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Pilotprogramm progress!
Sichere Medikation in
Pflegeheimen
Ergebnisse der
Bestandsaufnahme
Dr. med. Liat Fishman, Dr. Lea Brühwiler,
Andrea Niederhauser
Impulstagung Curaviva Schweiz, Zürich, 11. April 2018
– © Patientensicherheit Schweiz
Einfach…aber immer der richtige Weg?
11.04.2018 2
«Medikamente verschreiben ist einfach, für alle Beteiligten. Z.B. gegen den
Schmerz, man gibt etwas, der Patient will etwas, die Pflege will etwas, für
den Arzt ist es am einfachsten, etwas zu verschreiben, und der Apotheker
verdient auch noch etwas dabei. Das geht relativ schnell von der Hand.» Arzt, 2018
– © Patientensicherheit Schweiz
Problemfelder
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Polymedikation
Häufige Definition: ≥ 5 Medikamente pro
Patient
Polymedikation ist in Pflegeheimen der
Schweiz weit verbreitet. Im Durchschnitt
erhalten Bewohner 9,3 verschiedene
Medikamente. Helsana 2017
Polymedikation geht mit einem erhöhten
Risiko für unerwünschte
Arzneimittelereignisse und
Spitaleinweisungen einher. Tamura, Viktil
Potenziell inadäquate
Medikamente (PIM)
Definition: zu vermeidende
Medikamente bei Älteren, bei
welchen das Risiko für ein
unerwünschtes Arzneimittelereignis
den Nutzen übersteigen kann.
Die Hälfte aller Bewohnenden in
Schweizer Pflegeheimen
verzeichnen einen Langzeitbezug
eines PIM. Helsana 2017
Polymedikation kann gerechtfertigt sein.
Mit steigender Anzahl der Medikamente steigt das Risiko einer inadäquaten Medikation. Coopers, Tamura
– © Patientensicherheit Schweiz
Das Programm progress! Sichere Medikation in Pflegeheimen
nimmt sich diesen Problemfeldern an
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Ziele des Programms
Reduktion von unerwünschten Arzneimittelereignissen bei
Bewohnerinnen und Bewohnern
durch
Reduktion von Polymedikation und sicherer Umgang mit potenziell
inadäquaten Medikamenten für ältere Personen (PIM)
Die individuelle Medikation muss regelmässig und strukturiert auf
Nutzen und Risiken überprüft werden.
– © Patientensicherheit Schweiz
Das progress!-Programm (2017-2020)
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Sensibilisierung und
Information
Problematik
Verbesserungs-
massnahmen
Bestandsaufnahme
Handlungsbedarf, aktuelle Prozesse, Herausforderungen und Lösungsansätze
Methoden: Online-Befragung in Pflegeheimen, explorative Gespräche
Erarbeitung und Testen
von Massnahmen
Die Heterogenität bei
den Pflegeheimen soll
berücksichtigt werden
Die progress!-Programme werden vom BAG initiiert und
finanziert, von Patientensicherheit Schweiz erarbeitet
und durchgeführt.
Das Projektteam ist interdisziplinär und mehrsprachig
zusammengesetzt.
Nationale und internationale Studien und Erfahrungen werden berücksichtigt.
Eine interprofessionelle Fachbegleitgruppe berät das Programm.
– © Patientensicherheit Schweiz
Der erste Schritt im Programm, die Bestandsaufnahme,
ist abgeschlossen
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Online-Befragung
Zielgruppe Pflegedienstleitungen
Dauer 6 Wochen (01.09. -
15.10.2017)
420 von 1525 Pflegeheimen
nahmen teil (28%)
Sprachregionen (D, F, I) etwa
proportional vertreten
Datenbericht auf
www.patientensicherheit.ch
Beitrag in Curaviva Fachzeitschrift
3/2018
Explorative Gespräche
Gespräche mit 12 Haus- und Heim-
Ärzt/innen
Semi-strukturiertes Vorgehen
7 x D, 4 x F, 1 x I
4 in SD-Kantonen, 7 in Nicht-
SD-Kantonen, 1 in Mischkanton
Vereinzelt Austausch mit weiteren
Fachpersonen (z.B.
Apotheker/innen,
Pflegefachpersonen, QM)
– © Patientensicherheit Schweiz
Wie entsteht (ungeeignete) Polymedikation?
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Multimorbidität und Mangel entsprechender Empfehlungen
«Das sind alte Leute, haben bekanntlich schnell 4, 5, 6 Diagnosen. Auch
wenn man ganz korrekt jede einzelne Diagnose für sich behandelt
entsprechend den Guidelines, kommt man schnell auf relativ viele
Medikamente.» Arzt, 2018
– © Patientensicherheit Schweiz
Wie entsteht (ungeeignete) Polymedikation?
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Multimorbidität und Mangel entsprechender Empfehlungen
Zusammenspiel verschiedener Disziplinen und
Therapieansätze
«Warum das Spital so macht, weiss ich nicht. […] viele [Patienten] kommen
auch auf die Chirurgie, und ich denke, da ist ein anderes Verhältnis zu
Medikamenten. Da wird häufig einfach das gegeben, womit sie schon
kommen und dann werden einfach noch die Schmerzmittel noch hinten
drangesetzt. Dann ist das einfach eine lange Liste.» Arzt, 2018
– © Patientensicherheit Schweiz
Wie entsteht (ungeeignete) Polymedikation?
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Multimorbidität und Mangel entsprechender Empfehlungen
Zusammenspiel verschiedener Disziplinen und
Therapieansätze
Wünsche der Patienten/Angehörige
«Viele Patienten, die chronisch krank sind und ein Medikament über lange
Zeit einnehmen müssen, haben vielfach ein inniges Verhältnis zu ihren
Tabletten.» Arzt, 2018
– © Patientensicherheit Schweiz
Wie entsteht (ungeeignete) Polymedikation?
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Multimorbidität und Mangel entsprechender Empfehlungen
Zusammenspiel verschiedener Disziplinen und
Therapieansätze
Wünsche der Patienten/Angehörige
«Verschreibungskaskaden»
Niederschwellige Verordnung/Abgabe eines Medikaments
(z.B. bei störendem Verhalten)
(Länger) bestehende Therapien werden nicht hinterfragt
…
– © Patientensicherheit Schweiz
Die Medikationslisten müssen regelmässig systematisch
überprüft werden
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Definition „Überprüfung der
Medikation“ in der Online-
Befragung
Systematische Bewertung der
individuellen Medikation eines
Bewohnenden:
Angemessen und sicher?
Alle Medikamente indiziert?
Dosierungen korrekt?
Wechselwirkungen?
53.2
11.8
35.0
010
20
30
40
50
60
70
80
90
10
0
% d
er
Be
fra
gte
n (
n=
40
8)
Ja, bei allen Bewohnern Ja, bei Bewohnern mit best. Krit Nein(c) Patientensicherheit Schweiz
Ist in Ihrer Institution eine systematische
Überprüfung der Medikation in fest definierten
Intervallen vorgesehen?
– © Patientensicherheit Schweiz
Im Heimarztmodell ist die regelmässige Überprüfung eher
vorgesehen
11.04.2018 13
49.4 10.9 39.7
41.2 13.7 45.1
68.8 12.9 18.3
0 20 40 60 80 100% der Befragten
Hausarztmodell (n=257)
Mischmodell (n=51)
Heimarztmodell (n=93)
(c) Patientensicherheit Schweiz
Ja, bei allen Bewohnern
Ja, bei Bewohnern mit best. Krit
Nein
Ist eine systematische Überprüfung in fest
definierten Intervallen vorgesehen?
Nach Arztmodell
Hinweis: Der Zusammenhang bedeutet
nicht zwangsläufig eine Kausalität.
– © Patientensicherheit Schweiz
Im Heimen mit erweiterten pharmazeutischen Dienstleistungen
ist die regelmässige Überprüfung eher vorgesehen
11.04.2018 14
39.8 10.2 50.0
57.8 12.5 29.7
0 20 40 60 80 100% der Befragten
Nein (n=108)
Ja (n=296)
Ne
hm
en e
rweite
rte
pharm
azeu
tische
DL in
Ansp
ruch
(c) Patientensicherheit Schweiz
Ja, bei allen Bewohnern
Ja, bei Bewohnern mit best. Krit
Nein
Ist eine systematische Überprüfung in fest
definierten Intervallen vorgesehen?
Nach Heimen, die erweiterte pharmazeutische
Dienstleistungen in Anspruch nehmen oder nicht
Hinweis: Der Zusammenhang bedeutet
nicht zwangsläufig eine Kausalität.
– © Patientensicherheit Schweiz
13.6
38.5
49.4
87.5
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
Qualitätszirkel
Anderes
Pflegeeinstufungen
Arztvisiten
(c) Patientensicherheit Schweiz
% der Fälle (n=265)
Durchführung der Überprüfung
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In welchem Rahmen findet die regelmässige
Überprüfung statt? (Mehrfachantworten)
2.0
5.9
30.2
44.2
62.9
75.4
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
Anderes
Ist nicht klar definiert
Apotheker
Ein interdisziplinäres Team
Pflegefachperson
Der verordnende Arzt
(c) Patientensicherheit Schweiz
% der Fälle (n=407)
Wer führt üblicherweise die Überprüfung der
Medikation durch? (Mehrfachantworten)
– © Patientensicherheit Schweiz
Handlungsfelder für die Verbesserung der Problembereiche
Polymedikation und PIM
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Optimale Medikation
von Pflegeheim-
bewohnenden
Einbezug von Bewohnern
und Angehörigen
Leadership
Sicherheits-kultur
QM
Inter-professionelle
Zusammen-arbeit
(Ärzte, Pflege, Apotheker)
Ressourcen (Personal, Aus-
/Fortbildung, Finanzierung, Digitalisierung)
Pflege-philosophie und konzept
Prozesse und Hilfsmittel für
Verordnung, Überprüfung, Absetzen und
Monitoring
Externe Rahmen-
bedingungen
– © Patientensicherheit Schweiz
Lösungsansätze
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Generell müssen gefördert werden:
Regelmässige und strukturierte Überprüfung
Wissen und Sensibilisierung der Ärzte und Pflege
Interprofessionelle Zusammenarbeit
Entwicklung, Bekanntmachung, Implementierung von Hilfsmitteln (z.B. IT-gestützt)
Mögliche konkrete Massnahmen:
Bei Verordnung PIM-Liste nutzen
Sensibilisierung und Schulung von Pflegepersonal für spezifische Nebenwirkungen von Medikamenten
Rolle Pflegepersonal als Auslöser für Überprüfung stärken
2-3 Mal pro Jahr interprofessionelles Medication Review (Medikationsanalyse) mit «Deprescribing»
(Interprofessionelle) Qualitätszirkel
Rückspiegelung Verordnungszahlen an Ärzte mit Benchmarking
– © Patientensicherheit Schweiz
Weiteres Vorgehen im progress!-Programm
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Das Vertiefungsprojekt (2019-2020)…
testet die Effektivität einer Intervention auf die Reduktion von Polymedikation und PIM
erfolgt in Zusammenarbeit mit ausgewählten Heimen unter Einbezug relevanter
Akteure (z.B. Ärzte-Organisationen)
hat zum Ziel, Empfehlungen für die Problembereiche Polymedikation und PIM zu
formulieren, die in verschiedenen Settings umgesetzt werden können
Programmaufbau
Vertiefungsprojekt
01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 01 02 03 04
2017
08 05 06 07 09 10 11
2018
12 01 02 03
2019
Sensibilisierungskampagne
Bestandsaufnahme Entwicklung Intervention
Grundlagenprojekt
– © Patientensicherheit Schweiz 11.04.2018 19
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
www.patientensicherheit.ch
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