI
Prospect Theory – Wertefunktion v(x) (Fortsetzung):Mit Underpricing bezeichnet man die positive Abweichung des Kurses der Aktie eines IPO am ersten Handelstag an der Börse (Sekundärmarkt) von seinem ehemaligen Emissionspreis (vorbörslicher Primärmarkt).In der Regel wird die Höhe des jeweiligen Underpricing UP (als Prozentwert) in Abhängigkeit vom Ausgabepreis beschrieben. Mit PE für den Ausgabepreis sowie P1 für den Handelspreis am ersten Börsentag gilt daher formal:
mit .
Grundsätzlich vorstellbar, in der Realität bei IPOs jedoch sehr selten vorhanden, ist die eher gegenteilige Situation, dass der Handelskurs am ersten Börsentag niedriger als der Ausgabepreis ausfällt. Ein solcher Sachverhalt mit P1 - PE < 0 wird als Overpricing bezeichnet.
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Kapitel 05 – Nutzentheorie:Prospect Theory XII
Prospect Theory – Wertefunktion v(x) (Fortsetzung):Betrachtet man verschiedene Börsen und verschiedene Zeitepochen, lässt i.d.R. ein durchschnittliches Underpricing bei IPOs erkennen. Dieses liegt klar über 10%.Zu gewissen Zeiten entwickeln sich heiße Märkte (Hot Markets). In diesen Hot Markets kommt es sowohl zu Kursanstiegen als auch zu einer zunehmenden Zahl von IPOs mit hohem Underpricing. Diese IPOs stammen dann zumeist aus bestimmten innovativen, neuen Branchen:
Beispiel: Neuer Markt (Frankfurter Börse) 1997 – 2003:Durchschnittliches Underpricing: 48,8%.
Das Gegenteil von Hot Markets sind Cold Markets (kalte Märkte):Wenige IPOs und ein niedriges Underpricing.
Beispiel: Deutsche Börse 2004 – 2007:Durchschnittliches Underpricing: 4,7%.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 195Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti
Kapitel 05 – Nutzentheorie:Prospect Theory XIII
Prospect Theory – Wertefunktion v(x) (Fortsetzung):• Für den vorbörslichen Erstkäufer der Aktie:Er erhält die Wertpapiere zu einem (deutlich) geringeren Betrag als dem nur wenig später im anfänglichen Börsenhandel für diese Aktie gezahlten Preis. Underpricing ist für ihn ein schneller und im Durchschnitt sicherer Zeichnungsgewinn.• Für den vorbörslichen Verkäufer der Aktie, d.h. emittierendes
Unternehmen und/oder Alteigentümer der Aktie:Differenzierung:• Primäre Aktien: Emission neuer Aktien des Unternehmens durch
Kapitalerhöhung und mit dem Ziel der Gewinnung zusätzlichen Eigenkapitals.
• Sekundäre Aktien: Emission bereits vorhandener Aktien aus dem Bestand von Altaktionären (z.B. Private Equity Gesellschaft), die sich damit i.d.R. von Teilen ihrer Beteiligung am Unternehmen trennen.
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Kapitel 05 – Nutzentheorie:Prospect Theory XIV
Prospect Theory – Wertefunktion v(x) (Fortsetzung):Für den vorbörslichen Verkäufer ist der Unterschied zwischen Primär-und Sekundärmarktkurs stets ein entgangener Gewinn aus dem Verkauf von Unternehmensanteilen. Deshalb gehören Underpricing-bedingte nicht realisierte Verkaufserlöse auch zu den indirekten bzw. Opportunitätskosten eines Börsengangs, die zusätzlich zu den direkten Emissionskosten anfallen.⇒Aus Sicht des kapitalsuchenden Unternehmens bzw. der Alteigentümer ist es deshalb ökonomisch sinnvoll, einen vorbörslichen Emissionspreis anzustreben, der möglichst nahe am künftigen Börsenpreis liegt.Wohl gibt es bei einem IPO noch keinen bisherigen Börsenkurs für die Aktie, d.h. keine bisherige Einschätzung des Marktes, an dem sich der Emissionspreis orientieren kann. Wenn die Abweichung des Primär- vom Sekundärmarktkurs deshalb nur auf einer ungenauen Schätzung des letzteren beruhte, käme es durchschnittlich zu keinem Underpricing.Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 197Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti
Kapitel 05 – Nutzentheorie:Prospect Theory XV
Prospect Theory – Wertefunktion v(x) (Fortsetzung):Das Underpricing stellt jedoch eine systematische durchschnittlicheAbweichung des Emissions- vom späteren Börsenkurs dar, deren Höhe speziell in Hot Markets häufig die Hälfte (und noch mehr) des vorbörslichen Preises annimmt!Neben den Emittenten und den Erstkäufern spielen auch Banken bei einem IPO i.d.R. als Emissionsbegleiter eine wichtige Rolle.Wieso wählen die vorbörslichen Verkäufer (Unternehmen/Altaktionäre) im Durchschnitt nicht einen höheren Emissionspreis bzw. akzeptieren, den i.d.R. von der Investmentbank ermittelten, zu niedrigen Emissionspreis?⇒Es gibt eine Vielzahl von Erklärungsmodellen zum Underpricing!Eine Begründung für die Bereitschaft der Verkäufer, dieses Underpricing zu tolerieren, liefert die Prospect Theory mit ihrer Wertefunktion und dem Konzept Integration/Separation von (verbundenen) Ereignissen.
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Kapitel 05 – Nutzentheorie:Prospect Theory XVI
Prospect Theory – Wertefunktion v(x) (Fortsetzung):
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 199Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti
Overpricing(als Gewinn)
R
Underpricing(als Verlust)
Integration(Cancellation)
Separation
Integration
Separation(SilverLining)
Separation(SilverLining)
Integration(Beinahe-
Cancellation)
Integration(Cancellation)
Integration(Beinahe-
Cancellation)
Marktwertanstieg(als Gewinn)
Marktwertrückgang(als Verlust)
Kapitel 05 – Nutzentheorie:Prospect Theory XVII
Prospect Theory – Wertefunktion v(x) (Fortsetzung):• Als erstes Ereignis (x1) gilt die Marktwertentwicklung der Aktie vom Tag der
Registrierung (geschätzter Marktwert) bis zum Ende des ersten Handelstages: Ein Anstieg des Marktwertes der Aktie in diesem Zeitraum ist ein Gewinn, ein Rückgang des Marktwertes ein Verlust.
• Das zweite vermögenswirksame Ereignis (x2) zeigt sich dagegen im Ausmaß der Differenz zwischen Emissionspreis und Börsenkurs am ersten Handelstag: Folglich wird ein Underpricing als Verlust gesehen, ein Overpricing hingegen als Gewinn.
Bedeutsam ist vor allem der rechte untere Quadrant der Graphik, denn hier findet sich das übliche Standardergebnis von Aktienerstemissionen:• Einerseits kommt es zu einem Verlust durch Underpricing beim Alteigentümer,
sofern er beim IPO (sekundäre) Aktien aus seinem Eigentum verkauft hat.• Andererseits ist der Kurs im Börsenhandel i.d.R. höher als die vorbörslichen
Marktwertschätzungen zur Aktie, so dass ein Vermögensgewinn für den Ersteigner des Unternehmens entsteht, wenn er nach dem IPO noch Anteile hält.
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Kapitel 05 – Nutzentheorie:Prospect Theory XVIII
Prospect Theory – Wertefunktion v(x) (Fortsetzung):Für den Fall eines Nettogewinns, bei dem der Vermögenszuwachs durch die Marktwertänderung in der Summe höher ausfällt als der Vermögensverlust durch Underpricing, kommt es zu einer Integration beider Vermögensänderungen im Sinn des als Cancellationbezeichneten Ergebnisses der individuellen Wertefunktion.M.a.W.: Gemäß der Prospect Theory wird ein etwaiges Underpricing von den betroffenen Verkäufern nicht als eigenständiges negatives Ereignis, das eine persönliche Vermögensminderung nach sich zieht, mental verarbeitet. Vielmehr wird es mit den Gewinnen aus den geänderten Marktwerten zu einem positiven Gesamtereignis zusammengeführt.Was ein Marktteilnehmer, hier der Emittent bzw. Alteigentümer, jedoch nicht als unwillkommen wahrnimmt, dagegen wird er sich aus Sicht der Behavioral Finance kaum widersetzen.
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Kapitel 05 – Nutzentheorie:Prospect Theory XIX
Prospect Theory – Wertefunktion v(x) (Fortsetzung):• Auftreten von Hot / Cold Markets:Auch für dieses Phänomen, welches den zyklischen Charakter von IPOs sowohl hinsichtlich des Underpricing-Ausmaßes als auch der Zahl der Neuemissionen und der Kursentwicklung am Markt beschreibt, liefert die verhaltensorientierte Perspektive der Prospect Theory einen Beitrag.Erneut liegt dieser vor allem in der Beziehung zwischen den beiden inhaltlich verbundenen Ereignissen Marktwertänderung und Ausmaß des Underpricing. Grundsätzlich sagt die Prospect Theory hierbei voraus, dass bei steigenden Marktpreisen für Aktien gleichzeitig auch das Underpricing in der Tendenz zunehmen sollte. Denn hohe positive Änderungen im Marktwert erlauben gleichzeitig hohe Zeichnungsgewinne für die Primärmarktkäufer, ohne dass der Bereich der integrativen mentalen Verarbeitung auf Emittentenseite verlassen wird.
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Kapitel 05 – Nutzentheorie:Prospect Theory XX
Prospect Theory – Biases (Verzerrungen):Im Rahmen der Prospect Theory werden diverse Verzerrungen (Biases) des Wahrnehmungs- und Entscheidungsverhaltens von Individuen beschrieben. Unter dem Oberbegriff der Overconfidence werden einige wichtige dieser Verzerrungen vorgestellt:• Overconfidence: Überschätzung der eigenen Kenntnisse und
Fähigkeiten durch Wirtschaftssubjekte sowie Fehlgewichtung vergangener Informationen oder Fehlinterpretation der Qualität privater Signale.
Bei Entscheidungen unter Unsicherheit/Risiko bedingt Overconfidence, dass Individuen zu großes Vertrauen in ihr eigenes Urteil haben und bedingte Wahrscheinlichkeiten unterschätzen. Es kommt zu Fehleinschätzungen von Wahrscheinlichkeiten.Je schwieriger das Entscheidungsproblem ist, desto eher tritt Overconfidence auf.Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 203Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti
Kapitel 05 – Nutzentheorie:Prospect Theory XXI
Prospect Theory – Biases (Fortsetzung):Overconfidence auf Kapitalmärkten kann etwa folgendes bewirken:Anleger überschätzen ihre eigenen Fähigkeiten hinsichtlich Anlageentscheidungen, stufen ihre Kenntnisse über denen von anderen ein. Selbst erstellte Marktprognosen werden mit einer sachlich nicht begründeten Sicherheit versehen. So wird die Streuung zukünftiger Aktienrenditen unterschätzt oder die Ertragschancen eines Investitionsprojektes werden im Vergleich zu Alternativen fehlgedeutet.Motivationale Basis von Overconfidence: Informationsillusion als Annahmen von Individuen, die
Prognosequalität wachse durch mehr Informationen. Deren Genauigkeit und Validität steigt jedoch nicht mit der Zunahme an Informationen an, sondern verläuft eher linear. Parallel kommt es aber zu einer höheren Selbstsicherheit und zur Selbstüberschätzung.
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Kapitel 05 – Nutzentheorie:Prospect Theory XXII
Prospect Theory – Biases (Fortsetzung):Motivationale Basis von Overconfidence: Kontrollillusion: Bei zukünftigen Ereignissen antizipieren Akteure,
dass sie Kontrolle über ein im eigentlichen Sinne unkontrollierbares Geschehen haben. Dies vermittelt ihnen Gefühle von Sicherheit und Handlungsfähigkeit. Vor allem Optimisten überschätzen ihre eigenen Fähigkeiten und unterschätzen Aspekte wie Zufall.
Ungerechtfertigter Optimismus: Tendenz zur Überschätzung der Eintrittswahrscheinlichkeit zukünftiger, positiver Ereignisse bei gleichzeitiger systematischer Unterschätzung der Wahrscheinlichkeit von negativen Ereignissen oder des Einflusses von Zufälligem.Ein solcher nicht begründeter Optimismus verstärkt die Overconfidence, so dass Anleger Risiken unterschätzen und anfällig für Überraschungen werden.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 205Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti
Kapitel 05 – Nutzentheorie:Prospect Theory XXIII
Prospect Theory – Biases (Fortsetzung):Motivationale Ursachen von Overconfidence: Attributation Bias: Entscheidungsträger neigen dazu, Erfolge
eigenen Fähigkeiten und Kenntnissen zuzuschreiben. Diese werden folglich internen Persönlichkeitsfaktoren attributiert, während Misserfolge tendenziell externen Umweltfaktoren beigemessen werden. Als externe Faktoren gelten unglückliche oder ungünstige Umstände. Diese liegen außerhalb des individuell Beeinflussbaren.
Better-Than-Average-Effekt (BTA-Effekt): Bei Unsicherheit schätzen Individuen ihre eigenen Fähigkeiten nicht auf der Basis objektiver Referenzwerte, sondern ziehen eher subjektive Vergleiche mit anderen zur Unsicherheitsverringerung heran. Dies bedingt eine subjektive Wahrnehmungsverzerrung im Form zu hoch eingeschätzter eigener (als überdurchschnittlich empfundener) Fähigkeiten und führt zu Fehlurteilen.
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Kapitel 05 – Nutzentheorie:Prospect Theory XXIV
Prospect Theory – Biases (Fortsetzung):Motivationale Ursachen von Overconfidence: Confirmation Bias: Tendenz, nach Informationen zu suchen oder
diese stärker zu gewichten, welche die eigene Meinung bestätigen (“confirm“), sowie Neigung, widersprüchliche Argumente zu ignorieren oder stark unterzugewichten. Diese Verzerrung führt zu einer falschen Überbewertung der Qualität der ursprünglichen Einschätzung und schreibt gegensätzliche Befunde Datenfehlern oder dem Zufall zu. Sie dient der Motivation und Bestärkung des Selbstwertgefühls, verhindert allerdings eine zeitoptimale Anpassung alter (Anlage-)Entscheidungen.Ein derartiges Verhalten entspricht nicht rationaler Aktualisierung von Informationen (Bayes-Theorem), sondern verstärkt polarisierte Standpunkte in der Realität. Gleichzeitig begründet es Ineffizienzen auf Kapitalmärkten, indem Anleger bei erfolglosen Strategien verbleiben sowie vorhandene Fehlbewertungen längerfristig bestehen.
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Kapitel 05 – Nutzentheorie:Prospect Theory XXV
Prospect Theory – Biases (Fortsetzung):Motivationale Ursachen von Overconfidence: Hindsight Bias: Individuen sind nach dem Eintritt eines Ereignisses
davon überzeugt, dass sie dessen Ergebnis schon im Vorfeld vorhergesagt hätten. Sie überschätzen ex post den eigenen, damaligen Wissensstand und unterliegen damit einer Kontrollillusion.Beispiel ehemaliger Anleger in der „Dotcom-Blase“ (1990er Jahre): Viele Investoren erlitten dabei große Verluste, gaben im Nachhinein jedoch an, die spekulative Blase im Vorfeld erkannt zu haben. Glaubt ein Anleger an seine Fähigkeiten hierbei, so wirkt diese (überschätzte) Wahrnehmung der eigenen Kompetenz auch auf künftige Prognosen und schafft Overconfidence, etwa in Form neuer Fehlbeurteilungen bei neuen Anlageentscheidungen. Mögliche Lerneffekte aus früheren Fehlschlägen werden dagegen unterbunden.
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Kapitel 05 – Nutzentheorie:Prospect Theory XXVI
Prospect Theory – Biases (Fortsetzung):Kognitive Ursachen von Overconfidence:Heuristiken: Sie sind kognitive Operationen in Form mentaler vereinfachender Daumenregeln bei der Urteilsfindung unter Unsicherheit, d.h. auf Basis unvollständiger Informationen in komplexen Situationen. Die Entstehung von Overconfidence kann dabei auf systematische Fehler in der Wahrnehmung und Verarbeitung von Informationen zurückgeführt werden. Verfügbarkeitsheuristik (Availability): Diese Heuristik basiert auf
dem Prinzip der Überbewertung der Wahrscheinlichkeit kognitiv abrufbarer (subjektiv greifbarer) sowie neuer („frischer“) Informationen bei gleichzeitiger Vernachlässigung weniger schnell verfügbarer bzw. älterer Optionen. Ihre Anwendung erhöht die Effizienz durch die schnelle Disponibilität von Entscheidungsregeln, kann aber ebenso systematisch zu einer Overconfidence führen.
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Kapitel 05 – Nutzentheorie:Prospect Theory XXVII
Prospect Theory – Biases (Fortsetzung):Kognitive Ursachen von Overconfidence: Verfügbarkeitsheuristik (Fortsetzung):
Eine Verzerrung entsteht z.B. durch die überproportionale Gewichtung von aktuellen medienwirksam inszenierten Nachrichten im Vergleich zu anderen Informationen. Bereits allein die (zu) lebhafte Sprache einer neuen Nachricht, z.B. in der Finanzpresse, kann übermäßige Stimmungswechsel bei Investoren verursachen und unter Umständen Bubbles und Paniken an den Märkten verstärken.Nicht alle Informationen werden gleich verarbeitet. Nur einige werden genau geprüft, andere dagegen durch Heuristiken kategorisiert und u.U. unzureichend ausgewertet, etwa indem sich das Individuum nur darauf beruft, wie lebhaft es sich Ereignisse vorstellen kann oder wie lang ähnliche oder eigene Erfahrungen zurückliegen.
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Kapitel 05 – Nutzentheorie:Prospect Theory XXVIII
Prospect Theory – Biases (Fortsetzung):Kognitive Ursachen von Overconfidence: Verankerungs- und Anpassungsheuristik (Anchoring und
Adjustment): Gerade in unbekannten Situationen werden Referenzpunkte, d.h. selbst konstruierte oder vorgegebene Anker, als Entscheidungsgrundlage herangezogen, wobei eine fortlaufende Anpassung bis zur Urteilsbildung erfolgt. Dabei besteht die Gefahr der Verankerung an irrelevanten Informationen und einer unzureichenden Anpassung nach Eingang neuer, relevanter InformationenAnchoring kann an Börsen zu systematischen Verzerrungen führen: Beispielsweise können vergangene (und veraltete) Expertenurteile bei der Bewertung einer Aktie das Anlegerurteil stärker prägen als neu hinzugekommene aktuelle Informationen, obwohl letztere den vorhandenen früheren Informationen teilweise widersprechen und eigentlich eine Neubetrachtung erforderten.
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Kapitel 05 – Nutzentheorie:Prospect Theory XXIX
Prospect Theory – Biases (Fortsetzung):Kognitive Ursachen von Overconfidence: Repräsentativitätsheuristik (Representativeness): Sie fungiert als
Vereinfachung der Informationsverarbeitung und führt zu Urteilen auf Basis von Stereotypen und Schemata. Passt ein Schema auf eine aktuelle Situation, wird dessen Wahrheitsgehalt schnell überschätzt. Bei zufälliger Bestätigung verfestigt sich das Schema auf Kosten der Genauigkeit und wird fehleranfälliger, da reale Wahrscheinlichkeiten zugunsten habitueller Präferenzen ignoriert werden. Gambler‘s Fallacy: Neigung von Entscheidern, aus der Beobachtung von per se gleichwahrscheinlichen Ereignissen, falsche bedingte Wahrscheinlichkeiten ermitteln zu wollen. Beispiele sind die Annahme, nach 10 mal rot muss schwarz im Roulette eintreffen, oder der Glaube mancher Anleger, nach steigenden Aktienkursen sollten diese künftig eher fallen.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 212Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti
Kapitel 05 – Nutzentheorie:Prospect Theory XXX
Prospect Theory – Biases (Fortsetzung):Kognitive Ursachen von Overconfidence: Framing: Die jeweilige Darstellung von Informationen beeinflusst die
Entscheidungen von Individuen, d.h. unterschiedliche Darstellungen können trotz gleichem Inhalt zu unterschiedlichen Ergebnissen im Entscheidungsverhalten führen.So ist es bedeutsam, ob Informationen zu einem Ereignis auf einmal oder nacheinander vorgestellt werden. Außerdem hängt die Wirkung verschiedener Nachrichten von ihrer konkreten Reihenfolge ab (Relevanz der ersten/letzten Information zu einem Thema). Abhängig von der konkreten Präsentation, z.B. je nachdem ob Verluste tatsächlich als solche (negativer) oder als entgangene Gewinne (positiver) beschrieben werden, kommt es zu abweichenden Entscheidungen.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 213Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti
Kapitel 05 – Nutzentheorie:Prospect Theory XXXI
Prospect Theory – Biases (Fortsetzung):Folgen von Overconfidence: Beispiel:Overconfidence als Motivation für Handelsaktivitäten an den Börsen.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 214Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti
(Subjektive) Bewertung
0
Spielraumfür Handel
Ohne Overconfidence:ähnliche Bewertungen
Mit Overconfidence: unterschiedliche Bewertungen
Bei Overconfidence werden die Bewertungen vom
aktuellen Besitzer und vom potentiellen Käufer auf enge
Intervalle reduziert. Ein Handel wird möglich.
Kapitel 06 – Kapitalmarkttheorie:Markteffizienz I
Vorhersagbarkeit von Preisen auf Kapitalmärkten: Die Frage, ob und in welchem Ausmaß sich die künftigen Preise von Assets vorhersagen lassen, stellt ein elementares Problem nicht nur der finanzwirtschaftlichen Praxis, sondern auch der zugehörigen Theorie dar.Speziell zum Verhalten von Aktienkursen im Zeitablauf gibt es verschiedene Modelle:• Martingal-Modell:
| .: Preis eines Wertpapieres in der aktuellen Periode t.
: Preis eines Wertpapieres in der nächsten Periode t+1.: In der aktuellen Periode t verfügbare Informationen (d.h. nur die
aktuell tatsächlich vorhandenen Informationen).| : Erwarteter Preis eines Wertpapieres in der nächsten Periode
auf der Basis der aktuell verfügbaren Informationen.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 215Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti
Kapitel 06 – Kapitalmarkttheorie:Markteffizienz II
Vorhersagbarkeit von Preisen (Fortsetzung): • Martingal-Modell (Fortsetzung): Aussagegehalt dieses Modells:Der zukünftige Preis eines Wertpapiers entwickelt sich in gewisser Weise beliebig gemäß eines (nicht weiter definierten) zufälligen oder auch stochastischen Prozesses. Es gilt lediglich, dass die Erwartungen zum künftigen Preis in Abhängigkeit von der gegenwärtigen Informationslage dem heutigen Preis entsprechen. M.a.W.: Alles aktuell verfügbare Wissen ist bereits im heutigen Preis (als Ergebnis von Markthandlungen) enthalten.Wechselt man zu einer spieltheoretischen Sicht, handelt es sich deshalb beim Besitz (Halten) von Wertpapieren um ein Fair Game mit einem zu erwartenden Gewinn in Höhe von Null, wenn die Besitzer der Wertpapiere Zugang zu den Informationen Ω haben . Formal gilt:
| .
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 216Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti
Kapitel 06 – Kapitalmarkttheorie:Markteffizienz III
Vorhersagbarkeit von Preisen (Fortsetzung): • Martingal-Modell (Fortsetzung): Erwartete Wertpapierrendite:Wenn zusätzlich noch berücksichtigt wird, dass Wertpapiere i.d.R. eine (positive) Renditeerwartung besitzen, gilt mit der Konstante μ (> 0) folgendes Submartingal:
| ∙ .
Umgeformt in | und wegen folgt daraus:
||
.
Dies bedeutet nicht nur, dass die durchschnittliche Renditeerwartung eine Konstante (μ) darstellt, sondern auch dass diese Renditeerwartung nicht von den in der aktuellen Periode t verfügbaren Informationen (Ω ) abhängt. Formal gilt dazu:
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 217Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti
Kapitel 06 – Kapitalmarkttheorie:Markteffizienz IV
Vorhersagbarkeit von Preisen (Fortsetzung): • Martingal-Modell (Fortsetzung): Erwartete Wertpapierrendite:
| .Die unbedingte Renditeerwartung entspricht der bedingten (von allen verfügbaren Informationen zum Zeitpunkt t abhängigen) Renditeerwartung ( | ).M.a.W.: Alle zum Zeitpunkt t vorhandenen und für das Wertpapier relevanten Informationen besitzen keinen (Zusatz-)Wert bei der Vorhersage der künftigen Rendite (und Kurse)!Ergänzend lässt sich auch folgende Zusatzannahme treffen:
| .| : Differenz zwischen tatsächlicher Rendite und Renditevorhersage eines
(einzelnen) Akteurs mit Informationsstand Ω .| : Durchschnittlich(e) (zu erwartende) Differenz zwischen tatsächlicher
Rendite und den Renditevorhersagen einer großen Zahl von Akteuren mit Ω .Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 218Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti
Kapitel 06 – Kapitalmarkttheorie:Markteffizienz V
Vorhersagbarkeit von Preisen (Fortsetzung): • Martingal-Modell (Fortsetzung): Erwartete Wertpapierrendite:Mit dieser Zusatzannahme | gilt dann:
.Diese Aussagen implizieren dabei folgendes: Die von allen Marktteilnehmern im Durchschnitt erwartete Rendite
E R |Ω entspricht der tatsächlich im Durchschnitt auftretenden Rendite R eines Wertpapieres: Der Markt als Ganzes irrt nicht!
Einzelne Marktteilnehmer können wohl durchaus davon abweichende Renditeerwartungen ε |Ω besitzen. Dabei handelt es sich jedoch stets um zufällige Abweichungen.
Ebenso kann die in einzelnen Perioden tatsächlich realisierte Rendite R von der durchschnittlich erwarteten Rendite E R |Ω μ um ε abweichen. Auch diese Abweichung ist stets zufällig.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 219Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti
Kapitel 06 – Kapitalmarkttheorie:Markteffizienz VI
Vorhersagbarkeit von Preisen (Fortsetzung): • Martingal-Modell (Fortsetzung):Aufgrund der vorhergehend genannten Implikationen schließt das Martingal-Modell der Markteffizienz außerdem aus, dass es auf einem effizienten Kapitalmarkt zu systematischen Verzerrungen (Biases) kommt, die sich auf die durchschnittlichen Erwartungen bezüglich der Durchschnittspreise bzw. Durchschnittsrenditen auswirken.Bei einzelnen Marktteilnehmern lassen sich Phänomene im Sinn von Biases nicht ausschließen. Immer jedoch gibt es auf der Gegenseite zugleich Akteure, deren Erwartungen (und Markthandlungen) derartige Verzerrungen kompensieren. ⇒In einem effizienten Markt gemäß dem Martingal-Modell entspricht dieser Marktpreis dann immer auch dem intrinsisch angemessenen (dem „fairen“) Wertpapierpreis. Systematische Biases bei vielen Marktteilnehmern und ihre Folgen, wie etwa Bubbles, existieren dagegen nicht.⇒ Martingal-Modell und Behavioral Finance sind gegensätzlicher Natur!
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 220Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti
Kapitel 06 – Kapitalmarkttheorie:Markteffizienz VII
Vorhersagbarkeit von Preisen (Fortsetzung): • Random-Walk-Modell:Während das Martingal-Modell kaum Aussagen zu dem Zufallsprozess liefert, der die künftigen Renditen (und konsekutiv die Wertpapierpreise) schwanken lässt (R μ ε ), zeichnen sich die auf das Martingal-Modell aufbauenden Random-Walk-Modelle durch spezifischere und restriktivere Aussagen zu als Schwankungsparameter (und damit auch zu R und p ) aus.Übliche Restriktionen:1. Alle Zufallsgrößen ε sind statistisch unabhängig voneinander für k 0.2. Alle Zufallsgrößen ε sind statistisch unabhängig und identisch verteilt (d.h.
sie besitzen alle die gleiche Wahrscheinlichkeitsverteilung für k 0.Alle Random-Walk-Modelle setzen grundsätzlich ein Martingal-Modell voraus. Das Modell 2 enthält zudem implizit das Modell 1.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 221Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti
Kapitel 06 – Kapitalmarkttheorie:Markteffizienz VIII
Vorhersagbarkeit von Preisen (Fortsetzung): • Random-Walk-Modell: Spezialfall Brownsche Bewegung:Ein besonders bekannter Spezialfall eines Random-Walk-Modells (mit deshalb noch engeren Prämissen) ist ein Modell, welches für den zugrundeliegenden Zufallsprozess eine geometrische Brownsche Bewegung annimmt. Dieses Modell wird vor allem bei der Beschreibung von Finanzderivaten, besonders Optionen, verwendet.Alle Zufallsgrößen ε sind hier nicht nur statistisch unabhängig und identisch verteilt, sondern entsprechen einer Normalverteilung (mit σ für die Schwankung)!Bezüglich der empirischen Testbarkeit der verschiedenen Modelle gilt allgemein der Grundsatz, je spezifischer (mit restriktiveren Prämissen) ausgestaltet dieses Modell ist, desto einfacher lässt es sich in der Realität überprüfen:Tendenziell zeigt es sich, dass gerade Random-Walk-Modelle hier Probleme haben und künftige Wertpapierpreise, in gewisser Weise und mit einer gewissen Fehlerquote, aus gegenwärtigen und vergangenen Preise vorhersagbar sind!
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 222Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti
Kapitel 06 – Kapitalmarkttheorie:Markteffizienz IX
Informationseffizienz: Das bisher beschriebene Konzept der Markteffizienz bezieht sich auf den Aspekt der Informationseffizienz:Ein Kapital- bzw. Wertpapiermarkt ist effizient, wenn er vollständig und korrekt alle zu einem Zeitpunkt relevanten Informationen (d.h. Ω ) in den Preisen der Wertpapiere berücksichtigt.Dies bedeutet nun nichts anderes als die Annahme, alle Marktteilnehmer würden beim Eintreffen neuer wichtiger Nachrichten hinsichtlich von Wertpapieren sowohl schnell als auch rational handeln. Innerhalb einer sehr kurzen Zeitspanne würde deren Kurse genau auf den jeweiligen korrekten Preisniveaus liegen, die sich unter Kenntnis des vorhandenen Wissens aus den neuen Nachrichten sowie aus allen anderen, vorhersehbaren Entwicklungen errechnen lassen.Rationale Erwartungen: Da alle Preise auf einem effizienten Markt zu jedem Zeitpunkt t die jeweils bekannten Informationen enthalten, kommt es auch zu keinen Kursveränderungen bei „neuen“ Meldungen, die lediglich bisherige Erwartungen bestätigen, sondern nur bei wirklich „überraschenden“ Nachrichten.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 223Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti
Kapitel 06 – Kapitalmarkttheorie:Markteffizienz X
Informationseffizienz(Fortsetzung): I.d.R. unterscheidet man nach Fama bei Wertpapiermärkten drei Formen von Informationseffizienz, die sich im jeweiligen Ausmaß der Effizienz unterscheiden:1. Schwache Informationseffizienz:
Ω beschreibt alle bis t eingetretenen, historischen Kurse. M.a.W.: Alle Informationen zu den vergangenen Kursentwicklungen sind im aktuellen Marktpreis berücksichtigt.Zusätzliche sowohl öffentliche als auch private Kenntnisse können jedoch fehlen!
⇒ Durch eine rein technische Wertpapieranalyse lassen sich deshalb keine Überrenditen erzielen.
2. Halbstarke (halbstrenge) Informationseffizienz:Ω umfasst neben allen historischen Kursen zusätzlich auch alle bis zum Zeitpunkt t öffentlich verfügbaren Informationen. Dazu gehören Berichte von Medien, Jahresabschlüsse, Ad-hoc-Mitteilungen und andere Ankündigungen sowie auch politische Beschlüsse.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 224Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti
Kapitel 06 – Kapitalmarkttheorie:Markteffizienz XI
Informationseffizienz(Fortsetzung): 2. Halbstarke (halbstrenge) Informationseffizienz (Fortsetzung):
Zusätzliche private Kenntnisse (einzelner Marktteilnehmer) können jedoch fehlen!
⇒ Durch eine fundamentale Wertpapieranalyse lassen sich deshalb keine Überrenditen erzielen.
3. Starke (strenge) Informationseffizienz:Ω umfasst neben allen historischen Kursen und allen öffentlichen Informationen zusätzlich auch alle privaten Kenntnisse einzelner Marktteilnehmer, insbesondere das Insiderwissen und die (vertraulichen) Kenntnisse, Pläne einzelner Manager, Wirtschaftsprüfer oder Politiker.
⇒ Auch durch Insiderwissen und –geschäfte lassen sich keine Überrenditen erzielen, da jede Information, auch wenn sie (zunächst) nur wenigen Personen zugänglich ist, unverzüglich im Marktpreis berücksichtigt wird.
Die starke Informationseffizienz beinhaltet stets auch die halbstarke Form und die halbstarke Informationseffizienz beinhaltet stets auch die schwache Form.Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 225Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti
Kapitel 06 – Kapitalmarkttheorie:Markteffizienz XII
Reale Markteffizienz: Insgesamt sind die empirischen Ergebnisse gemischt mit tendenziell widersprüchlichen Ergebnissen. Dennoch bestehen einige Grundtrends:• Nach aktuellem Wissensstand muss die starke Informationseffizienz für reale
Wertpapiermärkte auf jeden Fall abgelehnt werden!• Auf der Gegenseite geht die aktuelle wissenschaftliche Mehrheitsmeinung
davon aus, dass Aktien- und Anleihemärkte sich i.d.R. als informationseffizient im Sinne der schwachen Form zeigen.
• Hinsichtlich der halbstarken Informationseffizienz ist der Forschungsstand dagegen schon uneinheitlicher.
Verschiedene reale Märkte können außerdem unterschiedlich effizient sein (Zunahme der Ineffizienz bei höherer Ungewissheit zum Wert/Preis eines Assets).Paradox von Grossman und Stiglitz: Wenn die Marktpreise stets alle Informationen widerspiegeln, gibt es für Marktteilnehmer keine Anreize, neue Informationen kostenpflichtig zu sammeln. ⇒Solange der Informationserwerb mit Kosten einhergeht, müssen Akteure dafür eine Kompensation erhalten!
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 226Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti
Kapitel 06 – Kapitalmarkttheorie:Markteffizienz XIII
Wertpapieranomalien: Anomalien allgemein sind Phänomene auf den Wertpapiermärkten, die sich durch den aktuellen Wissensstand bzw. die aktuellen wirtschaftstheoretischen Modelle zu diesen Märkten nicht erklären lassen.I.d.R. spricht man von Kapitalmarktanomalien, wenn diese Phänomene im Gegensatz zur Markteffizienzthese stehen.Bekannte Anomalien:• Das kurzfristige Underpricing von IPOs zusammen mit der langfristigen
Tendenz solcher Aktien zur Underperformance.• Closed-end Mutual Funds (geschlossene Investmentfonds): Die Anteile
solcher Fonds werden an Börsen gehandelt. Neue Fonds notieren i.d.R. mit einem Aufschlag über dem Börsenkursäquivalent ihrer Assets. Ältere Fonds dagegen kosten weniger als die Summe ihrer Assets.
• Wetterabhängigkeit von Aktienmärkten: Die Aktienkursentwicklung ist positiv korreliert mit sonnigen Tagen. Je wolkiger und trüber das Wetter ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit eines Kursrückgangs.
Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti 227Portfoliomanagement Aurelio J. F. Vincenti
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